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XXX[. Ueber Pseudoleuk~imie beim Huhn. Yon Dr. Carl lIart~ Prosektor am A.uguste Viktoria-Krankeuhau~ Seh511eborg-Berliu. In dem Beiheft zum 190. Bande von Virchows Archiv haben Koch und Lydia Rabinowitsch fiber eigenartige Organbefunde bei zwei Hfihnern berichtet~ welche sie als aleukamische Lymphome bezeichnen. In dem e[nen Falle zeigten sich Leber und Nieren durchsetzt yon fremd- artigen Rundzellen~ welche, zu unregelmassig begrenzten~ vielfach kon- fiuierenden Knoten zusammengelagert, das Organgewebe verdrangten und substituierten. In den B]inddarmen fanden sich mehrere linsengross% sub- muk0s gelegene Knoten yon gleicher Beschaffenheit. hn zweiten Falle handelte es sich offenbar um den gleichen~ nur viel welter vorgeschrittenen Prozess. Abgesehen yon einem bohnengrossen Knoten im Blinddarm zeigte sich allein die Leber verandert~ welche enorm vergr6ssert war und mikro- skopisch eine vSllige Durchsetzung und Substitution der Leberzellen durch dieselben Zellelemente wie im ersten Falle aufwies. Alle anderen Organ% besonders much das Blut. waren v011ig normal: die Untersnchung des Knochen markes war leider unterblieben. Diesen beiden Fallen scheint allein eine Beobachtung Butterfields zu entsprechen~ welcher unter der Bezeichnung ,aleukaemic lymphadenoid tumor" an drei Hfihnerlebern Veranderungen beschreibt~ die vorwiegend in einer starken Wucherung lymphadenoiden Gewebes im Bereich des peri- portalen Stfitzgerfistes bestanden. Diesen seltenen Befunden m0chte ich einen weiteren anf[igen, welcher anscheinend auf dem gleichen Prozess beruhend~ doch bemerkenswerte Verschiedenheiten gegenfiber den drei erwahnten Fallen aufweist. Leider ist meine Beobachtung eine nur unvollstandig% da ich gelegent- lich einer Gesellschaft veto Hausherrn fiber die eigenartigen Organverande- rungen eines Huhnes um Rat gefragt wurde und nur einige Organstticke in

Ueber Pseudoleukämie beim Huhn

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XXX[.

Ueber Pseudoleuk~imie beim Huhn. Yon

Dr. Carl lIart~ Prosektor am A.uguste Viktoria-Krankeuhau~ Seh511eborg-Berliu.

In dem Beiheft zum 190. Bande von Virchows Archiv haben Koch und Lyd ia R a b i n o w i t s c h fiber eigenartige Organbefunde bei zwei Hfihnern berichtet~ welche sie als aleukamische Lymphome bezeichnen. In dem e[nen Falle zeigten sich Leber und Nieren durchsetzt yon fremd- artigen Rundzellen~ welche, zu unregelmassig begrenzten~ vielfach kon- fiuierenden Knoten zusammengelagert, das Organgewebe verdrangten und substituierten. In den B]inddarmen fanden sich mehrere linsengross% sub- muk0s gelegene Knoten yon gleicher Beschaffenheit. hn zweiten Falle handelte es sich offenbar um den gleichen~ nur viel welter vorgeschrittenen Prozess. Abgesehen yon einem bohnengrossen Knoten im Blinddarm zeigte sich allein die Leber verandert~ welche enorm vergr6ssert war und mikro- skopisch eine vSllige Durchsetzung und Substitution der Leberzellen durch dieselben Zellelemente wie im ersten Falle aufwies. Alle anderen Organ% besonders much das Blut. waren v011ig normal: die Untersnchung des Knochen markes war leider unterblieben.

Diesen beiden Fallen scheint allein eine Beobachtung B u t t e r f i e l d s zu entsprechen~ welcher unter der Bezeichnung ,aleukaemic lymphadenoid tumor" an drei Hfihnerlebern Veranderungen beschreibt~ die vorwiegend in einer starken Wucherung lymphadenoiden Gewebes im Bereich des peri- portalen Stfitzgerfistes bestanden.

Diesen seltenen Befunden m0chte ich einen weiteren anf[igen, welcher anscheinend auf dem gleichen Prozess beruhend~ doch bemerkenswerte Verschiedenheiten gegenfiber den drei erwahnten Fallen aufweist.

Leider ist meine Beobachtung eine nur unvollstandig% da ich gelegent- lich einer Gesellschaft veto Hausherrn fiber die eigenartigen Organverande- rungen eines Huhnes um Rat gefragt wurde und nur einige Organstticke in

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leicht eingetrocknetem Zustande zur mikroskopischen Untcrsuehung all reich nehmen konnte.

Es handolt sieh um ein noch junges~ spontan verstorbenes Huhn, welches im Htihnerhof nicht als krank aufgefallen war. Die innercn Organe zeigen sich durchsetzt yon zahlreiehen graurStliehen Geschwnlst- knoten~ besonders ist die Leber ganz enorm vergrSssert~ die Lymphdriis(tn fiuden sich fiberall zu grossen grauroten Paketen angeschwollen. An den serSsen Hg, uten ist eine Geschwulstbildung nieht wahrzunehmen.

Eine sorgf'altige Untersuehung aller Organe war, wie gesagr, nieht mSglich, die Nieren~ der Mngen-Darmkanal nnd namentlich das Knochen- mark blieben uubeaehtet.

Zur mikroskopischen Untersuchung wurden nachtrftglich Stficke aus Leber~ ~lilz nnd Lymphdrtisen in Formalin eingelegt und naeh gebr:;meh- ]icher Vorbehandlung in Paraffin eingebettet. Das Ergebnis tier Unter- suehung war im einzelnen folgendes:

L e b e r : Das stark vergrSsserte Organ zeigte eine nur ]eicht unebene Oberflach% auf dot Schnittflgche eine fast diffus% blassgraurStliche Farb% nur stellenweise yon dunkleren Partien untmbrochen~ we anscheinend die konfluierenden Gesehwulstmassen noch Reste yon Lebergewebe stehen gelassen hatten. Nirgends waren nekrotische und kasige Herde zu sehen. Entspreehend dem makroskopischen Aussehen finden sich auch mikro- skopisch nur noch spgr]iehe Balken und Reihen erhaltener Leberzellen, welche fiberall yon Geschwnlstelementen auseinandergedr:,'mgt sind nnd nirgends mehr den Bau der Hflhl)erleber erkennen ]assen. Im iibrigen finder sieh fiberall ein fremdartiges Geweb% welches sieh aus grossen, runden und polygonalen Zellen in regelloser Anordnung aufbaut und aIs einziges Stfitzgerfist neben sp~irlich-feinen Bindegewebsfibrillen die pl"~V existenten Blutgefiisse aufweist. Naeh GrOsse und Form zeigen die Zellen keine wesentlichen Unterschied% ihren Kernen nach sind sie in zwei Typen zu scheiden. Die eine Zellfonn zeigt einen grossen~ runden~ duukel ge- farbten~ zuweilen aber auch helleren und dann oft eigenartig zerknitterten oder bohnenfSrmigen Kern~ um welchen eine schmale Zone b]aurStlieh geffirbten Zellplasmas liegt. Die zweite Zellform zeigt zwei bis vier klein% runde, ganz dunkel gefitrbte Kerne, ohne sichtb'u'e Struktm' und ohne eharakteristische Lagerung. [)as Protoplasma ist blassrOt]ich gefiirbt und zeigt keine besonderen Granulationen. Was alas numerisehe Verh~ltnis tier beiden Zellformen zu einander anbetrifft~ so sehienen sic in der Leber etwa in gleicher Menge vorzukommen; die zweite Form sehien aus din- ersten durch t(ernfragmentation hervorzugehen. An so]chen Stellen: we noch Lebergewebe erhalten geblieben ist~ erkennt man deutlich das ursprfinglich insul~tre Auftreten der Geschwulstzellen, sie scheinen vielfach dem Verlauf der Gefasse zu folgen uad erst veto periportalen Gewebe aus infiltrierend

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und vernichtend zwischen die Leberzellbalken vorzuwuchern. Aber mail findet nur sehr wenig solche Bilder~ dutch Konfiuenz ist fast eine einzige grosse Tumormasse entstanden~ in welcher nur noch die grossen Geflisse erhalten geblieben sin& Die Beziehungen der Geschwulstzellen zu diesen Gefassen sind interessant; vielfach finden sich die Wandungen~ besonders der Venen~ durchwachsen und durchbrochen~ oft kommt es zur Bildung subendothelialer Polster~ ehe die Zellmassen ill alas Lumen einbrechen. Dann finden sich natfirlich im Geflisslumen gr6ssere and zusammenh~tngende Anh~ufungen der charakteristischen Zellen, im fibrigen abel" ergab die sorg- f~iltige Priifung des Blutgef~issinhaltes eine durchaus normale Zusammen- setzung des Blutes. Wie in der Leber, so auch in den anderen unter- suchten Organen stud die Gefiisse welt und strotzend mit Blut erffillt.

Lymphdr i i sen : Sie waren makroskopisch his haselnussgross und stellenweise zu m~ichtigen Paketen vereint. Ueberall schien eine Kapsel vorhanden. Auf der Schnittfl~che zeigte sich eine blassgraurStliche Farbe yon feuchtem Glanz, das Gewebe war welch and ein triiber Zellsaft leicht abzustreifen. Mikroskopisch ist yon einer Drfisenstruktur nichts mehr zu erkennen~ vielmehr besteht das Gewebe ganz und gar aus sehr locker in einem feinen Retikulum gelegenen Zellen~ welche in jeder Hinsicht den in der Leber beschriebenen Zellen entsprechen. Die Zellen mit grossem gut f'~irbbaren Kern sind vorherrschend. Die Kapsel ist fiberall erhalten.

Milz: Das Organ war vergrOssert und zeigte wie die Leber fiache~ graur6tliche Knoten~ welche wenig seharf gegen die Umgebung abgegrenzt zu sein schienen. Die Schnittfiliche der Milz wurde nicht betrachtet. Ill dam zur Untersuchnng entnommenen Stfick war yon norma]er Struktur nichts zu erkennen~ es war auch hier eine vollkommene Substitution durch jene fremdartigen Zellen eingetreten, die wie die Lymphdrfisen vorwiegend aus dem ein- und grosszelligen Typns bestanden. Ein feines Retikulum Melt die Zellen zusammen, Trabekel und grSssere Gef~isse waren erhalten geblieben.

Da mir eine solche Beobachtung nicht bekannt war: so hatte ich nach der makroskopischen Bem'teilung, besonders der Drfisenveranderungen und diffus ill den Organen verstreuten Knoten, eine tuberkulSse Ver';inderung als wahrscheinlich angenommen~ aber zugleich festgestellt~ (lass alas Bild wenig dieser Affektion entsprach. Nach dem ;nikroskopischen Befunde kommt unzweifelhaft eine tuberkulSse Ver:~inderung nicht in Frag% vielmehr handelt es sich um eine "~usserst seltene~ den F~llen Kochs und Rabino- wi t schs durchaus analoge Erkrankung, fiir welche mh" die yon jenen ge- w~thlte Bezeichnung ,aleuk~imische Lymphome" statthaft erscheint. Nicht nur das grebe Bild~ sondern aueh die Zelltypen der Tumoren stimmen mit- einander ftberein.

Die hoctlgradige Yeranderung der Lymphdriisen im ganzen KSrper

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macht es wahrscheinlich, dass es sich um eine prim'are Erkrankung diescr Organe hande]t und dass wi re s mit einer Affektion zu tun habm b welche ganz und gar dem beim Menschen bekannten Bilde der Pseudoleuk~tmie entspricht. Die Infiltrate in der Leber haben eine se]tene M'achtigkeit er]angt und tragen nicht nut dutch die Substitution der Leberzellen: sondern auch dureh die Einwucberung in (lie grasseren Blutgef~isse den Charakter einer bSsartigen Geschwulst. Die Ver~tnderung der Lymph- driisen: welche bisher noch nicht beobachtet worden ist~ l'asst uns das Krankheitsbild klarer erscheinet b a l s in den bisher beschriebenen F'allen, in welchen die Lymphdriisen unveriindert gefunden wurden~ was um so merkwSrdiger ist: als doch die im Darm festgestellten Tumoren eine deut- liche Beziehung zum lymphatischen Apparat erkennen lassen.

Es scheint mir durchaus berechtigt, wenn ich in meinem Falle yon einer ,,Pseudoleuk'amie r des Huhnes red% einer geschwulstartigen Entartung der normalerweise makroskopisch tiberhaupt h u m sichtbaren Lymphdrfisen mit zelligel': diffuser und vielfach zu metastasen~ahnlichen Knoten kon- fluierender Infiltration tier Organe bei normalem Blutbefunde. Die Zellen selbst abet entsprechen nicht dea kleinen Lymphozyten~ sondern den grossen uninukle~iren Zellen: wie sie dem Blute und den h~tmatopoetischen Organen eigen sind.

Die eigenartige Erkrankung, welehe wir kennen gelernt haben, zeigt aueh insofern nahe Beziehungen zur mensehlichen Pathologie, ale aueh beim Huhne eine eehte Leuk~tmie vorzukommen seheint, d. h. eine unserer Beob- aehtung nahestehende Ver~nderung mit entspreehender Ver~nderung des Blutes selbst.

Eine solehe LeuMimie beim Huhne hat vor kurzem I n t a k a Kon (Virehows Arehi% Bd. 190, S. 338) besehrieben und als lienale Form be- zeichnet, well die im Blute stark vermehrten und in den Organinfiltraten vorherrsehenden Zellen Elementen entspreehen, welche in der normalen Hiihnermilz reiehlieh vorkommen. Es seheinen somit zwei Krankheits- erseheinungen beim Huhn festgesteltt zu sein~ welehe bisher nut bei anderen Haustieren beobaehtet worden sind.