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Ute Lauterbach Raus aus dem Gedankenkarussell

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Ute Lauterbach

Raus aus dem Gedankenkarussell

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UUttee LLaauutteerrbbaacchh

Raus aus dem Gedankenkarussell

WWiiee SSiieelleeiiddiiggee GGeeddaannkkeenn

uunndd GGrrüübbeell--aattttaacckkeenn ggeennüüsssslliicchh

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KKöösseell

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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier

Munken Print liefert Arctic Paper Munkedals AB, Schweden

5. Auflage 2007Copyright © 2004: Kösel-Verlag, München, in der

Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlag: Kaselow Design, München

Umschlagmotiv: Tony Cordoza/photonicaIllustrationen: Isolde Schmitt-Menzel

Druck und Bindung: Pustet, RegensburgPrinted in Germany

ISBN: 978-3-466-30651-0

www.koesel.de

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Für Dagmar O.

mit großer Dankbarkeit fürihre ausgezeichneten Anregungen,

ihre Klarheit und Direktheit,ihre Unkompliziertheit.

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Inhalt

UUnnsseerree AAuussggaannggssssiittuuaattiioonn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 99

ZZiieellee .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 1155

BBeewwuussssttsseeiinn ooddeerr GGeeddaannkkeenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 2200

HHiinntteerrggrrüünnddee bbeellaasstteennddeerr DDeennkkeerreeii .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 2244

DDaass GGeeddaannkkeennkkaarruusssseellll vveerrllaasssseenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 2299Die Stimme im eigenen Kopf wahrnehmen 31Bewertungen und Etikettierungen wahrnehmen und durchbrechen 36Freude kultivieren 42Milchzähnchen und andere Egoidentifikationen fallen lassen 48Die Jetztflucht beobachten und bändigen 56Auf den nächsten Gedanken warten 62Erwartende Bereitschaft 68Automatismen durchbrechen 74

GGaannzz nnoorrmmaalleess LLeeiidd bbäännddiiggeenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 8800Aus unerfreulichen Situationen aussteigen 82Geliebte verlieren 88Angst loswerden 94

SSeellbbsstt ggeessttrriicckktteess LLeeiidd aauuffllöösseenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 110000Emotionalen und mentalen Amoklauf beenden 103Nicht mehr am Unglück hängen 110Sich gegen selbst gestricktes Leid ent-scheiden 116Sich keine Sorgen machen 122Nicht mehr warten 128

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DDeerr GGeeggeennwwaarrtt iinnnneewweerrddeenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 113344Der Körper als Gegenwartsanker 136Sich voll in die Gegenwart werfen 144Anstrengung verstehen 150Die Oberfläche durchdringen 158Das spürigste Tempo finden 164Die Kraft der Gegenwart spüren 170

AAbbggeessaanngg:: DDrraannbblleeiibbeenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 117766

ZZuussaammmmeennffaassssuunngg ddeerr AAuussssttiieeggssiimmppuullssee .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 118800Bewusstsein oder Gedanken 180Ganz normales Leid bändigen 184Selbst gestricktes Leid auflösen 186Der Gegenwart innewerden 190

AAnnmmeerrkkuunnggeenn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 119966

ÜÜbbeerr ddiiee AAuuttoorriinn .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 119988

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Unsere Ausgangssituation

Was ist das wahre Ich? ... Das ist das, was du bist, und nicht das,

was die anderen aus dir gemacht haben.

PAULO COELHO

Wir befinden uns meist nicht in fröhlicher Einheit mit allemLebendigen. Glückseligkeit, innerer Frieden und Lebens-freude sind keine selbstverständlichen Dauergäste bei uns.Wir sind störbar; Kleinigkeiten reichen:p der vor der Nase weggeschnappte Parkplatzp der Anruf im ungünstigen Augenblickp der unfreundliche Verkäuferp der Partner, der Ihnen mit Begeisterung genau das als

supertolle Idee vorschlägt, was Sie ihm selbst vor zweiMinuten gesagt haben

p der beleidigte Blick der Partnerinp der missgelaunte Chefp die nicht eingetroffene Bestellungp der falsch ausgeführte Auftrag

Die Liste ist unendlich. Jeder hat einen eigenen Katalog anSpitzenrennern von Launenverderbern. Gemeinsam ist die-sen inneren Störenfrieden, dass sie unsere Gedanken undGefühle in Beschlag nehmen, obwohl wir das im Grundenicht wollen. Gleichzeitig scheinen wir aber nur mit Müheoder gar nicht in der Lage zu sein, sie wegzuschicken: DieEifersucht zum Beispiel nagt penetrant, zieht einen Gedan-kenschwanz nach sich und schiebt einen weiteren vor sichher. Anders formuliert: Wir sind mit unseren Gedanken und

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Gefühlen derart identifiziert, dass sie unser Ich ausmachen.Wir glauben schließlich zu sein, was wir denken und füh-len. Das mag ja noch akzeptabel sein, wenn sich dies auffreiwillige (= konstruktive, kreative, inspirierte) Gedankenbezieht oder es sich um Gefühle handelt wie Freude, Liebe,Lust, Begeisterung, Leichtigkeit. Aber kann akzeptabel undletztlich wahr sein, dass wir immer wieder Opfer unsererunfreiwilligen Reaktionen werden, dass unsere Gedankenund Emotionen uns im Griff haben und nicht wir sie?Bezeichnend ist, wie deutlich wir fühlen, nicht wir selbstzu sein, wenn wir uns beispielsweise im Opferstatus desÄrgerns über unsere Liebsten quälen. Die Alltagssprachesagt’s schlicht: »Ich bin neben der Kappe« oder »von derRolle«, »ich bin gar nicht ich selbst«, »ich erkenne michselbst nicht wieder.«Zum Glück sind wir nicht ausschließlich Opfer, also Mario-netten unserer selbst, sondern auch konstruktiv gestaltendeAkteure. Die heiße Frage ist: Wie können wir weniger vomeinen und mehr vom andern sein? Wie können wir dazu bei-tragen, dass uns die pure Lebensfreude möglichst dauerhaftbeseelt?

Verweilen wir noch einen Moment bei unserer Ausgangs-situation. Wir haben gesehen, wie sehr sie davon gezeich-net ist, dass wir Unbilden persönlich nehmen. Wenn meinPartner meinen Geburtstag vergisst, dann kann ich dasschade finden. Wenn ich mir jedoch zusätzlich stunden-oder gar tagelang deswegen die Laune vermiese, werde ichzum doppelten Opfer: seines Vergessenhabens und meinerPrivatinszenierung. Ich könnte auch denken, wenn er mei-nen Geburtstag vergisst, dann hat er entweder andereWerte, ein schlechtes Gedächtnis, ist nicht in der Lage zu

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Wie können wir das Karussell unfreiwilliger Gedanken verlassen?

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geben, hat selbst wenig Zuwendung erfahren – was auchimmer: Es ist sein Ding, nicht meins!Eine Folge des Persönlichnehmens ist das ständige Rotierenunseres Denkapparats: Wir spielen die »Gemeinheit« im-mer wieder im Kopf durch, wir kommentieren, kritisieren,urteilen, vergleichen (Peter mit Klaus), klagen ... Andere un-freiwillige Mentalkreisdreher bestehen darin, dass wir alteSchmerzen assoziieren und ebenfalls durchleiern und, wasnoch schlimmer ist: Diese seelischen Altlasten stellen auchnoch die Interpretations- und Wertungsbrille dar, mit derwir dann eine möglicherweise gänzlich andere Gegenwartvergewaltigen. Eine weitere Unfreiwilligkeit wird darin of-fenkundig, dass wir diesen unerledigten Seelenschrott ein-fach auf die Zukunft projizieren. Das heißt dann, dass wiruns Sorgen machen. Wir wissen, dass das völlig unsinnigund am Leben vorbei ist, aber es bedarf halt eines Trainings,um aus dieser Unfreiwilligkeit rauszukommen. Fataler-weise sind wir so mit unseren Sichtweisen und Konditio-nierungen verschmolzen, dass wir sie für unser Selbst hal-ten, während sie doch in Wirklichkeit nur eine Reduktionunserer Möglichkeiten aufgrund einengender Prägungendarstellen. Es handelt sich eben nur um ein Phantomselbst,ein Schrumpfselbst, mit dem wir jedoch leider identifiziertsind. Diese Sozialisations- und Schmerzverkürzung unsererselbst können wir als Ego definieren. So sei hier die Unter-scheidung von Ego und Selbst eingeführt. In einer zusam-menfassenden Übersicht lassen sich folgende Merkmaleauseinanderhalten:

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EEggoo SSeellbbsstt

verstricktes Opfer konstruktiver Akteur

unfreiwillige Gedanken erweiternde Intuitionen und Inspirationen

unfreiwillige Emotionen erwünschte Gefühle

Identifikation mit den eigenen FreiheitErlebens- und Sichtweisen, mit der eigenen Vergangenheit

wertend und interpretierend nichts hineindeutendes, also projektionsfreies In-Ruhe-Lassen

Ausschnitt, Reduktion das Ganze

Vergangenheit, Zukunft Gegenwart

funktionieren, rumrödeln erfülltes Tun, kreatives Schaffen

Glück, Pech Glückseligkeit

Abhängigkeit (zum Beispiel von Unabhängigkeitder Meinung anderer)

keine Meise haben eine Meise haben

Unsere Ausgangssituation ist in Kürze, dass wir weitgehendim Griff der Egoseite sind und vieles persönlich nehmen,uns entsprechend ängstigen und verteidigen – und auch ent-sprechend einseitig wahrnehmen und interpretieren. Davermeinen wir einerseits, mit unserer Vernunft Krone derSchöpfung zu sein und drehen andererseits derart in Men-talstrudeln, dass wir selbst unsere schlimmsten Feinde wer-den. Dabei ist der Intellekt doch auch sehr nützlich, wennwir ihn gut zu gebrauchen verstehen. Stellen Sie sich fol-gende unerwünschte Situation vor: Sie hätten zwei Rattenim Keller. Wie reagieren Sie auf diese Vorstellung? Genau,

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jeder reagiert auf seine Art! Helmut fühlt sich zum Hobby-kammerjäger berufen und stellt sich frohlockend der Situa-tion. Nora findet die Angelegenheit zwar lästig, aber hand-habt sie, indem sie sofort Informationen einholt und eineentsprechende Fachkraft engagiert. Elvira nimmt die zweiRatten als Zeichen, dass sie sich nun endlich den lang-ersehnten Flötenunterricht gönnen sollte. Walter wirft so-fort das Gedankenkarussell an: »Zwei Ratten! Noch imKeller, bald können sie in der oberen Etage sein. Die Kabelwerden alle durchgefressen, alles wird angenagt. Die nacht-aktiven Biester werden alles ruinieren, werden sich ver-mehren, werden das Haus unbewohnbar machen, die ganzeStraße ist befallen, ach, Straße! die ganze Stadt wird von derRattenplage heimgesucht. Die Kanalisation, das Trinkwas-ser, Lebensgefahr!« Walter hat schlaflose Nächte, ist ziem-lich handlungsblockiert und aus zwei Ratten im Keller sindmindestens hundert in seinem Kopf geworden.In ein und derselben Situation haben wir Helmut als kons-truktiven Akteur und Walter als verstricktes Opfer. Helmutbraucht natürlich seinen Verstand, um als Hobbykammer-jäger erfolgreich zu sein. Walter hingegen gerät unfreiwilligin den Bann seiner schrecklichen Gedanken. Dem Verstandals solchem ist kein Vorwurf zu machen, ob er sich jedochsegensreich oder peinigend auswirkt, steht und fällt mit un-serer Fähigkeit, ihn souverän zu handhaben. Zur souve-ränen Handhabung kann auch gehören, ihm mitunter dasZepter aus der Hand zu nehmen und es der Meise zu geben.Die Meise verfügt nämlich über viel Spielraum, weshalb sieuns beim Ausstieg aus dem Gedankenkarussell sogar Flü-gel verleiht. Sie trägt erheblich dazu bei, dass wir leidigeGedanken genüsslich ins Leere laufen lassen ...Gerne möchte ich Ihnen nun die Meise, von der hier erst-mals die Rede war, genauer vorstellen. Es ist die Meise, diejemand hat oder eben nicht hat. Wie es heißt: »Der oder diehat doch ‘ne Meise.« Also wer die Meise hat, sagt in der

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Regel nicht, dass er sie hat; er hat sie einfach. Vielleichtkennen Sie jemand, der eine hat, oder womöglich sagen an-dere über Sie, dass Sie selbst eine hätten.Entscheidend für unseren Zusammenhang ist, dass dieMeisenbesitzer unbeschwerter, freier, gegenwartserfüllter,inspirierter und kreativer leben. Außenstehende, also Mei-senverächter, urteilen deshalb abschätzig über die Meise,weil sie alle kontrollierenden Sachzwangsgedanken, allePseudowichtigkeiten nicht ernst nimmt. Wer sie hat – dieMeise –, wird für komisch gehalten: bei dem piept’s eben(das kommt von der Meise). Die Frage, ob Meisenbesitzereine Volksgefährdung darstellen, müssen wir bei genauerBetrachtung nicht nur mit »nein« beantworten, sondern imGegenteil feststellen: Die Meisen lockern eher auf, undwenn sie überhaupt eine Bedrohung sind, dann nur für dieelenden Gedankendreher, die durch sie aus der Bahn ge-raten.Unsere Ausgangssituation ist deutlich: Wir rutschen –durch sehr unterschiedliche Auslöser – in unfreiwilligeGedankendreher, die Freiheit, Lebensfreude und Souverä-nität grad mitzermalmen. Was sind im Angesichte dieserSituation wünschenswerte Ziele?

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Ziele

Wer alle seine Ziele erreicht, hat sie wahrscheinlich zu niedrig gewählt.

HERBERT VON KARAJAN

Unser Ziel ist nahe liegenderweise, die oben aufgeführtenattraktiven Merkmale des Selbsts mehr zum Zuge kommenzu lassen. Raus aus dem Egostress, hin zum Selbst! Also we-niger Anstrengung, weniger Dreher im Kopf und mehr in-nerer Friede. Tragend für die Erreichung dieses Ziels sindzwei Punkte: erstens, dass wir in der Gegenwart leben undzweitens, dass wir in spürigem Kontakt zu uns selbst sind.In gewisser Weise bedingen sich beide Punkte, denn derspürige Kontakt ist nur in der Gegenwart möglich.In der Gegenwart wach und präsent zu sein bedeutet dasSein, das Wesentliche, das Absolute, das Eigentliche – youmay call it what you like – zu berühren. Das gelingt nur,wenn wir nicht verstrickt sind, also nicht mit unserem Ge-dankenkram identifiziert sind, nicht im Egofilm hängen.Entweder Gedanken oder Bewusstsein! Natürlich setzen die Gedanken Bewusstsein voraus, aber das Bewusstseinbraucht keine Gedanken. Es wird sich seiner selbst nurinne, wenn eben gerade keine Gedanken da sind. Vermeint-lich versuchen wir die störenden Gedanken loszuwerden,indem wir uns mit Alkohol, Arbeit oder anderen Ablenkun-gen zuschütten, bis keine Gedanken mehr da sind. Eineflotte Nummer – nur leider ein Irrtum, weil dadurch nichtnur die Gedanken, sondern auch die Wachheit versenktsind. Letztere ist aber gerade Voraussetzung für die Selbst-innewerdung außerhalb aller Bedingtheiten. Um mit Ken

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Wilber zu sprechen, Glückseligkeit ist nicht prärationaleVerkürzung unseres geistigen Potenzials, sondern transra-tionale Befreiung von allen egozentrischen Verhaftungen.Also nicht retour, sondern vorwärts!Diese Selbstinnewerdung außerhalb aller Bedingtheiten be-deutet, dass ich mir selbst nicht mehr im Wege stehe; wasimpliziert, dass ich nicht nur ein Maximum an Kontakt zumir selbst habe, sondern zum Leben schlechthin. Sich sei-ner selbst innewerden, nicht der eigenen Programme,Werte, Konditionierungen, Wünsche, Nöte, des eigenenCharakters – nur seiner selbst. Im Zen ist so schön die Redevom »ursprünglichen Gesicht, bevor deine Mutter und deinVater geboren wurden!«Die Erfahrung der Selbstinnewerdung, der Selbstreflexion,der »Erleuchtung«, der Verbundenheit mit dem Sein istnichts Abgehobenes, sondern uns allen mehr oder wenigertief und breit bekannt oder sogar vertraut. Es handelt sichum die kostbaren Momente des – wie wir sagen – Aus-der-Zeit-gehoben-Seins. Wobei die Zeit, aus der wir herausge-hoben sind, die lineare Abhakzeit, der zu managende Zeit-streifen ist, der in Vierundzwanzig-Stunden-Blöckchenwiederkehrt. Diese Zeit versinkt und stattdessen befindenwir uns für selige Momente in der stillstehenden Gegen-wart, in einer Art Zeitlosigkeit. Bezeichnend für solcheAugenblicke oder Minuten, gar Stunden oder Tage ist,p dass sie sich meist überraschend ereignen, p dass wir nicht rumhirnen, solange sie währen, p dass sie uns von unseren Belangen – kurz: von uns – er-

lösen,p dass sie uns eine unbeschreibliche Lebensfreude erleben

lassen,p dass in ihnen die Zeit stillsteht.

Genau das ist das sich über alles lohnende Ziel, auf das wir zusteuern: mehr Gelassenheit durch den Sprung aus

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unfreiwilligen Gedankendrehern. Soll heißen: mehr Glück-seligkeit durch weniger Selbstverhinderung, eben wenigerEgospuk. Bevor wir diesen Spuk anhand von 22 Strategienganz konkret platzen lassen, betrachten wir jetzt nocheinen ganz grundlegenden Kniff, mit dem wir die Gefahr, inunser Gedankenkarussell einzusteigen, deutlich reduzierenkönnen. Es gilt zu unterscheiden zwischen dem, was wirändern können, und dem, was wir nicht ändern können.Was wir in gewissem Rahmen ändern können:p uns selbst,p einige unserer Umstände.

Was wir nicht ändern können:p die Vergangenheit,p viele äußere Umstände,p Gegebenheiten der Natur,p Verhalten und Wesen anderer.

Logischerweise sind wir automatisch in einer Ohnmachts-position, wenn wir nicht Änderbares dennoch ändern wol-len. Dadurch landen wir unvermeidlich in einem Kampfgegen die Realität, die natürlich am längeren Hebel sitzt.Dieses nutzlose Aufbegehren gegen die Realität treibt unserGedankenrädchen natürlich auf Hochtouren. Zwei Bei-spiele zur Veranschaulichung:1. Elvira versucht nunmehr im fünften Jahr vergeblich ih-

ren Partner Willi dahingehend zu ändern, dass er ganzvon selbst samstags Getränke einkaufen, den Rasen mä-hen und den Müll runterbringen möge. Dass er das ein-fach nicht macht, interpretiert (!) Elvira als Ablehnungund steigt in nicht endende gedankliche Schmerzdreherein. Ihr Frust ist vorprogrammiert, weil sie sich mit ih-ren Erziehungsbemühungen in Willis Befugnisbereichbegeben hat – also das nutzlose Bestreben, in eine An-gelegenheit einzugreifen, die ihrem Willen oder Gestal-

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tungsradius gar nicht unterliegt. Von Willis Reaktions-gedankenkarussell sprechen wir gar nicht erst.

2. Werner ärgert sich über das schlechte Wetter in seinemUrlaub. Der Dauerregen bietet seinem Kopf reichlichRotationsmaterial: »Ich hätte eben doch nach Spanienfahren sollen, dieser blöde Regen hier! Elke hat mir denidiotischen Tipp gegeben, in Schottland Urlaub zu ma-chen!« Mit vielen Variationen zum Thema: »Spanien, Re-gen, Elke« verheizt er seine Gelassenheit und vermiestsich den Urlaub. So kämpft er gegen die Realität – näm-lich das Wetter in Schottland – und verliert. Er kämpftauch gegen die Tatsache, dass er jetzt in Schottland undnicht in Spanien ist. Elke macht er zum Sündenbock, an-statt sich im eigenen Machbarkeitsbereich umzuschauenund konkret zu überlegen, wie er jetzt unter den gegebe-nen Umständen das Beste aus seinem Urlaub machenkönnte. Mit dieser Überlegung würde er in den Bereichdes Veränderbaren wechseln, wodurch seine Gedankensofort in eine konstruktive Richtung kämen.

Unser Ziel, das Beenden von Egostress mit hirnlicher Dre-herei, können wir viel leichter erreichen, wenn wir unsimmer klarmachen, ob wir uns gerade mit nicht Veränder-barem aufhalten oder ob wir darüber nachdenken, wie wirVeränderbares gestalten möchten. Sodann geht es »nur«noch darum, die Eitelkeit des Kampfes gegen die Realitättief zu begreifen und konsequent diese Fehlspur zu ver-lassen. Unfreiwillige Denkerei können wir im Vorfeld ver-meiden oder durchbrechen, indem wir uns immer wiederfragen:p Befinde ich mich gerade in meinem Befugnisbereich?

(Gut, denn dann kann ich geradeaus, handlungsorientiert,konstruktiv denken.)

p Befinde ich mich in einer fremden Angelegenheit – dieeiner anderen Person, Vergangenheit, Naturgegebenhei-

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ten? (Aussichtslos, weil dann jedes Ändern-Wollen nichtmehr meinem Handlungsradius unterworfen ist, wo-durch sich meine Gedanken immer wieder an der Rea-lität brechen und in ohnmächtigen Drehern an meinerEnergie zehren.)

Wahrzunehmen, ob wir uns im eigenen Revier, der eigenenHandlungsdomäne befinden oder eben nicht, gewährt schonein Stück Souveränität: So stellen wir einen gewissen Ab-stand her, durch den wir unser Gedankenkarussell entauto-matisieren! Unser egobedingtes Karussell wird geschwächt.Falls Sie sich gerade fragen, wieso das Gedankenkarussellegobedingt ist, mag ein kleines Experiment die Antwort lie-fern. Stellen Sie sich vor, Sie hören, dass der Koffer vonirgendeinem Reisenden versehentlich im Flieger nach Ho-nolulu gelandet ist. Das ist Ihnen wahrscheinlich ziemlichgleichgültig und bringt Sie erst aus der Ruhe, wenn Sie nochzusätzlich erfahren, dass Sie selbst dieser Reisende sind, essich also um Ihren Koffer handelt. Erst jetzt flattert das Egound startet unter Umständen Gedankenrotationen.Besinnen wir uns auf unser Ziel: Raus aus der Birne, demEgospuk und hin zu der Souveränität einer abständigerenBetrachtungsweise, wie sie dem oben dargestellten »Selbst«eigen ist (vgl. die Tabelle auf Seite 12).Denn: Wer ließe leidige Gedanken nicht gern ins Leere lau-fen?

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Bewusstsein oder Gedanken

Unser Denken schafft Probleme, die auf derselben Ebene des Denkens

nicht gelöst werden können.

ALBERT E INSTEIN

Wir können Ego und Selbst mit einem Bild veranschau-lichen: Das Ego entspräche einer Schachfigur, die auf ihrWohl bedacht ist, angreift, sich in Deckung begibt undangegriffen wird. Die Schachfigur kreist beispielsweise ge-danklich um das bedrohliche Pferdchen des Gegners. DasSelbst wäre eher mit der Schachspielerin vergleichbar.Diese sieht das ganze Spiel gleichsam aus der Adlerperspek-tive, hat den souveränen Überblick und die Entscheidungs-gewalt. Auch wenn der Vergleich hinkt, mag er darstellen,inwiefern die Figur im Griff identifizierter Ego-Gedankendreht und inwiefern der Schachspieler eher auf der Seite desAbstand wahrenden Bewusstseins anzusiedeln ist.Die für unsere Gelassenheit entscheidende Frage ist, ob wirhauptsächlich als Schachfigur leben oder immer mehr alsSchachspieler oder Schachspielerin. Nehmen wir noch ein-mal den Koffer, der im falschen Flieger nach Honoluluunterwegs ist: Die Schachfigur ist natürlich maximal mitihrem Koffer identifiziert und reagiert in etwa so: »Ach, duje, mein Koffer ist weg! Der Urlaub ist verdorben! (unrealis-tische Übertreibung) Wie entsetzlich! (einseitige Wertung)Diese blöde Fluggesellschaft ...« (Fluggesellschaft wird zumSündenbock erklärt. Verantwortung ist damit abgegeben.)Die bewusstere, souveränere, mehr Abstand wahrende Hal-tung des Schachspielers könnte so aussehen: »Aha, mein

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Koffer unterwegs nach Honolulu. (Anerkennung der Rea-lität) Was kann ich jetzt tun? (Frage, mit der die eigenenRessourcen aktiviert werden) Ich kann eine Suchmeldungund einen Rückführungsantrag ausfüllen, mir bestimmteArtikel besorgen und dann einfach mit leichtem Gepäckweiterreisen.« (Das Machbare und Notwendige wird ange-peilt und überdies wird der Situation noch eine positiveSeite abgewonnen.)Betrachten wir das Thema »Gedanken oder Bewusstsein«noch etwas genauer. Das gedanklich und emotional nichtverschattete Bewusstsein ist das pure Gewahren der Gegen-wart, ist personifizierte Gelassenheit, Lebensfreude undFreiheit, pures Schachspiel, bei dem es nur um das Spielgeht – egal, ob Weiß oder Schwarz gewinnt. Wir könnenBewusstsein verstehen als bewusstes Sein: Ich bin ganzbewusst, ich bin mir meines Seins bewusst. Oder in derAlltagsauslegung des Wortes: Etwas ganz bewusst zu tunbedeutet, es mit ungeteilter, eben voller Aufmerksamkeitzu tun, ganz bei der Sache zu sein, ohne gedanklich oderemotional abzuschweifen. Wenn ich bewusst bin, bin ichganz präsent, ganz wach, ganz da. Im Präsentsein ist das In-der-Gegenwart-Sein immer schon enthalten. Wir unter-scheiden hier zwei Inhaltskategorien des Wachseins: Ers-tens kann ich wach sein beim Tun, zweitens kann ich ein-fach nur wach sein ohne zusätzlichen Inhalt, auf den sichmein Wachsein bezieht. Letzteres meint der berühmte undhäufig missverstandene Satz von Descartes: »Ich denke,also bin ich.« Verkürzt meint Descartes, dass wir an allem,was uns die Sinne liefern, zweifeln können. Glauben wir,ein Reh zu sehen, kann es sich doch als Täuschung heraus-stellen und wir bemerken, dass das »Reh« ein Baumstumpfwar. Jedes Urteil, wie Reh, kann falsch sein. Das Einzige, soDescartes, woran sich nicht zweifeln lässt, ist die Tatsache,dass wir Bewusstsein haben. So ist sein »Cogito, ergo sum«also zu verstehen.1 Mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis

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erhält das Bewusstsein einen ganz eigenen und neuen Stel-lenwert und markiert deshalb die Wende zur Neuzeit derPhilosophie. Der uns eine Bahn brechende Knüller dieserErkenntnis ist in aller Schlichtheit, dass dem materialisti-schen Weltbild, nach welchem nur das Materielle real ist,eine neue Größe gleichmächtig – wenn nicht mächtiger! –gegenübergestellt wird: nämlich das Bewusstsein. Ken Wil-ber fasst es so zusammen:

Unser viel praktischeres Anliegen ist ja die Befreiung vomGedankenkarussell, vom Verstrickungsklammergriff desEgos. Da wirft uns, wie wir sehen werden, das Bewusstseintolle Rettungsanker zu.Die Befreiungsmöglichkeiten auf dem Weg »Bewusstseinoder Gedanken« setzen die Unterscheidung von Bewusst-sein einerseits und Gedanken andererseits voraus. Aller-dings lassen sich unter dem Sammelbegriff »Gedanken«nochmals verschiedene Formen differenzieren. Da uns je-doch nur eine Art der Gedankenproduktion im Karusselllanden lässt und somit für unsere Lebensfreude abträglichist, müssen wir exakt verstehen, wie die unterschiedlichenGedankenkategorien zu definieren sind. Nur dann werdenwir erfolgreich und effizient mit der abträglichen Denkereiumspringen können. Wir differenzieren also:INSPIRIERTE GEDANKEN werden im kreativen Schaffen benö-tigt, beispielsweise bei der Komposition eines Musikstücksoder der Gestaltung eines Blumenbeets. Sie sind beflügelndund werden als erweiternd erlebt. Sie stellen somit keineBeeinträchtigung unserer Lebensfreude dar.ABSTRAKTE GEDANKEN sind vom konkreten Einzelfall, vomDinglichen gelöst. Sie benennen etwa, was das allgemeinePrinzip hinter den Erscheinungsformen ist. Sie nehmen des-

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»Das Innen der Dinge ist Bewusstsein, das Außen der Dinge ist Form ...

Das Innen der Dinge ist Tiefe, das Außen ist Oberfläche.«2

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Ute Lauterbach

Raus aus dem GedankenkarussellWie Sie leidige Gedanken und Grübelattacken genüsslich insLeere laufen lassen

Paperback, Klappenbroschur, 200 Seiten, 13,5 x 21,0 cmISBN: 978-3-466-30651-0

Kösel

Erscheinungstermin: Februar 2004

Was wir denken, bestimmt unser Leben. Alles könnte so viel freudvoller sein, wenn nichtunfreiwillige Gedanken immer wieder unseren Kopf belagerten. Doch allzu oft verselbstständigtsich unser Gedankenkarussell und unsereinnere Gelassenheit zerstiebt in tausend Partikel: Unser Seelenfriede ist dahin.Ute Lauterbach eröffnet mit 22 Impulsen leicht begehbare Wege in ein intensiveres,genussreicheres Leben. Spritzig und anspruchsvoll werden wir angeregt, den Sprung aus denGedankendrehern zu wagen. Wach und präsent landen wir in der Gegenwart, die uns mit mehrGelassenheit, Souveränität und Freiheit empfängt.