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Vater Eber und Mutter Sau:
verfasst von Tiziana Bonetti ohne Widmung!
Wenn mich meine Mutter Schwein nennt, zeige ich ihr reflexartig den Stinkefinger. Es muss
ein Reflex sein, wenn ich das tue. Denn im Grunde gehöre ich nicht zu der Sorte Mensch,
die bei jeder Gelegenheit, sei es auch aus purer Ironie oder um jemanden zu ärgern, den
Stinkefinger zeigt. Nein, ich finde diese Geste sehr vulgär und ungehobelt. Sie bedeutet
nichts anderes als der gleichbedeutende Satz: „Du bist ein verdammtes Arschloch“… Die
Geste ist damit genau so schlimm wie der ausgesprochene Wortlaut. Obwohl: Wenn ich es
mir recht überlege, glaube ich, würde jemand, dem man letzteren Satz ins Gesicht
schleudert, wohl deutlich mehr getroffen durch diese Aussage, als durch das schnelle
Mittelfinger-Zücken.
Die Aussprache der Worte „Du bist ein verdammtes Arschloch“ ist gleich einer geballten
Faust ins Gesicht. Die Worte sind zwar gleichbedeutend mit der Geste, bei der die Finger mit
Ausnahme des gestreckten Mittelfingers in die Handfläche geklappt werden, aber aus dem
Bauch heraus sind diese auch gewichtiger: der Satz ist eine volle Wucht. Im Gegensatz dazu
entsteht die Geste, denke ich, meist aus einem Reflex: einem puren Reflex, der, ohne gross
zu überlegen, geschieht. Bei mir war der heutige Reflex zu dem einer, der meine
Betroffenheit gegenüber dem Vorwurf ein „Maiale“ zu sein, zum Ausdruck hätte bringen
sollen. Klar hat er seine Wirkung deutlich verfehlt. Besser hätte ich von Anfang an
klargestellt, dass ich nicht gerne Schwein genannt werde, anstatt mit „Arschloch“ zu kontern.
Aber meine Geste war ja eben ein Reflex, der daraus hervorging, dass ich zutiefst beleidigt
wurde. Ja, denn es beleidigt mich unsäglich, wenn mich meine Mutter Schwein nennt.
Meinen Vater dagegen, hat sie namentlich noch nie zum Schwein degradiert, zumindest
nicht vor meinen Augen. Obwohl sie im Verlaufe ihrer Partnerschaft schon reichlich Anlass
dazu gehabt hätte. Dessen bin ich mir sicher!
Heute Morgen also stand Mutter mit tränenüberströmtem Gesicht, die Geschirrspürmaschine
ausräumend in der Küche, und nannte mich abschätzig „Maiale“ – das italienische Wort für
Schwein. Mütter sollen ihre Kinder nicht Schwein nennen. Denn ein Schwein kann nur von
einem Schwein, nein sogar von zwei Schweinen entstanden sein: einem sich im Dreck
suhlenden Eber und einer grunzenden Sau.
Wenn ich mir Mutter als grunzende Sau und Vater als dreckigen Eber vorstelle… So ganz
verkehrt ist dann das Bild, das in meinem Kopf entsteht gar nicht mehr… Zumindest so lange
ich ignoriere, dass als logische Schlussfolgerung dieser Überlegung meine Schwester und
ich zwei sich im drecksuhlende, grunzende Ferkel sein müssten…
Lassen wir diese „logische“ Tatsache einmal ausser Acht, stelle ich mir nun Vater als sich im
Dreck suhlenden Eber vor: Er ist ein stinkendes, braunverkacktes Riesenschwein. Nackt, wie
ihn Gott schuf, aber verkackt, steht er im Stall und spaziert grunzend seine Sau
kontrollierend die zehn Quadratmeter Raum auf und ab. Die fette Sau, ständig ihn
umsorgend, schabt währenddessen mit ihren harten Hufen den Kack der ganzen Familie
Schwein in eine Ecke, wo sich die ganze Scheisse nun schon seit geraumer Zeit stapelt und
der Scheisshaufen dazu verurteilt ist weiter zu wachsen! Vater Eber verschränkt die Arme
vor der Brust und verzerrt sein Gesicht. Das Essen habe ihm heute gar nicht geschmeckt.
Der Reis sei total versalzen gewesen, absolut ungeniessbar. Seine ganze Kehle sei nun
trocken, wie Sekt, nein noch schlimmer: Wie ein trockener Furz. …….
2
Ehrerbietend kniet die schabende Sau auf den Dreck und entschuldigt sich die verkackten
Hufe Ihres Gatten küssend. „Du Ärmster! Das tut mir ja furchtbar…! Ach! Oh! Oh weh!“ Dann
widmet sie sich wieder ihrer Arbeit, zutiefst beschämt darüber, dass ihre Kochkünste heute
Mittag nicht zur Glückseligkeit ihres Gatten beigetragen haben.
Ihr Gatte, dessen Magen vom Essen sauer aufstösst, lässt ohne Pardon einige Fürze fahren
und setzt sich an den Laptop. Heute hat er sich eine Web-Cam gekauft. Damit kann er nun
sein Genital in das Objektiv halten, um mit seiner langjährigen Liebhabersau in Australien
virtuell-geschlechtlich zu verkehren. Seine Saugattin, die unterdessen die geballte Scheisse
der Familie zusammengeklopft hat, damit sie im Stall weniger Platz einnimmt, ruht sich auf
dem harten Heuboden aus und sieht ihrem erregten Ehegatten unbeeindruckt, ja beinahe
etwas schläfrig beim Rubbeln zu. Sie vermutet zwar, was seine Gebärden und seine
Klagelaute zu bedeuten haben, (ja, die Scharfsinnige denkt sogar an das Richtige) aber sie
sagt sich: „Mensch! Ich bin doch keine Hundehälterin. Ich bin bloss eine Saumutter!“
Was für ein kluges Muttertier! Sie weiss bestens, dass sie ihrem geliebten Eber keine Leine
um den Hals binden kann. Und schliesslich tut auch einem eingerosteten Saubock etwas
Abwechslung gut. Der gute Eber spritzt ab, ins Objektiv. Verärgert ruft er der Sau zu: „Wo
hast du unsere Mikrofasertücher versteckt? In diesem Saustall findet ja kein Schwein etwas“.
Die Sau zeigt, halb vor sich hindösend auf das an einem Haken aufgehängte Tüchlein neben
der Stalltüre – also auf das unauffindbare Versteck – und fällt kurz darauf in einen
seelenruhigen Schlaf.