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170 INTERDISZIPLINÄR Jg. 13, Ausg. 3, 2005, 170 - 179 Einleitung Sowohl Sprache als auch Bindung spielen in der sozialen Entwicklung von Kindern eine zentrale Rolle. Nach Papousek und Papousek (1987) besteht ein enger Zusammenhang zwischen der angeborenen kommunikativen Kompetenz des Säuglings einerseits und verschiedenen intuitiven elterli- chen Verhaltensweisen, welche die ko- gnitive, sprachliche und emotionale Entwicklung des Kindes unterstützen und voranbringen. Je feinfühliger die Mutter die Signale ihres Kindes inter- pretiert (Ainsworth, 1967a) und ihm sinnvolle Hilfen im Sinne der Zone der nächsten Entwicklung (Vygotskij, 2002) anbietet, desto mehr profitieren die Fähigkeiten des Kindes von dieser Un- Sprache und Bindungsentwicklung im frühen Kindesalter SILKE DIETER, MELANIE W ALTER & KARL-HEINZ BRISCH Schlüsselwörter: Sprache, Bindung, Bindungsstörung, Kommunikation, Entwicklung, Therapie Z u s a m m e n f a s s u n g Im ersten Abschnitt werden die wesentlichen Aspekte aus den Konzepten der Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth zusammengefasst. Eine wichtige Erkenntnis liegt darin, dass sich Explorations- und Bindungs- verhalten antagonistisch zueinander verhalten: Kinder mit einer unsicheren Bindung reagieren in ungewohnten Situationen eher ängstlich und sind da- durch in ihrem Explorationsverhalten eingeschränkt. Auf diesem Hinter- grund werden Untersuchungen zu den Bereichen Sprachrhythmus und Bin- dung, kommunikative Gesten und Bindung sowie mütterliche Bedeutungszu- schreibung und Spracherwerb ausgeführt. Alle beschriebenen Untersuchun- gen legen den Schluss nahe, dass Bindungs- und Kommunikationsentwick- lung (verbal und nonverbal) eng verflochtene Bereiche sind, wobei das lin- guistische System eines Kindes noch am robustesten gegen ungünstige Ent- wicklungseinflüsse zu sein scheint. Die Interaktionserfahrungen des Kindes und die Gesprächsorganisation sind für die Sprach- und Bindungsentwick- lung gleichermaßen bedeutungsvoll. Es wird auf mögliche Störungen in der Bindungs- und Sprachentwicklung eingegangen und mögliche Wechselwir- kungen bei Beeinträchtigungen in Interaktion, Sprache und Bindungsverhal- ten beschrieben. Die häufigsten Risikogruppen für Bindungs- und Sprach- entwicklungsstörungen werden im Überblick zusammengestellt. Als Hilfe für die praktische Arbeit werden Anregungen für den Umgang mit bindungsge- störten Kindern gegeben.

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Sowohl Sprache als auch Bindungspielen in der sozialen Entwicklungvon Kindern eine zentrale Rolle. NachPapousek und Papousek (1987) bestehtein enger Zusammenhang zwischender angeborenen kommunikativenKompetenz des Säuglings einerseitsund verschiedenen intuitiven elterli-chen Verhaltensweisen, welche die ko-gnitive, sprachliche und emotionaleEntwicklung des Kindes unterstützenund voranbringen. Je feinfühliger dieMutter die Signale ihres Kindes inter-pretiert (Ainsworth, 1967a) und ihmsinnvolle Hilfen im Sinne der Zone dernächsten Entwicklung (Vygotskij, 2002)anbietet, desto mehr profitieren dieFähigkeiten des Kindes von dieser Un-

Sprache und Bindungsentwicklung im frühen Kindesalter

SILKE DIETER, MELANIE WALTER & KARL-HEINZ BRISCH

SScchhllüüsssseellwwöörrtteerr::Sprache, Bindung, Bindungsstörung, Kommunikation, Entwicklung, Therapie

ZZ uu ss aa mm mm ee nn ff aa ss ss uu nn ggIImm eerrsstteenn AAbbsscchhnniitttt wweerrddeenn ddiiee wweesseennttlliicchheenn AAssppeekkttee aauuss ddeenn KKoonnzzeepptteenn ddeerrBBiinndduunnggsstthheeoorriiee vvoonn JJoohhnn BBoowwllbbyy uunndd MMaarryy AAiinnsswwoorrtthh zzuussaammmmeennggeeffaasssstt..EEiinnee wwiicchhttiiggee EErrkkeennnnttnniiss lliieeggtt ddaarriinn,, ddaassss ssiicchh EExxpplloorraattiioonnss-- uunndd BBiinndduunnggss--vveerrhhaalltteenn aannttaaggoonniissttiisscchh zzuueeiinnaannddeerr vveerrhhaalltteenn:: KKiinnddeerr mmiitt eeiinneerr uunnssiicchheerreennBBiinndduunngg rreeaaggiieerreenn iinn uunnggeewwoohhnntteenn SSiittuuaattiioonneenn eehheerr äännggssttlliicchh uunndd ssiinndd ddaa--dduurrcchh iinn iihhrreemm EExxpplloorraattiioonnssvveerrhhaalltteenn eeiinnggeesscchhrräännkktt.. AAuuff ddiieesseemm HHiinntteerr--ggrruunndd wweerrddeenn UUnntteerrssuucchhuunnggeenn zzuu ddeenn BBeerreeiicchheenn SSpprraacchhrrhhyytthhmmuuss uunndd BBiinn--dduunngg,, kkoommmmuunniikkaattiivvee GGeesstteenn uunndd BBiinndduunngg ssoowwiiee mmüütttteerrlliicchhee BBeeddeeuuttuunnggsszzuu--sscchhrreeiibbuunngg uunndd SSpprraacchheerrwweerrbb aauussggeeffüühhrrtt.. AAllllee bbeesscchhrriieebbeenneenn UUnntteerrssuucchhuunn--ggeenn lleeggeenn ddeenn SScchhlluussss nnaahhee,, ddaassss BBiinndduunnggss-- uunndd KKoommmmuunniikkaattiioonnsseennttwwiicckk--lluunngg ((vveerrbbaall uunndd nnoonnvveerrbbaall)) eenngg vveerrfflloocchhtteennee BBeerreeiicchhee ssiinndd,, wwoobbeeii ddaass lliinn--gguuiissttiisscchhee SSyysstteemm eeiinneess KKiinnddeess nnoocchh aamm rroobbuusstteesstteenn ggeeggeenn uunnggüünnssttiiggee EEnntt--wwiicckklluunnggsseeiinnffllüüssssee zzuu sseeiinn sscchheeiinntt.. DDiiee IInntteerraakkttiioonnsseerrffaahhrruunnggeenn ddeess KKiinnddeessuunndd ddiiee GGeesspprrääcchhssoorrggaanniissaattiioonn ssiinndd ffüürr ddiiee SSpprraacchh-- uunndd BBiinndduunnggsseennttwwiicckk--lluunngg gglleeiicchheerrmmaaßßeenn bbeeddeeuuttuunnggssvvoollll.. EEss wwiirrdd aauuff mmöögglliicchhee SSttöörruunnggeenn iinn ddeerrBBiinndduunnggss-- uunndd SSpprraacchheennttwwiicckklluunngg eeiinnggeeggaannggeenn uunndd mmöögglliicchhee WWeecchhsseellwwiirr--kkuunnggeenn bbeeii BBeeeeiinnttrrääcchhttiigguunnggeenn iinn IInntteerraakkttiioonn,, SSpprraacchhee uunndd BBiinndduunnggssvveerrhhaall--tteenn bbeesscchhrriieebbeenn.. DDiiee hhääuuffiiggsstteenn RRiissiikkooggrruuppppeenn ffüürr BBiinndduunnggss-- uunndd SSpprraacchh--eennttwwiicckklluunnggssssttöörruunnggeenn wweerrddeenn iimm ÜÜbbeerrbblliicckk zzuussaammmmeennggeesstteelllltt.. AAllss HHiillffee ffüürrddiiee pprraakkttiisscchhee AArrbbeeiitt wweerrddeenn AAnnrreegguunnggeenn ffüürr ddeenn UUmmggaanngg mmiitt bbiinndduunnggssggee--ssttöörrtteenn KKiinnddeerrnn ggeeggeebbeenn..

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terstützung. Entscheidend ist diesesfeinfühlige Verhalten der primären Be-zugsperson vor allem für die Qualitätder emotionalen Bindung des Kindes.Dieses Verhaltenssystem hat sich nachBowlby (1965) im Laufe der Evolutionausgebildet, um Säuglingen den Schutzdurch ihre Eltern und somit das Über-leben zu sichern. Auch in der heutigenZeit hat dieses Verhalten eine großeBedeutung, da ein Kind seine Umweltnur dann zielstrebig erforscht, wenn esweiß, dass es jederzeit zu seiner siche-ren emotionalen Basis zurückkehrenkann. Wird das Bindungssystem durchein, für das Kind unvorhersehbares,Angst erregendes Ereignis aktiviert,tritt das Explorationsverhalten in denHintergrund. Stattdessen sucht dasKind Schutz bei der primären Bezugs-person.Bereits Ainsworth (1967b), die seit1950 eng mit Bowlby zusammenarbei-tete, stellte eine direkte Verbindungzwischen bestimmten intellektuellenProzessen, wie etwa Sprache und Abs-traktionsvermögen, und sicherer Bin-dung fest. Diese Bereiche scheinen beiemotionalen Unsicherheiten am störan-fälligsten zu sein. Leider geben diesesehr globalen Aussagen keinerlei Hin-weis auf die Art der Zusammenhänge.

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Beebe (1979) untersuchte Mutter-Kind-Dyaden, wobei das Alter der Kin-der drei bis vier Monate betrug. DieFragestellung bestand darin, ob diezeitliche Abstimmung innerhalb derMutter-Kind-Interaktion wichtig ist,und wenn ja, wie das „normale“ Mus-ter einer Zeitstruktur aussehen könnte.Als ein entscheidender Befund zeigtesich, dass nicht die Modalität, in derdas Kind stimuliert wird (etwa akus-tisch oder visuell) entscheidend ist,sondern vielmehr die zeitliche Abfol-ge, in der die Reize gesetzt werden.

Die Autorin fand extrem hoch ausge-prägte simultane Abfolgen in der Mut-ter-Kind-Interaktion, die circa 40-malgrößer waren als bei Erwachsenen, diesich unterhalten. Für diese hervorra-gende Abstimmung war in hohemMaße die Mutter verantwortlich, dieihre eigenen „Beiträge“ in der Interak-tion verlängerte, wenn das Kind gleich-zeitig begann, Laute von sich zu geben.Dies funktionierte am besten, wennsich Mutter und Säugling in erhöhteremotional positiver Erregung befan-den, wie dies etwa bei kleinen Spiel-chen während des Wickelns beobachtetwerden konnte. Dieses hervorragendabgestimmte Zusammenspiel wurdebereits für die gemeinsame Aufmerk-samkeitsausrichtung betrachtet, die ei-ne entscheidende Voraussetzung fürden Erwerb des Wortschatzes darstellt(Zollinger, 1987). Es wurde schon lan-ge vermutet, dass verbale und kineti-sche Verhaltensweisen in der so ge-nannten vorsprachlichen Verständigung(„proto-conversation“) den gleichenGesetzmäßigkeiten unterliegen. Insge-samt zeigte sich, dass sich in der Mut-ter-Kind-Interaktion intuitive Rhyth-men ausbilden, in denen sich aktiveVerhaltensweisen und Pausen abwech-seln.

Beebe, Jaffe, Lachmann, Feldstein,Crown und Jasnow (2002) untersuch-ten ebenso Zusammenhänge zwischender Koordination von Sprachrhythmusund der Entwicklung der kindlichenBindungsqualität. Dabei lehnen sie sichan Sander (1977) an, der eine system-orientierte Sichtweise vertritt, bei derTiming als ein wesentliches Elementder Koordination zweier Organismenuntereinander gesehen wird. Timingund Rhythmus gehören zu den Organi-sationsprinzipien jeglicher Kommuni-kation und Rhythmen liegen auch jeg-lichem Verhalten zugrunde (Lenne-berg, 1975). Timing ist hier zu verste-hen als Innehalten, Unterbrechung, ab-wechselndes Sprechen, Sprachge-schwindigkeit und Pause am Ende desBeitrags des Einen bis zum Beginn desBeitrags des Anderen („turn-taking“).Nehmen wir mit einem Menschen

Kontakt auf, so benötigen wir jederzeitFeedback über den subjektiven Zu-stand des Anderen. Obwohl dies meistunbewusst geschieht, reagieren wir aufkleinste Veränderungen, etwa Zögernoder ungewöhnlich lange Pausen.Sprachliche Merkmale werden dabeiergänzt durch kinetische Hinweise wieGesichtsausdruck, Kopfbewegung undBlickmuster (Beebe et al., 2002a).Unterschiedliche Koordinationen desSprachrhythmus lassen Rückschlüsseauf das emotionale Klima zu, das wie-derum Hinweise auf die Bindungsqua-lität der beobachteten Mutter-Kind-Dyaden gibt. Jeder Mensch besitzt eineangeborene Motivation, Informationenaufzunehmen, zu ordnen, sich an Inter-aktionen zu beteiligen und dadurchsein Gehirn zu stimulieren. Dies ist dieVoraussetzung für das Interesse amAustausch mit anderen Menschen(Beebe et al., 2002).Während einesDialogs wird immer wieder kontrol-liert, ob und inwiefern sich der subjek-tive Zustand des Anderen verändert.Dabei beeinflusst jede Person ihr Ge-genüber (Interaktionstheorie) und re-guliert gleichzeitig auch sich selbst.Wahrnehmung soll in diesem Zusam-menhang nicht gleichgesetzt werdenmit Realität, vielmehr „konstruiert“sich jeder Mensch durch Wahrneh-mungspräferenzen, durch frühere Er-fahrungen, entwickelte Erwartungenund Selbstregulierung seine eigeneWirklichkeit. Diese wird neuronal inRepräsentationen abgespeichert, die(auch) in der Bindungstheorie als „in-ternal working models“ bezeichnetwerden (Bretherton, 1990a u. b.; Meins,1999).Beebe et al. (2002) nutzten Merkmaleder Mutter-Kind-Interaktion, um ausder Analyse der Interaktionssequenzenvon Mutter-Kind-Dyaden im Kindesal-ter von vier Monaten die Bindungsqua-lität des Kindes mit zwölf Monatenvorherzusagen.Aus den Aufnahmen, die mit dem vier-monatigen Kind in seiner häuslichenUmgebung in der Interaktion mit derMutter, einer fremden Person und, alsDrittes, in der Interaktion zwischen derMutter und einer fremden Person er-

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stellt worden waren, sollte die Bin-dungsqualität mit zwölf Monaten vor-hergesagt werden. Bei der Auswertungzeigte sich, dass die Zunahme der Ko-ordination sich nicht durch die Variable„Vertrautheit mit dem/r Interaktions-partner/in“ erklären ließ. Beebe et al.(2002) interpretierten das Ausmaß anKoordination als Spiegel des kindli-chen Bedürfnisses nach Sicherheit undnach Vorhersagbarkeit in der Interakti-on. Denn „...je größer das Ausmaß anUngewissheit, Ungewohntem oderHerausforderung ist, desto größer wirddie Notwendigkeit, die Interaktion vor-hersehbar zu gestalten...“ (Beebe et al.,2002, S.62). Als die kleinen ProbandInnen ein Jahralt waren, wurden sie zur Klassifizie-rung ihrer Bindungsqualität mit der„Fremden Situation“ von Ainsworthund Witting (1969) untersucht. Es er-gaben sich erstaunliche Zusammen-hänge: Nicht diejenigen Kinder, wel-che die beste Koordinationsleistunggezeigt hatten, waren, wie vorher ver-mutet, sicher gebunden. Das höchsteMaß an Abstimmung ging im Gegen-teil mit einem desorganisierten oder

ängstlich-ambivalenten Bindungsmu-ster einher. Das niedrigste Ausmaß an Koordinati-on war korreliert mit einem vermeiden-den Bindungsstil. Das Mittelmaß anKoordination hingegen sagte am be-sten eine sichere Bindung voraus. Die-se unerwarteten Ergebnisse werdenvon den AutorInnen so interpretiert,dass die mittlere Ausprägung dersprachlichen Koordination zwischenMutter und Kind wahrscheinlich einOptimum an Flexibilität und Variabi-lität bietet, der niedrigste Wert hemmtdie Beziehungsaufnahme, der höchsteWert bezeichnet eine gesteigerte Wach-samkeit beider InteraktionspartnerIn-nen.Die wesentlichste Eigenschaft einergelungenen Mutter-Kind-Dyade scheintdurch eine Abstimmung gekennzeich-net zu sein, die dem Kind genügendemotionale Sicherheit vermittelt undihm gleichzeitig Freiraum zur Explora-tion gibt, wobei das Kind sich trotzdemimmer seiner sicheren emotionalen Ba-sis gewahr ist, zu der es bei Bedarfzurückkehren kann.

Bretherton und Bates (1979) sowieBretherton, Bates, Benigni, Camaioniund Volterra (1979) beschäftigten sichmit der Frage, wie die Qualität derMutter-Kind-Bindung die kognitive undkommunikative Entwicklung des Kin-des beeinflusst.Sie stellten für die folgende Untersu-chung die Hypothese auf, dass sichergebundene Kinder ein größeres Reper-toire kommunikativer Gesten aufwei-sen als unsicher gebundene Kinder.Dazu wurde bei 13 amerikanischenund zwölf italienischen Kindern im Al-ter von einem Jahr mit Hilfe der„Fremden Situation“ nach Ainsworthund Witting (1969) die Bindungsqua-lität bestimmt. Die kommunikativenGesten wurden in vier Bereiche einge-teilt: kommunikatives Deuten auf einObjekt, Zeigen, Geben und rituelleForderungen (z. B. Ausstrecken derHand mit entsprechender fordernderVokalisation). Die sprachlichen Äuße-rungen wurden folgenden Kategorienzugeordnet: Sprachverständnis aufWort- und Satzebene, Produktion vonsprachlichen Routinen und Referenz-bezügen.

KK UU RR ZZ BB II OO GG RR AA FF II EE NN

SSiillkkee DDiieetteerr beendete im Januar 2005 ihr Studium der Sprachheilpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität inMünchen und qualifizierte sich zusätzlich im Bereich der orofazialen Regulationstherapie bei Dr. J. Brondo. Während desStudiums galt ihr besonderes Interesse bindungs- und sprachauffälligen Kindern. In der akademischen Lehrpraxis derLMU München, Dr. I. Eicher, erarbeitete Frau Dieter im Rahmen ihrer Magisterarbeit eine neuartige Möglichkeit derFrühintervention bei sprach- und bindungsauffälligen Kleinkindern. Im weiteren beruflichen Werdegang sieht Frau Dieterim kinder- und jugendpsychiatrischen Aufgabenfeld eine besondere Herausforderung.MMeellaanniiee WWaalltteerr schloss ihr Studium der Sprachheilpädagogik (Magister Artium) 2003 an der Ludwig-Maximilians-Uni-versität München ab und promoviert seitdem bei Herrn Prof. Dr. M. Grohnfeldt zum Thema „Häufigkeit von Sprachent-wicklungsstörungen bei bayerischen Vorschulkindern“. Als Nebenfächer im Magisterstudiengang belegte sie Neuropsy-chologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ihre Abschlussarbeit zum Thema „Prävention von Sprachentwicklungs-störungen bei zweijährigen Kindern“ wurde 2004 mit dem Förderpreis des Deutschen Bundesverbandes der Sprach-pädagogen (dbs) ausgezeichnet. Seit Abschluss des Studiums arbeitet sie als Sprachtherapeutin in freier Praxis und behan-delt sowohl kindliche Sprachentwicklungsstörungen als auch erworbene neurologische Sprach-, Sprech- und Schluck-störungen.DDrr.. mmeedd.. KKaarrll HHeeiinnzz BBrriisscchh ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrie und Neurolo-gie, Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, und Analytische Gruppenpsychotherapie. Er leitet die Abteilung Pä-diatrische Psychosomatik und Psychotherapie an der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital derLudwig-Maximilians-Universität München. Er ist Dozent sowie Lehr- und Kontrollanalytiker am Psychoanalytischen In-stitut „Stuttgarter Gruppe“. Sein Forschungsschwerpunkt umfasst den Bereich der frühkindlichen Entwicklung zu Fra-gestellungen der Entstehung von Bindungsprozessen und ihren Störungen. Er publizierte zur Bindungsent-wicklung von Risikokindern sowie zur klinischen Bindungsforschung und verfasste die Monographie„Bindungsstörungen“ zur Anwendung der Bindungstheorie in der psychotherapeutischen Behandlungvon Bindungsstörungen.

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Zuverlässigster Prädiktor für das Ver-halten in der „Fremden Situation“ wardas kommunikative Zeigen. Es ergabensich zwar keine Korrelationen hinsicht-lich der Häufigkeit des Gesteneinsat-zes, aber hinsichtlich des qualitativenNiveaus. Sämtliche sprachlichen Va-riablen wiesen keinen Zusammenhangzur Bindungsklassifikation auf. DiesesErgebnis wird so erklärt, dass der Spra-cherwerb gegenüber individuellen Va-riationen innerhalb der Mutter-Kind-Interaktion sehr robust zu sein scheint,sonst wäre er häufig gefährdet. Der sogenannte „grüne Bereich“ scheint alsorecht breit zu sein, was allerdings nichtheißt, dass eine schwere emotionaleDeprivation keine Spuren am Verhal-ten und der sprachlichen sowie kogni-tiven Entwicklung des Kindes hinter-lässt. In der obigen Untersuchungkönnten alle Mutter-Kind-Dyaden be-züglich des sprachlichen Austauschesim Normbereich gelegen haben, sodass sich hier kein Unterschied ergab.Zusätzlich handelte es sich um einesehr geringe Fallzahl, bei der kein Ver-gleich zwischen Risiko- und Nichtrisi-kokindern stattfand.

Es wäre auch denkbar, dass die sprach-liche Leistung eines Kindes mit einemJahr noch keinen signifikanten Unter-schied in Abhängigkeit von der Bin-dungsqualität erkennen lässt, dieseaber sehr wohl im Verlauf des zweitenLebensjahres an Einfluss gewinnenkönnte. Trotzdem weist die vorliegen-de Studie darauf hin, dass sicher ge-bundene Kinder insgesamt ein höhereskognitives Fähigkeitsniveau aufweisenund dass sie sich ihrer Handlungsmög-lichkeiten und ihrer Wirkung auf ande-re stärker bewusst sind als unsicher ge-bundene Kinder. Scheinbar stimulierenMütter mit sicher gebundenen Kinderndiese häufiger, sensibler und geschick-ter. Sind Mutter und Kind in der Lage,eine harmonische und affektiv positiveBeziehung aufzubauen, so wird diesprachliche und kognitive Kompetenzdes Kindes optimal gefördert. Die In-teraktionen sind dann kontingenter,und die Mutter erleichtert dem Kinddie Erforschung der Umwelt, indem sie

es mit für das Kind lösbaren Aufgabenkonfrontiert und ihm bei Schwierigkei-ten soweit hilft, wie es für die Weiter-entwicklung des Kindes entlang derZone der nächsten Entwicklung not-wendig ist (Bretherton et al., 1979;Bretherton & Beeghly, 1982; Vygots-kij, 2002).

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Meins (Meins, 1998a; Meins, Ferny-hough, Russell & Clark-Carter, 1998)untersuchte elf Monate alte Kinder (N= 48) im Hinblick auf bestimmteMerkmale ihres Spracherwerbs in Ab-hängigkeit von Bindungsqualität undmütterlicher Bedeutungszuschreibung.Die Mütter führten Tagebuch über denaktiven Wortschatz und das Sprechver-halten ihrer Kinder. Dabei sollten siespeziell auch auf Wörter oder Lautge-bilde achten, die nicht der Erwachse-nensprache entsprachen und vom Kindselbst kreiert wurden. Die notiertenÄußerungen der Kinder wurden in Ein-Wort- und Mehr-Wort-Äußerungeneingeteilt. Insbesondere sollten starre,ganzheitlich repräsentierte Redewen-dungen („frozen phrases“), wie etwa„Wassndas?“, gegen die „echten“ Sätzeund gegen Nicht-Standard-Wörter imVerhältnis aufgewogen werden. Alsweitere Variable wurde von Meins(1999; 1998) die „vocal but meaning-less speech (VBM)“ eingeführt, weildiese von den Müttern häufig berichtetwurde. Darunter fielen sämtliche Voka-lisationen des Kindes, welche die Mut-ter nicht verstand, so dass ihnen keinekonsistente Bedeutung zugewiesenwerden konnte.Es ergab sich ein signifikanter Unter-schied zwischen dem Prozentsatzhochfrequenter Nomina im aktivenWortschatz in Abhängigkeit von derBindungssicherheit. Der Unterschiedin der Wortschatzgröße zwischen densicher und unsicher gebundenen Kin-dern erwies sich ebenfalls als höchstsignifikant. Das Vorkommen von star-ren Redewendungen („frozen phra-

ses“) im Wortschatz eines Kindes er-wies sich als einziger zuverlässigerPrädiktor für die Qualität der Bindung.Die Bindungssicherheit wiederum wur-de als bester Prädiktor für die Größedes aktiven Wortschatzes identifiziert.Auch im Vergleich mit der so genann-ten VBM zeigten sich diese überzufäl-ligen Unterschiede: Unsicher gebunde-ne Kinder griffen häufiger auf schein-bar bedeutungslose, für die Mutter un-verständliche Lautgebilde zurück alssicher gebundene. Nach Vygotskij(2002) und Bruner (2002) ist die Un-terstellung einer Intention von Seitender Eltern nötig, um das Kind zu er-muntern, mit einer intentionalen (d. h.,etwas bewirken wollenden, auf ein Zielgerichteten) Kommunikation zu begin-nen. Aufgrund der von Meins (1998)gesammelten Daten kann man anneh-men, dass sicher gebundene Kinder,die ihre Mütter häufiger und intensiverin ihr Spiel einbeziehen, durch Interak-tionen leichter Bezeichnungen für denaktuellen Referenten der gemeinsamenAufmerksamkeitsausrichtung („jointattention“) finden (Bruner, 2002). Einweiterer Grund für die häufigere Be-deutungszuschreibung der Mütter si-cher gebundener Kinder könnte in derso genannten „mind-mindedness“(Meins, 1998b, S. 249) liegen. Diesebesagt, dass Mütter von sicher gebun-denen Kindern eher dazu tendieren, ih-re Kinder als vollwertige Gesprächs-partner zu betrachten, die fähig sind,Intentionen zu verbalisieren. Weiterhinkönnte man annehmen, dass Mütter,die ihre Kinder nicht als gleichberech-tigte, kompetente Gesprächspartner an-erkennen, ihre sprachlichen Äußerun-gen nicht oder weniger auf das Niveaudes Kindes abstimmen und ihm damitdie Ableitung von linguistischen Re-gelhaftigkeiten aus dem Input erschwe-ren. Andererseits könnte es aber auchzutreffen, dass Mütter mit ausgeprägter„mind-mindedness“ die Äußerungenihrer Kinder zu wohlwollend interpre-tieren oder dass Mütter unsicher ge-bundener Kinder zwanghafter sind,was die Korrektheit der kindlichenSprache angeht. Trotz dieser offenenFragen zeigt die Studie von Meins

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(1998b), dass Bindungssicherheit unddie mütterliche Bedeutungszuschrei-bung einen Einfluss auf den Spracher-werbsstil des Kindes haben.

SSpprraacchheennttwwiicckklluunngg iimm DDiiaalloogg

Grimm (1999) beschäftigte sich mit derFrage, wie der natürliche Spracher-werb stattfindet und welchen Bedin-gungen die kindliche Sprachentwick-lung unterliegt. Beim Spracherwerbgreift sie auf die Interaktionstheoriezurück. Diese besagt, dass die Ent-wicklung der Sprache, wie die der Kog-nition überhaupt, im transaktionalenGrundschema zu denken ist, nach demdie Person mit der Umwelt in einer dy-namischen Beziehung der wechselsei-tigen Einflussnahme steht. Der haupt-sächliche Aktionspartner des Kindeshat einen sehr großen Anteil an derkindlichen Sprachentwicklung. Die Er-wachsenen aus dem Umfeld des Kin-des dienen als sprachliche Vorbilderund leisten damit einen wesentlichenBeitrag zu seiner Sprachentwicklung.Ein wichtiger Bestandteil der Mutter-Kind-Interaktion ist die Tatsache, dassdie Mutter den Äußerungen des Kindesimmer wieder Bedeutungen zuweist.

Fehlen von Seiten der Mutter und/oderdes Kindes eindeutige Signale übersubjektive Zustände, so kann die Inter-aktion nicht funktionieren. Darauskönnen sich unter Umständen kogniti-ve, sprachliche und soziale Entwick-lungsrückstände ergeben.

KKeennnnzzeeiicchheenn ddeerrGGeesspprrääcchhssoorrggaanniissaattiioonn iinnAAbbhhäännggiiggkkeeiitt vvoonn ddeerrBBiinndduunnggssqquuaalliittäätt

Klann-Delius (2002) führte eine Unter-suchung mit 25 Kindern zwischen 17und 36 Monaten durch. Ziel der Studiewar es, die Reibungslosigkeit der Ge-sprächsorganisation sowie die themati-schen Präferenzen in Abhängigkeit vonder Bindungsqualität näher zu analy-sieren. Die Reibungslosigkeit der Ge-sprächsorganisation war operationali-siert als „Länge der Pausen nach Been-digung des Gesprächsbeitrages des ei-nen und dem Beginn des Gesprächs-beitrages des anderen Partners“(Klann-Delius, 2002, S. 97). Themati-sche Präferenzen wurden danach ein-geteilt, ob sich der „Beitrag auf symbo-lisches Spiel, die Trennung oder auf

Objekte bezog.“ (a. a. O.).Die Ergebnisse scheinenwenig verwunderlich: Un-sicher gebundene Kinderbeschäftigten sich signifi-kant häufiger mit demThema Trennung (p < 0.01),sicher gebundene Kinderhingegen äußerten sichtendenziell häufiger überObjekte (p < 0.06, Trendzur Signifikanz). Zusätz-lich wiesen die unsichergebundenen Kinder länge-re Reaktionszeiten auf,wenn sie über Trennungsprachen. Die Problematik der Tren-nungssituation kann wiefolgt dargestellt werden:Die Mutter muss oder willdas Kind kurz allein las-sen, das Kind ist damitaber nicht einverstanden.In dieser Situation kommt

es darauf an, dass beide Partner unmis-sverständlich ihre Gefühle darüberzum Ausdruck bringen, damit eindeuti-ge Reaktionen ermöglicht werden.Kinder sind im Alter von etwa drei Jah-ren noch nicht fähig, das Ende derTrennung und damit die glücklicheWiedervereinigung mit der Mutter zuantizipieren. Wichtig ist dabei, wiefeinfühlig beide Interaktionspartnerauf die Gefühlsäußerungen des Ande-ren reagieren. Bei unsicher gebunde-nen Kindern war oft zu beobachten,dass sie ihr Missfallen gegenüber derTrennung von der Mutter nur unklarausdrückten, etwa durch ein mehrdeu-tig intoniertes „ja“ im Sinne von „ja,ich hör Dir zu“ oder „ja, es ist okay,dass Du weggehst“, oder durch Vokali-sierungen wie „mh“ und Jammern.Werden diese unsicher gebundenenKinder älter, kann es sein, dass sie„...gegenüber ihren Müttern recht for-dernd auftreten und die Wünsche undPläne anderer nicht recht gelten lassenwollen...“ (Klann-Delius, 2002, S. 102).Die Mütter von unsicher gebundenenKindern neigen dazu, nicht ausrei-chend auf die Situation des Kindes ein-zugehen und stattdessen ihre eigenePosition hervorzuheben. Das Verhaltendes Kindes wird für die Trennung ver-antwortlich gemacht. Die Mutter stelltihre eigenen emotionalen Probleme mitder Trennung in den Vordergrund.

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Im diagnostischen Manual ICD 10 fürpsychische Krankheiten (Dilling,Mombour & Schmidt, 1991) wird inreaktive Bindungsstörungen (F 94.1),die sich vorwiegend durch gehemmteund furchtsame Reaktionen auf Bin-dungsangebote auszeichnet und Bin-dungsstörungen des Kindesalters mitEnthemmung (F 94.2, diese Kinder fal-len durch distanzloses Verhalten auchgegenüber fremden Personen auf) un-terschieden (s. Tab. 1).Beide Verhaltensweisen werden als un-mittelbare Folge von extremer emotio-

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naler und/oder körperlicher Vernach-lässigung und Misshandlung angese-hen. Auch der ständige Wechsel derBezugsperson wird ursächlich mit derEntwicklung einer kindlichen Bin-dungsstörung in Verbindung gebracht.Nach Brisch (1999) stellt die ICD 10keine ausreichenden diagnostischenZuordnungen für die Vielfalt und denSchweregrad an möglichen Bindungs-störungen zur Verfügung, wie sie in derPraxis wieder zu finden sind. Deswe-gen nimmt Brisch (1999) eine umfas-sendere Einteilung vor (s. Tab. 2). Erdifferenziert nicht nur zwischen ge-hemmtem und enthemmtem Bindungs-verhalten, sondern beschreibt siebenverschiedene Typen unphysiologischenBindungsverhaltens, darunter keinerleiBindungsverhalten gegenüber der Be-zugsperson, undifferenziertes Bin-dungsverhalten (vergleichbar mit F94.2), aber ebenso übersteigerte oderaggressive Bindungsmuster sowie eineRollenumkehr zwischen Eltern undKind. Auch psychosomatische Be-schwerden können nach Brisch (1999)auf eine Bindungsstörung hindeuten.Die Sprachentwicklungsstörungen wer-den im diagnostischen Manual ICD 10für psychische Krankheiten (Dilling etal., 1991) in expressive und rezeptiveSprachstörungen unterteilt (s. Tab. 3).Hier wird, wie bei den Bindungs-störungen, nur sehr grob unterschiedenin eine expressive Form der Sprachent-wicklungsstörung, bei der vorwiegenddie Sprachproduktion in Mitleiden-schaft gezogen ist, das Sprachverständ-

nis hingegen im Normbereich liegt,und in eine rezeptive Sprachstörung,die sich durch ein, für Alter und Intel-ligenz des Kindes deutlich zu schlech-tes Sprachverständnis auszeichnet unddie sich somit auch auf die Sprachpro-duktion auswirken kann.

ZZuussaammmmeennhhaanngg vvoonnIInntteerraakkttiioonn,, SSpprraacchhee uunnddBBiinndduunnggssvveerrhhaalltteenn

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dasszwischen dem Ausmaß der Feinfühlig-keit, dem Redestil und der Bindungs-qualität ein deutlicher Zusammenhangbesteht. Schon Wulbert, Inglis, Kriegs-mann und Mills (1975) befassten sichmit der Frage, welche Zusammenhängees zwischen Sprachentwicklungsverzö-gerungen und Eigenschaften der Mut-ter-Kind-Interaktion gibt. Sie unter-suchten hierzu 20 in ihrer Sprachent-wicklung verzögerte Kinder in der Al-tersspanne zwischen 2;8 bis 5;6 Jahren.Ausgeschlossen waren Kinder, dieHörstörungen oder andere medizini-sche Probleme hatten, die ihre Ent-wicklung beeinflussen könnten. Sieverglichen sie mit 20 weiteren Kin-dern, die nach Alter, Geschlecht, Stel-lung in der Geschwisterreihe, Fami-lienstand der Mutter und sozioökono-mischem Status parallelisiert wordenwaren. Da die AutorInnen Bedenkenhatten, ob das Verhalten der Mütterwirklich typisch für die Interaktion mitsprachentwicklungsverzögerten Kin-dern war und nicht auch bei anderen

Behinderungen zu finden war, führtensie noch eine Kontrollgruppe mit Down-Syndrom-Kindern ein. Bei derTestung wurden in mehreren Untertestsdas Sprachverständnis und die Sprach-produktion untersucht. Bemerkenswertwar bei dieser Untersuchung, dass sichdie größten Unterschiede in den Kate-gorien ergaben, in denen die Mutter-Kind-Interaktion Thema war, wie etwa(1) emotionale verbale Verfügbarkeitder Mutter für die Signale des Kindes,(2) Vermeiden von Einschränkungenund Bestrafung sowie (3) mütterlichesEngagement in der Beziehung mit demKind (Wulbert et al., 1975, S. 65). DieKategorie (1) beurteilte einerseits diedirekte verbale Interaktion der Muttermit dem Kind, andererseits aber auch,mit welchen Worten sie über ihr Kindsprach. Mütter von sprachentwick-lungsverzögerten Kindern spracheneher kritisch über ihre Kinder und lob-ten oder liebkosten sie selten. Die Ka-tegorie (2) beschäftigt sich mit demEinsatz von Verboten und Strafen. Je-des Kind zeigte Verhaltensweisen, dieder Mutter missfielen. Mütter nichtsprachentwicklungsverzögerter Kinderversuchten, mit den Kindern zu ver-handeln und Gründe zu erörtern. DieMütter der sprachentwicklungsverzö-gerten Kinder schrien dagegen schnel-ler, bedrohten das Kind oder gaben ihmeinen Klaps. In der Kategorie (3) ergabsich die größte Differenz. Bei sprach-entwicklungsverzögerten Kindern liegtder Schwerpunkt der Bemühungen sei-tens der Mütter auf der Befriedigung

TTaabbeellllee 11:: DDiiaaggnnoossttiisscchhee KKllaassssiiffiikkaattiioonn vvoonn BBiinndduunnggssssttöörruunnggeenn iimm IICCDD 1100

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körperlicher Bedürfnisse, wohingegensonst wenig Interaktion stattfand. DieMütter der sprachlich altersgemäß ent-wickelten Kinder hingeben gaben öfteran, mit dem Kind zu spielen und es zuermutigen, neue Dinge zu lernen. So-mit förderten diese Mütter ihre Kinderzusätzlich in ihrer Entwicklung,während die sprachlich retardiertenKinder von ihren Müttern als ständigeQuelle der Frustration empfunden wur-den. Auch Schenk-Danzinger (1976)befasste sich mit dieser Thematik. Ih-rer Meinung nach gilt eine sanft-liebe-volle Sprechweise als ein Merkmal ei-ner feinfühligen Mutter. Kinder solcherMütter bringen die meisten Lautäuße-rungen hervor, wobei im Alter vonsechs bis zehn Monaten ein rapider Zu-wachs von Lautäußerungen verzeich-net werden kann. Auch bei weniger feinfühlig bewerte-

ten Müttern, die mit einem trägen bisneutralen Sprachstil mit ihren Kindernsprachen, entwickelten sich viele Kin-der sicher gebunden. Es war auffal-lend, dass diese Mütter trotz ihrer Di-stanziertheit ihren Kindern ausrei-chend Geborgenheit vermitteln konn-ten. Kinder von sehr laut und lebhaft spre-chenden Müttern, aber guten Wertenhinsichtlich ihrer Feinfühligkeit, wie-sen häufig ein unsicheres Bindungsver-halten auf. Dieses überfordernde undstets aktivieren wollende Verhalten lässt den Kindern zu wenig Raum zuexplorieren und verunsichert sie.Beebe (1979) berichten, dass verein-zelte Missverständnisse („mismatches“)zwischen Mutter und Kind eine sichereBindungsentwicklung eher vorantrei-ben als ihr schaden, sofern sie schnellund eindeutig geklärt werden. So

äußerte ein Kind etwa einen fordern-den Laut in Richtung seiner Mutter,worauf die Mutter dem Kind etwas zuessen geben wollte. Das Kind lehntedie Nahrung ab, so dass die Mutter neuzu interpretieren begann und schließ-lich entdeckte, dass die Äußerung desKindes nicht dem Essen, sondern demSpielzeug galt. Auf diese Weise wurdedas Missverständnis rasch geklärt, undes kam zu keiner Interaktionsstörung.

RRiissiikkookkiinnddeerr ffüürrSSpprraacchheennttwwiicckklluunnggss--uunndd//ooddeerr BBiinndduunnggssssttöörruunnggeenn

Manche Kinder könnten ein erhöhtesRisiko haben, eine Bindungs- und/odereine Sprachentwicklungsstörung aus-zubilden. Frühgeborene müssen gleichzu Anfang ihres Lebens oft wochen-lang im Krankenhaus betreut werden

TTaabbeellllee 22:: KKlliinniisscchhee KKllaassssiiffiikkaattiioonn vvoonn BBiinndduunnggssssttöörruunnggeenn nnaacchh BBrriisscchh ((11999999))

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und haben zudem oft schlechtere phy-sische Voraussetzungen für eine gesun-de Entwicklung als Reifgeborene(Brisch, 2002; Huber, Brisch, Pohl-andt, Eckert, Knorpp, Mauch & Bode,1996; Knorpp, 1999; Knorpp, Mauch,Bode, Huber, Paschke, Pohlandt, Rip-berger, Spraul & Brisch, 1997). Brisch,Bechinger, Betzler und Heinemann(2003) fanden in einer großen Längs-schnittstudie mit sehr kleinen Frühge-borenen, dass neurologisch krankeKinder auch signifikant häufiger unsi-cher gebunden waren im Vergleich zuneurologisch gesunden Kindern. Kiß-gen (2002) fand in seiner Untersu-chung mit 27 motorisch entwicklungs-verzögerten reifgeborenen Kindern(Kontrollgruppe N = 34) einen deutli-chen Zusammenhang zwischen derBindungssicherheit und motorischerEntwicklung: Eine sichere Bindungs-qualität korrelierte signifikant häufigermit einer motorisch altersgemäßenEntwicklung als mit einer motorischenEntwicklungsverzögerung. Das Gegen-teil traf für die unsichere Bindungsent-wicklung zu. (Kißgen, 2002, S. 129).Wulbert et al. (1975) betonen, dass ins-besondere auch Kinder mit Sprachent-wicklungsstörungen gefährdet sind,zusätzlich emotionale Probleme mit In-teraktions- und Kommunikations-störungen zu entwickeln. Sie werdenhäufig von ihren Müttern körperlichgenauso gut versorgt wie sprachlichunauffällige Kinder oder solche mitDown-Syndrom. Allerdings erhaltensie signifikant seltener emotionale Zu-wendung und liebevolle Förderung alsdie beiden anderen genannten Grup-pen. Die Mütter sprachentwicklungs-gestörter Kinder berichten häufig, dassihnen ihr Kind seltsam oder fremdartigvorkomme. Zudem werden sprachent-wicklungsgestörte Kinder häufig in ih-rer kognitiven Entwicklung unter-schätzt, weil sie ihre Ideen nicht adä-quat in verbale Strukturen umsetzenbeziehungsweise ihre Bedürfnisse nichtaltersadäquat äußern können (Grimm,1999). Aber auch ein umgekehrter Ent-wicklungsweg von der Bindungs-störung zur Sprachentwicklungsstö-rung ist denkbar. Eine Bindungs-

störung wird sich am ehesten dannauch in der Sprachentwicklung nieder-schlagen, wenn sie in einem Zeitraument- beziehungsweise besteht, in demdas Kind wichtige Schritte in der An-eignung des sprachlich-kommunikati-ven Systems vollzieht. Als kritischeZeitspanne können in etwa die ersten36 Lebensmonate angesehen werden.Bekommt das Kind etwa durch eine be-lastete Mutter-Kind-Interaktion keineausreichende Chance, die Bedeutungund den Aufbau des linguistisch-kom-munikativen Systems zu erfassen so-wie die dahinter liegenden Strukturenzu erkennen und zu verinnerlichen, be-steht die Gefahr, dass sich hieraus imweiteren Verlauf Defizite ausbilden. Esgilt für die Sprachentwicklung die glei-che Voraussetzung wie für die Bin-dungsentwicklung: Kann die Bezugs-person nicht feinfühlig und emotionalverfügbar auf die verbalen wie nonver-balen Signale des Kindes reagieren, istdas Kind nicht in ausreichendem Maßein der Lage, aus der Interaktion Schlüs-se für seine eigene Entwicklung zu zie-hen (Beebe et al., 2002).

ÜÜbbeerrlleegguunnggeenn zzuurrtthheerraappeeuuttiisscchheenn AArrbbeeiitt mmiittbbiinndduunnggss-- uunndd sspprraacchheennttwwiicckklluunnggssggeessttöörrtteennKKiinnddeerrnn

Sowohl PsychotherapeutInnen als auchandere Berufsgruppen sollten über dieDiagnostik sowie den Umgang mitKindern mit Bindungsstörungen aus-reichende Kenntnisse besitzen, denn eswerden häufiger Störungen in mehre-ren Entwicklungsbereichen als nur ineinem isolierten Bereich, wie etwa derSprache allein, auftreten. In vielen Fäl-len ist es nahezu unmöglich zu rekon-struieren, welches der vorhandenenProbleme am Anfang stand oder wel-che Probleme sich daraus zusätzlichentwickelt haben, etwa ob zunächst ei-ne Sprachstörung bestand und sich dar-aus eine emotionale Störung ent-wickelte oder umgekehrt.

Brisch (1999, S. 200) gibt in Anleh-nung an Bowlby (1988) folgende Hin-

weise zum Verhalten des/r Therapeu-ten/in in der Behandlung bindungsge-störter Kinder und Jugendlicher:„Der Kindertherapeut muss in seinemZuwendungsverhalten als verlässlichepsychische und physische Basis fungie-ren, damit sich trotz der Bindungs-störung des Kindes eine sichere Bin-dungsbeziehung entwickeln kann.Der Therapeut ermöglicht Spielverhal-ten, das sowohl in der direkten Interak-tion als auch im Symbolspiel die Darstellung von bindungsrelevantenInhalten aus den erlebten Beziehungenzu seinen bisherigen Bezugspersonenfördert.Der Therapeut deutet bindungsrele-vante Interaktionen zwischen sich unddem Kind direkt verbal oder durch teil-nehmende Spielinteraktion auf dersymbolischen Ebene.Der Therapeut fördert emotionaleÄußerungen des Kindes, die sich aufdie Bindungsaspekte in der Übertra-gung beziehen, und setzt sie in Bezie-hung zu den erfahrenen Bindungser-lebnissen der Vergangenheit.Der Therapeut ermöglicht durch neuesichere Bindungserlebnisse, dass dasKind sich von früheren destruktivenunsicheren Bindungsmustern lösen undeine sichere Bindungsqualität ent-wickeln kann.Der Therapeut muss das therapeuti-sche Bündnis behutsam lösen als Vor-bild für den Umgang mit Trennungen:Die Trennung sollte vom Patientenund/oder den Eltern initiiert werden.Dann wird sie weniger leicht alsZurückweisung durch den Therapeutenerlebt. Die physische Trennung istnicht gleichbedeutend mit dem Verlusteiner ‘sicheren Basis’, weil für dasKind und die Eltern die Möglichkeitbestehen bleibt, bei erneuter ‘Not undAngst’ zu einem späteren Zeitpunkt aufden Therapeuten zurückzugreifen.“

Speziell im Bereich der Sprachtherapiespielt der Aufbau einer vertrauensvol-len, sicheren Beziehung eine großeRolle. Bei einem bindungsgestörtenKind kann es vor der eigentlichenÜbungsbehandlung erst einmal nötigsein, über einen langen Zeitraum eine

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vertrauensvolle, sichere Beziehungzwischen Kind und Therapeut/in auf-zubauen, da sonst keine lernförderndeKommunikationssituation und Interak-tion möglich wird. Der/die Thera-peut/in muss die Interessen des Kindeseinbeziehen, so dass die Inhalte derTherapie für das Kind lebensbedeut-sam werden können und es bereit ist,die Anregungen in sich aufzunehmen.

AAuussbblliicckk

Die mittlerweile recht umfangreicheBindungsforschung belegt eindeutigdie lebenslange Bedeutung der Bin-dungserfahrungen. Sicher gebundeneKinder sind flexibler in ihrem kogniti-ven Problemlöseverhalten und habeneine ausgeprägtere soziale Kompetenz.Sie werden von ihren Kommunikati-onspartnerInnen als freundlicher undumgänglicher beschrieben. Emotionalunsichere Kinder hingegen haben eingesteigertes Risiko, psychische Proble-me zu entwickeln. Jede/r Therapeut/in, egal welcher Dis-ziplin, sollte die grundlegende Bedeu-tung der Bindungsentwicklung beimAufbau seiner/ihrer therapeutischenArbeitsbeziehung zum Kind berück-sichtigen und Kenntnisse hinsichtlichSymptomen von Bindungsstörungenbesitzen, damit sie/er entsprechenddarauf reagieren kann. Dadurch kann

keine notwendige Psychotherapie er-setzt werden, aber über hilfreiche Ver-haltensstrategien im Umgang mit bin-dungsgestörten Kindern informiert zusein, erleichtert die Arbeit und den Be-ziehungsaufbau mit ihnen.Zusätzlich können betroffene Kinderdurch das Wissen um die typischenSymptome von Bindungsstörungenschneller und gezielter an eine/n ent-sprechend ausgebildete/n Kinder- undJugendlichen-Psychotherapeuten/inüberwiesen werden.

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Jg. 13, Ausg. 3 , 2005, 170 - 179 I N T E R D I S Z I P L I N Ä R 117799

„ B a c k t o l i f e “- Ein neues Therapiekonzept für SchlaganfallpatientInnen

Jedes Jahr trifft rund 350.000 Deutsche der Schlag. Nach Herz-Kreislauf-Er-krankungen und Krebs ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache: et-wa 70 Prozent der Betroffenen sterben daran. Zudem ist der Schlaganfall diehäufigste Ursache für Behinderungen: 80 Prozent der PatientInnen bleiben aufirgendeine Weise behindert. Das Spektrum reicht dabei von schwersten Arm-lähmungen über Gehstörungen bis zu Sprach- und Verständnisproblemen. Ins-gesamt sind in Deutschland, so schätzen ExpertInnen, mehr als eine MillionMenschen von den Folgen eines Schlaganfalls betroffen. Übliche stationäre Re-ha-Maßnahmen nach dem Krankenhausaufenthalt können zwar den Schrittzurück ins normale Leben erleichtern, viele PatientInnen benötigen aber einedeutlich längere und intensivere therapeutische Betreuung – und das möglichstin ihren eigenen vier Wänden. Diese Erfahrung machte der Physiotherapeut undBobath-Instructor Helmut Gruhn. Er entwickelte deshalb ein neuartiges Thera-piekonzept mit dem Titel „Back to life“. Das Prinzip: SchlaganfallpatientInnenwerden professionell zu Hause betreut.„Die Therapie erfolgt dort, wo sich die Patientin, der Patient am wohlsten fühltund wo man seine Wünsche am besten erfüllen kann - in seinem Zuhause“, er-klärt Gruhn. Wie wichtig eine gewohnte Umgebung für den Therapieerfolg ist,hätten neurologische Studien eindeutig bewiesen. „Dabei spielen nicht nur dieAngehörigen eine wichtige Rolle, sondern auch die vertraute Umgebung. „ EineIntensivtherapie dauert sieben bis neun Monate und umfasst bis zu 120 Thera-piestunden. Die Betreuer sind speziell dafür ausgebildet und arbeiten nach an-erkannten wissenschaftlichen Methoden. In vielen Städten Deutschlands sei ei-

ne „Back to life“-Therapie bereits möglich“, sagt Gruhn und verweist auf diewachsende Zahl an PhysiotherapeutInnen, die sich in seinem Ausbildungszen-trum in Hainburg in der Nähe von Frankfurt für „Back to life“ schulen lassen.

Neben der Intensivtherapie bietet Gruhn auch eine Kompakttherapie an. Sie fin-det in seiner Praxis statt, dauert vier Tage mit jeweils vier Therapiestunden undsei vor allem für solche PatientInnen geeignet, die ihr Zuhause verlassen kön-nen. „Die Wiederherstellung der Selbstständigkeit des Betroffenen wird dabeienorm vergrößert“, erklärt Gruhn. „Über die lange tägliche Behandlungszeitwird eine hohe Intensität der Therapie gewährleistet. Durch den ständigen In-formationsfluss erfährt das Gehirn über die vier Tage sozusagen ein Feuerwerkan Reizen und kann damit sein Regenerationspotenzial voll entfalten.“ Möglichsei außerdem noch eine Intervalltherapie wahlweise in der Praxis oder in denWohnungen der PatientInnen. Diese Behandlung dauert drei bis sechs Monatemit insgesamt 16 Therapiestunden und soll das Erreichte erhalten und Hilfe zurSelbsthilfe geben.

Helmut Gruhn ist Physiotherapeut und Bobath Instructor mit über 30jährigerBerufserfahrung. Er ist autorisiert zur Ausbildung von Physio-, Ergo- undPflegetherapeutInnen mit Zertifikatsposition gegenüber allen gesetzlichenKrankenkassen. Seine Spezialisierung umfasst die Erwachsenentherapie beizerebralen, neurologischen Ausfällen unter Einbeziehung der persönlichen Um-gebung. Gruhn führt Fortbildungen für Physio-, Ergo- und PflegetherapeutIn-nen durch und arbeitet als Supervisor in verschiedenen Kliniken, beispielsweisein der Universitätsklinik Frankfurt am Main.

Mehr Informationen über: Helga Gruhn-Pospischil und Helmut GruhnCarl-Ulrich-Straße 30, 63512 Hainburg, Fon: 06182 - 4749, Fax: - [email protected], www.perzeptionshaus.de/backtolife/ ke