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40 | Phys. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2003 | Nr. 1 Der Fund einer 2500 Jahre alten Mumie in Pakistan wurde zunächst als archäologische Sensation gefeiert. Genauere Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Mumie eine moderne Fälschung ist. Zu den weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen gehörte auch routinemäßig eine Radiokarbon-Datierung, mit der man zuverlässig das Alter der verwendeten organi- schen Materialien bestimmen kann. Über das Deutsche Archäologische Institut in Berlin gelangten daher zunächst zwei kleine Proben in das Radiokarbonlabor der Universität Erlangen zur Altersdatierung: einige Fasern der Matte, auf die die Mumie gebettet ist und ein kleines Stück des um- hüllenden Tuches. Später erhielt unsere Arbeitsgruppe auch noch zusätzlich Knochen, Haut- und Muskelgewebe der Mumie. Radiokarbon-Datierung Willard Frank Libby entwickelte 1948 die Radiokarbon-Me- thode, ein Verfahren zur Altersdatierung von archäologi- schen und geologischen Proben (Nobelpreis für Chemie, 1960). Sie beruht darauf, dass durch das Auftreffen der kos- mischen Strahlung in den oberen Schichten der Erdatmo- sphäre Neutronen erzeugt werden. Diese Neutronen wan- deln dann durch eine Kernreaktion das Stickstoffisotop 14 N in das radioaktive Kohlenstoffisotop 14 C um (Abbildung 3). Das 14 C-Atom wird innerhalb kürzester Zeit zu 14 CO 2 oxi- diert und gelangt durch die Photosynthese der Pflanzen in die Nahrungskette. 14 C selbst ist radioaktiv und zerfällt durch einen β -Zerfall mit einer Halbwertszeit von 5730 Jah- D ie Entdeckung einer Mumie in Quetta, einer Stadt im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, vor knapp zwei Jahren galt in archäologischen Kreisen als Sen- sation und ging weltweit durch die Medien. Wie bei ver- gleichbaren ägyptischen Mumien üblich, befand sie sich in einem doppelten Sarkophag, einem inneren aus Stein und einem äußeren aus Holz (Abbildungen 1 und 2). Laut alt- persischer Keilschrift auf einer goldenen Brustplatte han- delte es sich bei dem Fund um Ruduuna, einer Tochter des persischen Königs Xerxes der Große (um 519 – 465 v.Chr.). Ein rätselhafter Sarkophag Rätselhaft sind die Umstände, unter denen die Mumie zum Vorschein kam. Angeblich wurde der 300 kg schwere Sar- kophag bei einem Erdbeben freigelegt und von dem Finder an Wali Riki, Oberhaupt und Stammesfürst eines Klans in Quetta, übergeben. Für elf Millionen Dollar boten Mittels- männer die Mumie auf dem Kunsthändler-Schwarzmarkt potenziellen Interessenten zum Verkauf an. Doch zum Han- del kam es nicht mehr. Die pakistanische Polizei beschlag- nahmte Ende Oktober 2000 den Fund im Haus von Wali Riki und brachte ihn unverzüglich in das Nationalmuseum nach Karachi. Dort angelangt, stellten auch schon die an- grenzenden Nachbarregierungen in Teheran und in Kabul Besitzansprüche an den Sensationsfund und forderten die Herausgabe des Sarkophags. Bis zum heutigen Tag verblieb aber die Mumie in Karachi und wird seitdem von Frau Dr. Asma Ibrahim, der Kuratorin des Museums, wissenschaftlich unter- sucht. Sofort durchgeführte erste Unter- suchungen mittels Computertomo- graphie ergaben, dass es sich um eine 25- bis 40-jährige Frau handelt, bei der Hüftknochen und Rücken gebrochen sind. Auffällig war insbesondere, dass man der Frau offensichtlich vor ihrem Tod sämtliche Zähne entfernt hatte. Radiokarbon-Datierung Xerxes’ falsche Tochter G ERHARD MORGENROTH Abb. 1 Kopf der Mumie. INTERNET | Radiokarbon-Labor Erlangen www.14c.de Dr. Asma Ibrahim www.geocities.com/dr_asma2001 Radiocarbon Journal www.radiocarbon.org

Xerxes' falsche Tochter: Radiokarbon-Datierung

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Page 1: Xerxes' falsche Tochter: Radiokarbon-Datierung

40 | Phys. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2003| Nr. 1

Der Fund einer 2500 Jahre alten Mumie in Pakistan wurdezunächst als archäologische Sensation gefeiert. Genauere Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Mumieeine moderne Fälschung ist.

Zu den weiteren wissenschaftlichen Untersuchungengehörte auch routinemäßig eine Radiokarbon-Datierung,mit der man zuverlässig das Alter der verwendeten organi-schen Materialien bestimmen kann. Über das Deutsche Archäologische Institut in Berlin gelangten daher zunächstzwei kleine Proben in das Radiokarbonlabor der UniversitätErlangen zur Altersdatierung: einige Fasern der Matte, aufdie die Mumie gebettet ist und ein kleines Stück des um-hüllenden Tuches. Später erhielt unsere Arbeitsgruppe auchnoch zusätzlich Knochen, Haut- und Muskelgewebe der Mumie.

Radiokarbon-DatierungWillard Frank Libby entwickelte 1948 die Radiokarbon-Me-thode, ein Verfahren zur Altersdatierung von archäologi-schen und geologischen Proben (Nobelpreis für Chemie,1960). Sie beruht darauf, dass durch das Auftreffen der kos-mischen Strahlung in den oberen Schichten der Erdatmo-sphäre Neutronen erzeugt werden. Diese Neutronen wan-deln dann durch eine Kernreaktion das Stickstoffisotop 14Nin das radioaktive Kohlenstoffisotop 14C um (Abbildung 3).Das 14C-Atom wird innerhalb kürzester Zeit zu 14CO2 oxi-diert und gelangt durch die Photosynthese der Pflanzen indie Nahrungskette. 14C selbst ist radioaktiv und zerfälltdurch einen β–-Zerfall mit einer Halbwertszeit von 5730 Jah-

Die Entdeckung einer Mumie in Quetta, einer Stadt imGrenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, vor

knapp zwei Jahren galt in archäologischen Kreisen als Sen-sation und ging weltweit durch die Medien. Wie bei ver-gleichbaren ägyptischen Mumien üblich, befand sie sich ineinem doppelten Sarkophag, einem inneren aus Stein undeinem äußeren aus Holz (Abbildungen 1 und 2). Laut alt-persischer Keilschrift auf einer goldenen Brustplatte han-delte es sich bei dem Fund um Ruduuna, einer Tochter despersischen Königs Xerxes der Große (um 519 – 465 v.Chr.).

Ein rätselhafter SarkophagRätselhaft sind die Umstände, unter denen die Mumie zumVorschein kam. Angeblich wurde der 300 kg schwere Sar-kophag bei einem Erdbeben freigelegt und von dem Finderan Wali Riki, Oberhaupt und Stammesfürst eines Klans inQuetta, übergeben. Für elf Millionen Dollar boten Mittels-männer die Mumie auf dem Kunsthändler-Schwarzmarktpotenziellen Interessenten zum Verkauf an. Doch zum Han-del kam es nicht mehr. Die pakistanische Polizei beschlag-nahmte Ende Oktober 2000 den Fund im Haus von Wali Riki und brachte ihn unverzüglich in das Nationalmuseumnach Karachi. Dort angelangt, stellten auch schon die an-grenzenden Nachbarregierungen in Teheran und in KabulBesitzansprüche an den Sensationsfund und forderten die

Herausgabe des Sarkophags. Bis zumheutigen Tag verblieb aber die Mumiein Karachi und wird seitdem von FrauDr. Asma Ibrahim, der Kuratorin desMuseums, wissenschaftlich unter-sucht.

Sofort durchgeführte erste Unter-suchungen mittels Computertomo-graphie ergaben,dass es sich um eine25- bis 40-jährige Frau handelt,bei derHüftknochen und Rücken gebrochensind. Auffällig war insbesondere, dassman der Frau offensichtlich vor ihremTod sämtliche Zähne entfernt hatte.

Radiokarbon-Datierung

Xerxes’ falsche TochterGERHARD MORGENROTH

Abb. 1 Kopf der Mumie.

I N T E R N E T |Radiokarbon-Labor Erlangenwww.14c.de

Dr. Asma Ibrahimwww.geocities.com/dr_asma2001

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ren zurück in 14N. Erzeugung und Zerfall von 14C stehen imGleichgewicht, so dass die Verhältnisse des radioaktiven Nu-klids 14C zu den stabilen Isotopen 12C und 13C konstant blei-ben. Bei Kohlenstoff liegt dieses natürliche Isotopenver-hältnis 14C:12C in der Atmosphäre bei 1,2⋅10–12 und wird inFachkreisen als 100 % oder 100 pMC (percent Modern Carbon) bezeichnet. Dieses Verhältnis findet man auch inallen lebenden Organismen, da bei Stoffwechselprozessenalle Isotope eines Elementes in erster Näherung in gleichemMaße beteiligt sind. Stirbt ein Organismus ab, so findet nurnoch der radioaktive Zerfall des instabilen Isotops 14C nachdem bekannten exponentiellen Zerfallsgesetz statt. Aus demheute noch vorhandenen Anteil von 14C in einer Probe undbei bekanntem Anfangs-Isotopenverhältnis zu Lebzeitenkann man daher auf die Zeit schließen, die seit dem Tod vergangen ist (siehe auch „Die Radiokarbon-Datierung“,S. 43).

Bestimmung des 14C-GehaltsWie wird nun die Radiokarbon-Datierung in der Realitätdurchgeführt? Ziel ist es, die seltenen 14C-Atome in einerMessprobe nachzuweisen, zu zählen und in das Verhältniszu den stabilen Kohlenstoffisotopen (12C, 13C) zu setzen.Libby verwendete hierfür ein geeignet konstruiertes Zähl-rohr,ähnlich einem Geiger-Müller-Zähler,mit dem er den ra-dioaktiven Zerfall der 14C-Atome nachweisen konnte. Die-se so genannte Zählrohrmethode hat aber den entschei-denden Nachteil, dass wegen der langen Halbwertszeit von5730 Jahren nur wenige 14C-Atome in der Probe währendder Messzeit zerfallen: Für eine Radiokarbon-Datierung sinddeshalb größere Probenmengen (etwa 10 g Kohlenstoff)und lange Messzeiten nötig. Ein moderneres massenspek-trometrisches Verfahren, die Beschleuniger-Massenspektro-metrie (Accelerator Mass Spectrometry, AMS), ist dagegenin der Lage, die 14C-Atome direkt, also unzerfallen, nachzu-weisen. Dadurch kommt man bei einer AMS-Messung miteiner 10000-fach geringeren Probenmenge von etwa 1 mgaus. Der Preis für diese erhöhte Nachweisempfindlichkeitist aber die Größe und Komplexität einer AMS-Anlage, dieimmerhin einen Teilchenbeschleuniger voraussetzt.

Die Erlanger AMS-AnlageEine solche AMS-Anlage steht an der Universität Erlangen.Abbildung 4 zeigt schematisch ihren Aufbau. In einer Io-nenquelle werden durch Beschuss mit Cäsium-Ionen nega-tiv geladene Kohlenstoff-Ionen aus der zu untersuchendenProbe erzeugt, hinzu kommt ein Spektrum molekularer Io-nen. Ein elektrostatischer 90°-Plattenkondensator und einerster 90°-Analysiermagnet selektieren diese Kohlenstoff-Ionen nach ihrer Energie und Masse vor und schießen diedrei Isotope 12C, 13C, 14C sequentiell, also zeitlich versetzt,durch ein Vakuumstrahlrohr in einen Tandem-Beschleunigerein. Die Verwendung von negativen Ionen hat den Vorteil,dass das zu 14C massengleiche 14N keine negativen Ionenbildet. Dadurch wird dieser isobare Untergrund schon inder Ionenquelle vollkommen eliminiert.

Die negativ geladenen Kohlenstoff-Ionen fliegen in denBeschleuniger hinein und werden durch eine positive Span-nung von 5 Millionen Volt zur Beschleunigermitte hin be-schleunigt. Sie passieren eine dünne Folie oder einen mitArgon gefüllten Umladekanal. Dabei streift jedes Ion meh-rere Elektronen ab. Bei diesem Umladevorgang brechen mo-lekulare Ionen auf, die zu 14C massengleich sind, wie zumBeispiel 12CH2, 13CH und 7Li2, weil sie Bindungs-Elektronenverlieren. Sie liegen dann als freie Atom-Ionen vor. Die nun positiv geladenen Ionen werden von derselben Hoch-spannung zum Ausgang des Beschleunigers hin getriebenund dabei nochmals beschleunigt – daher der Name Tan-dem-Beschleuniger.

Auf der Hochenergieseite separiert ein 15°-Plattenkon-densator dann die C-Ionen nach den Teilchenenergien undtrennt die Molekülfragmente ab. Ein zweiter Analysiermag-net selektiert schließlich die im Ionenstrahl verbleibendenTeilchen 12C, 13C und 14C nach ihren Massen. Der Nach-weis von 14C erfolgt am Ende der Strahlrohrstrecke in einemHalbleiter- oder Gasionisations-Detektor. Er stoppt die ein-tretenden Teilchen: Dabei können sie wegen ihres spezifi-schen Energieverlustes nach ihrer Kernladungszahl ein-deutig identifiziert und gezählt werden. Nach dem zweitenAnalysiermagneten fangen Faraday-Cups die häufigeren Iso-tope 12C und 13C auf. So kann ihr Ionenstrom gemessenwerden. Eine detailliertere Beschreibung der AMS-Massen-spektrometrie findet sich in Physik in unserer Zeit 2000,31 (5), 203.

Die Datierung der MumieBei einer knapp 2500 Jahre alten Mumie erwartet man nochungefähr 74 % des ursprünglichen 14C-Gehalts,also 74 pMC:Das folgt aus dem Zerfallsgesetz. Dieses Ergebnis hatte auchunsere Arbeitsgruppe im Sinn, als sie im Frühjahr 2001 ineiner routinemäßigen Nachtschicht die aus der Mumien-matte gewonnene Messprobe an der Erlanger AMS-Anlagedatierte. Nach wenigen Minuten der Messung war aber klar,

Abb. 2 DieMumie imSarkophag.

Willard FrankLibby (Quelle:University ofCaliforniaHistory, DigitalArchives, TheBancroft Library).

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dass etwas mit der Mumie nicht in Ordnung sein konnte.Spätestens bei der endgültigen Auswertung bewies ein ge-messener 14C-Gehalt von 113,85 ± 0,47 pMC, dass das Mat-tenmaterial nicht 2500 Jahre alt sein kann. Damit überein-stimmend erhielten wir für das Tuch einen Wert von 113,58± 0,47 pMC. Wodurch lässt sich aber dieser 14C-Gehalt erklären, der deutlich über dem Standardwert der Atmo-sphäre liegt?

Atombomben-PeakBis 1955 blieb die 14C-Konzentration in unserer Atmosphä-re bis auf einige kleine Schwankungen annähernd konstantbei 100 pMC. Kleinere Abweichungen im Prozentbereichentstehen unter anderem durch Änderungen der 14C-Pro-duktionsrate, wie sie zum Beispiel die Magnetfeldvariatio-nen der Sonne (Sonnenfleckenzyklus) oder der Erde ver-

ursachen. Diese Einflüsse sind aber über die letzten 14000Jahre durch 14C-Messungen an dendrochronologisch unter-suchten Baumringen gut dokumentiert.

In den 1950-er und 1960-er Jahren wurden viele ober-irdische Kernwaffentests durchgeführt. Sie ließen bis etwa1964 den 14C-Gehalt in der Atmosphäre bis fast auf das Dop-pelte des natürlichen Niveaus anwachsen (Abbildung 6).Seit die Nuklearstaaten 1963 den Teststopp-Vertrag unter-zeichneten, sinkt der 14C-Gehalt in der Atmosphäre durchden Austausch von atmosphärischem CO2 mit den Ozea-nen wieder auf das natürliche Niveau. Im Jahr 2002 hat ereinen Wert von etwa 108 pMC erreicht. Ein 14C-Gehalt von113,85 pMC in einer Messprobe lässt also keinen anderenSchluss zu, als dass das Ausgangsmaterial der Probe in derZeit nach 1955 gewachsen ist und wir zusätzliches 14C ausden Atombombentests detektieren. Eine genauere Analyseder Daten ergibt für das Alter der untersuchten Matte einenZeitbereich zwischen 1957 und 1959 (ansteigende Flankedes Atombomben-Peaks) oder 1991 und 1994 (abfallendeFlanke). Somit stellten sich zumindest die zur Mumienher-stellung verwendeten und beigelegten Materialien als Fäl-schung heraus.

Parallel zu der Radiokarbon-Datierung ergaben die wis-senschaftlichen Untersuchungen in Pakistan weitere Hin-weise, dass es sich bei der Mumie um eine sehr aufwändi-ge Fälschung handelte. So fanden sich in der altpersischenInschrift auf der goldenen Brustplatte Fehler in der Gram-matik,unter dem Mikroskop waren feine Bleistiftspuren aufdem Holz zu sehen und bei der Öffnung der Mumie ent-wichen Faulgase.

Es blieb also noch die Frage übrig, wann die Mumie ex-akt hergestellt wurde – in den 1950-er oder 1990-er Jahren?Jedenfalls stand fest, dass es sich anstatt einer archäologi-schen Sensation nun um einen zeitgenössischen Todesfallhandelt. Zur Beantwortung dieser letzten Frage erhielt un-

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Entstehung undZerfall von 14C inder Umwelt.

Funktionsweiseder ErlangerAMS-Anlage.

A B B . 6 | ATO M B O M B E N - PE A K

Atombomben-Peak-Kurve und Ergebnisse der Radiokarbon-Datierung. 1: Matte mit 113,85 pMC; 2: Kollagen aus Knochenmit 115,02 pMC; 3: Muskel und Hautgewebe mit 118,08 pMC.

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M Ü S S T E D O C H A B B . 5 S E I N O D E R ? ?

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ser Labor menschliches Material von der Mumie selbst: Kno-chen, Haut- und Muskelgewebe. Der im Knochen einge-baute Kohlenstoff sollte im Vergleich zu dem Kohlenstoffin der Haut älter sein. Seine biologische Verweilzeit ist näm-lich länger, und er wird hauptsächlich während der Wachs-tumsphase des Knochens in der Jugend eingebaut. Haut-gewebe dagegen unterliegt einer ständigen Regeneration.Somit lässt sich der von uns gemessene höhere 14C-Gehaltvon 115,02 pMC im Knochen im Vergleich zu 111,08 pMCim Haut- und Muskelgewebe leicht erklären – wenn wir an-nehmen, dass die Frau den Kohlenstoff in ihrem Körper inder Zeit der fallenden Flanke des Atombomben-Peaks auf-genommen hatte und 1995 noch lebte.

Was nach diesem Zeitpunkt genau geschah, ob es sich,wie die Presse spekuliert,um einen Mord handelt und wanndie Frauenleiche zu einer Mumie einbalsamiert wurde,lässt sich wahrscheinlich nicht mehr klären. Die zustän-digen Behörden machen jedenfalls den Eindruck, als seiensie nicht mehr sonderlich an der weiteren Aufklärung desFalls interessiert, obwohl angeblich noch zwei weitere Mumien dieser Herkunft existieren sollen.

ZusammenfassungIn Pakistan tauchte eine weibliche Mumie auf, deren Alterzunächst auf 2500 Jahre geschätzt wurde. Einer solcher Fundin Asien, noch dazu einer Tochter des altpersischen Groß-königs Xerxes, war eine archäologische Sensation. Doch dieMumie ist eine Fälschung. Das Erlanger AMS-Labor konntedurch Bestimmung des 14C-Gehalts von Knochen- und Gewebeproben zweifelsfrei belegen, dass die Tote 1995 nochlebte. AMS steht für Accelerator Mass Spectrometry, zu

Deutsch Beschleuniger-Massenspektrometrie. Dieses Verfah-ren separiert mit einem kleinen Teilchenbeschleuniger, Ab-lenk-Kondensatoren und -Magneten die Kohlenstoff-Isotopeaus der Probe. Wegen seiner hohen Empfindlichkeit benötigtes nur sehr kleine Proben.

StichworteAltersbestimmung, Archäologie, Mumie, Radokarbon-Datie-rung, Beschleuniger-Massenspektrometrie.

Literatur[1] H. Willkomm, Altersbestimmung im Quartär, Thiemig-Taschen-

bücher Band 55, Verlag Karl Thiemig, München 1976.[2] M. A. Geyh, Einführung in die Methoden der physikalischen und

chemischen Altersbestimmung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft,Darmstadt 1980.

[3] M.A. Geyh, H. Schleicher, Physical and Chemical Dating Methods andTheir Application, Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 1990.

[4] R. E. Taylor et al., Radiocarbon after four decades, Springer-Verlag,Berlin und Heidelberg 1992.

[5] C. Tuniz et al., Accelerator mass spectrometry: Ultrasensitive Analysisfor Global Science, CRC Press, New York 1998.

Der AutorGerhard Morgenroth, geb. 1965, Promotion 1997an der Universität Erlangen-Nürnberg, ist seitdemfür die Radiokarbon-Datierung am Erlanger AMS-Labor verantwortlich.

Anschrift: Physikalisches Institut Abt. IV, Universität Erlangen-Nürnberg, Erwin-Rommel-Str. 1, D-91058 [email protected]

D I E R A D I O K A R B O N - DAT I E R U N G |Eine einwandfreie Radiokarbon-Datierung braucht folgende Voraus-setzungen:

Keine KontaminationDas untersuchte Probenmaterial darfzwischen Absterbezeitpunkt undProbenuntersuchung keinen weiterenKohlenstoff-Austausch haben. Für einkorrektes Messergebnis muss dasunveränderte organische Material (zumBeispiel Kollagen aus Knochen) che-misch extrahiert werden. Nachträglicheingebrachtes kohlenstoffhaltigenMaterial wie etwa Karbonat (CaCO3)oder Konservierungsmittel muss dabeientfernt werden.

Isotopische InvarianzUnterschiedliche Organismen nehmendie Isotope 12C, 13C, 14C mit gleicherWahrscheinlichkeit auf. Isotope einesElements gelten zwar als chemischgleichwertig, aber leichte Isotopebewegen sich schneller als schwere undhaben daher eine höhere chemischeReaktionsgeschwindigkeit. Pflanzenbauen zum Beispiel deshalb bevorzugt12C bei der Photosynthese ein. Solchekleinen Isotopen-Fraktionierungs-effekte kann man über Messung des13C/12C-Verhältnisses exakt bestimmenund damit den 14C-Gehalt korrigieren.

Räumliche InvarianzIn allen gleichzeitig an verschiedenenOrten lebenden Organismen herrscht

dieselbe 14C-Konzentration. Dafür sorgt,dass das neu gebildete 14CO2 sich inner-halb von kurzer Zeit weltweit gleichmäßig in der Atmosphäre verteilt.

Zeitliche InvarianzIn der gesamten Vergangenheit war die14C-Konzentration konstant. Das trifftnicht ganz zu, denn die 14C-Konzentrati-on in der Atmosphäre variiert leicht inAbhängigkeit von Erd- und Sonnenmag-netfeld, Sonnenaktivität und anderenEffektn. Diese natürlichen Schwankun-gen der 14C-Konzentration ist aber fürdie letzten 14 000 Jahre genau bekannt.Das erbrachte ein Abgleich von Radio-karbon-Messungen mit dendrochrono-logischen Untersuchungen an fossilemHolz.