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Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

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Page 1: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

257© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

Nachdem die DIN 1053-100 [1] im September 2006 auf die Muster-liste der Technischen Baubestimmungen [2] gesetzt worden war,stand der Einführung in den einzelnen Bundesländern nichts mehrim Wege, so dass heute flächendeckend in der Bundesrepublikdas semiprobabilistische Sicherheitskonzept angewendet werdenkann (s. [3] bis [6]). Die DIN 1053-100 bezieht sich jedoch nur aufdie Bemessung, für Ausführung und Konstruktion galt weiterhinDIN 1053-1:1996-11 [7]. Im März diesen Jahres wurde nunmehr die vollständig überarbei-tete DIN 1053-1 als Entwurf veröffentlicht (s. [8] bis [11]). In ihrsind wieder Bemessung, Ausführung und Konstruktion auf glei-chem zeitlichen Niveau vereinigt. Insbesondere im Bereich derQuerkraftbeanspruchung von Mauerwerk hat es in den vergan-genen Jahren erhebliche Aktivitäten gegeben, um das durch dasTeilsicherheitskonzept eingetretene Defizit zu beseitigen. Weitereneuere Erkenntnisse und auch Notwendigkeiten sind hinzugekom-men. Die Arbeit am Nationalen Anhang zu Eurocode 6 erforderteebenfalls einen fundierten deutschen Standpunkt. Die europäi-schen Bestrebungen in der Mauerwerksnormung, die deutschenErfahrungen und die neuen Erkenntnisse waren Anlass für einevöllige Neustrukturierung und Überarbeitung der deutschenMauerwerksnorm für unbewehrtes Mauerwerk, die in diesemund dem anschließenden Beitrag vorgestellt wird.Insbesondere im vereinfachten Verfahren ist einiges reduziertund bereinigt worden, allerdings ist auch Neues hinzugekommen.Im genaueren Verfahren ist i. W. der Querkraftnachweis neu.Weitere Dinge sind dem Erkenntnisstand angepasst worden.

1 Einführung

Schon vor mehreren Jahren ist beschlossen worden, nachder mit DIN 1053-100 erfolgten Umstellung der Bemes-sung auf das Teilsicherheitskonzept eine generelle Über -arbeitung der deutschen Mauerwerksnorm vorzunehmen(s. hierzu auch [12]). Mit dieser Überarbeitung sollte dieChance genutzt werden, einen fundierten, europäisch orien-tierten Standpunkt zum EC 6 [17] beziehen und sich diesemauch formal annähern zu können. Da die DIN 1053-100:2007-09 [6] nur die Bemessung behandelt, muss nach wievor für die Ausführung und Konstruktion die DIN 1053-1:1996-11 [7] herangezogen werden, was insgesamt kein be-friedigender Zustand ist. Dieser soll mit der generellenÜberarbeitung beseitigt werden.

Für die Erstellung des Nationalen Anhangs zur EN1996-1-1 wird die überarbeitete DIN 1053-1 als Grundlagedienen, um das deutsches Sicherheitsniveau auch künftig

gewährleisten, die Wirtschaftlichkeit des Mauerwerksbausund den in Deutschland üblichen Stand der Technik abbil-den zu können.

Es erscheint zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die-ses Beitrages unmöglich, dass im Jahr 2010 eine bauauf-sichtliche Einführung der EN 1996-1-1 gemeinsam mit demzugehörigen Nationalen Anhang und eventuellen „non-conflicting documents“ erfolgen wird, da die Arbeiten amNationalen Anhang formal noch nicht abgeschlossen sind.In den vergangenen Jahren hat sich einiges von dem über-holt, was noch 2002 im EC 6 als konsensfähig erschien.Insofern ist Deutschland nunmehr mit der Neufassung derDIN 1053-1 ([8] bis [11]) dafür gerüstet, die Zeit zu über-brücken, bis die neuen Erkenntnisse europäisch umsetz-bar sind, sei es über den Nationalen Anhang oder in Ände-rungen zur Norm selbst.

Die an der Normung im Mauerwerksbau Beteiligten ha-ben sich bei allen Bestrebungen um eine Weiterentwicklungder Berechnungs- und Bemessungsvorschriften bemüht, dieNorm einfach, schlank und überschaubar zu halten. Geradedas ist ein Markenzeichen des Mauerwerks baus in der Ver-gangenheit gewesen und soll es auch zu künftig bleiben.

Mit dem Übergang auf das semiprobabilistische Si-cherheitskonzept bleibt es nun aber auch dem Mauerwerknicht erspart, die bisher bewährten Algorithmen und Vorge-hensweisen anzupassen. Genau genommen bedeuten diemit der Überarbeitung eingeführten Änderungen kaum ei-nen erheblichen Mehraufwand von der Nachweisführungher. Sicher ist einiges neu an den auf Kraftebene weiterent-wickelten Formeln, an die man sich schnell gewöhnen wird.Einiges ist aus DIN 1053-100 unverändert übernom menworden. Auch zu den Lastkombinationen gibt es neue Er-kenntnisse, die die Sache überschaubarer gestalten und denAufwand wieder reduzieren. Forschung und Entwicklungsollen dazu beitragen, dass der traditionsreiche BaustoffMauerwerk im Wettbewerb mit den anderen Bauweisen beiBreitenanwendungen (s. Bild 1) sowie singulä ren Objektenund Einsatzfällen (s. Bild 2) auch weiterhin Bestand habenwird. Ihre Ergebnisse müssen deshalb von Zeit zu Zeit inangemessenem Maße in den einschlägigen Normen für einebreite Anwendung Berücksichtigung finden.

2 Überblick

Die deutsche Norm für unbewehrtes Mauerwerk DIN1053-1:1996-11 wurde aus den in der Einführung dargeleg-

Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Wolfram Jäger

Fachthemen

DOI: 10.1002/dama.200900440

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ten Gründen vom Normenausschuss Bauwesen (NABau),Fachbereich 06 „Mauerwerksbau“, Arbeitsausschuss06.30.00 „Rezept- und Ingenieurmauerwerk“, auf derGrundlage des Eurocode 6 grundlegend überarbeitet undneu strukturiert. Gegenüber der Ausgabe November 1996wurden einige grundsätzliche Änderungen vorgenommen.Dazu zählen der mit DIN 1053-100 schon erfolgte Über-gang auf das semiprobabilistische Sicherheitskonzept, derBezug auf die charakteristischen Werte der Festigkeiten,die Integration von neuen sachlichen und redaktionellenErkenntnissen und eine inhaltliche Neugliederung.

Vor dem Hintergrund der Aktualisierung und Zusam-menführung von Bemessung und Ausführung und einerformalen Anpassung an die europäische Norm wurde be-schlossen, das vereinfachte Nachweisverfahren, das ge-nauere Nachweisverfahren, die Ausführung und die Kon-struktion sowie die Natursteine in Anlehnung an EC 6 ingesonderten Normenteilen zu behandeln.

Da im Gegensatz zum Eurocode in der deutschenNormung keine Unterteilung in Teil 1-1, Teil 1-2 usw. zu -lässig ist, mussten den Normentwürfen ganzzahlige Num-mern zugeordnet werden.

Die Normenreihe DIN 1053 „Mauerwerk“ wird dannzukünftig die folgenden Teile umfassen:Teil 3: Bewehrtes Mauerwerk ([13] in Überarbeitung [14],

[15])Teil 4: Fertigbauteile [16]Teil 11: Vereinfachtes Nachweisverfahren für unbewehr-

tes Mauerwerk [8]Teil 12: Konstruktion und Ausführung von unbewehrtem

Mauerwerk [9]Teil 13: Genaueres Nachweisverfahren für unbewehrtes

Mauerwerk [10]Teil 14: Bemessung und Ausführung von Mauerwerk aus

Natursteinen [11]

Das vereinfachte Nachweisverfahren ist in der Normen-reihe DIN 1053 im Gegensatz zum EC 6 (s. [17] bis [20])dem genaueren Verfahren vorangestellt, womit der Wich-

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tigkeit in der baupraktischen Anwendung Rechnung getra-gen wird.

Der Teil 14 „Natursteine“ beinhaltet die bisherigenFestlegungen aus DIN 1053-1 und DIN 1053-100. Mauer-werk aus großformatigen Elementen, ursprünglich alsDIN 1053-5 [21] geplant, wurde in die neuen Normteileintegriert.

Im März 2009 lagen die Normenentwürfe E DIN1053-11 bis -14 als „Gelbdruck“ vor, und am 31. 07. 2009endete die Einspruchsfrist. Die abschließende Behand-lung der Einsprüche im Arbeitsausschuss „Rezept- und In-genieurmauerwerk“ stand zum Zeitpunkt des Redaktions-schlusses noch aus. Eine Anwendung des in diesem undim folgenden Beitrag [22] dargestellten Normeninhaltesist deshalb noch nicht möglich. Für eine allgemeine An-wendung dieser Norm sind noch der Druck der Endfas-sung und die Einführung in den Bundesländern im Zu-sammenhang mit den in der Liste der eingeführten Tech -nischen Baubestimmungen enthaltenen Bestimmungennotwendig.

Die Überarbeitung der DIN 1053-1 auf dem derzeiti-gen Stand des Wissens und der Technik soll einen ent-scheidenden Beitrag dazu leisten, dass der Mauerwerks-bau von der statisch-konstruktiven Seite her das Ziel, einewettbewerbsfähige Bauweise zu bleiben, auch erreicht.

2.1 Unterschied zwischen genauerem und vereinfachtem Verfahren bisher

Bisher waren das vereinfachte und das genauere Verfahrenin einer Norm (s. [7] und auch [6]) abgebildet. Das hatteden Vorteil, dass dem Anwender nur ein Normenwerk fürBemessung und Konstruktion zugemutet wurde. Der Nach-teil bestand darin, dass die Norm viele Dinge enthält, diein ca. 80 % nicht zutreffen bzw. nicht benötigt werden.Gerade das vereinfachte Verfahren ist sehr beliebt undweit verbreitet, da es doch den Hauptteil der Anwendungs-fälle abdeckt. Die das vereinfachte Verfahren betreffendenPassagen sind die wohl am meisten gebrauchten. Es lagdeshalb im Sinne einer einfachen Anwendung nahe, einegesonderte Unterbringung dieses Verfahrens in einem se-paraten Normenteil vorzunehmen. Diesen Weg ist man in

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Bild 1. Wohnanlage Lukasareal in Dresden (Mischbauweiseunter weitestgehendem Einsatz von Mauerwerk, Architekten:Müller – Reimann Berlin/Dresden)

Bild 2. Frei geformte Mauerwerksschale (Entworfen und gebaut von einem Team von Studenten und wissenschaft -lichen Mitarbeitern der Fakultät Architektur der TU Dresdenunter Leitung von Prof. Christoph Schulten und Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger. Quelle: Thomas Albrecht, Dresden

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Europa mit DIN EN 1996-3: [20] gegangen, jedoch aus ei-nem anderen Grund, und zwar um das genauere Verfahren(für bewehrtes und unbewehrtes Mauerwerk) noch weiteraufzublähen. Des Weiteren sollten einige Regelungen desvereinfachten Verfahrens auf den Prüfstand gestellt wer-den. Hier trat immer wieder die Frage auf, inwieweit einevereinfachte Berechnung und Bemessung von Wänden aufScheiben- bzw. Plattenschub benötigt wird und wann sieim vereinfachten Verfahren jemals zum Einsatz kommt.

Der wesentliche Unterschied zwischen genauerem undvereinfachtem Nachweis lag bisher (DIN 1053-1:1996-11und DIN 1053-100:2007-09) in – dem Nachweis zentrischer und exzentrischer Druckbe-

anspruchung– dem Nachweis der Schubbeanspruchung, sofern ein Aus-

steifungsnachweis zu führen war– dem Nachweis der Teilflächenpressung– der Zug- und Biegezugbeanspruchung.

Beim Nachweis der zentrischer und exzentrischer Druck-beanspruchung beschränkt sich das vereinfachte Verfah-ren auf den Nachweis der ohne Berücksichtigung von Ex-zentrizitäten ermittelten Normalbeanspruchung des Quer -schnittes (DIN 1053-1:1996-11 auf Spannungsebene, DIN1053-100:2007-09 auf Kraftebene) und den Vergleich mitder aufnehmbaren. Dabei werden in der aufnehmbaren Be-anspruchung alle Einflüsse aus exzentrischem Lastangriffoder aus der Berücksichtigung von Effekten nach TheorieII. Ordnung (Knicken) durch eine entsprechende Abmin-derung der zulässigen zentrischen Beanspruchung berück-sichtigt. Das Vorgehen ist für die praktische Handhabungsehr bequem, da man nur die Normalkräfte im Gebäude„herunterziehen“ muss. Das vereinfacht die Schnittkraf-termittlung erheblich. Bei der Überarbeitung ist an demPrinzip des Nachweises festgehalten worden, jedoch istder Nachweis der Biegung in Scheibenebene nicht mehrenthalten, wie weiter unten noch erläutert wird.

Beim Nachweis der Querkraftbeanspruchung unter-scheiden sich bisher bei beiden deutschen Normen dieGleichungen für die Schubfestigkeit und hier insbesonderedie für die Steinzugfestigkeit. Bei Scheibenschub wird inDIN 1053-100:2007-09 [6] mit dem reduzierten Reibungs-beiwert μ– = 0,4 gearbeitet und die Steinzugbeanspruchungnach oben durch eine Gerade fvk = max fvk begrenzt. BeimPlattenschub ist lediglich der allgemein bekannte Rei-bungsbeiwert μ = 0,6 bereits in der Formel enthalten. DasVorgehen ist in DIN 1053-1:1996-11 [6] das gleiche, je-doch wird dort die Schreibweise auf Gebrauchslastniveaugewählt. Die Unterschiede sind marginal. Man spart nurdie Zeit für das Berechnen der Wurzelgleichung für denSteinzug. Alle anderen Dinge einer Aussteifungsberechnungbleiben dem Ingenieur nicht erspart. Diese Arbeiten ma-chen den größten Teil des Zeitaufwandes der Berechnungaus (vgl. hierzu bspw. [23], S. 137–146 bzw. [24]). Insofernbringt der vereinfachte Nachweis der Schub- bzw. Quer-kraftbeanspruchung keine großen Vorteile.

Der Unterschied zwischen vereinfachtem und genaue-rem Verfahren besteht bei der Teilflächenpressung in derZulässigkeit einer Erhöhung der Beanspruchbarkeit undderen Größe. Beim genaueren Verfahren darf auch im Be-reich zwischen einem Grenzabstand bis Wandrand mit Hilfeeiner Formel der Tragwiderstand erhöht werden, während

nach dem vereinfachten Verfahren eine pauschale Erhö -hung mit 1,3 unter Einhaltung bestimmter Bedingungenwie z. B. Einhaltung des Grenzabstandes erfolgen darf.

Zug- und Biegezugfestigkeiten senkrecht zur Lager-fuge dürfen in tragenden Wänden nicht in Rechnung ge-stellt werden. Bei der Zug- und Biegezugbeanspruchungparallel zu den Lagerfugen besteht der Unterschied zwi-schen beiden Verfahren in der Ermittlung der Zug- undBiegzugfestigkeit. Ähnlich wie bei der Schub- oder Quer-kraftbeanspruchung wird beim vereinfachten Verfahrenmit festen Zahlenwerten operiert, die nur für das allge-mein zugelassene Überbindemaß ü/h ≥ 0,4 bzw. ≥ 45 mmgelten (DIN 1053-1:1996-11 [7], Abschnitt 9.3). In beidenVerfahren wird mit den abgeminderten Haftscherfestig-keiten gearbeitet.

Des Weiteren steht für den Nachweis von Ausfa-chungswänden in DIN 1053-1:1996-11 im vereinfachtenNachweisverfahren eine Tabelle (dort Tabelle 9) mit denzulässigen Größen zur Verfügung, bei deren Einhaltungkein Nachweis zu führen ist. Diese Vorgehensweise hatsich in Deutschland für den Standardfall bewährt.

Beim Nachweis von Kellerwänden treten ebenfallsBiegebeanspruchungen auf, für die es aber ein Kriteriumgibt, bei dem ein Nachweis auf Erddruck entfallen kann.Die Gleichungen stellen ein vereinfachtes Verfahren dar,das wissenschaftlich fundiert ist (Bogen- oder Schalenmo-dell). Eine genauere Berechnung mit anderen Modellenals dem des Bogens oder der Schale bringen keine zahlen-mäßigen Verbesserungen. Lediglich die zugrunde gelegtenParameter könnten bei Nutzung der Gleichungen für dasBogenmodell gemäß Herleitung bessere Werte erbringen.Die in der Norm enthaltenen Gleichungen gehen von derAusbildung des aktiven Erddruck aus, weshalb die Wandstatisch nicht stärker dimensioniert werden darf, als erfor-derlich, um eine gewisse Verformbarkeit zu gewährleisten(s. [25]–[27]).

Zug- und Biegzugbeanspruchungen sind ggf. beimEntwurf des Gebäudes bereits im Auge zu behalten, wennes darum geht, Verformungsbetrachtungen im Sinne derGebrauchstauglichkeit anzustellen und Gebäudeform undAbmessungen festzulegen. Das sind zum Beispiel generelleBetrachtungen zur Gebäudegröße, zur rissfreien Wand-länge, zur Lage des Schwindmittelpunktes und beim Ein-satz unterschiedlicher Materialien. Hierbei sind die in derNorm angegebenen Verformungskennwerte (unter demAbschnitt Vereinfachtes Verfahren) hilfreich, sinnvoll undausreichend. Bemessungen unter Ansatz der Tragfähigkeitbei Zug- und Biegezugbeanspruchungen sind bei Einhal-tung der Randbedingungen des vereinfachten Verfahrensi. d. R. nicht notwendig.

Der Bezeichnung nach soll das vereinfachte Verfah-ren immer auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse lie-fern. Es ist aus dem genaueren Verfahren abgeleitet bzw.mit dessen Hilfe kalibriert worden.

2.2 Auswirkungen des Teilsicherheitskonzeptes

Das Teilsicherheitskonzept sollte an und für sich Vorteilebei der Bemessung im Hinblick auf eine wirtschaftlichereAuslegung bringen und den Stand der Wissenschaft undTechnik besser abbilden helfen, als das alte globale Sicher-heitskonzept. Die Sicherheit wird differenzierter betrach-

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tet, und zwar, indem sie in Teilsicherheiten aufgespaltetund diese ihren Ursachen zugeordnet werden. Beim Mauer-werksbau hat das bei der generell erfolgten einheitlichenFestlegung für alle Bauweisen wegen der fehlenden Zug -festigkeit zu Nachteilen geführt. Insbesondere bei Wind-beanspruchung ergeben sich bis zu 1,5-mal höhere Exzen-trizitäten, die zu einer Verringerung der Tragfähigkeit füh -ren. In Bild 3 ist die überdrückte Querschnittsfläche nachdem globalem Sicherheitskonzept und nach dem Teilsi-cherheitskonzept gezeigt. Beim Nachweis auf Schubver -sagen wäre i. a. beim Teilsicherheitskonzept die lineareSpannungsverteilung anzusetzen und bei dem Nachweisdes Biegedruckversagens wird der Spannungsblock maß-gebend.

Der Mauerwerksbau hat deshalb sehr intensiv An-strengungen unternommen, die schärfere Betrachtungs-weise auf der Einwirkungsseite durch Verbesserungen undEinführung neuer Erkenntnisse auf der Materialseite zukompensieren (s. hierzu [22]). Es gelingt mit den neuenErkenntnissen zum Materialverhalten jedoch nicht voll-ständig, die Verschärfungen aufzufangen. Deshalb sind auchtradierte Modelle und Gewohnheiten hinterfragt worden,inwieweit sie noch den Anforderungen unserer Zeit ent-sprechen. Ganz besonders trifft das auf den Kragarm beimNachweis der Aussteifung eines Gebäudes zu, sofern die-ser zu führen ist.

2.3 Modellbildung

Zur Ermittlung der Beanspruchung der Mauerwerkbau-teile sind geeignete Modelle zu verwenden. Dabei könneneinzelne Bauteile aus dem Gesamtsystem herausgeschnit-ten und unter Ansatz der Verbindungskräfte an den Schnitt-stellen betrachtet werden. Das ist sowohl für das verein-fachte als auch für das genauere Verfahren in dem jewei -ligen DIN-Teil extra erwähnt (s. E DIN 1053-11:2009-03,Abschnitt 9.1, Absatz (2) sowie Verweis in E DIN 1053-13:2009-03, 9.1, Absatz (2)).

Der Ansatz von komplexeren Gesamtsystemen war im Mauerwerkbau bisher die Ausnahme. Man ist bei derSchnittkraftermittlung immer von sehr einfachen statischen

Modellen ausgegangen, und zwar von dem Stab oder demBogen und von der Platte oder der Scheibe. Ein besonde-rer Fall ist dabei die Aussteifungswand, die bisher immerals Kragscheibe betrachtet wurde. Das war über viele Jahr-zehnte im Zusammenspiel mit dem globalen Sicherheits-konzept ausreichend, genügt aber unter den heutigen wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr den Anfor-derungen an eine zeitgemäße Abbildung des Trag- undVerformungsverhaltens von Mauerwerksbauten. Die imRahmen des europäischen Forschungsprojekte ESECMaSE[28] durchgeführten Versuche machen das ganz beson-ders deutlich.

Im Zusammenwirken der Bauteile liegen erheblicheReserven, die bisher bei der elementweisen Betrachtungund der sehr vereinfachenden Annahme der Kragscheibenicht erfasst werden können. Bei der horizontalen Bean-spruchung werden im System Steifigkeiten benachbarterBauteile wie Decken und Wände aktiviert, die zu einerRückholung der resultierenden Vertikalkraft führen unddamit entscheidenden Einfluss auf das Gelingen des Quer-kraftnachweises haben. Hinzu kommt, dass unter bestimm-ten Voraussetzungen auch Auflasten benachbarter Wändezur Aktivierung von Tragreserven beitragen können. Ganzbesonders deutlich wird das bei Erdbebenbeanspruchung,da hier die horizontale Einwirkung alterniert. Die Nach-rechnung des auf dem Rütteltisch untersuchten Systems(vgl. Bilder 4 u. 5) weist aus, dass dieses erst versagt, wenndie Gebäudetrennwand ihre Halterung an der oberstenDecke verliert und dann die Biegebeanspruchung von derals Platte wirkenden Wand nicht mehr aufgenommen wer-den kann. Die Schubwand reißt schon viel eher infolgeReibungsversagens in der Fuge, es kommt jedoch nochnicht zu einem Systemversagen. Auch wenn die Beanspru-chung unter Erdbeben anders ist als unter Wind, werdenauch hier Tragreserven aus dem System geweckt, die imersten Risszustand der Scheibe noch nicht erschöpft sind.

Deutlich zeigen das auch die bisher durchgeführtenFEM-Untersuchungen an Referenzhäusern (s. [30]). Es istallerdings der Praxis nicht zumutbar, zukünftig die Aus-steifung eines Mauerwerksbaus immer mit FEM-Berech-nungen nachzuweisen. Deshalb wird gegenwärtig daran

Bild 3. Überdrückte Länge am Fuß einer Aussteifungswand; a) nach dem globalen Sicherheitskonzept, b) nach dem Teilsicher-heitskonzept unter Ansatz einer linearen Spannungsverteilung und c) nach dem Teilsicherheitskonzept unter Ansatz einesSpannungsblocks

a) b) c)

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gearbeitet, einfache Ingenieurmodelle für die Praxis aufzu-bereiten, um die vorhandenen Reserven voll oder zumin-dest teilweise zu erschließen, und so die durch das Teilsi-cherheitskonzept entstandenen Defizite kompensieren zukönnen (vgl. Bilder 7b bis d).

Die überarbeitete DIN 1053-1 geht i. W. von demPrinzip aus, dass die Frage der Modellbildung zur Ermitt-lung der Einwirkungen eine Angelegenheit des Ingenieursauf der Basis des allgemein anerkannten Gedankengutesder Mechanik und Festigkeitslehre ist. Es sind deshalbkeine Festlegungen zur Anwendung von bestimmten Mo-dellen mehr enthalten, etwa wie früher bei der 5%-Regelzur vereinfachten Ermittlung der Knotenmomente. EineAusnahme bilden die in Teil 11 und auch in Teil 13 enthal-tenen Nachweise von Kellerwänden, denen ein konkretesBogen- bzw. Schalenmodell zugrunde liegt [25].

Beim Teil 11 wird im vereinfachten Verfahren ledig-lich eine Summation aller in der oder den Wänden wir-kenden Normalkräfte vorgenommen, was keinerlei Mo-dellbildung erfordert. Wind- und Aussteifungswirkungensowie die exzentrische Wirkung von Druckkräften werdenim Nachweisverfahren auf der Widerstandseite berück-sichtigt. Die o. g. Aussagen zur Modellbildung beziehensich somit auf das genauere Verfahren. Wirkung und Nut-zen bringt eine feinere Modellbildung hier besonders beiden Aussteifungswänden, wie das Bild 7 zeigt.

Da das Vorgehen bisher so im Mauerwerksbau nichtüblich war, sollen dem praktisch tätigen Ingenieur nachentsprechender Durcharbeitung der Problematik außer-halb der Norm Anwendungshilfen in die Hand gegebenwerden, ähnlich wie das im Stahlbetonbau mit der Schrif-tenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton schonlange übliche Praxis ist. Damit soll eine größere Flexibi-lität und eine dynamische Anpassung an die Herausforde-rungen unserer Zeit erreicht werden, als das bisher der Fallwar. Ein erstes Heft in der Schriftenreihe der DeutschenGesellschaft für Mauerwerksbau zum Thema Modellbil-dung beim Nachweis der Gebäudeaussteifung soll bis zurbauaufsichtlichen Einführung der Normenteile 11 und 13dem Anwender der Norm zur Verfügung stehen.

Bei der Überarbeitung der DIN 1053-1 wurden des-halb alle Festlegungen und Empfehlungen zur Anwendungvon bestimmten Ingenieurmodellen oder Vorgehenswei-sen für die Schnittkraftermittlung aus dem Normentextherausgenommen.

3 Teil 11 – Vereinfachtes Verfahren3.1 Wesentliche Änderungen gegenüber DIN 1053-100:2007-09

Im Abschn. 2.1 ist bei der Darstellung der bisherigen Un-terschied zwischen dem vereinfachten und dem genaue-ren Verfahren bereits deutlich geworden, dass das verein-

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Bild 4. 1:1-Versuche an Gebäudeaus-schnitten im Rahmen des EuropäischenForschungsvorhabens ESECMaSE [28]; a) Rütteltischversuch an der NTU Athen,b) pseudodynamischer Versuch in Ispraam JRC [28]

Bild 5. Ergebnisauswertung mit Hilfe einer numerischen Kollapsanalyse; a) Schadensbild im Versuch, b) Modell zur Analysemit Hilfe der Diskreten Element Methode, wobei das Materialverhalten in den Elementen mit Hilfe der Finiten-Element-Me-thode und angepasster Materialmodelle abgebildet wird, c) Versagen des Systems durch Erreichen der Biegetragfähigkeitsenkrecht zur Wandebene infolge Verlusts der Verbindung zwischen Decke und Wand [29]

a) b)

b)a) c)

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fachte Verfahren bisher eine Reihe von Möglichkeiten ent-hielt, die entweder von der Zeiteinsparung her marginalwaren oder i. W. in der Vergangenheit nicht zur Anwen-dung gekommen sind. Es lag deshalb nahe, das verein-fachte Verfahren zu straffen, um den Umfang zu reduzie-ren und die Klarheit der Aussagen zu verbessern.

So ist auf alle Passagen verzichtet worden, bei denendie Möglichkeit eines vereinfachten Nachweises der Quer-kraftbeanspruchung eingeräumt worden ist. Die Frage des

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Eintrags größerer Exzentrizitäten wurde aus dem Text zurBestimmung der Abminderungsfaktoren Φ herausgenom -men und in die Anwendungsbedingungen verschoben. Sinddiese nicht eingehalten, ist der Nachweis nach dem ge-naueren Verfahren zu führen. Die Ausführungen zur Zug-und Biegzugbeanspruchung sind nicht mehr enthalten, daeine Zugbeanspruchung (parallel zur Lagerfuge) im Gren-zzustand der Tragfähigkeit nach dem vereinfachten Ver-fahren nicht auftreten kann und Biegebeanspruchungen

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Bild 6. Einfamilienreihenhaus als Referenzbeispiel; a) Vereinfachtes Gesamtmodell, b) Blick in die Elementierung im Erdgeschoss (Quelle: H. Bergander, Dresden)

a) b)

Bild 7. Modell einer Aussteifungswand; a) Schnitt durch das Gebäude, b) Rahmenmodell mit Berücksich-tigung der mittragenden Deckenstreifen, c) Momentenverlauf aus Wind entlang der Schwereachse derWandscheibe unter Berücksichtigung der Deckeneinspannung, d) Momentenverlauf aus Wind am Kragarm

a)

b) c) d)

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aus Wind als abgedeckt gelten bzw. über die Ausfachungs-tabellen ohne weiteren Nachweis geregelt sind. Das ver-einfachte Verfahren beschränkt sich nunmehr klar auf dierechnerischen Nachweise der vertikalen Beanspruchung,der Teilflächenpressung und der Kellerwände. Die Aus -fachungstabellen gestatten eine Überprüfung der zu lässigenFlächen ohne die eigentlichen Beanspruchungen zu be-stimmen.

3.2 Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens

Die Anwendungsgrenzen für das vereinfachte Verfahrenentsprechen im Wesentlichen den bisherigen Regelungender DIN 1053-100 bzw. DIN 1053-1. Zusätzlich wird dieMindestauflagertiefe für Decken vorgegeben.

Der Nachweis der Standsicherheit darf mit dem verein-fachen Verfahren geführt werden, wenn die folgenden unddie in Tabelle 1 enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sind:– Gebäudehöhe über Gelände nicht mehr als 20 m; als

Gebäudehöhe darf bei geneigten Dächern das Mittelvon First- und Traufhöhe gelten

– Stützweite der aufliegenden Decken � ≤ 6,0 m, sofernnicht die Biegemomente aus dem Deckendrehwinkeldurch konstruktive Maßnahmen, z. B. Zentrierleisten,begrenzt werden; bei zweiachsig gespannten Decken istfür � die kürzere der beiden Stützweiten einzusetzen

Beim vereinfachten Verfahren brauchen bestimmte Bean-spruchungen, z. B. Biegemomente aus Deckeneinspannun-gen, ungewollte Exzentrizitäten beim Knicknachweis, Windauf Außenwände nicht nachgewiesen zu werden, da sie inden Formeln, die dem Nachweisverfahren zugrunde liegen,oder durch konstruktive Regeln und Grenzen berücksich-tigt sind.

Es ist vorausgesetzt, dass in halber Geschosshöhe derWand nur Biegemomente aus der Deckeneinspannungund aus Windlasten auftreten, d. h., damit werden in den

Geschossen über dem Keller weitere Biegeeinflüsse ausge-schlossen. Treten sie auf, muss der Nachweis nach dem ge-naueren Verfahren erfolgen.

Greifen größere horizontale Lasten an oder werdenvertikale Lasten mit größerer planmäßiger Exzentrizitäteingeleitet, so ist der Nachweis nach DIN 1053-13 zu füh -ren. Ein Versatz der Wandachsen infolge einer Änderungder Wanddicken gilt dann nicht als größere Exzentrizität,wenn der Querschnitt der dickeren tragenden Wand denQuerschnitt der dünneren tragenden Wand umschreibt.Derartige Einflüsse sind im vereinfachten Verfahren nichterfasst. Wie im Gültigkeitsbereich erläutert, kann auch derNachweis einzelner Bauteile nach dem genaueren Verfah-ren erfolgen, allerdings dann auch mit den Einwirkungs-kombinationen nach DIN 1055-100 [31], die die zusätzli-chen Lasteintragungen berücksichtigen.

Der Einfluss der Windlast senkrecht zur Wandebenedarf gänzlich vernachlässigt werden, wenn die Bedingun-gen zur Anwendung vereinfachter Nachweisverfahren ein-gehalten sind und ausreichende horizontale Halterungenvorhanden sind. Als solche gelten z. B. Decken mit Schei-benwirkung oder statisch nachgewiesene Ringbalken imAbstand der zulässigen Wandhöhen.

Das Überbindemaß ü nach DIN 1053-12, Abschn. 3.4und dort Bild 6 muss mind. 0,4 hst bzw. 45 mm betragen.Es garantiert bei vertikaler Beanspruchung die ausrei-chende Querverteilung und Lastausbreitung und hat wei-terhin Einfluss auf die Schubtragfähigkeit.

Die Deckenauflagertiefe a muss mindestens t/2, jedochmehr als 100 mm betragen. Sie hat sich in der Auseinander-setzung um die nicht vollständig auf dem Wandquerschnittaufliegenden Deckenplatten, die maximal mög lichen Exzen-trizitäten und die Schlitze und Aussparungen ergeben.

3.3 Grundlagen

Den neuen Normenteilen 11 und 13 liegt das Sicherheits-konzept nach DIN 1055-100:2001-03 [31] zugrunde. Es war

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Tabelle 1. Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Nachweisverfahrens

Bauteil VoraussetzungenWanddicke lichte Wandhöhe aufliegende Decke

Stützweite Nutzlasta

t hs � pmm m kN/m2

1 Innenwände ≥ 115 ≤ 2,75 m ≤ 6,00 ≤ 5< 240

2 ≥ 240 –

3 Außenwände und ≥ 115b ≤ 2,75 m ≤ 6,00 ≤ 3zweischalige < 150b

Haustrennwände4 ≥ 150c

< 175c

5 ≥ 175 ≤ 5< 240

6 ≥ 240 ≤ 12 ta Einschließlich Zuschlag für nicht tragende innere Trennwände.b Als einschalige Außenwand nur bei eingeschossigen Garagen und vergleichbaren Bauwerken, die nicht zum dauernden Aufenthalt von

Menschen vorgesehen sind. Als Tragschale zweischaliger Außenwände und bei zweischaligen Haustrennwänden bis maximal zwei Vollge-schosse zuzüglich ausgebautes Dachgeschoss; aussteifende Querwände im Abstand ≤ 4,50 m bzw. Randabstand von einer Öffnung ≤ 2,0 m.

c Bei charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeiten fk < 1,8 N/mm2 gilt zusätzlich Fußnote b.

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bereits auch die Basis der DIN 1053-100:2007-09, von wodie wesentlichen Regelungen zu Teilsicherheitsbeiwertenund Lastkombinationen übernommen worden sind [32].

3.3.1 Bemessungswert der Einwirkungen

Der Bemessungswert Fd der Einwirkungen ergibt sich ausden charakteristischen Werten und den Teilsicherheitsbei-werten in Abhängigkeit der Bemessungssituation:

Fd = γF · Fk (1)

mitγF Teilsicherheitsbeiwert der betrachteten EinwirkungFk charakteristischer Wert der Einwirkung

Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit sind die in DIN1055-100 für übliche Hochbauten angegebenen Teilsicher-heitsbeiwerte in Tabelle 2 aufgeführt.

264 Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

festigkeit die Grundlage für die Ermittlung des Tragwider-standes. Die Berechnung der Bemessungswerte erfolgtgemäß Gl. (2) mit den Teilsicherheitsbeiwerten nach Ta-belle 3.

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Tabelle 2. Teilsicherheitsbeiwerte für die Einwirkungen aufTragwerke im Grenzzustand der Tragfähigkeit

Auswirkung Ständige Veränderliche Einwirkungen Einwirkungen

γG γQa

günstig 1,0 0

ungünstig 1,35 1,5a Bei Bauten des üblichen Hochbaus können die veränderlichen

Einwirkungen auf Decken nach DIN 1055-3 als gleichzeitig wir-kend (d. h. die gleiche Einwirkung auf allen Feldern oder keineEinwirkung, wenn dies maßgebend ist) angesehen werden.

3.3.2 Bemessungswert des Tragwiderstandes

Der Bemessungswert xd der Festigkeit ergibt sich aus

(2)

mitxk charakteristischer Wert der Festigkeitη Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung von Lang-

zeitwirkungen γM Teilsicherheitsbeiwert für die Bestimmung des Trag-

widerstandes.

Der Abminderungsfaktor η soll den Einfluss des Dauer-standsverhaltens berücksichtigen, der nur beim Druck-tragverhalten eine Rolle spielt. In Deutschland wurde die-ser Einfluss in der Vergangenheit bereits in der Druckfestig-keit berücksichtigt (bis DIN 1053-1:1996-11 [7]). Im EC 6[17] und in DIN 1053-100 [1] sind diese Einflüsse nichtmehr in der Festigkeit enthalten. Über die Größe und dieNotwendigkeit wird in Deutschland noch diskutiert. ImVergleich zum Betonbau verläuft die Prüfung wesentlichlangsamer, sodass ein Teil des Dauerstandseinflusses be-reits in den Prüfergebnissen enthalten ist. Für darüber hin-ausgehende Anteile gibt es keine ausreichenden Untersu-chungen, sodass die bisherige Regelung mit η = 0,85 bei-behalten werden muss.

Im Grenzzustand der Tragfähigkeit sind die charakte-ristischen Festigkeiten als 5 %-Fraktilwerte der Kurzzeit-

xx

dk

M

= ⋅ηγ

Tabelle 3. Teilsicherheitsbeiwerte für die Bestimmung desTragwiderstandes im Grenzzustand der Tragfähigkeit

Bemessungssituation Mauerwerk Verbund-, Zug- und Druckwiderstand von

Wandankern und BändernγM γs

Ständige und vorübergehende 1,5 · k0 2,5

Bemessungssituation

Außergewöhnliche Bemessungssituation

1,3 · k0 2,5

Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Teilsicher-heitsbeiwerte bei Wänden und kurzen Wänden (Pfeiler)erfolgt über den Faktor k0: k0 = 1,0 allgemein für Wände und kurze Wändek0 = 1,25 für kurze Wände, die durch Schlitze oder Aus-

sparungen geschwächt sind oder die aus getrenn-ten Steinen mit einem Lochanteil von mehr als35 % bestehen

Dies entspricht dem umformulierten Abschnitt 5.3 ausDIN 1053-100:2007-09. Die bisherige Unterscheidung zwi-schen dem Sicherheitsniveau bei Pfeilern und bei Wändenbzw. kurzen Wänden, in denen eine Lastumlagerung statt-finden kann, wurde entsprechend DIN 1053-100:2007-09beibehalten.

Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit darf als er-füllt angesehen werden, wenn die konstruktiven Regelnnach DIN 1053-12 und die in der DIN 1053-11 angegebe-nen Randbedingungen eingehalten werden. Es wird davonausgegangen, dass bei regelgerechter Konstruktion undbei Einhaltung des Grenzzustands der Tragfähigkeit dieGebrauchstauglichkeit gegeben ist.

3.4 Druckfestigkeit von Mauerwerk

Die charakteristische Druckfestigkeit von Einsteinmauer-werk fk kann in Abhängigkeit von Steinfestigkeitsklassen,Mörtelarten und Mörtelgruppen aus Tabellen (vgl. hierbeispielhaft Tabellen 4 bis 7) entnommen oder in Abhän-gigkeit von Art und Druckfestigkeit der Mauersteine unddes Mauermörtels mit den entsprechenden Rechenansät-zen nach DIN 1053-13, Abschnitt 7.2 bestimmt werden.Für die charakteristische Druckfestigkeit von Verbands-mauerwerk ist fk mit dem Faktor 0,85 abzumindern.

Im Gegensatz zu den Normen DIN 1053-1:1996-11und DIN 1053-100:2007-09 sind die Werte für die Festig-keit aktualisiert und nach Steinarten getrennt aufgeführtworden.

Die Aktualisierung hat der UA Baustoffe nach einerumfangreichen Auswertung von zahlreichen Versuchser-gebnissen vorgenommen [33]. Zum Teil dienten auch diejetzigen Treppenkurven zur Anpassung. Die hier abge-druckten Tabellen sind Bestandteil der Entwurfsfassung

Page 9: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

265Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

von DIN 1053-11 und stellen den Stand vom Februar 2009dar. Die Werte sind daher noch nicht als endgültig zu be-trachten (s. hierzu ausführlicher [33]).

Der Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit istder Wert fd zugrunde zu legen:

(3)

mitfd Bemessungswert der Druckfestigkeit von Mauerwerkfk charakteristische Wert der Druckfestigkeit von Mauer-

werkη Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung von Lang-

zeitwirkungen und anderer Einflüsse. Der Beiwert ηist für Mauerwerk mit 0,85 anzunehmen. In begründe-ten Fällen (z. B. Kurzzeitbelastung) dürfen auch höhereWerte für η (mit η ≤ 1) angesetzt werden. Für außer-gewöhnliche oder kurzzeitige Einwirkungen, welchedas Tragwerk nicht voll beanspruchen, z. B. Brand,gilt: η = 1,0

γM Teilsicherheitsbeiwert für die Bestimmung des Trag-widerstandes im Grenzzustand der Tragfähigkeit.

3.5 Ermittlung der Schnittgrößen und Verformungen

Da das vereinfachte Verfahren lediglich auf die Normal-kraftbeanspruchung reduziert wurde, sind keine großarti-gen Modellbetrachtungen zur Ermittlung der Einwirkun-gen notwendig. Es wird die Elastizitätstheorie zu Grundegelegt und die Einwirkungen für ungerissenes Material er-mittelt (s. [8], Abschnitt 9.1, Absatz (1)). Es ist erlaubt, einebauteilweise Betrachtung durchzuführen, wobei Kräfte ausdem Zusammenwirken natürlich zu berücksichtigen sind(s. [8], Abschnitt 9.1, Absatz (2)). Die Mauerwerkbauteilein Form von Wänden oder Pfeilern werden herausgeschnit-ten und die Auflagerkräfte aus den angrenzenden Bautei-

ff

dk

M

= ⋅ηγ

len bestimmt, ihr Angriffspunkt spielt dabei keine Rolle,nur Größe und Richtung. Bei der Ermittlung der Auflager-kräfte sind die Grundsätze der Statik angemessen zu be -rücksichtigen, wie z. B. die Durchlaufwirkung von Balkenoder Platten, da sie eine Auswirkung auf die Größe derStützkräfte hat. Erläuterungen zur Ermittlung von Auflager-kräften werden – etwa wie in Ab schnitt 8.2.1 von DIN1053-100:2007-09 [6] – in der Norm nicht mehr gegeben.Grundlegender Ingenieurverstand wird hier vorausgesetzt.

Dass bestimmte Einflüsse, wie Deckenverdrehung undWind beim vereinfachten Verfahren nicht zu berücksichti-gen sind, steht jetzt in den Anwendungsvoraussetzungenvon Teil 11 (s. [8], Abschnitt 1.2 Absatz (2)). Es sind dem-nach lediglich Normalkräfte aus auf dem Mauerwerk auf-lagernden Bauteilen wie Decken, Trägern, Unterzügen, Dä-chern u. ä. zu ermitteln, nicht aber ggf. in der zu Grundegelegten Größenordnung eingeleitete Biegemomente.

Verformungsberechnungen sind bei der Anwendungdes vereinfachten Verfahrens i. d. R. nicht erforderlich, ggf.nur im Stadium des Entwurfes wenn es um die Abmessun-gen des Gebäudes und den Einsatz der Materialien geht([34], [35]).

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Tabelle 4. Charakteristische Druckfestigkeit fk in N/mm2

von Mauerwerk aus Mauerziegeln sowie Kalksand-Loch-und Hohlblocksteinen mit Normalmauermörtel

Steinfestigkeits- fk N/mm2

klasse NM II NM IIa NM III NM IIIa

2 1,4 1,6 1,9 2,2

4 2,1 2,4 2,9 3,3

6 2,7 3,1 3,7 4,2

8 3,1 3,9 4,4 4,9

10 3,5 4,5 5,0 5,6

12 3,9 5,0 5,6 6,3

16 4,6 5,9 6,6 7,4

20 5,3 6,7a 7,5 8,4

28 5,3 6,7a 9,2 10,3

36 5,3 6,7a 10,2 11,9

48 5,3 6,7a 12,2 14,1

60 5,3 6,7a 14,3 16,0a Die Druckfestigkeit von Mauerwerk aus Mauerziegeln mit NM IIa

darf nicht größer angenommen werden als für Steinfestigkeits-klasse 16.

Tabelle 5. Charakteristische Druckfestigkeit fk in N/mm2

von Mauerwerk aus Kalksand-Plansteinen und Kalksand-Planelementen mit Dünnbettmörtel

Steinfestigkeits- fk N/mm2

klasse KS-Planelemente KS- KS-XL XL-N, Vollsteine Lochsteine

XL-E KS- KS-Blocksteine Hohlblock-

steine

2 – – – –

4 4,7 2,9 2,9 2,9

6 6,0 4,0 4,0 3,7

8 7,3 5,0 5,0 4,4

10 8,3 6,0 6,0 5,0

12 9,4 7,0 7,0 5,6

16 11,2 8,8 8,8 6,6

20 12,9 10,5 10,5 7,6

28 16,0 13,8 13,8 7,6

36 16,0 13,8 16,8 7,6

48 16,0 13,8 16,8 7,6

60 16,0 13,8 16,8 7,6

Tabelle 6. Charakteristische Druckfestigkeit fk in N/mm2

von Leichtbeton-Mauerwerk mit Leichtmauermörtel

Steinfestigkeits- fk N/mm2

klasse Voll- und Lochsteine mit Leichtmauermörtel

2 1,4

4 2,3

6 3,0

8 3,6

Page 10: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

3.5.1 Lastkombinationen der Einwirkungen zur Ermittlung der Schnittgrößen

Für die Lastkombinationen zur Ermittlung der maßgeben-den Normalkräfte reicht im Allgemeinen folgender An-satz:

NEd = 1,35 · NGk + 1,5 · NQk (4)

mitNEd Bemessungswert der einwirkenden NormalkraftNGk charakteristischer Wert der Normalkraft aus Eigen-

gewicht (bei mehreren einwirkenden Eigenlastantei-len die Summe)

NQk charakteristischer Wert der Normalkraft aus Ver-kehrslast (bei mehreren einwirkenden Verkehrslastendie Summe)

In Hochbauten mit Decken aus Stahlbeton, die mit cha-rakteristischen Nutzlasten von maximal 3,0 kN/m2 belas -tet sind, darf vereinfachend angesetzt werden:

NEd = 1,4 · (NGk + NQk) (5)

Bei Kellerwänden ist auch der Lastfall

min NEd = 1,0 · NGk (6)

zu berücksichtigen.Die Regelungen für die Lastkombinationen entspre-

chen dem Abschnitt 8.9.1.1 der DIN 1053-100:2007-09. Hierwird die Möglichkeit genutzt, bauartenspezifische Festle-gungen vorzunehmen, die in DIN 1055-100:2001-03 [31]gegeben ist (dort Abschnitt 7.2, Absatz (3)). Sie erleichterndie Arbeit im vereinfachten Verfahren erheblich und sindfür die Verhältnisse von Eigengewicht/Verkehrslast, wie sieim Mauerwerksbau vorkommen, zulässig.

3.6 Verzicht auf Nachweis der Aussteifung

Die Festlegungen zur Aussteifung von Gebäuden ent -sprechen im Wesentlichen DIN 1053-100:2007-09, Ab-schnitt 8.4. Wenn die Randbedingungen des vereinfachten

266 Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Verfahrens eingehalten sind und das Gebäude offensicht-lich ausreichend ausgesteift ist, kann auf den Nachweis derQuerkraftbeanspruchung verzichtet werden. Dabei obliegtdie Einschätzung, ob das Bauwerk ausreichend ausgesteiftist, der Erfahrung des Anwenders. Es wurde bewusst dar-auf verzichtet, konkrete Grenzen anzugeben. Es sind inder Vergangenheit mehrfach Versuche unternommen wor -den, bestimmte Kriterien und Mindestwandquerschnitte an-zugeben. Die Ergebnisse konnten jedoch nicht befriedi-gen, weil dann entweder die Verfahrensweise sehr aufwen-dig wird oder die Mindestwandquerschnitte relativ hochausfallen (vgl. hierzu auch [36]).

Der bisweilen noch ungeübte Anwender wird sichnach mehreren Nachweisen sehr schnell die notwendigeErfahrung aneignen, um den Sachverhalt einschätzen zukönnen. Bei Reihenhäusern ist zu beachten, dass es hin-sichtlich der Windbelastung erleichternde Regelungen gibt(s. Anlage 1.1/1, Zif. 2 zur aktuellen MLTB [37]).

Bild 8 zeigt beispielhaft Grundrisse von Mauerwerks-bauten bei denen von einer ausreichenden Aussteifung aus-gegangen werden kann (a) und (b) bzw. wo eine Nachweis-führung der Aussteifung angeraten ist (c).

3.7 Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit3.7.1 Nachweis für vertikal beanspruchte Wände

Die Nachweisgleichungen für vertikal beanspruchte Wändeim vereinfachten Verfahren sind seinerzeit für Mauerwerks-bauten mit voll aufliegenden Deckenplatten hergeleitet(vgl. Mann [38]) und auf das Teilsicherheitskonzept über-führt worden (vgl. z. B. Baier [39]). Heute sind Außen-wände mit teilweise aufliegender Deckenplatte bei Ver-wendung von dämmenden Mauersteinen weit verbreitet.Insofern bestand der Wunsch, das vereinfachte Verfahrenauch für diesen Anwendungsfall klar zuzulassen.

Neu in DIN 1053-11 ist damit die Erweiterung auf denFall der teilweise aufliegenden Deckenplatte. Die Nach-weisführung war bisher für diesen Fall nicht ausgelegt, istjedoch für diesen unter bestimmten Festlegungen ange-wendet worden (vgl. [40], S. 52 und S. 88 sowie [41],S. 22 f). Der Nachweis wurde bei voll aufliegender Decken-platte mit dem vollen Wandquerschnitt t · b unter Abzugetwaiger Schlitze oder Aussparungen – sofern erforderlich –

Tabelle 7. Charakteristische Druckfestigkeit fk in N/mm2 von Mauerwerk aus Leichtbeton- und Betonsteinen mit Dünnbett-mörtel ohne Vollsteine

Steinfestigkeitsklasse fk N/mm2

Hbl I Hbl II V, Vbl Vbl-S, SW Hbn I Hbn II Vn, Vbn

2 1,6 1,4 1,6 1,5 1,4 1,2 –

4 2,5 2,2 3,0 2,7 2,1 1,8 2,9

6 3,2 2,9 4,2 3,8 2,7 2,3 3,7

8 3,9 3,5 5,5 4,9 3,2 2,8 4,5

10 – – 6,6 6,0 3,6 3,2 5,1

12 – – 7,8 7,0 4,0 3,5 5,7

16 – – 10,1 – – – 6,8

20 – – 12,2 – – – 7,9

28 – – – – – – 9,7

Page 11: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

267Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

Hierzu wird angemerkt, dass der Nachweis nach Gl. (8)bei voll aufliegender Deckenplatte mit dem vollen Quer-schnitt der Wand (unter Beachtung der o. a. Anmerkungzu den Schlitzen) und auch bei teilweise aufliegenderDecken platte in den Grenzen des vereinfachten Verfah-rens mit diesem zu führen ist. In der Entwurfsfassung vonDIN 1053-11 wird hier vom effektiven Querschnitt gespro-chen. Gemeint war die Auflagerfläche der Decke auf derWand, was aber dann zu einer gewissen Vermischung derErgebnisse der früheren Parameterstudie zur voll auflie-genden Deckenplatte (s. [43], S. 384 ff) mit der für die teil-weise aufliegenden Deckenplatte [42] geführt hat. Es er-scheint deshalb sinnvoll, dem Grundprinzip der Nach-weisführung mit Abminderungsfaktoren im vereinfachtenVerfahren zu folgen, bei dem immer die Tragfähigkeit desQuerschnitts unter Berücksichtigung aller Einflüsse zu derdes vollen Querschnitts ins Verhältnis gesetzt wird. Dem-nach ist sowohl beim Knicken als auch bei der Berück-sichtigung exzentrischer Einflüsse der volle Querschnittder Wand anzusetzen, was eine eindeutige Regelung dar-stellt (Bild 9).

Bei geschosshohen Wänden des üblichen Hochbausund gleichzeitiger Einhaltung der Randbedingungen fürdas vereinfachte Nachweisverfahren darf die Traglastmin -derung infolge der Lastexzentrizität bei Endauflagern aufAußen- und Innenwänden nach der Entwurfsfassung vonDIN 1053-11 abgeschätzt werden zu:

(9)

(10)

mit� Stützweite der angrenzenden Geschossdecke in ma die Deckenauflagertiefet die Dicke der Wand

Φ121 6

5

0 91 8= −

⎧⎨⎪

⎩⎪<,

,, /�

at

für f N mmk

Φ121 6

6

0 91 8= −

⎧⎨⎪

⎩⎪≥,

,, /�

at

für f N mmk

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

und bei teilweise aufliegender Deckenplatte mit dem Auf-lagerquerschnitt der Deckenplatte a · b unter Abzug etwai-ger Schwächungen geführt. Dabei ist b die Wandlänge bzw.die Breite des Pfeilers. In Wandmitte war dabei unklar, obder volle Wandquerschnitt t · b oder der auf a · b reduzierteWandquerschnitt einzusetzen ist. Natürlich konnte mandabei – immer auf der sicheren Seite liegend – nur den re-duzierten Querschnitt ansetzen (vgl. [41], S. 22 f), was aberin einigen Fällen zu sehr ungünstigen Ergebnissen führt.

Die nachfolgend dargestellte Lösung ist so nicht Be-standteil der Entwurfsfassung und hat sich im Zuge der Über-prüfung mit Hilfe einer umfassenden Parameterstudie [42]ergeben. Sie betrifft sowohl die Gleichungen für den Einflussder Exzentrizität als auch den Einfluss des Knickens.

Im Grenzzustand der Tragfähigkeit ist nachzuweisen,dass

NEd ≤ NRd (7)

mitNEd der Bemessungswert der einwirkenden NormalkraftNRd der Bemessungswert des aufnehmbaren Tragwider-

standes

Die vom Mauerwerksquerschnitt unter zentrischer und ex-zentrischer Druckbeanspruchung aufnehmbare Normal-kraft darf nach folgender Beziehung bestimmt werden:

NRd = Φi · A · fd (8)

mitΦi der Abminderungsfaktor zur Berücksichtigung der Last-

exzentrizitäten an der Bemessungsstelle iA die wirksame Querschnittsfläche, ggf. unter Berück-

sichtigung von Schlitzen und Aussparungen, ausge-nommen sind davon diejenigen, die ohne rechneri-schen Nachweis zugelassen sind (vgl. E DIN 1053-12:2009-03 [9], Tabelle 1)

fd der Bemessungswert der Druckfestigkeit des Mauer-werks

Bild 8. Beispielgrundrisse von Häusern; a) Mehrfamilienhaus (3 Geschosse über OKG), b) Einfamilienhaus, c) Einfamilien-reihenhaus (Quelle [51])

a) b) c)

Page 12: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Der Faktor Φ1 entspricht dem Faktor Φ3 in DIN 1053-100:2007-09. Die Gleichung soll sowohl für voll aufliegendeDeckenplatte (a/t = 1) und für teilweise aufliegende De -ckenplatte (0,5 ≤ a/t < 1) eingesetzt werden können.

Untersuchungen zur Lastexzentrizität bei teilweise auf-liegenden Deckenplatten [44] hatten ergeben, dass derungünstigste Fall vorliegt, wenn die Deckenabmauerungaußer Acht gelassen wird (s. auch [45]). Mit der neu einge-führten Grenze < a/t sollte sichergestellt werden, dass dasvereinfachte Verfahren auch für Wände mit teilweise auflie-gender Deckenplatten angewendet werden kann. Es war da-bei jedoch vorgesehen, nur den Querschnitt unter derDeckenplatte zur Nachweisführung anzusetzen, was beigrößeren Auflasten auf der sicheren Seite liegt, da dannauch ein Teil der Last durch den Deckenabmauerstein geht.

Die bereits zitierte Parameterstudie [42] hat jedochergeben, dass die Formulierung

(11)

(12)

die tatsächlichen Verhältnisse besser und sicher abbildet. Die Aufgliederung in zwei Formeln war bereits in

DIN 1053-100:2007-09 notwendig geworden, da sich ge-genüber den Ausgangsuntersuchungen von Mann [38] dieBandbreite der Steine von der Festigkeit erweitert hat undansonsten zu hohe Abminderungen entstehen würden,wenn die ungünstigste Steinart mit gerinster Festigkeit maß-gebend wird.

Der ursprüngliche Faktor Φ1 für die Erfassung derBiegebeanspruchung in Scheibenebene aus DIN 1053-100:2007-09 ist im Normentwurf zum vereinfachten Verfahrennicht mehr enthalten. Der Abminderungsfaktor wurde fürin Wandebene vorwiegend biegebeanspruchte Aussteifungs-wände benötigt, wenn doch ein Aussteifungsnachweis er-forderlich wurde und nach dem vereinfachten Verfahrengeführt werden musste. Aussteifungswände sind im verein-fachten Verfahren nach DIN 1053-11 nicht nachzuweisen,wenn das Gebäude offensichtlich ausreichend ausgesteiftist und die Anwendungsbedingungen eingehalten sind.Dementsprechend werden Biegebeanspruchungen nichtmehr explizit im vereinfachten Verfahren nachgewiesen.Auch ein vereinfachter Schubnachweis ist dann nichtmehr zu führen. Dabei muss aber vorausgesetzt werden,

Φ121 6

50 9 1 8= −

⎝⎜

⎠⎟ ⋅ ≤ ⋅ <, , , /� a

tat

für f N mmk

Φ121 6

60 9 1 8= −

⎝⎜

⎠⎟ ⋅ ≤ ⋅ ≥, , , /� a

tat

für f N mmk

268 Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

dass keine größeren Lastexzentrizitäten – sowohl von derLastseite als auch der Konstruktion her – auftreten.

Bei Decken über dem obersten Geschoss, insbeson-dere Dachdecken gilt

Φ1 = 0,333 (13)

Dieser Wert entspricht dem in DIN 1053-100:2007-09, dersich aus dem Übergang von Spannungsdreieck zu Span-nungsrechteck ergab. Der gegenüber k3 = 0,5 nach DIN1053-1:1996-11 geringere Wert scheint beim ersten Blickein Verlust zu sein, was aber so nicht stimmt. Bei einemVergleich sind in jedem Falle die unterschiedlichen Sicher-heitskonzepte und Nachweisformate zu berücksichtigen.Hinzu kommt das Herausnehmen von Schlankheitsein-flüssen aus der Festigkeit.

Die Berücksichtigung der Traglastminderung beiKnickgefahr erfolgt für die voll aufliegende Deckenplatteebenso wie in DIN 1053-100:2007-09 über

(14)

Für die teilweise aufliegende Deckenplatte führt die einfa-che Erweiterung nach E DIN 1053-11:2009-03

(15)

teilweise zu ungünstigen Ergebnissen, was sich bei einerprobeweisen Anwendung auf übliche Gebäude zeigte. InGl. (15) isthk die Knicklängea die Deckenauflagertiefetv die Dicke des Abmauersteins mit min tv = 60 mm und

fk ≥ Druckfestigkeit des Mauerwerkes bei mindestenszwei darüberliegenden Vollgeschossen. Sofern dieseBedingungen nicht erfüllt sind, oder kein Abmauer-stein vorhanden ist gilt tv = 0

t die Dicke der Wand.

Der Vormauerstein übernimmt ab einer bestimmten Auf-lastgröße einen gewissen Normalkraftanteil, der aus derdarüber liegenden Wand kommt und somit die Exzentrizi-tät in Wandmitte verringert. Dieser Kraftanteil ist abhän-gig von der Auflast, der Auflagertiefe der Decke, derSpann weite der abgehenden Decke sowie dem Elasti-zitätsmodul der Wand. Das wird in der Formulierung vonGl. (15) eben nicht berücksichtigt. Bei der durchgeführtenParameterstudie sind die o. g. Eingangsparameter in denfür die üblichen Anwendungsfälle maßgebenden Grenzenvariiert und die Exzentrizitäten in Wandmitte bestimmtworden (s. Bild 10).

Entscheidend für die Größe der Exzentrizität am Wand-kopf ist das Verhältnis von Auflagerkraft der Decke zu vonoben kommender Auflast. Für übliche E-Moduli der Wandaus wärmedämmendem Mauerwerk (bis 4000 N/mm2) undvorhandenen Auflasten aus dar über liegenden Vollgeschos-sen ergibt sich

(16)Φ2

2

0 85 0 0011= ⋅+ ⋅⎛

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟− ⋅

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟, ,

a tt

ht

v kκ

Φ2 0 850 5

0 0011= ⋅+ ⋅⎛

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟− ⋅

⎝⎜⎜

⎠⎟,

,,

a tt

ht

v k⎟⎟

2

Φ2

2

0 85 0 0011= − ⋅⎛

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟, ,

htk

Bild 9. Erläuterung zum Nachweisquerschnitt

Page 13: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

269Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

Es ist damit gelungen, die Nachweissituation gegenüber derGl. (15) wesentlich besser abzusichern. Leider sind dieEinflüsse so komplex, dass sich eine allgemeingültige Lö-sung nicht finden lässt. Wie Bild 11 zeigt, kann bei einerAuflast von ca. 140 kN außerdem eine volle Mitwirkungdes Vormauersteins angesetzt werden, was bei Gl. (15)nicht der Fall wäre.

3.7.2 Nachweis bei Biegebeanspruchung

Bei vorwiegend windbelasteten, nichttragenden Wändenist kein gesonderter Nachweis erforderlich, wenn die An-wendungsbedingungen des vereinfachten Verfahrens unddie Größe der Ausfachungsflächen gem. Tabelle 8 bzw. Ta-belle 9 eingehalten sind. In der Entwurfsfassung sind in denTabellenköpfen unterschiedliche Verhältniswerte aufge-führt, was ggf. zu Anwendungsfehlern führen könnte. InTabelle 8 ist ε das Verhältnis der größeren zur kleinerenSeite der Ausfachungsfläche, in Tabelle 9 das VerhältnisWandhöhe zu Wandlänge. Es wäre hier sinnvoll, sich aufeinen Parameter zur Beschreibung des Seitenverhältnissesfestzulegen, wie etwa λw = h/�, wie in Zeile 4 von Tabelle 8aufgeführt.

Bei Verwendung von Steinen der Festigkeitsklassen≥ 20 und gleichzeitig bei einem Seitenverhältnis λW = h/�≥ 2,0 dürfen die Werte der Tabelle 8 und Tabelle 9, Spal-ten 3, 5 und 7, verdoppelt werden (h, � Höhe bzw. Längeder Ausfachungsfläche).

3.7.3 Nachweis bei Einzellasten und Teilflächenbeanspruchung

Der Nachweis entspricht dem genaueren Nachweis nachDIN 1053-100, jedoch ist die Schreibweise auf die Kraft -ebene umgestellt worden. Eine vereinfachte Nachweisfüh -rung wurde für nicht mehr notwendig gehalten, da derAuf wand sich kaum unterscheidet, sodass jetzt im genaue-ren Nachweis auf das vereinfachte Verfahren verwiesenwird.

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Bild 10. a) FEM-Modell des untersuchten Außenwand -systems und b) Darstellung des Wand-Decken-Knotens mit teilweise aufliegender Decke und wirkenden Kräften [42]

a) b)

mit

(17)

Dabei sindhk die Knicklängea die Deckenauflagertiefeκ Faktor zur Berücksichtigung des Einflusses des Vor-

mauersteinstv die Dicke des Abmauersteins mit min tv = 60 mm

und fk ≥ Druckfestigkeit des Mauerwerkes bei min-destens zwei darüberliegenden Vollgeschossen. So-fern diese Bedingungen nicht erfüllt sind, oder keinAbmauerstein vorhanden ist gilt tv = 0

t die Dicke der WandNod Bemessungswert der Normalkraft in der Wand aus

den darüberliegenden GeschossenNDd Bemessungswert der Normalkraft aus der Auflage-

rung der Decke am betrachteten Knoten.

02 5

0 6 1≤ =⋅

− ≤κN

Nod

Dd,, .

Bild 11. Darstellung der Ergebnisse der Parameterstudie und Vergleich mit der Näherungslösung; a) Deckenspannweite 4 m,b) Deckenspannweite 6 m [47]

a) b)

Page 14: Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Die Druckverteilung unter den konzentrierten Lasteninnerhalb des Mauerwerks kann unter 60° angesetzt wer-den. Der höher beanspruchte Wandbereich darf in höhe-rer Mauerwerksfestigkeit ausgeführt werden. Diese Fest -legungen sind unverändert geblieben.

Wird die Übertragungsfläche A1 (siehe Bild 12) einesMauerwerksquerschnittes nur durch eine Einzellast FEd,z. B. unter Balken, Unterzügen, Stützen usw., zentrisch oderexzentrisch belastet, ist nachzuweisen:

FEd ≤ FRd (18)

Der Bemessungswert der Tragfähigkeit infolge einwirken-der Einzellast beträgt

270 Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

FRd = α · A1 · fd (19)

mitα Erhöhungsfaktor zur Berücksichtigung mehrachsiger

SpannungszuständeA1 Übertragungsfläche gemäß Bild 12fd Bemessungswert der Druckfestigkeit des Mauerwerks

nach Abschnitt 3.4

Dieser Nachweis ersetzt nicht den Nachweis der gesamtenWand und ihrer Knicksicherheit.

Der Wert des Erhöhungsfaktors α errechnet sich zu:

(20)α = + ⋅ ≤1 01 1 51

1

, , ,a�

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Tabelle 8. Größte zulässige Werte der Ausfachungsfläche von nichttragenden Außenwänden ohne rechnerischen Nachweis

1 2 3 4 5 6 7

Wanddicke Größte zulässige Werte1) der Ausfachungsfläche in m2 bei einer Höhe über Gelände vont mm 0 bis 8 m 8 bis 20 m 20 bis 100 m

Bezug auf ε ε = 1,0 ε ≥ 2,0 ε = 1,0 ε ≥ 2,0 ε = 1,0 ε ≥ 2,0

Bezug auf λw λw = 1,0 λw ≥ 2,0 oder λw = 1,0 λw ≥ 2,0 oder λw = 1,0 λw ≥ 2,0 oder λw ≤ 0,5 λw ≤ 0,5 λw ≤ 0,5

1152) 12 8 8 5 6 4

175 20 14 13 9 9 6

240 36 25 23 16 16 12

300 50 33 35 23 25 171) Bei Seitenverhältnissen 1,0 < ε < 2,0 bzw. 0,5 < λW < 1,0 und 1,0 < λW < 2,0 dürfen die größten zulässigen Werte der Ausfachungsflächen

geradlinig interpoliert werden2) Bei Verwendung von Steinen der Festigkeitsklassen ≥ 12 dürfen die Werte dieser Zeile um 1/3 vergrößert werden

Tabelle 9. Größte zulässige Werte der Ausfachungsfläche von nichttragenden Außenwänden aus Kalksand- sowie Poren -betonplanelementen und Plan-Großblöcken ohne Schlitze aus Leichtbeton in Dünnbettmörtel ohne rechnerischen Nachweis

Wanddicke Maximal zulässige Werte der Ausfachungsflächena m2

t für die charakteristische Windlastb wk = 1,0 kN/m2

mm Wandschlankheit λWc

(Verhältnis der Wandhöhe zu Wandlänge)≤ 0,30 0,50 0,70 1,00 1,50 ≥ 2,00

Wände vierseitig gehalten

115 12,0 7,5 7,0 7,5 9,5 11,5

150 21,0 13,0 12,0 13,0 16,0 19,5

175 28,0 17,5 16,0 17,5 22,0 26,5

200 37,0 23,0 21,0 23,0 28,5 34,5

240 53,0 33,0 30,5 33,0 41,0 50,0

≥ 300 83,0 51,5 47,5 51,5 64,0 78,0

Wände dreiseitig gehalten (oberer Rand frei)

115 5,0 5,0 5,5 6,5 8,0 10,0

150 8,5 8,5 9,0 11,0 14,0 17,5

175 11,5 11,5 12,5 15,0 19,0 23,5

200 15,0 15,0 16,5 19,5 25,0 31,0

240 21,5 21,5 23,5 28,0 36,0 44,0

≥ 300 33,5 34,0 37,0 43,5 56,0 69,0a Die Werte gelten für Wände mit einer Einspannung der seitlichen Ränder.b Bei abweichenden Windlasten ist der Tabellenwert durch die Windlast wk zu teilen: Tabellenwert / wk in kN/m2

c Zwischenwerte dürfen geradlinig interpoliert werden

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271Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

wenn folgende Voraussetzungen eingehalten sind:– Teilfläche A1 ≤ 2 · t2 mit t als Wanddicke– Exzentrizität e des Schwerpunkts der Teilfläche: e ≤ t/6

Dabei sind:a1 kürzester Abstand der Übertragungsfläche vom Wand-

ende in Längsrichtung der Wand�1 Länge der Übertragungsfläche in Längsrichtung der

Wand

Beim vereinfachten Verfahren wird davon ausgegangen,dass keine Beanspruchung rechtwinklig zur Wandebeneauftritt. Sollte das der Fall sein, hat der Nachweis nachdem genaueren Verfahren zu erfolgen.

3.7.4 Vereinfachter Nachweis von Kellerwänden

Die Nachweis entspricht DIN 1053-100, jedoch – um auf dieProblematik des Erddruckansatzes aufmerksam zu ma chen –mit dem Zusatz, dass keine mittleren bis schweren Verdich-tungsgeräte zum Einsatz kommen, für die Verfüllung nicht-bindiges Material verwendet wird und von maxi mal mittel-dichter Lagerung ausgegangen werden kann. Den Gleichun-gen für die Bemessungswerte der Wandnormalkraft liegt deraktive Erddruck zu Grunde, d. h. ein Erddruckbeiwert vonKa = 1/3. Sofern das nicht zutreffend ist oder das Erdreichstärker verdichtet werden soll, besteht im genaueren Verfah-ren die Möglichkeit, das zu berücksichtigen.

Es gelten die gleichen Anwendungsvoraussetzungen,wie in DIN 1052-100:2007-09 ([6], s. dort Abschnitt 10.5,Absatz (1)). Die Anschütthöhe he soll dabei nicht höher alsdie lichte Geschosshöhe hS (Wandhöhe) sein. Die Grenzehängt mit der einfachen Approximation des geometrie -

abhängigen Beiwertes μ zusammen, der eine Zusammen-fassung eines recht komplizierten Ausdruckes in Abhän-gigkeit von hei und hS bei der Ermittlung des maximalenBiegemomentes in der Wand darstellt, zusammen (vgl.Gln. (6) und (7) in [25] und dort Bild 2). Dabei ist hei dieideelle Anschütthöhe unter Hinzurechnung der Verkehrs-last auf dem Erdreich. Die Approximation des Beiwertesmit μ = (he/hS)2/2 funktioniert bis he/hS = 1 recht gut, dar-über hinaus wird die Abweichung relativ groß, läge aberauf der sicheren Seite.

Die Formelzeichen für die Wandlängsnormalkraft sindauf kleine Buchstaben umgestellt, da es sich hier um Grö -ßen handelt, die auf die Wandlänge bezogen sind. Der je-weils maßgebende Bemessungswert der Wandlängsnormal-kraft n1,Ed je Einheit der Wandlänge in halber Höhe derAnschüttung soll innerhalb folgender Grenzen:

(21)

n1,Ed,sup ≤ n1,Rd = 0,33 · fd. (22)

liegen. Dabei sindn1,Ed,inf der untere Bemessungswert der Wandnormalkraft

pro m Wandlänge (1,0 · ngk)n1,Ed,sup der obere Bemessungswert der Wandnormalkraft

pro m Wandlängen1,lim d der Grenzwert der Normalkraft n1,Rd der Bemessungswert des Tragwiderstandes des

Querschnittesγe Wichte der AnschüttunghS lichte Höhe der Kellerwandhe Höhe der Anschüttungt Wanddicke

Wenn die Gln. (21) und (22) erfüllt sind, ist ein Nachweisauf Erddruck nicht zu führen. Der Nachweis der Quer-kraft kann als erfüllt angesehen werden. Auf den alternati-ven vereinfachten Nachweis am Wandkopf wurde verzich-tet, da er in DIN 1053-100:2007-09 eine Annahme über dieWichte des Wandmaterials enthält und dem Anwender lediglich die Addition des Wandgewichtes erspart. Da dieErgebnisse wegen der Unterschiede im Wandgewicht undder Interpolation der Tabellenwerte recht ungenau werdenkönnen, wurde auf diese Lösung verzichtet.

n nh h

tEd de s e

1 1

2

20, ,inf ,lim≥ =⋅ ⋅

γ

W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

Bild 12. Teilfläche A1 bei Teilflächenpressung

Bild 13. Bogenmodell einer einachsiggespannten Kellerwand mit Belastungund Schnittkräften bei niedriger Auf-last

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Sind die Anwendungsbedingungen hinsichtlich desErd druckansatzes für die Gln. (21) und (22) nicht einge-halten, kann eine Überprüfung nach dem genaueren Ver-fahren vorgenommen werden, bei dem der Erddruckbei-wert explizit ausgewiesen ist. Gl. (21) nimmt dann dieForm

(23)

an. Dabei istKi der anzusetzende Erddruckbeiwert (erhöhter aktiver

Erddruck, Erdruhedruck oder Verdichtungserddruck).

Sind auch die anderen Randbedingungen nicht gegeben,lohnt sich nur ein Nachweis auf der Basis der theoreti-schen Ansätze des Bogen- bzw. Schalenmodells ([25],[26]) bzw. mittels FEM.

Die Hinweise zum Material der Querschnittsabdich-tung wurden präzisiert.

4 Zusammenfassung

Mit dem Entwurf der DIN 1053-11:2009-03 ist es gelungen,das vereinfachte Verfahren in der Anwendungsbreite auf derBasis abgesicherter Untersuchungen zu erweitern und zu-gleich überflüssige, selten zutreffende Passagen zu entfernen.Damit ist und bleibt die Norm einfach und über schaubar. Sieist auf den aktuellen Stand der Erkenntnis gebracht wordenund ist damit eine solide Basis für die Be messung der über-wiegenden Mehrzahl der in Deutsch land zurzeit üblichenMauerwerksbauten. Sie ist deshalb auch besser als der Teil 3von EC 6 und überschaubarer als dieser.

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n nK h h

tEd di e s e

1 1

2

7 8, ,inf ,lim ,≥ =

⋅ ⋅ ⋅

γ

272 Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

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W. Jäger · Zukünftige Bemessung von Mauerwerk – Überblick und vereinfachtes Verfahren

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273Mauerwerk 13 (2009), Heft 5

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Autor dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Wolfram JägerTechnische Universität DresdenFakultät Architektur, Lehrstuhl für TragwerksplanungD – 01062 [email protected]

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