19
Zur Beurteilung psychischer Krankheitserseheinungen bei rechtsseitiger Schliifenlappenaffektion. Von Dr. Karl John, Oberarzt der Heilanstalt Christophsbud in GSppingen. Die Fortschritte der wissenschaftlichen Forsehung auf dem Gebiet der ~Neurologie und Psychiatrie haben zum Tell gestfitzt auf die For- schungsergebnisse der entsprechenden Schwesterwissenschaften im Laufe der Jahre die klinische Beurteilung mancher Syndrome bei Gehirn- krankheiten yon Grund aus ge~ndert und den Weg zu wertvollen Erkennt- njssen gebahnt, mit deren Hilfe wir nun in der Lage sind, auch auf dem schwierigen Gebiet der Gehirnpathologie zahlreiche Herderscheinungen mit Sicherheit zu diagnostizieren und yon Allgemeinsymptomen, Nach- barschafts- und Fernwirkungen richtig abzugrenzen. Ein in dieser Hinsicht aber auch heute noch recht dunkles und in seiner Symptomato- logie unsicheres und umstrittenes Gebiet ist das der Schl~fenlappen- affektionen, namentlich der rechtsseitigen beim Rechtsh~nder. Die Feststellung Oppenheims, dab wir wohl niemals das Recht hi~tten, die Lokaldiagnose eines Tumors des rechten Schl~fenlappens zu stellen, well dieser Hirnabschnitt zu den sog. indifferenten oder stummen Zonen gehSre und Erkrankungen des rechten Temporallappens daher symptom- los, zum mindesten ohne Lokalsymptome verlaufen, wurde yon Bruns (zit. nach Oppenheim) best/~tigt, der betonte, dab man bei langdauerndem Vorhandensein yon Allgemeinsymptomen eines Hirntumors und vSlligem Fehlen yon Lokalsymptomen geradezu eine ,,negative Diagnose" stellen, d. h. mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen Tumor im rechten Schl~fenlappen diagnostizieren kSnne. Die Ansicht dieser beiden er- fahrenen KlinJker wurde in der Folgezeit fast allgemein anerkannt und schien sich trotz aller Bemiihungen zahlreicher Forscher, auch das Hirngebiet des rechten Schl~fen]appens nigher zu ergrfinden, immer wieder zu best~ttigen. Den Mangel bestimmter Anhaltspunkte zur Diagnostik rechtsseitiger Schl~fenlappenaffektionen empfanden begreif- licherweise am empfindiichsten die Praktiker, die vor die Aufgabe gestellt waren, genaue Tumordiagnosen zu stellen und einen eventuell operablen Tumor, den sie im Schl~fenlappen vermuteten, rechtzeitig dem Chirurgen zuffihren zu kSnnen. Hier Abhilfe zu schaffen, hat sich

Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

Zur Beurteilung psychischer Krankheitserseheinungen bei

rechtsseitiger Schliifenlappenaffektion.

V on

Dr. Karl John, Oberarzt der Hei lanstal t Chris tophsbud in GSppingen.

Die Fortschri t te der wissenschaftlichen Forsehung auf dem Gebiet der ~Neurologie und Psychiatrie haben zum Tell gestfitzt auf die For- schungsergebnisse der entsprechenden Schwesterwissenschaften im Laufe der Jahre die klinische Beurteilung mancher Syndrome bei Gehirn- krankhei ten yon Grund aus ge~ndert und den Weg zu wertvollen Erkennt- njssen gebahnt, mit deren Hilfe wir nun in der Lage sind, auch auf dem schwierigen Gebiet der Gehirnpathologie zahlreiche Herderscheinungen mi t Sicherheit zu diagnostizieren und yon Allgemeinsymptomen, Nach- barschafts- und Fernwirkungen richtig abzugrenzen. Ein in dieser Hinsicht aber auch heute noch recht dunkles und in seiner Symptomato- logie unsicheres und umstrittenes Gebiet ist das der Schl~fenlappen- affektionen, namentlich der rechtsseitigen beim Rechtsh~nder. Die Feststellung Oppenheims, dab wir wohl niemals das Recht hi~tten, die Lokaldiagnose eines Tumors des rechten Schl~fenlappens zu stellen, well dieser Hirnabschnitt zu den sog. indifferenten oder stummen Zonen gehSre und Erkrankungen des rechten Temporallappens daher symptom- los, zum mindesten ohne Lokalsymptome verlaufen, wurde yon Bruns (zit. nach Oppenheim) best/~tigt, der betonte, dab man bei langdauerndem Vorhandensein yon Allgemeinsymptomen eines Hirntumors und vSlligem Fehlen yon Lokalsymptomen geradezu eine ,,negative Diagnose" stellen, d. h. mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen Tumor im rechten Schl~fenlappen diagnostizieren kSnne. Die Ansicht dieser beiden er- fahrenen KlinJker wurde in der Folgezeit fast allgemein anerkannt und schien sich trotz aller Bemiihungen zahlreicher Forscher, auch das Hirngebiet des rechten Schl~fen]appens nigher zu ergrfinden, immer wieder zu best~ttigen. Den Mangel best immter Anhaltspunkte zur Diagnostik rechtsseitiger Schl~fenlappenaffektionen empfanden begreif- licherweise am empfindiichsten die Prakt iker , die vor die Aufgabe gestellt waren, genaue Tumordiagnosen zu stellen und einen eventuell operablen Tumor, den sie im Schl~fenlappen vermuteten, rechtzeitig dem Chirurgen zuffihren zu kSnnen. Hier Abhilfe zu schaffen, hat sich

Page 2: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinungen usw. 597

namerrblich Knapp insofern erfolgreich bemiiht, als es ihm gelang, dureh die Feststollung einer gowissen Gesetzm~13igkeit in der Gruppierung von Nachbarschafts- und Fornsymptomen eine Anleitung zu geben, wie es trotz Fehlens yon lokalen Herdsymptomen doch m6glich sein k6nne, einen Herd im rechten Schl~fenlappen der Diagnose zug~nglich zu machen. Andere, nicht weniger wertvolle Symptomverbindungen zur Diagnostik rechtsseitiger Schl~fenlappentumoren verdanken wir unter anderen Schwab. Freilich sind die Feststellungen dieser Autoren nicht unwider- sprochen geblieben, und z. B. Goldberger land bei einem Tumor, der den ganzen rechten Schl~fenlappen einnahm, einen in dieser Hinsicht vSllig negativen Befund und auch L6wenstein (zit. nach Knapp) fand bei zwei derartigen Tumoren g~nz andersartige Symptome als Knapp. Eine Reihe namhafter Forseher bestiitigte aber auch dessen Feststelhngen, w~hrend Knapp selbst darauf hinwies, d~13 man gerade bei Gehirn- geschwfilsten eben immer wieder ~berraschungen und Ausnahmen erlebe und es ihm wohl bekannt sei, wie h~ufig selbst riesige Abscesse im rechten Schl~ferdappen vSllig symptomlos verlaufen kSnnten. Inter- essant waren in dieser Hinsicht auch die Erfahrungen, die Wartenberg in seinem Vortrag auf dem Badener Kongrel3 der Sfidwestdeutschen Neurologen und Psychiater im vergangenen Jahr fiber das Thema ,,~berraschungen und Fehldiagnosen bei Tumorsymptomen" mitteilte.

Eine nicht unwesentliche FSrderung erfuhr die Erforschung der Symptomatologie der rechtsseitigen Schliifenlappenaffektionen weiter- hin durch zahlreiche kasuistische VerSffentlichungen, wie z. B. die yon Kaplan und M6nlcem611er, Niessl von Mayendor/, Goldberger, Ulrich, Gast, Cordes, Borda, Singelmann, Kanzler u. a., namentlich aber auch durch die systematische Sammlung yon einschliigigen F~llen und deren eingehende Beschreibung und kritische Sichtung, wie wir sic z. B. Schuster, Knapp, P/ei/er, Mingazzini, Sterling, Horrax, Artom, M6rsch, Barulc, Kotodny und in neuerer Zeit J. L. Meyers verdanken. Die meisten der genannten Autoren berichteten unter anderem fiber das h~ufige Vorkommen psychischer St6rungen bei den yon ihnen beobachteten Schl~fenlappenerkrankten und bemiihten sich daher, diese psychischen St6rungen in ihrem Verlauf und ihrer qualitativen Eigenart zu schfldern und die Genese und diagnostische Verwertbarkeit derselben zu ergriinden.

Da der Temporallappen Sitz mehrerer corticaler Sinneszentren sol, meinte Schuster, mfisse er doch auch in psychischer Richtung eine RoUe spielen. Schon yon Monakow und Flechsig hittten dem Schl~ferdappen ja eine besondere Bedeutung ffir die intellektuellen F~higkeiten zu- geschrieben. Vou Monakow habe bei Schlgfenlappcnerkrankten Logor- rhSe, Abneigung gegen geistige Beschgftigung, erschwerto Orientierung, Ratlosigkei$ und Gleichgiiltigkeit ihrem Leiden gegenfiber beobachtet, und $'lech~ig sehe in der 2. und 3. Temporalwindung und im Gyrus fusiformis einen Toil des groBen hinteren Assoziationszentrums, an dem

Z. f. d. g . N e u t . u . P s y c h . 127. 39

Page 3: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

598 Karl John: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinungen

much das Parietal und Occipitalhirn tefl habe. An Hand seiner Statistik kam Schuster zu der Auffassung yon der Lokslisierbarkeit psychischer Funktionen in gewisse Hirnregionen im Sinne Flechsigs un4 bezeichnete Stirnhirn, Temporalhirn und Oceipitalhirn sis die drei Hirnterritorien, bei deren Erkrankung fiberwiegend aktive geistige StSrungen zu beob- achten seien, wi~hrend andere Hirnprozesse in psychischer Hinsicht vorwiegend nut einfache L~hmung und Erschwerung der seelischen Abl/iufe hervorrufen. Etws 66% der Temporallsppengeschwiilste hsben naeh Schuster psychische Symptome.

Die Fiille der naeh der Schustersehen Monographie in der Literatur ver6ffentlichten Beitrs zur Frage des Vorkommens und der Beurteilung psychiseher Symptome bei Sehl/~fenlappenaffektionen ist von Artom eingehend in seiner zusammenfassenden Arbeit fiber die Tumoren des Schl/ifenlappens dargestellt. Unter Hinweis suf diese erschSpfende Dar- stellung Artom8 beschr/~nke ieh reich darauf, hervorzuheben, dall die yon den einzelnen Autoren gesehflderten psychisehen Zustandsbflder eine auBerordentlieh versehiedenartige Symptomgruppierung erkennen lassen. Einfache geistige Benommenheit und Apa%hie, Sehlafsueht bis zum Sopor, Deaorientierung, Aufregungszust/~nde, Charakterver/~nderung im Sirme der Reizbarkeit und moraliseher Entartung, neurasthenisehe und hypoehondrische Zust/~nde, Ged/~chtnis- und Merkf/~higkeitsstSrung, Korsakowsches Syndrom, Depression~zust/~nde, wie such Euphorie mit Neigung zum SpStteln, sowie ausgesprochene maniakalisehe Zust/inde (Cordes), much katatone (Sterling), paralyseartige (M6rsch) und andere Krankheitsbflder wurden beschrieben. Es ist begreiflich, dab diese an- gefiihrten psychischen Symptombflder in lokaldiagnostischer Hinsicht nieht ohne weiteres verwertbar sind und daher such yon den betreffenden Autoren, die sie schflderten, fast durchweg als Allgemeinsymptome angesproehen wurden. Knaplo hat aber doch dem Schls wenigstens eine besondere Neigung zugeschrieben, gerade psychische Symptome hervorzurufen, und auch Mingazzini bezeichnete den Kopf- sehmerz und die psychischen Symptome als die h/~ufigsten allgemeinen Symptome gerade bei Schl/ifen/appentumoren.

Bei den meisten in der Literatur dargestellten Schl/~fenlappenerkran- kungen spielten much Halluzinationen eine groSe Rolle. Nach Knapp sind Gesichtshalluzinationen selten, h/~ufig dagegen Geschmacks- und Geruchshalluzinationen und am h/~ufigsten die akustischen besonders in Form yon Akoasmen. Nach P/ei]er sollen gerade die Gesichtshalluzina- tionen fiberwiegen. Zum Teil sind die Halluzinationen yon einem Ver- wirrtheitszustand begleitet und unter dem EinfluB halluzinatoriscb bedingter WahnzustKnde und Verwirrung kann sich much lebhafte motorische Unruhe entwickeln. Goldberger beschreibt einenFall mit Sinnes- t/~uschungen vorwiegend religiSser F/irbung, bei einem Fall yon Ulrich und bei einem yon Kutzinski vergesellschafteten sich die akustisehen

Page 4: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtssei$iger Schlgfenlappenaffektion. 599

Halluzinationen mit Angst. Nach KroU klagen die Kranken fiber ver- schiedenste Gergusche und zwar fast immer doppelseitig, manchmal fiber T6ne, hohe oder niedrige, seltener fiber H6ron yon Worten. KroU meint, dal] gerade bei rechtsseitigen Sch]gfenjappenherden musikalisehe Ha~luzinationer~ hgufiger vorkommen. Eine Reihe yon Autoren legt Wert auf das vorwiegende Vorkommen yon Halluzinationen elemen- taren oder wenigstens ein:[achen Charakters; wit finden aber auch Schil- derungen recht komplexer HaUuzinationen und zwar auffallenderweise gerade wieder bei rechtsseitigen Schl~fenlappenaffektionen. So erwghnen Niessl yon Mayendor/ und Knapp den Fall, der Hunde yon seltener ausl~ndischer Rasse sah und schwarze M~nner an der Wand und preuBi- sche Kfirassiere in lebhaftem Reitergefecht und vorbeifahrende Wagen. Knapp und P/ei/er berichten fiber einen Fall, der Leute sah, die kommen, um ihn zu betrfigen und ihm alles forttragen. Derselbe Kranke h6rte nachts Leute und forderte seine Frau auf, ihn beim Suchen derselben mit dora Licht zu unterstfitzen. Er ffirchtete, ermordet zu werden und ffihlte, wie jemand ihm auf der Brust kniete.

Dann haben wiederum Knapp, ferner Hughlings Jackson und nach ihm Purves-Stewart (zit. nach Marburg), auBerdem Kutzinski und spgter Kolodny auf die Bedeutung yon Geruchshalluzinationen hingewiesen, die durch Reizung des Riechzentrums im Gyrus uncinatus zu erklgren seien. Stewart beschreibt als ,,uncinate fits" (Uncinatusanfglle) eine Verbindung yon ganz rohen Gesehmacks- und Geruchssensationen mit epileptisehen Anf~llen oder mit eigentfimlichen Traumzust~nden (sog. , ,dreamy states"), in denen der Kranke h6re, sehe und geordnete Be- wegungen mache, otme doch zu wissen, was er h6rt, sieht und vornimmt. Dabei sollen aueh motorische Erscheinungen yon Schmeck- und Schmatz- bewegungen des Mundes bei solchen Kranken zu beobachten sein, wghrend sie in einem sonderbaren Doppelbewu]3tsein alle Gegenstgnde irreal und welt entfernt und doch auch wieder merkwiirdig ver t raut empfinden. Artom sieht in diesen Zusti~nden nur eine besondere Form epfleptischer Aura.

Epileptische Anf~lle kommen bei Erkrankungen des Schl~fenlappens verhi~itnismi~Big hi~ufig vor und zwar meist yon Gesichts-, GehSrs-, Geruchs- oder Geschmacksaura begleitet. Auf ihre t t~ufigkeit besonders bei rechtsseitigen ScM~fenlappengeschwiilsten hat schon Astwazaturow hingewiesen. Knapp widersprach dieser Ansicht yon Astwazaturow, meinte aber, dab epileptische Anf~lle bei Sitz yon Tumoren an der Spitze des Schl~fenlappens/de vermiBt wiirden. Von Marburg wird diese Behauptung bestri t ten. Oppenheim ist auf Grund yon genauen statisti- schen Angaben Cushings der Ansicht, dai~ solche mit Geschmaeks- oder Geruehssensationen sich einleitende Anfglle sehr charakteristisch fiir den Sitz einer Neubildung im Schlgfenlappen sind.

DaB sieh im Zusammenhang mit der Epflepsie bei ScMgfenlappen- erkrankten psychische Ver~nderungen zeigen, n~mlich Wahnzust~nde,

39*

Page 5: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

600 Karl John: Zur Beurteflung psychischer Krankheitserscheinungen

D/~mmerzustAnde und VerwirrungszustAnde, ist nach Artom in der Literatur mehrfach beschrieben. So schflderten namentlich Knapp und P/ei/er. auch D/immerzust~nde, in denen die betreffenden Kranken Selbs~mordversuche ausffihrten. Andere Autoren beobachteten bei der- artigen EpfleptikerrL Charakterver/~nderungen im Sinne des epfleptischen Charakters oder des bis zur Demerrz gehenden geistigen Verfalls. Nach Artom sind das aber keine besonderen Kennzeichen fiir eine Epflepsie temporalen Ursprungs. Da bei der genuinen Epilepsie derartige Auren, wie ale oben angeffihrt wurden, seltener vorkommen als bei Verletzungen des Schl/~fenlappens und in diesen h/~ufiger als in anderen Hirnzonen, so anerkennt Artom solche Auren immerhin als bedeutendes diagnosti- sches Argument, wobei er die Bedeutung der Geh5rsaura derjenigen der fibrigen sensorischen Auren voranstellt. Dementsprechend beurteflt Artom auch die Bedeutung der sensorischen HaUuzinationen iiberhaupt und bezfiglieh der psyehischen Symptome ist er der l~berzeugung, dab deren besonderes Aussehen weniger durch die Lokalisierung im Schl/~fen- lappen als durch individuelle Faktoren (Heredit~t, Intoxikation) und sekund~re Hirnverletzungen bestimmt werde. Von den seiner An- schauung entgegenstehenden Ansichten anderer Autoren erwiihnt Artom die Behauptung Niessls von Mayendor/, dab Wahnzusti~nde besonders hAufig bei den Schl~fenlappentumoren seien und dab in der Genese dieser Zust~nde den sensorischen Halluzinationen ein besonderer Wer t zuzuschreiben sei. Niessl nehme das Vorhandensein sensorischer Projek- tionsfasern im Schl~fenlappen an, die Verletzung derselben wiirde durch Ver~nderung des subcorticalen perzeptiven Beziehungssystems die Wahn- ideen hervorrufen. Wi~hrend Stern auf Grund der Statistik solche Zu- sammenhAnge leugne, drficke sich Giannuli folgendermal3en aus: ,,Auf dem Schl~fenlappen befinden sich die symbolischen, akustischen Wort- zonen, die Rindenzonen des N. aeusticus, jene des Geschmacks und Geruchs: hier ist es vielleicht angebracht zu denken, dab die anatomischen .Verletzungen, die die eine oder die andere jener Zonen reizen oder zer- stSren kSnnen, in einem zweiten Zeitabschnitte eventuell Perzeptions- stSrungen und HaUuzinationen hervorrufen kSnnen, denen es gelingt, Wahnideen zu n~hren und eine Desorientierung in den Gedankenvor- stellungen hervorzurufen."

Unter den neueren VerSffentlichungen und Mitteilungen fiber psychi- sehe StSrungen bei Hirntumoren scheint mir hier besonders diejenige yon J. L. Meyers erwAhnenswert, der ausfiihrte, dab in Irrenanstalten nicht selten Psychosen beobachtet werden, bei denen man erst durch die Sektion feststelle, daI3 die geistige StSrung ihre Entstehung einem Hirntumor verdanke. Naeh Barulc gebe es bei solchen Fi~llen zwei Gruppen: bei der einen. 15se der allgemeine Hirndruck die psyehischen Symptome aus, die sich dann in allgemeiner psychischer Verlangsamung, in ])esorientierung, Demenz und ~hnlichem ~ul3ern, bei der anderen seien

Page 6: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtsseitiger Schl~fenlappen~ffektion. 601

aber bestimmte Hirnregionen ffir das Auftreten der psychischen Er- seheinungen verantwortlich zu machen. J. L. Meyers selbst gibt auf Grund seiner Erfahrungen der ~berzeugung Ausdruek, dab der Hirn- druck bei der Genese psychischer Symptome sicher nicht allein mafl- gebend sei, denn es seien ibm F~lle bekannt, in denen der Hirndruck einen erhebliehen Grad erreicht habe, ohne dal3 es zu psychischen StS- rungen gekommen sei. Psychosen bei Hirntumoren seien daher hack seiner Ansieht immer Ms Lokalerscheinungen eines bestimmten Hirn- tefls zu betrachten. Namentlich sei eine Sck~digung des Lobus temporalis, einerlei welcher Seite, hi~ufig verknfipft mit einer charakteristisehen GeistesstSrung. Diese ~uBere sick in Unf~higkeit, psychische Reize auf- zunekmen, und in einer Verlangsamung aller Denkprozesse.

Auf dem Badener Kongre~ der Siidwestdeutschen Neurologen und Psychiater sprach im vergangenen Jahr Bostr6m ebenfaJls fiber das Thema der psychischen Erseheinungen bei Hirntumoren und ihre Be- deutung ffir die Diagnose und LokMdiagnose. Nach ihm lassen sick die bei Hirntumoren vorkommenden psychischen Erscheinungen nach ihrer diagnostischen Verwertbarkeit in eine kontinuierliche Reihe orduen, an deren Anfang komplexe psychische Bflder zu stellen sind, die fiir die Diagnose Hirntumor bedeutungslos sind. Dann kommen die Ersehei- nungen allgemeinen Hirndrucks (Benommenheit, Verlangsamung), dann umschriebene Syndrome wie Demenz mit Merkverlust, PersSnlichkeits- ver~nderung, Witzelsucht, Akinese und andere nicht immer einheitliehe Bflder und zuletzt psychische Einzelsymptome, die diagnostisch leichter zu handhaben seien. Namentlich wies Bostr6m hier auf die grob organisch bedingten Halluzinationen hin. Abgeseken von den bekannten Sinnes- t~uschungen im hemianopischen Gesichtsfeld seien besonders die Geruchs- halluzinationen als Lokalsymptome des inneren Schl~fenlappens zu erw~hnen. Allerdings erkalten nach Bostr6m diese Reizerscheinungen den Charakter einer wemu auch relativ elementaren Sinnestiiuschung erst dadurch, da~ gleichzeitig eine leichte allgemeine psychische Altera- tion vorliege, zu deren Entstehung der Hirndruck offenbar schon geniige.

Besonders eingehend hat Marburg die Frage der Bewertung der psychischen Alterationen bei Geschwiilsten der Schl~fenlappen im Hand- buck der Neurologie des Ohres behandelt und dort ausgeffihrt, dab er abgesehen von Benommenheit, Somuolenz, Sopor und gelegentlich auf- tretender InteUigenzabschw~chung, also Symptomen, die auch sonst bei Hirntumoren vorkommen, und abgesehen von epfleptiseher Charakter- ver~nderung bei Hirntumoren namentlieh auch neurasthenische und hypochondrische Zust~nde und periodische Psychosen gesehen habe, die er yon Talcase habe untersuchen lassen und d~ habe sich gezeigt, daft bei solchen Kranken haupts~chlich Frontal- und Temporallappen befallen waren, also Gebiete, die man naeh Flechsig als Assoziationszentren bezeiehnet. Nun wisse man aber, dab aus dem temporalen Assoziations-

Page 7: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

60P. Karl John: Zur Beurteilung psyckischer I~rankheitserscheinungen

zentrum zwei haupts~chliche Fasersysteme stammen, n~mlich erstens das temporo-thalamisehe, das in engste Beziehung zum Striatum trete, d. h. zum Tonuszentrum und zweitens das temporo-pontine, das fiber das Kleinhirn eventuell gleichfalls mit dem Tonuszentrum Ffihlung habe. Marburg meint nun, da~ man in diesem System ein dynamisches erblieken sollte, das neben das kinetische der Pyramide und neben das tonische der temporo-thalamo-stris Balm trete. Wir hs also im Tempor~llappen nicht nur ein sensorisehes Zentrum zu erblicken, sondern aueh ein Zentrum, das auf dem angeffihrten Weg auch die Tonostatik und Dynamik beeinflusse. Die Erregungen, die das genannte Gebiet erhalte, wiirden offenbar von den ~kustisch-olfactorisch-gustatorischen und wohl aueh optischen Zentren stammem Da nun bei den genannten Psychosen vorwiegend die exogenen Fasern betroffen seien, d. h. das superradis Flechtwerk, so handle es sieh offenbar um eine StSrung in der l~bertragung yon Erregungen dor genannten Sph~ren auf die tonisch- dynamisehen Endzentren, die normalerweise durch jede Shmeserregung miterregt wfirden. Marburg erbliekt in diesem Mechanismus das Korrelat ffir den jede Empfindung begleitenden Geffihlston und meint, dab in den beiden Zentren vorwiegend Mechanismen vertreten seien, die der Affektivit~t dienen. Im Gegensatz zu Anglade, der ~hnliche Ansehau- ungen vertreten, aber gemeint habe, der Temporallappen sei als ein Zentrum der Manie, der Frontallappen als ein solches der Melaneholie anzusehen, erkl~rt Marburg, dal~ nach seiner Meinung Hemmung und Enthemmung in den beiden genannten Zentren die verschiedenen Stim- mungslagen hervorbringe, wobei diese Hemmung und Enthemmung auf ganz verschiedene Weise zustande kommen kSnne. Bei dieser Auf- fassung gewinne das, was fiber Psychosen bei Sehl~fenlappenaffektionen bekannt sei, eine ganz andere Bedeutung, und Marburg glaubt auch bei Durchsieht der in der Literatur fiber psychotische Erscheinungen bei Schl~fenlappenaffektionen beschriebenen l~lle die Best~tigung seiner Auffassung zu erkennen.

l~berblicken wir die in meinen bisherigen Ausffihrungen geschilderte historisehe Entwicklung der Beurteilung psychischer Erseheinungen bei ttirntumoren, spezieU bei deren Sitz im reehten Sehl~fenlappen bei Rechtsh~ndern, so bemerken wir jedenfalls deutlich, dab gerade in der neuesten Zeit wieder bedeutend mehr als in frfiheren Jahren die l~ber- zeugung yon der Lokalisierbarkeit psychischer Syndrome in bestimmte Hirngebiete an Geltung gewonnen hat. Als sieher erwiesen dfirfen wir freflich diese Ansehauung noch nicht betrachten und in jedem einzelnen zur Beobachtung kommenden, einschl~gigen Falle mfissen wir uns daher auch immer wieder vor allen Dingen eine Reihe kritischer Fragen vor- legen, die auch darin gipfeln, ob nicht etwa ein umsehriebenes psyehi- sehes Krankheitsbild nur eine zuf~llige Begleiterscheinung der bei

Page 8: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtsseitiger SeM~fenlappenaffektion. 603

dem betreffenden KrankerL vermuteten oder durch sonstige Symptome sicher gestellten Gehirngeschwulst ist oder ob etwa bei bestimmter psycho- pathischer Veranlagung die psychische Erkrankung nur durch den in Entwicklung begriffenen orgunischen GehirnprozeB erstmuls oder erneut munifestiert wurde (Redlich). Ferner ist zu iiberlegen, ob nicht all- gemeine toxische, durch Stoffwechselst6rungen, Fieber und /~hnliehes bedingte Vorg~nge die psychischei1 Symptome verursacht haben kfnnten. Sind wir aber fiberzeugt, dab bei einem bestimmten Fall auftretende psychische Symptome in direkten urs~chlichen Zusammenhang mit einem Hiratumor zu bringen sind, so mfissen wit auch noch daran den_ken, dab die diffusen St6rungea bei Hirntumoren mechanischer, physika- lischer und chemischer (toxischer) Herkunft sein k6naen, zumal doch zweifellos jeder Tumor seinen spezifischerL Eigenstoffwechsel hat, uad dab es yon tier Intensit~t dieser St6runger~ und ihrer sekundKren Lokali- sation, vor uHem abet auch yon der individueller~ Konstitution des Gehirns und seiner Teile abh~ngt, ob dieso St6rungerL oinfache oder kompliziertere Syr~drome hervorruferL (Sterling), die danrL eben als Allgemeinsymptome zu bewerterL w~ren. Nebon a~dereil ursiLchlichen Momentoa hat Reichardt (zit. nach Oppenheim) besonders die Hirn- schwellung fiir die Entstehung psychischer Symptomo verantwortlieh gemucht. Lewandowsky ffihrt einer~ Tell der Allgemeinsymptome speziell beim HirnabsceB wie z. B. BewuBtseinsstSrung und Kopfschmerz auf eine Vergiftung des Gehirns dutch die toxischen bzw. bakteriellen Stoffe des Abscesses und nicht auf den erh6hter~ Hirndruck zurfick. Stern (zit. nach Oppenheim) dagegen hat betoat, dab der Hirndruck zwar wahrscheinlich als notwer~dige Vorbedingung zu gelten habe, dab aber weder H6he noch Dauer der Drucksteigerung die Mannigfaltigkeit und Intensit~t der psychischen St6rungen erkl~ren, vielmehr der individue]le Faktor der Resistenzf~higkeit des Gehirns und endogerm Einfltisse hierbei yon weser~tlicher Bedeutung seien. Neuerdings erst wieder hat Gamper bei seiner Schilderung der vorbfldlichen Diugaostik Cushing8 auf die Wichtigkeit solcher (Jberlegungen hingewiesen und hervor- gehoben, dab die Symptomatologie der im Schs sich ent- wickeinden Neubildunger~ sich eber~ nicht in eine glatte Parallele setzen lasse mit dell viel konstanteren ortsspezifischen Erscheinungsbfldern bei lokalen Prozessen vaskul~rer, entziindiicher oder degenerativer Natur, da jede intrukranieUe Neubildung ein ,,biologisches Individuum yon eigengesetzlichem Verhalten" sei und durum gleicher Sitz und gleiche Gr6Be keinesfalls gleiche Symptome und gleiehen Verlauf bedeute. Dazu k~men noch die je nach dem Sitz und der Gr6Be der Geschwulst ver- schiedenea Beziehungen zum Ventrikelsystem mit ihren daraus sich ergebenden Riickwirkungen auf das Zentralorgan und iiberdies sei noch die individuell wechselnde Reaktionsart des jewefls betroffenen Gehirns in Rechnung zu setzen.

Page 9: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

604 Karl John: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinungen

Bei Berficksichtigung aller dieser Momente wird es freilich immer schwieriger und gewagter, psychische Krankheitserscheinungen bei bestimmten Gehirnaffektionen Ms einigermal3en sicheres Lokalsymptom zu bezeichnen und noch gewagter, solche psychischen Symptome lokal- diagnostisch verwerten zu ~vollen. Und doch bin ieh iiberzeugt, dal] wit dies tun diirfen und dal3 H. Berger recht hat mit seinem ablehnenden Standpunkt gegeniiber yon Mona~cow und seinen Anhi~ngern, die be- haupten, da~ zum Zustandekommen psychiseher StSrungen stets eine diffuse Schi~digung wohl der ganzen Hirnrinde nStig sei, w~hrend H. Berger iiberzeugt ist, dal~ psychische StSrungen auf Herderkrankungen in den von Flechsig beschriebenen drei grol~en ideagenen Zentren zuriick- zufiihren seien und in ihrer Symptomat ik nur jeweils nach der Lokali- sation in eiilem dieser Zentren differieren. Z u r Erliiuterung und als Beleg ffir seine diesbezfigliehen Anschauungen hat H. Berger eine Reihe interessanter Mitteilungen in seinen klinischen Beitr~gen zur Patho]ogie des GroBhirns verSffentlieht.

Je umstrit tener dieses Wissensgebiet noch ist, um so wichtiger und wertvoller ist meines Erachtens aber auch jeder einschl~gige kasuistisehe Beitrag und so mSchte ich im folgenden einen selbstbeobaehteten Fall einer rechtsseitigen Schl~fenlappenaffektion (otogener Absee~) beim Reehtsh~nder ausffihrlieh mitteilen und beschreiben, bei dem psychische Krankheitserseheinungen nach meiner ~berzeugung als zweifellose Lokal- symptome das Krankheitsbfld beherrsehten und erst nach mehrfachen operativen Eingriffen definitiv zum Sehwinden gebracht wurden. Ganz besonders interessant und darstellenswert erscheint mir dieser Fall besonders aueh deshalb, weft der Kranke nach endlichem Verschwinden der Psychose weitgehende Erinnerung an sein psychotisches Erleben hat te und dasselbe in allen Einzelheiten mit genauer Motivierung seines krankhaften Denkens und Handelns alsdann zu sehildern imstande war.

Ft. Z. aus H., geb. 1897, verheiratet, evangelisch, Hilfsarbeiter, stammt aus gesunder Familie und hat sich normal entwickelt. Mittelm~Biger Schiller. 1908 Entfernung der Rachenmandeln in der Tilbinger Ohrenklinik, da Z. infolge Ver- legung der Ohrtrompeten durch die Rachenmandeln schlecht hSrte. AnschlieBend angeblich vSllig gesund bis zur Einziehung zum Heeresdienst 1916. Bekam erst- reals in diesem Jahr infolge Erk~ltung bei einer Felddienstilbung eine akute rechts- seitige Mittelohrentziindung, daher Lazarettbehandlung. In den folgenden Jahren an der Front in Frankreieh noch zweimal an rechtsseitiger Mittelohrentziindung erkrankt, jedesmal im Lazarett bei konservativer Behandlung rasche Besserung der Beschwerden und AufhSren der Ohreiterung. Bei Kriegsende Entlassung aus dem Heeresdienst angeblich mit leichter Eiterabsonderung aus dem rechten Ohr, aber sonst beschwerdefrei. In den folgenden Jahren dauernd Ohrenlaufen rechts. 1922 Heirat, aus der Ehe eine gestmde Tochter. 1926 Operation durch Dr. Gr. in C. wegen Magengeschwilr. Juli 1927 plStzliches AufhSren der Ohreiterung, gleichzeitig Kopfsehmerzen, Sehwindelgefilhl, FrSstein, daher vom Ohrenarzt Dr. E. am 27.7.27 ins Krankenhaus aufgenommen und dort wegen akuten Rezidivs einer chronischen Otitis media rechts am 29.7.27 radikal operiert. Antrum war dureh Caries in eine haseinul]groBe HShle verwandelt, die Caries erstreckte sich

Page 10: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei reehtsseitiger Schlgfenlappenaffektion. 605

vor allem in der Richtung des Sporns. Plastik, Tamponade. In den folgenden Wochen normaler fieberfreier Heilungsverlauf. Am 27.8. 27 aus dem Kranken- haus in ambulante Behandlung entlassen. Ende September 1927 zu Hause wieder Schmerzen im rechten Ohr. Bei Untersuchung durch den Ohrenarzt s tarke Schmerzen in der rechten Schlgfengegend, ab und zu Schwindelgefiihl, kein Fieber. Wiederaufnahme ins Krankenhaus am 28.9. 27. l~eurologische Untersuchung ergab dama]s Hypotonie der unteren Extremit~ten, n o m a l e Reflexe, keine Ver- anderung am Augenhintergrund, bei Lumbalpunktion kein vermehrter Liquor- druck, l ~mk ta t steril. Wegcn Verdacht auf SchlgfenlappenabsceB rech~s am 24. 10. 27 Operation, Freflegung des rechten Schlgfenlappens. Dutch Punkt ion AbsceB festgestellt. Nach Entleerung desselben lgBt sich mit dem Ki l ianschen Speculum eine gut walnuBgroBe, gegen die Umgebung abgekapselte AbsceBh6hle ableuehten. Tamponade, trockener, steriler Verband. In den folgenden Tagen leichte Temperatursteigerung, Sensorium nicht ganz frei, zeitweise l~belkeit und Bangigkeitsgefiihl. ])ann fiebeffreier Heilungsverlauf, doch fiihlt sich Z. noch wochenlang mfide und schwach, hat zeitweise Anf~lle yon BewuBtseinstriibung mi t Herzangst. Neurologiseh besteht allgemeine Hyperreflexie, beiderseits Mydriasis bei prompter Pupillarreaktion auf Licht nnd Konvergenz und normalem Augen- hintergrund. P16tzlich am 20. 11.27 halluzinatorisehe Verwirrtheit und Erregnngs- zustand. Z. ist desorientiert, gngstlich, will alles zusammenschlagen, beruhigt sich aber nach einigen Stunden wieder. AuBer beiderseitiger Mydriasis nnd Klopf- empfindliehkeit der reehten Schgdelseite kein neurologischer Befund. Kein Fieber, Augenhintergrund normal. Am 24. 11.27 erneute Operation, die einen zweiten, naeh hinten oben yon der alten AbsceBh6hle gelegenen AbsceB im rechten Sehl~fen- lappen zutage f6rdert. Inhal t etwa 5 cem blutigserSser ~liissigkeit. Drainage. Trockener Verband. Darnach ist vom 26.11.27 ab das BewuBtsein des Z. klar, subjektives Befinden gut, Mydriasis zurfickgegangen, kein Fieber, Heilungsverlauf normal bis zum 13.12.27. Alsdann beginnen wieder leiehte St6rungen des All- gemeinbefindens, Z. klagt zeitweise fiber ,,kaltes Gefiihl" in der Nase beim Atmen und Bangigkeitsempfindungen, bleibt aber dabei psyehisch ruhig nnd unauffgllig. Am 21 .1 .28 wird rechts positiver Babinski festgesteUt. Am 28. 1.28 ist Patellar- und Aehillesreflex rechts lebhafter als links. Am 30. 1.28 wird beobaehtet, dab Z. das linke Bein beim Gehen nachzieht. Am 14. 2.28 t ra t wieder pl6tzlich ein gngstlicher Verwirrtheitszustand auf, in dem Z. naehts dureh das Abortfenster aus dem Krankenhaus entwich und nach Hause lief. Dort war er nach Angabe seiner Frau in den ngehsten Tagen wieder ruhiger. Als Grund ffir seine Entweichung aus dem Krankenhaus habe er die Angst vor einer neuen Operation bezeichnet. In der Folgezeit sei er aber auffallend traurig verst immt geworden, wfiJarend er doch friiher in gesunden Zeiten immer ein fr6hlieher, freundlicher nnd sehr gut- miitiger und braver Menseh gewesen sei. Je tz t babe er immer yon Selbstmord gesprochen, sei auch einmal yon Hause weggelaufen und einige Zeit spgter ganz durchngBt heimgekommen und habe gestanden, dab er sich yon der Bahn habe tiberfahren lassen wotlen. E r habe dann immer den Wahn gehabt, die Leute und Kinder auf der StraBe wtirden ihn auslachen. Anfallsweise in ganz verschiedenen Zwisehenrgumen seien solche Verstimmnngen aufgetreten. Naehts habe er einmal pl6tzlieh seine Frau mit der Axt ersehlagen wollen. Ein andermal habe er erzghlt , dab es in seinem Kopf immer krache, und h~ufig habe er den Kopf geschfittelt, weil er alas Geftihl babe, es miiBte sich Flfissigkeit darin bewegen. Dann babe er Anf~Ue yon BewuBtseinstrfibung bekommen, die jedesmal mit Brechreiz nnd fiblem Geschmack im Munde begonnen hgt ten und dann in Tobsucht ausarteten, in der er alles zerschlagen und zerrissen habe. Nach einem derartigen Tobsuchts- anfaU, in dem Z. zu Hause zum Fenster hinausspringen wollte, wurde er am 5. 4. 28 in die Heilanstalt Christophsbad eingeliefert. Er wurde yon seiner F rau in Begleitung eines Krankenpflegers im Sanitgtsauto gebracht, war bei der Auf-

Page 11: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

606 Karl John: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinungen

nahme ~ngstlich erregt und schrie, man wolle ihn totschieBen, man solle ihm doch nichts tun. In der Nacht schlief er t rotz Verabreiehung einer Hyoscininjektion nur 11/2 Stunden, darm lief er wieder in ~ngstlicher Unruhe stereotyp jammernd und grimmassierend im unruhigen Wachsaal herum, war vOllig unanspreehbar und verhielt sich gegen jeden Zuspruch angstlich ablehnend. Als ein anderer Kranker sich ihm n~hem wollte, ging Z. ungebardig auf denselben los und wollte itm verpriigeln. Auch am ganzen folgenden Tag hielt die angstliche U n r t ~ e und Erregung des Kranken an, der sich auch gegen jede Explorat ion vSllig abletmend verhielt und sich verzweifelt wehrte, als der Arzt ihn kSrperlich untersuchen wollte. Ers t am drit ten Tag nachmittags wurde Z. etwas zuganglicher und erzahlte dann dem Arzt mit l~chelnder Miene, aber dabei immer noch in deutlich ~,ngstlichem Affekt yon einem Bein auf das andere hfipfcnd, seine Frau sei heute hier gekSpft worden, er habe gesehen, wie man sie drauBen auf dem Gang fortgeschleppt babe. Ntm sei sein P~ule erlOst. ])ann bat er flehentlich, man mSge ibm doch sein Augen- l ieht lassen, damit er wenSgstens sehe, wen e r v o r sich habe. I)ie Schutzmannschaft sei schon da lind er, der letzte SproB der Familie Z., gehe himmelan. AuBer ihm lebe yon den Seinigen niemand mehr, alle seien umgebracht. Naeh langerem gtitlichen Zureden beruhigte er sich einigermaBen trod machte dann einige ganz geordnete Angaben darfiber, w a n n e r geboren sei und dab man ihm mi t 10 Jahren in Tfibingen die Mandeln herausgesctmitten habe, daB ,,beim KommiB" die Ohren zu laufen angefangen hatten. I)er , ,Hauptmann" habe ihm hineingesehen und gesagt, wenn es nicht besser werde, mfisse man aufmachen. Naeh 6 Wochen sei es abet wieder gut geworden. In den letzten Monaten sei er dann im Krankenhaus mehrfach operiert worden, seither sei sein Gedachtnis so sehleeht geworden, er wisse gar nicht mehr, welches I )a tum man je tz t schreibe, er wisse nur, dab das J a h r 1928 sei. ])ann ring er wieder an zu jammern, man solle ihm doch sein Augen- lieht lassen, seine letzte Stunde habe geschla~en, das sahe er den Leuten an, die alle so herumstKnden. I)abei blickte er miBtrauisch um sich und verfolgte angst- lich alle Vorgi~nge in seiner Umgebung. Soweit Z. die kSrperliche Untersuchung zulieB, konnte festgestellt werden, dab er hinter dem rechten Ohr eine mulden- fSrmig eingezogene, vSllig verheilte, reizlose breite Operationsnarbe hatte. An den t t i rnnerven konnte keine deutliche StSrung festgestellt werden. Die rechte Pupille war etwas weiter als die linke und schien oval n~ch innen verzogen, beide Pupillen reagierten aber prompt auf Lichteinfall mad Konvergenz. Lmagen mad Herz boten keinen pathologischen Befmad. I)ie Reflextat igkeit war allgemein etwas gesteigert, doch waren die Reflexe an den Ext remi ta ten seitengleich; pathologische Reflexe fehlten. Die KSrpertemperatur war 37,4. Allmahlich klang in den folgenden Tagen die angstliche Erregmag des Z. ab, er wurde still mad lag mutist isch und in kataton anmutender Gespanntheit im Bert. PlStzlich am 11.4. 28 stieg die KSrpertem- peratur auf 40,2, ohne dab im fibrigen im kSrperlichen trod psychischen Befund eine J/mderung festgestellt werden komate. Ebenso plStzlich sank am folgenden Tag die Temperatur wieder zur Norm herab. I)er H a m war dauernd frci yon EiweiB mad Zucker. I)er Augenhintergrund normal. In den n~chsten Tagen war Z. deutlich psyehisch freier, wurde in den ruhigen Wachsaal verlegt, war nun auch 5rtlich mad zeitlich orientiert mad verbrachte einige Stmaden im Tag au{3er- halb des Bettes mad am Nachmit tag sogar im Garten. Am 25.4. 28 wollte er im Garten den Besuch seiner Frau erwarten; als diese nicht kam, sprang Z. plStzlich in einem mabewachten Moment fiber den Gartenzama mad lief so schnell er komate in den nahen FluB, aus dem er aber yon einem Angestellten der Heilanstal t sofort wieder herausgeholt wurde. In die Wachabteilung zurfickgebracht lag er damn wieder tagelang sehr gespannt im Bert, war gereizt und vers t immt mad schien zu halluzinieren. Hie und da auBerte er dem Pflegepersonal gegenfiber Verfolgungs- und Beziehungsideen, meinte, der ganze Saal sei gegen llm eingestellt, die anderen Kranken spr~chen fiber ihn, seine Frau wolle nichts mehr von ihm wissen, es ware

Page 12: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtssei t iger Sehl~fenlappenaffektion. 607

das Beste, er w~re tot . I n der Folgezeit wechselten Tage, a n denen er f reundl ich u n d zufrieden u n d zug~nglieh war, mi t solchen, an denen wieder ein ~ngst l ich mi•trauisehes u n d ~uBerst gespanntes , zuweilen auch negat ivis t iseh ab lehnendes Verha l ten bei Z. zu beobach ten war. Subjekt iv klagte er n u r i m m e r fiber Kopf- schmerzen u n d Schlaflosigkeit. Die Tempera tu r war n o m a l , der Augenbin te r - grund, mehr fach yore Ophthalmologe~ nachgeprfift , war ebenfalls n o m a l . Mitre Augus t 1928 verschl immer te sich auf einmal wieder der Zus t and des K r a n k e n , er ~ul3erte wieder v e r m e h r t ~ngst l iche Beffirehtungen, meinte, seine F r a u betrfige Jim, m a n wolle i lm vergiften, zeitweise war er w wie bei seiner Einl ieferung in die Ans ta l t s tunden lang hal luzinator isch ~ngstlich erregt und verwirr t . A m 20. 8. 28 bekam er pl6tzl ich wieder einen Fieberanst ieg bis 39,5, ldagte dabe i Schmerzen auf der rech ten Sch~delseite, besonders h in ter dem rechten Ohr, am A b e n d fiel die Tempera tu r wieder kr i t i sch nahezu zur Norm ab. Da n u n auch der zuge- zogene Ot ia te r den Verdach t auf Bestehen eines neuen rechtssei t igen Schl~fen- lappenabscesses ffir begrf indet hielt , wurde Z. am 23. 8 .28 wiederum im Kranken - haus yon Dr. E. operiert , wobei sich ta ts~chl ich im rechten Schl~fenlappen wieder ein gro0er, eyst iseh abgeschlossener, mi t diinnfliissigem, grfinlichem Ei t e r geffillter Abscel3 feststel len und ent leeren lie~. Tamponade. Verband. Z. f ibers tand auch diesen Eingriff sehr gut, h a t t e aber in den ersten 8 Tagen nach der Opera t ion noeh etwas Fieber bis m ax i m a l 39,0, dann sank die Tempera tu r al lm~hlich zur Norm ab. Aus der Operat ionswunde, die sehr gu t granulierte, ent leer te sich abe r noch wochenlang reichlieh eitriges Sekret, bis schlielMich die E i t e rung sis t ier te und auch die le tz te kleine Fis te l6ffnung h in te r dem rechten Ohr sich schlolL A m 20. 9 .28 durf te Z. ers tmals wieder aufstehen. I n der ersten Zeit nach der Opera t ion h a t t e Z. noeh zeitweise Beeintr~cht igungsideen und ~ngstliche Beff i rehtungen in dem Sinne, seiner F r a u kSunte etwas zugestol3en sein, doch verhie l t er sich ~uBer- lich ruhig und aueh diese l e tz ten psyehischen Krankhei t serscheinungen schwanden vollends im Laufe des Sep tember 1928 und mehr und mehr stell te sich bei Z. n u n vSllige Krankhe i t se ins ich t ein, in seinem ganzen Wesen wurde er zusehends freier u n d aufgesehlossener, die S t immung hob sieh und die Einstel lung zu seiner Um- gebung, wie auch zu .~rzten u n d Pflegepemonal wurde schlieBlich vo l lkommen natf i rhch, f reundl ich und ungezwungen. Bei einer eingehenden U n t e m u e h u n g a m 22. 11 .28 maeh te mir Z. daun fiber seine Er innerung a n sein psyehot isches Er leben e twa folgende Angaben : Zwisehen der 2. und 3. Operat ion, die er durch- gemacht habe, also zwischen 24. 10. und 24. l l . 27 seien pl6tzl ich eines Tages so viele Bilder vor seinen Augen erschienen, dab ihm ganz angst und bang geworden sei. E r habe Riesen, Elefanten , Wiirmer und Schlangen durche inander spr ingen und kriechen sehen und alle seien auf ihn losgegangen. Dabei babe es in seinem Kopf gekracht , dab er gemein t habe, es werde geschossen; d r u m habe er fu rch t - bare Angst bekommen und i m m e r sehreien mfissen. Aul3erdem habe er Sehwefel in den Augen gehab t u n d infolge davon alle Menschen feuerrot gesehen. Es habe aueh deut l ich n a c h Schwefel gerochen. E r habe das Gefiihl gehabt , als ob ihm im Sch~del etwas gepla tz t u n d das Rf ickenmark hinuntergelaufen sei. D a n n babe er gemeint , alle Leute mfil3ten wegen ihm sterben, weft alle so ro t u n d sehweflig ausgesehen h~t ten , u n d es in seinem Kopf immer so gekraeht habe. Als er d a n n wieder operier t gewesen sei, sei es eine Zeit lang besser gewesen, aber nach einigen Wochen seien die Zust~nde wieder gekommen. Da habe er zun~ehst Schwindel- anf~lle m i t fu rch tba re r Herzbangigke i t bekommen. E r habe diese oft vorher geffihlt, weil er d a n n solch ein kaltes, s teehendes Gefiihl in der Nase bekommen babe, wie wenn einem _~ther oder Sa lmiak die •ase hinaufsteige. Sp~ter sei d a n n auch das Krachen im Kopf wieder gekommen und zuletzt habe er auch wieder solehe Bilder m i t seinen , ,Schwefelaugen" gesehen, so dal3 er darfiber in der Angs t u n d Aufregung ganz den Vers t and ver loren habe. Da habe er dann eines Tages gesehen, wie seine F r a u u n d sein K i n d yon einer Steinwalze zusammengefahren wurden,

Page 13: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

608 Kar l John : Zur Beurtei lung psychischer K_rankheitserseheinungen

und habe drum gemeint, sie seien umgebrach t worden. E r babe auch gemeint , alle Leute seien gegen ihn und seine AngehSrigen und Freunde und seinetwegen wiirden alle mit Sehwefel v e r b r a n n t und miiBten s terben, da babe er schlielllieh gar n i eh t mehr gewugt, wo er f iberhaupt gewesen sei, und habe alles mfgl iche zerrissen und zu Hause Fensterseheiben eingesehlagen, u m sich gegen die Bilder zu wehren, die er gesehen babe. N achdem er dann in die Ans ta l t ve rb raeh t worden sei, habe er geglaubt, n u n werde aueh er hingerichtet , und babe jeden Augenbl ick darauf gewartet , dab m a n i tm hole u n d ersehieBe, da er in seinem Kopf immer wieder lautes Krachen und Sehie~en gehOrt babe. Als i tm d a n n sp/~ter seine .An. gehSrigen wieder besucht und dar i iber aufgekl~rt h~t ten , wo er sich bef inde und datl i hnen kein Leid geschehen sei, habe er sich wieder bertrhigt; da er aber doch immer wieder you Zeit zu Zeit schreekliehe Bilder gesehen habe, an die er sich im einzelnen jetzt gar n ieh t mehr e r innern k f n n e u n d z. B. 5fter gemein t babe, das Haus brenne, weil er alles feurig gesehen und heft iges Krachen gehSr t habe, sei er wieder verwirr t und ~ngstlich geworden und in e inem solehen Zus t and sei er d a n n auch, wie er wolff wisse, e inmal aus dem Ans ta l t sga r t en davongelaufen und ins Wasser gesprungen. E r s t n a c h der le tz ten Opera t ion im Augus t 1928 habe er die , ,Schwefelaugen" verloren mad sei ther sehe er die Mensehen wieder weiB, aber er empfinde immer noeh ein Wii tden im Hin te rkopf und h6re ein lautes Kraehen , dab er meine, das miiBten alle Leute in seiner Umgebung aueh hSren. Manchmal drfieke es im Kopf naeh yo re und mache ihm ,,schwere Augen" , dann bli tze es in den Augen, aber das sei j e tz t gar n ich ts mehr gegen friiher. J e t z t k6nne er sich auch wehren gegen die jmmer wieder au f t auchenden d u m m e n Gedanken und besonders, wenn er morgens aufwache u n d aufstehe, d a n n sei es ihm gewShn- lich eine Stunde lang ganz leieht im Kopf. AUm~hlich stelle sieh dann abe t wieder der Druek und der , ,Hemmsehuh im D e n k e n und Wol len" ein und besonders wenn er eine Zeit lang gelesen habe, sehe er auf e inmal Kreise und Funken . ] ) a n n wisse er, dab es Zeit sei, sieh wieder niederzulegen und auszuruhen. Zeitweise habe er auch noeh Schwindelgefiihl besonders beim Biieken. Sein Ged~ehtnis sei j e tz t wieder viel besser geworden, aber vieles aus den le tz ten Monaten sei ibm doeh vo l tkommen en~sehwunden. ])as wisse er aber noeh genau, dab er lange Zei t infolge der groflen Angst gar n ich t mehr babe leben wollen. J e t z t sei seine 8 t i m m u n g besser, aber er fiirehte immer noch, sein Ohr werde doeh noch e inmal sein fr i iher Tod sein. Auch habe er Angst , dab m a n ihn vielleicht noeh e inmal operieren miisse, weil aus seinem reehten Ohr immer noch soleh iibelrieehendes Zeug herauskomme. Rech ts hSre er n icht einmal mehr d i rek t a m Ohr lau t gesprochene Worte , llnl~s dagegen hSre er gut. Der Geruchs- und Gesehmackss inn sei je tz t wieder ganz in Ordnung und das Ekelgefiihl, das er lange Zeit gehab t habe, sei je tz t wieder ganz versehwunden. Manchmal babe er wohl noch das Geffihl einer , ,kalten, schwereu Zunge" .

Bei der kSrperliehen Unte r suehung des Z. a m 22. 11.28 war die rechte Sch~del- seite noch etwas klopfempfindlich. W e b e r wu.rde nach reehts lateralisiert , Rinn6 war reehts negativ, ]inlzs positiv, das HSrverm6gen war reehts gleieh Null, linlcs wurde Fli isterspraehe auf 8 m gehSrt. H i n t e r dem reeh ten Ollr war ein groBer Knochendefek t mi t fr ischem I~arbengewebe iiberh/~utet, die Narbe muldenfSrmig ver t ie f t und eingezogen. Aus dem rech ten GehSrgang ent leer te sich noch reichlich i ibelr ieehender Eiter. An den Augen lieB sich keinerlei StSrung naehweisen, aueh der Augenhin te rgrund war beiderseits regelrecht, das Sehve rmfgen normal , keine Gesichtsfeldeinschr/~nkung. H i rnne rven o. B. AuffaUend war neurologisch n u r noeh eine allgemeine Herabse tzung des Tonus an den oberen u n d un t e r en Ext re - mi t~ten , dabei erhebliche Hyperreflexie, abe r n i rgends Klonuserscheinungen. Keine Pyramidensymptome, keine Ataxie , keine Motiliti~ts- oder Sensibilit/~ts- s tSrungen waren vorhanden. Der B lu td ruck be t rug 80/140 m m Hg. Ur inbe fund war regelrecht. Wasse rmann in Blur u n d Liquor negat iv .

Page 14: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtsseitiger Schl~fenlappenaffektion. 609

In den folgenden Monaten trat eine weitere Besserung im kSrperlichen und psychischen Zustand des Z. ein, die Eiterabsonderung aus dem rechten Ohr h6rte allmghlich voUends auf, der Kranke erholte sich zusehends und wurde auch all- mghlich etwas leistungsf~higer. Am 23. 7.29 holten ihn drum seine Angeh6rigen nach Hause ab. Ich hatte inzwischen Gelegenheit, den Kranken Z. noch einige Mal ambulant nachzuuntersuchen und dabei festzustellen, dab Z. seither v611ig frei yon ausgesprochenen psychischen St6rungen geblieben, dal3 er aber infolge l~eigung zu Kopfweh, rascher Ermiidbarkeit, sowie zu Herzklopfen und Bangig- keit nach geringer k6rperlicher Anstrengung und infolge ghnlicher allgemeiner k6rperlich-nerv6ser St6rungen noch nicht arbeitsfghig geworden ist.

DaB das psychische Krankheitsbfld, welches Z. bei seiner Einlieferung in die Heflanstal t am 5 . 4 . 2 8 d~rgeboten hat, zungchst fiir eine ament ia- art ige Psychose gehalten wurde, kann nicht wundernehmen, s tand damals ja doch in geradezu typischer Weise im Vordergrund der Erscheinungen die halluzinatorisch bedingte Verwirrtheit des Kranken, eine deutlich erschwerte Verarbei tung der guBeren Eindriicke bei v611iger Desorien- t iertheit , sowie ein ~ngstlicher Affekt bei motorischer Unruhe, also Symptome, wie sie bei Ersch6pflmgspsychosen ja hgufig beschrieben wurden. An eine solche Ersch6pfungspsychose bei dem Kranken Z. zu denken, lag auch u m so mehr nahe, als die Angeh6rigen des Kranken damals bei Einlieferung zun~chst nur ziemlich summarisch berichtet bat ten, Z. habe in den letzten Monaten mehrere Ohr- und Sch~del- operationen durchgemach t , die ihn sehr mi tgenommen h~t ten und er habe seit November 1927 nun schon mehrfach leichtere Verwirrtheits- zustgnde gehabt, die sich aber bisher meist bald wieder gebessert h~tten. Die Beurteflung des ~ Falles Z. gnderte sich aber bald, als im Verlauf der weiteren Beobaehtung desselben in der Heilanstalt mehr und mehr ausgesprochen ka t a t on anmutende Symptome wie Paramimie , auBer- ordentliche Gespannthei t mi t autistischer Absperrung, Negat ivismus, Mutazismus und nach nahezu symptomfreien IntervaUen dann immer wieder groBe Reizbarkei t mi t scheinbar unmotivierten Affektausbri iehen und ~hnliche Erscheinungen beobachtet wurden und zahlreiche Hallu- zinationen auf verschiedenen Sinnesgebieten sowie Beziehungs- und Wahnideen bci dem K r a n k e n nachgewiesen werden konnten, so dab es das Naheliegendst~ war, an das Vorliegen eines schizophrenen Zustands- bildes zu denken. Tatss wurde auch diese Diagnose bei Z. in den ersten Monaten seines Anstal tsaufenthaltes fiir richtig gehalten, m a n dachte sich den Zusammenhang so, dab die i iberstandene organische Gehirnerkrankung vielleicht den AnstoB zur Manifestierung einer bis dahin la tenten Schizophrenie gegeben babe, bis im August 1928 ein plStzlicher hoher Fieberanstieg, wie ihn Z. auch a m 1 1 . 4 . 2 8 gehab t hat te , yon heftigen Schmerzen auf der rechten Sch~delseite begleitet war und den Verdacht auf einen nun also zum zweiten Mal rezidivierten SchlgfenlappenabsceB hinlonkte. Die am 23. 8.28 vorgenommene Ope- rat ion best~tigte diese Annahme und das Erstaunliehste fiir sgmtliche Beobachter des seitherigen Krankheitsverlaufs bei Z. war nun in der

Page 15: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

610 Karl John: Zur Beurr psychischer Krankheitserscheinungen

Folgezeit die Tatsache, dab ziemlich unmittelbar im Anschlul3 an die operative Beseitigung des Schliifenlappenabscesses auch sofort eine auf- fallende Besserung und bald auch ein nahezu restloses Verschwinden der psychotischen Erscheinungen sick vollzog. Das his dahin ftir eine Schizophrenic gehaltene Krankheitsbfld bei Z. entpuppte sick also als reine symptomatische Psychose, die ganz unzweifelhaft mit dem rechts- seitigen Schl~fenlappenabseeft in direktem ursachlichem Zusammenhang stand. Rfickblickend auf den ganzen frtiheren Krankheitsverlauf liel3 sick nun allerdings nacktri~glieh an Hand der eingeholten Krankenakten des Krankenhauses fiber den Fall Z. in Verbindung mit den anamnesti- schen Angaben von dessen Angehkrigen ein vkllig anderes Bfld fiber die Entwicklung der psychischen Symptome gewinnen und dabei fest- stellen, da$ der erste Schl/~fenlappenabsce$, de rnu r in ziemlich geringer Ausdehnung im unteren Tefl des rechten Schl~fenlappens sick gebfldet hatte, neck gar keine psychisehen Begleiterscheiaungen verursacht hatte. Erst als nach dessert operativer Beseitigung ein zweiter Schl/~fenlappen- abseeB welter nach hinten und oben ira rechten Schliffenlappen in den n/~chsten Wochen sick entwickelte, traten allm/ihl4ch aueh psy- chische Symptome in Erseheinung und /~uSerten sick zun/~chst in an- fallsweise auftretenden Bewul3tseinstrfibungen mit Herzangst, wiihrend am 20. 11.27 erstmals bei Z. ein halluzinatorischer Verwirrtheits- und Erregungszustand yon einigen Stunden Dauer im Krankenhaus beob- achtet w u r d c . Nachdem auch dieser zweite Schl/~fenlappenabsceB am 24. 11.27 operativ entlecrt worden war, war Z. wieder vollkommen klar und frei yon psychischen Stkrungen, his am 13.12.27 erstmals wieder eine kurze BewuStseinstriibung mit olfactorischer Aura und nachfolgender Herzbangigkeit auftrat. Da Z. am 14. 2.28 in einem i~ngstlichen Verwirrtheitszustand aus dem Krankenhause entwich und yon seinen Angeh6rigen zu Hause behalten wurde, cntzog er sick 1eider fiir die Folgezeit der /~rztlichcn Beobachtung. Nach der nachtr~tgliehen Schflderung seiner Angeh6rigen bet er abet zu Hause dauernd psychische Stkrungen dar, die anfangs in depressiver Verstimmung mit Selbstmord- tendenzen sick i~uSerten, an welche sick paranoide Vorstellungen, Beein- trachtigungs- u n d Beziehungsideen anschlossen. Dann bericktete Z. seinen Angeh5rigen abet auch damals schon fiber elementare Gehkrs- ti~usehungen,, die bei ibm gewkhnlieh dann anfallsartig auftretende Bewul3tseinsst6rungen einleiteten. Da solche Stkrungen mit tier Zeit immer h/~ufiger und intensiver auftraten und sich bis zu tobsficktiger Erregung steigertcn , erfolgt e schlie61ich die Einlieferung des Z. in die Heilanst~lt, we alsdarm das oben geschflderte amentia- bzw. schizophrenie- artige Zustandsbfld monatelang in wechselnd starker Auspri~gung an- dauerte. In dieser chronologisch geordneten Aufeinanderfolge, wie ich sic retrospektiv hier neck einmal kurz rekapituliert babe, zeigen freflieh die bei Z. zutag e getretenen psychischen Krankheitserscheinungen ohne

Page 16: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtsseitiger Schl~fenlappenaffektion. 611

weiteres ein vSllig anderes Gepri~ge als bei einer Schizophrenie und unver- kennbar ist bei dieser Betrachtungsweise deren Eigenart als Begleit- symptome des organischen Hirnprozesses, die sich besserten, wenn der AbseeB im reehten Schli~fentappen operativ angegangen war, und wieder sich verschlimmerten, wenn ein neuer AbseeB sich bildete.

Fiir die weitere Frage, ob diese psychischen Krankheitserscheinungen bei der Schl~fenlappenaffektion des Z. als Allgemein- oder als lokale Herderseheinungen aufzufassen sind, ist zun~chst die Feststellung yon Wiehtigkeit, dab bei Z. niemals Zeichen yon Stauungspapille oder Neuritis optica und auch bei der mehrfach ausgefiihrten Lumbalpunktion hie erhShter Liquordruck oder sonstige Liquorver~nderungen sich haben linden lassen und dab nur zweimal w~hrend der 5 Monate langen Beob- aehtungszeit in der Heilanstalt, solange die psychotischen Erscheinungen im Vordergrund des Krankheitsbfldes standen, kurzdauernde Temperatur- steigerungen nachweisbar waren. Trotzdem w~re natiirlich nicht yon der Hand zu weisen, dab die psychischen Erscheinungen bei Z. durch bestimmte Einflfisse einer etwa yon dem AbsceB im rechten Schl~fen- lappen ausgehenden toxischen Sch~digung der gesamten Hirnrinde zustande gekommen sein kSnnten. Dieser Armahme scheint mir aber mit einer einzigartigen Beweiskraft die Selbstschflderung des Z. zu wider- sprechen, die er iiber seine w~hrend der Krankheit erlebten sensorischen H~lluzinationen, die wahnhafte Verarbeitung derselben und seine daraus sich ergebende affektive Reaktionsweise gegeben hat, und die ieh datum m5glichst genau nach den Angaben des Z. ausfiihrlich darzustellen reich bemiiht habe. Wi~re die gesamte Hirnrinde des Z. durch den organischen ProzeB in seinem rechten Schl~fenlappen in erheblicherem MaBe in Mit- leidensehaft gezogen gewesen, so ws es ibm meines Eraehtens nicht mSglich gewesen, so viel kritisches Erinnerungsmaterial gerade aus der Zeit des HShepunkts seiner psychotischen Erlebnisse in seinem Gehirn aufzuspeichern und nun in geradezu frappanter ~bereinstimmung mit den yon seiner jeweiligen Umgebung beobachteten Phasen seiner Er- krankung in plastischer Schilderung wiederzugeben., Dabei mSchte ich ausdrfieklieh betonen, dab Z. ein ganz einfacher, eher unter dem Durch- sehnitt geistig veranlagter, keineswegs phantasiebegabter Mensch ist, bei dem der Einwand, seine Schilderungen seien ein nachtr~glich yon film konstruiertes Phantasieprodukt, unbedingt abzulehnen w~re. Die Schilderungen des Kranken Z. sind auch keineswegs durch eine eingehende Exploration mit dem Ziel der Erforschung der entsprechenden Zusammen- h~nge ihm entlockt worden, sondern sie erfolgten ganz spontan bei einer gelegentliehen I~aehpriifung seines augenblicklichen Gesundheitszu- standes. Die Kls der Zusammenh~nge yon organischem ProzeB im rechten Schl~fenlappen mit dem Auftreten yon sensorischen Hallu- zinationen und yon Wahnideen fiihrt uns vielmehr auf das schwierige Gebiet der Entstehung der Halluzinationen iiberh~upt und namentlich

Page 17: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

612 Karl John: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinungen

der durch Reizung zentrsler Sinnesgebiete bedingten Sirmest/~uschungen, das ja noch auBerordentlich umstritten ist. Ich beabsichtige darum such nicht, auf diese Probleme n/~her hier einzugehen und verweise auf die diesbeziiglichen zusammenfassenden Dsrstellungen yon Kahlbaum, Kraepelin, H. Berger und anderen namhaften Autoren.

Ich bin iiberzeugt, dal~ die sensorischen Halluzinstionen als Herd- erscheinungen des Schl/~fenlappens aufzufassen sind und glaube, mit der Mitteflung des Fslles Z. einen weiteren Beweis fiir die Richtigkeit dieser Auffassung erbracht zu haben, zumal bei Z. die Hslluzinstionen gerade in den von den meisten Autoren als Lokslerseheinungen des Schl/~fenlappens anerkannten Formen elementsrer und komplexer GehSrs- und Gesichtst/~uschungen u~d such in der Form yon Uneinstussnf/~llen in Erseheinung traten und weft sic alsbsld verschwsnden, sowie der sic verursachende AbsceB im Sehl/ifenlappen beseitigt war, w/~hrend sic sich andererseits wieder einstellten, sls ein neuer AbsceB yon entsprechender Ausdehnung und Lokalisation sich gebfldet hatte. Wir miissen wolff annehmen, dal~ diese sensorischen Halluzinstionen durch bestimmte, suf die Sinneszentren und die zu ihnen fiihrenden Bshnen susge/ibte Reize zuriickzuffihren sind und dab darum in erster Linie elementare Sirmest~uschungen das Produkt derartiger Reizerscheinungen sind, w/~hrend zum Zustsndekommen komplexer Sinnest/~uschungen sicher schon die Mitwirkung der entsprechenden Engrammfelder in der Hirn- rinde, wenn nicht der gsnzen Hirnrinde vorausgesetzt werden muB. W/~ren sUein die vom AbsceB susgehenden toxischen und /~hnlichen Reize ffir die Entstehung solcher Hslluzinstionen msBgebend, So mfiBte wohl jeder AbsceB im Schl/ifenlsppen sofort sensorische HsUuzinationen hervorrufen. DaB dies sber nicht der Fall ist, zeigte uns der erste bei Z. festgesteUte und operativ entfernte Schl/ifenlsppensbsceB, der keinerlei Symptome dieser Art erzeugt hatte. Wir wissen dss, wie ich im ersten Tell meiner Arbeit schon berichtet hsbe, such sus den Erfshrungen Knapps, der susdr/icklich hervorhob, dab selbst riesige Abscesse im rechten Sehl/ifenlappen vSllig symptomlos verlsufen kSnnen. ]~brigens hat Fauser sehr richtig das relstiv h/~ufige Fehlen yon Sinnest/~uschungen bei Gehirnerkrsnkungen dsdurch erkl~rt, dab der ProzeB nicht zu Reizungs-, sondern zu L~hmungserscheinungen auf dem betreffenden Sinnesgebiet f/ihre und dab diffuse Erkrankungen unter Umst/~nden such suf den assoziativen Tefl der Sinneswahrnehmung in Form yon Hemmung einwirken kSrmten. Vielleicht h~ngt die Versehiedenheit in der Symptomerzeugung bei Schl/~fenlsppensffektionen, speziell bei Abscessen, zum Tefl such mit der srteriellen Blutversorgung des Schl/~fen- lsppens zusammen, wissen wir doch, dab die hinteren und vorderen oberen Abschnitte des Schl/ifenlsppens vom 4. und 5. Hauptsst der aus der Carotis interns stsmmenden Arteris fossse Sylvii versorgt werden, w/~hrend den unteren Abschnitten des Schl/~fenlappens die aus

Page 18: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

bei rechtsseitiger Schl~fenlappenaffektion. 618

der Basf larar ter ie hervorgegangene Arter ia cerebri poster ior das B l u t zulei tet .

Ob m a n in der Genese der bei Sehlafenlappenaffekt ionen beobaeh- t e t e n Wahngebf lde der K r a n k e n den sensorischen H a l l u z i n a t i o n e n e inen besonderen Wer t zuschre iben darf, wie dies Niessl von Mayendor / ge t an ha t u n d wie auch Giannuli a n z u n e h m e n geneigt ist, ist noeh n i c h t erwiesen. W e n n es dem psychia t r i schen Denken im a l lgemeinen auch widerspr icht , W a h n i d e e n y o n K r a n k e n aus vo r ha nde ne n S innes t au - s ehungen abzule i ten , so ist meines E rach t ens ein solcher Z u s a m m e n h a n g zwischen H a l l u z i n a t i o n e n u n d W a h n i d e e n gerade bei den grob organisch bed ing t en HaUuz ina t ionen , wie wir sie im Fa l l Z. beobaeh te ten , doch n i ch t ganz y o n der H a n d zu weisen. E twas au~erordent l ich Bes t r iekendes h a b e n aber die geis tvol len Gedankengange Marburgs a n sich, w e n n er die spezielle Ges ta l tung der psyehischen Krankhe i t s e r sche inungen bei Sch la fen lappenaf fek t ionen aus der Ts eines im T e m p o r a l l a p p e n lokal is ier ten, mi t den sensorischen Zen t r en in Z u s a m m e n h a n g s t e he nde n d y n a m i s c h e n Z e n t r u m s zu e rk la ren sucht. W e n n wir uns in dieser H ins i ch t auch zunaehs t noch auf dem Boden eines , ,Non l ique t " bef inden , so s ind wir doch durch die wissenschaft l ichen Forschungen gerade der l e t z t v e r g a n g e n e n J ah re aueh in der K e n n t n i s yon der a n a t o m i s c h e n S t r u k t u r u n d psycho-physio logischen F u n k t i o n des reeh ten Schlafen- l appens be im R e c h t s h a n d e r e in gutes St/ick vorwar ts gekommen, u n d schon j e tz t k a n n d a r u m auch der rechte Schlafenlappen gewil~ n i ch t mehr mi t Rech t als s t u m m e s Gebiet bezeichnet werden.

Literaturverzeiehnis.

1 Artom, Gustavo: Die Tumoren des Schl~fenlappens. Arch. f.Psychiatr. 69, 47--242 (1923). -- 2 Astwazaturow, M.: (Jber Epilepsie bei Tumoren des Schl~fen- lappens. Mschr. Psychiatr. 29, 342--354 (1911). -- s Baruk, Henri: Les troubles mentaux dans les tumeurs c~r~brales. Paris: Gaston Doin & Co. 1926. Ref. Zbl. Neur. 45, 587/588. -- 4 J3erger, Hans: Klinische Beitr~ge zur Pathologie des Grol3hirns. I. Mitt. : Herderkrankungen der Pr~frontalregion. Arch. f. Psychiatr. 69, 1--46 (1923). -- b Berger, Hans: Klinische Beitr~ge zur Pathologie des GroBhirns. I I I . Mitt. : Herderkrankungen des Occipitallappens. Arch. f. Psychiatr. 69, 569--599 (1923). -- e Borda, J. T.: Sobre un caso de tumor cerebral (glioma del lobulo temporal derecho). Arch. Psychiatr. y Crim. 12, 125. Ref. Z. l~eur. 7, 735 (1913). -- 7 BostrSm, A.: Psychische Erscheinungen bei Himtumoren trod ihre Bedeutung fiir Diagnose und Lokaldiagnose. Arch. f. Psychiatr. 88, 805/806 (1929). -- s Brunner, Hans: Der otogene Schl~felappenabsceB. Im Handbuch der Neurologie des Ohres yon Alexander, Marburg u. Brunner, Bd. 2, 2. Tell, S. 1323--1426. Berlin: Urban u. Schwarzenberg 1929. -- 9 Cordes, Franziska: Manieartige Geistes- st6rung bci Hirntnmor. Z. Neur. Orig. 15, 205/216 (1913). -- 10 Fauser, August: Aus der Psychologie der Sinnest~uschungen. Arch. f. Psychiatr. 49, H. 1 (1911). -- 11 Gamper, Eduard: Die intrakraniellen Neubfldungen. Fortschr. Neur. 2, H. 5 (1930). -- 12 Gast, Erich: Zur Lehre yon den Schl~fenlappentumoren. Inaug.- Diss. Kiel 1912. -- la Goldberger, Camillo: Eine Geschwulst im rechten Temporal- lappen des Gehirns. Orv. Hetil. (ung.) 1908, Nr 16, Beil. Ref. Jber. Neut. 12, 519. -- 14 Horrax, Gilbert: Visual hallucinations as a cerebral localizing phenomen.

Z. f. d. g . N e u t . u. P s y c h . 127. 4 0

Page 19: Zur Beurteilung psychischer Krankheitserscheinuugen bei rechtsseitiger Schläfenlappenaffektion

614 Karl John: Zur Beurteilung psychischer Krankhei tserscheinungen usw.

wi th especial reference to their occurrence in tumors of the temporal lobes. Arch. Z. Neur. 10, Nr 5, 532--547 (1923). Ref. Zbl. Neur. 36, 82. - - 15 Kahlbaum, Karl Ludwig: Die Shmesdelirien. Allg. Z. Psychiatr . 23, 1--86 (1866). - - 18 Kanzler, Fritz: ~ b e r eiaen Fall yon Tumor cerebri im rechten Temporallappen mit optisch-akustisehen Reizerscheinungen und Halluzinationen. Inaug.-Diss. Kiel 1925. - - 17 Kaplan, L.: ~ b e r psyehische Erscheinungen bei einem Fall yon Tumor des Schl~fenlappens. Allg. Z. Psychiatr . 54, H. 6, 957--978 (1898). - - 18 Knapp, Albert: Die Gesehwfilste des rechten und linken Schl~fenlappens. Wiesbaden: J . F. Bergmann 1905. - - 19 Knapp, Albert: Die Tumoren des Schl~fenlappens. Z. Neur. Orig. 42, 226--289 (1918). - - ~0 Kolodny, Anatole: The symptomatology of tumours of the temporal lobe. Brain 51, 385--417 (1928). Ref. Zbl. Neur. 52, H. 7/8, 475/476. - - ~1 Kraepelin, Emil: Lehrbueh der Psychiatrie, Bd. 1. Allg. Psyehiatr . 8. Aufl. Leipzig: Joh. Ambr. Bar th 1909. - - ~ KroU, M.: Die neuro- pathologisehen Syndrome. Berlin: Julius Springer 1929. - - ~a Kutzinski, Arnold: (~ber Geruchshalluzinationen. Med. Klin. 1912, I t . 10, 394--399. - - ~4 Lewan- dowsky, M.: Der HirnabsceB. Lewandowskys Handbuch der Neurologie, Bd. 3. Spez. I~eurologie II, S. 199--228. Berlin: Julius Springer 1912. - - 25 Marburg, Otto: Die Tumoren der Sehl/ifelappen. Handbuch der Neurologie des Ohres yon Alexander, Marburg u. Brunner, Bd. 2, 2. Teil, S. 1869--1914. Berlin: Urban u. Schwarzenberg 1929. - - ~e Meyers, J. L.: Mental disturbances in tumor of the brain, California IVied. 89, 240--244 (1929). Ref. Zbl. Neur. 53, H. 14, 838. - - 27 Mingazzini, G.: Neue klinische und anatomo-pathologische Studien fiber Hirngesehwiilste und Abscesse. Arch. f. Psychiatr . 47, 1028--1162 (1910). - - ~s M6nkem6Uer, O. u. L. Kaplan: Symptomat ischer Korsakoff und Rfickenmarks- erkrankung bei Hirntumor. Allg. Z. Psychiatr . 56, I t . 5, 706 f. (1899). - - ~9 M6rsch, F. P,: Psychic manifestations in cases of brain tumors. Amer. J . Psychiatr . 4, Nr 4, 705--724 (1925). Ref. Zbl. Neur. 41, 887/888. - - a0 yon Niessl-Mayendor/, E.: Ein Beitrag zur Symptomatologie der Tumoren des rechten vorderen Schl/~fen. lappens. Jb. Psychiatr . 26, 13--30 (1905). - - al Oppenheim, H.: Die Geschwfilste des Gehirns. In iVothnagels Spezielle Pathologie u~d Therapie, Bd. 9, Teil 2. Wien: Alfred Holder 1902. - - 82 Oppenheim, H. : Lehrbuch der Nervenkrankhei ten, 7. Aufl. Berlin: S. Karger 1923. - - aa P/ei/er, Berthold: Psychische St6rungen bei Hirn- tumoren. Arch. f. Psychiatr . 47, 558--738 (1910). - - a4 Redlich, Emil: ~ b e r die Pathogenese der psychischen StSrungen bei Hirntumoren. Jb. Psychiatr . 31, 207--221 (1910). - - a5 Redlich, Emil: Der Hirntumor. In Lewandowskys Handbuch der I~eurologie, Bd. 3. Spezielle Neurologie II , S. 547-- 642. Berlin : Julius Springer 1912. - - as Schuster, Paul: Psychische StSrungen bei t t i rn tumoren . S tu t tgar t : Ferd inand Enke 1902. - - s7 Schwab, O.: Zur Diagnose der rechtsseitigen Sehl/~fen- lappentumoren. Arch. f. Psychiatr . 77, 658--659 (1926). - - as Singelmann, Otto: l~ber einen Fall yon Tumor cerebri im rechten Schl~fenlappen. Inaug.-Diss. Kiel 1919. - - s9 Sterling, W.: l~ber die psychischen StSrungen bei Hirn tumoren. Z. Neur, Orig. 12, 147--280 (1912). - - 4o Ulrich, A.: ~ b e r einen Tumor im rechten Temporalhirn. I)tsch. Z. Nervenheilk. 40, H. 1, 1--23 (1910). - - 44 Wartenberg, R.: ~berraschungen und Fehldiagnosen bei Tumorsymptomen. Arch. f. Psyehiatr . 88, 807--810 (1929).