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(Aus dem kant. S~tuglingsheim Ziirich. -- Vorstand: Prof. Bernheim-Karrer.) Zur Prophylaxe des Icterus neonatorum gravis. Von J. Bernheim-Karrer und M. Grob. (Eingega~en am 31. Dezember 1930.) Uber die Ursache des Ic~erus neonatorum gravis der Neugeborenen sind .wir noch ungeniigend unterrichtet. Immerhin hat die Annahme, dab es sich dabei um die Vergiftung des kindlichen Blutes dureh miitter- liche Stoffwechselprodukte handelt, die grS•te WahrscheiIflichkeit ffir sick. IIffolgedessen hat man zur Prophylaxe alle jene Verfuhren emp- fohlen, welche zur Zeit bei den Schwangerschaftstoxikosen fiblich sind. Ihre Erfolge sind aber sehr problematisch. Wir selbst haben daher in einem einschl~igigen Fall -- es handelte sieh um die Mutter zweier im Zfircher Sauglingsheim an Icterus gravis verstorbener Knaben, fiber welche a. a. O. berichtet worden ist -- bei einer erneuten Schwanger- schaft auf den Vorschlag yon ProL Walthard die Schwangere in den letzten 10 Wochen tiglich 100 g gekochte Leber essen lassen. Unseres Wissens ist dieses Verfahren bisher noch nicht empfohlen worden. Die Frau gebar hierauf am Ende einer mit Ausnahme einer leiehten Thrombophlebitis normal abgelaufenen Schwangerschaft einen 50 cm langen und 3520 g schweren Knaben. Vater und Kind hatten Blut- gruppe iI, die Mutter Blutgruppe I. Das Neugeborene wies am 2. und 3. Tag eine geringe Gelbf~rbung der Haut auf, welche am 5. Tag wieder verschwunden war. Blutstatus am 2. Tug: 100% Hb. und 5700000 Rote. Leichte Anisocytose und Polychromasie. Vitalgranulierte: 2,5 %. WeifSes Blutbild o.B. Der Knabe erhielt in den ersten 5 Lebenstagen keine Milch, sondern nur Vichywasser mit 6% ~utromalt. Er zeigte infolgedessen voriibergehend (}deme, entwickelte sich aber in der Folge gut. Da bekanntlich in Icterus gravis-Familien vor und nach Er- krankungsf/illen Ikterus-freie Kinder geboren werden kSnnen, die Erstgeborenen bleiben dabei, wie aueh in unserer ]3eobachtung, nicht selten verschont, so ist dig Beurteilung unseres Falles eine unsichere. Post hoc braucht hier nicht propter hoc zu sein. Da die MSglichkeit, das Verfahren wiederholt zu prfifen, bei der Seltenheit des Icterus gravis sich dem einzelnen aber nur selten bietet, so suchten wir dem Problem auf einem anderen Wege beizukommen und legten uns die Frage vor,

Zur Prophylaxe des Icterus neonatorum gravis

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(Aus dem kant. S~tuglingsheim Ziirich. - - Vorstand: Prof. Bernheim-Karrer.)

Zur Prophylaxe des Icterus neonatorum gravis. Von

J. Bernheim-Karrer und M. Grob.

(Eingega~en am 31. Dezember 1930.)

Uber die Ursache des Ic~erus neonatorum gravis der Neugeborenen sind .wir noch ungeniigend unterrichtet. Immerh in ha t die Annahme, dab es sich dabei um die Vergiftung des kindlichen Blutes dureh miitter- liche Stoffwechselprodukte handelt, die grS•te WahrscheiIflichkeit ffir sick. IIffolgedessen ha t man zur Prophylaxe alle jene Verfuhren emp- fohlen, welche zur Zeit bei den Schwangerschaftstoxikosen fiblich sind. Ihre Erfolge sind aber sehr problematisch. Wir selbst haben daher in einem einschl~igigen Fall - - es handelte sieh um die Mutter zweier im Zfircher Sauglingsheim an Icterus gravis verstorbener Knaben, fiber welche a. a. O. berichtet worden ist - - bei einer erneuten Schwanger- schaft auf den Vorschlag yon ProL Walthard die Schwangere in den letzten 10 Wochen t igl ich 100 g gekochte Leber essen lassen. Unseres Wissens ist dieses Verfahren bisher noch nicht empfohlen worden.

Die Frau gebar hierauf am Ende einer mit Ausnahme einer leiehten Thrombophlebit is normal abgelaufenen Schwangerschaft einen 50 cm langen und 3520 g schweren Knaben. Vater und Kind hat ten Blut- gruppe i I , die Mutter Blutgruppe I. Das Neugeborene wies am 2. und 3. Tag eine geringe Gelbf~rbung der H a u t auf, welche am 5. Tag wieder verschwunden war. Blutstatus am 2. Tug: 100% Hb. und 5700000 Rote. Leichte Anisocytose und Polychromasie. Vitalgranulierte: 2,5 %. WeifSes Blutbild o .B . Der Knabe erhielt in den ersten 5 Lebenstagen keine Milch, sondern nur Vichywasser mit 6% ~u t romal t . Er zeigte infolgedessen voriibergehend (}deme, entwickelte sich aber in der Folge gut.

Da bekanntlich in Icterus gravis -Fami l ien vor und nach Er- krankungsf/illen Ik te rus - f r e i e Kinder geboren werden kSnnen, die Erstgeborenen bleiben dabei, wie aueh in unserer ]3eobachtung, nicht selten verschont, so ist dig Beurteilung unseres Falles eine unsichere. Post hoc braucht hier nicht propter hoc zu sein. Da die MSglichkeit, das Verfahren wiederholt zu prfifen, bei der Seltenheit des Icterus gravis sich dem einzelnen aber nur selten bietet, so suchten wir dem Problem auf einem anderen Wege beizukommen und legten uns die Frage vor,

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ob durch die Leberdarreichung in der Schwangersehaft sieh nicht aueh der Icterus neonatorum simplex verhfiten bzw. abschwhchen lasse.

Durch das Entgegenkommen yon ]-Ierrn Prof. Walthard wurde es m6glich, den Versuch bei 22 Hausschwangeren der Ziircher Frauen- klinik durehzuffihren.

Es wurde dabei die Leber nur anKmisehen Schwangeren verordnet. ~Ian nahm an, dab sie leichter gegessen werde, wen sie mit der Begriin- dung, sie k6nne gegen ihre Blutarmut yon Nutzen sein, gereicht werde. Trotzdem eine Schwester darfiber wachen muBte, daI~ die vorgesetzte Portion auch wirklich gegessen werde, kam es aber doeh vor, -- wir wer- den bei der Besprechung der ]~rgebnisse darauf zuriickkommen -- , dab die gekocht oder gebraten zubereitete Leber widerwiIlig und in- folgedessen unregelm/s und nicht in der vorgeschriebenen Menge ver- zehrt wurde. Wir beabsichtigten, die Leber, gleiehwie wi res er oben er- w/ihnten Schwangeren geraten hatten, die letzten 10 Schwangerschafts- wochen durch essen zu lassen. Dies ]ieB sich aber aus ~uBeren Griinden nicht durchfiihren, und so schwankte die ,,Leberperiode" zwischen 13 und 85 Tagen. L~nger als 4 Woehen aBen die Leber. 17 Schwangere.

Da die Leber die Anaemia perniciosaformis gra~ridarum giinstig beeinflul3t, und aueh bei sekund/s An/s gute Resultate gesehen worden sind, so durfte man damit reehnen, dal3 sieh eine Zunahme des Hb. ergeben werde. Dies t ra t in der Ta t mit nut 3 Ausnahmen ein. Immerhin betrug die stiirkste Zunahme nur 7%. Allein es handelte sieh mit einer Ausnahme (35% Hb.), welcher Fall aueh Eisen und Arsen erhielt und sieh nicht besserte, um ganz leichte AnKmien zwischen 55 und 66% /70. (Sahli).

Da naeh Zenart Isoagglutinationsvorgitnge zwisehen miitterlichem und kindliehem Blur den Ieterus neonatorum bedingen sollen, so wurde in jedem Falle die miitterliehe und kindliehe Blutgruppe bestimmt. Es wurde ferner auf die Geburtsdauer naeh dem Blasensprung und auf den Zustand des Kindes nach der Geburt geachtet. Bekanntlich ffihren Schwartz und seine Mitarbeiter den Ieterus neonatorum auf die geburts- traumatisehen Blutungen zurfick. Obgleieh wir dieser Auffassung mit anderen nicht beistimmen k6nnen, wollen wit doch ausdrficldich hervor- heben, dal~ siimtliehe Kinder mit Ausnahme der einzigen Friihgeburt lebensfriseh geboren wurden. Jeden Tag wurde ferner die I-Iaut auf Gelbfi~rbung untersucht und evtl. die Brugschsche Ferricyankaliprobe zu ]-Iilfe genommen. Jeweilen am 3. Tag wurde endlich noeh ein Blur- status erhoben, wobei die roten und weiBen BlutkSrperehen ausgezi~hlt, das weiBe Blutbild differenziert und die Zahlen der vitalgranulierten festgestellt wurden.

Da der Haut ikterus je nach der Genauigkeit, mR weleher darauf geaehtet wird, beim Neugeborenen mehr oder weniger h~ufig gefunden

Zeitschrift fiir Klnderheflkunde. 50. 45

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worden ist, so ha t der eine y o n uns (M. Grob), um ein Vergleichs- material zu erhalten, bei 800 ~eugeborenen der Ziireher Frauenklinik nieht nur die Hs sondern auch diejenige der versehiedenen Ikterusgrade festgestellt. Wi t untersoheiden dabei 0, Spur, I , I I und I I I . Werm auch die Grenzen etwas wfllkfirlich gezogen sind, so diirften sie zwisehen 0 und Spur einerseits und Ik terus I, I I und I I I anderer- seits doeh geniigend scharf sein, zumal, wie dies auch Ylpp6 hervor- hebt, wenn das Auge durch die vielen Festsfellungen f/ir die Unter- schiede gesch~rft worden ist. Tab. 1 zeigt nun die Verhaltnisse bei den Kontrollf~llen, Tab. 2 bei den Kindern der Lebermfitter.

Tabelle 1. Tabelle 2. 0 . . . . . . . 179 22,4 % 0 . . . . . . 7 30,4 % Spur . . . . 70 8,7 % Spur . . . . 6 26,1%

I . . . . . 314 39,3 % I . . . . . 6 26,1% I I . . . . . 165 20,6% I I . . . . . 3 13,0%

I I I . . . . . 72 9,0% I I I . . . . . 1 4,0 %

Es zeigten demnach 31,1% keinen oder nur spurweiseu Ikterus , w~hrend 68,9% eine deutliche Gelbfs aufwiesen. Vonden Kindern der , ,Lebermiit ter" dagegen hat ten, wie die Tab. 2 lehrt, 56,5% keinen oder nut spurweisen Ik terus und 43,1% einen deutlichen Ikterus. Dazu ist noch zu bemerken, dab der einzige Fall mi t Ik terus I I I das Kind einer Frau betrifft, welche die Leber unregelmaf~ig und w~hrend der letzten 14 Tage vor der Geburt i iberhaupt nicht mehr a{~.

U n t e r den 23 , ,Leberkindern" - - das Kind aus der Icterus gravis- Familie ist dabei mitgez~ihlt - - befinden sieh 2 Fri ihgeburten mi t je 2360 und 1980 g. Unter den Kontrol lkindern dagegen keine unter 2000 g. Da kleinere Friihgeburten relativ h~tufig st~irkere Grade yon ]kterus zeigen, so ist die grSBere Zahl ikterischer Neugeborener bei den Kontrollf~llen jedenfalls nicht durch einen grSl~eren Prozentsatz yon Friihgeburten vorget~uscht.

Dutch die Leber wurde demnach das Verhdltnis zwischen ikterus/reien bzw. sl~urweise Gelb/drbung au/weisenden und deutlich ikterischen Neu- geborenen nahezu ins Gegenteil umgekehrt.

~Jber den Mechanismus der Lebertherapie bei der perniziSsen An~mie besteht bekanntlich noch keine einheitliche Auffassung. Der Hypothese, dab es sich dabei um minderwertige Ery throeyten handle, welehen mi t der Leber das fehlende Aufbaumater ial geliefert werde, steht die andere gegenfiber, die der Leber eine die Hyperfunkt ion des reticulo-endo- thelialen Systems hemmende Wirkung zuschreibt. Sieher ist jederdalls, daf~ die Hyperbil irubin~mie auf Leberzufuhr p rompt zuriickgeht, um bei Unterbrechung ebenso p rompt ~deder anzusteigen. (Jungmann.)

Da nach den Feststellungen von Ylpp6, Ada Hirsch und neuerdings yon Mitchell, Haselhorst und Trautvetter die HShe des Bilirubinspiegels

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im Nabelschnur- bzw. Neugeborenenblut der Starke des Haut ikterus in der Regel parallel geht, so dfirfen wir annehmen, dab die Leberdiat der Miitter einen/ihnlichen Einflul~ auf die I-I/imolyse der Neugeborenen- blutk(irperehen und damit auf die Bilirubinamie ausiibt wie die Leber- therapie bei der perniziSsen An/s sei es, daf~ sie, wie Jungmann an- nimmt, zu einer verminderten BlutzerstSrung fiihrt, d .h . zu einer Hemmung der hamolytischen Funktion des reticulo-endothelialen Systems, sei es, dal~ den roten BlutkSrperchen durch die Leber, wie es Minor und Murphy haben wollen, und wie es auch Morawitz, Singer u .a . annehmen, ein Prinzip zugeftihrt wird, das sie gegeniiber der gesteigerten Hamolyse widerstandsfiihiger macht. Wie steht es nun damit beim Neugeborenen ? :DaB es sieh beim Ikterus neonatorum ebenfalls um einen hamolytischen Ikterus handelt, steht heute lest. Ob dabei aber eine Minderwertigkeit der Ery throcyten im Spiele ist, hat sieh bisher nicht sicher entscheiden lassen. Man hat zur Beant- wortung dieser Frage die osmotische Resistenz gegenfiber hypotonischen KochsalzlSsungen geprtift. Merkwiirdigerweise stimmen aber die Er- gebnisse der verschiedenen Untersucher keineswegs iiberein. So hat z.B. Pollitzer bald normald, bald erhShte oder verminderte Resistenz gefunden. Andere Autoren, wie Gorter, fanden keine wesentlichen Ab- weichungen, Neuberger wiederum teils normale, teils herabgesetzte Resistenz, Mitchell bei 15 :Neugeborenen nur 2 mit herabgesetzter Resistenz, Hornung mit der Methode yon Simmel geradezu eine erh6hte Resistenz. :Naeh der Ansicht yon de .Lange und Arntzenius widerlegen die genannten Ergebnisse jedoch keineswegs die hamolytisehe Natur des Icterus neonatorum. Sie meinen, da die jungen Formen der roten BlutkSrperchen eine grSl~ere Resistenz als die alteren besitzen, so kSnne man dann eine erhShte Resistenz finden, wenn viele /iltere verniehtet worden sind. Goldbloom und Gottlieb dagegen, welche in 20 Fallen das Neugeborenenblut und in 39 das Nabelsehnurblut untersuchten und durchwegs eine verminderte Resistenz fanden, halten die jugendlichen kernhaltigen oder vitalgranulierten Zellen fiir die weniger resistenten, weil sie in den KochsalzlSsungen zuerst verschwinden und im nicht hi~molysierten Teil nur noch sp~rlich nachzuweisen seien. In Anbetraeht dieser Unstimmigkeiten hielten wires nicht ffir iiberflfissig, die Resistenz der Ery throeyten des Neugeborenenblutes gegeniiber KochsalzlSsungen nochmals einer Priifung zu unterziehen. Wir beniitzten dazu die Rivi~resche Methode und untersuchten teils das Nabelschnurblut, tells dasjenige am 1. bis 3. Lebenstag.

Es zeigten dabei Hgimolyse bei 0,42 % 2% der F~lle 0,44% 2% ,, ,, 0,48% 12% . . . . 0,50% 42% . . . .

0,52% 24% der F/~lle 0,54% 13% ,, ,, 0,58% 2% . . . . 0,60% und mehr 3%

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96% wieseu demnach eine herabgesetzte Resistenz au/. ]3ei einem Teil der Kinder handelte es sich um Frfihgeburten, wobei der Erw/~hnung wer~ ist, dal~ sich die st/~rkste Herabsetzung bei einigen ganz kleinen l%fihgeburten vorfand. Unsere Untersuchungen fiihren uns demnach ~u einer Bes~i~tigung der Befunde yon Goldbloom und Gottlieb, welche ferner darauf hinweisen, dab ungef/ihr nach einer Woehe die l~esistenz wieder normale Werte zeigt, was auf den Zusammenhang des Ikterus mit der Resistenzverminderung und seine h/~molytische Iffatur hindeute. Wit kSnnen diese Angaben ebenfalls best~tigen, immerhin stieBen wir doch vereinzelt dabei noch auf erhShte Werte bis 0,50%. Dal~ die Resistenzverminderung gegeniiber hypotoIfischen KochsalzlSsungen tat- sRchlich zu tt~molyse fiihrt, suchten die genannten 2 Autoren durch Zihlungen der Ery throcy ten des mit Oxalat versetzten Nabelsehnur- blutes nach 24-, 48stiindigem und, l~ngerem Stehenlassen zu beweisen: W~hrend nun im Erwachsenenblu~ keine Verminderung eintrat, fanden sieh z .B . naeh 72 Stunden nur noch 300000 und nach 90 Stunden 0 gegeniiber 6450000 Ery throcyten im Beginn.

Naeh Mitchell ist die Ursaehe dieser Hi~molyse jedoch nicht die verminderte Resistenz der NeugeborenenblutkSrperchen -- er fand sie, wie sehon erwitmt, normal - - , sondern eine im miitterliehen Serum vorhandene Substanz, welehe die Ery throeyten des Kindes im Reagens- glasversuch aufzulSsen vermag, Allerdings gelang ihm der Naehweis nut etwa bei der H~lfte von 33 darauf untersuchten ikterischen Neu- geborenen und im ~abelsehnurblut nur bei 22%, was nicht da~iir spricht, da~ dieser , ,Substanz" die Hauptrolle zukommt. Wir selbst haben das /~abelsehnurblut yon 31 Neugeborenen in der Weise auf H~molyse untersucht, dab wir es zuniehst mit Glasperlen defibri- nierten, dann zentrifugierten und das Serum abpipet~ierten. Dieses wurde hierauf in kleine, spitz auslaufende Reagensglis abgeffillt und der Boden derselben mit den roten Blutkfrperehen iiberdeekt. Mit Ausnahme yon 5 Fgllen war das Serum dabei zun~ehst gelb gef/s bei jenen t ra t sofort H/imolyse auf. Nach 24stiindigem Stehen zeigten 42% der Rfhrchen H~molyse, nach 48stiindigem ~8% new.

Wodureh es nun zu dem starken Zerfall der roten BlutkSrperehen des Neugeborenen kommt, ist dutch alle diese Versuche aber keineswegs gekl~trt. Naeh der geistreich konzipierten Hypothese Lenarts sollen Isoagglutinationsprozesse zwischen miitterlichem und kindliehem Blur ihn ausl6sen. Da der eine von uIm in einer eigenen Arbeit auf diese Frage eingehen wird, begniigen wir uns hier mit der Bemerkung, dab schon aus der Untersuchung Lenarts hervorgeht, dab die Heterospezifit/~t und namentlich die Agglutinophilie nicht ausschlaggebend sein kann, da homo. und heterospezifisehe Gravidit~tten ungefiihr gleich h/iufig vorkommen und die agg]u~in0philen Schwangerschaften sogar nut

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etwa ein Drittel ausmachen. Bei den 23 Kindern unserer , ,Lebermiitter" lag 12mal eine homo- und l lmM eine heterospezifische Gravidit~t vor und 5real eine agglutinophile.

Schon vor Jahren haben Stdiubli und Ziegelrot und neuerdings wieder Goldbloom und Gottlieb darauf hingewiesen, dab die Polyglobulie, mi t weleher das Neugeborene zur Welt kommt, ihre Ursaehe in der indirekten Sauerstoffversorgung des l%tus in utero hat. Es liegt auf der Hand, dab infolgedessen dem Knochenmark eine nicht nur relativ, sondern aueh absolut grSBere Arbeit zugemutet wird, als nach der Geburt. Es ist welter verstandlich, wenn es, um ihr nachzukommen, auch un- reife Elemente in die Blutbahn wirft. Die Polychromatophilie, die Anisoeytose, die vitalgranulierten Ery throcyten werden allgemein in diesem Sinne gedeutet. DaB aber auch die fragilit6 globulaire als ein Zeiehen einer gesteigerten Knochenmarkst/~tigkeit anzusehe'n ist und mit den eben genannten Blutver~nderungen auf eine Stufe zu stellen ist, wird yon Carri~ vertreten. Elle (d. h. die fragilitd globulaire) est le rdsultat du surmdnage mddullaire. -- In dieser Hinsicht ist es viel- leieht der Erw~hnung weft, dab bei einigen kleinen Friihgeburten die Resistenz am st~rksten herabgesetzt war. Die ~)beranstrcngung des h~matopoetisehen Apparates ist um so grSBer, je unentwickelter er ist~ und dementspreehend findet man auch (naeh Sey]arth und Ji~rgens) bei ]~rfihgeburten besonders hohe Zahlen yon vitalgranulierten roten Blutzellen.

Wenn Bi~ngeler und Schwartz andererseits bei ~chwergeburten namentlich zaMreiche unreife Elemente im Nabelsehnurblut gefunden haben und dies auf die Resorption yon durch das Geburtstrauma aus- gelSsten Extravasaten yon Blur und EiweiBmassen zurtiekffihren, so mSchten wir demgegenfiber die Frage aufwerfen, ob nicht vielmehr die dureh die Sehwergeburt verschlechterte Sauerstoffversorgung des ~etus den Knochenmarksreiz abgegeben hat ? Ob aber die verminderte Resistenz der fetalen roten Blutk6rperchen allein geniigt, um die Hyper- bilirubinamie des l~eugeborenen bzw. den erhShten ]3Iutzerfall aus- zul6sen oder ob dabei noeh eine t typerfunkt ion des retieulo-endothelialen Systems im Spiele ist, wie es Quater, Raphallces und Kaganowi~ch haben wollen, kann heute nicht entschieden werden.

Da das rote Blutk6rperchen des Xeugeborenen einen h6heren l{~moglobingehalt aufweist als spgter (Bgrner), so bedingt die H~mo- ]yse zu dieser Zeit eine entsprechend h6here Bilirubin~mie. Jedenfalls mSehten wir die fetale HyperbilirubinSmie nieht wie E. Volhard als eine rein hepatogene auffassen und auf die gew6hnliehe Blutmauserung zuriiekffihren. Dagegen spricht schon, dab yon Ylpp6 bei Neugeborenen gr6Bere Gallenfarbstoffmengen im Stuhl geflmden worden sind als bei einigen Woehen alten S~uglingen. DaB pr&natal als aueh postnatal

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die Ausseheidungsfiihigkeit bzw. Unfi~higkeit der Leber ebenfalls eine Rolle spielen muB, soll dabei nieht iibersehen werden. Zum mindesten ist sie eine relative, dem vermehrten Angebot nicht gewachsene. Dafiir aber, dab sie allein, wie E. Volhard anzunehmen geneigt ist, ffir das Fehlen oder Auftreten des Ikterus aussehlaggebend sein soil, liegen his je tz t keine hinreichenden Beweise vor. Die Ylpp6schen Untersuchungen sprechen durchaus nicht eindeutig in diesem Silme und sind auch nicht ausgedehnt genug.

Wie aber soll man nun sich die Einwirkung der Leberdii~t der Miitter auf die genannten zum Ikterus ffihrenden Vorg~nge vorstellen ~. DaB sie ohne EinfluB auf die Fr~gilit~t tier Neugeborenenblutk6rperehen ist, lehrte uns die Resistenzbestimmung bei den letzten 4 F~llen. Sie zeigten beginnende tI~molyse bei 0,48 und 0,50 % (am 3. Tage bestimmt). Trotz dieter herabgesetzten Resistenz bat ten aber alle vier keinen oder h6chstens spurweise siehtbaren Ikterus. Wir m6ehten daher, wie es yon Jungmann u .a . fiir den Mechanismus der Lebertberapie bei der pernizi6sen An~mie angenommen wird, die Ansicht vertreten, daft sie zu einer Hemmung der Hiimolyse fiihrt. Es wird dadureh die Sehnellig- keit des Erythroeytenzerfalls gebremst und der Leber die Ausseheidung erleichtert. M6glicherweise kommt ihr auch unter normalen Verh~lt- nissen die F~higkeit zu, die T~tigkeit des reticulo-endothelialen Systems bzw. der Mi]z zu regulieren und so einen EinfluB auf das Angebot yon Bilirubin auszuiiben. Vor kurzem hat H6gler ~hnliche Gedanken fiber die Weehselwirkung yon Leber und Milz ausgesproehen. Nach seiner Ansicht haben Leber und Milz eine entgegengesetzte Wirkung auf die Zahlen der im Blute kreisenden Ery throcyten in dem Sinne, dab yon der Leber ein Stoff erzeugt wird, der diese Zellen vermehrt, und yon tier Milz ein Stoff, welcher sie vermindert. Der Effolg der 5[ilztherapie bei der Erythr~mie sprieht in diesem Sinne. Es kommt dabei zu einem Obergewieht der H~molyse, w~hrend der Erfolg der Lebertherapie in den meisten F~llen von pernizi6ser An~mie sehr wohl dureh eine Hem- mung der ~r zustande kommen kann.

Zusammen]assung. 1. Das 3. Kind einer Icterus gravis-Familie kam mit ganz leichtem

Ikterus zur Welt, nachdem seine Mutter in den letzten 10 Schwanger- schaftswochen t~Lglich 100 g Leber gegessen hatte.

2. 2(ach Leberzufuhr in den letzten Schwangerschaftswochen kommt es viel h~ufiger zu fehlendem oder nur spurweise entwiekeltem Ieterus neonatorum als bei den Kontrollfiilten.

3. Die Resistenz der roten Blutk6rperchen gegeniiber hypotonisehen Kochsalzl6sungen ist im Nabelsehnurblut und in den ersten 3 Lebens- tagen fast ausnahmslos herabgesetzt.

Zur Prophylaxe des Ieterus neonatorum gravis. 67!}

4. D a d iese R e s i s t e n z v e r m i n d e r u n g s ich d u r c h d ie L e b e r z u f u h r n i c h t

ve r /~nder t , so w i r d ih re E i n w i r k u n g a u f d e n I c t e r u s n e o n a t o r u m au f

e i n e H e m m u n g d e r H ~ m o l y s e u n d e in e n t s p r e c h e n d l a n g s a m e r e s A n -

s t e i g e n des B i l i r u b i n s p i e g e l s i m B l u t e zu r i i ckge f i i h r t .

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Zf i r ich , k a n t . S i~ugl ingshe im.