Haftungsrechtliche Aspekte zur Pflegedokumentation
Dozent: Dietmar Kirchberg, Evangelische PflegeAkademie München, Personalentwicklung ▪ Fort- und Weiterbildung Ort: Caritas-Pirckheimer-Haus Nürnberg
Fachtag „Redudok“ Wege aus dem bürokratischen Dilemma!?
Übersicht – Haftungsrechtliche Aspekte zur Pflegedokumentation
● „Kontext“ Pflegedokumentation
● Kasseler Erklärung
● Fazit
www.s-bahn-bern.ch 09.01.30
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Rechtl. Leistungserbringer Träger AH/Amb PD/KH …
Arbeitsvertrag
Leistungsträger GKV/PKV/PV …
Leistungsempfänger BewohnerIn/PatientIn
Le
istu
ng
En
tge
lt
Verträge
- Leistungen
- Vergütungen
Mitgliedschaft
Tatsächliche Leistung
Leistung, kein Erfolg (§ 611 BGB)
1. Sorgfaltspflicht
» Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Tatsächl. Leistungserbringer Pflegeperson/Arzt …
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Kontext“ Pflegedokumentation
Die Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB)
Aktueller Stand der pflegerischen und
medizinischen Wissenschaft und Forschung
Evidenzbasierte Leitlinien, Richtlinien
und Standards
(Großkopf, 2012, Folie 4; Hervorhebung im Original)
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Rechtl. Leistungserbringer Träger AH/Amb PD/KH …
Arbeitsvertrag
Leistungsträger GKV/PKV/PV …
Leistungsempfänger BewohnerIn/PatientIn
Le
istu
ng
En
tge
lt
Verträge
- Leistungen
- Vergütungen
Mitgliedschaft
Tatsächliche Leistung
Leistung, kein Erfolg (§ 611 BGB)
2. Pflegedokumentation
» „ … eine dem [Bewohner; Anm. Ref.]
Patienten als dienstvertragliche
Nebenleistung geschuldete Pflicht …,
entsprechende Aufzeichnungen über den
Verlauf … zu fertigen.“
(Roßbruch 1998, S. 126)
Tatsächl. Leistungserbringer Pflegeperson/Arzt …
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Grundsatz der Klarheit
Verpflichtung des Trägers im Rahmen seiner Organisationsverantwortung
● die Dokumentationsleitung seiner MitarbeiterInnen
● durch angemessene Schulungen
● am vom Träger eingesetzten Dokumentationssystem
● sicherzustellen
(Sträßner 2012, S. 283)
» Ordentliche Führung, z.B. in verbindlicher Dienstanweisung,
Anordnung + Kontrolle dieser durch Träger
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Grundsatz der Wesentlichkeit
Nur die (…) wesentlichen (…) Fakten in einer für den Fachmann/die Fachfrau hinreichend
klaren Form (…)
(BGH, Urt. v. 24.01.1989 – VI ZR 170/88)
Pflegeverlauf
Problem – Dokumentation – Planung – Pflegehandlung - Evaluation
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Wesentlichkeitsgrundsatz: Differenzierung Grund- + Behandlungspflege
„Es wird bei der Dokumentation nicht zwischen der Grund- und Behandlungspflege
differenziert, sondern stets pauschal ´alles` dokumentiert.
Hintergrund (…) ist (…) die immer wieder verbreitete/vertretene Sichtweise (…), dass das,
`was nicht dokumentiert ist, als nicht gemacht gilt.`
Richtig ist, dass diese Annahme aus haftungsrechtlicher Sicht grundsätzlich bzw. regelhaft
im medizinischen Bereich hinsichtlich der Dokumentation gilt.“
(Kasseler Erklärung 2014, S. 15;
Vergl. Sträßner 2010, S.4)
» Siehe Kasseler Erklärung
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Wesentlichkeitsgrundsatz: Differenzierung Grund- + Behandlungspflege
1. Behandlungspflege: Erbringen ärztlich verordneter Maßnahmen
● Persönliches Ausführen durch einen Arzt nicht notwendig
● Alle durch die Pflegeperson lege artis durchgeführten Maßnahmen sind richtig,
vollständig, lückenlos, sachlich, zeitlich nah + kontinuierlich, wahrheitsgemäß sowie
persönlich dokumentationspflichtig
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Wesentlichkeitsgrundsatz: Differenzierung Grund- + Behandlungspflege
2. Grundpflege: Unmittelbar körperliche Pflege + Versorgung
● Grundsätzlich keine regelmäßige tägliche bzw. schichtbezogene Dokumentationspflicht
● Keine Dokumentation von Routinehandlungen + standardisierten Zwischenschritten
● Voraussetzung
- Individuelle, strukturierte Informationssammlung
- Daraus abgeleitete individuelle + ausreichend ausformulierte Pflegeplanung
- Dokumentation späterer Evaluationsergebnisse
- Dokumentation etwaiger sich daraus ergebender Planungsänderungen
● Ausnahme 1: pflegerischer oder medizinischer Grund im Einzelfall, z.B. Abweichungen
● Ausnahme 2: Ambulanter Bereich, da Dokumentation zugleich als „Abrechnungsbelege“
dient
(Kasseler Erklärung 2014, S. 16;
Vergl. Sträßner 2010 + 2012; Siefarth 2014 + 2014a]
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Grundpflege: Handlungsprozedere gemäß Kasseler Erklärung
1. Grundpflege mit ihren Routinemaßnahmen ist einmal in Form einer (übergeordneten)
Leistungsbeschreibung schriftlich niedergelegt
2. Durchführung der Maßnahmen ist beschrieben, z.B. in hauseigenen Standards
3. Pflege- + Betreuungskräfte sind hierüber informiert
4. Deren Kenntnisnahme davon ist durch Gegenzeichnung im Rahmen der
Organisationsverantwortung hinterlegt
5. Pflege- + Betreuungskräfte beherrschen die Ausführung dieser Maßnahmen sicher
6. Das QM stellt die organisatorischen Strukturen + Abläufe (im jeweiligen
Versorgungssegment) sicher
(Kasseler Erklärung 2014, S. 16;
Vergl. Sträßner 2010 + 2012; Siefarth 2014 + 2014a]
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Grundpflege: Prozessuales Vorgehen gemäß Kasseler Erklärung
Im möglichen Haftungsprozess beim möglichen Vorwurf eines Dokumentationsmangels
hinsichtlich nicht dokumentierter Einzelnachweise
1. Vorlage einer detaillierten, übergeordneten Leistungsbeschreibung, die die einzelnen
grundpflegerischen Elemente darlegt
2. Zeugenbeweis
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„Kontext“ Pflegedokumentation
Grundpflege: Prozessuales Vorgehen gemäß Kasseler Erklärung
3. „Immer-so-Beweis“:
Im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis kann dann belegt werden, dass täglich
entsprechende grundpflegerische Elemente stets so ausgeführt wurden („Immer-so-
Beweis“).
Dieser dient dem Nachweis, dass die grundpflegerischen Elemente in ihrem Ob und
Wie beschrieben werden können.
Damit kann dann einem etwaigen Dokumentationsmangel fachlich und
organisatorisch begegnet werden.
Zahlreiche Urteile belegen, dass unter diesen Voraussetzungen die beweisrechtliche
Situation nicht verschlechtert ist.4
(Kasseler Erklärung 2014, S. 16)
(4) Vgl. Grundsatzentscheidung des BGH, Urteil vom 18. März 1986 - IV-ZR 215/84; BGH Urteil vom 2. Juni 1987 – IV-
ZR 174/86, OLG Hamm, Urteil vom 21. April 2009 – 26 U 151/08; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2004 – I-15
U 160/03; LG Bonn, Urteil vom 23. Dezember 2011 – 9 O 364/08
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Fazit
Grundsätzlich
● Pflegedokumentation notwendig + verpflichtend
● Allerdings:
Keine Rechtsgrundlage für aktuellen „Dokumentationswahn“
- Alle Vorgaben – z.B. haftungs-, ordnungs-, sozial-, leistungsrechtlich – zur
Pflegedokumentation geben allenfalls einen Rahmen vor
- Kaum eine Aussage über Umfang, Form und Struktur der Pflegedokumentation
» Veränderungen/Verschlankung/Reduktion haftungsrechtlich jederzeit möglich
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Fazit
Pflegedokumentation
● Orientierung an BewohnerIn/PatientIn
● Pflegerischer Verlauf
● Grundsatz der Wesentlichkeit: :Differenzierung Grund- + Behandlungspflege
» Behauptung
„Was nicht dokumentiert ist, ist auch nicht gemacht“
gemäß „Kasseler Erklärung“ nicht absolut
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Fazit
Wir brauchen …
● Weg von „Unsinnigem“
● Weg von den „Mythen der Pflege“
● Mut zur Reduktion: eine richtige, vollständige, lückenlose, sachliche, zeitlich nahe +
kontinuierliche, wahrheitsgemäße sowie persönliche Dokumentation
● Aufsichtsbehörden mit „gesundem Menschen- + Sachverstand“
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Fazit
Wir brauchen Vorgesetzte …
● Keine „Mythen“ anordnen
● MA den Rücken stärken, z.B. gegenüber FQA, MDK …
● Initiative zur Reduktion
● Handlungsanleitungen zur Dokumentation
● Innerbetriebliche Fortbildungen
● …
» „Dann klappt`s nicht nur haftungsrechtlich,
sondern auch grundsätzlich mit der Dokumentation !“
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Vielen Dank…
…für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit dem Erlernten
und hoffen, dass es Sie persönlich und beruflich weiterbringt.
Es grüßt Sie herzlich Ihr Team der Evangelischen PflegeAkademie
Personalentwicklung ▪ Fort- und Weiterbildung
www.werbeartikel.at 09.10.14
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Literatur
Abt-Zegelin, Angelika; Böhme, Hans; Jacobs, Peter (2004): „Patient unauffällig“ – Rechtliche und pflegefachliche
Anforderungen an die Dokumentation unter besonderer Berücksichtigung von DRGs und PQsG. 1. Teil. Die
Schwester/Der Pfleger 02/2004. Bibliomed, Melsungen.
Ders. (2004a): „Patient unauffällig“ – Rechtliche und pflegefachliche Anforderungen an die Dokumentation unter
besonderer Berücksichtigung von DRGs und PQsG. 2. Teil. Die Schwester/Der Pfleger 03/2004. Bibliomed,
Melsungen.
Ders. (2004b): „Patient unauffällig“ – Rechtliche und pflegefachliche Anforderungen an die Dokumentation unter
besonderer Berücksichtigung von DRGs und PQsG. 3. Teil. Die Schwester/Der Pfleger 04/2004. Bibliomed,
Melsungen.
Beilkirch, Elisabeth (2014): Abschlussbericht. Projekt „Praktische Anwendung des Strukturmodells –
Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“. Berlin/Witten
2014.
Bergmann, Karl Otto; Kienzle, Hans-Friedrich (2010): Krankenhaushaftung. Organisation, Schadensverhütung und
Versicherung. – Leitfaden für die tägliche Praxis. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH, Düsseldorf. 3.
Auflage.
Bergmann, Karl Otto; Wever, Carolin (2012): Der Dekubitus des Patienten und die ärztliche/pflegerische
Dokumentation. Das Krankenhaus 02/2012. Kohlhammer, Stuttgart. S. 811-813.
Ders. (2013): Der Verlust der Krankenunterlagen im Verantwortungsbereich des Krankenversicherers oder im
Krankenhaus. Das Krankenhaus 02/2013. Kohlhammer, Stuttgart. S. 177-178.
Ders. (2013a): Aktuelle Rechtsprechung zur Dokumentationspflicht und das Patientenrechtegesetz. Das
Krankenhaus 08/2013. Kohlhammer, Stuttgart. S. 837-839.
19
Literatur
Böhme, Hans; Jacobs, Peter (1997): Rechtsfragen bei ärztlichen Anordnungen. Die Schwester/Der Pfleger 36. Jg.
02/1997. Bibliomed, Melsungen. S. 149-152.
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Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenpflege in Deutschland. Abschlussbericht.
Berlin. Stand Mai 2006.
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Hinweise zur Durchführung, Archievierung und zum Datenschutz: Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH,
Düsseldorf. 4. Auflage.
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ausgegeben zu Bonn am 25.02.2013. S. 277-282.
Großkopf, Volker (2012): Sozialrecht versus Haftungsrecht. Eine haftungsrechtliche Herausforderung für das
Gesundheitswesen. Expertenkongress 2012: Keine Fehler – Teure Folgen. Köln, 28.11.2012. Vortragspräsentation.
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Hauser, Andrea; Haag, Ina (2012): Datenschutz im Krankenhaus. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH,
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Literatur
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In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (DBMFSFJ) (2006): Identifizierung von
Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenpflege in Deutschland. Abschlussbericht.
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Igl, Gerhard; Hammdorf, Silke (2006): Ordnungsrecht.
In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (DBMFSFJ) (2006): Identifizierung von
Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenpflege in Deutschland. Abschlussbericht.
Berlin. Stand Mai 2006. S. 297-393.
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http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/MBO_08_20111.pdf. Zugriff 05.05.2013.
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Ders. (2013): Zur Entbürokratisierung der Pflege(dokumentation). PflegeRecht 06/2013. Luchterhand, Neuwied. S.
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Siefarth, Thorsten (2014): Entbürokratisierung de Pflegedokumentation: Was die Pflege schon jetzt tun kann!
Pflege- & Krankenhausrecht 01/2014. Bibliomed, Melsungen. S. 17-21.
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Sträßner, Heinz (2010): Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation. CNE.fortbildung 01/2010. Thieme,
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