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Ordoliberalismus: Eine deutsche Spielart des Neoliberalismus?

Vortrag Köln14.06.2017

Max Bank

Gliederung des Vortrags

1. Vorstellung

2. Definition: Was ist Ordoliberalismus?

3. Entstehungsgeschichte

4. Wirtschaftspolitische Ausprägung: Soziale Marktwirtschaft

5. Wirkungsgeschichte: Drei Fallbeispiele.

6. Kritik am Ordoliberalismus

7. Ordoliberalismus im Niedergang?

8. Literaturhinweise

Kurze Vorstellung Promotion Volkswirtschaftslehre/Fachbereich

Wirtschaftsgeschichte.

Lehre an der Wiso-Fakultät – Heimkehr.

Thema: Stunde der Neoliberalen? Politikberatung und Wirtschaftspolitik in der Ära Adenauer.

LobbyControl, Initiative für Transparenz und Demokratie – Neoliberale Netzwerke & Machtkonzentration innerhalb der Demokratie

Was ist Ordoliberalismus (1) Deutsche Spielart des Neoliberalismus.

Neoliberalismus als wissenschaftliche Schule, nicht zu verwechseln mit dem politischen Kampfbegriff der 90/2000er Jahre.

Ordo-Liberalismus: betont Notwendigkeit im Zweifelsfall ordnend als Staat zugunsten der Freiheit einzugreifen.

Ordoliberalismus als „deutscher Sonderweg“, der in einer historischen Sondersituation zum Tragen kommt.

Keine reine wirtschaftswissenschaftliche Theorie - gesellschaftspolitischer, interdisziplinärer Ansatz.

Was ist Ordoliberalismus (2)

Staat soll nicht nur die notwendige Voraussetzungen für eine freiheitliche und marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit Wettbewerb schaffen, sondern diesen auch erhalten (Eucken: „Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein.“).

Erhaltung und Sicherung des freien Wettbewerbs und der freiheitlich marktwirtschaftlichen Ordnung durch Institutionen.

Was ist Ordoliberalismus (3)

Dieser ordnungspolitische Rahmen stellt die freie wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen und Haushalten sicher und soll die Entstehung von Marktmacht (z. B. durch Kartell- oder Monopolbildung) verhindern.

Die staatliche Wirtschaftspolitik als Ordnungspolitik ist deshalb darauf ausgerichtet, die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sichern und gleichzeitig die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu verbessern.

Was ist Ordoliberalismus (4) Im Ideal geht der Ordoliberalismus von vollständigem

Wettbewerb und frei fluktuierenden Preisen aus.

Er erkennt zugleich an, dass diese „ideale Welt“ nicht in der Realität existiert und dass die Voraussetzungen für Marktwirtschaft institutionell gesichert werden müssen.

Miksch (Versuch eines liberalen Programms, 1949): „Die Wirtschaftspolitik muss folglich danach streben, mittels eines rechtlichen Rahmens die Voraussetzungen für vollständigen Wettbewerb zu schaffen.Wo Oligopole unvermeidbar sind, kann durch ein spezielles Marktrecht begrenzter Wettbewerb geschaffen werden. Wenn keine Form des Wettbewerbs möglich ist, muß die Regierung eingreifen, allerdings nur gemäß klar definierter Prinzipien.“

Differenzen zu anderen Schulen 1932: Vortrag von Alexander Rüstow: Für einen

„neuen Liberalismus“ und einen starken Staat, der sich gegen die „Interessenten“ (modern Lobbyisten) durchsetzen kann.

1938: Kolloquium Walter Lippmann in Paris (Louis Rogier):

Angelsächsische Neoliberale (Hayek)

Österreichische Schule (von Mises)

Deutsche Neoliberale: „Liberaler Interventionismus“ (Röpke, Rüstow)

Entstehungsgeschichte

Theoriegenese in den 1930er Jahren

Namhafte Vertreter: Reihe Ordnung der Wirtschaft, die 1936 und 1937 von Franz Böhm, Hans Großmann-Doerth und Walter Eucken herausgegeben wurde.

Teilweise: Autoritäre Staatsvorstellungen, etwa bei Müller-Armack.

Gleichzeitig: Keine Nähe zum NS-Regime.

Entstehungsgeschichte (2)

Theoriebildung wurde nur teilweise von Exilanten (Rüstow, Röpke) und Widerständlern (Erwin von Beckerath, Arbeitskreis von Beckerath, später BMWi-Beiratsvorsitzender) betrieben.

Gleichzeitig: Forscher, die systemkonform in reichsnahen Forschungsinstituten publizierten (Erhard, Müller-Armack, Miksch, Eucken).

Entstehungsgeschichte (3)

Nachkriegszeit: Strategie der Hegemoniegewinnung

Aufbau von wissenschaftlichen Institutionen, wie Forschungsinstituten und Think Tanks.

Forschungsinstitute in Köln und Mainz sowie des Walter Eucken Instituts in Freiburg

Entstehungsgeschichte

Drei Gruppen von Ordoliberalen in Deutschland:

Ludwig Erhard und die Gruppe der Praktiker: Eine politische Strategie der Verwissenschaftlichung der Wirtschaftspolitik

Die Neoliberalen soziologischer Richtung: ASM (1953).

Die theoretisch orientierte Freiburger Schule, das Walter Eucken Institut und die Zeitschrift ORDO.

Wirtschaftspolitische Ausprägung Die aktive Rolle des

BMWi um Ludwig Erhard (Verwissenschaftlichung der Wirtschaftspolitik).

Fehlende Machtbasis in der CDU.

VfW Erfahrung.

Gruppe der Praktiker nahm das dankend an (historisch einzigartiger in Westdeutschland).

Wirtschaftspolitische Ausprägung Große Bedeutung der

Grundsatzabteilung des BMWi

Müller-Armack: Begriff der „Soziale Marktwirtschaft.“ (HS I)

Staatssekretär für europäische Fragen: Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der EG.

Wirkungsgeschichte: Geldpolitik Bundesbankgesetz als eines der

kontroversesten Gesetzgebungsverfahren der jungen Bundesrepublik

Grundlegende Forderungen einer neoliberalen Geldpolitik:

Institutionelle Unabhängigkeit der Notenbank (Position entstand erst im Laufe der 1950er Jahre)

Mandat, dass die Preisstabilität gegenüber der Unterstützung der allg. Wirtschaftspolitik priorisiert.

Wirkungsgeschichte: Geldpolitik

Walter Eucken:

„Alle Bemühungen, eine Wettbewerbsordnung zu verwirklichen, sind umsonst, solange eine gewisse Stabilität des Geldwertes nicht gesichert ist. Die Währungspolitik besitzt daher für die Wettbewerbsordnung ein Primat.“

Leonhard Miksch forderte „auf dem empfindlichen Gebiet des Geldwesens eine den Wechselfällen des parlamentarischen Lebens etwas entrückte Instanz beizubehalten.“

Wirkungsgeschichte: Geldpolitik Vier Faktoren waren von

zentraler Bedeutung:

Neoliberaler Wirtschaftsminister Erhard & dessen Sinneswandel

Notenbank befeuerte Debatte um Unabhängigkeit

BdL wurde von neoliberalen Pressevertretern flankiert und gestärkt

Existenz der Bank deutscher Länder (BdL) als Leitbild.

Wirkungsgeschichte: Wettbewerb Spiegel: „Der Siebenjährige Krieg“ um das GWB.

Grundlegende Forderungen einer neoliberalen Wettbewerbspolitik:

Grundsätzliches Kartellverbot

Behörde, die Monopolbildung und Machtkonzentration verhindert.

Wirkungsgeschichte: Wettbewerb Spiegel: „Der Siebenjährige Krieg“ um das GWB.

Wirkungsgeschichte: Wettbewerb Ergebnis des sog. „siebenjährigen Kriegs:“

Früher neoliberaler Entwurf des Gesetzes: Josten-Entwurf

Energische Gegnerschaft der Industrie

Erhards Herzensprojekt ab Mitte der 1950er Jahre.

Wichtige Flankierung durch neoliberale Wissenschaftler.

Rückhalt der Alliierten.

Wirkungsgeschichte: Währungspolitik Aufwertung der D-Mark Anfang

der 1960er Jahre:

Aufwertungsdebatte in Westdeutschland – Ordoliberale pro-Aufwertung, die 1961 stattfand.

Deutsche Industrie als energischer Gegner neoliberaler Politik.

Auseinandersetzung innerhalb einer wissenschaftlichen Schule in den 50er/60er Jahren um feste vs. Flexible Wechselkurse.

Eine wissenschaftliche Schule hat auch immer interne Kontroversen.

Kritik am Ordoliberalismus

Peter Bofinger (Keynesianer, SVR)

1)„Religiöse Fixierung auf ausgeglichene Haushalte, die eine sehr skeptische Bewertung der Effektivität einer aktiven Nachfragesteuerung und der Fähigkeit von Regierungen, profitable Investitionsprojekte zu finden, widerspiegelt.“

2)„Starke Präferenz für Preisstabilität als übergeordnetes Ziel der Geldpolitik.“

3)„Tiefe Überzeugung, dass flexible Preise der wichtigste Beitrag für die Lösung von Arbeitslosigkeitsproblemen sind.“

Ordoliberalismus im Niedergang? ● Bedeutung in wissenschaftlicher Forschung in Deutschland gesunken – Forschungsinstitute.

● Außerhalb von Deutschland hat diese spezifische Spielart des Neoliberalismus kaum eine Bedeutung in der Forschung.

● In der deutschen Wirtschaftspolitik spielt die sogenannte Ordnungspolitik weiter eine große Rolle.

● Beratung: Sachverständigenrat, Kronberger Kreis.● Politik selbst: Alle Volksparteien berufen sich auf „Soziale

Marktwirtschaft“ als Leitprinzip.

Fazit: ● Ordoliberalismus als spezielle - in Deutschland bekannte Form - des Neoliberalismus

● Bedeutung von Institutionen: „Liberaler Interventionismus.“

● Vor allem bekannt in wirtschaftspolitischen Kreisen der Union und der Sozialdemokraten.

● Nicht mehr verbreitet international – politisch und in der Forschung.

Literaturhinweise ● Max Bank, Stunde der Neoliberalen? Politikberatung und

Wirtschaftspolitik in der Ära Adenauer, Köln 2013.

● Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 1952.

● Nils Goldschmidt und Michael Wohlgemuth (Hg.) Grundtexte zur Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik (Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik Bd. 50), Tübingen 2008.

● Philip Plickert, Wandlungen des Neoliberalismus: Eine Studie zu Entwicklung und Ausstrahlung der „Mont Pèlerin Society“ (Marktwirtschaftliche Reformpolitik, Bd. 8), Stuttgart 2008

● Ralf Ptak, Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland, Opladen 2004.

● ORDO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft.

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