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Das Maltreatment Classification System (MCS) in Theorie und Praxis – ein
wissenschaftlich fundiertes Modell zur Kategorisierung von Kindesmisshandlung und
Vernachlässigung
Autoren: Jenny Horlich, Stefanie Dehmel, Susan Sierau, Lars White, Kai von Klitzing
Zusammenfassung:
Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Maltreatment Classification System (MCS) nach
Barnett, Manly und Cicchetti (1993), eines der wenigen international anerkannten und
theoretisch sowie empirisch fundierten Klassifikationssysteme zur Erfassung von
Misshandlung und Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter.
Nach Einführung theoretischer und inhaltlicher Aspekte des MCS wird anhand eines
Fallbeispiels aus der Jugendhilfe die Anwendung im Rahmen des Forschungsprojektes
AMIS beschrieben. Dabei wird auf Besonderheiten der Umsetzung dieses in Deutschland
noch weitgehend unbekannten Klassifikationsmodells eingegangen. Das MCS grenzt
verschiedene Subtypen von Misshandlung und Vernachlässigung voneinander ab und
erfasst diese hinsichtlich Schweregrad, Entwicklungsperiode, Häufigkeit und Täter. Ziel des
Artikels ist es mit der Vorstellung und praktischen Erprobung dieses einzigartigen
Klassifikationssystems einen Ausblick für den Nutzen im Rahmen des Diagnostikprozesses
der Jugendhilfe zu geben.
Abstract:
This paper focuses on the Maltreatment Classification System (MCS), as developed by
Barnett, Manly and Cicchetti (1993). Though less well-known to a German audience, the
MCS is one of the few internationally recognized and empirically validated systems to
evaluate abuse and neglect in childhood and adolescence. Following a theoretical
introduction to the MCS, we describe its application to a case from the child protection
services, assessed as part of the research project AMIS. We pay close attention to the
special challenges facing the adaptation of the MCS to a German context. The MCS
attempts to demarcate various subtypes of abuse and neglect, classifying maltreatment in
terms of its severity, developmental period, frequency as well as identifying the perpetrators.
By means of this theoretical and applied introduction, this article offers a vantage point for
the utility of this unique classification system as part of the diagnostic process in the child
protection services.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ....................................................................................................................... 2
1.1 Geschichte und wissenschaftlicher Hintergrund ........................................................... 3
1.2 Das Forschungsprojekt AMIS ....................................................................................... 4
1.3 Fallbeispiel ................................................................................................................... 5
2. Vorstellung MCS ............................................................................................................ 6
2.1 Subtypen und Schweregrade ....................................................................................... 6
2.2 Entwicklungsperioden .................................................................................................17
2.3 Häufigkeit und Chronizität ...........................................................................................18
2.4 Täter ...........................................................................................................................19
3. Erfahrungen in der Anwendung des MCS......................................................................20
4. Besonderheiten des MCS ..............................................................................................21
5. Ausblick .........................................................................................................................23
6. Literatur .........................................................................................................................24
1. Einleitung
Was ist Misshandlung? Welche Formen gibt es? Wie sind diese einzuordnen und in der
praktischen Arbeit zu erkennen und voneinander abzugrenzen? Dies sind zentrale Fragen in
der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, welche Fachkräfte sich immer wieder stellen, wenn
sie vor der Herausforderung stehen, Kindeswohlgefährdung zu beschreiben, zu klassifizieren
und einzuschätzen. Obwohl die gesetzliche Grundlage und das übergeordnete Ziel, das
Wohl des Kindes zu schützen, in Deutschland überall gleich sind, gibt es dennoch
unterschiedliche Herangehensweisen zur Beantwortung dieser Fragen. So existieren vor
allem verschiedene Kategorisierungen und Vorgehen zur Einordnung von
Kindeswohlgefährdung (z.B. Münder u.a. 2000, Reich 2004). Von einer Implementierung
standardisierter Vorgehensweisen und eines einheitlichen Klassifikationssystems ist die
deutsche Forschungs- und Praxislandschaft im Gegensatz zum internationalen Vergleich
noch weit entfernt. Jedoch gestaltet sich aufgrund des gesellschaftlichen Wandels sowie des
häufigen Vorkommens multipler Gefährdungsformen und verschiedener Einflussfaktoren
eine Vereinheitlichung als schwierig (vgl. Aberle 2011, S. 4). Für ein professionelles und
gezieltes Handeln ist jedoch eine möglichst objektiv nachvollziehbare und einheitliche
Beschreibung und Charakterisierung dessen, was unter Kindesmisshandlung und
Vernachlässigung zu verstehen ist, unerlässlich. Dies ist vor allem auch dann bedeutsam,
wenn unterschiedliche Professionen und Institutionen des Kinderschutzes innerhalb eines
Diagnostik- und Interventionsprozesses zusammenarbeiten. Die Forschung, die sich unter
anderem mit den Ursachen und Folgen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
3
beschäftigt, hat sich vor allem auch der Thematik einer umfassenden und
vereinheitlichenden Messung dieses Phänomens angenommen. Insbesondere im
angloamerikanischen Raum gibt es eine lange Forschungstradition auf dem Gebiet von
Misshandlung und Vernachlässigung (Dubowitz; Bennett 2007). In der deutschen
Forschungslandschaft wurde dieses Thema lange Zeit kaum berücksichtigt und rückte erst in
den letzten Jahren in den Fokus der Wissenschaft (Fegert; Spröber 2012). Nicht zuletzt
wurde im Rahmen des 2010 durch die Bundesregierung eingerichteten Runden Tisches
„Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und
öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ dieses Thema auch politisch
zunehmend präsent.
Das in diesem Artikel vorgestellte Maltreatment Classification System1 (MCS) entstand
aufgrund von langjähriger klinischer Forschung durch die amerikanische Forschungsgruppe
um Dante Cicchetti (Barnett u.a. 1993) als theoretisch fundiertes System zur Auswertung von
Dokumentationen (vor allem Akten des Jugendamts) über Kindesmisshandlung und
Vernachlässigung in Familien. In Deutschland ist das MCS bisher noch wenig bekannt und
hebt sich im Vergleich zu anderen, bisher vorliegenden Kategorisierungen aufgrund seiner
umfassenden und detaillierten Beschreibung sowie seiner empirischen Validierung von
Misshandlung und Vernachlässigung ab.
Im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojektes AMIS (englischer Titel: „Analyzing
pathways from childhood maltreatment to internalizing symptoms and disorders in children
and adolescents“, deutscher Titel: Von der Kindesmisshandlung zu
Internalisierungssymptomen und -störungen in Kindheit und Adoleszenz) wird dieses
Verfahren nun erstmalig ins Deutsche übersetzt und anhand von Aktenauswertungen im Amt
für Jugend, Familie und Bildung in Leipzig sowie am Stadtjugendamt München erprobt. Ziel
dieses Artikels ist es, die Anwendung, die Besonderheiten und damit die Möglichkeiten des
MCS als ein Instrument im Gesamtkontext eines komplexen Diagnostikverfahrens in der
hiesigen Kinder- und Jugendhilfe darzustellen.
1.1 Geschichte und wissenschaftlicher Hintergrund
Das Maltreatment Classification System ist ein wissenschaftlich anerkanntes, theoretisch
fundiertes Klassifikationssystem zur Erfassung und Einschätzung von Misshandlung und
Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter. Das MCS entstand aus dem Bedürfnis der
Wissenschaft und Praxis nach klaren und einheitlichen Definitionskriterien zur Beschreibung
von dokumentierten Vernachlässigungs- und Misshandlungserfahrungen in Familien (vgl.
Manly 2005). Bedeutsam hierbei ist, dass diese Kriterien im engen Zusammenhang mit den
entwicklungspsychologischen Folgen von Misshandlung und Vernachlässigung für das Kind
1 dt. Übersetzung: Misshandlungsklassifikationssystem
4
oder den Jugendlichen stehen. So haben nicht nur die Art der Misshandlungs- oder
Vernachlässigungserfahrungen einen Einfluss darauf, wie das Kind darauf reagiert, sondern
auch, in welcher Entwicklungsphase es sich befindet. Daneben ist es wichtig zu beachten,
wie lange die Erfahrung andauert bzw. wie häufig sie auftritt und von wem sie ausgeht.
Mittels des MCS werden diese für die kindliche Entwicklung zentralen
Beschreibungsmerkmale von Misshandlung und Vernachlässigung quantifiziert und somit
vergleichbar gemacht. Das MCS wurde am Mount Hope Family Center in Rochester (NY,
USA) im Rahmen eines mehrere Jahrzehnte andauernden, intensiven Austauschs zwischen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, klinischen Praktikerinnen und Praktikern sowie
Fachkräften der Jugendhilfe entwickelt und 1993 durch Barnett, Manly und Cicchetti
veröffentlicht, sowie in der Folge durch zahlreiche Studien mit z.T. schwer misshandelten
Kindern empirisch validiert (vgl. Cicchetti; Valentino, 2006). Es zielte zunächst auf die
Analyse von Jugendamtsakten und wurde später im Rahmen verschiedener Studien durch
die Übertragung auf die Analyse von Interviews mit der Bezugsperson (Maternal
Maltreatment Interview) erweitert (Cicchetti u.a. 2003). Ziel ist es, die Informationen
verschiedener Informanten und Quellen, welche Misshandlungs- und
Vernachlässigungserfahrungen des Kindes erfassen, innerhalb eines einheitlichen Systems
zu integrieren und ein kohärentes, möglichst objektives Bild der Vorkommnisse zu erstellen.
1.2 Das Forschungsprojekt AMIS
Im Rahmen des Forschungsprojekts AMIS ist es in einer für die deutsche
Forschungslandschaft bislang einzigartigen Form der Kooperation gelungen, sowohl
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Praktikerinnen und Praktiker aus den
Bereichen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendhilfe in einem interdisziplinären
Forschungsprojekt zusammenzuführen. Das Projekt begann im Juni 2012 und wird in einer
ersten Projektphase für drei Jahre vom BMBF gefördert. Als Kern des Projekts werden
Zusammenhänge zwischen Misshandlungs- bzw. Vernachlässigungserfahrungen und
psychischen Symptomen wie Angst und Depressivität von Kindern und Jugendlichen im Alter
von 4 bis 16 Jahren näher untersucht sowie mögliche biologische, psychische und soziale
Risiko- und Schutzfaktoren ermittelt. Das Phänomen der Misshandlungs- und
Vernachlässigungserfahrungen wird hierbei durch unterschiedliche Perspektiven erfasst:
zum einen mittels persönlicher Interviews mit dem Elternteil und dem betroffenen Kind in der
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters des
Universitätsklinikums Leipzig, zum anderen durch die Auswertung der Aktendokumentation
mithilfe des MCS am Amt für Jugend, Familie und Bildung in Leipzig. Die
Projektmitarbeiterinnen am örtlichen Jugendamt arbeiten sowohl für die Gewinnung von
teilnehmenden Familien als auch für die einzelfallbezogene Aktenanalyse eng mit dem
Allgemeinen Sozialdienst und den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Das
5
MCS stellt innerhalb des Forschungsprojektes zur Erfassung der Phänomenologie der
Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrung das zentrale Forschungsinstrument dar.
Um das MCS vorzustellen und seine praktische Anwendung zu verdeutlichen wird ein
anonymisiertes und leicht abgewandeltes Fallbeispiel aus Aktenaufzeichnungen des Amts
für Jugend, Familien und Bildung Leipzig genutzt.
1.3 Fallbeispiel
Max ist 2006 1 Jahr alt, als Meldungen bekannt werden, dass es gegen ihn und seine
Geschwister durch die Eltern immer wieder zu körperlicher und psychischer Gewalt kommt.
Nachbarn berichten von lautstark ausgetragenen, verbalen Beleidigungen und körperlichen
Übergriffen der Eltern untereinander und gegenüber den Kindern. Max wird des Öfteren
dabei beobachtet, wie er unbeaufsichtigt in der Nachbarschaft an der Straße und den
naheliegenden Bahngleisen mit seinen älteren vier Geschwistern spielt, die zu diesem
Zeitpunkt zwei bis zehn Jahre alt sind. Die Nachbarn berichten weiterhin, die Kinder würden
nach Essen betteln. Laut Aussage der Eltern stünde dafür kein Geld zur Verfügung.
Während eines Hausbesuchs durch eine Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD)
wird die Überforderung der Eltern, die Kinder zu versorgen, bestätigt. Windeln werden nur
ungenügend gewechselt und bei den Kindern wird eine Mangelernährung deutlich. Zudem
gibt es seit Monaten einen Läusebefall. Es zeigt sich immer wieder, dass die Mutter sehr
spät auf Krankheitssymptome der Kinder eingeht. Beispielsweise geht die Mutter erst nach
14 Tagen mit Durchfall und Erbrechen bei Max mit diesem zum Arzt.
2008 lebt Max mit einem Bruder im Haushalt der Mutter und dem Lebensgefährten der
Mutter. Die leiblichen Eltern von Max sind seit 2007 getrennt. Der leibliche Vater besucht die
Kinder seitdem so gut wie nicht mehr. Die Mitarbeiterin des ASD beschreibt den Zustand der
Wohnung nach einem Hausbesuch als chaotisch und voller Müll. Das Katzenklo wurde
länger nicht gereinigt und riecht stark. Allgemein riecht es sehr nach menschlichem und
tierischem Urin. Daraufhin folgt eine Prüfung des Kindeswohls durch den ASD. Der
unzureichende hygienische Zustand der Wohnung, die Geruchsbildung aufgrund des
Einnässens von Max und die hohen Gefahrenquellen in Reichweite der Kinder (z.B.
ungesicherte Kabel) begründen die Gefahr des Kindeswohls von Max und seinem Bruder.
Weiterhin werden Mitarbeiter des Kindergartens auf schlimme Verletzungen bei Max auf
seinem Rücken und im Gesicht aufmerksam, die noch entzündet sind. Daraufhin wird ein
Arzt aufgesucht, der ein Gutachten erstellt. Max erklärt dem Arzt, dass die Hämatome auf
dem Rücken von der Mutter seien. Die Mutter habe ihn mit einem Schuh geschlagen und
verletzt. Das ärztliche Gutachten ergibt, dass diese Verletzungen nicht nur einmalig passiert
sein können, sondern von unterschiedlichen Zeiträumen stammen. Die Verletzungen seien
durch einen harten Gegenstand verursacht worden. Durch den Kindergarten erfolgt eine
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Anzeige gegen die Mutter und ihren aktuellen Lebenspartner. 2008 wird Max aus der Familie
genommen und stationär untergebracht. 2008 wird bekannt, dass Max von seinem
zuständigen Betreuer im Heim eine Ohrfeige bekam und Schrammen im Gesicht davon trug.
Während des Gerichtsverfahrens 2010 wird darüber hinaus deutlich, dass Max durch den
Lebenspartner der Mutter als Strafe für sein Einnässen regelmäßig kalt abgeduscht worden
sei. Weiterhin sei er in Fällen von Ungehorsam durch den Lebenspartner der Mutter
mehrfach an den Stuhl gefesselt und ihm der Mund mit Klebeband zugeklebt worden. Die
Mutter war während dieser Taten anwesend und habe diese Vorgehensweisen ohne
einzuschreiten geduldet. Ausgesagt wurde durch die Mutter, dass das Schlagen und
„Anbrüllen“ der Kinder zwischen 2008 und 2009 durch ihren Lebenspartner tagespräsent
gewesen sei. Die Mutter ist nicht in der Lage gewesen ihre Kinder vor den massiven
körperlichen Übergriffen durch den Lebenspartner zu schützen.
2. Vorstellung MCS
Im Folgenden soll das MCS anhand der zugrundeliegenden Dimensionen vorgestellt und
erläutert werden. Dabei werden zunächst die verschiedenen Subtypen von Misshandlung
und Vernachlässigung beschrieben und der Umgang mit unterschiedlichen Schweregraden
anhand des eingangs vorgestellten Fallbeispiels eingeführt. Anschließend wird auf die
Bedeutung von Misshandlungs- bzw. Vernachlässigungserfahrungen in verschiedenen
Entwicklungsperioden, die Erfassung von Häufigkeit und Chronizität sowie auf die Rolle des
Täters eingegangen.
2.1 Subtypen und Schweregrade
Der Subtyp bzw. die Art der Misshandlungs- bzw. Vernachlässigungserfahrung stellt die am
häufigsten untersuchte Dimension innerhalb des MCS dar. Es werden folgende Subtypen
unterschieden: Körperliche Misshandlung, Sexueller Missbrauch, Emotionale Misshandlung,
Körperliche Vernachlässigung hinsichtlich Mangelnder Versorgung und Mangelnder
Beaufsichtigung und Moralisch-rechtlich-erzieherischer sowie Bildungsbezogener
Misshandlung2 (siehe Abbildung).
In diesem Abschnitt sollen zunächst alle dem MCS zugrundeliegenden Subtypen
beschrieben werden. Dabei wird auch auf die Abgrenzung zu anderen Subtypen bzw.
mögliche Überschneidungen in Form von Einschluss- und Ausschlusskriterien eingegangen.
Dies ist im Besonderen relevant für bestimmte Subtypen wie beispielsweise Emotionale
Misshandlung, da alle Subtypen eine gewisse emotionale Komponente enthalten. Somit wird
2 Aufgrund der geringen Auftrittshäufigkeit von Moralisch-gesetzlich-erzieherischer und
Bildungsbezogener Misshandlung wurden diese beiden Subtypen von Barnett u.a. (1993) zu einer gemeinsamen Kategorie zusammengefasst.
7
gewährleistet, dass verschiedene Subtypen im MCS gleichzeitig erfasst werden können,
aber dennoch die konzeptuelle Integrität jedes Subtyps gewährleistet bleibt.
Für ein Ereignis von Misshandlung oder Vernachlässigung wird immer auch der
Schweregerad für jeden Subtyp einzeln erfasst und auf einer Skala von 1 bis 5 eingeschätzt.
Dabei stellt 1 den geringsten und 5 den höchsten Schweregrad dar. Die Einschätzung des
Schweregrades orientiert sich an den psychischen und physischen Folgen des
Vorkommnisses für das Kind oder den Jugendlichen. Je nach Alter kann es dabei in
Abhängigkeit der Art der Misshandlung und Vernachlässigung zu einer unterschiedlichen
Einschätzung des Schweregrads kommen (siehe Kap. 2.3). Im MCS werden je Subtyp für
jede Stufe des Schweregrads Beschreibungen und typische Beispiele aus der Untersuchung
von Barnett u.a. (1993) vorgegeben, die als objektive Ankerpunkte zur Einordnung eines
Ereignisses dienen sollen. Im Rahmen der AMIS-Studie werden diese Beispiele
kontinuierlich erweitert. Die Handhabung des Manuals wird anhand der eingangs
beschriebenen Situationen aus dem Fallbeispiel (soweit zutreffend) exemplarisch erläutert.
Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, verwenden wir die im Rahmen des AMIS-
Forschungsteams erarbeitete Übersetzung basierend auf dem Originalkapitel von Barnett
u.a. (1993). Inhaltliche Abweichungen vom englischen Original sind als solche explizit
kenntlich gemacht3. Die Veröffentlichung einer durch die amerikanischen Autoren
autorisierten deutschen Übersetzung des MCS ist in Planung.
2.1.1 Körperliche Misshandlung liegt dann vor, wenn eine Bezugsperson oder ein
verantwortlicher Erwachsener einem Kind eine körperliche Verletzung zufügt, die durch nicht
akzidentelle Mittel (d.h. Fahrlässigkeit oder Unfall) verursacht wurde.
In einigen Fällen ist die Abgrenzung zu anderen Subtypen nicht ganz eindeutig. Hierfür gibt
es im Manual Kriterien, die als Leitfaden zur Unterscheidung dienen sollen (vgl.: Barnett u.a.
1993, S. 54 f.): Bei einer Androhung von Gewalt ohne tatsächliche Gewaltausübung wird
dies unter Emotionaler Misshandlung erfasst. Ebenso wird bei Freiheitsberaubung ohne
Verletzungen verfahren. Kommt es infolge sexueller Handlungen zu Verletzungen, welche
ausschließlich damit in Zusammenhang stehen, wird dies als Sexueller Missbrauch erfasst,
wobei Verletzungen, die z.B. auf Schlagen oder Fesseln zurückzuführen sind, zusätzlich als
Körperliche Misshandlung aufgenommen werden.
Schweregrad 1: Das Kind wurde geschlagen und erlitt geringfügige Verletzungsspuren
(nicht am Hals oder Kopf) oder wurde am Kopf geschlagen, was es ängstigte, jedoch keine
Verletzungen vorliegen. Es wurde gemeldet, dass das Kind geschlagen wurde, aber es
liegen keine genaueren Informationen vor welche eine höhere Einstufung rechtfertigen.
3 Die mit einem * gekennzeichneten Beispiele wurden im Zuge der Adaption des MCS im AMIS-
Projekt ergänzt.
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Beispiel: das Kind zog sich ein Hämatom am Arm zu nachdem es geschlagen wurde; das
Kind bekam Angst aufgrund von Schlägen auf den Hinterkopf, aber es gab keine
Verletzungsspuren.
Schweregrad 2: Das Kind weist zahlreiche oder nicht geringfügige Verletzungsspuren am
Körper auf (unterhalb des Halses), es wurde mit einem Gegenstand4 (z.B. Haarbürste)
geschlagen, welcher vermutlich geringfügige Verletzungsspuren hinterlässt oder es wurde
getreten bzw. gestoßen.
Beispiele: nach Schlagen mit einem Gürtel sind blaue Flecken auf dem Gesäß des Kindes zu
verzeichnen; das Kind erhielt Prügel mit einem Kabel, was zu zahlreichen Striemen auf dem
Rücken führte, welche aber nicht medizinisch versorgt werden mussten.
Schweregrad 3: Es gibt Verletzungsspuren am Kopf oder Hals des Kindes (z.B. blaues
Auge) und/ oder Beulen, Striemen oder kleinere Verletzungen unterhalb der Schultern, die
eine medizinische Versorgung erfordern oder auch geringfügige Verbrennungen am Körper
(z.B. Zigarettenabdrücke).
Beispiele: Schlagen des Kindes zog Nasenbluten nach sich*; runde Verletzungsspuren auf
der Hand wurden als Zigarettenabdrücke identifiziert; das Kind erlitt durch Schlagen mit
einem Stock Wunden, die medizinisch versorgt werden mussten.
Schweregrad 4: Das Kind erlitt durch Schlagen mit einem Gegenstand beträchtliche
Verletzungen (z.B. mittelstarke Verletzungen, Verbrennungen 2. Grades, Frakturen oder
Gehirnerschütterung). Die Bezugsperson versuchte, das Kind zu würgen oder zu ersticken
bzw. hinterließ beträchtliche Brandwunden oder Verletzungen, die eine Versorgung im
Krankenhaus mit bis zu 24 Stunden Aufenthalt bedurften.
Beispiele: das Kind wurde die Treppe hinuntergestoßen und zog sich eine Armfraktur zu; es
wurde derart schwer verbrannt, dass es in der Notaufnahme behandelt werden musste.
Schweregrad 5: Die Bezugsperson verursachte eine schwerwiegende Verletzung, die einen
Krankenhausaufenthalt von mehr als 24 Stunden erforderte bzw. bleibende Schäden
verursachte.
Beispiele: das Kind wurde aufgrund innerer Verletzungen bzw. Verdacht auf Schütteltrauma
eine Woche im Krankenhaus behandelt.
Anhand der Definitionen, Erläuterungen sowie Beispiele im MCS würde sich im eingangs
vorgestellten Fallbeispiel die Einordnung hinsichtlich Körperlicher Misshandlung wie folgt
darstellen:
Es liegen Meldungen vor, dass es gegen Max immer wieder zu körperlicher Gewalt und zu
körperlichen Übergriffen kommt: Schweregrad 1, da keine genaueren Informationen
vorliegen.
4 Hier erfolgte eine Anpassung der US-Fassung (siehe Kap. 3).
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Später sind Verletzungen auf dem Rücken des Kindes dokumentiert, welche entzündet
waren. Ein ärztliches Gutachten bestätigt auffällige Verletzungen am Rücken, welche durch
einen harten Gegenstand verursacht wurden sowie Verletzungsspuren im Gesicht:
Schweregrad 3 aufgrund der eigentlich notwendigen medizinischen Versorgung der
Verletzungen durch einen Gegenstand (hier zusätzlich Mangelnde Versorgung, da die
entzündeten Verletzungen nicht beim Arzt vorgestellt wurden, siehe unten) und der
Verletzungen im Kopfbereich.
Max bekam von einem Heimmitarbeiter eine Ohrfeige, welche zu Schrammen im Gesicht
führte: Schweregrad 3, da es eine Verletzung am Kopf gegeben hat.
1.1.2 Sexueller Missbrauch liegt bei jeglichem stattgefundenen sexuellen Kontakt oder dem
Versuch eines sexuellen Kontakts zwischen dem Kind und einer Bezugsperson oder einem
anderen verantwortlichen Erwachsenen zu deren sexueller Befriedigung oder finanziellem
Nutzen vor.
Hinsichtlich der Abgrenzung bzw. Überschneidung mit anderen Subtypen finden sich im
MCS folgende Hinweise: wenn Personen beim Versuch, eine sexuelle Handlung mit einem
Kind zu vollziehen, psychische Nötigung anwenden wird neben dem Sexuellem Missbrauch
auch der Subtyp Emotionale Misshandlung erfasst. Im Fall körperlicher Nötigung wird wie
oben beschrieben verfahren: direkte Folgen der sexuellen Handlung werden ausschließlich
als Sexueller Missbrauch verstanden, andere Verletzungen zusätzlich als Körperliche
Misshandlung.
Schweregrad 1: Die Bezugsperson setzt das Kind eindeutigen sexuellen Aktivitäten aus,
wobei es nicht direkt in das Geschehen involviert wird.
Beispiele: das Kind wird pornografischem Material ausgesetzt; die Bezugsperson versucht
nicht zu verhindern, dass das Kind sexuellen Aktivitäten ausgesetzt wird oder bespricht
sexuelle Themen in nicht-pädagogischer Weise explizit in Gegenwart des Kindes.
Schweregrad 2: Das Kind wird direkt zum sexuellen Kontakt aufgefordert oder die
Bezugsperson präsentiert dem Kind seine Genitalien.
Beispiele: Aufforderung des Kindes zu sexuellen Handlungen, jedoch ohne Körperkontakt;
das Kind wird genötigt, beim Masturbieren zuzusehen.
Schweregrad 3: Das Kind wird in (gegenseitige) sexuelle Berührungen verwickelt.
Beispiele: die Bezugsperson liebkost das Kind oder nötigt es zur Masturbation.
Schweregrad 4: Beim Versuch der Penetration und/ oder Penetration des Kindes (auch bei
oralem oder analem Verkehr) wird Schweregrad 4 vergeben.
Beispiele: die Bezugsperson hat mit dem Kind Geschlechts- oder Oralverkehr oder versucht
es; das Kind leidet an einer Geschlechtskrankheit.
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Schweregrad 5: Geschlechtsverkehr oder andere Formen sexueller Penetration des Kindes
wurden erzwungen, z.B. durch körperliche Gewalt oder Fixation. Das Kind wird zur
Prostitution angeboten oder hierzu gezwungen.
Beispiele: das Kind wird gefesselt und vergewaltigt (Hinweis: dies wird ebenfalls als
Emotionale Misshandlung aufgenommen, ggf. als Körperliche Misshandlung wenn
Verletzungen aufgrund der Fixation); das Kind wird zu pornografischen Aufnahmen oder
sexuellen Handlungen mit anderen Personen gezwungen.
1.1.3 Körperliche Vernachlässigung: Mangelnde Versorgung umfasst die
Vernachlässigung der körperlichen Bedürfnisse des Kindes hinsichtlich geeigneter und
ausreichender Nahrung, Kleidung, Wohnraum, medizinischer Versorgung und
angemessener Hygiene.
Liegt das Familieneinkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt Mangelnde Versorgung nur
dann vor, wenn die Bezugsperson es versäumt, Sozialleistungen zu beantragen oder deren
Bezug sicherzustellen und es dadurch zu einer Mangelversorgung kommt.
Schweregrad 1: Zu den Hauptmahlzeiten sind keine Lebensmittel verfügbar, das Kind ist
nicht mit sauberer oder passender Kleidung ausgestattet und es ist kein Bemühen
erkennbar, das Kind und/ oder den Wohnraum sauber zu halten. Es wurden mehrere (Zahn-)
Arzttermine versäumt oder leichten Verhaltensproblemen keine Beachtung geschenkt.
Beispiele: das Kind ist unsauber, riecht nach Urin und hat häufig verfilztes Haar; die
Bezugsperson hat es versäumt, trotz Aufforderung zum Elternabend zu erscheinen und
reagiert auf Briefe nicht.
Schweregrad 2: Im Haus befindet sich häufig keinerlei Nahrung und zwei oder mehr
aufeinanderfolgende Mahlzeiten bleiben 2-3 mal pro Woche aus. Das Kind hat regelmäßig
keine wettergerechte Kleidung oder Ungezieferbefall in der Wohnung wird nicht versucht zu
begegnen. Es gibt keine angemessene Schlafstätte für das Kind, medizinische
Empfehlungen werden nicht zu Ende geführt und/ oder die Windeln zu selten gewechselt, so
dass es zu Windelausschlag kommt.
Beispiele: ein Sozialarbeiter hat das Haus mehrere Male aufgesucht ohne das Lebensmittel
verfügbar waren; die Kinder erhalten 2-3 mal pro Woche kein Mittag- oder Abendessen;
Eltern führen die Antibiotikabehandlung bei einer Ohrenentzündung nicht zu Ende.
Schweregrad 3: Das Kind erhält keine regelmäßigen Mahlzeiten, wodurch ein Muster von
häufig ausgefallenen Mahlzeiten entsteht; die Bezugsperson kümmert sich nicht um
angemessene Lebensmittelvorräte, beantragt oder erhält keine Sozialleistungen, was zum
Verlust der Wohnung oder Minderung der finanziellen Unterstützung führt. Mittelschwere
Erkrankungen werden nicht behandelt oder Medikamente (z.B. schwache Beruhigungsmittel)
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werden ohne ärztliche Verordnung verabreicht. Die Behandlung einer diagnostizierten
Verhaltensstörung wird nicht zu Ende geführt was das Kind daran hindert, soziale oder
schulische Strategien zu entwickeln. Eine unhygienische Lebenssituation (verdorbenes
Essen, Abfall und/ oder Ungezieferbefall) wird beibehalten. Die angehende Mutter gefährdet
das ungeborene Kind durch Alkohol- oder Drogenkonsum in der Schwangerschaft.
Beispiele: das Kind versäumte innerhalb der letzten Monate durchschnittlich 4 mal pro
Woche zwei aufeinanderfolgende Mahlzeiten; die Wohnung wurde zwangsgeräumt, da die
Eltern den Bezug von Sozialleistungen nicht sicherstellten; das Kind ist nicht
krankenversichert*; die Mutter war während der Schwangerschaft mehrfach alkoholisiert;
wiederholt herrschten chaotische Lebensumstände mit verdorbenem Essen, Müll und
Ungeziefer; die Eltern brachten das Kind seit 6 Wochen nicht zur Therapie einer psychischen
Auffälligkeit.
Schweregrad 4: Das Kind lebt über einen längeren Zeitraum in einer unangemessenen oder
extrem ungesunden Wohnsituation, z.B. ohne Heizung im Winter oder mit Fäkalien und Urin
im Wohnbereich. Möglicherweise lebensbedrohliche Erkrankungen werden nicht medizinisch
behandelt (z.B. wird es bei Verbrennungen 3. Grades oder Schädelfraktur nicht in die
Notaufnahme gebracht). Das Kind wurde derart dürftig ernährt, dass es nicht
entwicklungsgemäß zunimmt oder wächst.
Beispiele: das Kind lebt in einem ungeheizten Haus, da die Eltern es versäumt haben, sich
um eine benutzbare Heizung zu kümmern und kam mit Erfrierungen in die Schule; das Kind
wurde angefahren, erlitt einen Knochenbruch und klagt über Schmerzen und berichtet in der
Schule, die Eltern wollten es nicht ins Krankenhaus bringen.
Schweregrad 5: Das Kind leidet aufgrund derart dürftiger Ernährung und Pflege unter
körperlichen Folgeerscheinungen (z.B. Unterernährung oder Gedeihstörungen). Das Kind
wird mit einem fetalen Alkoholsyndrom oder einer kongenitalen Drogenabhängigkeit
geboren. Das Kind verstarb oder leidet an einer dauerhaften Behinderung aufgrund massiver
Hungersnot oder Flüssigkeitsmangel. Das Kind äußerte Suizidgedanken, jedoch bemühte
sich die Bezugsperson nicht um Hilfe um seine Sicherheit zu gewährleisten.
Beispiele: das Kind ist zur Geburt heroinabhängig; eine schwere Unterernährung/
Gedeihstörung wurde diagnostiziert.
Fallbeispiel: Die Kinder betteln wiederholt bei den Nachbarn um Essen. Die Eltern sagen,
dafür stünde kein Geld zur Verfügung und es wird durch den ASD eine Mangelernährung
dokumentiert: Schweregrad 2, da offenbar häufig Mahlzeiten ausfallen und/ oder sich nicht
ausreichend Nahrung im Haus befindet. Bei genaueren Angaben zur Häufigkeit der
ausgefallenen Mahlzeiten könnte auch ein höherer Schweregrad in Betracht gezogen
werden.
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Das ungenügende Wechseln der Windeln weist ebenfalls auf einen Schweregrad 2 hin.
Weiter ist in der Akte vermerkt, dass es seit Monaten Läusebefall gibt und die Mutter immer
wieder erst verspätet auf Krankheitssymptome der Kinder reagiert, z.B. als sie erst nach 14-
tägigem Durchfall und Erbrechen zum Arzt geht oder die von Max‘ Erziehern entdeckten
Verletzungen auf dem Rücken nicht einem Arzt vorstellt: Schweregrad 3 da mittelschwere
Erkrankungen nicht (rechtzeitig) behandelt werden (hier zusätzlich Körperliche
Misshandlung, da die Verletzungen nicht unfallbedingt waren, siehe oben).
Die Wohnung wird als chaotisch und voller Müll beschrieben, das Katzenklo ist nicht
gereinigt, der hygienische Zustand ist unzureichend und die Geruchsbildung aufgrund des
Einnässens des Kindes begründet die Gefahr des Kindeswohls: Schweregrad 4 aufgrund der
extrem ungesunden Wohnsituation u.a. durch Fäkalien und Urin im Wohnbereich.
1.1.4 Körperliche Vernachlässigung: Mangelnde Beaufsichtigung beinhaltet die
mangelhafte Beaufsichtigung eines Kindes bzw. die Beaufsichtigung eines Kindes durch eine
ungeeignete Betreuungsperson (welche z.B. alkoholisiert ist oder bereits Gewalttätigkeiten
an Kindern verübt hat). Bei diesem Subtyp geht es eher um Risikofaktoren die aus einer
mangelnden Aufsicht resultieren, welche das Kind gefährden (können) - unabhängig davon,
ob daraus tatsächlich Schädigungen hervorgehen - ergänzt um Situationen mit unkritischer
oder unzureichender Gefährdungseinschätzung durch die Bezugsperson.
Für die Einschätzung des individuellen Schweregrades sind insbesondere folgende Aspekte
zu berücksichtigen: die Zeitspanne der fehlenden bzw. inadäquaten Beaufsichtigung in
Relation zum Entwicklungsstand des Kindes, potentielle Gefahren der physischen
Umgebung (z.B. Glasscherben, ungesicherte Steckdosen; dies ist von Mangelnder
Versorgung im Sinne hygienischer Bedingungen abzugrenzen) sowie die Eignung der
(stellvertretenden) Betreuungsperson. Die Zeiträume und Altersangaben in den Beispielen
sollen dabei als Orientierung zur Abwägung im Einzelfall dienen.
Schweregrad 1: Das Kind ist für kurze Zeiträume nicht angemessen beaufsichtigt (weniger
als 3 Stunden), bei keiner unmittelbaren Gefahrenquelle in der Umgebung.
Beispiele: ein 8-jähriges Kind wird tagsüber für einige Stunden allein gelassen; Vorschüler
spielen für einige Stunden tagsüber allein draußen bzw. werden nur durch ein 8-jähriges
Kind betreut (Hinweis: ggf. noch Emotionale Misshandlung für das 8-Jährige prüfen, falls
unangemessen hohe Verantwortungsübernahme von diesem erwartet wurde).
Schweregrad 2: Das Kind ist ohne unmittelbare Gefahrenquelle in der Umgebung über
mehrere (ca. 3 bis 8) Stunden nicht angemessen betreut oder ist für kürzere Zeiträume (bis
zu 3 Stunden) nicht angemessen beaufsichtigt während es auf unsicherem Spielgelände
spielt.
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Beispiele: das Kind wird häufig über den Tag allein gelassen; ein Säugling wird über mehrere
Stunden von einem 8-jährigen Kind betreut (Säugling=Schweregrad 2, Kind=Schweregrad 1,
ggf. noch Emotionale Misshandlung für das ältere Kind; siehe unten); es wird zugelassen,
dass das Kind unbeaufsichtigt in einer gefährlichen Gegend spielt (z.B. Glasscherben).
Schweregrad 3: Das Kind ist über längere Zeiträume (3-8 Stunden) nicht angemessen
betreut oder spielt für mehrere Stunden auf unsicherem Spielgelände.
Beispiele: das Kind wird nachts allein gelassen; das Kind ist in Obhut einer wenig
vertrauenswürdigen Person (die z.B. Drogen nimmt* oder Alkohol trinkt).
Schweregrad 4: Das Kind wird über weitreichende Zeiträume (z.B. über Nacht oder 10 bis
12 Stunden) nicht angemessen betreut. Es wird zugelassen, dass das Kind in einer
gefährlichen Gegend spielt, wo z.B. eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, vom Auto
angefahren zu werden, aus dem Fenster zu fallen oder zu ertrinken. Ein Kind mit
bekanntermaßen destruktivem Hintergrund (z.B. Brandstiftung, Suizidgedanken) wird
unbeaufsichtigt gelassen.
Beispiele: ein Grundschulkind wird über Nacht allein gelassen; das Kind spielt an einer stark
befahrenen Straße oder auf einem Häuserdach; die Betreuung wird einer Person übergeben,
bei der gewalttätige/ sexuelle Handlungen gegenüber Kindern bekannt sind.
Schweregrad 5: Das Kind wird für mehr als 12 Stunden nicht angemessen betreut oder in
eine lebensbedrohliche Situation gebracht.
Beispiele: ein Vorschulkind wir 24 Stunden allein gelassen; das Kind wird zuhause
rausgeworfen ohne Vorbereitung eines alternativen Lebensraums; eine Kleinkind spielt
unbeaufsichtigt in der Nähe eines Swimmingpools.
Fallbeispiel: Der einjährige Max spielt unbeaufsichtigt bzw. mit seinen Geschwistern (max.
10 Jahre alt) auf der Straße und an Bahngleisen: Schweregrad 4, da die Eltern zulassen,
dass die Kinder in einer gefährlichen Gegend spielen. (Gleichzeitig ist für das älteste
Geschwisterkind ggf. Emotionale Misshandlung in Erwägung zu ziehen (sofern hier ebenfalls
eine Einschätzung erfolgen soll), wenn erwartet wurde, dass sie auf die jüngeren
Geschwister acht gibt wegen unangemessener Verantwortung für (mehrere) Kleinkinder;
siehe unten.)Die hohen Gefahrenquellen in der Wohnung, welche aus Sicht des ASD eine
Kindeswohlgefährdung begründen werden mit Schweregrad 2 erfasst.
1.1.5 Emotionale Misshandlung ist der mit Abstand am schwierigsten zu definierende
Subtyp, bei welchem basale emotionale kindliche Bedürfnisse, z.B. nach psychischer
Sicherheit und Geborgenheit, Akzeptanz und positiver Aufmerksamkeit, altersgemäßer
Selbständigkeit im Sinne von Gelegenheiten, die Umgebung zu erkunden und außerfamiliäre
Beziehungen zu knüpfen, vereitelt werden. Auch das Fehlen einer konstant verfügbaren
14
Bezugsperson sowie häusliche Gewalt (z.B. Beobachtung verbaler und/ oder physischer
Gewalt an bzw. zwischen Bezugspersonen) gehört in diesen Bereich.
Nahezu alle Fälle von Misshandlung und Vernachlässigung ziehen emotionale Folgen nach
sich. Der naheliegenden Schlussfolgerung, jedes Vorkommnis zugleich auch als Emotionale
Misshandlung aufzufassen wird im MCS begegnet, indem Emotionale Misshandlung sich auf
andauernde oder extreme Vernachlässigung emotionaler kindlicher Bedürfnisse bezieht.
Missbrauchshandlungen können ausschließlich als Emotionale Misshandlung oder aber in
Verbindung mit anderen Subtypen erfasst werden. Um Emotionale Misshandlung von
anderen Subtypen abzugrenzen oder mögliche Überschneidungen aufzuzeigen sollen
folgende Ein- und Ausschlusskriterien spezifiziert werden:
Eine Schnittstelle von Emotionaler und Körperlicher Misshandlung betrifft körperliche
Beschränkungen bzw. Freiheitsberaubung des Kindes. Da diese das kindliche
Autonomiebedürfnis gefährden werden sie als Emotionale Misshandlung aufgefasst. Führen
solche Handlungen weiterhin zu körperlichen Verletzungen werden sie als Emotionale und
als Körperliche Misshandlung aufgenommen. Der Umgang mit der Erfassung Sexuellen
Missbrauchs ebenfalls als Emotionale Misshandlung ist im Abschnitt zu Sexuellem
Missbrauch ausgeführt. In Fällen von Verlassen des Kindes durch die Bezugsperson (z.B.
zurücklassen des Kindes bei Verwandten ohne Angabe des eigenen Aufenthaltsortes) wird
als Emotionale Misshandlung erfasst. Wird das Kind jedoch ohne Vorkehrung zur
Beaufsichtigung und Verpflegung allein gelassen, so ist dies zusätzlich als Körperliche
Vernachlässigung (Mangelnde Beaufsichtigung sowie Mangelnde Versorgung) zu werten.
Schweregrad 1: Vom Kind wird erwartet oder es wird dazu aufgefordert, häufig ein
unangemessen hohes Maß an Verantwortung für jüngere Kinder zu übernehmen. Die
Beziehungen des Kindes zu anderen ihm wichtigen Personen werden untergraben (z.B.
durch häufig abfällige Bemerkungen über das andere Elternteil); das Kind selbst wird
verhöhnt, erniedrigt, mit Schimpfworten bezeichnet, verängstigt und eingeschüchtert oder
ignoriert (z.B. auf das Schreien eines Säuglings wird grundsätzlich nicht reagiert).
Beispiele: ein 10-jähriges Kind hat die Verantwortung für ein Kleinkind zu übernehmen; die
Bezugsperson hat kein Interesse an den Leistungen des Kindes; ein Elternteil bricht den
vereinbarten Umgang abrupt ab*.
Schweregrad 2: Die Bezugsperson lässt keine altersangemessene Sozialisierung zu, das
Kind darf z.B. nicht mit Schulfreunden spielen. Es findet eine Rollenumkehr zwischen Eltern
und Kind statt, wobei erwartet wird, dass das Kind sich um den Erwachsenen kümmert. Dem
Bedürfnis nach Zuneigung wird keine Beachtung geschenkt oder es zurückgewiesen, wobei
es sich um ein chronisches Verhaltensmuster handelt. Es wird zugelassen, dass das Kind
einem extremen, aber nicht gewalttätigen Ehestreit beiwohnt.
15
Beispiele: die Bezugsperson verhält sich passiv bzw. jegliche Interaktionen zwischen Eltern
und Kind sind harsch und kritisch; das Kind darf nach der Schule nicht mit Freunden spielen,
da das Elternteil selbst Gesellschaft braucht; eine Elternteil schreit, beschimpft und beleidigt
den Partner vor dem Kind.
Schweregrad 3: Dem Kind wird vorgeworfen, Schuld an Ehe- oder Familienproblemen, z.B.
Scheidung, zu sein. Das Kind wird mit entwürdigenden Worten beschimpft oder ernsthaft und
überzeugend bedroht. Die Hände oder Füße des Kindes werden gefesselt (ca. 2-5 Stunden),
wobei das Kind nicht unbeaufsichtigt ist. Das Kind wird extremen, unvorhersagbaren und/
oder unangemessenen Handlungen ausgesetzt, z.B. Gewalttaten anderen
Familienmitgliedern gegenüber.
Beispiele: die Bezugsperson schreit das Kind regelmäßig an, beschimpft es oder weist es
ständig zurück; dem Kind wird gedroht, dass es aus dem Fenster geworfen wird; die
Bezugsperson droht dem Kind mit Heim*; das Kind ist anwesend, wenn ein Geschwisterkind
stark körperlich misshandelt wird*.
Schweregrad 4: Die Bezugsperson droht im Beisein des Kindes mit Selbstmord oder dem
Verlassen des Kindes. Das Kind erlebt extreme häusliche Gewalt, bei der eine
Bezugsperson ernsthaft verletzt wird. Das Kind wird beschuldigt, für den Selbstmord oder
Tod eines Familienmitglieds verantwortlich zu sein. Das Kind wird für 5-8 Stunden
eingesperrt oder für weniger als 2 Stunden gefesselt oder körperlich „stark eingeengt“ (starke
Bewegungseinschränkung, Temperatur, Luftzufuhr oder Licht stark gemindert), z.B. in eine
Kiste gesperrt.
Beispiele: das Kind beobachtet einen Streit der Eltern, nachdem die Mutter im Krankenhaus
behandelt werden muss; das Kind wird als Strafe für 10 Stunden in einem Raum
eingeschlossen; die Eltern sagen dem Kind, es solle zur Adoption freigegeben werden, da es
schlecht ist.
Schweregrad 5: Die Bezugsperson vollzieht einen Selbstmordversuch im Beisein des
Kindes, versucht, das Kind umzubringen oder droht damit, ohne es tatsächlich zu verletzen.
Die Bezugsperson verlässt das Kind für mehr als 24 Stunden, ohne Angabe, wann bzw. ob
sie zurückkommt und wo sie sich aufhält. (Hier ggf. noch Mangelnde Beaufsichtigung und/
oder Mangelnde Versorgung erfassen, es sei denn, es wurden entsprechende Vorkehrungen
getroffen.) Das Kind wird durch extrem restriktive Methoden für mehr als 2 Stunden gefesselt
oder stark eingeengt bzw. für ausgedehnte Zeiträume (mehr als 8 Stunden) auf engem
Raum (z.B. Kammer) eingesperrt.
Beispiele: die Bezugsperson nahm eine Überdosis Schlaftabletten im Beisein des Kindes
und sagte, ein Leben mit ihm sei nicht auszuhalten; die Mutter hinterlässt die Kinder bei der
Großmutter ohne Auskunft über ihren Aufenthaltsort und Aussage, wann/ ob sie
16
wiederkommen würde; das Kind wird für zwei Tage mit einem Hundehalsband in der
Wohnung angekettet.
Im Fallbeispiel wird zunächst von psychischer Gewalt und Beleidigungen gegen Max und
seine Geschwister berichtet: Schweregrad 1 aufgrund der beschriebenen Regelmäßigkeit.
Später werden massive verbale und körperliche Ausbrüche des Vaters gegenüber den
Kindern und der Mutter beschrieben: Schweregrad 3, da es zu gewalttätigen Ausbrüchen
des Vaters gegenüber anderen Familienmitgliedern kommt und davon auszugehen ist, dass
Max diese Gewalttätigkeiten miterlebt hat. Der 4-jährige Max wird vom späteren Partner der
Mutter als Strafe für sein regelmäßiges Einnässen mehrere Male kalt abgeduscht. Bei
Ungehorsam fesselte dieser ihn am Stuhl und der Mund wurde mit Klebeband zugeklebt. Die
Mutter duldete diese Vorgehensweisen ohne einzuschreiten: Schweregrad 4 aufgrund des
Fesselns und der verminderten Luftzufuhr. Bei genaueren Angaben zur zeitlichen Dauer
könnte auch Schweregrad 5 in Betracht gezogen werden.
1.1.6 Moralisch-rechtlich-erzieherische Misshandlung liegt vor, wenn eine Bezugsperson
das Kind illegalen Handlungen oder anderen Aktivitäten aussetzt, welche kriminelles oder
antisoziales Verhalten fördern oder das Kind in solche involviert.
Schweregrad 1: Das Kind darf Aktivitäten von Erwachsenen beiwohnen, für die es eigentlich
noch zu jung ist.
Beispiele: das Kind wird mit auf Partys oder in Kneipen genommen, wo Alkohol getrunken
wird (wobei eindeutig keine familiäre Situation vorliegt); das Kind darf nicht altersgerechte
Medien nutzen (z.B. ein 7-Jähriger PC-Spiele ab FSK 16)*.
Schweregrad 2: Die Bezugsperson betreibt illegale Geschäfte und das Kind weiß davon
(z.B. Diebstahl).
Beispiele: Kind war bei Drogengeschäften anwesend; Konsum illegaler Drogen durch die
Eltern in Gegenwart des Kindes*.
Schweregrad 3: Die Bezugsperson weiß um illegale Aktivitäten des Kindes und unternimmt
nichts dagegen (z.B. Diebstahl, Alkoholkonsum).
Beispiel: Eltern wurden über Ladendiebstahl informiert, nehmen aber keinen Einfluss auf ihr
Kind.
Schweregrad 4: Die Bezugsperson ermutigt das Kind zu Straftaten oder erzwingt diese (z.B.
Aufforderung zu Diebstahl oder Drogenkonsum).
Beispiel: Kind soll Lebensmittel in einem Supermarkt stehlen.
Schweregrad 5: Das Kind wird in Verbrechen (z.B. bewaffneten Überfall, Entführung)
einbezogen.
17
Beispiel: Kind wird in Drogenverkauf oder bewaffnete Konflikte mit einbezogen.
1.1.7 Bildungsbezogene Misshandlung liegt vor wenn die Bezugsperson nicht für ein
minimales Maß an Unterstützung sorgt, die das Kind benötigt um sich in der Gesellschaft
zurecht zu finden. Dies umfasst z.B. eine angemessene Ausbildung und die Sorge dafür,
dass es regelmäßig zur Schule geht.
Schweregrad 1: Das Kind darf (nicht aus Krankheitsgründen) oft zuhause bleiben, wobei die
Abwesenheitszeiten weniger als 15% der Gesamtschulzeit betragen.
Beispiele: das Kind hat 29 unentschuldigte Fehltage; die Eltern lassen zu, dass das Kind
häufig deutlich zu spät kommt (aber weniger als 50% der Schultage)*.
Schweregrad 2: Das Kind versäumt 15-25% der Schulzeit (nicht aufgrund von Krankheit).
Beispiel: das Kind versäumt Schule, um auf jüngere Geschwister aufzupassen.
Schweregrad 3: Die Bezugsperson behält das Kind zu Hause oder weiß um das
Schwänzen und interveniert nicht. Dies betrifft 26-50% der Schultage im Jahr oder mehr als
16 Tage am Stück).
Beispiel: Kind fehlt unentschuldigt drei Wochen in Folge.
Schweregrad 4: Die Bezugsperson lässt zu, dass das Kind mehr als 50% der Schulzeit oder
mehr als drei Wochen in Folge nicht zur Schule geht.
Beispiele: die Familie ist mehrfach umgezogen, jedes Mal fehlt das Kind große Zeitraume in
der Schule; das Kind ist in Schule angemeldet, hat jedoch mehr als die Hälfte des
Schuljahres verpasst.
Schweregrad 5: Die Bezugsperson ermutigt das Kind zum Schulabbruch oder schickt es
erst gar nicht zur Schule.
Beispiel: das Kind ist nicht in der Schule angemeldet (jedoch kein Ruhen der Schulpflicht
oder Teilnahme an alternativem Schulprojekt).
2.2 Entwicklungsperioden
Die Folgen von Misshandlung und Vernachlässigung stehen in engem Zusammenhang mit
den gerade vorherrschenden Entwicklungsbedürfnissen und dem Alter des Kindes oder
Jugendlichen (Cicchetti; Valentino 2006). Daher stellt die Berücksichtigung des
Entwicklungsaspektes eine bedeutsame Dimension für die Beschreibung und
Charakterisierung der Misshandlungserfahrung dar. Im Rahmen des Forschungsprojektes
AMIS wurden die Entwicklungsperioden entsprechend der bereits existierenden Literatur
zum MCS (vgl. Cicchetti; Valentino 2006) sowie gängigen Phasentheorien der
Entwicklungspsychologie (vgl. Schneider; Lindenberger 2012) in folgende
Entwicklungsabschnitte eingeteilt: Säuglingsalter (0 bis unter 18 Monate), Kleinkindalter (18
18
Monate bis unter 3 Jahre), Vorschulalter (3 bis unter 6 Jahre), Frühe Schulzeit (6 bis unter 8
Jahre), Späte Schulzeit (8 bis unter 13 Jahre) und Jugendalter (ab 13 Jahre).5
Weiterhin bedeutsam ist, dass das Alter des Kindes entscheidend ist, ob und in welchem
Schweregrad bestimmte Subtypen von Misshandlung oder Vernachlässigung vorliegen. Vor
allem bei den Subtypen Mangelnde Versorgung, Mangelnde Beaufsichtigung und
Emotionale Misshandlung ist eine altersgemäße Auslegung des Subtyps erforderlich.
Beispielsweise wird beim Subtyp Mangelnde Beaufsichtigung die Einschätzung als
Vernachlässigung sowie der Schweregrad u.a. von der jeweiligen Entwicklungsstufe des
Kindes beeinflusst. So wird ein Vorkommnis höher eingestuft, je jünger (und damit potentiell
gefährdeter) ein Kind ist.
2.3 Häufigkeit und Chronizität
Eine andere bedeutsame Dimension des MCS stellt die Zeitspanne dar, in der ein Kind
Misshandlung oder Vernachlässigung ausgesetzt war. In der ursprünglichen Fassung des
MCS wurde die Häufigkeit als die absolute Anzahl der Akteneinträge bzw. Ereignisse von
Misshandlung und Vernachlässigung ausgewertet (vgl. Barnett u.a. 1993). Dadurch kam es
in Abhängigkeit der Anzahl der vorhandenen Akteneinträge und dem Alter des Kindes zu
einer hohen Varianz zwischen den Fällen. In der AMIS-Studie wurde diese Auswertung in
Anlehnung an Manly (2005) vereinfacht und am Entwicklungsalter des Kindes standardisiert,
indem für jede Entwicklungsperiode (EWP) die Häufigkeit eines Ereignisses auf einer
dreistufigen Skala erfasst wird. Dabei steht (1) für ein einmaliges Ereignis innerhalb dieser
EWP, (2) für wiederholte bzw. andauernde Ereignisse, welche jedoch an weniger als 50 %
der Tage in der EWP auftraten und (3) für sehr häufige bzw. andauernde Ereignisse, welche
an mehr als 50 % der Tage in der EWP auftraten.
Anhand dessen lässt sich die Chronizität von Misshandlungserfahrungen über mehrere
Entwicklungsperioden hinweg darstellen (Manly 2005) und somit als eine wesentliche
Dimension der Misshandlungserfahrungen des Kindes beschreiben. Chronizität kann sowohl
nach Subtypen und Tätern differenziert ausgewertet werden. Barnett u.a. (1993) wählten
auch für die Chronizität ursprünglich eine breitere Definition als die Zeit, in der die Familie
durch das Jugendamt unterstützt wurde. Die Auswertung nach Anzahl der betroffenen
Entwicklungsperioden sowie die Häufigkeit und Dauer der Ereignisse ist jedoch ein
genauerer Indikator für die Beschreibung der psychischen und sozialen Folgen von
Misshandlung und Vernachlässigung (vgl. Manly 2005). So konnte in einer Untersuchung
von Bolger und Patterson (2001) gezeigt werden, dass chronisch misshandelte Kinder
5 Im MCS wurden ursprünglich folgende Entwicklungsperioden unterschieden: 0 bis unter 6 Monate, 7
bis 11 Monate, 1 bis 1,5 Jahre, 1,5 bis 3 Jahre, 3 bis 5 Jahre, 6 bis 7 Jahre, 8 bis 10 Jahre, 11 bis 13 Jahre, über 13 Jahre; vgl. Barnett u.a. 1993). Die in AMIS verwendete, grobkörnigere sechsstufige Einteilung hat sich jedoch im Zuge der Forschung von Cicchetti und Kollegen durchgesetzt (vgl. Manly u.a. 2001).
19
aggressiveres Verhalten zeigten und dadurch weniger beliebt bei ihren Altersgenossen
waren.
2.4 Täter
Die Bedeutung einer Misshandlungserfahrung wird beeinflusst durch die Identität des Täters
und die Beziehung, in der dieser zu dem Kind steht.
Im MCS werden ausschließlich Personen als „Täter“ erfasst, die zum Auftreten der
Misshandlung beitragen sowie zum Kind in einer Verantwortungsposition stehen. Hierbei
findet eine Unterscheidung statt zwischen eng gefasster Definition des Täters im häuslichen
Umfeld (primäre Bezugsperson) und breit gefasster Definition des Täters in verschiedenen
Kontexten (z.B. Babysitter, Schulpersonal, Heimmitarbeiter). Im MCS wird beides erfasst,
wobei grundlegend gilt, dass der Täter in einer verantwortlichen Position gegenüber dem
Kind stehen muss. Dies ist naturgemäß bei den leiblichen Eltern, Stiefeltern, Großeltern
sowie anderen erwachsenen Familienmitgliedern/ Verwandten bzw. jugendlichen
Geschwistern, deren Altersabstand zum Misshandlungsopfer bedeutend ist, der Fall. Nicht-
Familienangehörige werden als Bekannte erfasst, wenn sie in der Situation für das Kind (mit-
)verantwortlich waren, z.B. Babysitter, Freund/ Partner eines Elternteils, Verantwortliche
aufgrund institutioneller Beziehungen (Lehrer, Erzieher etc.) Ausschließlich bei Sexuellem
Missbrauch werden auch Fremde (d.h. die Identität des Täters ist bekannt, dieser war bis
dahin der Familie aber fremd) oder Unbekannte (d.h. der Täter konnte nicht bestimmt
werden) als Täter im Sinne des MCS erfasst, ohne dass dieser zwangsläufig in einer
Verantwortungsrolle gegenüber dem Opfer stand. Der Gebrauch des Täterbegriffs ist
demnach als eher weit zu verstehen, da er auch diejenigen Personen umfasst, die, wie im
Falle der Mangelnden Beaufsichtigung bzw. Versorgung, durch ihr passives Unterlassen
fürsorglicher Handlungen indirekt zum Eintreten der Misshandlung beitragen bzw. durch ihr
indirektes Zutun oder billigendes Verhalten, wie im Falle einer Bezugsperson, die ihren
momentanen Lebenspartner mehrfach nicht daran hindert bzw. dazu ermutigt das eigene
Kind körperlich oder emotional zu strafen, die Körperliche oder Emotionale Misshandlung
begünstigen.
Fallbeispiel: Täter Körperlicher Misshandlungen von Max waren seine Eltern, der spätere
Lebenspartner der Mutter sowie ein Mitarbeiter im Heim. Körperliche Vernachlässigung
(Mangelnde Versorgung sowie Mangelnde Beaufsichtigung) erfuhr Max durch seine Eltern
sowie Emotionale Misshandlung ebenfalls durch die Eltern und den späteren Lebenspartner
der Mutter.
20
3. Erfahrungen in der Anwendung des MCS
Die erstmalige Anwendung mit Übersetzung und Adaption des MCS im deutschsprachigen
Raum erfolgt innerhalb des Forschungsprojektes AMIS als Erhebungsinstrument zur Analyse
der Interviews mit der Bezugsperson und der Dokumentation am Amt für Jugend, Familie
und Bildung in Leipzig seit August 2012. Im Vorfeld fand eine mehrtägige Expertenschulung
durch die Klinische Direktorin des Mt. Hope Family Centers, Dr. Jody Todd Manly, eine der
Autorinnen des Systems, statt um das Verständnis des Instruments und seine korrekte
Anwendung sicherzustellen. Anschließend wurde das MCS durch die AMIS-Mitarbeiterinnen
und -mitarbeiter ins Deutsche übersetzt und pilotiert. Auch wenn es das Anliegen des MCS
ist, objektive Daten zu erheben, sind kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede in der
Auffassung und Abgrenzung bestimmter Subtypen einzubeziehen. Daher wurden einige
wenige Aspekte an hiesige Verhältnisse zum Original adaptiert.6
Beispielsweise wurde beim Subtyp Körperliche Misshandlung (Kap. 2.1.1) für den
Schweregrad 2 eine Anpassung der US-Fassung an die erzieherischen Gepflogenheiten in
Deutschland vorgenommen. Im Original wird das Schlagen eines Kindes mit Gegenständen
(z.B. Gerte, Gürtel) mit einer 1 kodiert (Barnett u.a. 1993, S. 55). Nach Diskussion innerhalb
des multidisziplinären AMIS-Forschungsteams wird für derartige Vorkommnisse eine höhere
Einstufung (Schweregrad 2) vorgenommen, wenn das Kind mit einem Gegenstand
geschlagen wurde und Verletzungen erlitt, die jedoch nicht medizinisch
behandlungsbedürftig waren.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die begriffliche Übersetzung des Subtyps Mangelnde
Beaufsichtigung, die letztendlich jedoch sehr nah an der englischen Vorlage orientiert ist. In
der deutschen Übersetzung (engl. „Lack of Supervision“) wird der Begriff der Mangelnden
Beaufsichtigung verwendet, da neben (rechtlich relevanten) Aspekten einer Verletzung der
Aufsichtspflicht auch Situationen erfasst werden, in denen eine fahrlässige Gefährdung des
Kindes durch bzw. trotz anwesender Bezugsperson (z.B. aufgrund einer fragwürdigen
Gefahreneinschätzung) vorliegt. Außerdem wurden im Lauf des Forschungsprojekts weitere
Beispiele ins Manual aufgenommen, welche den Aktendokumentationen sowie den
geführten Interviews mit der Bezugsperson entstammen und das MCS somit näher an der
Praxis der Kinder- und Jugendhilfe ausrichten.
Im MCS wird der Täterbegriff trotz gewisser Vorbehalte (z.B. hinsichtlich des Themas
Schuldzuweisung) zwecks größtmöglicher Übereinstimmung mit dem amerikanischen
Original („Perpetrator“) verwendet. Insgesamt gilt, dass der Täterbegriff nicht im engen
juristischen Sinne definiert wird und ebenfalls nicht die Problematik einer endgültigen
6 Die möglichst hohe Übereinstimmung des Systems mit dem Originalsystem ist von enormer
Bedeutung, da Ergebnisse aus der Vielzahl an internationalen Forschungsvorhaben nur bei vergleichbaren Definitionen von Misshandlung bzw. Vernachlässigung gut auf Deutschland übertragbar bleiben.
21
Ursachenzuschreibung leugnen soll, zumal es sich bei Täterinnen und Tätern
bekanntermaßen häufig selbst um Opfer von Misshandlung handelt und dementsprechend
eine intergenerationale Verursachung vorliegt (Widom 1989).
4. Besonderheiten des MCS
Wie in der Einleitung bereits benannt wurde das Thema Misshandlung in der deutschen
Forschungslandschaft lange vernachlässigt (Fegert; Spröber 2012) und ein einheitliches an
internationalen Standards orientiertes Klassifikationssystem zur Erfassung von
Kindeswohlgefährdung fehlt. Das MCS kann anhand von klaren Definitionskriterien den
Grundstein für eine einheitliche Definition von Misshandlungs- und
Vernachlässigungserfahrungen in Forschung und Praxis in unterschiedlichen disziplinären
Kontexten legen. Zugleich nimmt das System dabei eine breite und objektive Erfassung von
Misshandlung und Vernachlässigung vor.
Die Einordnung von Ereignissen, welche Kindesmisshandlung und Vernachlässigung
widerspiegeln, erfolgt nach langjähriger Forschung praxisnah und anwenderfreundlich
anhand von konkreten Beispielen innerhalb des MCS. Besonders die Emotionale
Misshandlung ist als eigenständiger Subtyp und in seinem Ausmaß schwierig zu erfassen
und von anderen Kategorien wie Körperliche Misshandlung oder Vernachlässigung
abzugrenzen. Das MCS hat es geschafft eine Definition zu finden, die Emotionale
Misshandlung einerseits als eigenen Subtyp abgrenzt, andererseits aber auch
Überschneidungen herausstellt. Nach dem MCS zählt hierunter vor allem das Beiwohnen
verbaler oder physischer Gewalt an bzw. zwischen Bezugspersonen (Stichwort „häusliche
Gewalt“). Ein anderes typisches Beispiel ist die Rollenumkehr zwischen einem
Erwachsenem und dem Kind (Parentifizierung), wenn sich das Kind um die Bezugsperson zu
kümmern hat (siehe hierzu 1.1.5).
Während bestimmte Subtypen wie z.B. körperliche Misshandlung in Forschung und Praxis
gut beschrieben sind, wurden andere Formen, insbesondere Vernachlässigung und
emotionale Misshandlung, lange Zeit wenig untersucht. Bei beiden Formen handelt es sich
um die bedeutsamsten und am häufigsten auftretenden Subtypen innerhalb des MCS (vgl.
Barnett u.a. 1993) mit Auswirkungen auf die kindliche psychische Entwicklung. So zeigen
chronisch vernachlässigte Kinder vor allem internalisierende Symptome wie z.B. depressive
Symptome oder Ängste (Manly u.a. 2001). Laut einer Untersuchung an 200 Familien von
Kindern mit Misshandlungserfahrungen lag in 75% der Fälle mehr als ein Subtyp von
Misshandlung und Vernachlässigung vor (Barnett u.a. 1993). Die am häufigsten gleichzeitig
vorkommenden Subtypen waren Körperliche Misshandlung, Körperliche Vernachlässigung
und Emotionale Misshandlung. Ebenso stehen verschiedene Subtypen in Zusammenhang
mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung. So zeigen beispielsweise
22
körperlich misshandelte Kinder im Vergleich zu Kindern ohne Misshandlung bzw. mit
anderen Subtypen von Misshandlung/ Vernachlässigung mehr externalisierende
Auffälligkeiten (u.a. Aggressionen in ihrem sozialen Umfeld).
Das MCS grenzt sich von anderen, bereits bestehenden Klassifikationen von Misshandlung
und Vernachlässigung ab. Innerhalb der Kategorisierung nach Münder, Mutke und Schone
(2000, S. 47), welche den Begriff Kindeswohlgefährdung in vier zentrale Formen einordnen
und definieren (Vernachlässigung, Körperliche Misshandlung, Sexueller Missbrauch und
Seelische Kindesmisshandlung), wurde beispielsweise keine Abstufung des Ausmaßes
vorgenommen, welche das MCS durch den Schweregrad bietet.
Das MCS ist nicht in erster Linie im Sinne eines Screenings oder eines Instruments zu
Verdachtsabklärung in (möglichen) Kinderschutzfällen konzipiert (wie gängige und in der
Praxis der Jugendhilfe verwendete Modelle, z.B. der Stuttgarter Kinderschutzbogen, welcher
in vielen Jugendämtern als Grundlage für die Erarbeitung eigener standardisierter Modelle
diente, vgl. Reich 2004). Es zielt vielmehr darauf, eine Einschätzung der vorliegenden
Informationen im Zusammenhang mit Misshandlung oder Vernachlässigung hinsichtlich
verschiedener, für die (psychische) Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen bedeutsamen
Dimensionen (Subtyp, Schwere, Zeitpunkt im Hinblick auf Lebensalter des Kindes bzw.
Jugendlichen, Häufigkeit/ Chronizität, Täterschaft) sowie Risikofaktoren vorzunehmen. Damit
stellt es ergänzend ein hilfreiches Werkzeug sowohl im Diagnostik- als auch im
Entscheidungsprozess hinsichtlich geeigneter und notwendiger Interventionen sowie der
(weiteren) Hilfeplanung dar.
Eine weitere Besonderheit des MCS ist die Unterscheidung verschiedener
Entwicklungsperioden nach altersrelevanten Aspekten der Entwicklung im sozioemotionalen
Bereich, bei der vor allem Bindung, Emotionsregulation, Selbstwahrnehmung, Beziehungen
zu Gleichaltrigen, sprachliche Entwicklung und moralisches Denken (Barnett u.a. 1993) eine
Rolle spielen. Da die Folgen von Misshandlung und Vernachlässigung in einem engen
Zusammenhang mit den momentan gegebenen Entwicklungsbedürfnissen und dem Alter
des Kindes oder des Jugendlichen stehen (Cicchetti; Valentino 2006), stellt die
Berücksichtigung des Entwicklungsstandes des Kindes eine besondere Dimension für die
Beschreibung der Schwere dar. Eine gezielte Einbeziehung möglicher früherer
Misshandlungs- bzw. Vernachlässigungserfahrungen in die aktuelle Interventions- und
Hilfeplanung wird durch die Einbeziehung des Lebensalters zum Zeitpunkt der
Misshandlungs- bzw. Vernachlässigungserfahrungen anhand der Entwicklungsperioden des
MCS gewährleistet.
23
5. Ausblick
Das MCS stellt eine Chance dar, Informationen verschiedener Informanten und Quellen,
welche Misshandlungs- und Vernachlässigungserfahrungen eines Kindes beschreiben,
innerhalb eines Systems zu bündeln und durch ein international anerkanntes, einheitliches
Klassifikationssystem ein kohärentes, möglichst objektives Bild der Vorkommnisse zu
erstellen. Es bietet in einer praxisnahen Anwenderfreundlichkeit eine präzise und konkrete
Hilfestellung innerhalb des Diagnostikprozesses nicht nur der Kinder- und Jugendhilfe. Dies
begründen die benannten Besonderheiten, welche das MCS von anderen bisherigen
Kategorisierungen abgrenzen und es so zu einem innovativen System machen.
Das MCS ist vor allem aufgrund der eingefügten Beispiele praxisnah und
anwenderfreundlicher als andere Kategorisierungen. Die Einordnung der Schwere der
Situation stellt in der praktischen Arbeit immer wieder eine fachliche Herausforderung dar
und gleichzeitig einen entscheidenden Indikator für die Notwendigkeit, die Auswahl und den
Umfang anschließender Maßnahmen. Das MCS nimmt diesbezüglich wissenschaftlich
fundiert eine Einordnung vor. Dies ist beispielsweise für Familiengerichte bedeutsam. Hier
wird der Frage nachgegangen, auf welcher Grundlage die Einordnung der Art und Schwere
des Vorkommnisses zustande kam.
Bis heute gibt es in der deutschen Kinder- und Jugendhilfe keine wissenschaftlich fundierte
Kategorisierung von Kindeswohlgefährdung (Aberle 2011). Ähnliches gilt für die deutsche
Forschungslandschaft, in der ebenfalls kein vergleichbares System zur Erfassung von
Kindesmisshandlung und Vernachlässigung vorliegt. Zusammengefasst bildet das MCS als
Baustein im Gesamtkontext der Kinder- und Jugendhilfe eine Möglichkeit als
fallübergreifende Grundlage bzw. Schnittstelle zwischen verschiedenen Professionen und
Institutionen zu fungieren und kann damit sowohl für die praktische Arbeit als auch für
Forschungsvorhaben im Bereich Kindesmisshandlung und -vernachlässigung ein relevantes
Instrument sein.
Für eine mögliche Implementierung in Deutschland ist zu beachten, dass keine vorbehaltlose
Assimilation deutscher Verhältnisse an amerikanische Wertesysteme erfolgen sollte
(insbesondere im Hinblick auf körperliche Misshandlung). Hierfür bietet das MCS die
einzigartige Möglichkeit der Intensivierung des internationalen Austauschs im Forschungs-
und Praxisbereich, indem es einen umfassenden Ansatz darstellt, den stetigen Prozess der
Qualitätsfindung und Qualitätsentwicklung als Informationsquelle innerhalb eines
Diagnoseverfahrens sowie der interdisziplinären Zusammenarbeit im Bereich des
Kinderschutzes zu fördern.
24
6. Literatur
Aberle, Lisa: Kindeswohlgefährdung – Diagnostik am Beispiel internationaler Instrumente,
2011
Barnett, Douglas; Manly, Jody T.; Cicchetti, Dante: Defining child maltreatment: The
interface between policy and research. In: Cicchetti; Dante; Toth, Sheree L. (Hrsg.): Child
abuse, child development, and social policy. Norwood, NJ 1993
Bolger, Kerry E.; Patterson, Charlotte J.: Developmental pathways from child maltreatment
to peer rejection. Child Development, 72/2001, S. 549-568
Cicchetti, Dante; Toth, Sheree. L.; Manly Jody T.: Maternal Maltreatment Interview.
Unpublished manuscript. NY: Rochester 2003
Cicchetti, Dante; Valentino, Kristin: An ecological transactional perspective on child
maltreatment: Failure of the average expectable environment and its influence upon child
development. In: Cicchetti, Dante; Cohen, Donald J. (Hrsg.): Developmental
psychopathology. Risk, disorder, and adaptation. New York 2006
Dubowitz, Howard; Bennett, Susan: Physical abuse and neglect of children. In: The Lancet,
369/2007, S. 1891–99
Fegert, Jörg M.; Spröber, Nina: Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch. In:
Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Berlin Heidelberg 2012, S.
569-595
Manly, Jody T.: Advances in research definitions of child maltreatment. In: Child abuse &
neglect, 29/2005, S. 425-439
Manly, Jody T.; Kim, Jungmeen E.; Rogosch, Fred A.; Cicchetti, Dante: Dimensions of
child maltreatment and children's adjustment: Contributions of developmental timing and
subtype. In: Development and psychopathology, 13/2001, S. 759-782
Meysen, Thomas; Schönecker, Lydia; Kindler, Heinz: Frühe Hilfen im Kinderschutz,
Rechtliche Rahmenbedingungen und Risikodiagnostik in der Kooperation von Gesundheits-
und Jugendhilfe, Weinheim und München 2009
Mörseberger, Thomas: Schutzauftrag gem. § 8 a SGB VIII als “Dienst nach Vorschrift”? In:
JAmt, 07-08/2008, S. 341 – 347
Münder, Johannes; Mutke, Barbara; Schone, Reinhold: Kindeswohl zwischen Jugendhilfe
und Justiz, Professionelles Handeln in Kindeswohlverfahren, Münster 2000
Reich, Wulfhild: Der Stuttgarter Kinderschutzbogen – ein Diagnoseinstrument zur
Früherkennung von Kindeswohlgefährdungen. In: Verein für Kommunalwissenschaften e. V.
(Hrsg.): It Takes Two to Tango. Konzepte und Modelle zur Früherkennung von
Entwicklungsgefährdungen bei Säuglingen und Kleinkindern. Berlin 2004
Schneider, Wolfgang; Lindenberger, Ulman (Hrsg.): Entwicklungspsychologie (7. vollst.
überarb. Aufl.). Weinheim 2012
25
Widom, Cathy Spatz: The cycle of violence. Science 244/1989, S. 160-166
Angaben zu den Autoren:
Jenny Horlich: AMIS-Projektleiterin innerhalb des Amtes für Jugend, Familie und Bildung
Leipzig
Stefanie Dehmel: AMIS-Projektmitarbeiterin, Amt für Jugend, Familie und Bildung Leipzig
Dr. Susan Sierau: AMIS-Teilprojektleiterin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums
Leipzig AöR
Lars White: AMIS-Projektkoordinator, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Leipzig AöR
Prof. Dr. Kai von Klitzing: Klinikdirektor und AMIS-Verbundprojektleiter, Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters des
Universitätsklinikums Leipzig AöR
Ansprechpartner / E-Mail:
Jenny Horlich, [email protected],
Dr. Susan Sierau, [email protected]