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Besprechungen Autor(en): [s.n.] Objekttyp: BookReview Zeitschrift: Schweizer Münzblätter = Gazette numismatique suisse = Gazzetta numismatica svizzera Band (Jahr): 58 (2008) Heft 231 PDF erstellt am: 12.01.2016 Nutzungsbedingungen Mit dem Zugriff auf den vorliegenden Inhalt gelten die Nutzungsbedingungen als akzeptiert. Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die angebotenen Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungshinweisen und unter deren Einhaltung weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://retro.seals.ch

Michael NICK, Rezension zu L.-P. DELESTRÉE – M. TACHE, Nouvel Atlas des monnaies Gauloises. III. La Celtique, du Jura et des Alpes à la façade atlantique, Saint-Germain-en-Laye

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Besprechungen

Autor(en): [s.n.]

Objekttyp: BookReview

Zeitschrift: Schweizer Münzblätter = Gazette numismatique suisse = Gazzettanumismatica svizzera

Band (Jahr): 58 (2008)

Heft 231

PDF erstellt am: 12.01.2016

NutzungsbedingungenMit dem Zugriff auf den vorliegenden Inhalt gelten die Nutzungsbedingungen als akzeptiert.Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte anden Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern.Die angebotenen Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie fürdie private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot könnenzusammen mit diesen Nutzungshinweisen und unter deren Einhaltung weitergegeben werden.Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigungder Rechteinhaber erlaubt. Die Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderenServern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber.

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Besprechungen

Schweizer Münzblätter Heft 231/2008

Louis-Pol Delestrée/Marcel Tache, NouvelAtlas des monnaiesGauloises. III.LaCeltique,du Jura et des Alpes à la façade atlantique,Saint-Germain-en-Laye: Éditions Commios,2007. J 98.– ISBN 2-9518364-5-7.

Nur etwafünf Jahrenach Erscheinendes ers­ten

Bandes liegt nun bereitsBand 3 der Reihevor, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine Neu¬

editiondes«Atlasdemonnaiesgauloises»vonHenri de la Tour dlT)1 herauszugeben. Dierelativ kurzen Zeitabstände zwischen den

drei Bänden zeigen, dass das Unternehmenmit Konsequenz und Eifer vorangetriebenwird, und lassen hoffen, dass die keltischenMünztypen Galliens mittelfristig weitgehendvollständig publiziert sein werden.

Das Buch behandelt die gallischen Mün¬

zen ausgehend vom Gebiet der heutigenSchweiz in einem breiten Streifen bis zumAtlantik S. 14 mit Karte). Der Aufbau orien¬

tiert sich weitgehend an jenem der erstenbeiden Bände. An eine kurzeallgemeineEin¬

führung S. 6–7) schliessen sich drei knapperegionale Überblicke mit den folgenden The¬

men an: Rhonetal und östliches MittelgallienS. 8–10), Zentralgallien S. 10–12)undWest¬

gallien S. 13). Die Seiten 15–26 geben listen¬

artig einen Überblick über das nach Seriengeordnete Material, es folgen eine Konkor¬

danz mit dlT S. 27–29), das Literaturver¬zeichnis S. 30–35) sowie ein allgemeinerS. 36) und ein speziellerLegendenindex,der

die Inschriften derReiterquinaredes Rhone¬

tals auflistet S. 37). Das Kernstück der Ar¬

beitbildender139SeitenumfassendeKatalogS. 38–176) und die 32 Farbtafeln, auf denen

jede Münze abgebildet ist. Neben der detai¬

lierten Beschreibung jedes Münztyps bietetder Katalog unterschiedlich ausführlicheEinführungenzugrösserenMünzserien For¬

schungsgeschichte, Typologie, Chronologieusw.).

Im Vergleich zu Band 1 wurde die Foto¬

qualität bei den meisten Münzen entschei¬

dend verbessert. Ebenso ist nun – wie bereitsan anderer Stelle postuliert2 – eine Konkor¬

danzlistezudlT vorhanden,eineFundortlistesucht der Leser jedoch immer noch verge¬

bens. Die Schnelligkeit, mit der die Bändeherausgegeben werden, hat aber auch ihrenPreis. Bereits beim Aufschlagen des Buches

fällt ein lose eingelegtes Foto auf, durchwelches der Leser das fälschlich unter Nr.

3081 auf Tafel 5 abgebildete Stück ersetzensoll. Leider bleibt es nicht bei diesem einenVersehen. Beim Durchsehen bemerkte derRezensent unter den Kaletedou-Quinareneinen fälschlich abgebildeten Reiterquinaraus demRhonetal Taf. 9, Nr. 3198). Auch dieBeschreibungen lassen an manchen Stellenzu wünschen übrig. So wird der «Arverner-Quinar » Nr. 3389 trotz seines Gewichtes von1,86 g als Drachmebezeichnet, um ihn in dasarvernischeMünzsystem eingliedernzukön¬

nen. Dabei zeigen Neufunde dieses Typs undseinerWeiterentwicklungen Typ Altenburg-Rheinau) aus Süddeutschland, Österreichund der Schweiz3, dass seine Zuschreibungan die Arverner noch keinesfalls gesichertist.

Wie in Band 1 wurden bedingt durch diechronologische Ordnung des Materials auchhier wieder zusammengehörige Serien aus¬

einandergerissen. Bestes Beispiel sind diesogenannten Sequanerpotins, deren GruppeA sowie einige Vertreter von Gruppe B aufTafel 5 Nr. 3087–3096A) abgebildet werden,während ein Stück des Typs B3 aufgrund derLegende«DOCI»zusammenmitdenGruppenC, D und E auf Tafel 12 Nr. 3252–3257) beiden Sequanern erscheint. Es gibt meines Er¬

achtens bisher keinen Grund, Gruppe Bchro¬nologisch zu unterteilen.

Das Gebiet der Schweiz wird in Band 3lediglich im Westen angerissen, sodass dieMünzprägung der «Veragri» keine Berück¬

sichtigungmehr findet.Behandeltwerden diebesonders in der Nordwest-undWestschweizverbreiteten schweizerischen Voll- und Vier¬

telstatere nachVorbilddesStaters PhilippsII.von Makedonien Taf. 3, Nr. 3056–3063; z. B.

Typ Horgen-Unterentfelden) sowie die Sil¬

bermünzen des Rhonetals «Allobroger»:Taf.3, Nr. 3045–3055; Taf. 6–7, Nr. 3102–3131;

Reiterquinare und Viertelquinare: Taf. 7–8,Nr. 3132–3173). Den ebenfalls in der West¬

schweiz verbreiteten Freiburger Typ dlT,Taf. 37, Nr. 9270–9271) sucht man jedoch­vergebens. Auf Tafel 13 Nr. 3277–3281) wer¬

den die Quinare und Potinmünzen der Nord¬undWestschweizaufgeführt.Es verwundert,dass an dieser Stelle weniger Typen abgebil¬

det werden alsnochbei dlT. Von denBüschel¬quinaren schaffte es lediglicheinVertreter inden neuen Atlas, obwohl bereits die von D.F.

Allenaufgeführten Varianten zahlreichsind4,

ganz zu schweigen von jenen, die in den letz-

1 H. de la Tour, Atlas de mon¬

naies gauloises Paris 1892).

2 Rezension zu L.-P.Delestrée/M. Tache, Nouvel Atlas des

monnaies Gauloises. I. De la

Seine au Rhin Saint-Germain-en-

Laye2002), in: SNR 82,

2003, S. 164–169; bes. S.169

M. Nick). Die dort geäusserte

Kritik bezüglich derSystema¬

tisierung des Materialsbleibtweiterhin bestehen.

3 B. Brandt, Der Schatzfund von

Teisendorf. Vergleichende

Studien zu spätkeltischenBüschelquinaren, Ausstel¬

lungskatalog ArchäologischeStaatssammlung München 32

München 2002), S. 91,

Nr. 163–164 Arvernertyp);G. Demb ski, Ein keltischerSchatzfundaus Obernberg am

Inn, in: H. Emm erig Hrsg.),Vindobona docet. 40 Jahre

Institut für Numismatik undGeldgeschichte der UniversitätWien1965–2005 Wien 2005),S.65–76; bes. S. 69, Nr. 103–

106 Arvernertyp) sowie

zahlreichepublizierte undunpublizierte Stücke des

Arvernertyps sowie des Typs«Altenburg-Rheinau» aus den

namengebenden keltischenSiedlungen von Altenburg D,Bad.-Württ.) und Rheinau ZH.

Siehe hierzu z. B. D. F. Allen,The coins from the Oppidum ofAltenburg and the Bushel

Series, Germania 56/1, 1978, S.

190–229; bes. Taf.28, Nr. 21

Typ Altenburg-Rheinau)sowie F. Müller/G. Kaenel/G. Lüscher Hrsg.), Die Schweizvom Paläolithikum bis zumfrühen Mittelalter. 4: EisenzeitBasel 1999),S. 224–225,

Abb. 104,Nr.26.4 Allen Anm. 3).

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Schweizer Münzblätter Heft 231/2008

5 Typ Vatico: A. Furger/F. Mül¬

ler Hrsg.), Gold der Helvetier.Keltische Kostbarkeiten aus

der Schweiz, Ausstellungskata¬log Schweizerisches Landes¬

museum Zürich 1991), S. 146,

Nr. 217– 218. – Typ Vilos:K. Castelin, Keltische Münzen,

Katalogder Sammlung des

Schweizerischen Landesmuse¬

ums Zürich, Bd.1 o. J. [Stäfa1978]),S. 90, Nr. 875. – TypAltenburg-Rheinau: siehe

Anm. 3. – Obol Typ Basel-

Gasfabrik: A. Burkhardt/H.-G. Bachmann/R. Dehn/

W.B.Stern, Keltische Münzen

aus latènezeitlichen Sied¬

lungen des Breisgaus. Numis¬

matische, geochemische undarchäometallurgische Untersu¬

chungen, Fundberichte Baden-

Württemberg 27, 2003, S. 281–

439; bes. S. 320,Abb. 21

Typen 1–3).6 R. Kunzm ann/ J. Richter, Der

neue HMZ-Katalog, Bd.1: Die

Münzen der Schweiz. AntikebisMittelalter Regenstauf

2006), S. 13– 54.

7 Siehe hierzu M. Nick, Andert¬halb Zentner keltisches Klein¬

geld. Neue Forschungen zum«Potinklumpen» von Zürich,SNR 83, 2004, S. 97–124;bes.S. 102–104sowie M. Nick, Gabe,

Opfer, Zahlungsmittel. Struk¬

turen keltischen Münzge¬

brauchs in Mitteleuropa,Freiburger Beiträge zur­Archäologie und Geschichtedes ersten JahrtausendsBd. 12/1 Rahden/Westf.2006), S. 75–77: Datierung des

Zürcher Typs vom letztenDrittel des 2. Jh. bis in das

erste Viertel des 1. Jh. v.Chr.

8 H.-J. Kellner,Die MünzfundevonManching und die kel¬

tischen Fundmünzen aus

Südbayern Stuttgart 1990),

Typenübersicht 7.

9 Eine Verbreitungskarte dieses

Typs bei Nick, Gabe Anm. 7)S. 56, Karte 21.

ten Jahren zutage kamen. Der zugegebener¬

massen seltene Ninno-Quinarmit Pferd dlT,Taf. 38, Nr. 9345) fehlt gänzlich, ebenso wiedie Quinare der Typen VATICO, VILOS undAltenburg-Rheinau sowie die Obole vom TypBasel-Gasfabrik5,umnurdie inder Forschungbekannten Typen zu nennen. Einen Ein¬

druck, was Sammlerkreise der breiten wis¬senschaftlichen Forschung an Kenntnis neu¬

er Typen voraus haben, gibt der neueHMZ-Katalog, wo zahlreiche bisher unpubli¬zierte Quinartypen aus der Schweiz abgebil¬

det wurden6. Die Autoren sollten sich für dieZukunft deshalb fragen, ob sie für die zahl¬

reichen Regionen, die auf ihrem Arbeitspro¬gramm stehen, nicht den einen oder anderenlokalen Spezialisten heranziehen wollen.

Die schweizerischen Potinmünzen wer¬

den im neuen Atlas wieder den Helvetiernzugewiesen, obwohl diese ethnische Art derZuordnung – in diesem Bereich wenigstens– bereits überwunden schien. Die gängigenneutralen Bezeichnungen «Zürcher Typ»Nr. 3280) oder Typ «La Tène» Nr. 3281)

stehen hier wieder neben «Helvetii» bzw.«Helvetii, Sequani» Besonders bemerkens¬

wert ist jedoch die Datierung des ZürcherTyps erst ab dem zweiten Drittel des erstenJahrhunderts v.Chr., was den neuesten Er¬

kenntnissen zudiesemMünztyp vollkommenwiderspricht7. Eine Begründung hierfür wirdjedenfalls nicht geliefert.

Obwohl der Band eigentlich keine süd¬

deutschen Keltenmünzen umfasst, hat sichauf Tafel 31 Nr. 3703) unter den Kleinsilber¬münzen Westfrankreichs ein Viertelquinardes Typs Manching 2 eingeschlichen8. Diesoffenbart sehr augenfällig, wie unabdingbarVerbreitungskarten für die Zuordnung einesTyps zu einer Region sind9. Solche – sofernnoch nicht vorhanden – für jeden einzelnenTyp zu erstellen, würde zwar einen Aufwandbedeuten, der den Zeitplan der Autoren umJahre zurückwerfen dürfte. Gleichwohl wä¬

ren sie sehr dazu geeignet, den regionalenZuordnungen der Münztypen eine vertrau¬enswürdige und wissenschaftlich fundierteBasis zu verleihen.

Angesichts der vielen fehlenden Münz¬

typen kann bezweifelt werden, dass Band 3des Neuen Atlas’ das Standardwerk zur Be¬

stimmung keltischer Münzen auf dem Gebietder heutigen Schweiz werden wird. Dochtrotzder ineinigenPunkten geäussertenKri¬tik, muss die Leistung und der Aufwand derbeiden Autoren gewürdigt werden, die derwissenschaftlichen Forschung mit ihremneuen Atlas wiederum ein sehr nützlichesInstrument an die Hand geben. Der Rezen¬

sent wünscht ihnen weiterhin viel Ausdauerfür die Erstellung der verbleibenden Bände.

Michael Nick

Franz Füeg, Corpus of the Nomismata fromAnastasius II to John I in Constantinopel713–976. Structures of the Issues. Corpus ofCoin Finds. Contribution to the Iconographicand Monetary History, Lancaster Pennsyl­vania)

and London: Classical NumismaticGroup, 2007. 193 S. + CD-Rom 181 S. ISBN0-9709268-7-1. $ 125.–.

Seitüber fünfundzwanzigJahren beschäftigtsich Franz Füeg mit der byzantinischenMünzprägung. Er, einer der bedeutendenSchweizerArchitektenderzweitenHälftedes20. Jahrhunderts und Hochschulprofessor,tutdiesals Dilettant impositivenVerständnisvon Jacob Burckhardt. Sein besonderes Inte¬resse galt den Nomismata des 8. bis 10. Jahr¬

hunderts. Die Summe dieser Beschäftigung

hat er nun im vorliegenden Buch zusammen¬gefasst. 7780 Exemplarehat er dokumentiertindem er sich auf Museumssammlungen,Fundpublikationen, Privatsammlungen undzu einem grossen Teil auf Auktionskatalogestützte.Mit grösster Akribiehat erdieses um¬

fangreiche Material stempelkritisch unter¬

sucht undauf diekleinsten Details derMünz¬

legenden wie des Münzbildes und ihreVeränderungen geachtet.

Es ist die Periode des Ikonoklasmus 717–

843) mit schweren innenpolitischen Ausein¬

andersetzungen, eine Zeit auch, in der By¬

zanz von Südosten von den Arabern und imNordwestenvondenBulgarenbedroht wurdeund empfindliche Verluste hinnehmen muss¬

te. Mit der Kaiserkrönung Karls des Grossen800 verlor der Kaiser in Konstantinopelseine

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einmalige Stellung als Oberhaupt des gesam¬

ten römischen Reiches. Im kulturellen Be¬

reichwarenesaberkeineswegs «dunkleJahr¬

hunderte» und gegen Ende dieser Epochenahm das Reich mit der mazedonischen Dy¬

nastie einen Wiederaufschwung.Bei Mangel an schriftlichen Quellen wer¬

den Münzen zu wichtigen Informationsträ¬gern. Mit seiner Arbeit hat Füeg in bis jetztbeispielloser Weise das numismatische Ar¬

chiv für die Dynastien der Isaurier, Amorerund frühen Mazedonen aufgeschlüsselt. Das

wird für die geldgeschichtliche wie die histo¬rische Forschung von Bedeutung sein.

Kernstück des Buches ist der Katalog derEmissionen aus der MünzstätteKonstantino¬pel.Er ist gegliedert in die PrägeperiodenderRegierungszeiten der Kaiser mit den Serienund ihren variantenreichen Verästelungen.Die Nummerierung folgt dem DumbartonOaks Katalog, weicht aber davon ab, wenndieneu erschlossene Materialfülle die Struktu¬ren verändert. In der Randspalte findet sich

in tabellarischer Form die Beschreibung, inder Innenspalte die Abbildungen, so dass Be¬

schreibung und Abbildung eine perfekte Sy¬

nopsis ergeben. Damit entfällt das Blätternzwischen Text und Tafeln. Dieses Layout istein Modell, das viel konsultationsfreundli¬cher ist als dieheute gern angewendete Formder Sylloge. Die Basis dazu bildet das CorpusallererfasstenMünzen inPDF-Formataufderbeigefügten CD. Das Corpus wiederholt dieBeschreibung des Katalogs mit ergänzendenDetails, die zweite Spalte enthält den Stand¬

ortnachweis, die dritte die Stempelverbin¬dungen in kolonnenartiger Form.

Dem Katalog ist ein umfangreicher Kom¬

mentarteil vorangestellt, wo Füeg die Emis¬

sionenund Serien inden Zusammenhangderdynastischen Geschichte der Kaiser in derwechselnden Kombination mit ihren Mitkai¬sern, Vorfahren, Regenten und Nachfolgernstellt. Durch das Verhältnis der Stempel¬

zahlen ergibt sich in einigen Fällen die Um¬

kehrung in der Bezeichnung von Vorder- undRückseite, etwa bei den Prägungen von Mi¬

chael III., Theodora und Thekla 842–850).Der Autor geht davon aus, dass das kleinsteDetail des Gepräges seine Bedeutung hat,untersucht die Ikonographie als Ausdruckdes Kaiserkultes, die sakralen Zeichen sowiedie Legenden bis in die kleinsten Verände­rungen,

die alle Teil einer Botschaft sind.

Rein dekorative Elemente fehlen. Er unter¬scheidet die verschiedenen Stempelschnei¬der, die Qualität der Darstellung und derGravur. Fürdie ikonographische Beurteilungwerden auch die Bleibullen beigezogen. EineTabelle verzeichnet die Veränderungen ein¬

zelner Elemente der Ikonographie. Unter denMünzbildern finden sich Kabinettsstücke by¬

zantinischer Kunst wie etwa die KaiserbüsteLeons VI. des Weisen aus dem Jahre 886 oderdie Pantokratordarstellungen KonstantinVII. Porphyrogennetos 943–959) und seinerNachfolger. Die Münzbilder, so stereotyp sieüber weite Strecken sein mögen, lassen dasetwasüberspitzte Diktum vonAlbertoGiaco¬

metti nachvollziehen: «Zeichnen ist dieGrundlage von allem. Aber die Byzantinerwaren die einzigen, die zeichnen konnten.Und noch Cézanne. Sonst niemand.»

Im Anschluss an den Katalog besprichtFüeg die bekannt gewordenen Münzfunde.Eine Tabelle zeigt die Verteilung der Fund¬münzen nach Kaisern auf die verschiedenenHerkunftsländer.Dabei istallerdings imAugezu behalten, dass die Münzfunde in Osteuro¬

pa und dem Orient höchst ungenügend er¬

fasst werden.In einem Kapitel über die Ikonographie

werden die Ergebnisse der Einzeluntersu¬chungen zusammengefasst, ergänzt durchTabellenüberdie Insignien, dienichtnumme¬rischen Zeichen, die wechselnde DarstellungRomanos I. Lakapenos 921–944) wie die un¬

terschiedlichen Formen der Pantokrator­büste.

Füeg vergleicht unter anderem diePantokratorbüste der Prägungen der maze¬

donischen Dynastie mit dem KuppelmosaikinDaphni undvermutet alsgemeinsames Vor¬

bild eines der zahlreichen nach der Zeit desIkonoklasmus geschaffenen Mosaike in Kon¬

stantinopel um 945, das heute verloren ist.Die hervorragende Kaiserbüste auf den No¬

mimsmata von Leon VI. hat ihre Entspre¬chung und vermutlich auch ihr Vorbild indem Mosaik über der Königstür im Narthexder Hagia Sophia.

Ein entscheidendes Kapitelbehandelt dieGeldwirtschaft.Die schriftlichen Quellen ge¬

ben kein deutliches Bild der ökonomischenVerhältnisse in Byzanz, und über das jähr­liche

Staatsbudget gibt es nur Schätzungenmit grossen Abweichungen. So bilden dieEmissionen derNomismata den wesentlichenGradmesser für die monetäre Staatswirt-

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Harald Derschka, Fundmünzen aus Kemp¬ten.Katalogund Auswertung der in KemptenAllgäu) gefundenen Münzen und münz-ähnlichen

Objekte aus dem Mittelalter undder Neuzeit, Allgäuer Forschungen zurArchäologie und Geschichte 2 Mühlberg¬forschungen Kempten [Allgäu] 2, Friedberg:Likias Verlag, 2007. 445 Seiten, zahlreicheAbb. Gebunden Fadenheftung). J 24,80.ISBN 978-3-9807628-7-8.

Harald Derschka publiziert in diesem Bandmittelalterliche und neuzeitliche Fundmün¬zen und verwandte Objekte Rechenpfen­nige,

Marken, etc.) aus Kempten im Allgäu.1000 Stückesind Streufunde, 55 Objektesind

Reste vondrei älterenSchatzfunden.445Sei¬

ten für die Publikation und Auswertung von1055 Objekten – das könnte viel erscheinen,vielleicht sogar zu viel? Dieses Buch beweistdas Gegenteil. Der Umfang ist gerade ange¬

messen. Voruns liegtwohleinedereindrucks¬vollstenPublikationenüber Streufund-Münz¬

material, die bisher geschrieben wurde.Ausgangspunkt für Derschka war seine

Beteiligung an einemForschungsprojekt, das

die Renovierung einer spätmittelalterlichenHäusergruppe in Kempten begleitete. Zu den

264 Münzen aus diesem Komplex traten wei¬

tere 474 Stücke, die bei der behutsamen Re¬

novierung zweier weiterer Häuser geborgenworden waren. Dieser grosse Bestand legte

schaft im mittelbyzantinischen Reich. Aufder Zahl der untersuchten Stempel, ihrerHochrechnungmitHilfeder Wahrscheinlich¬keitsrechnung auf die Zahl der verwendetenStempel und einer versuchten Schätzung derAnzahl der damit geprägten Münzen basiertFüeg mit kritischem Sinn seine Ausfüh­rungen.

In einer gross angelegten Tabellewird die Münzprägung der betroffenen zwei¬

einhalb Jahrhundertesynoptischzusammen¬gefasst; sie gipfelt in der Zahl der durch¬schnittlich pro Jahr verbrauchten Stempel.Dabei zeigt sich, dass sich diese Zahl im Jah¬

resdurchschnitt unter Konstantin VII. Por¬

phyrogennetos und Johannes I. Tzimiskes inderMitte des10.Jahrhunderts gegenüberdenfrüheren Perioden mehr als verdreifacht. MitAusnahmeder Stempelverbindungen könnendieSchlussfolgerungen durchdie gute Doku¬

mentierung nachvollzogen werden. Fragenbleiben offen. Woher kommt das Gold, wiegross ist der Anteil des Berg- oder Waschgol¬

des im Verhältnis zum Pagament, den einge¬schmolzenen oder umgeprägten älteren Soli¬

di, wie gross ist im Geldumlauf der Anteilfrüherer Emissionen im Vergleich zu denjeni¬gen der regierenden Kaiser? Schwierige Fra¬

gen, dievon der historischen Forschung nochkaum angeschnitten worden sind.

Nebenwenigenkleinen,kaumsinnstören¬den Druckfehlern, die ich beobachtet habe,muss doch auf die fehlerhafte Formel zur Be¬

rechnung der Stempelzahlen auf Seite 156hingewiesen werden. Die korrekte Formelfindet sich auf S. 154 und am Kopf von Tabel¬le 4.1, S. 166.

Zum Schluss sei festgehalten, dass derAutor die Mise en page selber vorgenommenhat. Die Textseiten entsprechen den klas­sischen

Proportionen der Buchgestaltung.Besondere Sorgfalt liess Füeg dem tabella­rischen

Katalogteil mit den Abbildungen an¬

gedeihen. Er folgt einemklarenzweispaltigenMuster, das nach den Bedürfnissen der ein¬

zelnen Serien variiert wird, indem die Münz¬

abbildungen in zwei Kolonnen mit solchen indrei Kolonnen und verschieden grossen Blö¬

cken wechseln. Jede Doppelseite ist als Gan¬

zes und individuell gestaltet. Das ergibt eineOrdnung mit Variationen, was die seriell be¬

dingteMonotonieder Münzreihenunterläuft.DasBlätternwirdeineAugenlustohne Ermü¬

dung und das Wiederauffinden bestimmterStellen fällt leicht. Dazu das Urteil derKunst¬

kritikerin Annemarie Monteil: «Das Verhält¬

nis von Text zu Schrift, Zeilenabstand, Bildund Seitenformat sowie die makellosen Pro¬

portionen der Tabellen in raffinierten Grau¬

tönen lassen an einWerkderkonkretenKunstdenken. Die Buchgestaltung die Form) folgtder wissenschaftlichen Erkenntnis derFunktion) in solcher Klarheit und Schönheit,dass auch der Laie fachspezifische Ordnun¬gen und Zusammenhänge begreift.» FranzFüeg, der Architekt der Pius Kirche in Meg¬

gen LU, zeigt sich auch hier als formgebenderMeister und beweist, dass die wissenschaft¬liche Publikation einer komplexen Materieästhetisch gestaltet werden kann.

Hans-Ulrich Geiger

90

nahe, auch die weiteren bekannten Streu¬

fundkomplexe aus Kempten in die Untersu¬

chung einzubeziehen, so dass es zur rundenGesamtzahl von 1000 Stücken kam. Von dreiälteren neuzeitlichen Schatzfunden aus

Kempten sind nur noch klägliche Reste, ins¬

gesamt 55Münzen,greifbar–dabeiallerdingsein bedeutender Goldmünzenbestand. Auchdiese werden in dem Band dokumentiert,wegen des ganz anderen Charakters aber

nicht unbedacht dem Streufundmaterialgleichgesetzt.

Derschka führt den Leser an das Themaheran. DieEinleitung S.11–42)skizziert dieWirtschaftsgeschichte Kemptens und insbe¬

sondere die Fragestellungen an die Fund¬

münzen. Auch derStand dernumismatischenForschung zu Kempten wird zusammenge¬

fasst. Sodann werden die ausgewertetenFundkomplexe und auch die drei erwähntenSchatzfunde charakterisiert, was ihre Ent¬

deckung und Überlieferung angeht.Die Fundauswertung S. 43–146) geht

systematisch vor. In der Regel in Jahrhun¬

dertschritten 13.–20. Jahrhundert) wird das

Münzmaterial immer nach den zwei Koordi¬naten Herkunft und Nominalstruktur unter¬

sucht. Ein Exkurs widmet sich der Frage, ob

das Fundaufkommen an Kleinmünzen einakzeptables Spiegelbild des Geldumlaufs ist:Bei den deutschen Reichsmünzen kannDerschka das für die Hauptlinien – freilichnicht für Raritäten und Ausnahmefälle –

schlüssig nachweisen. Nach einem kurzenHinweis auf den Umlauf von Notgeld fasstDerschka die Ergebnisse vor dem Hinter¬grund der Kemptener Wirtschaftsgeschichtegriffig zusammen S. 122–124). Als zweiterTeil der Fundauswertung werden die Grup¬

pen verwandter Objekte untersucht und cha¬

rakterisiert: Falschmünzen 5 Stücke), Re¬

chenpfennige 41), Spielgeld 6), Marken 6),Bleimarken 13),Plomben 3),Münzgewichte3), Medaillen 5), Devotionalien 2), Trach¬

tenknöpfe 2,darunter einsignierter vonCarlPoellath, Schrobenhausen),Appliken 3)undzwei aus Stein gefertigte «Fälschungen» vonAmtsstempeln.

Der eigentliche Katalog der FundobjekteschliesstdenBandab S.245–441).Er istnachden Fundhäusern geordnetund zählt die Ob¬

jekte jedes Hauses separat durch, so dass dieStücke durch eineDoppelzahl zitiertbar sind:Nr. 16/4 ist dievierteMünze aus dem Komplex16, Reichsstrasse 8, das ist die erste von sie¬

ben Kleinmünzen aus Fribourg in diesemHaus.Die Stückesindalle sorgfältig beschrie¬ben und fast durchwegs abgebildet.

ErschlossenwirddieserKatalogteildurchdrei – in der Mitte des Bandes stehende –Kapitel. Der Fundstellenkatalog mit Fundre¬gesten S. 147–160)charakterisiert die Fund¬

posten ausführlich mit Fundgeschichte,bisheriger Literatur, Standort der Münzenund einer Übersicht über die von dort stam¬

menden Objekte. Die Aufstellung der Fund¬objektenachBefunden S. 161–189) listet dieMünzen nach ihrem genauen Fundort auf –hier istalsoablesbar,welcheMünzen im Raum3 des Hauses St. Mang-Platz 8 versammeltwaren. Und die Aufstellung der Fundobjektenach numismatischen Kriterien S. 191–218)ist für das Auffinden bestimmter Münzen vonzentraler Bedeutungundmussdas leider feh¬

lendeRegister ersetzen:Hier sind dieMünzenin einer sinnvollen Anordnung nach Epochenund Münzständen geordnet aufgelistet. So

kann man also die sieben mittelalterlichenS. 191) und die 69 neuzeitlichen Münzenaus

Chur S. 195–197), die von verschiedenstenFundorten stammen,gemeinsamnachgewie¬sen finden.

Harald Derschka hat uns hier eindrucks¬vollvorgemacht,wie eine sorgfältigePublika¬tion von Streufundmaterial heute aussehenkann und was sie leisten kann. Dafür sehen

wir ihm sogar nach, wenn er einen baye­rischen

Halbkreuzer 1650 als bislang nichtdokumentiert beschreibt S. 23), obwohl die¬ser Jahrgang doch schon im Wiener Reperto¬

rium über den Bayerischen Reichskreis von1996 durch ein Auktionsvorkommen nachge¬

wiesen ist.

Hubert Emmerig