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Beitrag zur physiologie und pathologie des liquor cerebrospinalis

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Page 1: Beitrag zur physiologie und pathologie des liquor cerebrospinalis

(Aus dem Laboratorium der Deutschen psychiatrischen UniversR~ts-Klinik in Prag.)

Beitrag zur Physiologie und Pathologie des Liquor cerebrospinalis.

Von

Dr. Georg Herrmann, Assistent der Klinik.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 27. Juni 1923.)

In einer kurzen Mitteilung: ,,Uber Liquorver~nderungen nach Luft- einblasung"l), habe ich angedeutet, dab diese Methode neben ihrem unzweifelhaft praktischen Interesse auch zur FSrderung unserer theo- retischen Kenntnisse in unklaren Fragen beitragen wird. Eine solche Frage ist z.B. die nach der Herkunft der Zellen des Liquor.

O. Fischer 2'8) hat, auf ein groBes Untersuchungsmaterial gestiitzt, in mehreren Arbeiten den Standpunkt vertreten, dab die Zellen des Liquor bei pathologischen Prozessen (L.~mphocyten, Plasmazellea und Polynucleare) AbkSmmlinge der infiltrierten Meningen sind, und aus seinen Beobachtungen den SchluB gezogen, da~ die Pleocytose den Grad der Infiltration der Meningen des jeweils untersuchten Abschnittes (d. i. gewShnlich des unteren Riickenmarkabschnittes) anzeigt. Diesen Behauptungen wurde mehrfach widersprochen [N/ss/4), Me~bacher6), ~onne6)]. Ich habe nuu eine Beobachtung gemacht, die geeignet scheint, O. Fischers Ansicht zu beweisen.

I. Bei einem Falle yon Dementia praecox, der vor der Luftein- einblasung und nach Abklingen der dutch diese erzeugten Reizerschei- nungen, nach unseren heutigen Methoden untersucht, vollst~ndig normale Liquorverh~ltnisse zeigte, land ich bereits beim Abklingen der Zellvermehrung im eingebetteten Liquor Zellteilungsfiguren (s. Abb. 1}.

10. III . 22. Lufteinblasung: 65 ccm Liquor wird durch Luft ersetzt. Keine Zellen in dem so gewonnenen Liquor. 7 Stunden sp~ter Zel|-

1) Med. Klinik 1922, Nr. 36. 2) Jahrb. f. Psychiatrie u. Neurol. 27. ~) Monatsschr. f. Psychiatrie u. Neurol. 27, 512. ~) Zentralbl. f. Nervenheilk. u. Psychiatrie 1904. ~) Zentralbl. f. Nervenheilk. u. Psychiatrie 1906. 6) Syphilis und Nervensystem (Karger).

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zah] 8226, 24 Stunden sparer 17 550 Zellen (Liquor stark trfib). 3 real 24 Stunden sparer 450 Zellen. Von dieser Liquorprobe wurden 2 ccm sofort beim Ablassen in Alkohol aufgefangen, in Celloidin eingebettet, geschnitten und mit Hi~matoxylin-Eosin gefSrbt. Von derselben Liquorprobe wurden zur bakteriologischen Untersuchung Agarplatten gegossen, die steril bliebenl). Am 15. I I I . fanden sich im Liquor nur mehr 20 Zellen, am 17. I I I . 1922 9 Zellen, darunter eine epi- theloide Zelle.

Die Zellen mit Kernteilungsfiguren sind etwas grS~er, haben einen blassen Plasmaleib und sehr deutlich gef~rbte Chromosomen. Bei schwa- cher VergrSBerung sind diese Zellen an dem dunklen Kern zu erkennen.

Die H~ufigkeit der karyokine- tischen Zellen war so, dab ungef~hr in jedem Schnitt eine Teilungsfigur zu linden war.

Dieser Befund bedarf keines weiteren Kommentars . Es erscheint mir zweifellos, dab die weichen Me- ningen des Zentralnervensystems, Abb. 1. die, um mit O. Fischers Worten zu reden, ,,ein sehr ausgedehntes Organ" sind, auf den Reiz der Lufteinbla- sung mit einer sterilen Entzfindung und Vermehrung ihrer zelligen Ele- mente (dutch Zellteilung) reagieren.

Zellteilungsfiguren im Liquor sind sonst nur - - und auch da nur vereinzelt - - bei Neubildungen (Sarkomatose und Carcinose) an den Meningen gefunden worden. E. Meyer 2) konnte in einem Falle yon Sarkom, ausgehend yon der Falx cerebri, im Liquor Zellen finden, die erheblich grSBer als Lymphocyten waren, sich schwach farbten und im Innern eine Kernfigur erkennen ]iel~en, eine Art Kernspindel. Sicard und Gy a) fanden bei einem Falle yon sarkomatSser Meningitis karyokinetische Figuren, V. Ka/ka 4) fand bei einem diffusen Melano- sarkom des Gehirns und seiner Meningen und stark sarkomatSser Meningitis der Rfickenmarkhi~ute ,,neben sp~rlichen Lymphocyten und Plasmazellen eine grol~e Anzahl yon voluminSsen Zellen von ver- schiedener Form, die bei dieser FSrbung einen stark tingierbaren grol~en Kern und einen sehr breiten Plasmasaum zeigten. Der Plasmaleib war dunkelbraun verf~rbt und zeigte im Innern ein grobkerniges braunes

1) Diese Untersuchung wurde im Hyg. Institute in Prag durchgefuhrt. 3) Arch. f. Psychiatrie u. Nervenkrankh. 42, H. 3, S. 971. 1907. 3) Rev. neurol. 1908, :Nr. 23, S. 1245. 4) Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 4, 117.

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. LXXXVII . ] 2

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178 G. lterrmann: Beitrag z. Physiologie u. Pathologie des Liquor cerebrospinalis.

bis schwarzes Pigment und zahlreiche Vakuolen . . . . in den Zellkernen karyokinetische Figuren in allen Stadien."

Die Zellen dieses Falles yon Ka/ka sind -- nach dem Pigment (Melanosarkom) zu schliel3en -- sicher als Tumorzellen anzusehen. Man kann sich wohl unwidersprochen vorstellen, dal3 Karyokinesen bei Tumorzellen des L. fiir einen schnell wachsenden Tumor sprechen. Unsere Beobachtung beweist, daf~ Karyokinesen im L. ohne da$ ein Tumor vorhanden ist vorkommen, und wir sehen aus der ganzen Patho- logie unseres Falles, daf3 die hier gefundene Karyokinese fiir Zell- teilungen der Meningealzellen selber sprechen, was man wohl aus dem schnellen Tempo der Entwicklung und dem Abklingen dieses eigen- artigen meningitischen Prozesses ersehen kann. Es w/~re nicht un- wahrscheinlich, da$ man ahnliche karyokinetische Figuren auch bei den gewShnlichen (eitrigen oder tbc.) Meningitiden im geeigneten Momente finden k6nnte.

Es ist zwar eine einzelne Beobachtung, sie ist aber so eindeutig und klar, da$ die vorher gezogenen Schlfisse vollkommen plausibel erscheinen; weitere Untersuchungen dari~ber sind im Gange.