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Prof. Dr. Gerd Glaeske Prof. Dr. Gerd Glaeske Universität Bremen – Zentrum für Sozialpolitik Universität Bremen – Zentrum für Sozialpolitik - Kein Interessenkonflikt im Sinne der Uniform Requirements for - Kein Interessenkonflikt im Sinne der Uniform Requirements for Manuscripts submitted to Biomedical Journals der ICMJE – Manuscripts submitted to Biomedical Journals der ICMJE – 25. Februar 2011, Berlin Berücksichtigung von Qualitätskriterien bei der Arzneimittelversorgung

Berücksichtigung von Qualitätskriterien bei der … · 2011. 3. 16. · miologischer Ansatz (BARMER GEK-AM-Report) Die Auswahl von Wirkstoffen mit negativem gesundheitlichen Nettonutzen,

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Prof. Dr. Gerd GlaeskeProf. Dr. Gerd GlaeskeUniversität Bremen – Zentrum für SozialpolitikUniversität Bremen – Zentrum für Sozialpolitik

- Kein Interessenkonflikt im Sinne der Uniform Requirements for - Kein Interessenkonflikt im Sinne der Uniform Requirements for Manuscripts submitted to Biomedical Journals der ICMJE –Manuscripts submitted to Biomedical Journals der ICMJE –

25. Februar 2011, Berlin

Berücksichtigung von Qualitätskriterien

bei der Arzneimittelversorgung

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GKV 2009: Gesamtausgaben 170,8 Mrd. € - für

Leistungen 160,6 Mrd. € (+6,2%)(ohne Zuzahlungen der Versicherten 4,8 Mrd. €

Seit 2004 – 2008

Ärztliches Honorar + 10,4%

Krankenhaus + 10,8%

Arzneimittel + 33,4%

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Arzneimittelversorgung in D – Fakten und Probleme

Die Arzneimitteltherapie ist die am häufigsten angewendete therapeutische Intervention, sie gehört, richtig angewendet, auch zu den effizientesten

Mit dem demografischen Wandel und der Verlagerung der medizinischen Versorgung mehr und mehr in den ambulanten Sektor wird er Umfang der Arzneimitteltherapie weiter ansteigen

Das Arzneimittelspektrum hat sich in den vergangenen Jahren verändert, weniger chemisch synthetisierte (dadurch auch weniger me-toos), dagegen mehr gentechnologisch hergestellte Mittel oder Biologicals

Die Ausgaben für Arzneimittel steigen in den letzten Jahren deutlich an, insbesondere durch teure Spezialpräparate

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Markteinführung innovativer Arzneistoffe mit der Anzahl innovativer und verbesserter Wirkstoffe

Jahr Gesamt-zahl

Innovative

Wirkstoffe

Klasse A

(Anteil in %)

Verbesserung

Klasse B

(Anteil in %)

1994 21 7 (33,33%) 10 (47,62%

)

1995 32 12 (37,50%) 9 (28,13%

)

1996 40 11 (27,50%) 13 (32,50%

)

1997 41 8 (19,51%) 9 (21,95%

)

1998 35 12 (34,29%) 5 (14,29%

)

1999 29 11 (37,93%) 2 (6,90%)

2000 31 13 (41,94%) 9 (29,03%

)

2001 33 15 (45,45%) 7 (21,21%

)

2002 28 10 (35,71%) 5 (17,86%

)

2003 17 7 (41,18%) 3 (17,65%

)

2004 33 15 (45,45%) 3 (9,09%)

2005 21 10 (47,62%) 2 (9,52%)

2006 27 17 (62,96%) 8 (29,63%

)

2007 31 17 (54,84%) 4 (12,90%

)

2008 29 12 (41,38%) 7 (24,14%

)

Gesamt 448 177 (39,51

%) 96 (21,43%)

Innovative Wirkstoffe Klasse A

Keine Verbesserung

Verbesserung Klasse B

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Strukturqualität des Arzneimittelmarktes als GKV-Problem

In der Zulassung nach AMG wird der Nachweis von Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität verlangt

Studien werden typischerweise an selektiven PatientInnen durchgeführt, mittleres Alter, deutlich weniger Frauen als Männer, möglichst keine/wenig Begleiterkrankungen und keine anderen Arzneimittel – „Kunstpatienten“

Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die typische Behandlungs-population (mehr ältere Menschen, mehr Frauen, mehr Patienten mit Multimorbidität und Polypharmazie) ist fraglich

Zulassungsstudien sind daher keine Nutzenstudien, nur selten Vergleich mit dem derzeitigen Standard (trotz § 25 AMG)

Kaum Endpunktstudien zum Patientennutzen: Verringerte Morbidität und Mortalität, höhere Lebensqualität, verringerte Kontakte

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Es besteht die Gefahr, die Wirksamkeit zu über- und die uner-wünschten Wirkungen (Sicherheitsprobleme) zu unterschätzen.

Erforderlich sind wissenschaftsinitiierte, arztinduzierte, hersteller-unabhängige, versorgungsrelevante und gute Studien nach der Zulassung (Beispiele wie in der USA (NIH), GB (NHS)

Nach der Zulassung muss die vorliegende „Zulassungsevidenz“ im Rahmen guter Studien verbessert werden: AMG und SGB V sind unterschiedlich in den Anforderungen: Hier Wirksamkeit, Unbedenklichkeit, pharmazeutische Qualität (Efficacy), dort therapeutische Wirksamkeit, Patientennutzen und Wirtschaftlichkeit (§§ 2, 12 und 70) – Efficacy unter Versorgungsbedingungen!

Die Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung auf die genannten SGB-V-Kriterien ist m.E. zweifelhaft, das AMNOG baut aber darauf auf

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Industrieumsätze der führenden 20 Arzneimittel in Deutschland (2009; ohne Diabetes-Teststreifen) – Gesamt 25,2 Mrd. €

Rang

Arzneimittel (Hersteller) (Wirkstoff)

Industrieumsatz in Mio. € +/- in % gegenüber 2008

Anwendungsgebiet

1 Humira (Abbott) (Adalimumab) 310 Mio. (rp) + 33,3 u.a. Rheumatoide Arthritis

2 Enbrel (Wyeth) (Etanercept) 265 Mio. (rp) + 29,7 u.a. Rheumatoide Arthritis

3 Glivec (Novartis) (Imatinib) 208 Mio. (rp) + 7,8 Krebs

4 Symbicort (AstraZeneca) (ß-2 + Corticoid) 203 Mio. (rp) + 6,8 Asthma / COPD

5 Spiriva (Boehr.-I.) (Tiotropium) 201 Mio. (rp) + 15,7 COPD6 Rebif (Merck) (Interferon beta-1a) 193 Mio. (rp) + 8,0 Multiple Sklerose

7 Copaxone (Sanofi-Aventis) (Glatiramer) 169 Mio. (rp) + 20,1 Multiple Sklerose

8 ?

Viani (GlaxoSmithKline) (ß-2 + Corticoid) 168 Mio. (rp.) + 1,3 Asthma / COPD

9 ? Lyrica (Pfizer) (Pregabalin) 158 Mio. (rp) + 24,4

Epilepsie; Neuropathischer Schmerz

10 ? Seroquel (AstraZeneca) (Quetiapin) 157 Mio. (rp) + 8,9 u.a. Schizophrenie

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Fortsetzung

11 Avonex (Biogen Idec) (Interferon beta-1a)

150 Mio. (rp) + 10,9 Multiple Sklerose

12 Inegy (MSD) (Simvastatin + Ezetimib) 149 Mio. (rp) - 0,9 Zu hoher

Cholesterinspiegel

13 Betaferon (Bayer) (Interferon beta-1b)

144 Mio. (rp) – 10,7 Multiple Sklerose

14 Lantus (Sanofi-Aventis) (Analoginsulin) 127 Mio. (rp) + 3,1 Diabetes

15 Sifrol (Boehr.-I.) (Pramipexol) 117 Mio. (rp) + 1,6 Parkinson

16 Omep (Hexal) (Omeprazol) 117 Mio. (rp.) + 0,2 z.B. Magen-Darm-Ulzera

17 Clexane (Sanofi-Aventis) (Enoxaparin)

116 Mio. (rp.) + 14,6 Thromboseprophylaxe

18 Plavix (Sanofi- Aventis) (Clopidogrel) 107 Mio (rp) + 3,1 u.a. Infarktprophylaxe

19 Zyprexa (Lilly) (Olanzapin) 102 Mio. (rp) + 165,9 u.a. Schizophrenie

20 ? Tebonin (Schwabe) (Ginkgo) 100 Mio. (OTC) + 0,9

u.a. Gedächtnisstörungen

Gesamtumsatz Pharmaindustrie 2009 25.165,3 Mio. Euro (+ 4,2%)

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„Im Kontext der Routinedaten stellen sich beispielsweise methodische Anforderungen an die Stichprobenziehungen und das Datenlinkage, an Validierungsstrategien der verschiedenen Variablen, an die Operationalisierung von Falldefinitionen (Festlegung der Studienpopulation auf der Basis von Diagnose und / oder Inanspruchnahmedaten), von Inzidenz, Prävalenz oder auch von Qualitätsindikatoren.“

Versorgungsforschung mit Routinedaten

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Theoretisches Modell Versorgungssystemnach Pfaff (2003)

Throughput

-Versorgungsstrukturen -Versorgungsprozesse

Input Outcome Output

Ressourcen Wirkung/ Ergebnis

Versorgungs- -leistung

Personal, Geld, Personal, Geld, Informationen, Informationen,

PatientenPatienten

Krankenhäuser, Krankenhäuser, Praxen, Rehaeinricht. Praxen, Rehaeinricht.

Überweisungen, Überweisungen, BehandlungsabläufeBehandlungsabläufe

Behandlungs- Behandlungs- Pflege-Diagnose- Pflege-Diagnose- BeratungsleistungBeratungsleistung

Patientenorient. Patientenorient. Qualität, Qualität,

WirtschaftlichkeitWirtschaftlichkeit

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Konzepte der Qualitätsmessung in der Phamakotherapie

Qualitätsbewertung als erweitertes outcome-Konzept – nicht nur Verbesserung klinischer Parameter, sondern auch Nutzenbewertung aus Patientensicht (‚hermeneutische Endpunkte‘) Fachliche Begründung – patientenbezogene Qualität – Angemes- senheit Arzneimittel nicht grundsätzlich Mittel der Wahl, wenn andere Maßnahmen gleichwertig wirksam zum Ziel führen (z.B. körperliche Belastung und Gewichtsabnahme zur Behandlung der essentiellen Hypertonie) Die Unterlassung einer Therapie kann bei Behandlungszielen, die ohne Medikament erreicht werden können, ein Qualitätsmerkmal ärztlicher Versorgung sein

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Denkbare Betrachtungsperspektive: Pharmazeutisch-ökonomischer Ansatz (AVR)

Einsatz von Wirkstoffen ohne nachgewiesenen Nutzen (‚umstrittene Arzneimittel‘), wie z.B. Inegy, Hormonkombination bei Osteoporose, Terfenadin bei allergischen Erkrankungen u.v.a. Einsatz von Wirkstoffen mit negativem gesundheitlichem Nettonutzen (z.B. Hormonkombinationen für Frauen in den Wechseljahren) Verordnung von Wirkstoffen ohne belegbaren Zusatznutzen im Vergleich zu anderen Mitteln, die aber teurer sind als das

Referenzprodukt (z.B. Esomeprazol vs. Omeprazol, Loratadin vs. Desloratadin, ACE-Hemmer vs. Sartane, Zyprexa vs. Risperidon, Lyrica vs. Carbamazepin, Analoginsuline vs. Humaninsuline u.v.a.) Der Verzicht auf die Verordnung bzw. Abgabe von preisgünstigeren Präparaten gleichen Wirkstoffs, obwohl solche zur Verfügung stehen (Generika, Biologicals)

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Ezetimib & Statin: ein gutes Team?

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Symbicort L-Thyroxin Hen. Ramipril HexalViani Diclofenac-ratio SimvaHEXALEnbrel Thyranojod L-Thyroxin HenHumira MetoHEXAL ThyranojodGlivec Diclac Ramipril ratioPlavix L-Thyrox Hexal Simvastatin ratIngegy Voltaren/Migräne MetoHEXALNexium Novaminsulfon rat. L-Thyrox HEXALPantozol Omep MarcumarSpiriva Euthyrox Simvabeta

TOP 10 Arzneimittel „Hausärzte“ (BARMER GEK) nach

€-Brutto nach VO nach DDD

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Kastelein et al.; NEJM, 358 (14): 1431-1443 (2008)

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SZ; 1. April 2008, S19 Thema: Inegy

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Es ist der Widerspruch von Marketing und Wissenschaft, der ÄrztInnen und PatientInnen in ihren Entscheidungen und in ihrer Sicherheit beeinflusst („Informations- und Entscheidungsbias“)

Ezetemib steht noch immer im Verdacht, auf Dauer kanzerogen zu wirrken, neuer Studien aus Köln weisen auf ein erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen hin

„Innovation“ mit Schadenspotenzial, indirekt für Ärzte, direkt für Patienten

Zudem ist das Mittel 7mal teurer als therapeutisch gleichwertige Simvastatin-Generika (fragwürdige Effektivität führt zur fragwürdigen Effizienz)

Das „Schadenpotenzial“ für die GKV ist unübersehbar!

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Denkbare Betrachtungsperspektive: Klinisch-epide-miologischer Ansatz (BARMER GEK-AM-Report) Die Auswahl von Wirkstoffen mit negativem gesundheitlichen Nettonutzen, fehlender oder unzureichender Wirksamkeit sowie negativer Kosten-Nutzen Relation (z.B. Avastin bei Brustkrebs oder Neurolpetika bei Demenzpatienten) Das Abweichen von Leitlinien und Therapieempfehlungen z.B. der AKdÄ ohne nachvollziehbaren Grund (z.B. inhalative Corticosteroide bei Asthmatikern, möglichst nicht in fixer Kombination; z.B. Viani) Individuell falsch gewählte Dosierungen, die z.B. Alter, Körpergewicht, Erkrankungsstadium, Komorbiditäten oder Kontraindikationen unzulänglich berücksichtigen Das Nicht-Erreichen von Zielvorgaben, sofern dies auf eine unzurei- chende Pharmakotherapie zurückzuführen ist (z.B. Unterdosierung oder mangelnde Persistence von Antihypertensiva oder Lipidsenkern)

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Wie können wir auch künftig die onkologische Therapie sicherstellen (aus Profil 8.2.2009)?

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Veränderungen der Zulassungsindikation nach fast 3 Jahren Therapie

U S Department of Health and Human Services

FDA, U S Food and Drug Administration

FDA NEWS RELEASE

For Immediate Release: Dec. 16, 2010

Media Inquiries: Erica Jefferson, 301-796-4988, [email protected]

Consumer Inquiries: 888-INFO-FDA

FDA begins process to remove breast cancer indication from Avastin label

Drug not shown to be safe and effective in breast cancer patients (Zulassung 2008)

The U.S. Food and Drug Administration announced today that the agency is recommending removing the breast cancer indication from the label for Avastin

(bevacizumab) because the drug has not been shown to be safe and effective for that use.

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Quelle: Meyer F (2004); CSE-Hemmer. In: Glaeske G, Janhsen K (2004) GEK Arzneimittel-Report 2004. Sankt Augustin: Asgard-Verlag

Stichwort: PersistenzHinweise auf Therapieabbrüche, -unterbrechungen bei

Lipidsenkern (CSE-Hemmern) (2002-2003)

Beobachtung:

Über 1 Jahr (400 Tage) nach Erstverordnung erhielten nur noch ca. 54% von 10.550 beobachteten Patienten mehr als 200 Tabletten, ca. 46% eine zu geringe Menge, die nicht für eine kontinuierliche Einnahme ausreicht.

Warum ist das relevant?

Bei Subgruppen (Akutes Koronarsyndrom) können Therapie-Unterbrechungen die Ereignisrate erhöhen (Vgl. Heeschen et al., 2002, Circulation, 105:1446-1452). Therapeutisches Potenzial könnte in der „real-life“-Situation verloren gehen.

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Denkbare Betrachtungsperspektive: Klinisch-epide-miologischer Ansatz (BARMER GEK-AM-Report)

Das Auftreten von Komplikationen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die bei sachgerechter Verordnung und Anwendung vermeidbar gewesen wäre (z.B. zu lange Verordnung von Mitteln mit Abhängigkeitspotenzial) Auffällige regionale Verteilungsmuster bei bestimmten Verordnungs- charakteristika (Small Area veariatrions) (z. B Methylphenidat bei ADHS) Auffällige Verordnungshäufigkeiten bei Antibiotika und Infektionen der oberen Atemwege bei Kindern oder bei Antidepressiva ohne entsprechende Diagnosen

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Auch regionale Differenzen

Alle Altersgruppen Kinder

Kinder erhalten vergleichsweise oft Antibiotika!

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Häufigste ambulante Diagnosen: 0-4 Jahre

GEK 2007

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Otitis media bei Kindern

Aktuell wie nie…

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Otitis media bei Kindern

Ergebnisse• Kinder aus Amoxicillin-Gruppe hatten nach 3,5 Jahren auffällig häufiger

erneute Otitis media (63% vs. 43%)!!!

Antibiose kann zu Kolonisierung der Gehörgänge mit resistenten Keimen führen, die möglicherweise Rezidive begünstigen.

Diese Studie ist ein weiteres Argument dafür, Antibiotika bei Kindern mit akuter Otitis media zurückhaltend zu verschreiben!

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Holt, S; Schmiedl, S; Thürmann, PA: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(31-32): 543-51

Entstanden aus dem PRISCUS-Teilprojekt 3: Risiken und Nebenwirkungen: Im Alter

immer häufigerMultimorbidität und Polypharmakotherapie :

Analyse von Interaktionen, inadäquater Medikation und Nebenwirkungen

Projektleitung: Prof. Dr. med. Petra Thürmann,

Witten-Herdecke

Stichwort: Arzneimittel bei ÄlterenViele AM sind im Alter eher ungeeignet - Die PRISCUS-Liste

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Arzneistoffklassen mit potenziell inadäquaten Wirkstoffen für ältere Menschen

• Neuroleptika• Ergotamin und –Derivate• Laxanzien• Muskelrelaxanzien• Sedativa, Hypnotika• Antidementiva,

Vasodilatatoren, durchblutungsfördernde Mittel

• Antiepileptika

• Analgetika, Antiphlogistika

• Antiarrhythmika• Antibiotika• Anticholinergika • Thrombozyten-

aggregationshemmer• Antidepressiva• Antiemetika• Antihypertensiva,

kardiovaskuläre Arzneimittel

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Patientensicherheitsindikatoren (PSI) als Indikatoren

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Gefährdung älterer Menschen durch ‚inappropriate drugs‘

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Im Berichtszeitraum des BQS-Berichtes 2005 wurden 130.655 der insgesamt 152.252 hysterektomierten Patientinnen mit einer Antibiotikaprophylaxe behandelt (85,8 %).

Damit waren die Ergebnisse zwar besser als in den Vorjahren (2003: 80,8 %, 2004: 82 %), die Schwankungsbreite zwischen den 1.200 Krankenhäusern war jedoch beachtlich – sie lag zwischen 0 und 100 %. Insgesamt gab es 381 Krankenhäuser, deren Ergebnisse vom vorgegebenen Referenzwert abwichen. Ein Teil dieser Krankenhäuser mit hohen Abweichungen zum Referenzwert wurde im Hinblick auf eine notwendige Qualitätsoptimierung angeschrieben, in einigen fand ein strukturierter Dialog zu Verbesserung der dokumentierten Qualitätsdefizite statt.

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Quelle: Hoffmann F (2005); Benzodiazepine: Verordnungstrend erkennbar . In: Glaeske G, Janhsen K (2005) GEK Arzneimittel-Report 2005. S.149 -167. Sankt Augustin: Asgard-Verlag

Stichwort: Persistenz (im negativen Sinne)Langzeitgebrauch von Benzodiazepinen

Im höheren Alter geht der (Langzeit-) Gebrauch von Benzodiapezepinen mit einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko einher

(Vgl. z. B. Cumming & Le Couteur (2003), CNS Drugs, 7(11):825-837).

Anteil Versicherte (alters- und geschlechtsspezifisch je 1.000) mit mindestens 90 Tagesdosen (DDD) Benzodiazepine in 2004

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Denkbare Betrachtungsperspektive: Interaktions-patientenbezogener Ansatz (Einzelstudien,

qualitative Untersuchungen) Non-Adhärenz der PatientInnen aufgrund kommunikativer Defizite in der Arzt- Patienten-Beziehung und eines fehlenden Konsenses hinsichtlich der Behandlungsprioritäten und –ziele Eine unzureichende Berücksichtigung individueller Lebensgewohnheiten (z.B. Tagesrhythmus, Esskultur) oder Fähigkeiten der PatientInnen (z.B. Schluckbeschwerden, Schwierigkeiten bei der Entnahme von Tabletten aus der Verpackung Verordnungen, die bei entsprechenden Indikationen nicht den Patientenpräfe- renzen (z.B. Phytopharmaka bei mittelschweren Depressionen) entsprechen Dauerverordnungen von Arzneimitteln, die mit einem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial belastet sind, und die trotz vorliegender Verordungen unkontrolliert weiter verordnet werden (auch auf Privatrezept)

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Hypnotikaverbrauch auf Privatrezepten

Abb.: Vergleich GKV (SHI) - und Privatrezepte (bzw. Abgabe ohne GKV-Rezept, Not SHI) bei den Hypnotika Zolpidem und Zopiclon

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Fazit: Qualitätskriterien in der Arzneimittel-Versorgungsforschung

Qualitätsindikatoren lassen sich prozeduralisieren: Strukturqualität: Arzneimittel mit unbestimmtem Nutzen, wenig Rationaler Zusammensetzung oder zweifelhafter Wirtschaftlichkeit: Einzelne Mittel sind bennbar und können identifiziert werden (ATC/PZN)! Prozessqualität: Persistenz, Applikationsformen, Dosierungen, Auswahl unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht, Leitlinienkonformität, Interaktionen und UAWs können unter Berücksichtigung der Verordner, bestimmter Patientenmerkmale und Regionen identifiziert werden Ergebnisqualität: Möglichkeiten der Analysen von Folgeereignissen (Brüche, Infarkte, Notfälle, Krankenhausbehandlungen, Abhängigkeitsentwicklungen, AU-Tage u.a.) bieten eine Annäherung an das Behandlungsergebnis

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Arzneimittel-VersorgungsforschungWas lässt sich über Routinedaten (nicht) abbilden?

Trotz allem: Die Abbildung von Qualität im Rahmen der Arzneimittel-versorgung ist limitiert durch den Zugang zu Daten. Es fehlen in der Regel Daten zu(r): Selbstmedikation (z.B. freiverkäufliche Mittel wie Johanniskraut- Dragees Einnahme (findet eine Einnahme tatsächlich statt und wenn ja, wie?) Privatrezepten (viele Rx-Schlafmittel werden privat verordnet) Klinische Daten (wie beeinflusst die Medikation z.B. Organfunk- tionen?)Für „belastbare“ Qualitäts-/Outcome-Messungen sind Verknüpfungen mit weiteren Daten (z.B. Primärdaten, Registern u.ä.) notwendig.

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Indikatoren für Evidenz, Effizienz und Patientennutzen weisen in die richtige Richtung, alles

andere leitet in die Irre….

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Vielen Dank für die Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!Aufmerksamkeit!

Kontakt:[email protected]