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Bindung und Bindungsstörungen - Bedeutung für Diagnose, Beratung und Therapie Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München © Copyright Karl Heinz Brisch LMU München 2015. Alle Rechte vorbehalten.

Bindung und Bindungsstörungen - Bedeutung für Diagnose ... · Frühe Hilfen rund um Schwangerschaft, Geburt und erstes Lebensjahr Universitäts-lehrgang Early-Life-Care Akademie

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Bindung und Bindungsstörungen -Bedeutung für Diagnose, Beratung und

Therapie

Karl Heinz Brisch

Kinderklinik und Poliklinikim Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und PsychotherapieLudwig-Maximilians-Universität

München

© Copyright Karl Heinz Brisch LMU München 2015. Alle Rechte vorbehalten.

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Übersicht

• Bindungsentwicklung

• Bindungsqualitäten

• Traumatische Erfahrungen

• Bindungsstörungen

• Bindung-basierte Therapie

• Prävention

• Videobeispiele

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John Bowlby

"Bindung ist das gefühlsgetragene Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet."

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Überlebenswichtige Systeme

Beziehung

Bindung

Selbstwirksamkeit

Vermeidung von negativen Reizen

Sensorisch-sexuelle

Stimulation

PhysiologischeBedürfnisse

Exploration

1.

2. 3.

4.

5.

6.

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Vorgeburtliche Bindung

• Freude

• Ambivalenz und Angst

• Pränatale Diagnostik

• Kindsbewegungen

• Intensivierung der mütterlichen/väterlichen Bindung vor der Geburt

• Identifikation mit dem wachsenden Kind

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Bindung von Seiten der ElternGeburt und in den ersten Wochen

• Geburtsängste

• Hormon Oxytocin

• Erstkontakt im Kreissaal

• Mutter/Vater-Kind-Interaktion

• Baby Blues und Postpartale Depression

• Rooming in

• Bedding in

• Stillen und stillfreundliches Krankenhaus

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Pränatale Erfahrungen und Gene• Pränatale Angst und Stress der Mutter (O'Conner, 2002)

• Veränderung der Durchblutung in der Gebärmutter – Stress für Fötus

• Aktivierung der Gen-Expression für Serotonin-Transporter– Gen-Variante mit hoher Konzentration

• Beruhigung des Föten

– Gen-Variante mit niedriger Konzentration• Irritabilität, Schreckhaftigkeit des Föten

• Säuglinge mit hoher Irritabilität nach der Geburt – Gen-Variante mit niedrigem Serotonin-Transport

– (vgl. auch Dowling, Martz, Leonard, & Zoeller, 2000; Linnet et al., 2003) (Kofman, 2002)

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Pränataler Stress, Neurotransmitter und Adoption

• Pränatale Stressexperiment mit Mäusen• Postnatal: Vergrößerung der Rezeptordichte für

Transmitter (z.B. Dopamin, Glutamat) im Frontalhirn • Aktivierung der Gen-Expression für Dopamin und

Gluatamat-Rezeptoren durch pränatalen Stress• „Früh-Adoption“ der pränatal gestressten Mäusebabys

durch nicht gestresste Kontrollmütter – keine Transmitterveränderungen mehr!!

• Verminderung der Gen-Expression durch Interaktion mit pränatal nicht gestressten Kontroll-Müttern(Barros et al. 2004)

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Deprivations-Experimente mit Mäusen

• Genetische identische Mäuse• Frühdeprivation - Stresserfahrung• Cortisol-Erhöhung durch Gen-Expression• Lebenslang höherer basaler Cortisol-Spiegel• Hoher basaler Cortisol-Spiegel in nächster Generation

ohne Deprivations-Erfahrung• Geringere Aufmerksamkeit• Schlechtere Lernleistung• Diskussion: Modus der gesteigerten Gen-Expression wird

vererbt• Meaney, M. J. (2001). Annu. Rev. Neurosci.;. Meaney et al, 1988 Science; Francis et al. 1999, Science.

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Zusammenfassung (1)

• Gene sind basale dynamische Bausteine

• Gen-Aktivierung und Expression von Proteinen ist abhängig von der Umwelt-Erfahrung

• Mutter-Kind-Interaktionen sind basale Erfahrungen, die Gen-Expressionen von Hormonen aktivieren

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Zusammenfassung (2)

• Hormone beeinflussen Gehirnentwicklung, Neurotransmitter und Verhalten

• Verhalten des Kindes (Phänotyp) beeinflusst Psychodynamik der Interaktion

• Dies führt zu neuen Erfahrungen und Veränderungen in der Gen-Expression

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Bindung zum Überleben

• Bindung ist für das Leben so grundlegend wie Luft zum Atmen und Ernährung

• Die emotionale Bindung sichert das Überleben und die Entwicklung des Säuglings

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BindungstheorieJohn Bowlby

• Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson

• Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings

• Die Bindungsperson ist der

„sichere emotionale Hafen“für den Säugling

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Bindungstheorie I

• Durch Angst und Trennung wird das Bindungsbedürfnis aktiviert

• Durch körperliche Nähe zur Bindungsperson wird das Bindungsbedürfnis wieder beruhigt

• Die primäre Bindungsperson muss nicht die leibliche Mutter/Vater sein

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Bindungstheorie II

• Das Bindungsbedürfnis steht im Wechsel mit dem Erkundungsbedürfnis

• Wenn das Bindungsbedürfnis beruhigt ist, kann der Säugling die Umwelt erkunden

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Bindung Erkundung

Bindungaktiviert

Bindungde-aktiviert

Erkundungaktiviert

Erkundungde-aktiviert

„Bindungs- Explorations-Wippe“

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Stress -Toleranz-Fenster und Affekte

Übererregung � Parasympathikus � Dissoziation � ERSCHLAFFUNG

Übererregung � Sympathikus � Dissoziation� EINFRIEREN

+

-

Modifiziert nach Lutz Ulrich Besser © Copyright Besser 2008

Panik

Todesangst

Aktiviertes Bindungsbedürfnis

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Feinfühligkeit

• Die Pflegeperson mit der größten Feinfühligkeit in der Interaktion wird die Hauptbindungsperson für den Säugling

• große Feinfühligkeit fördert eine sichere Bindungsentwicklung

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Feinfühligkeit II

• Verhalten

• Sprache

• Rhythmus

• Blickkontakt

• Berührung

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Feinfühligkeit

• Die Pflegperson muss die Signale des Säuglings – wahrnehmen

– richtig interpretieren

– angemessen reagieren

– prompt reagieren

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Sprachliche Interaktion

• Förderung einer sicheren Bindung durch die Verbalisierung – der „inneren Welt“ der affektiven Zustände

– der Handlungszusammenhänge des Säuglings

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Rhythmus der Interaktionin Handlung und Sprache

• Förderung einer sicheren Bindung durch– Wechselseitige Abstimmung in der Mutter-

Säuglings-Interaktion und Kommunikation

– Korrektur von Missverständnissen

• unsichere Bindung– über-synchrone Interaktion und

Kommunikation

– absolut asynchrone Interaktion

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Blickkontakt

• Blickkontakt mit gelungener Abstimmung zwischen Säugling und Pflegeperson fördert die sichere Bindungsentwicklung

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Berührung

• Feinfühlige Berührung und Körperkontakt zwischen Pflegeperson und Säugling fördert die sichere Bindungsentwicklung

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Persönlichkeit von Pflegepersonen

• hilfreiche Eigenschaften für die sichere Bindungsentwicklung von Kindern– Feinfühligkeit– Emotionale Verfügbarkeit– Verarbeitung von eigenen Traumata vor Pflege

von Kindern– Bereitschaft, eigene Traumata durch

Psychotherapie zu verarbeiten– Ressourcen

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Bindungsqualitäten I

• Sicher (ca. 60-65%)• Unsicher

– Vermeidend (ca. 20-25%)– Ambivalent (ca. 10-15%)

• Beginnende Psychopathologie– Desorganisiert (ca. 5-15%)

• Psychopathologie– Bindungsstörung (ca. 3-5%)

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Bindungsqualitäten

• Sichere Bindung des Säuglings– Trennungsprotest

– Weinen, Rufen, aktive Suche nach der Bindungsperson, Wunsch nach Körperkontakt

– Beruhigung durch Körperkontakt mit der Bindungsperson nach deren Rückkehr

– Fortsetzung der Exploration nach kurzer Beruhigungszeit

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Bindungsqualitäten

• unsicher-vermeidende Bindung– kaum oder kein Trennungsprotest

– etwas eingeschränktes Spiel während der Trennung

– kein Wunsch nach Körperkontakt bei Rückkehr der Bindungsperson

– aktive Distanzierung von Bindungsperson

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Bindungsqualitäten

• unsicher-ambivalente Bindung– extremer Trennungsprotest

– unstillbares Weinen, extreme Erregung

– keine Beruhigung nach Rückkehr der Bindungsperson trotz Körperkontakt

– Nähesuchen und Aggression gleichzeitig

– keine Rückkehr zum entspannten Spiel

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BindungsqualitätenBeginnende Psychopathologie

• unsicher-desorganisierte Bindung– widersprüchliche Verhaltensweisen von

Nähesuchen und Vermeidung

– Verhaltensstereotypien

– Einfrieren der Bewegung

– „Absencen“, dissoziative Zustände

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Beginnende Psychopathologie mit unterschiedlichem Schweregrad

• desorganisierte Bindung

• ca. 5% bis 80%

• Ansteigend in Risikogruppen, z. B.– Nach Gewalterfahrungen

– Deprivation

– Eltern mit unverarbeitetem Trauma

• Vorläufer von ADHS – Borderline-Störung

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Ursachen der desorganisierten Bindung

• Ungelöstes Trauma der Eltern• Auffälligkeiten der Pflegeperson in der

Interaktion mit dem Kind– Angstmachendes Verhalten – Ängstliches Verhalten – Hilfloses Verhalten

• In einzelnen Episoden Wiederholung des Traumas mit eigenem Kind (Gewalt)

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Bindungsqualitäten

• Physiologie des Säuglings– Stressreaktionen bei allen Bindungsmustern

durch die Trennung von der Bindungsperson– Erhöhung von Herzfrequenz, Erniedrigung von

Hautwiderstand, Anstieg des Speichel-Cortisols– maximale Werte und kaum Abfall nach Ende

der Trennung bei• unsicher-vermeidender Bindung• desorganisierter Bindung

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Bindung und psychische Entwicklung

• SichereBindung SCHUTZ

• Un-sichere Bindung RISIKO

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Folgen der Bindungsentwicklung (1)

• SichereBindung– Schutzfaktor bei Belastungen– Mehr Bewältigungsmöglichkeiten– Sich Hilfe holen– Mehr gemeinschaftliches Verhalten– Empathie für emotionale Situation von anderen

Menschen– Mehr Beziehungen– Mehr Kreativität– Mehr Flexibilität und Ausdauer– Mehr Gedächtnisleistungen und Lernen

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Folgen der Bindungsentwicklung (2)

• Un-SichereBindung– Risikofaktor bei Belastungen

– weniger Bewältigungsmöglichkeiten

– Lösungen von Problemen eher alleine

– Rückzug aus gemeinschaftlichen Aktivitäten

– weniger Beziehungen

– Mehr Rigidität im Denken und Handeln

– Weniger prosoziale Verhaltensweisen

– schlechtere Gedächtnisleistungen und Lernen

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Bindung ist das Fundament der Persönlichkeit I

• Sichere Bindung– Psychischer Schutz bei Belastungen

– breites solides Fundament

• Unsichere Bindung– Psychisches Risiko bei Belastungen

– Schmales und weiches Fundament

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Bindung ist das Fundament der Persönlichkeit II

• Desorganisierte Bindung– Beginnende Psychopathologie

– Löcher und fehlende Fundamenteile

• Bindungsstörung– Manifeste frühe Psychopathologie

– Sumpf als Fundament

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Bindungsrepräsentationen der Erwachsenen

• sicher-autonom

• unsicher– distanziert

– verstrickt

– ungelöstes Trauma (Zusatzmuster)

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Bindung zwischen den Generationen

• Zusammenhang zwischen Bindung der Eltern und des Kindes– sichere Eltern mit sicheren Kindern

• Mutter-Kind ca. 75%

• Vater-Kind ca. 65%

– unsichere Eltern mit unsicheren Kindern

– traumatisierte Eltern mit desorganisierten Kindern

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Ursachen von Bindungsstörungen

• Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen– Sexuelle Gewalt

– Körperliche Gewalt

– Massive Vernachlässigung

– Häufig wechselnde Bezugssysteme

– Multiple Verluste

– Miterlebte Gewalt in allen Formen (Augenzeuge)

– Verletzung von Bindungspersonen durch Gewalt

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Pathologische Bindung des Kindes an einen Täter

• Bedrohung durch Täter• Angst und Panik• Abhängigkeit • Kein Kampf und keine Flucht möglich• Extreme Suche nach Bindungsperson• Einzige verfügbare Bindungsperson ist Täter• Täter wird zur angstbesetzten „pathologischen Bindungsperson"• Verspricht "Sicherheit" für Unterwerfung• Besondere Schwierigkeit, wenn Täter Pflegeperson ist• Erstarrung und Dissoziation von Gefühlen • Unterwerfung• Kooperation und "Liebe"

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Entstehung von Bindungsstörungen

als Psychopathologie I

• wiederholte Traumatisierung des Kindes– in der frühen Kindheit

– häufig in der Bindungsbeziehung

– nicht vorhersehbar

– willkürlich

– Vernachlässigung, Trennungen, Gewalt

– Todesbedrohung

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Unverarbeitetes Trauma der Mutter/des Vaters

• Störung der Interaktion und der affektiven Kommunikation mit dem Säugling– Pränatal und postnatal

• ängstliches Verhalten der Mutter

• ängstigendes Verhalten der Mutter

• hilfloses Pflegeverhalten der Mutter

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Auslöser („Trigger“)für Trauma-Erinnerung

• Trigger im Verhalten des Säuglings, Kindes, Jugendlichen– Bindungswünsche, Nähe

– Weinen, Kummer, Schmerz, Bedürftigkeit

– Ablösung, Abgrenzung

• Trigger in der affektiven Erregung

• unbewußte Vorgänge!!!

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Re-Inszenierung des Traumas

• In der Interaktion mit dem Säugling– Zurückweisung der Nähewünsche -Vermeidung– Gewalt– Abrupte Handlungsabbrüche– Überstimulation (sexuell-sensorisch)

• In der affektiven Kommunikation– Übertragung der Trauma-Affekte

• Angst, Wut, Scham, Erregung

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Folgen

• Bindungs-Desorganisation als beginnende Psychopathologie– Kein Aufbau von integriertem sicheren inneren

Arbeitsmodell beim Säugling

– Desorganisiertes Bindungsverhalten

– Desorganisierte Narrative

– Erhöhte Stressbelastung in Interaktion

• Bindungsstörung als schwere Psychopathologie

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Folgen von Bindungsstörungen I

• Kein Aufbau der sicheren emotionalen Basis

• Verlust von emotionaler Sicherheit und Vertrauen

• mangelnde Beziehungsfähigkeit

• Hochgradige Verhaltensstörung in bindungsrelevanten Situationen

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Folgen von Bindungsstörungen IV

• Angst und Panikstörung

• Depression

• Somatoforme Störungen

• Desorganisation

• Derealisation

• Depersonalisation

• Dissoziation

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Diagnostik I

• Bindungs-Trauma-Anamnese

• Suche nach Auslösern für Aktivierung des Bindungssystems durch Traumaerfahrungen

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Diagnostik II

• Trennungs-Test für Vorschulkinder (2-6 J.)

• Puppenspiel (3-12 J.) -Geschichtenergänzung

• Kinder-Bindungsinterview (CAI)

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Diagnostik III

• Erwachsenen-Bindungs-Interview – Adult-Attachment-Interview von Mary Main

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Diagnostische Klassifikation von Bindungsstörungen

• ICD 10 (vgl. auch DSM III / IV)– F 94.1 � reaktive Bindungsstörung mit

Hemmung des Bindungsverhaltens

– F 94.2 � Enthemmung des Bindungsverhaltens

– Ursache: ausgeprägte Vernachlässigung und ständig wechselnde Betreuungssysteme

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Bindungsstörungen

• ohne Bindung

• Promiskuität

• Übererregung

• Hemmung

• Aggression

• Unfall-Risiko

• Rollenwechsel

• Sucht

• Psychosomatik

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Voraussetzungen für Bindungsaufbau mit bindungs-

gestörten Kindern

• Äußere und innere Sicherheit für Pflegepersonen– Pädagogische-therapeutische Ausbildung– Selbsterfahrung, Selbsterfahrung, Selbsterfahrung– Anstellungsvertrag– Ausreichend Gehalt– Sichere Räume– Wenige Kinder– Team– Supervision für Team und Einzelfall– Ressourcen, Ressourcen, Ressourcen– Gesellschaftliche Anerkennung

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern

• Keine abgegrenzten Phasen• Keine lineare Entwicklung• Bindungsaufbau wie "Achterbahn-Erfahrung"

– Verzögerung– Beschleunigung– Absturz ins Wasser– Looping– Vor- und Zurück– Nicht-Aussteigen-können– Angst, Panik,Todesangst– Verlust der Beziehung zur Realität– Psychosomatische Symptome

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern I

• Alle Muster der Bindungsstörung in bindungsrelevantem Kontext

• Besondere Probleme für Pflege– Pseudo-Normalität

– Grenzverletzungen

– Aggressivität

– Dissozialität

– Sexualisierung

– Körperliche Symptome - Somatisierung

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern II

• Kinder zeigen etwas von ihrer inneren Not– Angst– Alpträume– Intrusionen– Flashbacks– Psychosomatische Beschwerden

• Essstörungen• Schmerzen• Dissoziative Symptome

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern IIII

• Kinder bringen ihre Not vorsichtig in die Beziehung zur Pflegeperson– Weinen

– Körperkontakt

– Trost

– Angst vor Verlassenwerden

– Trennungsschmerz

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern IV

• Kinder verbalisieren akute Not– Narrative des akuten Erlebens

• Kinder verbalisieren vergangene Not– Narrative Fragmente von erlebten Traumata

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern V

• Wiedererleben von wachgerufenen, alten Affekten und emotionalem Schmerz in der schützenden haltenden Pflegebeziehung

• Neuerfahrung des sicheren emotionalen Hafens mit Pflegeperson bei Angst und Schmerz

• Entwicklung von Bindungssicherheit – Vertrauen, Schutz, Beruhigung, Suche nach Nähe

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Phasen des Bindungsaufbau mit bindungsgestörten Kindern VI

• Exploration der Welt

• Neue Beziehungen innerhalb und außerhalb der Pflegebeziehungen

• Empathische Situationen mit anderen

• Trennungen werden möglich ohne traumatische Situationen

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Indikation für Psychotherapie des Kindes

• Unverarbeitete Traumatisierung

• Desorganisierte Bindung - ADHS

• Aggressive - soziale Verhaltensstörung

• Bindungsstörung

• psychosomatische Störung

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Voraussetzung für Psychotherapie

• Sicherer Rahmen– Äußerlich

• Verlässliche Strukturen

• kein Kontakt mit Täter und nahen Beziehungspersonen des Täters

– Innerlich• Emotionale Sicherheit durch Stabilisierung

• Ausreichende Stress- und Affektregulation im Alltag

• Frühzeitig und längere Zeit bei sicherem Rahmen

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Therapievon Bindungsstörungen –

Phase 1

• Herstellung einer „sicheren emotionalen therapeutischen Bindung“– Therapeutische Feinfühligkeit

– Bindungsstörungen mit bizarren Interaktionsmustern

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Therapievon Bindungsstörungen

Phase 2

• Exploration der Lebensgeschichte– Erfahrungen von

• Trennung

• Verlust

• Trauma

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Therapievon Bindungsstörungen

Phase 3

• Wiederbelebung in der Übertragung– Neue Bindungserfahrung

– Trennungserfahrungen mit Therapeuten

– Trauerarbeit

• Bearbeitung der Realtraumata

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Therapievon Bindungsstörungen

Phase 4

• Veränderung von Realbeziehungen– Trauerarbeit

• Veränderung der Bindungsrepräsentation– „Earned secure“ =

– erworbene Bindungssicherheit

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Therapievon Bindungsstörungen

Phase 5

• Abschied in der Therapie - Exploration• Intervallbehandlung

– Sichere emotionale therapeutische Beziehung wird nicht aufgelöst

• Kürzere Behandlungsphasen zu späteren Zeiten– Rückgriff auf therapeutische Beziehung

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Präventionvon Bindungsstörungen

• Förderung der elterlichen Feinfühligkeit

• Schulung über Bedeutung der sicheren Bindung

• Verhinderung von unvorbereiteten Trennungen

• Vermeidung von Traumatisierung

• Behandlung nach Traumaerfahrung

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SICHERE AUSBILDUNG

FÜR ELTERNEin Präventionsprogramm zur Förderung einer sicheren

Bindung zwischen Eltern und Kind

SAFE

Karl Heinz BrischKinderklinik und Kinderpoliklinik

im Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie

Ludwig-Maximilians-Universität München

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Ziele der primären Prävention

• Förderung der psychischen Gesundheit von Elternund Kindern

• Entwicklung von sicheremBindungsverhalten

• Sensibilisierung der Eltern für die emotionalenBedürfnisse ihrer Kinder

• Einübung von feinfühligemInteraktionsverhalten

• Verarbeitung von elterlichen Traumatisierungen

• Durchbrechung von „Teufelskreisen“

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Zielgruppen

• Werdende Väter und Mütter– Erstgebärende

– Mehrgebärende

– Paare und Alleinerziehende

– Motivation für emotionale Entwicklung ihres Kindes

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Module von SAFE

• Pränatal

• Postnatal

• Hotline

• Traumatherapie

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Modul Pränatal

• 4 Sonntage während der Schwangerschaft– in der 20., 24., 28., 32. Schwangerschaftswoche

• Inhalte (Video-gestütztes Lernen)– Phantasien und Ängste der Eltern– Pränatale Bindung– Kompetenzen des Säuglings und der Eltern– Rollenerwartung und Elternmodell– Eltern-Säuglings-Interaktion mit Video-

Feedbacktraining– Stabilisierungs- und Entspannungsverfahren

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Modul Postnatal

• Elterngruppen an 6 Sonntagen nach der Geburt– 1 Monat, 2 Monate 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate,

12 Monate• Inhalte

– Verarbeitung der Geburt und Postpartale Depression– elterliche Kompetenzen– Mutter-Vater-Kind Triangulierung– Entspannungstechniken, Impulskontrolle– Bewältigung von interaktionellen Schwierigkeiten – Entwicklung des Bindungs- und Explorationsverhaltens– Video-Feedback-Training

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Modul Hotline

• Individuelle Beratung der Eltern, wenn es „brennt“ („Schreianfall“ des Säuglings)– Am Telefon– In der psychosomatischen Beratungsstelle

• Emotionale Sicherheit für Eltern• Eltern kennen BeraterIn aus der

Elterngruppe - Vertrauensverhältnis• Stärkung der elterlichen Kompetenzen

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Modul Fokale Traumatherapie

• Kinder triggern traumatische Erfahrungen der Eltern („Geister im Kinderzimmer“)

• Individuelle fokale Psychotherapie für Vater / Mutter

• Prävention einer Wiederholung des erlebten Traumas mit eigenen Kindern

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Multiplikatoren

• Weiterbildung in SAFE für – Hebammen

– Schwangerschaftsberaterinnen

– Krankenschwestern

– Geburtshelfer

– Kinderärzte

– Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

– Psychologen

– u. a.

SAFE - Mentor-

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MentorentrainingInfo

[email protected]

SAFE

Karl Heinz BrischKinderklinik und Kinderpoliklinik

im Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie

Ludwig-Maximilians-Universität München

©

© Copyright Karl Heinz Brisch LMU München 2015. Alle Rechte vorbehalten.

Innovation

• Beginn in der Schwangerschaft

• Nutzung des Gruppeneffektes

• Fortführung bis Ende des 1. (2.-3.) Lebensjahres

• Kombination von Gruppe und Einzelberatung

• Hotline bietet Sicherheit im Alltag

• Präventive individuelle Psychotherapie durchbricht „Teufelskreis“

• Keine Diskriminierung von High-Risk-Eltern

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Evaluation

• Prospektive randomisierte Längsschnittstudie

• SAFE-Gruppen versus GUSTA-Gruppen

• Outcome-Variable

Sichere Bindung

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B = BabywatchingA = Against Aggression and AnxietyS = For SensitivityE = For Empathy

B.A.S.E.Babywatching

®

Karl Heinz BrischKinderklinik und Kinderpoliklinik

im Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie

Ludwig-Maximilians-Universität München

Ein Präventionsprogramm zurVorbeugung von aggressiven und ängstlichen

Verhaltensstörungen in Kindergarten und Schule

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Baby-Beobachtung im KindergartenPrävention von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen

• Schulung der Einfühlsamkeit in– Handlungen

– Gedanken

– Motivationen

– Gefühle von anderen

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Informationen über die Ausbildung

B.A.S.E.-GruppenleiterIn oder MentorIn

www.base-babywatching.de

B.A.S.E.®

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DVD Babywatching

www.base-babywatching.de

B.A.S.E.®

© Copyright Karl Heinz Brisch LMU München 2015. Alle Rechte vorbehalten.

John Bowlby (1980)„Emotionale Bindungen an andere Menschen sind der Dreh- und Angelpunkt im Leben eines Menschen, nicht nur in der Säuglingszeit oder im Kindergartenalter, sondern auch in der Schulzeit und Jugend sowie im Erwachsenleben bis ins hohe Alter. Aus diesen emotionalen Bindungen schöpft ein Mensch Kraft und Lebenszufriedenheit, und er kann hieraus auch wieder anderen Menschen Kraft und Lebensfreude schenken. Dies sind Themen, in denen sich die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und traditionaler Weisheit treffen und übereinstimmen….“„Wir hoffen daher, dass unser gegenwärtiges Wissen – trotz aller Unzulänglichkeiten – schon umfassend genug sein möge, um uns in unseren Anstrengungen zu leiten, denjenigen zu helfen, die bereits große psychische Schwierigkeiten haben und noch mehr andere Menschen davor zu bewahren, solche Schwierigkeiten erst gar nicht zu bekommen.“

• In J. Bowlby (1980) Attachment and loss. Vol. III: Loss: Sadness and depression(pp. 442). New York: Basic Books.

Frühe Hilfen rund um Schwangerschaft, Geburt und

erstes Lebensjahr

Universitäts-lehrgang

Early-Life-CareAkademie

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

www.safe-programm.dewww.base-babywatching.de

www.bindungskonferenz-muenchen.dewww.khbrisch.de