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Naunyn-Schmiedebergs Arch. exp. Path. u. Pharmak. 253, 372--387 (1966) Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglyk[imie * G. SCHULTZ, G. SEI~FT, W. LOSERT und R. SITT** Pharmakologisches Institut der Freien Universit~t Berlin Eingegangen am 29. Oktober 1965 Bei der pharmakologischen Prfifung des Diazoxids (3-Methyl-7- chloro-l,2,4-benzothiadiazin-l,l-dioxyd) wurde festgestellt, da~ die Verbindung eine natriumretinierende (WoLFER, SC1WNEIDER U. HocI-I- REr~, 1963 ; SE~FT, 1965), blutdrucksenkende (RuEIN, ROTH U. WINBURY, 1961 ; HUTCHESONU. BARTHALAMUS, 1962 ; 0KUN, RUSSELLU. WILSOn, 1963) und blutzuckersteigernde (TABAC~NICK, GULBENr,_~AN, ZEMAN U. BLACK, 1963; WOLFF, LANGDON,RUEBNER, HOLLANDER U. SKOGLUND, 1963; KVAM u. STA~TON 1964; TABACHNICK,GULBENKIANU. SEIDMAN 1964; WOLFF U. PARMLE¥, 1964; MENG U. KRONE~ERa, 1965) Wirkung besitzt. Diese Eigenschaft kann zur symptomatischen Behandlung des Insuloms ausgenutzt werden (LuNDVALL U. JOHNSSON, 1965; ERNESTI, MITCHELL, RABEN U. GILBOA, 1965 ; GRABER, PORTE u. WILLIAMS, 1965 ; MARKS, ROSE, SAMOLS). Sie land zunehmende Beaehtung, naehdem fiber das Auftreten yon Hyperglyk~mien nach chronischer Gabe sul- fonamidierter Benzothiadiazine beim Menschen berichtet worden war (WILK~NS, 1959 ; GOLDNER, ZAROWITZ U. AKGUN, 1960 ; SUGAR U. RAINIER, 1961 ; SHAPIRO,BENEDEK U. SMALL,1961 ; RUNrAN, 1962 ; WEISSEL, 1962; KSNmSTEIN, 1963 ; WOLFF, PARMLEY, WHrrE u. OKUN, 1963 ; WiLson, STONE, OKUN U. RUSSELL, 1964). Obwohl die durch beide Gruppen erzeugten St5rungen im Kohlen- hydratstoffwechsel gemeinsame Kennzeichen besitzen (LosERT, SE~FT U. SITT, 1965 ; LOSERT, SCHULTZ,SE~FTU. SITT, 1965 ; SE~FT, 1965), ist die Annahme, dal~ dieser Effekt auf einem gleichen Mechanismus beruht, nicht bewiesen, da dieser yon keiner der Substanzen aufgekl~rt ist. Wir haben zun/~chst die Ursaehen der blutzuckersteigernden Wirkung von Diazoxid untersucht, die sich durch ihren schnellen Eintritt gegenfiber dem Effekt sulfonamidierter Benzothiadiazine auszeiehnet, der erst naeh mehrfacher Gabe auftritt. * Teile dcr Ergebnisse wurden auf der 6. Frtihjahrstagung und der 29. Tagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft vorgetragen (LOSElCT, SCHULTZ, SENFT 11. SITT, 1965, 1966; KAESS,LOSEI~T, SCHULTZ, SENFTU. SITT, 1966). ** Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fiir die Untersttitzung unserer Arbeiten.

Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

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Page 1: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Naunyn-Schmiedebergs Arch. exp. Path. u. Pharmak. 253, 372--387 (1966)

Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglyk[imie *

G. SCHULTZ, G. SEI~FT, W. LOSERT und R. SITT**

Pharmakologisches Institut der Freien Universit~t Berlin

Eingegangen am 29. Oktober 1965

Bei der pharmakologischen Prfifung des Diazoxids (3-Methyl-7- chloro-l,2,4-benzothiadiazin-l,l-dioxyd) wurde festgestellt, da~ die Verbindung eine natriumretinierende (WoLFER, SC1WNEIDER U. HocI-I- REr~, 1963 ; SE~FT, 1965), blutdrucksenkende (RuEIN, ROTH U. WINBURY, 1961 ; HUTCHESON U. BARTHALAMUS, 1962 ; 0KUN, RUSSELL U. WILSOn, 1963) und blutzuckersteigernde (TABAC~NICK, GULBENr,_~AN, ZEMAN U. BLACK, 1963; WOLFF, LANGDON,RUEBNER, HOLLANDER U. SKOGLUND, 1963; KVAM u. STA~TON 1964; TABACHNICK, GULBENKIAN U. SEIDMAN 1964; WOLFF U. PARMLE¥, 1964; MENG U. KRONE~ERa, 1965) Wirkung besitzt. Diese Eigenschaft kann zur symptomatischen Behandlung des Insuloms ausgenutzt werden (LuNDVALL U. JOHNSSON, 1965; ERNESTI, MITCHELL, RABEN U. GILBOA, 1965 ; GRABER, PORTE u. WILLIAMS, 1965 ; MARKS, ROSE, SAMOLS). Sie land zunehmende Beaehtung, naehdem fiber das Auftreten yon Hyperglyk~mien nach chronischer Gabe sul- fonamidierter Benzothiadiazine beim Menschen berichtet worden war (WILK~NS, 1959 ; GOLDNER, ZAROWITZ U. AKGUN, 1960 ; SUGAR U. RAINIER, 1961 ; SHAPIRO, BENEDEK U. SMALL, 1961 ; RUNrAN, 1962 ; WEISSEL, 1962; KSNmSTEIN, 1963 ; WOLFF, PARMLEY, WHrrE u. OKUN, 1963 ; WiLson, STONE, OKUN U. RUSSELL, 1964).

Obwohl die durch beide Gruppen erzeugten St5rungen im Kohlen- hydratstoffwechsel gemeinsame Kennzeichen besitzen (LosERT, SE~FT U. SITT, 1965 ; LOSERT, SCHULTZ, SE~FTU. SITT, 1965 ; SE~FT, 1965), ist die Annahme, dal~ dieser Effekt auf einem gleichen Mechanismus beruht, nicht bewiesen, da dieser yon keiner der Substanzen aufgekl~rt ist. Wir haben zun/~chst die Ursaehen der blutzuckersteigernden Wirkung von Diazoxid untersucht, die sich durch ihren schnellen Eintritt gegenfiber dem Effekt sulfonamidierter Benzothiadiazine auszeiehnet, der erst naeh mehrfacher Gabe auftritt.

* Teile dcr Ergebnisse wurden auf der 6. Frtihjahrstagung und der 29. Tagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft vorgetragen (LOSElCT, SCHULTZ, SENFT 11. SITT, 1965, 1966; KAESS, LOSEI~T, SCHULTZ, SENFT U. SITT, 1966).

** Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft fiir die Untersttitzung unserer Arbeiten.

Page 2: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Biochemisehe Grundlagen der Diazoxid-Hyperglyk~,mie 373

Methodik Als Versuchstiere verwendeten wit m~nnliche Wistarratten mit einem KSrper-

gewieht zwischen i00 und 150 g, die Leitungswasser ad libitum erhielten. Das Fut ter (Altromin R) wurde bei Versuchsbeginn entzogen.

Versuche an adrenalektomierten Tieren fiihrten wir 24 Std nach der Operation durch. Sie erhielten 0,9°/0ige KochsalzlSsung als Trinkfliissigkeit. Wurden Gluco- und Mineralocortieoide substituiert, injizierten wit 20 mg/kg Hydrocortison (Farb- werke Hoechst 1) und 5 fzg/kg d-Aldosteron (Aldocorten, CIBA 1) s.c.

Diazoxid 2 wurde den Tieren in einer Gummi-arabicum-Suspension oral durch eine Schlundsonde gegeben oder in alkalischer LSsung i.v. injiziert. Kontrollen er- hielten das jeweilige LSsungsmittel.

Die Bestimmung des Adrenalingehaltes der Nebennieren erfolgte naeh der bei SC~ACHT, SCHULTZ U. SE~FT (1966) angegebenen Methode.

Die Glucosekonzentration im Blur wurde in Anlehnung an das yon HVGGETT u. NIxo~ (1957) ver5ffentliehte Verfahren mit Glucoseoxydase gemessen (Test- kombination Boehringer und Soehne, Mannheim). Wir gewannen das Blur durch Dekapitation der Tiere oder -- bei mehrfacher Abnahme -- dureh Punktion des retrobulb~ren Venenplexus (H~PE~N u. PACAUD, 1951).

Zur Messung der Glykogenkonzentration in der Leber und Skeletmuskulatur warden etwa 1 g schwere Proben in 30°/0iger KOH bis zur AuflSsung des Gewebes gekoeht und das gelSste Glykogen mit 950]0 igem A_thanol gef~llt. Das Polysaccharid wurde in 0,6 N HC1 im Autoklaven hydrolysiert, die entstandene Glucose mit Glucoseoxydase gemessen.

Zur Bestimmung der fibrigen Substratkonzentrationen in Leber und Skelet- muskulatur wurden Proben dieser Gewebe narkotisierten Tieren im ,,Gefrierstop"- Verfahren (HOHORST, KR~VTZ U. BiiCHER, 1959) entnommen, Blur leiteten wir in eisgekiihlte Perchlorsi~ure ein. Die Messungen erfolgten im optischen Test mit Hilfe folgender Enzyme:

UDP-Glucose mit UDP-Glucose-dehydrogenase, Lactat mit Lactat-dehydrogenase, Glucose-6-phosphat mit Glucose-6-phosphat-dehydrogenase, Glucose-l-phosphat nach ~berfiihrung durch Phosphoglucomutase in Glucose-6-

phosphat.

Die Gesamtglucurons~iureausscheidung im H a m wurde nach der yon DISCH]~ (1947, 1950) angegebenen Methode gemessen.

Die Bestimmung der Glykogen-Phosphorylase-Aktivit~t in der Skeletmusku- latur und Leber erfolgte in Anlehnung an die yon W~ u. RACKER (1959) angegebene Methode. Hierbei wird das unter Einwirkung des Fermentes aus G1ykogen gebildete Glucose-l-phosphat mit einem automatisch registrierenden Spektralphotometer fortlaufend gemessen. Wir verwendeten hierfiir Glykogen, das nach den Angaben yon SCT~ERLA~D U. WOSILAIT (1956) gereinigt worden war. Bei der Aufbereitung der Skeletmuskulatur hielten wir uns im wesentlichen an die yon M~YE~, COTT]~ u. MORA~ (1963 ) mitgeteilte Methodik. Das Gewebe wurde den narkotisierten Tieren bei - -20°C Raumtemperatur durch ,,Gefrierstop" entnommen, sofor~ in fliissigem Stickstoff zerkleinert, in gefrorenem Zustand gewogen und in eisgekiihlter 1 mM EDTA-LSsung (p~ 6,8) homogenisiert. ])as Homogenat wurde bei 0°C 10 rain bei 30000 .g zentrifugiert und anschlieBend die Fermentaktivit~t im ~berstand bestimmt.

1 Wir danken den genannten Firmen fiir ~Tberlassung der Substanzen. Herrn Dr. BLACK, Sehering Corp., Bloomfield, N. J . , danken wir fiir die ~ber-

lassung yon Diazoxid.

Page 3: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

374 CT. SCHULTZ, G. SENFT, W. LOSERT und R. SITT:

Zur Messung der Phosphorylaseaktivitgt in der Leber wurde das Gewebe otme Einfrieren sofort in eisgekiihlter 1 mM EI)TA- und 0,1 M NaF-L6sung (pH 6,8) homogenisiert. Der weitere Verfahrensgang unterscheidet sich nich$ yon der Be- stimmung der Fermentaktiviti~t in der Muskulatur. In diesem Gewebe haben wir die aktive Form der Phosphorylase (Phosphorylase a) sowie bei Zusatz yon 1 mM 5'-AMP die Gesamtaktivit/~t (Phosphorylase a -f- b) gemessen. In der Leber karm mit diesem Verfahren nur die aktive Phosphorylase bestimmt werden, da bei Zusatz yon 5'-AMP die Aktivitg$ der inaktiven Dephosphophosphorylase nur unwesentlich zunimmt (WoslLAIT U. SUTI~IERLAI~D 1956).

Die Aktivit/it der Glykogen-Synthetase in der Skeletmuskulatur bestimmten wir in Anlehnung an das yon DA~IFORTI~ (1965) publizier~e Verfahren. Das bei der enzymatischen Umsetzung der UDP-Glucose (bei pH 8,5) frei werdende UDP wurde nach Abstoppen der Reaktion durch Hitzedenaturierung mit Hilfe folgender Re- aktionen gemessen:

UDP ~- P E P P y r u v a t k i n a s e ) UTP ~- Pyruvat

LDII l~yruvat -~ NADH - ~ Lactate- NAD

Die aktive Form des Ferments (Glykogen-Synthetase I) wurde ohne Zusatz yon Glucose-6-phosphat, die Gesamtaktivit~t (Glykogen-Synthetase I -~-D) bei An- wesenheit yon 10 -2 M Glucose-6-phosphat bestimmt.

3',5'-AMP-Phosphodies~erase wurde nach der yon BUTC]~ER U. SUTIIERLAI~D (1962) mitgeteilten Methode aus Rinderherz gewonnen.

Bei in vitro-Untersuchungen ]leBen wir dieses Ferment bei pH 7,5 auf 3',5'-AMP einwirken. Das dabei entstehende 5'-AMP wurde nach der bei A D ~ (1962) be- schriebenen Methode gemessen. Sie beruht auf folgenden enzymatischen Um- setzungen:

5'-AMP -[- ATP Myokinase ~ 2 ADP

2 ADP ~ 2 P E P ~ y r u v a t k i n a s e ~ 2 ATP ~- 2 l°yruvat LDt{

2 Pyruvat ~ 2 N A D H - ~ 2 Lactat -~ 2 NAD

Dieses Verfahren gestattet es, die Hydrolyse des 3',5'-AMP fortlaufend mit einem registrierenden Spektralphotometer aufzuzeichnen.

Die Messung der 3',5'-AMP-Phosphodiesterase-Aktivit~t in der Skeletmus- kulatur der Versuchstiere erfolgte im ~berstand eines 20 min bei 30 000 • g zentri- fugierten Homogenates in Anlehnung an die yon D~v~I~O~D u. PERROTT-Y~E (1961) verSffentlichte Methode. Hierbei wird das bei pH 7,5 gebildete 5"-AMP durch Adenosindesaminase in 5'-IMP umgewandelt. Diese Umsetzung kann als Extink- tionsabnahme bei 265 m~ ebenfalls fortlaufend registriert werden. Vor der Bestim- mung der 3',5'-AMP-Phosphodiesterase-Aktivit~t wurden durch Zugabe yon alka- lischer Phosphatase (KMberdarm) Substrate abgebaut, die zu einer zus~tzlichen Bildung yon 5'-AMP durch im Ansatz vorhandene Phosphomonoesterasen fiihren kSnnten.

Ergebnisse Die G l u c o s e k o n z e n t r a t i o n i m B l u t e r r e i ch t zwi schen de r 2. u n d

4. S t d n a c h e i n m a l i g e r o ra le r G a b e y o n 400 m g / k g D i a z o x i d e inen m a x i m a l e n W e r t . 8 S t d n a c h V e r s u c h s b e g i n n i s t sie n o c h fas t 11/2 rea l so h o c h wie be i den K o n t r o l l e n (Tab. 1).

Page 4: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Bioehemisehe Grundlagen der Diazoxld.Hyperglyk~mie 375

Tabelle 1. Glucosekonzentration im Blur nach Gabe von Diazoxid bei Tieren mit Nebennieren

Ein/lufl yon Dihydroergotamin (DHE) und Dichlorisoproterenol (DCI) au] die Diazoxidhyperglykdmie

Glucosekonzentrat ion im Blur (rag-°/0)

Zeit (Std) Diazoxid

0 ( v o r

Versuehs- beginn)

Kontronc, I i + DHE I + DC~

91,7 -4- 5,5 I ---> n = 30

- - p > 0,05 ~ < 0 , 0 0 0 2 ~ < 0 ,0002

1 0 7 6 1 ' 56 19521 1 1 , ~- , , ~: O, 141,4~3,1 n ~ 9 n ~ 25 n ~ 13

T p < 0,0002 p < 0,0002

- - :p > 0 , 6 . . . . . .

103,8 :J: 5,4 182,2 ± 12,0 151,6 ~ 9,8 n : 9 n ~ 2 1 n = 8

~ p < 0,0002 p ---- 0,06

- - p >10, 3 - - _

¢ 114,5 ~ 9,0 163,6 ± 12,2 --

n ~ 4 n ~ 8

Dosierungen: Diazoxid:

DHE:

D CI:

zv---- I

p < 0,0002--

184,8 -t- 10,7

209,6 ~= 21,9 n ~ 6

T p < 0,01

- - p >10, 3 - -

107,3 ~: 8,6 145,4 :~ 6,4 - - n ~ 4 n ~ 12

p < 0,004 ]

400 mg]kg p.o. (als Suspension in Gummi arabicum zu Beginn des Versuches) 2 s.c. Injektionen yon 5 mg/kg bei Versuchsbeginn und 3 S~d danach 100 mg/kg s.c. bei Versuchsbeginn.

Bei Ra t t en , deren Nebenn ie ren 24 S t4 vor dem Versuch en t fe rn t worden waren, kon~ ten wir n u r noeh e inen sehr geringen Ans~ieg der Glucosekonzent ra t ion feststel len (Tab. 2).

Der Adrenal ingeh~l t der NebennJeren fi~llt nach dreit/~giger Diaz- ox idbehand lung (100 mg/kg • Tag) s igaif ikant ab. Nach eiamaliger Gabe yon 400 mg/kg b le ib t er im S~reuungsbereich der Kon t ro l l en {Tab. 3).

Naunyn-Schmiedebergs Arch. exl~. Pa th . P h a r m a k . , Bd. 253 2 5

Page 5: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

376 G. SCHULTZ, G. SENFT, W. :LOSERT und R. SITT:

Tabelle 2. Glucosekonzentration im Blut nach Gabe yon 1)iazoxid bei adrenalektomierten Ratten ohne bzw. mit Gluco- und Mineralocorticoldsubstitution

Abschwdchung der Diazoxidhyperglykamie dutch Dihydroergotamin (DHE)

Glucosekonzentration im Blur (mg %)

ohne Substitution Substitution mit Gluco- und Mineralocorticoiden Zeit (Std)

0 (vor

Versuchs- beginn)

Kontrollen Diazoxid

l 76,3 4- 3,2 83,2 4- 6,9

n = 10 ' n ~ 13 p > 0,3

6 n = 7

p < 0,003

I Diazoxid Kontrollen

l -~ DHE

88,9 4- 1,5 n ~ 3 1

/ \

/ l \ < ,°22-1 < <

93,3 4- 1,1 176,8 4-4- 15,2 134,8 :~ 4,3 n = 4 n = l l n = 6

~ p < 0 , 0 0 0 2 p < 0 , 0 2

- p < 0,0004--' !

108,7 4- 3,0 188,6 4-4- 16,1 131,6 4- 5,1 n = l l n = 1 6 n = 1 2

p < 0,0002 p < 0,0025

114,0 4- 3,7 174,1 4- 13,5 n = 3 ;

8 110,3 4- 9,3 [ 146,3 4- 14,2 -- n = 4 I n ~ 7

Dosierungen: Subst i tut ion: 20 mg/kg Hydrocortison -~ 5,0 tzg/kg d-Aldosteron s.c. Diazoxid: 400 mg/kg p.o. (als Suspension in Gummi arabieum)

bei Versuchsbeginn) D H E : 2 s.c. Injekt ionen yon 5 mg/kg bei Versuehsbeginn

und 3 Std danach.

Tabelle 3. Abnahme des Adrenalingehalts der Nebennieren nach einmaliger und mehr/acher Gabe von Diazoxid

Adrenalingehalt der Nebennieren (nmol/Tier)

Zeit (Std) Diazoxid I Diazoxid (400 mg/kg p.o,) i Kontrollen (100 mg/kg'Tag,

l 3 Tage*) I 105,67 4- 10,04

n ~ 4 i p > 0,2

p > 0,3 106,61 4- 7,64

n = 4

p < 0,016

120,19 ± 7,59 n : 9

92,95 4- 5,68 n ~ 5

* 2 Tage p.o., am 3. Tag i.p.

Page 6: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglyk~mie 377

Glucu:ons6"u:e I (~./~ebundeO(pmOl~d~

t~. I Di~r~

I in, s_+~ss ,o<o, oo/£

p~o~

Gl.,ukg,,uen~

UDP-~luco~8 {~'noIlg F.~.I

1 KOo I Dio~r. = £. 0,3e_+o, ooslO~39_+o,

M O,q#-+~os~ 0,7/-~4osr • "" p<o, oo/

osloho:'qlcrs e "~

Glucose [mq%}

KO. Dioz.

- " p<~ooo2

Glyko.qen (mg lg I~.G.) KO. I Oiaz.

L IS,

~,e±o,s I o, s~a,w p < O, OOOg"

G / u c o s 8 - / - P (~mol/~ F.G.)

KO. Diaz L. O,O/~-,o~o: 0,,0:¢2±aoo88

p<d, oo£

O / u c o s e - 8 - P (Fmol/~ F.G.) Ko. I

l.. 0,,79~o~ lO, Bg-+~a7 p.¢ 0,0002

i ~ o,52±o, oTl~Te_~o,,m p<~07

Za, c / a t ( ~unol/g EG. ) KO. Diaz

L. 7,5~bo,~o /,,8e£*~/s

B. O,¢#+-o:s O,78-+a, os ,.p.mol/ml

oOy/us~

. /

kbb. 1, Vergnderungen im Kohlenhydratstoffwechsel 2 Std nach Gabe yon 200 mg/kg Diazoxid i.v. Abkiirzungen: KO Kontrollen; 2 ) i a z Diazoxid; U Urin; L Leber; B Blut; M Skeletmuskulatur

Eine fehlende Abnahme der station&ren Adrenalinkonzentration schlieBt eine vermehrte Adrenalininkretlon nicht aus, wenn diese durch eine entsprechend erh6hte Resynthese ausgeglichen wird.

Dihydroergotamin vermindert die durch Diazoxid bedingte Hyper- glyk~mie (siehe Tab. 1).

Folgende Befunde beweisen eine unter dem EinfluB des Pharmakons gesteigerte Glykogenolyse. Der Glykogengehalt ist nach i.v. Gabe yon 200 mg/kg Diazoxid in der Leber und Muskulatur erniedrigt, die Kon-

25*

Page 7: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

378 G. SCHULTZ, G. S~N~T, W. LOS:ERT und R. SrrT:

zentrationen yon Glucose-I- und -6-phosphat sind erhSht. Lactat ist auBer in den beiden Organen im Blur vermehrt (Abb. 1).

Die ver/~nderten Substratkonzentrationen werden durch eine Ak- tivierung der Glykogen-Phosphorylase in der Leber and Skeletmusku- latur erkl/irt. Die Gesamtaktivit~t des Ferments wird in diesem Organ durch Gabe yon Diazoxid nicht beeinfluBt. Die aktive Form steigt auf das Vierfaehe der bei den Kontrollen gemessenen Werte an (Tab. 4).

Tabelle 4. Aktivierung der Glykogen-Phosphorylase in Skeletmuskulatur und Leber 2 Std nach i.v. Gabe yon 200 mg/kg Diazoxid

Ske le tmusku la tu r F Kontrollen n = 51 Diazoxidn = 8

Phosphorylase a-]-b (~tmol G-1-P/g FG- min) 15,2 ~= 1,4 13,9 " 1,2

Phosphorylase a (~mol G-1-P/g FG • min) 0,5 ± 0,2 2,1 ~= 0,4 p < 0,0035

a . . . . 100 a-[-b

Leber

3,60/0 16,2°/o :[: 1,4 :[: 3,7

p ~ 0,008

I Kontrollen n = 9 I Diazoxid n == 9

Phosphorylase (izmol G-1-P/g FG- rain) T

1,6 :j= 0,2 ! 2,3 ~_ 0,2 [ P < 0,03

Eine weitere fermentative StSrung ist an der Glykogenverarmung betciligt. Die UDP-Glucose-Konzentration ist in der Skeletmuskulatur, nicht jedoch in der Leber erhSht. Gleiehzeitig findet sieh einc dosis- abh~ngige Steigerung der Gesamtglueurons~ure-Ausscheidung im Harn der mit Diazoxid behandelten Tiere (siche Abb. 1). Da die Leber, nicht jedoch die Muskulatur die F/~higkeit besitzt, ein erhShtes Angebot an UDP-Glueose mit Hflfe einer spezifisehen Dehydrogenase unter ver- mehrter Bildung yon UDP-Glucurons/~ure zu kompensieren (DvTTON u. STOREY, 1954; STROMINGER, MAXWELL, AXELROD U. KA_LCKAR, 1957), haben wir aus diesen Befunden auf eine Hemmung der Glykogen- Synthctase gesehlossen und deshalb ihre Aktivit/it 2 Std nach i.v. Gabe des Pharmakons gemessen.

Die Gesamtaktivit/~t (Glykogen-Synthetase I - k D) bleibt unver- ~ndert. Die aktive Form (Glykogen-Synthetase I) ist dagegen um mehr als 500/0 vermindert (Abb. 2).

Die enzymatischen StSrungen sind durch eine entgegengesetzte Be- einflussung zweier antagonistisch arbeitender Fermente, der Glykogen- Phosphorylase und -Synthetase, gekennzeichnet und wirken sich auf

Page 8: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Biochemische Grundlagen der Diazoxid=Hyperglyk~mie 379

den Glykogenstoffwechsel synergistisch aus. Es k6rm$e sich dabei um die Folgen einer vermehrten AdrenalinLukretion har~deln. Das ttormon aktiviert die ATP-Cyclase, welche die Bildung yon cyclischem 3',5'-AMP katalysiert. Dieses Nucleotid bewirkt rdcht nur eJ_~e Aktivierung der Phosphorylase, sonderr~ such eirm Abnahme 4er aktiver~ Form der Glykogen-Synthetase (L~EI~ , l~oswLL-Pwl~]~z, FRIEDMAN u. C~AIO, 1964; CR~O u. L~a~NE~, 1964). Die folgenden Untersuchungen zeigen

Glykogen-Synthetase D + I G lykogen-Synthe tase I

v • DiazoxH

O,5 36

O,q 25

f5

70

5

I i i 1 d 1 ~ [ i r 0 l 2 3 4"103M 0 1 ) J 7 z/'lO3g

a b Abb.2 a und b. Inakt iv ierung der Glykogen-Synthetase in der Skeletmuskulatur 2 Std naeh i ,v.

G a b e y o n 2 0 0 m g / k g D i a z o x i d o ...... o . K o n t r o l l e n • • v = M o l • 1 0 - * U D P G - r a i n -~ • g - ~ F e u c h t g e w i c h t

jedoch, dab die StSrung im Gleichgewicht glykogenauf- und -abbauender Fermente nicht nut auf eine vermehrte Adrenalinabgabe zurfickzuffih- ren ist.

Dichlorisoproterenol vermiudert die nach Gabe yon Adrenalin auf- tretende Hyperglyk/~mie (NOrTHrOP U. PARXS, 1964). Die Verbindung ist jedoch nicht in der Lage, die blutzuckersteigernde Wirkung yon Diazoxid einzuschrKnken (siehe Tab. I).

Weiterhin 1/~Bt sich der Diazoxideffekt auch bei adrenalektomier~en Tieren nachweisen, allerdings unter der Vora~ssetzung, dab diese mit Gluco-und Mineralocorticoiden substituiert sind (siehe Tab.2). Dihy- droergotamin verringert die Diazoxid-Hyperglyk~mie unter diesen Be- dingungen auch bei Abwesenhei$ des Nebennierenadrenalins (siehe Tab. 2).

In Ubereinstimmung mit diesen Befunden finden wit eine Aktivierung tier Phosphorylase auch nach Entfernung der Nebennieren. Die aktive Form der Glykogen-Synthetase wird verminder~ (Tab. 5).

Es ist wenig wahrscheJnlich, da$ die entgegengesetzte Beeinflussung der beiden antagonistisch wirksamen Fermente auf einem direkten An- griff des Diazoxids beruht. Vielmehr ist anzunehmen, dab die Vet-

Page 9: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

380 G. SCtt'ULTZ, G. SE~T~T, W. LOSERT und R. S t i r :

TabeUe 5. Aktivit~t der Glykogen.Phosphorylase und -~ynthetase (l~mol/g F G . min) 2 Std nach i.v. Gabe vo~ 200 mg/kg Diazoxid bei adrenalektomierten Tieren

Kontrollen Diazoxid p

~ . ~ 5 n - ~ 5 Phosphorylase

Leber 1 1,9 ~: 0,3 2,7 q- 0 ,3 < 0 ,08

n ~ 5 n = 6 9,4 =[= 0,8 11,3 ± 0,6 > 0,1

2,5 ~ 0,5 4,2 ± 0,5 = 0,03

Muskulatur 2 a + b

a

- - . 100 a ~ b

Glycogen-Synthetase Muskulatur 1 I q- D

I 0,08 ~: 0,01

I - - • 100 I -4 - / )

Glucose-Konzentration im Blur 1 (mg-°/o)

2 7 % 3 7 %

n ~ 5 n = 8

2,5 ~ 0,1 2,4 -4- 0,1 > 0,3

0,03 -4- 0,01 < 0,001

3,2%

n = 2 96,9 ~ 15,8

1,4O/o i i

n = 2 203,9 ~: 4,6

!

< 0,024

1 1 Tag post op., substituiert mit 20 mg/kg Hydrocortison und 5 tzg/kg d-A1- dosteron.

2 Std post op., ohne Substitution.

1 V

30

25

#emmua 9 der 3SLAMP - Phospho~'es/em~ee 20

(~,'nderherz) 15 dutch D/eZOXl'd

[sJ=2,,TG.zO-sM 3,'5'-AMP

Z'5 ' -AHP

I I d~ I I I / 2 LI 5 G,IO-vM

[ i]

Kon/rollen D/~zox/'d

r~ tool <g,'5~-AHP rain. ~F~

6,35 ~0,22 ~=23

P

5,, '/7 -+o/7 ~ o, ooa r~-24

Abb.3. Hemmung der 3"5'-AMP-Phosphodiesterase, oben: in vitro, unten: in der Skeletmusku- latur, 2 Std nach i.v. Gabe yon 200 mg/kg Diazoxid, [S] = 10 -4 M 3'5'-A1KP

Page 10: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykgmie 381

bindung auf fibergeordnete Enzyme einwirkt, welche die T~tigkeit der Glykogen-Phosphorylase un4 -Synthetase regulieren. Wir haben deshalb in vitro und in vivo lmtersucht, ob die 3',5'-AMP-Phosphodiesteraso dutch das Pharmakon gehemmt wird.

Die Aktivitiit des aus Rinderherz gewonnenen Ferments ist bei Zu- gabe yon Diazoxid konzentrationsabh~ngig verringert. Der Hemmtyp erweist sieh Ms nicht kompetetiv. Eine 50°/oige I-~emmllllg wird dutch eine Diazoxidkonzentration yon 4,5 • 10 -~ M erreicht (Abb. 3).

3',5'-AMP

~lso 1

20T~g/hgi.v.) T

~ T / ~"~ ZSfd vor der

~ [/ J- " ' - . ~ u n v o r b e h a n - "~'~ ~ "~ de//e T/ere

0 70 30 SO min

Adrenalin

Oiczoxid ( zZom, glk~z.o. 3,5S~d corder

Adrenalin / - (o,/m.glkg ~.n.) /n,o, oz5

I I I / Tunv°r~ehan- l t~de/#];'ere

/ / 1 ~ - 1 ,

/ / //

// ,

0 30rain

Abb,4. Erh6hung des glykogenolytischen Effektes yon 3',5'-AMP und yon Adrenalin durch ¥orbehandhmg mit Diazoxid

Eine Abnahme der 3',5'-AMP-Phosphodiesterase-Aktivit~t laBt sich auch in der Skeletmuskulatur yon Ratten nachweisen, die Diazoxid durch i.v. Injektion erhalten haben (siehe Abb. 3).

DaB die enzymatische St6rung fiir den Abbau des 3',5'-AMP ira Organismus yon Be4eutung ist, geht aus Versuchen hervor, in denen wir den blutzuckersteigernden Effekt des Nucleotids nach i.v. Injektion gemessen haben. Die Wirkung des 3',5'-ANIP ist nach Vorbehandiung mit Diazoxid im Vergleich zu der bei Tieren, die nur das L6sungsmittel erhalten haben, erh6ht und verlangert. Eine Verstarkung des Adrenalin- effekts laBt sich ebenfalls nachweisen (Abb.4).

Diskussion Eine weitgehende Unterdriickung 4er Diazoxid-Hyperglyk~mie

wurde bei adrenalektomierten Tieren auch yon TABXCKNICK, GULBEN- XIAN U. SEIDMA~ (1964) sowie KVA~ u. STANTON (1964) festgestellt. Dieser Befund kann durch die starke Abnahme des Glykogens, d.h.

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382 G. SCn~LTZ, G. SEN~T, W. LOSI]I~T und t~. SITT:

dutch den Substratmangel ffir die Phosphorylase, und die rasche Ak- tivit~tsabnahme der Glucose-6-phosphatase nach Entfernung der ~qeben- nieren (RAY, Fos~]~R u. LARDr, 1964; W]~BER, 1963) erkl/~rt werden. Da diese auch nach einer Hypophysektomie auftritt (W]~m~R, 1963), ist es verst~ndlich, wean die Diazoxid-Hyperglyk/~mie auch bei hypophys- ektomierten Tieren trotz erhShten Glykogengehalts reduziert ist (TABACH~ICK, GULBENKIAN U. SE~DMA~, 1964). Eine Glucocorticoid- substitution verhindert eine Aktiviti~tsabnahme der Glykogen-Syn- thetase un4 Glucose-6-phosphatase bei adrenalektomierten Tieren (RAY, FOSTERU. LARDY, 1964; WEB]~R, 1963) und schafft damit die Voraus- setzung ffir das Auftreten einer Hyperglyki~mie nach Gabe des Ben- zothiadiaziaderivat s.

Die Abschw~chung der Diazoxidwirkung durch Dihydroergotamin (LosERT, SCHULTZ, SE~FT U. SIT~, 1965), die yon ME~Q u. KRO~BER~ (1965) unter Verwendung des Handelspr/iparats ttydergin ® best~tigt wurde, stimmt mit den Befunden yon KvA~ u. STA~TON (1964) sowie TA]~ACl~NICK, GULBE~KIA~ U. SEID~A~ (1964) fiberein, die den Diazoxid- effekt mit 4-(2-Isopropylamino-l-hydroxy~thyl)methansulfonanflid.HC1 bzw. Isopropylmethoxamia reduzieren konnten. Diese Beobachtungen beweisen aber nieht, dab die Diazoxid-Hyperglyk~mie lediglich auf eine vermehrte Adrenalininkretion zuz'fickzuffihren ist, zumal das Benzothia- diazin auch nach Entfernung des Nebennierenmarks blutzuckersteigernd wirkt (JA~]~s, RO]~LF U. W~LSON, 1964). Dihydroergotamin kann n~mlich nicht nur wie Dichlorisoproterenol die Stoffwechselwirkung des Adrenalins, sondern darfiber hinaus auch die des cyclischen 3',5'-AMP blockieren (NORTHROP U. PARKS, 1964, siehe auch SV~]~RLA~D, 1964). Da Dichloriso- proterenol die Diazoxid-Hyperglykiimie nicht vermindert, Dihydroergot- amin den Effekt des Benzothiadiazins auch bei adrenalektomierten Tiereu einschr~nkt, kSnnea wir aus diesen Befunden sehliel~en, dab die Diazoxid- wirkung durch cyclisches 3',5'-AMP ausgelSst wird. Diese Annahme wird durch die Befunde best/itigt, nach denen Diazoxid die 3',5'-AMP-Phospho- diesterase hemmt. Die zur 50o/0igen Inhibierung erforderliehe Konzen- tration wird unter Berficksichtigung der verwendeten Dosis und bei An- nahme einer gleiehm~l~igen Verteflung im GesamtkSrperwasser ohne weiteres erreicht.

Von den Methylxanthinen ist eine gleiche Wirkung bekannt. Theo- phyllin bewirkt hierdurch, da~ unterschwellige 3',5'-AMP-Dosen eine Blutzuckersteigerung hervorrufen (NORTHROP U. P~R]~S, 1964). Eine durch Diazoxid hervorgerufene 3',5'-A~P-Phosphodiesterase-Hemmung hat ebenfalls eine Verst/~rkung des glykogenolytischen Effekts des Nucleotids zur Folge. Der Wirkungsmechanismus des Benzothiadiazinderivats kann somit auch den gesteigerten Effekt injizierten Adrenalins erkl/~ren. Eine vermehrte Adrenalininkretion, wie sie auch nach unseren Befunden als

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Biochemische Grundlagen der Diazoxld-Hyperglyk~mie 383

Folge der blutdrucksenkenden Wirkung (M~M~JAC, 1964) des Diazoxids auftreten kann, mul~ daher die Glykogenolyse starker beschleunigen als eine gleich grol~e Adrenalinabgabe bei ungehemmter Phosphodiesterase.

Die Abnahme der aktiven Form der Glykogen-Synthetase karm die Folge der Phosphodiesterase-Hemmung sein, da 3',5'-AMP nicht nur eine Aktivierung der Glykogen-Phosphorylase, sondern auch eine In- aktivierung der Glykogen-Synthetase bewirkt ( L ~ R , ROS~LL-PEREZ, FRIEDMA~ U. CRAIa, 1964). Andererseits ist bekannt, dal~ die Aktivit/it dieses Ferments auch bei reduzierter Insniininkretion vermindert wird (STErS~R, 1964).

Da Diazoxid ein Hemmstoff der 3',5'-AMP-Phosphodiesterase ist, karm die Aktivit/it dieses Fermentes auch im Pankreas, w o e s yon BUTCHER U. StTTHERLA~D (1962) nachgewiesen wurde, beeintr~chtigt sein. COORE u. RA~nLE (1964) haben gefunden, dai3 Adrenalin die In- sulininkxetion unterdrfickt. Offenbar handelt es sich um eine im Pankreas dutch Bffdung yon 3',5'-AMP vermittelte Wirkung, zumal diese auch durch Ergotamin verhindert wird. Eine durch Hemmung der Pankreas-Phosphodiesterase bedingte ErhShung des 3',5'-AMP-Gehaltes wiirde somit eine verminderte Abgabe yon Insulin erkl/~ren.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen fiber eine Beteiligung des Insulins an der dutch Diazoxid hervorgerufenen StSrung ira Kohlen- hydratstoffwechsel werden wir in der folgenden Arbeit mitteilen.

Summary The administration of diazoxide to rats results in hyperglycemia the

intensity of which is markedly attenuated upon adrenalectomy. There is no significant decrease in adrenal epinephrine in rats treated

with a single dose of diazoxide (100 mg/kg i.p.). With 3 daffy injections adrenal epinephrine has been found reduced.

Pretreatment with dihydroergotamiue has been shown to diminish the hyperglycemic action of diazoxide.

Decrease in liver and skeletal muscle glycogen, increase in glucose- 1-phosphate, glucose-6-phosphate, and lactate indicate an increased rate of glycogenolysis.

Glycogen phosphorylasc activity has been found increased. UDP- glucose concentration increases in muscle, but not in liver. Urinary glucuronic acid rises. These findings can be explained by the decrease in glycogen synthetase activity which contributes to the fall in tissue glycogen.

Dichlorisoproterenol known to block the metabolic effect of epi- nephrine bu t not that of 3',5'-AMP does not prevent hyperglycemia in response to diazoxide.

Page 13: Biochemische Grundlagen der Diazoxid-Hyperglykämie

384 G. SC~CLTZ, G. SEver'r, W. LOSERT und R. SrTT:

Diazoxide induced hyperglycemia occurs in adrenalectomized rats provided they have been substituted with glucocorticoids. Pretreatment with dihydroergotamine known to block both the hyperglycemic effects of epinephrine and 3',5'-AMP reduces the diazoxide induced hyper- glycemia of these animals.

These findings are in accordance to a diazoxide induced increase in phosphorylase activity and a decrease in glycogen synthetase activity in adrenalectomized animals substituted with glucocorticoids.

Beef heart 3',5'-AMP phosphodiesterase has been found to be in- hibited by diazoxide. 50°/o inhibition occurs with 4,5 • 10 -4 M. Activity of 3',5'-AMP phosphodiesterase has also been found reduced in skeletal muscle of rats treated with diazoxide.

Pretreatment with diazoxide has been shown to increase the hyper- glycemic actions of 3',5'-AMP and epinephrine.

These data provide evidence the diazoxide induced hyperglycemia being caused by a decreased degradation of 3',5'-AMP as a result of the inhibition of 3',5'-AMP phosphodiesterase. The inhibition of 3',5'-AMP phosphodiesterase explains the metabohc changes as well as the increase in phosphorylase activity. An increased discharge of adrenal epinephrine will therefore result in a higher rate of glyeogenolysis than with an un- impaired transformation of 3',5'-AMP into 5'-AMP.

The decrease in glycogen synthetase activity may be caused by the same mechanism. I t may also indicate a reduction in insuhn discharge. I t is discussed that a diazoxide induced inhibition of 3',5'-AMP phospho- diesterase in pancreas may result in an impaired insulin output. Studies on the significance of insulin deficiency in the genesis of the diazoxide hyperglycemia will be reported in a separate paper.

Anmerkung bei der Korrektur. Ein Tell der in dieser Arbeit und auf der 6. Frfih- jahrstagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft (LoSERT, SOnULTZ, SENFT U. SITT, 1965) mitgeteilten Ergebnisse konnte inzwischen yon TABAOtt~ICK, GULBE~KIA.W U. SEIDMA~¢ (1965) best/~tigt werden: Die Autoren fanden eine Ab- schw~chung der Diazoxid-H3Terglyk~mie bei adrenalektomierten Tieren. Gabe yon Glucocorticoiden verhinderte den Wirkungsverlust des Benzothiadiazinderivats, der nach Entfernung der Nebennieren aufgetreten war. Der blutzuekersteigernde Effekt des Adrenalins wird auch nach den Untersuchungen der amerikanischen Verfasser durch Diazoxid verst~rkt.

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