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Seite 1 von 18 „Soll das Werk den Meister loben; Doch der Segen kommt von oben.“ (F.v. Schiller) Das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“© der Innsbrucker Glockengießerei GRASSMAYR Die Errichtung des Glockenmuseums der Glockengießerei Grassmayr 1993 in Innsbruck führte zur Diskussion über unterschiedliche Gussqualitäten historischer Gießer. Wieso gelang es den Meistern Löffler in Innsbruck und Hans Mitter in Judenburg (15. + 16. Jhd.), musikalisch und oberflächenmäßig wesentlich schönere Glocken als deren Mitbewerber zu gießen, sowie sogar viele Gießer im 20. Jahrhundert in der Gussqualität zu übertreffen? Inspiriert durch die alten Meister entstand bei den Brüdern Peter und Johannes Grassmayr die tiefe innere „Sehnsucht nach der Stradivari unter den Glocken“. Seither werden in der Glockengießerei Grassmayr laufend Experimente und Schritte zur Weiterentwicklung durchgeführt, oft auch unterstützt durch wissenschaftliche Mitarbeiter von Universitäten und technischen Instituten. Mit dem Resultat einer Qualitätsentwicklung, wie es sich viele und auch die Brüder Grassmayr selbst zu Beginn dieses Prozesses nicht vorstellen konnten. „Qualitätsorientiertes Lehmformverfahren“ (© Peter und Johannes Grassmayr) Das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“ als ein Zeitsegment in der Tradition laufender Weiterent- wicklung des Lehmformverfahrens der Glockengießerei GRASSMAYR.

Das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“© der

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„Soll das Werk den Meister loben; Doch der Segen kommt von oben.“ (F.v. Schiller)

Das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“© der Innsbrucker Glockengießerei GRASSMAYR

Die Errichtung des Glockenmuseums der Glockengießerei Grassmayr 1993 in Innsbruck führte zur Diskussion über unterschiedliche Gussqualitäten historischer Gießer. Wieso gelang es den Meistern Löffler in Innsbruck und Hans Mitter in Judenburg (15. + 16. Jhd.), musikalisch und oberflächenmäßig wesentlich schönere Glocken als deren Mitbewerber zu gießen, sowie sogar viele Gießer im 20. Jahrhundert in der Gussqualität zu übertreffen? Inspiriert durch die alten Meister entstand bei den Brüdern Peter und Johannes Grassmayr die tiefe innere „Sehnsucht nach der Stradivari unter den Glocken“.

Seither werden in der Glockengießerei Grassmayr laufend Experimente und Schritte zur Weiterentwicklung durchgeführt, oft auch unterstützt durch wissenschaftliche Mitarbeiter von Universitäten und technischen Instituten. Mit dem Resultat einer Qualitätsentwicklung, wie es sich viele und auch die Brüder Grassmayr selbst zu Beginn dieses Prozesses nicht vorstellen konnten. „Qualitätsorientiertes Lehmformverfahren“ (© Peter und Johannes Grassmayr) Das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“ als ein Zeitsegment in der Tradition laufender Weiterent-wicklung des Lehmformverfahrens der Glockengießerei GRASSMAYR.

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Der damals entstandene „Wunschtraum“, den Zierlehm für die Glockenformen so zu entwickeln, dass nach dem Guss die Glocke keiner wesentlichen Nachbearbeitung, z.B. wegen vieler Gussnähte, ruppiger Oberfläche oder „Cellulite“ mehr bedarf, ging für die Gießer Grassmayr in Erfüllung.

Die breit gefächerte technische Ausbildung von Ing. Peter Grassmayr mit Praktika in sechs europäischen Glockengießereien sowie in einigen Kunstgießereien, verbunden mit der Neugierde, Ideen und Anregungen in artfremden Branchen einzuholen, förderte die Intensivierung der Qualitätsentwicklung. So erfolgte in der Tradition der jahrhunderte langen Entwicklung des Lehmformverfahren der Glockengießerei GRASSMAYR schrittweise eine besondere Veredelung mit der Bezeichnung „Qualitätsorientiertes Lehmformverfahren“©, basierend auf unterschiedlichen Ebenen. a) Werkzeuge und Techniken Aufgeschlossen für zeitgemäße Techniken integrierte Peter Grassmayr neue Werkzeuge, Computersimulationen, Metallurgische Analysen, usw. ... in den Produktionsprozess.

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Für den optimierten Gussprozess wird z.B. die Metalltemperatur vor dem Guss mit Pyrometer auf Grad genau gemessen und nicht mehr „traditionell“ durch optische Farbwahrnehmung des Metallbades geschätzt.

b) „Reduktion auf das Wesentliche“ Geprägt durch den Ignatianischen Grundsatz „Reduktion auf das Wesentliche“ wurde das „traditionelle Lehmformverfahren der Glockengießerei Grassmayr“ in allen Einzelschritten kritisch hinterfragt, um qualitätsmindernde Elemente zu ersetzen und unwirtschaftliche Arbeitsschritte zu vereinfachen.

Wie verläuft z.B. die optimale Abkühlungskurve für Glockenbronze? Viele erhaltene Antworten waren begründet mit „Tradition“ und „machen wir schon immer so“ ohne Sachkenntnis über die tatsächlichen Prozessabläufe.

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Die „traditionelle Erde“ mit den hohen Kosten des zeitintensiven Ein- und Ausgrabens der Glockenformen ist z.B. nicht mehr erforderlich. Mit dieser Erkenntnis fertigte z.B. auch der berühmte Gießer Pfundner in Wien seit der Zwischenkriegszeit tausende Glocken. Unsere Großmutter bedauerte zwar, dass ihr die meterlangen aus Ziegel und Lehm gemauerten Gussrinnen vom Ofen zu den einzelnen Glockenformen wie in alten Zeiten fehlen würden. Die langen Gussrinnen verunreinigten jedoch nicht nur das Metall, sondern begünstigten durch die große Oberfläche des langen Metallflusses die unerwünschte Gasbindung und führten in der Folge zu höherer Mikroporosität der Glockenbronze. c) Vergleich von Formverfahren - „Unterscheidung der Geister“(gemäß Ignatius v.L.) Um Kenntnisse über Auswirkungen unterschiedlicher Formverfahren auf z.B. Klangqualität und Langlebigkeit zu erhalten, wurden Glocken in unterschiedlichen Verfahren geformt und am gleichen Tag gegossen. Dabei wurden in der Form und im Metallbereich der neuen Glocken Messsensoren integriert, um z.B. das Abkühlungsverhalten computerunterstützt zu analysieren. Nach diversen Untersuchungen wurden diese Glocken zerschlagen und die Bronzesegmente metallurgisch von verschiedenen Instituten (wie z.B. auch TÜV Süd / Bayern) verglichen, um unter anderem Informationen über die Dauerfestigkeit, also die „Langlebigkeit“ der Glockenbronze bei der Beanspruchung durch den Klöppel, zu erlangen. Solche vergleichenden Erkenntnisse waren Eckpfeiler in der Weiterentwicklung des „Qualitätsorientierten Lehmformverfahren“. d) Kooperation mit Universitäten und technischen Instituten Als mittelständischer Handwerksbetrieb sind Forschungsmittel und technische Möglichkeiten begrenzt. Daher werden seit Jahren Aspekte in Zusammenarbeit mit Universitäten und technischen Instituten erörtert und weiterentwickelt. e) Nachforschen in alten Handwerksbüchern und über „traditionelle“ Techniken Wesentlich für die erfolgte Qualitätsverbesserung war auch ein Forschen zurück in die Vergangenheit. Mit Hilfe alter Handwerksbücher und Gesprächen mit „alten Gießern“ über die „alte Zeit“ gelang es, dem Lehm als das wesentlichste Formmaterial für die Glocken „neue alte Geheimnisse“ beizufügen.

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Abb: historische Werkbücher / Wanderbücher der Glockengießer Grassmayr Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Saarburger Glockengießer Wolfgang Hausen-Mabilon, der auf besonders „väterliche Art“ Peter Grassmayr drei Monate in seiner Glockengießerei auch in die Geheimnisse seiner Lehmrezepte einführte.

Abb: Qualitätsprüfung des Zierlehms Abb: Gerstelhäcksel für den Lehm Ein besonderes Element der „traditionellen Lehmformverfahren der Glockengießerei Hausen-Mabilon“ hat Peter Grassmayr jedoch nicht übernommen. Um dem Formlehm den besten Pferdemist beimengen zu können, fütterte Wolfgang Hausen-Mabilon vor der „Mistentnahme“ sein Pferd einige Zeit mit speziellem Heu. Überraschend war die Erkenntnis für Peter Grassmayr im Zuge seiner Tätigkeiten in den sechs europäischen Glockengießereien und der darauf folgenden Besichtigungen von ca. 20 weiteren europäischen Glockengießereien, dass das “lehrbuchmäßig“ vermittelte „traditionelle Lehmformverfahren“ kein standardisiertes Rezept à la Mc Donalds ist, sondern dass jede Gießerei ihre eigene Methoden und teilweise gänzlich unterschiedliche Techniken zur Herstellung verwendete.

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f) Errichtung einer zukunftsweisenden Glockengießerei Ein wichtiger und wesentlicher Schritt für die Verbesserung der Glockenqualität war der Neubau der Glockengießerei im Jahr 2000. Technisch gesehen erfüllt die neue Glockengießerei der Familie Grassmayr alle Bedürfnisse für eine qualitätsorientierte und zeitgemäße Glockenherstellung.

Die große Grube und die Infrastruktur der neuen Glockengießerei erleichtert die Herstellung spezieller Glockenformen und ermöglicht sogar den Guss von Glocken bis zu ca. 37 Tonnen Gesamtgewicht. Mit dem Guss der Mörserglocke für Schwarzach im Odenwald (D) mit dem Schlagton / Nominal: E0, ca. 10 Tonnen Gewicht, ca. 15.000 Buchstaben als Text auf der Glocke, wurde die neue Glockengießerei im Oktober des Jahres 2000 gleich mit einer besonderen Herausforderung „eingeweiht“.

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So wie man für gutes Essen viel Liebe und eine angenehme Umgebung benötigt, wurde die neue Glockengießerei mit dem Ziel errichtet, einen freundlichen Arbeitsraum zu gestalten, in dem sich die Mitarbeiter wohl fühlen und gerne – mit der Orientierung nach der „Stradivari unter den Glocken“ - Qualität erstellen können. (Anm.: Ein Haubenkoch benötigt auch gute Arbeitsbedingungen). Statt dem für Gießereien üblichen „Grau“ strahlen orange oder himmelblaue Wände Lebensfreude und angenehme Atmosphäre aus. Zwei große Lichttore ermöglichen den Blick auf das Bergpanorama südlich und nördlich von Innsbruck. Das gegenwärtige Gießerteam lebt entsprechend die familiäre Zusammenarbeit und Begeisterung in den neuen Arbeitsräumen. Die vielen individuellen, religiösen und musikalischen Wünsche weltweiter Kunden würzen zudem die Herausforderung für die Handwerkskunst.

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g) Diskussionen mit Glockenfreunden und Glockenexperten Dank der Verbindung Glockengießerei und „Glockenmuseum“ besuchen jährlich über 20.000 Neugierige die Gießerei und vermitteln häufig überraschende Feedbacks, welche Ansporn für neue Entwicklungen sind. So ermöglicht die Glockengießerei Grassmayr eine Transparenz und Öffnung der Glockengießerei wie es bei Mitbewerbern kaum möglich ist. Als Bestätigung für die Qualität wurde das „Glockenmuseum“ sogar vom Bundesministerium mit dem Österreichischen Museumspreis und vom ORF mit dem Maecenas.Preis prämiert.

Zudem werden aktiv Glockenfreunde und Glockenexperten eingeladen. So fand 2010 auch das „18. Kolloquium zur Glockenkunde“ in Innsbruck und in der Glockengießerei Grassmayr statt.

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Zeitsegment: „Qualitätsorientiertes Lehmformverfahren“©

In der über 400-jährigen Geschichte hat sich das Lehmformverfahren der Glockengießerei Grassmayr immer wieder verändert. Jede Generation prägte ihren Stil und zeichnete sich durch kreative Innovation und Entwicklung, manchmal auch durch Verharren und Beibehaltung des Erlernten aus. Die aktuelle Epoche der Innsbrucker Glockengießerei Grassmayr ist geprägt von kreativen Innovationen: mit jedem Produktionszyklus wird mindestens ein Experiment durchgeführt, so dass die Entwicklung ein nie endender Prozess bleibt. Jeder Tag ist ein neuer Tag zum Lernen. Da das Glockengießen den Hauch des traditionellen Handwerks versprüht, mystifizieren manche die Herstellung und erwarten eine Tradition wie anno dazumal. Ein Kunde kommentierte diese Forderung auf humorvolle Weise. „Die Steinzeit hat nicht geendet, weil die Steine ausgegangen sind, sondern weil man neue Technologien entwickelt hat.“ Über den Zeitraum vergangener Jahrhunderte betrachtet ist die aktuelle Entwicklung der Glockengießerei Grassmayr eine Fortsetzung innovativer Ahnen der Gießerfamilie und das aktuelle „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“© - für Nostalgiker erklärbar - ein besonderes Zeitsegment in der Geschichte des „Traditionellen Lehmformverfahren“. Trotz der hohen Entwicklungskosten sehen die Brüder Peter und Johannes Grassmayr Qualität als entscheidendes Kriterium für den langfristigen Erfolg und eine kraftvolle Zukunft des nun ältesten österreichischen Familienbetriebes. Hans Mitter und Gregor Löffler haben zu ihrer Zeit durch Innovationen die damaligen „traditionellen Verfahren“ weiterentwickelt und durch ihre Qualität beeindruckt. Seither haben sich die Arbeitsmöglichkeiten und Werkzeuge für uns Glockengießer zum Glück wesentlich erleichtert. Ihr Pioniergeist befruchtet uns noch heute.

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Aspekte für das „Qualitätsorientierte Lehmformverfahren“© Peter und Johannes Grassmayr sind fest davon überzeugt, dass nur eine führende Qualität der Glocken in Verbindung mit einem marktgerechten Preis den Kunden die stärkste Zufriedenheit und den größten Nutzen bieten. Eine Zufriedenheit und Qualität, die sich „herumspricht“ und der Glockengießerei das Vertrauen für neue Aufträge gewährleistet. Die Kundenzufriedenheit ist mehr als das Ziel der Glockengießerei Grassmayr - sondern das Feedback über gelungene Werke schafft auch die größte Motivation und tiefe innere Freude.

Die Qualitätssteigerung der vergangenen Jahre ist nicht erfolgt durch ein besonderes Ereignis wie in einem amerikanischen Film oder durch Hilfe eines Zauberstabes wie bei Harry Potter, sondern durch viele Arbeitstunden teamorientiert in vielen kleinen Schritten. Umso mehr sind wir derzeit mit unseren Mitarbeitern auf die vielen gelungen Entwicklungen stolz und in Demut glücklich, dass wir Glockengießer heute drei Mal so viele Glocken gießen dürfen als noch vor 10 Jahren.

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„Musikinstrument Glocke“

Für eine Glocke als „Musikinstrument“ ist entscheidend, …

- … dass der Schlagton (Nominal) als der am stärksten wahrnehmbare Ton beim Glockenanschlag für den Hörenden eine besondere Empfindung vermittelt. Dieser Schlagton stellt durch die Vermischung reeller Töne eine akustische Täuschung dar und ist mit keinem physikalischen oder elektronischen Gerät messbar.

- … dass die Teiltöne Prime, Oberoktave, Unteroktave, Doppeloktave, Trippeloktave

aufgrund exakter Berechnung individuell geformt werden und nach dem Guss rein erklingen. Diese echten Teiltöne werden in der Qualitätskontrolle analysiert und auf Cent genau abgestimmt; z.B. bei einem Schlagton (Nominal) von a/1 wären die Teiltöne: Unteroktave a/0 (220 Hz), Prime a/1 (440 Hz), Oberoktave a/2 (880 Hz), Doppeloktave a/3 (1760 Hz), Trippeloktave a/4 (3520 Hz). Diese Teiltöne prägen das musikalische Empfinden.

- … dass mit elektronischen Geräten die einzelnen Teiltöne auf Cent genau analysiert

werden können. Anmerkung: Der Abstand zwischen zwei Tönen wie z.B. zwischen c/1 und cis/1 (für den Laien vergleichbar mit zwei nebeneinander liegenden Klaviertasten) wird in 100 Teile zerlegt und in Cent definiert.

- … dass für das „Gefühl“, sozusagen den „Bauch“, die Terz und Quinte im Verhältnis

zum Schlagton (Nominal) stimmig und ausschlaggebend sind; bei einem Schlagton (Nominal) von a/1 wären die Partialtöne Terz c/2 (523 Hz), Quinte e/2 (660 Hz).

- …. dass der Glockennachhall (Abklingdauer) - als Qualitätsvergleich für den Laien

einfach feststellbar – lang ist. In den „Limburger Richtlinien“ wurden Qualitäts- standards für Glocken definiert. So wird darauf hingewiesen, dass die Unteroktave nach 3 kräftigen Anschlägen der Glocke pro cm Glockendurchmesser je 1 Sekunde nachklingen muss. Glocken der Glockengießerei Grassmayr überschreiten diese Anforderung wesentlich.

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Rippenart / Glockenformen Aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten erklingt eine Glocke umso tiefer, je größer sie gegossen wird oder im Vergleich bei Glocken gleicher Größe je dünner die Wandstärke (Rippe) der Glocke geformt wurde.

Je nach musikalischer Herausforderung, regionalen Traditionen oder besonderen Kundenwünschen (Teiltönen / Rippen / Hertz) werden die Glocken in der Glockengießerei Grassmayr mit individueller Rippenstärke berechnet und geformt. So kann eine Glocke mit dem Schlagton a/1 (440 Hz) in verschiedenen Rippenstärken (Formwandstärken) erstellt werden, wobei als Orientierung z.B. folgende unterschiedliche Rippenstärken möglich sind: Leichte Rippe (GRASSMAYR-Paganini-Rippe): a/1 mit Ø 85 cm und 377 kg Mittelschwere Rippe (GRASSMAYR -Innsbruck-Rippe): a/1 mit Ø 90 cm und 450 kg Schwere Rippe (GRASSMAYR -Mozart-Rippe): a/1 mit Ø 96 cm und 551 kg Überschwere Rippe (GRASSMAYR-Beethoven-Rippe): a/1 mit Ø 102 cm und 620 kg Sonderrippen - Computersimulationen Die Herstellung von Glocken nicht mehr existierender Gießer ist für Peter Grassmayr eine Lieblingsaufgabe. Mit speziellen Analyseverfahren und Computersimulationen werden historische Glocken analysiert und die Rippenform für benötigte „Töne“ mit komplexen Berechnungsprogrammen transponiert.

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Daher ist es möglich, für historische Geläute fehlende Glocken in der entsprechenden „Rippe“ des damaligen Gießers herzustellen: z.B.

Bayern / Oettingen (2010): 3 Glocken aus 1566 mit den Tönen ges/1, g/1, c/2 2 neue Glocke in der Rippe aus 1566 mit den Tönen b/1, es/2

Italien / Bologna (2010): 3 Glocken von Brighenti aus 1898 mit a/1, h/1, cis/2 1 neue Glocke in der Rippe von Brighenti mit dem Ton e/2

Leipzig / Engelsdorf (2010): 1 Glocke von Grosse aus 1878 mit dem Ton h/1 2 neue Glocken in der Rippe von Grosse mit den Tönen e/1, gis/1

Italien / San Matteo dell´ Decima (2011):

5 neue Glocken in der Rippe von Brighenti mit den Tönen g/1 a/1 h/1 c/2 d/2

Deutschland / Dölzig (2011) 2 Glocken von Jauck aus 1867 mit den Tönen es/1 a/1 1 neue Glocke in der Rippe von Jauck mit dem Ton ges/1 Spezielle musikalische Erfordernisse Normalerweise erklingt eine GRASSMAYR-Glocke mit a/1 mit 440 Hertz. Für die Berliner Symphoniker wurde z.B. gemäß Kundenwunsch eine a/1 Glocke mit 444 Hertz gegossen. Gussqualität Fast jeder kennt „Vanillekipferl“, die wunderbar „auf der Zunge zergehen“ und solche, die im Vergleich das Besondere der Schmackhafteren erst erkennbar machen. Verschiedenste Glocken in den europäischen Kirchtürmen, aber auch Glocken der eigenen Unternehmensgeschichte (z.B aus den „nüchternen 70-er-Jahren“) zeigen den Unterschied in der Gussqualität und machen den Vergleich sichtbar und hörbar. Glockenoberfläche Obwohl die Klangentfaltung für Glocken als „Musikinstrumente“ das wesentliche Kriterium ist, zeugt die Gussoberfläche von der Qualität der Ausführung. „Wie Innen – so Außen“. Auch für Laien ist vergleichbar, ob der Guss der Glockenoberfläche qualitätsvoll und die feinen Verzierungen in Schönheit gegossen wurden, oder ob die Glocke geprägt ist von einer „lebendige Erscheinung“ mit Gussnähten, Ruppigkeit und „Cellulite“! Hätten im 16. Jahrhundert die Gießer Löffler und Mitter Gussfehler mit „Handwerklichkeit“ entschuldigt und als „handwerklich kunstvoll“ gepriesen?

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Erscheinungsbild: silbrige „Zinnhaut“ oder „bronzegoldene Oberfläche“ Nach vielen Experimenten waren die Brüder Grassmayr vor einigen Jahren stolz, den Lehm für das Formen so zu mischen, dass nach dem Guss die Glocken mit nahezu „unverletzter Zinnhaut“, also ohne besondere Nachbearbeitung der Oberfläche, erstellt werden konnten. Die Enttäuschung mancher Kunden, welche lieber eine „bronzegoldene“ Glocke erhalten hätten, führte zu intensiven Diskussionen. Irritiert über das Kundenfeedback zeigte eine „Marktbefragung unter Glockenfreunden und Glockenexperten“ die Präferenz für „bronzegoldene“ Glocken. Daher wurde in den darauf folgenden Jahren ein schonendes Verfahren entwickelt, dass die Glocken ohne Beeinträchtigung der musikalischen Anforderungen bzw. der Ver-zierungsqualität „bronzegolden“ erscheinen lässt. Eine Besonderheit ist die Entwicklung der „Schmutzresistenz“, so dass auf der Glocken-oberfläche „dreckige Abdrücke verschmierter Hände“ von Lieferanten und Monteuren vermieden werden (Anmerkung: dies war vor allem bei Glockenweihen störend). Spezielle Anmerkungen und Hinweise zur Glockenoberfläche: Auf Wunsch werden Glocken auch mit „Zinnhaut“ geliefert. Standard ist jedoch die „bronzegoldene“ Glockenoberfläche. Da Glocken zu 78 % aus Kupfer bestehen, unterliegen sie dem Oxidationsprozess und bekommen mit den Jahren eine natürliche Patina. Die Oxidation und deren Farbentwicklung hängt von der Witterung, Luftverschmutzung und den Spurenelementen im Metall ab. Für spezielle Projekte werden durch die Glockengießerei Grassmayr Glocken bzw. Segmente künstlich – wie beim Kunstguss – patiniert oder mit Blattgold vergoldet.

Abb: Patinierte Glocke Abb: mit Blattgold Abb: Glocke mit „Zinnhaut“

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Glockenkronen / Kronen mit Engelsköpfen Aus Tradition werden die Glocken der Glockengießerei Grassmayr mit Engelskronen verziert, denn durch das Läuten soll sich nicht nur der Klang, sondern auch Schutz und Segen mittels der Engel in alle Himmelsrichtungen verbreiten.

Allerdings wurden auch durch die Glockengießerei Grassmayr von ca. 1970 bis 1995 die Glocken aus Kostengründen vorwiegend mit einfachen „Billigkronen“ oder Kappen/Wappen gegossen. Machen doch die Engelskronen je nach Glockengröße 19 – 22 % der Arbeits-zeit des Formprozesses aus!!! Aufgrund der aktuellen Philosophie ist es „vorrangig, in der Verwaltung Kosten einzusparen … anstatt auf die Engelskronen (bei gleichem Verkaufspreis) zu verzichten“. Sollte der Kunde nicht speziell eine andere Glockenkrone wie z.B. Gesichter, Tiere, Evangelisten oder Verzierungen mit Symbolen wünschen, so wird die Glocke mit den Engelskronen gegossen.

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O Verzierungen Die „Heiligenkammer“ der Glockengießerei Grassmayr mit den vielen verschiedenen Modellen von Heiligen und Symbolen zählt zu den kulturgeschichtlichen Besonderheiten Österreichs. (Daher wurde sogar ein Fragment der „Heiligenkammer“ im neu gestalteten „Tirol Panorama“ integriert). Der Schatz der „Heiligenkammer“ mit all den Heiligenbildern, Ornamenten, Symbolen und Verzierungen gibt den Kunden die Möglichkeit, ohne neue Modellkosten vorhandene Bilder verschiedener Epochen für die Verzierung ihrer Glocken zu verwenden. O Bildhauerinnen der Glockengießerei Grassmayr Die Schönheit neuer Glocken liegt nicht nur in der Sehnsucht der Glockengießer Grassmayr. Die Gestaltung der Verzierungen wird von vielen Kunden in der Entstehungsphase mit Begeisterung entwickelt und den Bildhauerinnen zur Verwirklichung übergeben.

Die handwerklichen Fähigkeiten der Bildhauerinnen ermöglichen traditionelle bis hin zu unkonventionell avantgardistischen Verzierungen der Glocken, sowohl bei Texten, Ornamentbändern, Bildern und Kronen. Vor einigen Jahren wurde nur ein Künstler zeitweise für Glockenverzierungen beschäftigt. Heute arbeiten sogar drei ausgebildete Bildhauer(innen) das ganze Jahr beschäftigt in der Modellwerkstätte der Glockengießerei Grassmayr um jeweiligen einzigartigen Wünsche der Kunden mit dem Guss ihrer Glocken entstehen zu lassen. Symbole und Erinnerungen für das Jetzt und die kommenden Jahrhunderte. Die Herausforderung für die Bildhauer(innen) der Glockengießerei Grassmayr liegt darin, dass die „Kunstwerke“ zart in der Ausführung und dennoch reliefartig mit Schönheit wirken. Gefordert ist eine hauchdünne Verzierung, so dass die Glocke als Musikinstrument in ihrem Teiltonaufbau nicht beeinträchtigt wird. Aufgrund der speziellen Schulung und der Erfahrung können durch die Bildhauerinnen der Glockengießerei Grassmayr spezielle Wünsche kostengünstig und den technischen Anforderungen entsprechend fachgerecht modelliert werden.

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Klöppel / Europäisches Forschungsprojekt Probell „Der Klöppel macht die Musik“ ist ein Sprichwort, dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren in der Glockengießerei Grassmayr verstärkt in den Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit gerückt wurde. Darüber hinaus hat die Glockengießerei Grassmayr mit einem Kostenaufwand von über € 200.000,-- an dem europäischen Forschungsprogramm Probell der FH Kempten (Prof. Andreas Rupp, Dipl. Ing. Michael Plitzner) teilgenommen. Die Glocke als Musikinstrument ist in ihrer Qualität Voraussetzung. Um ihren Klang zur wohlklingenden Entfaltung bringen zu können, ist jedoch die umgebende Technik wesentlich. Durch die Medien bekannt ist der Austausch des Klöppels von Österreichs größte Glocke, der „Pummerin“ im Wiener Stephansdom. „Mit der Sehnsucht nach der Stradivari unter den Glocken“ Verbunden mit der „Sehnsucht nach der Stradivari unter den Glocken“ ist es unser Wunsch, durch Glocken mit klangvoller Schönheit Menschen Freude zu bereiten und das Leben der Hörenden zu bereichern.

Darüber hinaus sind wir glücklich und voller Demut dankbar, dass trotz der weltweit sinkenden Glockennachfrage wir von Kunden ausreichend Aufträge erhalten - mit einer derartigen Entwicklung, dass wir heute drei mal so viele Glocken pro Jahr herstellten dürfen als noch vor 10 Jahren. Mit diesen Kundenentscheidungen sehen wir auch unser stetes Bemühen zur führenden Qualität und für unser „Qualitätsorientiertes Lehmformverfahren“© dankend bestätigt.

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Da nicht alle Schritte und Anregungen durch uns selbst entstanden sind, möchten wir uns an dieser Stelle bei unseren Mitarbeitern mit Ihren – im Hintergrund wirkenden – Familien bedanken und bei all jenen, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, allen voran bei unseren Eltern Christof und Elisabeth. Bedanken möchten wir uns auch bei all jenen, welche die Qualität unserer Glocken zu schätzen wissen und sich an deren Schönheit erfreuen. Interessierten geben wir gerne Einblick in die Glockengießerei, das Glockenmuseum und den Klangraum. Allerdings bitten wir um Verständnis, dass wir nicht jedes Detail unserer Rezepte Preis geben. Das Wissen über einige dieser Herstellungsschritte bleiben - so wie es in der über 400 jährigen Tradition und Vergangenheit üblich war – in der Familie Grassmayr und wird auch heute noch familienintern - vor allem durch Peter Grassmayr - erarbeitet.

„Freude hat mir Gott gegeben! Sehet! wie ein goldner Stern

Aus der Hülse, blank und eben, Schält sich der metallne Kern.

Von dem Helm zum Kranz Spielt’s wie Sonnenglanz,

Auch des Wappens nette Schilder Loben den erfahrnen Bilder.

Jetzt mit der Kraft des Stranges

Wiegt die Glock’ mir aus der Gruft, Dass sie in das Reich des Klanges

Steige, in die Himmelsluft. Ziehet, ziehet, hebt!

Sie bewegt sich, schwebt, Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute.“

(Friedrich von Schiller) Für Ihr Interesse über die Glockenherstellung der Glockengießerei Grassmayr möchten wir uns bei Ihnen - auch im Namen aller Mitarbeiter - bedanken, wünschen Ihnen künftig viel Freude mit Glocken und verbleiben

mit klangvollen Grüßen aus der Innsbrucker Glockengießerei

Peter und Johannes Grassmayr

Innsbruck, 2011