27
IQ Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit in Wien. Der ~Ieehanismus der aliment~ren Hyperglyk~imie ~, ~): I. ~fitteilung: Der EinfluB yon Ergotamin und Atropin au[ denAblauf der alimentiiren Hyperglykamie. Von Leo Pollak, Wien. (~iit 2 Kurven im Text.) (Eingegangen am 15. XII. 1928.) Unsere Kenntnisse fiber die Beziehungen des Zentralnervensys~ms :zur Blutzuckerregulation betrdfen nahezu ausschliel]lich die endogene Regulation, das Verhalten des Blutzuckerspiegels beim niichternen 'Tier, wi~hrend analoge Untersuchungen tiber die exogene Regulation nur sehr spiirlich sind. Die bedeutsame Rolle, die dem Zentralnerven- :system bei der endogenen Regulation zukommt, ist lange bekannt und ]i~i]t sich schon aus der Existenz zahlreicher Formen yon zentral aus- gelSsten experimentellen und toxischen Hyperglyk~imien ableiten. Dennoch ftihren, wie ich 3) bereits vor li~ngerer Zeit hervorgehoben babe, gewisse experimentelle Erfahrungen zu dem Schlusse, da~ es eine yore Zentralnervensystem unabh~ingige periphere Regulation geben mu~, die zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutzuekerniveaus ausreieht. Besonders beweisend in dieser Richtung sind jene Versuche, in welchen nach mechanischer Abtrennmlg des Zentratnervensystems yon den hier in Betracht kommenden Erfolgsorganen -- sei es dutch Durchschneidung der Splanchnici oder Vagi, sei es durch Durchtrennung ,des Rtiekenmarks -- der Blutzuckerspiegel seine normale tt0he bei- 1) Ausgefiihrt mit Unterstiitzung der Seegen-Stiftung. 2) Eia zusammenfassender Berieht fiber die Ergebnisse dieser und der fol- genden Mitteilung ist in der Klim Wochenschr. 1927, Bd. 6~ S. 1942 erschienen. 3) L. Pollak: Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk., 1923, Bd. 23, S. 436. Archly f. experiment. Path. u. Pharmakol, Bd. 140. 1

Der Mechanismus der alimentären Hyperglykämie

Embed Size (px)

Citation preview

IQ

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit in Wien.

Der ~Ieehanismus der aliment~ren Hyperglyk~imie ~, ~):

I. ~ f i t t e i l ung : Der E in f luB yon E r g o t a m i n und A t r o p i n au[ d e n A b l a u f der a l i m e n t i i r e n H y p e r g l y k a m i e .

V o n

L e o P o l l a k , Wien.

(~iit 2 Kurven im Text.) (Eingegangen am 15. XII. 1928.)

Unsere Kenntnisse fiber die Beziehungen des Zentralnervensys~ms :zur Blutzuckerregulation betrdfen nahezu ausschliel]lich die endogene Regulation, das Verhalten des Blutzuckerspiegels beim niichternen 'Tier, wi~hrend analoge Untersuchungen tiber die exogene Regulation nur sehr spiirlich sind. Die bedeutsame Rolle, die dem Zentralnerven- :system bei der endogenen Regulation zukommt, ist lange bekannt und ]i~i]t sich schon aus der Existenz zahlreicher Formen yon zentral aus- gelSsten experimentellen und toxischen Hyperglyk~imien ableiten. Dennoch ftihren, wie ich 3) bereits vor li~ngerer Zeit hervorgehoben babe, gewisse experimentelle Erfahrungen zu dem Schlusse, da~ es eine yore Zentralnervensystem unabh~ingige periphere Regulation geben mu~, die zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutzuekerniveaus ausreieht. Besonders beweisend in dieser Richtung sind jene Versuche, in welchen n a c h mechanischer Abtrennmlg des Zentratnervensystems yon den hier in Betracht kommenden Erfolgsorganen - - sei es dutch Durchschneidung der Splanchnici oder Vagi, sei es durch Durchtrennung ,des Rtiekenmarks - - der Blutzuckerspiegel seine normale tt0he bei-

1) Ausgefiihrt mit Unterstiitzung der Seegen-Stiftung. 2) Eia zusammenfassender Berieht fiber die Ergebnisse dieser und der fol-

genden Mitteilung ist in der Klim Wochenschr. 1927, Bd. 6~ S. 1942 erschienen. 3) L. P o l l a k : Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk., 1923, Bd. 23, S. 436.

Archly f. experiment. Pa th . u. Pharmakol , Bd. 140. 1

I. LEO POLL•

beh~lt. ;Altere Beobachtungen dieser Art sind auch in der Folge, ins- besondere was die Durchschneidung der Splanchnici oder Vagi anbe- langtl wiederholt bestatigt worden (Geiger und Szirtesl), Rupp 2) und andere). :Neuere Untersuehungen haben allerdings gezeigt, daft alas RegulationsvermSgen splanehnikotomierter Tiere betr~chtlieh ein- gesehr~nkt ist mid gegen~iber verschiedenen Eingriffen, die den Blut- zuekerspiegel des normalen Tieres nicht verandern, versagt. Insbe- son@re seheinen derartige Tiere eine Neigung zu Hypoglyk~mie zu be- sitzen, wie sehr deutlich aus den Befunden yon Geiger lind Szirtes, hervorgeht. Auch die L~hmung der zur Blutzuckerregulation gehSrigen Bahnen des vegetativen ~ervensystems dutch Gifte ver~ndert den Wert des Ntichternblutzuckers nicht. ~ach Ergotoxin, welches bekanntlich ]eden Effekt peripherer oder zentraler Erregung des sympathischen Systems blockiert, bleibt der Blutzuckerspiegel nnverandert. ~eille3) diesbeziiglichen Beobaehtungen stimmen mit denen der moisten Autoren~), welche sieh mit diesem Gegenstand beseh~ftigt haben, ~ber- ein. Nur L es s er 5) sah ilach allerdings sehr grol3en Dosen yon Ergotoxin eine geringe Blutzuckersenkung, ebenso neuerdings Het6nyi und Po- ghny6). Auch die Blockade des vagalen Systems durch Atropin lal~t die 'HShe des Blutzuckerspiegels, falls nicht allzu grol~e Atropinmengen gegeben werden, unberiihrt.

Systematischs Untersuchungen fiber das Verhalten der Blutzueker- kurve nach peroraler oder parenteraler Glukosezufuhr bei Tieren mit meehan i sehe r Unterbrechung tier bier in Betraeht kommenden Nervenbahnen liegen bisher nicht vor. Nur gelegentliche Angaben sine[ in der Literatur zu finden. So beobachtete LSwenberg 7) bei einem Hun@, dessert Splanchnici einige Woehen friiher durchtrennt worden waren, dal~ der Blutzucker naeh p eroraler Zuekerzufuhr kaum mehr ansteigt. Ein ~lterer Versueh yon F r e u n d s) an einem Kaninchen, dessen im Leberstiel verlaufende ~erven durchtrennt worden waren,

1) E. G e i g e r und L. S z i r t e s , Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1926~_ Bd. !19, S. 1.

2) R u p p , Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1925, Bd. 44, S. 476. 3) L. P o l l a k , Biochem. Zeitschr. 1922, Bd. 127, S. 120. 4) M i c u l i c i c h , Arch. s exp. Pathol. u. Pharmakol. 1912, Bd. 69, S. 133/_

- - W. G r u n k e , Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1926, Bd. 52, S. 488. - - E. B a - r a t h , Zeitschr. f. klin. Meal. 1926, Bd. 104, S. 712. - - R o t h l i n , Klin. Wochen-- schr. 1925, S. 1537. - - E. S t a h n k e , Ebenda 1928, S. 23.

5) E. L e s s e r uad Z i p f , Biochem. Zeitschr. 1923, Bd. 140, S. 612. 6) St. Het6~ly i mid J. P o g A n y , Klia. Wochenschr. 1928, Bd. 7, S. 407. 7) R. L ~ w e n b e r g , Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1927, Bd. 56, S. 147. 8) H. F r e u n d , Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1914, Bd. 76, S. 311.

Der Mechanismus der aliment~ren iqyperglyk~mie. 3

ergab bei i n t r a v e n S s e r Glukosezufuhr eine gegen die 5~orm unver- anderte Blutzuckerkurve. :Nach Clark 1) beeinflu~t Durchtrennung der Vagi beim Kaninchen die Kurve nach e i n m a l i g e r intravenSser Zuckerinfusion nicht. Erst wenn mehrnlals hintereinander Zucker in- jiziert wird, verl~tuft die Kurve nach der letzten Zuckerinjekti0n beim vagotomierten Tier flacher als beim intakten.

Die folgenden Untersuchungen beschgftigen sieh mit dem Verhalte~ der glyk~tmischen Reaktion nach Ausschaltung des vegetativen Nerven- systems durch Gifte, wobei zur Blockade des sympathischen Systems Ergotamin (Gynergen), zur Blockade des parasympathischen Atropin diente. Zu diesem Thema sind in letzter Zeit eine Reihe yon wichtigen ~Iitteitungen verSffentlicht worden. Het~ nyi und P o gs haben ia Versuchen am 5[enschen festgestellt, dal~ der Bhtzuckeranstieg nach Einnahme e~ner Zuckermahlzeit yon 20 g ausbleibt, wenn 15 hIinuten vorher 0,5 mg Ergotamin subkutan injiziert wird. Der gleiche Befund wurde yon Grunke 3) erhoben. Bald darauf machte Al la rd ~) eine analoge Beobachtung mit Atropin. Auch Atropin verursacht eine deut- liche Verflachung der alimenta~ren Blutzuckerkurve, wen~ aueh an- scheinend nicht in so ausgeprggtem ~a~e wie Ergotamin. Al la rds Beobachtungen wurden yon B e r t r a m S ) best~tigt, t I e t~ny i and P o g s erklaren ihren Befund mit der Blockade eines dutch die Zucker- zufuhr ausgelSsten, glykosekretorischen Reizes und sehen in demselbe~l eine gewichtige Stiitze der sogenannten Reiztheorie der aliment~res Hyperglykgmie. Meine eigenen Versuehe, welche behufs eingehender Analyse des beschriebenen Phanomens zum iiberwiegenden Tell an Tieren ausgefahrt wurden, ergeben eine andere Deutung dieser Beob- achtung und damit auch des 5[eehanismus der glykamisehen Reaktion.

Methoflik. Die Mehrzahl der Versuche in dieser und der folgenden Arbeit wurde a~

Kaninchen mittleren Gewiehtes duret~geftihrt. Eine langj~thrige Erfahrung auf diesem Gebiete, insbesondere was das Kaninchen anbelangtS), sowie die Durchsicht der Literatur lieBen es vorteilhafter erscheinen, die korrespon- dierenden Versuche stets an demselben Tier vorzsnehmen, start Durchschnitts- werte, die an verschiedenen Tieren naeh prozentisch gleicher Zuckerzufuhr

1) G. C l a r k , Journ. of physiol. 1924/25, Bd. 59, S. 466; 1924, Bd. 61, S. 576. 2) Ful3note 6, S. 2. 3) W. G r u n k e , Zeitschr. f. d. ges. exp. 5Ied. 1926, Bd. 52, S. 488. 4) E. A l l a r d , Arch f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1926, t~d. 115, S. 1. 5) F. B e r t r a m , Ebenda S. 259. 6) Allein dieser und der folgende~ Arbeit:liegen mehr als 300 131utzucker-

kurven naeh Zuckerzufuhr zugrunde.

1"

4 I. LEO POLLAK.

gewonnen wurden, zur Vergleichsbasis zu nehmen. Denn auch bei relativ gleieh grol~er Zuekerzufuhr differieren die Blutzuckerkurven versehiedener Tiere schon bei intraven6ser und noch vielmehr bei peroraler Applikations- weise reeht erheblich, w~hrend die bei ein und demselben Tier gewonnenen Kurven, auch wenn die Versuche u m Woehen auseinander liegen, einen ge- nfigend gleichmgi~igen Verlauf zeigen, um die Wirkung yon Giften oder son- stigen Eingriffen erkennen zu !assen. Es ist notwendig, da~ die Tiere stall- gewShnt sind und ihr Gewicht w~hrend der Versuehszeit annithernd beibe- halten. Sobald st~rkere Gewiehtsabnahmen eintreten - - in der Regel als Folge yon Stallinfektionen - - , nehmen die Kurven einen irregul~ren Verlauf, der den Versuch unbrauchbar maeht. Alle Blutzuekerbestimmungen wurden naeh J ensen H a g e d o r n in Doppelbestimmungen ausgef~hrt. Als Ergo- taminpr~parat kam das Gynergen Sandoz, welches mir yon der Firma in dan- kenswerter Weise ~iberlassen wurde, zur Verwendung.

Der Einflufi yon Ergotamin auf die glykiimische Reaktion.

Untersucht man bei Kaninchen den Ablauf der alimentaren Hyper - glyki~mie nach peroraler Zuckerdarreichung unter dem Einflu6 yon Er- gotamin, so ffillt vor allem das verschiedene Verhalten der einzelnen Tiere auf. W~hrend bei manchen Tieren der Blutzuckeranstieg durch Ergotamin ganz oder nahezu ganz verhindert wird, wird bei anderen der Verlauf der Kurve nur mehr oder weniger abgeflacht, bei anderen wieder, trotz gleicher Giftdosis die Kurve iiberhaupt nicht beeinflui]t oder s0gar im entgegengesetzten Sinne ver~ndert. Ich fiihre aus einer grSl~eren Zah] von Versuehen fiir jede der genannten Verlaufsarten ein Beispiel an.

Versuch 1. Kaninehen Nr. 42, 2200 g Gewieht. a) i0 g Glukose per os (Sehlundsonde). b) 10 g Glukose per os und zweimal

je 1,5 mg Ergotamin subkutanl).

Zeit 2) in Minnten

0 30 60 90

120 150 180

Blutzucker in rage/o

10[ 169 199

159 19l 165 126

Versuch 2. Kaninchen ~Nr. 45, 2050 g Gewieht. a) 10 g Glukose per os. b) 10 g Glukose per os und zweimal

je 1,5 mg Ergotamin subkutan.

b Zeit

Blutzueker in Minuten in mg0/o

l i l 0 '105 30 105 60 102 90 87 120

107 150 111 180

Blntzucker in rage/0

90 177 240 23l 171 141 138

b Blutzncker

in mgO/o

101 136 141 116 113 117 103

1) We nichts anderes bemerkt ist, erfolgte die erste Ergotamininjektion ~/'2 Stunde vor, die zweite gleichzeitig mit der Zuckerzufuhr. Diese Art der zeitlichen Verteilung hat sich als besonders wirksam erwiesen.

2) Der Moment der Zuckerzufuhr ist immer ale ~ullptmk t gerechnet.

Der Meehanismus der alimentiiren Hyperglyk~mie. 5

Versuch 3. Kaninehen Nr. 68, 2250 g Gewieht,

a) 6 g Glukose per os. b) 6 g Glukose per os und zweimal

je 2 mg Ergotamin subkutan.

Zeit a in Minuten Blutzucker

I in mgO/o 1

Versuch 4. Kaninchen Nr. 41, 2200 g Gewicht.

a) 10 g Glukose per os. b) 10 g Glukose per os und zweimal

je 1,5 mg Ergotamin subkutan.

0 30 40 50 60 90

120

109 142

139 132 128 127

b Zeit

Blutzucker in Ninuten in mgO/o

96 0 122 30 ]24 60 126 90 1�89 120 126 150 109 180

BlutzuCker in mgO/o

b Blutzucker in mgO/o

111 183 170 161 159 158 123

117 168 209 218 190 157 135

Die Durehsieht des gesamten Materials ergibt, dab die Nehrzahl der Versuche eine depressorische Wirkung des Ergotamins auf die glyk- '/~misehe Reaktion erkennen ]/~l~t, dab aber eine vollstandige Unter- driiokung der Reaktion bei Zuekergaben zwisehen 1,5 g und 5 g pro Kilogramm Tier selten ist. Bei solehen Tieren, bei denen jeder Einftu6 "con Ergotamin vermit~t w~rde, btieb er aueh bei Wiederhotung des Versuehes aus. Rassenversehiedenheit der Tiere kommt a]s Ursaehe dieses versehiedenen Verhaltens nieht in Betraeht, ebensowenig Unter- sehiede der Ftitterungsart, da s~mfliehe Tiere bereits liingere Zei* vor dem Versuch bei tIafer-Heu-Wasser-Regime gehalten und 20 Stunden vor dem Versuch auf Karenz gesetzt wurden. Im allgemeinen kann man sagen, dal3 dort, wo der Vorversuch (ohne Ergotamin) eine flaehe pro- trahierte Kurve ergeben hatte, die Wirkung des Ergotamins sehwi~eher war als bei steilem Verlauf der alimenti~ren ttyperglyki~mie.

Die ungleiehmiiNge Wirkung des Ergotamins bei versehiedenen Tieren ist zuni~ehst sehwer verst~ndlieh; sie ]st insbesondere ~ieht ver- einbar mit der Ansieht, nach weleher Ergotamin einen dureh die Zucker- zufuhr ausgelSsten glykosekretorisehen Reiz, der auf sympathischen Nervenbahnen verlauft, also adrena!inartig wirkend gedaeht werden mti/3te, unterdrtieken soll. Denn die bier verwendeten Ergotamindosen vermSgell naeh meiner Erfahrung den Effekt yon Adrenalinmengen, welehe zu noela starkerer ttyperglykamie als die bier benutzten Zueker- mengen fiihren, r e g e 1 m iil3 ig zu unt erdrticken. Aueh bei solehen Tieren, deren glykamisehe Reaktion dureh Ergotamin kaum verandert war@, liel~ sieh eine sehr kri~ftige Adrenalinhyperglyki~mie sogar dureh ge-

~[. LEO POLLAK.

ringere Ergotamindose~l, als sie in den Fiitterungsversuehen verwendet wurden, nahezu vollsti~ndig aufheben, wie der folgende Versueh zeigt.

Versueh 5. Kaninehen Nr. 63( 2500 g Gewieht.

a.) 6 g Glukose per os. b) 6 g Glnkose per os und zweimal 2 nag Ergotamin subkutan.

Zeit in ]~{inuten

0 30 60 90

120

e) 0,3 mg Adrenalin subkutan.

a

Blutzueker in mgO/o

86 131 150 145 99

b Blutzucker

in mgO/o

104 126 144 136 118

~o B l u t z u e k e r vorher 97 m~ ~/o, naeh 60 Mnuten . 208 ~)

d) 0,3 mg Adrenalin subkutan, je 1,5 mg Ergotamin subkutan 1/2 Stunde vor und gleiehzeitig nfit der Adrenalininjektion

B l u t z u c k e r vorher 97 rag%, naeh 60 M i n u t e n . . 113 >>

Die ungleichmN~ige Wirkung yon Ergotamin auf die glyk~misehe Reak- tion des Kaninchens wurde aueh yon More t t i 1) beobachtet.

Wird iedoch tier Tra.ubenzueker intravenSs injiziert, so 1N3t sich niemals eine depressorisehe Wirkung yon Ergotamin feststellen. Neistens differieren die Kurven mit und ohne Ergotamin r ieht starker, 'als es der normalen Variationsbreite soleher Versuehe entsprieht (Versueh 6 und 7).

Versuch 6. Kaninehen Nr. 3, 3300 g Gewicht a) 1,5 g Glukose intraven6s. b) Dasselbe und 1,5 mg Ergotamin

subkutan.

Zeit 1 a in Minuten Blutzucker i �9 in mgO/o

0 ! 103 15 200 30 137 60 80

120 98

b Blutzucker in mgO/o

Versuch 7. Kaninchen Nr. 73, 2750 g Gewicht. a) 1,4 g Glukose intraven/Ss. b) Dasselbe und zweimal 2 mg Ergo-

tamin subkutan.

Zei t in Minuten

106 0 201 10 127 20 105 30 117

Blutzucker in mgO/o

b Blutzucker

in mgO/o

103 225 198 t83

104 237 192 I89

1) N0re t t i : Klin. Wochenschr. 1928, Bd. 7, S. 407.

Der Mechanismus der alimenfitren Hyperglykitmie. 7

He , t6ny i land sogar beim ~enschen regelmi~l~ig eine Versti~rkung der glyki~mischen Reaktion nach intravenSser Zuckerzufuhr" durch Ergo- tamin. Dies ist auch beim Kaninchen in einzelnen Versuchen zu beob- achten (Versuch 8), keinesweg s jedoch ein regelmiil]iges Vorkommnis.

Versuch 8. Kaninchen 5~r. 10, 2000 g Gewicht.

a) 1,5 g Glukose intravenSs. b) Dasse]be und zweimd 1~5 nag Ergotamin snbkutan.

Zeit in Minuten Blutzueker

in mgO/o !

0 J 84 15 i 210 30 17~ 60 I 116

i

120 108 180 10i

b Blutzucker in mgO/o

98 25s 221 158 89

100

Auf die Kurve nach subkutaner Glukoseinjektion hat dagegen Er- g0tamin zweifellos einen depressorischen Einflu/~, allerdings nicht in dem Ausrna/]e, wie auf die perorale Blutzuckerkurve.

Versuch 8a). Ka~linchen INt. 42, 2200 g Gewicht.

a) 3 g Glukose subkutan. b) Dasselbe und zweimal 1,5 nag Ergotamin.

Zeit in Miuuten

0 30 60 90

120 150 180

a

Blutzucker in, mg~

b Blutzueker in mgO/o

Blutzuckeranstieg in mgO/o

b Blutzuckeranstieg

in mgO/o

101 285 356 345 305 278 188

140 2631 328 318 283 227 200

184 255 244 204 177 87

123 188 178 143 87 60

D a der Ausgangswert in Versueh b wesentlich hSher liegt als in Versuch a, wa r es far die Beurteilung der Giftwirkung notwendig, den jeweitigen Blutzuckeranstieg zu vergleiehen.

8 I. LEO POLLAK.

Die Wirkung yon Atropin auf die glykiimische Reaktion.

Die Versuche mit Atropin nahmen einen ~hnliehen ungleichmN~igen Verlaui wie die mit Ergotamin. Wir finden hier die gleiehen Verlaufs- typen wie in den Ergotaminversuchen: Deutliehe depressorisehe Wir- kung, geringe Abflaehung his zu nieht mehr sieher feststellbarer Ver- iinderung und deutliche Zunahme des Blutzuekeranstiegs. Die letztere Reaktionsweise entsehieden h~ufiger als in den Ergotaminversuehen. Durehsehnittlieh ist die depressorisehe Tendenz des Atropins sehwiieher als die des Ergotamins, insbesondere wurde in keinem der Atroioinver- suehe eine vollkommene Unterdrtiekung des Blutzuekeranstieges nach den bier verwendeten Zuekergaben yon 1,5--5,0 g pro Kilogramm Tier beobaehtet, wie dies in einzelnen Ergotaminversuchen der Fall war. Da das Kaninehen bekanntlieh gegen die Giftwirkung des Atropins sehr wenig empfindlieh ist, konnte die Dosierung vielfaeh variiert werden. Eine deutliehe Abhiingigkeit des Versuehsausfalls yon der GrSl~e der Atropingaben lieg sieh jedoeh nieht feststellen, insbesondere aueh keine Verstiirkung einer eventuellen depressorisehen Wirkung dureh Steigerung der Atropindosis. Da die Atropinwirkung sehr fiiiehtig ist, wurde das Gift in der Regel auf mehrere Einzelgaben verteilt, in Abstiinden von 10--15 3{inuten vor und naeh der Zuekerfiitterung subkutar~ beigebraeht (meistens fiinf- bis seehsmal 1--5 mg Atropinsulfat). Atropinmengen, welehe tiber 0,1 g hinausgehen, kommen fiir der- artige Versuehe nicht in Betraeht, da sie an sieh }Iyperglykiimie her- vorrufen.

Die folgenden Protokolle geben je ein Beispiel fiir eine mi~gig de- pressorisehe (Versueh 9), eine stark depressorisehe (Versueh 10) und eine versti~rkende Wirkung des Atropins (Versueh 11).

Versuch 9. Kaninehen Nr. 60, 3000 g Gewicht

a) 4 g Glukose per os. b) 4 g Glukose und ftinfmal 5 mg

Atropin.

Versuch 10. Kaninchen Nr. 47, 3300 g Gewicht.

a) 4 g Glukose per os. b) 4 g Glukose und fiinfmal 5 mg

Atropin.

Zeit in Ninuten

0 30 60 90

Blutzueker in mgO/o

96 173 151 116

b Blntzucker in mgO/o

97 140 127 115

Zeit in Ninuten

0 30 60 90

Blutzucker in mgO/o

115 190 225 208

b Blutzucker in mg O/o

107 122 136 148

Der ~Iechanismus der alimen6iren Hyperglyk~imie. 9

V e r s u c h 11.

Kaninchen Nr. 68, 2250 g Gewicht.

a) 6 g Glukose per os. b) 6 g Glukose und viermal 1 nlg Atropin. c) 6 g Ghkose und fiinfmal 2 mg Atropin. d) 6 g Glukose und fiinfmal 5 mg Atropin.

Zeit in Minuten

a

Blutzllcker in mgO/o

b i c d Blutzucker I Blutzucker Blutzucker

m mgO/o i in mgO/o in mg~/o

0 30 40 50 60 90

120

99 159 175 175 174 156 125

91 170 200 202 234 196 160

88 177 203

�9 211 206 178 146

94 191

! 192 212 211 211 180

Bemerkenswert ]st, dal3 die Reaktionsweise der einzelnen Tiere auf Ergotamin und Atropin einen gewissen Parallelismus erkennen l~13t. 7VVo Ergotamin besonders stark depressorisch wirkt, erniedrigt in der Regel auch Atropin die glyki~mische Reaktion deutlich, wi~hrend dort, wo Ergotamin nur schwach oder sogar invers wirkt, gewShnlich auch Atropin eine Verstarkung der glyki~mischen Reak- tion hervorruft.

Kaninchen Wirknng auf die glykgmische l~eaktion ~r. Ergotamin Atropin

60 47 68 41 72

fast ganz lmterdriickt

geringe Abflachung verstiirkt

abgeschw~icht stark abgeschwiicht

deutliche Verst~irkung unver~indert

verst~irkt

Auch die glyki~mische Reaktion nach intravenSser Zuckerzufuhr verhi~lt sich unter Atropin ahnlich wie unter Ergotamin. In keinem Yersuch kam es zu einer Erniedrigung, dagegen wiederholt, und zwar h~ufiger und ausgesprochener als bei Ergotamin. zu einer Versti~rkung der glykamischen Reaktion.

10 ~. LBo POLLAK.

Versuch l l a .

Kaninchen Nr. 68, 2250 g Gewicht.

a) 1 g Glukose intraven0s. b) 1 g Glukose und viermal 1 mg

Atropin subkutan.

Versuch ;[lb.

Kaninchen Nr. 3, 3300 g Gewicht.

a) 1,5 g Glukose intraventis. b) 1,5 g Glukose und 10 nag Atropin

subkutan.

Zeit in Minuten

a

Blutzucker in mgO/o

b Blutzucker

in mgO/o

0 10 20 30 60 90

89 192 157 135 113 104

Zeit in Minuten

96 0 193 15 160 B0 137 60 111 105

Blutzucker in mgO/o

108 177 134 105

b Blutzucker

in mgO/o

99 231 174 101

Eine geringe Versti~rkung der glyki~mischen Reaktion dutch Atropin wurde aueh yon E da 1) bei intraperitonealer Zuekerzufuhr beobachtet (X~ninchen), wogegen T e r a s h i m a ~) unter gleichen Bedingungen keine sichere Veri~nderung feststellen konnte.

In grol~en Dosen macht Atropin, wie diem bereits wiederholt be-

sehrieben wurde, an sich eine Hyperglykgmie. Der folgende Versuch zeigt, d~B diese Atropinhyperglyki~mie durch Ergotamin deutlich ver- mindert wird.

Versuch 12.

K~ninchen hTr. 41, 2200 g Gewicht.

~) Je 0,2 g Atropin. sulf. subkutan zur Zeit 0 Minute und 15 Minuten. b) wie a), d~zu ~/~ Stunde vor und nach der ersten Atropininjektion je 1,5 mg

Ergotamin subkutan.

Zeit in Minuten

a b Blutzucker Blutzucker

in mg~ in mg2/o

0 10 20 30 60

103 [ 122 109 ] 111 122 117 I26 104

�9 174 140

1) Eda Genichi ro Journ. biochem. 19277 Bd. 7, S. 348. 2) T e r a s h i m a Shoichi : Ebenda S. 489.

Der Mechanismus der aliment~ren ttyperglykiimie. 11

Der Einflufi gleichzeitiger Anwendung yon Ergotamin and Atropin auf die alimentitre Hyperglykamie.

Der inkonstanten Einzelwirkung yon Ergotamin und Atropin steht <lie Gleiehmitl~igkeit der Befunde gegentiber, wenn man beide :Pharmaka :zusammen injiziert. Durch kombinierte Darreichung dieser Substanzen, .~l. h. also bei gleichzeitiger Blockade beider Teile des vegetativen Her- -vensystems, gelingt es n~mlich regelm~13ig die aliment~re Hyper- :glyk~mie naeh peroraler Zuckerzufuhr derart depressoriseh zu beein- flussen, dal~ bei den bier verwendeten Glukosegaben der Blutzucker tiberhaupt nicht mehr in nennenswerter Weise ansteigt. Aus einer

:gro~en Zahl gleichsinnig verlaufender Versuche seien hier zwei als Bei- spiel angeftihrt.

Versuch 13. Kaninchen Nr. 63, 2500 g Gewicht.

a) 6 g Glukose per os. -b) 6 g Glukose und zwdmal 2 mg Ergotamin (ohne Atropin). ,r 6 g Gl'ukose und zweimal 2 mg Ergotamin und ftinfmal 5 mg Atropin

subkutan.

b o

Zeit Blutzucker Blutzucker in Minuten ia mgO/o in mgO/o

0 30 60 90

120

Mg~% 150

140

110

lO0

90

a

Blutzucker in mgO/o

s6 I 131 ~ ]50 l [ 145 99 I

Versuch 13.

104 85 126 99 144 99 136 97 118 92

a

...b

J / / '

1 /

. . . . . . /

/ /

\\

\

80 0 30 60 90 120 Min.

Kurve 1 zuVersuch 13. Kaninchen l~Tr.63. 6g Glukose per Schlundsonde. a - - ~- ohne Vorbehandlung. b . . . . unter Ergotamin. c . . . . . unter Ergotamin und

Atropin.

]2 I. LEO POLLAK.

Versuch 14. Kaninchen ~Tr. 66, 2750 g Ge~Scht.

a) 6 g Glukose per os. b) 6 g Glukose und zweimal je 2 nag Ergotamin und sechsmal je 5 rag

Atropin subkutan. c) 6 g Glnkose und sechsmal je 5 mg Atropin subkutan (kein Ergotamin).

Zeit in Minuten

0 30 60 90

Blutzucker in mgO/o

109 198 224 218

b r c Blutzucker Blutzucker in mgO/o in mgO/o

10~ 122 120 118

105 160 181 189

Besonders auff~llig ist die Unterdriickung der glykamischen Reaktion durch die Kombination Ergotamin ~ Atropin bei solchen Tieren, bei denen jedes der Gifte allein die Reaktion entweder gar nicht l~eeinflul3t oder sogar versti~rkt. Es kann demnach nicht bloSe Summation zweier an sich schwacher Wirkungen vorliegen. Sehr gut wird das besprochene Verhalten durch folgenden Versuch illustriert.

Versuch 15. Kaninchen ~r. 72, 2200 g Gewicht.

a) 6 g Glukose per os. b) 6 g Gl@ose und zweimal je 2 mg Ergotamin. c) 6 g Ghkose und fiinfmal je 5 mg Atropin. d) 6 g Glukose und zweimal 2 mg Ergotamin und ftinfmal je 5 mg Atropin.

Zeit in Minuten

0 30 40 50 60 90

120

Blutzucker in mgO/o

113 165 168 161 157 141

b Blutzucker in mgO/o

119 147 176 193 190 151 136

(Kurve 2, S. 13.)

O

Blutzucker in mgO/o

109 180 187 197 196 169 144

d Blutzucker in" mgO/o

107 114 107 115 111 115 110

Der Blutzuckeranstieg nach i n t r a v e n S s e r Zuckerzufuhr wird dureh die gleichzeitige Injektion yon Ergotamin und Atropin ebenso- wenig antagonistisch beeinflul]t wie durch jedes der Gifte fiir sicL

Der Mechanismus der aliment~irea Hyperglyk~mie. 13

Versud~ 15.

Mge.% ,' .... 1 190 ,, "if". \. I

/ / '" I ', \ '\ 180 \ \ ; \ 170 i J ". " ? \ ," ~' / , ,,

150 ~ "\ . \

uo i// ",. 130 / I X " b

11o . f . ~ ~ , ~ / ' ~ """- ~ ~

I00 0 30 60 90 120 Min.

Kurve 2 zu Versuch 15. Kaninchen 5Tr. 72. a - - - ~ 6 g Glukose per os. b . . . . 6 mg Glukose nnd zweimal 2 g Ergotamin. c . . . . . 6 g Glukose und fiinfmal 5 mg Atropin. d - = 6 g Glukose und zweimal 2 mg Erg0tamin and

fiinfmal 5 mg Atropin.

V e r s u c h 16.

Kaninchen Nr. 4, 2700 g Gewicht.

a) 2 g Glukose intravenSs. b) Dasselbe und zweimal 1,5 mg Ergotamin und zweimal 10rag Atr0pin sub-

kutan.

Zeit in Minuten Blutzucker

in mgO/o

b Blutzucker

ia mgO/o

0 15 30 60

120

98 262 217 129 96

97 262 202 148 100

Wiederum eff~hrt aber die Kurve naeh s u b k u t a n e r Glukose- injektion durch die kombinierte Darreichung beider P h a r m a k a eine Ab-

fiachung, keineswegs aber in solchem Grade wie die nach peroraler Zuckerzufuhr.

14 I. LEO POLLAK.

Versuch 16a. Kaninchen Nr. 87, 2600 g Gewicht.

a) 2 g Glukose subkutan. b) Dasselbe und zweimal 1,5 mg Ergotamin und ftinfmal 5 mg Atropin sub-

kutan.

Zeit in Minuten

.0 15 30 60 90

120

Blutzucker in mgO/o

92 114 136 139 169 166 177 174 143 152 149 126

b Blutzucker

in mgO/o

a

Blutzuckeranstieg in mgO/o

b Blutzuckeranstieg

in mgO/o

44 25 77 52 85 60 51 38 57 12

Auch der l~tichternblutzucker zeigt unter der Wirkung yon Ergo-

tamin -k Atropin keine Ver/~nderung.

Versuch 17. Kaninchen l~r. 3, 3300 g Gewicht.

1,5 mg Ergotanfin und 10 mg Atropin subkutan.

Z e i t Blutzucker in Minuten in mgO/o

0 60 90

Versuch 18. Kaninchen l~r. 5, 2300 g Gewicht.

Zweimal 1,5 mg Ergotamin unct zweimal 5 mg Atropin.

Zeit Blutzucker in Minuten in mgO/o

102 0 102 60 104 120

99 95 98

hi bezug auf das Verhalten des Niiehternblutzuekers besteht dem- naeh ein deutlicher Unterschied zwischen der temporiiren Ausschaltung des sympathisehen Nervensystems durch Ergotamin und der dauern- den Ausschaltung nach Durchschneidung der Splanchnici. In letzterem Falle fiihrt n/~mlieh, wie G e i g e r und Sz i r tes~) gezeigt haben, die In- jektion kleiner Atropinmengen zu einer Senkung des Blutzuekers bis ztt tiefhypoglyk/~mischen Werten und zum Auftreten yon typisehen'hypo- glyki~misehen Kr/~mpfen.

Die Ursache der Hemmungswirkung yon Ergotamin und i t r o p i n .

Di e bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dab die glyk/imische Reaktion nach peroraler Zuckerzufuhr durch Ergotamin sowie durch

1) Fu~note 1, S. 2.

Der Mechanismus der alimentgren ttyperglyk~tmie. 15

Atropin gehemmt wird, und zwar durch Ergotamin hgufig und aus- giebig, dutch Atropin seltener und sehwgeher, dureh gleiehzeitige In- jektion beider Gifte aber regelma]ig und in solehem Grade, dal~ der Blutzueker nieht mehr wesendieh ansteigt. Die glyk~mische Reaktion nach intravenSser Zuekerzufuhr wird dagegen weder durch Ergotamin noeh durch Atropin, noch dureh die kombinierte Anwendung beider Substanzen in depressorischem Sinne beeinflul~t, ebensowenig der Ntich- ternblutzueker. Dieses gleichsinnige Verhalten maeht es nieht nut wahrscheinlieh, dal~ die depressorisehe Wirkung beider Gifte auf dem gleiehen ~eehanismus beruht, sondern weist aueh die Richtung, is weleher eine Erklgrung des Phgnomens zu suchen ist. Drei ~Sglieh- keiten kommen zungehst in Betraeht:

1. Die genannten Gifte verlangsame~ die Resorptionsgeschwindig- keit der Glukose im Darm und bewirken dadurch einen flaeheren Ver= lauf der Blutzuekerkurve.

2. Nach der sogenannten Reiztheorie der aliment~ren ttyperglyk- gmie tuft der Zueker yore Darmkanal aus einen glykosekretorisehen~ Proze~ in der Leber hervor, an dessen ,Zustandekommen sympathisch und parasympathisch innervierte Apparate beteiligt sind, yon denen die ersteren dureh Ergotamin, die letzteren dutch Atropin, ihre Gesamt- heir durch die Kombination Ergotamin und Atropin ausgesehalte t warden (Deutungsversuch yon I-I e t6 n yi nnd P o g a ny bzw. yon All ar d)=

3. Beim normalen Ablauf der Zuckerresorption aus dem Darm retiniert die Leber nur einen Teil des in der Pfortader zugeftihrten Zuekeriiberschusses, w~thrend der Rest in die periphere Zirkulation ge- langt. Das Ausmal~ dieser Retention, yon welchem die ttShe des ali- mentaren Blutzuckeranstieges i m peripheren Blute abhangt, wird durch das vegetative Nervensystem reguliert. Wird das letztere durch Ergotamin oder Atropin teilweise, dureh ihre Kombination zur Ganze ausgeschaltet, so kommt es zu st~rkerer bzw. maximaler Zuckerreten- tion in der Leber.

ad 1. Die Annahme einer verzi~gerten Zuckerresorption im Darme hat fiir Ergotamin insofern eine gewisse Wahrscheinlichkeit von vorn- herein fiir sich, als bereits bekannt ist, dal~ diese Substanz Tonus und Peristaltik des Magens hemmt und den Pylorus in spastisehe Kontrak- tion versetzt. Da im Magen Zueker nieht in nennenswerter Menge re- sorbiert wird, kfnnte der verlangsamte Ubertritt der ZuckerlSsung aus dem Msgen in den Diinndarm einen verspateten: Beginn und eine verminderte Geschwindigkeit der Zuckerresorption zur Folge haben. Dieser Einwand wird zum Teit wenigstens durch Versuche yon He-

16 I, LEO POLLAK.

t6ny i und Poghny entl~'/~ftet, in welchen die depressorische Ergota- minwirkung auch dann nachweisbar war, wenn der Zucker mittels Duodenalsonde beigebraeht wurde. Ferner land LSwenberg bei ~agenausheberung koine Zunahme der Zuekerrtiekst/inde unter Ergo- tamin. Offenbar sind also die zur Erzielung des depressorisehen Ergota- mineffektes beim Menschen hinreichenden Dosen nicht grol~ genug, um eine merkliche Veri~nderung der Magenmotilit~tt hervorzurufen. Dureh diese Versuehe erscheint mir abet die Auffassung des Ergotamin- effekts als Resorptionsverziigerung noeh nicht vSllig widerlegt zu sein, da Ergotamin neben seiner Wirkung auf die Motilit/~t des Magen-Darm- kanals auch eine deutliehe An/~mie des ganzen Darmtraktes zur Folge hat, die ihrerseits die Zuckerresorption verlangsamen k@nte, was sich bei Fiitterung dureh die Duodenalsonde geradeso geltend machen miil]te wie bei Zufuhr des Zuckers per os. Es war daher notwendig, die Frage tier ResorptionsverzSgerung durch Ergotamin in ihrem Zusammenhang mit dem depressorischen Effekt noeh einmal im Tierversuch zu analy- sieren.

Versuch 19.

Kaninehen l~r. 45, 2050 g Gewieht, bei welehem einige Tage zuvor ein starker depressoriseher Ergotamineffekt festgestellt worden war, erh~lt 10 g Glukose mitte]s Schlundsonde, sowie 1/2 Stunde vor und 1/2 Stunde naeh tier Ftitterung je 1,5 mg Ergotamin subkutan. Das Tier wird 2 Stunden nach der Sondenfiitterung getOtet. Bei der sofort vorgenommenen Sektion erweist ~ieh der 1)ylorus als spastisch kontrahiert, der ganze Darmtrakt wesentlich bl~sser als der des nieht mit Ergotamin behandelten Kontrolltieres. Die im Magen, Dtinndarm und Dickdarm enthaltenen Zuckerriickst~nde werden getrennt bestimmt.

Zuekerriickstand im Magea ,." ~> Dtinndarm

~, Diekdarm

Summe

Ergotamintier Kontrolltier in g in g

7,5 0,91 0,16

8,57

2,8 0,25 2,7

5,75

In der 2sttindigen Resorptionsperiode hat also das Kontrolltier 4,25 g- das Ergotamintier nut 1,43 g Zueker, d. h. um 2,82 g weniger resorbiert. Be, rechnet man die resorbierte Zuckermenge in Prozenten derjenigen Zueker- menge, welche aus dem Magen in den Diinndarm tibergetreten ist, so hat das Ergotamintier 57~o, das Kontrolltier 59% resorbiert, also praktiseh den gleichen Anteil. Trotz tier schlechteren Durchblutung war also die Darmresorption nieht behindert. Zu dem gleichen Sehlu] ftihrt aueh die Bestimmung des Ge- ]aaltes an freiem Zucker in der Wand des yon seinem Inhalt sorgf~ltig frei-

Der Meehanismus der aliment~iren Hyperglyk~imie. 17

gespfilten Dtinndarms. Dieser wog beim Ergotamintier 49 g und enthielt .0,3% Zueker, beim Kontrolltier 32 g und enthielt 0,24% Zueker. Bei beiden Tieren ist also der Zuekergehalt der Darmwand 2 Stunden naeh der Zueker- ffitterung nech deutlieh erhSht, und zwar in ann~hernd gleicher Weise. Der bei Kaninehen ~r. 45 einige Tage frtiher durehgeffihrte Belastungsversueh mit und ohne Ergotamin nahm folgenden Verlauf.

a) 10 g Glukose per os. b) 10 g Glukose und zweimal je 1,5 mg Ergotamin.

Zeit in Minuten

0 30 60 90

120 i 150 180

Blutzucker in mgO/o

b Blu~zucker in mgO/o

90 101 177 136 240 141 231 116 171 I13 141 117 138 103

Obwohl also der Ubertritt des Zuekers aus dem Magen in den Diinn- ,darm durch Ergotamin stark verlangsamt wird, hat dies auf den Beginn der Hyperglyk~mie keinen wesentliehen Einflul], da auch im Ergotamin- versuch die Blutzuckerkurve 1/2 Stunde naeh der Fiitterung deutlich gestiegen ist und den Gipfel nahezu erreieht hat. Sie steigt hier abet wesentlieh weniger als im Kontrollversueh, 11/2 Stunden naeh der Fiitte- rung ist der Ausgangspunkt nahezu wieder erreieht. Zu diesem Zeit- punkte ist aber, wie die Zuckerbestimmungen im Darminhalt und in der Dilnndarmsehleimhaut beweisen, noeh reiehlieh Resorptionsgut im Darm vorhanden und die Resorption noeh in vollem Gange. Die dutch Ergotamin gesetzte VerzSgerung der Magenent]eerung und die damit verbundene _~nderung der Resorptionsbedingungeu k6nnen also die auff~llige Formver~aderung der glyk~misctle~ Reaktion nieht oder nut zum kleinsten Teile erklaren. Daher mu$ der Angriffspunkt der spezi- fisehen depressorisehen Ergotaminwirkung jenseits der Darmwand ge- sueht werden.

Der folgende Versuch erh~rtet noeh auf anderem Wege, da6 die dureh Ergotamin bedingte An~mie der Darmsehleimhaut fiir die Ge- sehwindigkeit der Zuekerresorption ohne Belang ist.

2 Kaninchen (~r. 51, 1950 g Gewicht und ]~r. 52, 1850 g Gewicht) wird ,der Diinndarm am oberen und unteren Ende abgebunden and in den An-

Archly f. exper iment . :Path. u. :Pharmakol. Bd, 140. 2

]8 I. LEO POLLAK.

fangsteil des Duodenums 3 g Glukose, gel6st in 20 ecru Wasser, eingespritzt. Nr. 51 erhi~lt 1/2 Stunde vor und nach der Glukosezufuhr je 1,5 mg Ergotamin subkutan. Nach 3 Stunden werden die Tiere getStet und die Menge des im Diinndarm noch vorhandenen Zuckers bestimmt. Dieselbe betrug beim Er- gotamintier 0,2 g, beim Kontrolltier 0,192 g, also kein Unterschied. Der Ge- halt der Dtinndarmwand am freien Zucker betrug bei beiden Tieren 0,33~o, war also noch deut]ich erhSht.

Sehliel~lich mtigte sieh, wenn die Ver~nderung der Blutzuckerkurve dureh Ergotamin in nennenswerter Weise dureh eine Verlangsamung des Resorptionstempos bedingt w~re, ein analoger depressoriseher Effekt aueh auf die Blutkonzentrationskurve anderer Substanzen; die wie Glukose der Hauptsaehe naeh erst im Dtinndarm resorbiert werden, nachweisen lassen. Dies ist aber nicht der Fail, wie der folgende Versueh, in welehem die Koehsalzkurve im Blute naeh peroraler Koehsalzzuful~" ermittelt wurde, beweist.

Versuch 20. Kaninchen Nr. 55.

a) 5 g Kocbsalz in 200 ccm Wasser per os. b) Dasselbe und zweimal 2 mg Ergotamin subkutan.

Zeit in Minuten

0 30 60

120

st NaC1

in mg'O/o

460 530 560 600

b iNaC1

in mgO/o

480 560 600 650

Das hier verwendete Tier hat in einem frtiheren Versueh eine stark depressorisehe Ergotaminwirkung auf die aliment~re ttyperglyki~mie gezeigt.

Fiir Atropin kommt eine Rtiekftihrung der depressorisehen Wir- kung auf Ver~nderungen der Darmresorption yon vornherein viel we- niger in Betracht. Eine Verzt~gerung der Magenpassage ist kaum zu erwarten und yon Al la rd dureh RSntgen- sowie dureh Aushebever- suehe ausgesehlossen worden. (~berdies konnte B e r t r a m eine Ab- flaehung der alimenti~ren Blutzuekerkurve dureh Atropin auch bei Zufuhr des Zuekers mittels Duodenalsonde naehweisen.

Gi~nzlieh unerkli~rbar dureh ResorPtionsstSrungen ist sehliel~lieh der auffiillige Befund, dalt zumindestens beim Kaninehen die kombi-

Der ~Ieehanismus der aliment~iren Hyperglykiimie. 19

lfierte Anwendung yon Ergotamin und Atropin einen so viel stiirkeren and regelmi~Bigeren Effekt hat als die Einzelanwendung der Substanzen. Denn Atropin hebt den dutch Ergotamin hervorgerufenen Pylorospas- mus vfllig auf, wovon ich reich durch autoptischen Befund tiberzeugen konnte.

ad 2. Da ResorptionsstSrungen ftir die Erkliirung der spezifischen Wirkung yon Ergotamin und Atropin auf die Blutzuekerkurve nicht in Betracht kommen, muir der Angriffspunkt dieser Wirkung in der Leber �9 gesucht werden, wenn die Sonderstellung der peroralen Blutzucker- kurve gegentiber diesen Giften erkli~rt werden soll. Auch Het6nyi und Pog~ny sowie Al lard verlegen die Wirkung der genannten Gifte in die Leber. Alle diese Autoren stehen auf dem Boden tier Reiztheorie der alimenti~ren tIyperglyki~mie und sehen gerade in den Versuehen mit Ergotamin bzw. Atropin eine gewichtige Sttitze ftir dieselbe. Die Besonderheiten, welehe die Unterst~chungen am Kaninchen ergeben haben, liel~en sich mit dieser Theorie noch vereinigen, wenn man sie da- bin modifiziert, dab der postulierte glykosekretorische Reflex zumin- destens bei dieser Tierart sowohl auf sympathischen als auf parasym- pathischen Bahnen geleitet wird und da6 bei Blockade des einen Systems das an@re vikariierend eintritt. Auf das Ftir und Wider der Reiztheorie bzw. Resorptionstheorie soll bier nicht nochmals eingegangen werden, da ieh 1) dies vor einiger Zei~ an anderer Stelle getan babe. Gegen die Deutung der depressorischen Wirkung yon Ergotamin und Atropia als Unterdrtickung eines glykosekretorischen Prozesses sprechen jedoch unbedingt zwei Tatsaehenreihen: 1. Das Erhaltenbleiben dieser Wirkung auch beim lange hungernden Tier, dessen Glykogenbestiinde soweit als mSglich erschSpft sind, und 2. die Be0bachtung, dab sieh die depresso- rische Wirkung auch auf kSrperfremde Zuckerarten, wie L~vulose und Galaktose erstreckt.

Die Tatsache, dab bei Hungertieren die glyk~mische Reaktio~r nach Zuckerftitterung nicht schwiicher, sondern in der Regel sti~rker ausfa]lt, bildet bekanntlich eine wesentliche Schwierigkeit der Reiz- theorie, wie dies wiederholt yon verschiedener Seite hervorgehober~ wurde. Grunke e) hat speziell gezeigt, daB Kaninchen, deren Glyko- genvorriite dureh ttunger so stark reduziert wurden, dab sonst wirk- same Adrenalininjektionen nicht mehr zu Hyperglyki~mie ~tihrten, auf perorale Zuckerzufuhr noch mit starkem Blutzuckeranstieg reagieren.

1) L. P o l l a k , Klin. Woehensehr. 1927, Bd. 6, S. 1942. 2) W. Grunke und H e s s e , Zeitschr. f. d. ges. exp. l~ed. 1927, Bd. 54, S. 439.

2*

20 t. LEO POLLAK.

Aueh die Anhi~nger der Reiztheorie mtissen daher annehmen, dab beim Hungertier der alimentiire Bluzuckeranstieg nicht dutch endogenen, aus der Leber ausgesehtitteten Zucker, sondern dutch den resorbierten Zueker zustande kommt. Dann dtirfte abet Ergotamin beim Hunger- tier nicht die gleiche depressorische Wirkung enffalten wie beim ge- fiitterten Tier. Der lolgende Versueh zeigt, dab naeh langdauerndem Hunger die glykiimische geaktion dureh Ergotamin sogar starker ge- hemmt wird wie vor der Hungerperiode.

Versnch 21.

Kaninehen RTr. 51, 1950 g Gewieht.

a) 8 g Glukose per os. b) Dasselbe und 2,5 mg Ergotamin subkutan. c) Wie b), aber nach I-Iungerioeriode.

Zeit in Minuten

0 30 60

120 180

Blutzucker in mgO/o

105 174 203 174 113

b Blutzucker in mgO/o

96 170 t77 127 122

G

Blutzucker in mgO/o

98 137 160 142 117

Versuehe a und b bd gewShnlicher Vorbehandlung (Hafer-tIeufutter und 20stiindige Xarenz vor dem Versuche).

Versueh c naeh llt~gigem Hunger (nur Wasser), an den ersten 4 Hunger- tagen t~tglich eine subkutane Injekti0n yon 0,3 nag Adrena]in, sowie yon i g Phlorrhizin (nach Coole), um die G!ykogendepots zu entleeren. Am 10. Hungertage bewirkt 0,2 mg Adrenalin subkutan Iast gar keine ttyper- glykalvJe mehr (Blutzueker vorher 111 rag%, nach 1 Stun@ 129 rag%).

Die Hemmungswirkung yon Ergotamin ist in Versueh c zweifellos sthrker als in Versuch b, da erfahrungsgemi~l~ naeh einer solchen Hunger- periode die unbeeinflul~te Blutzuekerkurve steiler und protrahierter verlaufen miil~te als im Versueh a.

Ja, es kann beim glykogenarmen Hungertier nach Injektion yon Ergotamin und Atropin durch perorale Zuekerzufuhr sogar eine vSllig inverse Reaktion ausgel6st werden, nSmlieh tiefe und langdauernde Hypoglyk~mie, die schliel~lich unter fast vSlligem Sehwinden des Blut- zuekers zum Tode fiihrt. Ein Beispiel ftir dieses Verhalten gibt der folgende Versuch 22.

Der l~echanismus der alimeut~reu ttyperglykiimie. 21

Versuch 22. Kaninchen 57r. 33.

Das Tier wna'de 8 Tage vor dem Versuch auf Hunger gesetzt, Wasser ad libitum. Gewicht zur Zeit des Versuchs 1300 g. 6 g Glukose per os und

zweinaal 2 nag Ergotanain und fiinfnaal 1 nag Atropin subkutan.

Zeit Blutzucker in Minuten in mg'O/o

0 30 60 90

120

85 54 76 58 74

Das Tier wurdo whhrend des Versuehs bereits sehr schwach, doch traten kdne Konvulsionen auf. ~ach dena Vel"suche lag es scblaff am Boden des Kafigs und nahm kein Futter. Am folgenden )[orgen war es naoribund. B]ut- zucker zu dieser Zeit 11 nag~

Die niiheren Bedingungen, unter denen das letztbeschriebene Ver- ha l ten zustande komnat, sind noch Gegenstand weiterer Untersuchung. Der Versuch erinnert an die oben beschriebenen Beobachtungen yon G e i g e r und S z i r t e s bei splanchnikotomierten Tiercn.

Ganz unvereinbar mit der Annahme einer }teramung hepatischer Glykosekretion ist schlie~lich die Beobachtung, da~ Ergotamin die glyki~mische Reaktion naeh Einnahme yon Li~vulose und Galaktose in gleicher Weise hemmt wie die nach Glukose. Die Leber kSnnte unter dem Einflu6 glykosekretorischer Reize selbstverstitndlich nut Glukose an das Blut abgeben. Der Blutzuckeranstieg nach Fiitterung yon Li~vu- lose oder Galaktose ist abet sicher zum tiberwiegenden Teile dem Auf- treten dies er Zuckerarten im Blute zuzuschreiben, wie schon aus der Ausseheidung derselben im Urin hervorgeht. Auf die Konzentration dieser Zuckerarten im Blute kSnnte daher die Blockade eines hypothe- ~ischen glykosekretorischen Reflexes keinen Einflu]~ haben.

Versuch 23. Kaninchen ~r. 42, 2200 g Gewicht.

a) 15 g L~ivulose per os. b) Dasselbe und zweinaal 1,5 nag Ergotanain.

Zeit I a in Minuten Blutzucker

in mgO/o

0 102 30 133 60 159 90 155

b Blutzucker in mgo/o

119 117 114 112

Zeit in Minuten

120 150 180

a b Blutzucker Blutzucker in mgO/o in mgO/o

139 123 114

116 100 110

22 I. I~EO POLLAK.

Versuch 24. Kaninchen Nr. 45, 2050 g Gewicht.

a) 10 g Galaktose per os. b) Dasselbe und zwdmal 1,5 mg Ergotamin.

a b Zeit Blutzucker Blutzlmker

in Minutea in mgO/o in mgO/o

0 30 60 90

120 150 180

85 150 220 268 345 346 357

109 126 167 151 149 115 138

Die Hemmung der glyki~mischen Reaktion ist bier ebenso stark

wie gegeniiber Glukose. Versuch 25.

Kanichen Nr. 73. a) 10 g Galaktose per os. b) Dasselbe und zweimal 2 mg Ergotamin und ftinfmal i mg Atropin subkutan.

a b Zeit Blutzucker Blutzucker

in Minuten in mgO/o in mgO/o

0 30 60 90

120

94 161 190 285 307

121 145 147 I38 128

Auch in den Versuchen mit Li~vulose und Galaktose wird die hem-

mende Wirkung yon Ergotamin und Atropin lediglich bei peroraler Zu-

fuhr der Zucker beobachtet. Nach intravenSser Injektion dieser Zucker

bleibt die Kurve unter dem Einflug der genannten Gifte entweder un-

veri~ndert oder sie verlguft steiler, wie dies auch in einzelnen Glukose-

versuchen der Fall war. Versuch 26.

Kaninchen Nr. 73.

a) 1,4 g Lgvulose intravenSs. b) Dasselbe und zweimal 1,5 mg Ergotamin subkutan.

b Z e i t Blutzucker Blutzucker

in ~Iinuten in mgO/o in mgO/o

0 10 20 30

105 163 127 118

106 197 156 140

Der ]~Ieehanismus der alimentiiren ttyperglyk~mie. 23

Versuch 27. Kaninchen Mr. 4.

a) 1,5 g Galakatose intravenfs. b) Dasselbe und zweimal 50 mg Atropin subkutan. c) Dasselbe und zweimal 50 mg Atropin und 1,5 mg Ergotamin subkutan.

Zeit in ~Iinuten

0 �9 15 30 60

120

Blutzucker in mgO/o

100 202 178 148 117

b Blutzucker

in mgO/o

112 235

�9 202 157 123

C

Blutzucker in mgO/o

114 216 197 145 139

In den eben wiedergegebenen Versuchen mit L~tvulose und Galak- rose wurde immer nur der Gesamtblutzucker bestimmt, tier sich aus Glukose und L~tvulose bzw. Galaktose zusammensetzt. Versuche mit getrennter Bestimmung der verschiedenen Zueker unter Ergotamin sind im Gange. Da~ es'jedoeh die verfiitterten kSrperfremden Zueker sind, deren Konzentration im Blute dureh Ergotamin und Atropin vermin- alert wird, ergibt sieh sehr klar aus einer Untersuchungsreihe tiber den Einflul~ dieser Gifte auf die Galaktosetoleranz, welehe ieh gemeinsam mit Dr. H i r s e h h o r n und Dr. S e l i n g e r 1) bei Gesunden und Leber- kranken durehgefiihrt babe.

Versuch 28. F. F., Cirrhosis hepatis.

a) 40 g Galaktose per os. b) Dasselbe und 0,25 mg Ergotamin

und 0,5 mg Atropin subkutan.

Zeit in Minuten

a

Blutzueker in mgO/o

b Blutzucker in mgO/o

0 116 i 115 30 167 139 60 185 110

120 150 I 115

Galaktoseausscheidung im Versuch a 6,2 g,

Galaktoseausscheidung im Versuch b 0,44 g.

Versuch 29. F. A., Icterus catarrhalis.

a) 40 g Galaktose per os. b) Dasselbe und 0,25 nag Ergotamin

und 0,5 mg Atropin subkutan.

Zeit ! a in Minuten i Blutzucker

i in mgO/o

0 30 60

120

111 214 196 147

b Blutzucker in mgO/o

114 145 135 121

Galaktoseausscheidung im Versuch a 3,89 g,

Galaktoseausscheidung im Versuch b 0,58 g.

1) Ausfiihrliche I)ublikation erfolgt an anderem Orte.

~ I. LEO ~OLLAK.

Da$ der im Galaktoseversuch ausgesehiedene Zucker aussehlie$- lich aus Ga]aktose besteht, wurde bereits yon R. BauerX), der die Probe in die Klinik eingefiihrt hat, naehgewiesen.

ad 3. Die Versuehe mit L~vulose und Galaktose lassen den Meeha- nismus der Ergotaminatropinwirkung viel klarer erkennen, als dies bei den Glukoseversuehen der Fall war. Da yon der im ])arm resorbierten L~vulose und Galaktose unter dem Einflu$ der Gifte nut eine geringe ~Ienge in die periphere Zirkulation gelangt, mul~ der I-Iauptteil derselben in der Leber festgehalten werden. Die gleiehe Ertdarung mu$ dann aueh ~iir Glukose angenommen werden, da der Wirkungsmeehanismus yon Ergotamin und Atropin allen drei Zuekerarten gegeniiber offenbar identiseh ist, wie sehon aus dem gegens~tzliehen Verhalten des peroralen und intravenSsen Zufuhrweges bei allen drei I-Iexosen hervorgeht. Es zeigt sieh also, dal~ das Retentionsvermfgen der Leber fi]r Zueker variabel ist und unter dem Einflul3 des vegetativen l~ervensystems steht. Wird das letztere dureh Gifte ganz ausgesehaltet, so wird das Retentions- vermSgen so gro$, da$ nahezu der ganze, im Darm resorbierte Zueker in der Leber steeken bleibt. Es h~ngt demnaeh yore Tonus des vege- tativen Systems ab, wieviel yon dem resorbierten Zueker in der Leber zuriiekgehalten und verarbeitet wird und wieviel an der Leber vorbei- fliegt und in die ioeriphere Zirkulation gelangt, mit anderen Worten, wie raseh und wie hoeh der Zucker des peripheren BIutes ansteigt.

Daf~ die Form der alimentaren Blutzuekerkurve in hohem Grade yore Erregungszustand des vegetativen Systems beeinflul3t wird, steht mit klinisehen Erfahrungen t~ber besonders starke glyk~misehe Reak- tionen bei >>Vegetativ-Stigmatisierten<< im besten Einklang. Es ist aueh wahrseheinlich, dal~,die yon Bar rens ehe en e) aufgestellten beiden Typen der glyk~misehen Reaktion, der Assimilationstypus und der Resorpt~ons- typus nicht im Sinne dieses Autors Ausdruek eines versehiedenen Neehanismus der al~ment~ren ttyperglyk~mie sind, sondern auf ver- sehiedene Einste]lung des vegetativen Tonus zu beziehen sind.

Dal~ die Kurve naeh intravenSser Zuekergabe dureh die genannten Gifte nicht deioressoriseh ver~ndert wh'd, ist dutch die Umgehung des Leber- weges allein nieht ausreiehend erkl~rt. Dieser Weg wird ja nur zum Teil umgangen, da ein betr~chtlicher Prozentsatz des mit Zucker iiberladenen Blutes auf dem Wege der Pfortaderwurzeln auch die Leber erreieht. Be= kanntlieh kann man aueh dureh intravenSse Zuekerinfusion Glykogenansatz in der Leber erzielen. Es ist abet offenbar etwas ganz anderes, ob wie

1) R. Bauer, Wien. reed. Wochenschr. 1906, I~r. 13 und 52. 2) It. K. Barrenscheen und Eisler, Biochem. Zeitschr. 1926, Bd.177, S.2Z

Der Meehanismus tier aliment~ren Hyperglyk~mie. 25,

bei der natiirlichen Resorption aus dem Darmkanal das Portalblut sich nur ganz allm~hlieh mit Glukose aufl~dt oder ob durch die intraven6se Zuekerinjektion eine plStzliche ~barsahwammung des Blutes mit Ghkose stattfindat. In latztaram Falle kommt as, wie CorP) gazeigt hat zu ainam nahezu momentanan Ausglaich der Zuekarkonzantration zwischen Lebarzelle und Blur, der offanbar nicht welter besehleunigt werden kann. Gelangt, wie dies bei subkutaner Zuekerinjektion dar Fall ist, der Zucker nur ganz allm~h- lich ins Blut, so l~l~t sich trotz des parenteralen Zufuhrweges ein Einflu] yea Ergotamin und Atropin auf die Kurve nachweisen. Da] dieser Einflul~ welt schwaeher ist als der auf die perorale Kurva, ist verst~ndlich, da ja nut ain Tail des Zuckariibarschussas die Leber passiert und yon ihr aufgesaugt warden kann.

Das vegetative ~ervensystem erweist sigh damit auch als ein wieh- tiger Faktor ~fir die Verteilung der verffitterten Kohlehydrate zwischen Leber und peripherem Gewebe, unter welch letzterem in erster Linie die ~uskulatur in Betracht kommt. Es ist yon besonderem Interesse, dal~ nach Cori 2) auch Insulin dieses Verteilungsverh~ltnis ~ndert, und zwar in entgegengesetztem Sinne wie Ergotaminatropin in den bier mitgeteilten Versuchen. Der biologische Sinn dieser nervSsen Regu- lation des RetentionsvermSgens der Leber l~l~t sieh mutmal]en. Bei vSlliger Ausschaltnng des vegetativen Tonus verbleibt nahezu der ganze resorbierte Zucker in der Leber. Da in der Norm abet immer ein solcher Tonus Vorhanden ist, kann ein grol]er Tell des Zuckers die Leber passieren und dem Verbranch der peripheren Gewebe zugeft~hrt werden.

Die Art, wie das ~ervensystem sich an der Reguliernng des Zucker- retentionsvermSgens beteiligt, scheint beim Kaninchen in manehen Pnnkten yon der beim h[enschen verschieden zu sein. Beim Mensehen kann nach den Befunden yon H e t 6 n y i und P o g s mit welchen meine, eigenen Erfahrungen fibereinstimmen, die aliment~re Hyperglyk~mie dureh Ergotamin regelm~l~ig gehemmt,, bei entsprechender Dosierung auch ganz unterdr~ickt werden. Auch Atropin scheint naeh den Angaben won Al la rd regelm~13ig depressoriseh zu wirken, wenn auch schw~cher als Ergotamin. Beim Kaninchen wird der depressorische Einflul~ won Ergotamin bisweilen vollkommen vermil~t. In der 3[ehrzahl der F~lle ist er wohl naehweisbar, sicher aber bei relativ gleicher Dosierung schw~cher als beim Menschen. ~oeh schw~cher und vet allem noch un- sicherer ist bei dieser Tierart der Einflul~ won Atropin auf die glyk~mische Reaktion. Dagegen ist durch die gleichzeitige Anwendung yen Ergota- rain und Atropin, d. h. also durch die gleichzeitige Ausschaltung sym-

1) C. F. Cori und H. Goltz, Prec. of the soc. f. exp. biol. a. med. 1925, Bd. 22, S. 124. :~

2) C. F. und G. T. Cori, Journ. of biol. :chem: 1928: Bd. 76, S. 755.

26 I. Lno POLLAK.

ioathiseher und parasympathiseher Nerveneinfliisse aueh beim Kanin- ehen eine regelm~13ige und sehr ausgepr~gte I-Iemmung der glyk~.misehen Reaktion zu erzielen. Man mug daher annehmen, daft bei diesem Tier naeh Aussehaltung des einen Systems das an@re vikariierend eingreifen kann, und zwar in individuell versehiedenem Ausmal3e Nur auf diese Weise werden Versuehe wie z. B. Nr. 15 verst~ndlieh, wo bei dem gleiehen Tier Ergotamin sowie Atropin, einzeln gegeben, die glyk~misehe Reak- tion verst~rken, kombiniert verabreieht aber g~nzlieh unterdriieken. Beim ]~{ensehen seheint ein solehes vikariierendes Eintreten des sym- pathisehen fiir das parasympathisehe System und umgekehrt nieht vor- zukommen, daher wirkt jedes der Gifte alMn sehon stark und regel- m~gig depressoriseh. Wie sieh andere Tierarten in dieser I-Iinsieht ver- halten, bedarf noeh der Untersuehung. Beim Hunde seheint naeh den Angaben yon L Swenberg der depressorisehe Ergotamineffekt gleieh- falls inkonstant zu sein.

Inwieweit der Tonus des vegetativen Systems, yon welehem die GrSge der Zuekerretention in der Leber abh~ngt, vom Zentralnerven- system, inMeweit er peripher, d. h. hormonal reguliert wird, l~igt sieh aus den bisherigen Versuehen nieht erkennen. Far eine periphere Erregung des sympathisehen Systems k~me in erster Linie Adrenalin in Betraeht. Naeh den Untersuehungen yon Sundbe rg 1) verl~uft bei nebennierenlosen Kaninehen die aliment~re ttyperglyk~tmie naeh peroraler Zuekerzufuhr ann~thernd normal. Das k~nnte aber dadureh bedingt sein, dal3 bei dieser Tierart das parasympathisehe System vi- kariierend eingreift und den fehlenden Tonus des sympathisehen An- teils wettmaehen kann. Versuehe an nebennierenlosen Kaninehen, die gleiehzeitig Atropin erhalten haben, kOnnten diese Frage entseheiden. Dagegen hat L 5 w e nb er g2) bei nebennierenlosen I-Iunden den interes- santen Befund erheben ki~nnen, dag naeh peroraler Zuekerzufuhr der Blutzueker kaum mehr ansteigt. Diese Tiere verhalten sieh also ebenso wie Kaninehen, welehe gleiehzeitig mit Ergetamin und Atropin ver- :giftet wurden.

Die Frage naeh tier Natur des Prozesses, dureh welehen die Leber naeh Aussehaltung des vegetativen Nervensystems zu stark vermehrter Zuekerretention bef~higt wird, 1N3t sieh vorl~ufig nieht beantworten. Naeh den Untersuehungen yon Bernhard3) , Biss inger *) some

1) C. G. S u n d b e r g , Dissertation. Stockholm 1925. 2) Fu6note 7, S. 2. 3) B e r n h a r d , Biochem. Zeitschr. 1925, Bd. 157, S. 396. 4) B i s s i n g e r , Ebenda J927, Bd. 185, S. 229.

Der Mechanismus der alimentiiren Hyperglykiimie. 27

Yon Cori i) ist es sehr wahrseheinlich geworden, dag der Zfickeraus- tausch zwisehen Blur und Leberzelle ein einfacher Diffusionsprozel3 ist. Ein soleher kSnnte dutch Veri~nderungen der Leberzirkulation beschleu- nigt oder verlangsamt werden. Dal~ Ergotamin solehe Veranderungen he~vorruft, hat LSfflerU) nachgewiesen. Aber auch jeder Prozel~, der alas Zuckermolektil verandert und dadurch dem Diffusionsgteichgewicht entzieht, sei es durch Abbau, sei es durch Kuppelung oder Synthese (Glykogen), mug den l~bergang yon Zucker aus dem Blur in die Leber- zelle beschleunigen. Ob einer der genannten Prozesse dureh Ergotamin oder Atropin kata]ysiert wird, ist ein Problem, welches der experimen- te]len Analyse zug~tnglieh ist.

1) Ful3note 1, S. 25. 2) L. Liiffler, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1927, Bd. 54, S. 313.