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Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015 1 Dossier „Politik und Wirtschaft“ Ausgabe 44, 2015 1. Artikel: Euro-Raum bleibt gefährdet (03.03.2015) Der Artikel gibt die Einschätzungen der Experten des EZB-Schattenrats zu den EU- Hilfsmaßnahmen für Griechenland wieder. Die Schülerinnen und Schüler können sich u. a. Stellung und Aufgaben der EZB in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erschließen und deren Rolle bei der Bewältigung der aktuellen Griechenland-Krise heausarbeiten. Daran anknüpfend können sie überprüfen, inwieweit die entsprechenden Maßnahmen den festgeschriebenen Kompetenzen der EZB entsprechen bzw. vom EZB-Schattenrat als notwendig erachtet werden. Vermittlung der Aspekte „Akteure im Wirtschaftsgeschehen“, „Entscheidungs- und Handlungsprozesse in der EU“ und „Handlungsfeld Prozesspolitik“ 1. Ermitteln Sie Stellung und Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Erläutern Sie Umfang und Zielsetzung ihrer politischen Unabhängigkeit. 2. Erschließen Sie sich den aktuellen EU-Entscheidungsstand bezüglich der Be- kämpfung der griechischen Finanz- und Wirtschaftskrise. Legen Sie die der- zeit geltenden Beschlüsse auf EU-Ebene dar. 3. Geben Sie die Einschätzungen der im Artikel genannten Expertenrunde bezüg- lich der Notwendigkeit weiterer Hilfsprogramme wieder. Arbeiten Sie die ih- rer Meinung nach bestehenden Handlungsnotwendigkeiten und Risiken her- aus. [Info: Der EZB-Schattenrat setzt sich aus 15 hochkarätigen Volkswirten aus Finanzinstituten und Hochschulen zusammen und kommentiert u. a. re- gelmäßig Entscheidungen der EZB.] 4. Erläutern Sie, welche Rolle die Experten dabei der EZB einräumen. Ermitteln Sie gleichzeitig bestehende Grenzen der Handlungsmöglichkeiten der Zent- ralbank. 5. Überprüfen und diskutieren Sie, inwieweit die erörterten Maßnahmen der EZB deren festgeschriebenen Kompetenzen und Zuständigkeiten entsprechen. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

Dossier „Politik und Wirtschaft“€¦ · Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015 3 Vermittlung der Aspekte „Akteure im Wirtschaftsgeschehen“ und „Internationale

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Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015

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Dossier „Politik und Wirtschaft“

Ausgabe 44, 2015

1. Artikel: Euro-Raum bleibt gefährdet (03.03.2015)

Der Artikel gibt die Einschätzungen der Experten des EZB-Schattenrats zu den EU-

Hilfsmaßnahmen für Griechenland wieder.

Die Schülerinnen und Schüler können sich u. a. Stellung und Aufgaben der EZB in

der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erschließen und deren Rolle bei

der Bewältigung der aktuellen Griechenland-Krise heausarbeiten. Daran anknüpfend

können sie überprüfen, inwieweit die entsprechenden Maßnahmen den

festgeschriebenen Kompetenzen der EZB entsprechen bzw. vom EZB-Schattenrat als

notwendig erachtet werden.

� Vermittlung der Aspekte „Akteure im Wirtschaftsgeschehen“, „Entscheidungs-

und Handlungsprozesse in der EU“ und „Handlungsfeld Prozesspolitik“

1. Ermitteln Sie Stellung und Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Erläutern Sie Umfang und Zielsetzung ihrer politischen Unabhängigkeit.

2. Erschließen Sie sich den aktuellen EU-Entscheidungsstand bezüglich der Be-kämpfung der griechischen Finanz- und Wirtschaftskrise. Legen Sie die der-zeit geltenden Beschlüsse auf EU-Ebene dar.

3. Geben Sie die Einschätzungen der im Artikel genannten Expertenrunde bezüg-lich der Notwendigkeit weiterer Hilfsprogramme wieder. Arbeiten Sie die ih-rer Meinung nach bestehenden Handlungsnotwendigkeiten und Risiken her-aus. [Info: Der EZB-Schattenrat setzt sich aus 15 hochkarätigen Volkswirten aus Finanzinstituten und Hochschulen zusammen und kommentiert u. a. re-gelmäßig Entscheidungen der EZB.]

4. Erläutern Sie, welche Rolle die Experten dabei der EZB einräumen. Ermitteln Sie gleichzeitig bestehende Grenzen der Handlungsmöglichkeiten der Zent-ralbank.

5. Überprüfen und diskutieren Sie, inwieweit die erörterten Maßnahmen der EZB deren festgeschriebenen Kompetenzen und Zuständigkeiten entsprechen. Begründen Sie Ihre Einschätzungen.

Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015

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2. Artikel: Frauenförderung: Qual mit der Quote (04.03.2015)

Der vorliegende Artikel befasst sich mit den Schwierigkeiten bei der Umsetzung der

Frauenquote.

Die Schülerinnen und Schüler sollen sich mit Hilfe des vorliegenden Artikels u. a. mit

der Frauenquote als politischem Instrument auseinandersetzen und verschiedene

Argumente für und gegen die Quote abwägen sowie Schwierigkeiten bei der

Umsetzung herausarbeiten. Auf Basis ihrer Auseinandersetzung sollen sie so zu einem

begründeten Urteil in Bezug auf die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Frauenquote

gelangen.

� Vermittlung der Aspekte „Möglichkeiten und Grenzen staatlichen Handelns“

und „Handlungsfeld Ordnungspolitik“

1. Beschreiben Sie die Ausgangssituation in Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Wirtschaft und Politik vor Einführung der Quote.

2. Stellen Sie das mit der Quote angestrebte politische Ziel dar, und fassen Sie wesentliche Elemente der einzuführenden Frauenquote zusammen.

3. Stellen Sie Argumente für und gegen die Einführung der Frauenquote gegen-über, und kategorisieren Sie diese.

4. Arbeiten Sie die Schwierigkeiten der Umsetzung der Frauenquote heraus, und erörtern Sie auf dieser Basis, welche alternativen Möglichkeiten Sie ggf. zur Umsetzung von Gleichberechtigung vorschlagen würden.

5. Diskutieren Sie abschließend, inwiefern und inwieweit Sie die Frauenquote zur Erhöhung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern für notwendig und geeignet halten.

3. Artikel/Grafiken: Geldpolitik: Die geteilte Welt (09.03.2015)

4. Artikel: EZB startet quantitative Lockerung (09.03.2015)

Der Artikel vergleicht die aktuellen geldpolitischen Entscheidungen in den USA und

Europa.

Die Schülerinnen und Schüler können u. a. die wesentlichen Aufgaben von

Zentralbanken ermitteln und gleichzeitig herausarbeiten, inwieweit und aus welchen

Gründen sich derzeit die Maßnahmen der US-amerikanischen Notenbank (Fed) und

der EZB unterscheiden. Darüber hinaus können sie sich vertieft mit der Zielsetzung

und Vorgehensweise des EZB-Anleiheprogramms auseinandersetzen.

Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015

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� Vermittlung der Aspekte „Akteure im Wirtschaftsgeschehen“ und

„Internationale Geld- und Währungspolitik“

1. Beschreiben Sie die wesentlichen Aufgaben und Zielsetzungen von Zentral- bzw. Notenbanken.

2. Erläutern Sie am Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB), inwieweit die-se politisch unabhängig agiert und warum entsprechende Regeln aufgestellt wurden.

3. Arbeiten Sie heraus, inwieweit die geldpolitischen Maßnahmen der US-amerikanischen Notenbank (Fed) und der EZB derzeit voneinander abweichen. Überprüfen Sie, ob dies in der Vergangenheit häufig der Fall war.

4. Analysieren Sie die Ursachen für die zu erkennenden Unterschiede in der stra-tegischen Ausrichtung. Erschließen Sie sich hierzu, inwiefern die Notenbanklei-tungen derzeit unterschiedliche Rahmenbedingungen vorfinden und Herausfor-derungen zu bewältigen haben.

5. Erörtern Sie die Auswirkungen der verschiedenen geldpolitischen Maßnahmen für europäische Unternehmen. Überprüfen Sie, ob diese eher Vor- oder Nach-teile erfahren.

6. Setzen Sie sich vertieft mit dem aktuellen Anleiheprogramm der EZB auseinan-der. Erläutern Sie hierzu dessen Ansatzpunkte, Zielsetzungen, Erfolgsaus-sichten und Risiken.

5. Artikel: Löhne: Das Geheimnis der Kluft (17.03.2015)

Der Artikel setzt sich mit Abweichungen bei den Durchschnittlöhnen von Männern

und Frauen auseinander.

Die Schülerinnen und Schüler können u. a. mit Hilfe statistischer Daten die konkreten

Unterschiede ermitteln und deren wesentliche Ursachen herausarbeiten. Daran

anknüpfend können sie die Notwendigkeit politischer Eingriffe sowie verschiedene

Lösungsvorschläge analysieren.

� Vermittlung der Aspekte „Möglichkeiten und Grenzen staatlichen Handelns“

und „Verteilung“

1. Legen Sie dar, inwieweit in Deutschland eine Kluft zwischen den durchschnitt-lichen Löhnen von Männern und Frauen besteht. Geben Sie hierzu die statisti-schen Daten wieder.

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2. Ermitteln Sie die wesentlichen Ursachen für die auftretenden Unterschiede. Überprüfen Sie hierzu auch, wie sich die beruflichen Biografien von Frauen und Männern heute unterscheiden.

3. Erläutern Sie den hieraus resultierenden politisch-gesellschaftlichen Hand-lungsbedarf.

4. Setzen Sie sich mit den unterschiedlichen, im Artikel genannten Lösungsansät-zen auseinander. Erschließen Sie sich deren jeweilige Ansatzpunkte sowie die vorgeschlagenen Maßnahmen.

5. Nehmen Sie begründet Stellung zu folgender Aussage: „Die Probleme lassen sich nicht allein durch politische Eingriffe beheben, es braucht hierzu auch um-fassender gesellschaftlicher Veränderungsprozesse.“

6. Artikel/Grafik: Von einem Zeitarbeiter zum nächsten (24.03.2015)

Der Artikel beschreibt die neuen Regelungen zur Leiharbeit.

Die Schülerinnen und Schüler können u. a. die diskutierten Änderungen der Reform

der Zeitarbeit mit Hilfe des Artikels beschreiben. Darüber hinaus können sie die

Auswirkungen und Folgen der Reform analysieren und aus verschiedenen

Perspektiven bewerten. Abschließend können sie über die Ausgestaltung eines

möglichen Gesetzentwurfs zur Leiharbeit diskutieren.

� Vermittlung der Aspekte „Aufgaben des Staates“ und „Handlungsfeld

Ordnungspolitik“

1. Beschreiben Sie die neuen Regelungen zur Leiharbeit, die im Koalitionsvertrag aufgeführt sind.

2. Fassen Sie die Ergebnisse der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zur Leiharbeit unter Berücksichtigung der Grafik zusammen.

3. Analysieren Sie, welche Auswirkungen die Reform für qualifizierte Leiharbeiter und Hilfsarbeiter aus Sicht des IW und der Arbeitgeber haben könnte.

4. Erläutern Sie die Aussage des IW, dass die neuen Regelungen die Vermittlung von Fachkräften und Hochqualifizierten stärken würden.

5. Arbeiten Sie die Gründe heraus, die für die neue Regelung der Leiharbeit aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds sprechen.

6. Diskutieren Sie im Plenum, ob Sie für oder gegen die Verabschiedung dieses Gesetzes stimmen würden, und beziehen Sie begründet Stellung.

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Euro-Raum bleibt gefährdet EZB-Schattenrat sieht in der Einigung mit Athen noch keinen Durchbruch. Die Einigung der Euro-Gruppe mit Griechenland bei dem Rettungsprogramm ist kein Durchbruch. Darin sind sich die Mitglieder des EZB-Schattenrats einig. Vielmehr dürfte die viermonatige Verlängerung des Rettungsprogramms nur eine Atempause im Ringen um den Zusammenhalt der Währungsunion sein. 5

„Spätestens in vier Monaten muss ein neues Hilfsprogramm vereinbart sein, denn Griechenland wird bis dahin den Zugang zum Kapitalmarkt nicht zurückgewonnen haben“, sagte Sylvain Broyer, Europa-Chefvolkswirt der französischen Bank Natixis. Und das wird nicht einfach: Nach dem Verhandlungserfolg in Brüssel werde Athen 10

noch selbstbewusster auftreten. „Die Liquiditätslage der griechischen Regierung ist jetzt schon prekär“, gab Jacques Cailloux von Nomura in London zu bedenken. Entsprechend werde die Atempause, bis der Poker wieder losgeht, kurz sein. Zwar herrscht die Einstellung vor, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) aus 15

politischen Streitigkeiten und Entscheidungen heraushalten sollte. Gleichzeitig machen die Experten sich keine Illusionen darüber, dass das in der Praxis unmöglich ist. „Der Schlüssel zur Lösung liegt bei der EZB“, sagte Broyer. Schließlich müsse sie nicht nur die Entscheidung treffen, ob sie griechische Anleihen wieder als Sicherheiten für die normale Refinanzierung der Banken zulassen und ob sie im 20

Rahmen ihrer Staatsanleihekäufe griechische Papiere kaufen will, sondern auch, in welchem Umfang sie als Bankaufseherin den großen griechischen Banken das Halten griechischer Staatstitel erlaubt. Letzteres bestimmt über die Möglichkeiten der griechischen Regierung, Liquiditätsengpässe mithilfe griechischer Banken zu überwinden. 25

Eine Aufstockung des Bestandes der EZB an griechischen Staatsanleihen im Rahmen der anstehenden Wertpapierkäufe würde nach Einschätzung der Ökonomen daran scheitern, dass die EZB eine strikte Obergrenze für den EZB-Anteil am ausstehenden Volumen von Anleihen jedes Staates beschlossen hat. Es könne daher allenfalls darum 30

gehen, den Bestand durch neue Käufe konstant zu halten, wenn alte Anleihen abgelöst werden. […] Quelle: Häring, N., Handelsblatt, Nr. 043, 03.03.2015, 32

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Frauenförderung: Qual mit der Quote Die Bundesregierung steht kurz davor, in der deutschen Wirtschaft die Frauenquote durchzusetzen. Das sorgt in den Ministerien für Aufregung: Auch Firmen mit Bundes-beteiligung sind noch weit von den Vorgaben entfernt.5

Michael Frenzel war das erste Opfer der Frauenquote von Ministerin Manuela Schwe-sig (SPD). Eigentlich wollte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den früheren Tui-Chef schon 2014 in den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn entsenden. Doch im vorauseilenden Gehorsam machten ihm seine Koalitionäre zunächst einen Strich 5

durch die Personalie: Sie drängten Gabriel, seine Staatssekretärin Brigitte Zypries solle lieber die Bahn kontrollieren. So sitzen nun zumindest drei Frauen im 20-köpfigen Aufsichtsrat des Bundesunter-nehmens. Das ist aber noch weit entfernt vom Frauenanteil von 30 Prozent, den die 10

Koalition an diesem Freitag per Gesetz nicht nur der Privatwirtschaft verordnet, son-dern auch den Firmen, an denen der Bund beteiligt ist. Die Schwesig-Quote sorgt auch in der Bundesregierung für Aufregung. In den Mini-sterien überlegen die Beamten seit Monaten fieberhaft, wie sie die Vorgaben umsetzen 15

sollen: Ab 2016 ist ein Anteil von 30 Prozent vorgeschrieben, ab 2018 dann 50 Pro-zent. „Der Bund muss mit gutem Beispiel vorangehen. Alles andere wäre nicht ver-mittelbar“, heißt es im Finanzministerium, das über die Bundesbeteiligungen wacht. Leichter gesagt als getan. Nach internen Schätzungen liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der Bundesbeteiligungen bei 23,5 Prozent. Wie im Fall Zypries ver-20

suchen die Ministerien seit Monaten, bei Neubesetzungen die Frauenquote zu berück-sichtigen. Dabei stoßen sie auf Probleme: In den Führungsriegen der Ministerien sit-zen überproportional viele Männer. „Wir werden unseren Staatssekretären und Abtei-lungsleitern keine Geschlechtsumwandlung zumuten“, heißt es im Finanzministerium. Bei großen Konzernen wie Bahn, Post und Telekom sollen weiterhin Staatssekretäre 25

den Bund vertreten. Zumindest bei kleineren Beteiligungen könnten auch Referatsleiter zum Zuge kom-men, sagt ein Regierungsbeamter. In den vergangenen Monaten jedenfalls habe man immer wieder Frauen in Aufsichtsräte geschickt. Eine weitere Option: Der Bund kann 30

auch externe Kandidaten entsenden. „Das geht aber nur im Einzelfall und muss gut begründet werden“, heißt es im Finanzministerium. Gute Gründe sprachen am Dienstag offenbar dafür, Michael Frenzel künftig doch noch in den Bahn-Aufsichtsrat zu entsenden - allerdings begleitet von zwei weiteren 35

Frauen. Klar ist: Nach dem Kampf um Frauenquoten in den Parteien hat die Qual mit der Quote die Politik jetzt wieder voll erfasst. Die Anhörung Ende Februar endete vernichtend für die Koalitionäre von Union und SPD - insbesondere für die Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). „Schlecht 40

gemacht“ nannten die Sachverständigen das Gesetzespaket für eine Frauenquote in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst - etwa weil künftig Aufsichtsräte den Ge-sellschaftern einer GmbH vorschreiben sollten, mit welcher Quote sie eine Geschäfts-

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führung besetzen. „Offensichtlich verfassungswidrig“ und „unvereinbar“ mit europäi-schem Recht nannte der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt, 45

Torsten von Roetteken, das ursprüngliche Ziel des Pakets, künftig im öffentlichen Dienst alle Stellen paritätisch zu besetzen. Das Votum der Sachverständigen im Bundestagsausschuss war unmissverständlich - zumal es noch viele andere Punkte gab, die geeignet schienen, eine Klagewelle vor 50

dem Bundesverfassungsgericht auszulösen. Derart harsche Kritik erleben Fachpolitiker in den Ausschüssen des Bundestags selten - zumal sie die Sachverständigen selbst bestimmen. Nach dem Verriss aber erklärten sich die Sozialdemokraten murrend bereit, noch einmal Korrekturen am Gesetz vor-55

zunehmen, obwohl das Projekt bereits von der Union torpediert und im vorletzten Koalitionsausschuss korrigiert worden war. „Parität ist kein Wert an sich“, stellt Unions-Berichterstatter Marcus Weinberg klar. Parität dürfe nicht das oberste Ziel sein, vielmehr gehe es darum, im Sinne der grund-60

gesetzlich geschützten Gleichberechtigung von Mann und Frau „strukturelle Benach-teiligungen“ abzubauen, sagt er dem Handelsblatt. Darauf ließ sich zwar die SPD ein. „Wir haben durchgesetzt, dass die Parität als Prinzip dieses Gesetzes erhalten bleibt“, erklärt Ministerin Schwesig aber nach den Verhandlungen dem Handelsblatt. 65

„Die Vorgabe, Stellen in der öffentlichen Verwaltung auf allen Ebenen paritätisch zu besetzen, hätte zu viel Bürokratie ausgelöst“, erläutert hingegen Unions-Fraktionsvize Nadine Schön. So hätten etwa zu Vorstellungsgesprächen zwingend genauso viele Frauen wie Männer eingeladen werden müssen. In Kindergärten wie auf Polizeistatio-nen hätte Personalpolitik nach Geschlecht betrieben werden müssen. Also wurde die 70

Parität vom Oberziel zum einfachen Ziel degradiert. Stattdessen setzt die 31-jährige CDU-Politikerin Schön, die gerade zum ersten Mal Mutter geworden ist, auf ein Umdenken: „Das Ziel der Gleichstellung besteht seit langem, wurde bisher aber nur halbherzig umgesetzt.“ Wichtig sei eine „familien-75

freundliche Verwaltung“. Zwar seien die nun beschlossenen Zielvorgaben ambitio-niert. „Aber es kann nicht sein, dass Mütter oder Väter, die nach der Geburt eines Kindes erst einmal in Teilzeit arbeiten, keine Karrierechancen mehr haben.“ Das sei nicht mehr zeitgemäß. 80

Ohnehin ist es mit der Parität auch bei politisch besetzten Ämtern so eine Sache. Als es etwa vor einem Jahr darum ging, den Beirat der Bundesnetzagentur mit Abgeordne-ten zu besetzen, fiel Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Vielzahl von Männern auf der Vorschlagsliste der Fraktionen auf. Der SPD-Chef verlangte mehr Frauen - also zogen acht statt fünf Frauen in das Gremium ein. Unter ihnen auch die ehemalige Fa-85

milienministerin Kristina Schröder, die nun die Regulierung von Strom-, Telekom-, Post- und Bahnnetzen überwacht. Die Quote liegt bei 25 Prozent. Bei der Bahn wird der Bund den Anteil der Frauen in Kürze auch erhöhen. Zwar zieht dort auch ein Vertrauter Gabriels ein, der ehemalige Tui-Chef Michael Frenzel - die 90

Manager Knut Löschke und Heinrich Weiss sollen aber Platz für zwei weitere Frauen

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machen. Bisher sitzen dort für den Bund die SPD-Abgeordnete Kirsten Lühmann und Gabriels Staatssekretärin Brigitte Zypries. Der Bund wird künftig selbst mehr Frauen befördern müssen - zu Abteilungsleiterin-95

nen oder Staatssekretärinnen. Meist sind sie es, die in die Kontrollgremien der Bun-desbeteiligungen entsandt werden. Quelle: Delhaes, D./Fockenbrock, D./Hildebrand, J., Handelsblatt, Nr. 044, 04.03.2015, 1/4

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Geldpolitik: Die geteilte Welt Krise hier, Boom dort: Während die EZB die Geldschleusen weiter öffnet, könnte die US-Notenbank die Zinsen früher erhöhen als gedacht. Europa kann nur hoffen, dass der schwache Euro der Wirtschaft hilft. Früher bewegten sich die Notenbankchefs auf beiden Seiten des Atlantiks meistens wie Soldaten - im Gleichschritt. Erhöhten oder senkten die Amerikaner die Leitzinsen, taten es auch die Europäer. Die Zeiten geldpolitischer Harmonie sind vorbei. Während Europas Zentralbankchef Mario Draghi an diesem Montag das billionenschwere 5

Anleihekaufprogramm startet, um mit dem letzten Joker der Geldpolitik die Wirtschaft anzuschieben, bereitet Fed-Chefin Janet Yellen die Zinswende in den Vereinigten Staaten vor. Nach neun Jahren sollen die Zinsen in den nächsten Monaten wieder steigen. Yellen reagiert damit auf die guten ökonomischen Daten: Die Zahl der Jobs ist auf ein Allzeithoch geklettert, das Wachstum soll in diesem Jahr mit gut drei 10

Prozent doppelt so hoch ausfallen wie in Europa. Der amerikanische Boom könnte Zentralbankchefin Yellen schon bald zur Zinswende zwingen. Bisher erwarten die Märkte diesen Schritt im Herbst. „Investoren dürften von dem frühen Zeitpunkt überrascht werden“, sagt Pimco-Vermögensverwalter Scott 15

Mather dem Handelsblatt. So sieht es auch Russ Koesterich vom weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock: „Die Fed ist näher dran, ihre Politik Richtung Normalität zu ändern, als viele Anleger offenbar meinen.“ Die Folgen einer schnellen Zinswende in den USA wären gravierend für die Weltwirtschaft. Besonders die Schwellenländer dürften leiden: Wenn es für Investoren in den USA wieder etwas zu 20

verdienen gibt, wird viel Kapital nach Amerika fließen, das vorher in den Schwellenländern geparkt war. Die Folge wären massive Währungsturbulenzen. „Einige Emerging Markets stehen vor schweren Zeiten“, sagt Mather. Pimco habe deshalb bereits einige Länder verlassen. 25

Und die EZB? Intern blicken die Notenbanker gelassen auf die geteilte Welt. Die US-Konjunktur sei der europäischen zwei Jahre voraus, heißt es beschwichtigend in der EZB. Dort richten sich die Hoffnungen ganz auf den schwachen Euro, der mit 1,08 Dollar so billig ist wie seit 2003 nicht mehr. […] Wann es der europäischen Konjunktur wieder so gut geht, dass an eine Zinserhöhung gedacht werden kann, ist 30

völlig unklar. Das aktuelle Kaufprogramm soll erst einmal bis September 2016 laufen, doch die EZB hat sich die Hintertür offen gelassen, auch danach noch einzukaufen. Und selbst danach müssten weitere Monate ins Land gehen, bevor die Zinsen erhöht werden könnten. „An eine Zinswende in Europa ist auf absehbare Zeit nicht zu denken“, sagt Thomas Mayer, Direktor des Kölner Forschungsinstituts Flossbach von 35

Storch. Die Marktakteure jedenfalls trauen der US-Konjunktur dauerhaft mehr zu als der europäischen, wie der Euro-Kurs zeigt, der fällt und fällt. Nur noch 1,08 Dollar ist die europäische Währung inzwischen wert, so wenig wie seit 2003 nicht mehr. Für 40

Europas Wirtschaft ist das erst einmal gut, denn heimische Exportwaren werden im Ausland billiger. „Das Anleihekaufprogramm der EZB ist eigentlich ein Abwertungsprogramm“, sagt daher Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

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Dennoch dürften die Amerikaner vorerst nichts gegen den schwachen Euro und die lockere EZB-Politik haben, sagt Ökonom Mayer. „Ihnen ist wichtig, dass die 45

Handelspartner wieder auf die Beine kommen.“ […] Was die Fed unbedingt vermeiden möchte, sind Turbulenzen wie im Sommer 2013: Damals hatten die Märkte den Willen der Fed unterschätzt, die Anleihekäufe zurückzufahren. Ein vorsichtiges Signal des damaligen Fed-Chefs Ben Bernanke 50

reichte aus, um in den Schwellenländern Panik zu schüren. Viele Investoren zogen ihr Geld von dort ab - und die Wechselkurse in Ländern wie Indien oder Brasilien brachen ein. Doch nicht nur die Frage, wann es erstmals wieder aufwärtsgeht mit den Zinsen, treibt die Investoren um - auch die Geschwindigkeit ist entscheidend. Asoka Wöhrmann, Chefstratege bei der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche AWM, rechnet bis 55

Jahresende mit mehreren Sprüngen - auf ein Niveau von dann 0,5 bis 0,75 Prozent. Tendenz: aufwärts. Quelle: Mallien, J./Münchrath, J./Rezmer, A./Schier, S./Wiebe, F., Handelsblatt, Nr. 047, 09.03.2015,

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EZB startet quantitative Lockerung Einkaufen für 60 Milliarden Euro pro Monat. Das Handelsblatt beantwortet die sieben wichtigsten Fragen zum Anleiheprogramm. Die EZB öffnet die Geldschleusen. Gemeinsam mit den nationalen Notenbanken beginnt sie an diesem Montag mit dem Kauf von Staatsanleihen. Doch die technische 5

Umsetzung des Programms ist kompliziert. Das Handelsblatt beantwortet die wichtigsten sieben Fragen. 1. Wie viele Anleihen werden gekauft? Die Währungshüter wollen bis September 2016 für monatlich 60 Milliarden Euro 10

Staatsanleihen und Wertpapiere kaufen. Rund zehn Milliarden Euro entfallen auf Pfandbriefe und Kreditverbriefungen. 2. Wer genau kauft die Papiere? Den Großteil der Anleihen kaufen die nationalen Notenbanken des Euro-Systems 15

entsprechend ihrem Kapitalanteil an der EZB. Einen kleinen Anteil in Höhe von acht Prozent übernimmt die EZB selbst. Die Bundesbank kauft monatlich für etwa zehn Milliarden Euro ein. 3. Welche Länder dürfen teilnehmen? 20

Grundsätzlich sind die Staatsanleihekäufe auf Bonds mit gutem Rating beschränkt - dazu zählen derzeit alle bis auf die Griechenlands und Zyperns. Während Griechenland wohl nicht in den Genuss einer Sonderregelung kommt, wird das bei Zypern derzeit noch geprüft. 25

4. Welche Titel werden gekauft? Vornehmlich Staatsanleihen, allerdings entfallen zwölf Prozent der Käufe auf Anleihen europäischer Institutionen und Förderbanken. Auf europäischer Ebene sind das zum Beispiel Anleihen der Rettungsfonds ESM und EFSF und der Europäischen Investitionsbank (EIB). In Deutschland darf die Bundesbank außerdem Schuldtitel der 30

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), NRW-Bank, Landeskreditbank Baden-Württemberg sowie der Landwirtschaftlichen Rentenbank kaufen. Die Laufzeiten der Anleihen liegen zwischen zwei und 30 Jahren. Die EZB will durch die Anleihekäufe die Zinsen möglichst gleichmäßig über alle Laufzeiten senken, um Verzerrungen zu vermeiden. 35

5. Gibt es genügend Bonds zu kaufen? Viele Staatsanleihen aus dem Euro-Raum liegen in der Hand von Pensionsfonds und Versicherern, die wegen ihrer Sicherheitsauflagen nicht einfach auf andere Vermögenswerte ausweichen dürfen. Deshalb zweifeln manche Experten, ob die EZB 40

überhaupt genug Anleihen angeboten bekommt. EZB-Präsident Draghi hält diese Bedenken für unbegründet. Etwa die Hälfte der ausstehenden Staatsanleihen aus dem Euro-Raum werde von Investoren außerhalb des Währungsraums gehalten, sagte er jüngst. Hinzu kommt, dass der Markt für Staatsanleihen in der Euro-Zone etwa zehn Billionen Euro schwer ist. 45

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6. Wie weit dürfen die Zinsen sinken? Die untere Grenze für die Anleihezinsen bildet der Einlagenzins von minus 0,2 Prozent, den Banken zahlen müssen, wenn sie ihr Geld über Nacht bei der EZB parken wollen. Für kürzere Laufzeiten wird dieses Zinsniveau schneller erreicht. Das könnte für Deutschland bedeuten, dass die Bundesbank eher länger laufende 50

Staatspapiere kauft. 7. Welche Haltefristen gelten? Das Mandat der EZB schließt monetäre Staatsfinanzierung aus. Deshalb dürfen die EZB und die Notenbanken des Euro-Systems nicht direkt Staatsanleihen kaufen. 55

Zwischen der Auktion und dem Ankauf durch die Notenbank liegt deshalb eine Haltfrist. Die Bundesbank nennt diesen Zeitraum aber absichtlich nicht. Deshalb bleibt es nun den Banken überlassen, dies auszutesten.

Quelle: Münchrath, J./Rezmer, A./Wiebe, F./Mallien, J./Schier, S., Handelsblatt, Nr. 047, 09.03.2015, 60

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Löhne: Das Geheimnis der Kluft Weshalb die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen noch immer nicht kleiner werden. Der Ort für die Kundgebung ist prominent gewählt: Vorm Brandenburger Tor in Berlin wollen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), am Freitag den „Equal Pay Day“ begehen. Der 20. März markiert das Datum, bis zu dem Frauen in Deutschland 5

theoretisch umsonst arbeiten müssen, wenn sie die im Jahr 2014 entstandene Lohnlücke zu ihren männlichen Kollegen füllen wollen. Im Schnitt verdienen Frauen hierzulande 22 Prozent weniger als Männer, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitgeteilt hat. „Um diese Kluft zu beseitigen, müssen wir Geschlechterrollen verändern und staatliche Anreize hinterfragen“, fordert DGB-Vize Elke Hannack. 10

Man brauche endlich Fortschritte auf der Großbaustelle Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Tatsächlich erklärt sich der Verdienstunterschied auch dadurch, dass Kinderbetreuung immer noch überwiegend Frauensache ist. Teilzeitjobs oder berufliche Auszeiten, die 15

dem Sprung auf die nächste Karrierestufe im Wege stehen, zeigen sich in der Durchschnittsvergütung. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatten 2014 elf Millionen oder 58 Prozent der erwerbstätigen Frauen nur einen Teilzeitjob. Als Hauptgrund für die reduzierte Arbeitszeit nannten sie familiäre Verpflichtungen wie die Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen. In 20

Ostdeutschland mit seiner langen Tradition von Frauenerwerbstätigkeit und gut ausgebauter Kinderbetreuung fällt die Verdienstlücke mit neun Prozent nicht mal halb so groß aus wie im Westen mit 23 Prozent. Der durchschnittliche Gehaltsabstand zu den Männern rührt aber auch daher, dass 25

Frauen immer noch häufiger in Dienstleistungsbranchen und - berufen arbeiten, wo weniger gezahlt wird als in der Industrie. Bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation schrumpft der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen laut Statistischem Bundesamt auf sieben Prozent. 30

Die Unternehmensberatung Hay Group kommt nach einer Gehaltsanalyse in 353 Firmen zu noch differenzierteren Ergebnissen. Demnach weichen vor allem bei älteren Beschäftigten die Gehälter von Männern und Frauen noch deutlicher ab, während es bei der nach 1980 geborenen „Generation Y“ kaum noch Unterschiede gebe. Außerdem klafft die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern vor allem 35

in kleineren Unternehmen. In Berufen wie dem Personalwesen oder der Verwaltung liegt das Gehalt der Frauen zum Teil sogar über dem der Männer. Das beste Mittel, um noch bestehende Verdienstlücken zu schließen, sei, Frauen in den Unternehmen zu halten und zu Führungskräften zu entwickeln, betont Hay-40

Geschäftsführer Michael Träm. Das gehe aber nur mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Außerdem müsse es gelingen, mehr Schulabgängerinnen auch für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge zu begeistern, um ihre Chancen auf besser bezahlte Jobs zu erhöhen.

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Der DGB hofft dagegen - nach der von Schwesig bereits durchgesetzten Frauenquote 45

und dem angekündigten Entgeltgleichheitsgesetz - auf weitere Schritte der Regierung. „Betriebe und Verwaltungen müssen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Entgeltpraxis zu überprüfen und so zu gestalten, dass weder Männer noch Frauen benachteiligt werden“, fordert die Vizevorsitzende Hannack. […] 50

Quelle: Specht, F., Handelsblatt, Nr. 053, 17.03.2015, 10

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Von einem Zeitarbeiter zum nächsten Die geplante Regulierung der Branche erhöht die Fluktuation bei den Kunden, zeigt eine IW-Studie. Dass Oliver Franke die Pläne der Regierung skeptisch sieht, liegt in der Natur der Sache. Seine Ingenieurgesellschaft Franke +Pahl entleiht Facharbeiter und Ingenieure an Unternehmen. Die geplante Regulierung der Zeitarbeit ist deshalb nicht weniger als ein Angriff auf Frankes Geschäftsmodell. „Aber auch unsere Kunden, zu denen 5

Airbus, Beiersdorf oder Nestlé gehören, sind beunruhigt“, sagt der Manager. Denn ihnen drohe der Verlust eines Instruments, um flexibel auf veränderte Nachfrage reagieren zu können. Seit Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag vereinbart hat, die Leiharbeit einzuschränken, 10

läuft die Wirtschaft Sturm gegen die Pläne. Der Arbeitgeberverband BDA warnt davor, die „Schlüsselbranche für Wachstum und Beschäftigung“ zu strangulieren. Rückendeckung erhält er nun durch eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dem Handelsblatt vorab vorliegt. „Der Zeitarbeit wird 15

eine gesetzlich verordnete Schrumpfung angedroht, ohne ihr die Chance zu geben, sich weiterzuentwickeln“, sagt Studienautor Holger Schäfer. Laut Koalitionsvertrag sollen Leiharbeiter künftig spätestens nach neun Monaten das Gleiche verdienen wie Stammbeschäftigte (Equal Pay). Zudem will Schwarz-Rot die 20

Überlassung auf 18 Monate begrenzen. Diese Reform würde zu einer höheren Fluktuation von Zeitarbeitern bei den Kunden führen und sowohl qualifizierten Leiharbeitern als auch Helfern schaden, hat das IW in einer Befragung von Personalverantwortlichen und Geschäftsführern aus rund 400 25

Unternehmen ermittelt. Bei einfachen Tätigkeiten würde fast jeder zweite Befragte (47,8 Prozent) nach neun Monaten einen neuen Zeitarbeiter anfordern, um den dann fälligen Lohnaufschlag zu sparen. Gerade Geringqualifizierte, die rund die Hälfte der gut 800 000 Zeitarbeiter 30

stellen, würden von Equal Pay kaum profitieren. Durch die verkürzte Einsatzzeit sinkt zudem ihre Chance, sich im Betrieb zu bewähren und gegebenenfalls zu qualifizieren. Nur jeder dritte Befragte kann sich vorstellen, einen Leiharbeiter für einfache Tätigkeiten trotz höherer Bezahlung nach neun Monaten weiterzubeschäftigen. Geht 35

es um qualifizierte Fachkräfte, steigt die Quote aber auf 45,9 Prozent. Gut vier von zehn Befragten können sich sogar vorstellen, den zeitweise entliehenen Experten nach neun Monaten ganz zu übernehmen. Durch die geplante Höchstüberlassungsdauer verbaue die Regierung der 40

Zeitarbeitsbranche aber auch die Möglichkeit, sich stärker auf die Vermittlung von Fachkräften und Hochqualifizierten zu konzentrieren, heißt es in der Studie weiter. Denn gerade komplexe Aufgaben erforderten lange Einarbeitung. Für 41,7 Prozent der Befragten, die mehrere Antwortalternativen angeben durften, kommt deshalb infrage,

Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 30.03.2015

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eine einmal eingearbeitete Fachkraft nach 18 Monaten zu übernehmen. Deutlich mehr 45

(62,2 Prozent) würden aber auch hier nach Ablauf der Frist einen neuen Leiharbeiter anfordern. Noch hält Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sich bedeckt, wie die Regulierung genau aussehen soll. So ist etwa offen, ob die Höchstüberlassungsdauer sich auf eine 50

konkrete Person bezieht oder ein Unternehmen nach Ablauf der Frist gar keinen Leiharbeiter mehr für die entsprechende Aufgabe beschäftigen darf. Laut Vorhabenplanung des Ministeriums vom Januar soll sich das Kabinett im Mai oder Juni mit dem Thema befassen und danach das Gesetzgebungsverfahren beginnen. 55

Offiziell heißt es nur, dass es „noch im Laufe des Jahres einen Aufschlag geben wird“. Die Arbeitgeber hoffen, dass die Regierung die Gesetzespläne noch fallen lässt. Die BDA verweist etwa darauf, dass Zeitarbeiter in zahlreichen Branchen wie der Metall-, der Chemie- oder der Textilindustrie schon heute über tarifliche Zuschläge 60

schrittweise an die Bezahlung der Stammbelegschaften herangeführt werden. Zudem handele es sich bei der Leiharbeit nicht um prekäre Jobs, sondern um tariflich abgesicherte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Leiharbeiter würden schlechter bezahlt und liefen Gefahr, nach wenigen Wochen oder 65

Monaten in einem Job arbeitslos zu werden, hält der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dagegen. Vergessen scheint, dass die Zeitarbeit mit der ersten Hartz-Reform 2003 auch deshalb liberalisiert wurde, um Arbeitslosen eine Perspektive zu geben. Dass knapp jeder dritte Arbeitslose, dem Arbeitsagenturen und Jobcenter heute einen sozialversicherungspflichtigen Job vermitteln, in der Zeitarbeit lande, sei ein 70

„Ärgernis“, weil die Vermittlung nicht nachhaltig sei, kritisiert der DGB. Dass sich Arbeitgeber und Gewerkschaften angesichts dieser Meinungsunterschiede künftig auf tarifliche Abweichungen vom geplanten Zeitarbeitskorsett einigen, ist eher unwahrscheinlich. Dabei sind solche im Koalitionsvertrag vorgesehenen 75

Tarifvorbehalte laut IW die einzige Chance, die „negativen Folgen für den Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft noch abzuwenden“. Quelle: Specht, F., Handelsblatt, Nr. 058, 24.03.2015, 10

Dossier „Politik und Wirtschaft“ vom 30.03.2015

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