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Math. Ann, 198, 23--56 (1972) C) by Springer-Verlag 1972 Eulersche Charakteristik, Projektionen und QuermaBintegrale HELMUT GROEMER Einleitung Liegt im euklidischen n-dimensionalen Raum R" eine Punktmenge S vor, welche sich als Vereinigungsmenge endlich vieler kompakter konvexer Mengen des R" darstellen l~il3t, so kann man, wie zuerst Had- wiger [6] gezeigt hat, dutch eine elementare induktive Methode die Charakteristik yon Euler-Poincar6 der Menge S definieren. Grund- legend ist dabei die f'tir diese Charakteristik Z geltende Additivit~it, d. h. die Beziehung z(S u T) = z(S) + z(T) - z(Sn T). Ob die Definition von Z auf allgemeinere Mengen ausgedehnt werden kann, wurde von Had- wiger [8-10], Klee [11] und Lenz [13] untersucht. AuBerdem hat Hadwiger [7, 8, 10] die so definierte Eulersche Charakteristik dazu be- niitzt, um Verallgemeinerungen der Minkowskischen Quermagintegrale zu studieren. Es soll hier auf eine andere M6glichkeit hingewiesen werden, die Eulersche Charakteristik und die Quermagintegrale zu definieren und deren fundamentale Eigenschaften herzuleiten. Ausgangspunkt ist dabei eine Verallgemeinerung des Begriffs der Orthogonalprojektion einer Punktmenge im R". Um die dabei zugrunde liegenden Ideen andeuten zu k6nnen, denke man sich im R" eine beschr~inkte Teilmenge M und eine Hyperebene H gegeben und nehme an, dab f'tir jede zu H orthogonale Gerade G der Durchschnitt MnG aus einer endlichen Anzahl abge- schlossener Intervalle besteht (oder leer ist). Verwendet man die tibliche Definition der Orthogonalprojektion yon M auf H, so besteht diese aus allen Punkten H n G, ftir welche M n G nicht leer ist. Es gibt aber F~ille (z. B. bei der Behandlung der Oberfl~ichenformel yon Cauchy), woes bekanntlich zweckm~iBig ist, jedem Punkt der Projektion eine gewisse Multiplizit~it, in der hier vorliegenden Situation die Anzahl der Intervalle von MnG, zuzuordnen. Die Projektion ist also dann nicht als eine Punktmenge, sondern als eine auf H definierte Funktion, deren Werte nicht negative ganze Zahlen sind, aufzufassen. Will man die M6glichkeit aufrechterhalten, induktive Beweise, welche von niedrigeren zu h6heren Dirnensionen aufsteigen, ftihren zu k6nnen, so ist es n6tig, yon Anfang an mit geeigneten Funktionen anstatt Punktmengen zu arbeiten. Die Punktmengen erscheinen dann als Spezialfall (Charakteristische Funk-

Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

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Math. Ann, 198, 23--56 (1972) C) by Springer-Verlag 1972

Eulersche Charakteristik, Projektionen und QuermaBintegrale

HELMUT GROEMER

Einleitung

Liegt im euklidischen n-dimensionalen Raum R" eine Punktmenge S vor, welche sich als Vereinigungsmenge endlich vieler kompakter konvexer Mengen des R" darstellen l~il3t, so kann man, wie zuerst Had- wiger [6] gezeigt hat, dutch eine elementare induktive Methode die Charakteristik yon Euler-Poincar6 der Menge S definieren. Grund- legend ist dabei die f'tir diese Charakteristik Z geltende Additivit~it, d. h. die Beziehung z(S u T) = z(S) + z(T) - z(Sn T). Ob die Definition von Z auf allgemeinere Mengen ausgedehnt werden kann, wurde von Had- wiger [8-10], Klee [11] und Lenz [13] untersucht. AuBerdem hat Hadwiger [7, 8, 10] die so definierte Eulersche Charakteristik dazu be- niitzt, um Verallgemeinerungen der Minkowskischen Quermagintegrale zu studieren.

Es soll hier auf eine andere M6glichkeit hingewiesen werden, die Eulersche Charakteristik und die Quermagintegrale zu definieren und deren fundamentale Eigenschaften herzuleiten. Ausgangspunkt ist dabei eine Verallgemeinerung des Begriffs der Orthogonalprojektion einer Punktmenge im R". Um die dabei zugrunde liegenden Ideen andeuten zu k6nnen, denke man sich im R" eine beschr~inkte Teilmenge M und eine Hyperebene H gegeben und nehme an, dab f'tir jede zu H orthogonale Gerade G der Durchschnitt MnG aus einer endlichen Anzahl abge- schlossener Intervalle besteht (oder leer ist). Verwendet man die tibliche Definition der Orthogonalprojektion yon M auf H, so besteht diese aus allen Punkten H n G, ftir welche M n G nicht leer ist. Es gibt aber F~ille (z. B. bei der Behandlung der Oberfl~ichenformel yon Cauchy), woes bekanntlich zweckm~iBig ist, jedem Punkt der Projektion eine gewisse Multiplizit~it, in der hier vorliegenden Situation die Anzahl der Intervalle von MnG, zuzuordnen. Die Projektion ist also dann nicht als eine Punktmenge, sondern als eine auf H definierte Funktion, deren Werte nicht negative ganze Zahlen sind, aufzufassen. Will man die M6glichkeit aufrechterhalten, induktive Beweise, welche von niedrigeren zu h6heren Dirnensionen aufsteigen, ftihren zu k6nnen, so ist es n6tig, yon Anfang an mit geeigneten Funktionen anstatt Punktmengen zu arbeiten. Die Punktmengen erscheinen dann als Spezialfall (Charakteristische Funk-

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tionen). Anstatt Mc~ G hat man die Beschr~inkung einer im R" definierten Funktion auf die Gerade G zu nehmen, anstatt der Anzahl der Intervalle tritt eine passend definierte ,,Eulersche Charakteristik" der auf G definierten Funktion. Mit Hilfe dieser verallgemeinerten Projektionen gelingt es dann, die Charakteristik und Quermal3integrale ffir gewisse Klassen yon Funktionen im R" zu definieren und deren Eigenschaften zu untersuchen. Anstatt der oben angeftihrten Additivit~it bekommt man dabei die etwas bequemere Linearit~it dieser Funktionale. Auf die Zweckm~il3igkeit der Einfiihrung yon Funktionenklassen weist auch schon die Arbeit yon Lenz [13] hin.

Die hier dargelegte, auf dem Begriff der Projektion basierende, Theorie kann vor allem deswegen aufgebaut werden, weil die grund- legende Tatsache gilt, dal3 f'tir eine groge Funktionenklasse die Charak- teristik einer Funktion und die Charakteristik ihrer Orthogonalprojek- tion iibereinstimmen. Mit anderen Worten: Far eine umfangreiche Funktionenklasse ist die hier definierte Verallgemeinerung der Charak- teristik yon Euler-Poincar6 projektionsinvariant.

Die Reihenfolge des Aufbaus der vorliegenden Arbeit soll nun kurz beschrieben werden. Wenn dabei yon einer Projektion einer Menge oder Funktion geredet wird, ist stets die hier eingefiihrte Verallgemei- nerung einer Orthogonalprojektion gemeint; unter ,,Charakleristik" ist die Charakteristik yon Euler-Poincar6, bzw. deren auf Funktionen- klassen definierte Erweiterung zu verstehen.

Nachdem im 1. Abschnitt einige grundlegende Definitionen und Bezeichnungen eingeffihrt werden, kann im 2. Abschnitt die Charak- teristik ffir Funktionen im R ° und R 1 definiert werden. Dies Jst eine ziemlich triviale Angelegenheit, die aber dazu ausreicht, um im dritten Abschnitt die schon erwS.hnten verallgemeinerten Projektionen ein- zuftihren. Diese Projektionen und die daraus hervorgehende Charak- teristik werden zun~ichst im 4., 5. und 6. Abschnitt ffir eine mit den Polytopen verwandte Klasse von Funktionen, die bewertete Polytope genannt werden, genauer untersucht. Dabei ergeben sich kennzeich- nende Eigenschaften der Projektionen (Satz 1) und der Charakteristik (Satz 2). Auch die Projektionsinvarianz der Charakteristik kann hier leicht bewiesen werden. Schliel31ich wird dort noch die Charakteristik relativ oftener konvexer Polytope berechnet. In diesem Zusammenhang bekommt man ~ihnlich wie bei Lenz [13] und Hadwiger [10] einen sehr einfachen Beweis des Eulerschen Polyedersatzes.

Um die fiir bewertete Polytope gewonnenen Resultate auf all- gemeinere Funktionenklassen ausdehnen zu k~Snnen, wird ein Approxi- mationsprozeB angewendet. Zu diesem Zwecke wird im 7. Abschnitt der Begriff einer Norm eingeffihrt. Alle weiteren Untersuchungen be- ziehen sich dann auf diejenigen im R" definierten reellen Funktionen,

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die dutch bewertete Polytope approximiert werden k6nnen. Diese im 8. Abschnitt eingeftihrte Klasse yon Funktionen, die approximierbare Funktionen genannt werden, bilden einen linearen Raum A, der dann allen weiteren Untersuchungen zugrunde liegt. Im 9. Abschnitt wird gezeigt, dag auf A eine Charakteristik existiert, die alle zu erwartenden Eigenschaflen hat, insbesondere die Projektionsinvarianz (Satz 3).

Im R n kann man bekanntlich nicht nur Projektionen auf Hyper- ebenen, sondern auch Projektionen auf beliebige d-dimensionale affine Teilr~iume (0 < d < n) erkl~iren. Im 10. Abschnitt wird gezeigt, dal3 ftir approximierbare Funktionen ebenfalls die entsprechenden Projektionen eingeftihrt werden k6nnen und gewisse kennzeichnende Eigenschaften haben (Satz 4). Augerdem ergibt sich dort der Zusammenhang mit der urspriinglich yon Hadwiger [6] gegebenen Definition der Charakteristik. Schliel31ich wird ein Analogon zu dem ebenfalls yon Hadwiger [81 stam- menden ,,Produktsatz" bewiesen. Der l l.Abschnitt behandelt In- varianzeigenschaften der Charakteristik, insbesondere die Invarianz gegeniiber isometrischen Transformationen (Satz 5).

Im 12. Abschnitt werden die Quermal3integrale ftir approximierbare Funktionen eingeftihrt. Da die Projektionen zur Verftigung stehen, kann hierzu die bekannte induktive Methode yon Kubota [12] ver- wende/werden. Satz 6 enth~ilt die wesentlichen Eigenschaften der auf A definierten QuermaNntegrale (Linearitiit, Stetigkeit, Invarianz gegen- tiber isometrische Transformationen). Die Quermaf~integrale relativ oftener konvexer Mengen werden im 13. Abschnitt untersucht. Diese Ergebnisse erm6glichen dann flit Polytope eine sehr einfache Herleitung yon Beziehungen, welche der Eulerschen Polyederformel ~ihntich sind, abet fiir alle Quermai3integrale gelten (vgl. dazu Shephard [16, 17], Pertes und Sallee [t4] und insbesondere Hadwiger [t0], dessen Beweis- methode mit der hier angeftihrten sehr ~ihnlich ist).

Die letzten beiden Abschnitte bringen ftir approximierbare Funk- tionen giiltige Verallgemeinerungen der Repriisentationss~itze yon Hadwiger [3-5, 7]. Unter Verwendung der Ergebnisse yon Hadwiger wird gezeigt, dab ein auf A definiertes Funktional, welches linear, stetig und bewegungsinvariant ist, als fineare Kombination yon Quermag- integralen geschrieben werden kann (Satz 8). Ein ~ihnlicher Satz gilt auch ftir Funktionale, bei welchen nicht die Stetigkeit, abet daftir die Monotonie vorausgesetzt wird (Satz 9). Dabei ist allerdings der Begriff der Monotonie erst geeignet zu definieren und die Klasse der approxi- mierbaren Funktionen etwas einzuschr~inken.

Es w~ire nicht schwierig yon dem hier erreichten Standpunkt aus, wei~ere Formeln fiir die QuermaNntegrale herzuleiten und iiberhaupt einen Aufbau einer Integralgeometrie fiir approximierbare Funktionen zu geben.

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1. Bezeichnungen und grundlegende Definitionen

Die meisten im folgenden dargelegten Resultate betreffen reellwertige Funktionen, die im R n definiert sind, wobei die Dimension ne ine for alles Weitere festgelegte nicht negative ganze Zahl ist. Fiir gewisse Hilfsbetrachtungen sind allerdings auch R~ume R k mit 0 _< k _< n heran- zuziehen. Ein k-dimensionaler affiner Teilraum des R n (Translat eines linearen Teilraums) werde eine k-Ebene genannt. Anstatt (n -1 ) - Ebene sagt man bekanntlich auch Hyperebene oder einfach Ebene und eine 1-Ebene nennt man Gerade. W~hlt man in einer k-Ebene E ein kartesisches Koordinatensystem, so ergibt sich eine nattirliche Kor- respondenz zwischen E und R k. Dadurch wird es m6glich, Resultate, die for Mengen oder Funktionen im R k bewiesen wurden, auf Mengen oder Funktionen, die in E definiert sin& zu tibertragen. Dabei ist nattir- lich darauf zu achten, dab es sich um Ergebnisse handelt, welche yon der Wahl des Koordinatensystems unabh~ngig sind. Diese Ubertragung vom R k auf E wird h~iufig nur dadurch angedeutet, dab gesagt wird, E sei als ein R ~ aufzufassen.

Ist E wieder eine k-Ebene im R" und x ein Punkt des R", so bezeichne E±(x) diejenige ( n - k)-Ebene, welche zu E vollst~indig orthogonal ist und x enth/ilt.

Bedeutet F eine im R" definierte Funktion und ist M eine Teilmenge des R", so bezeichne F ^ M die Beschr~inkung yon F auf M, d. h. die- jenige Funktion, welche auf M gleich F i s t und auBerhalb yon M iiber- haupt nicht definiert ist. Wenn F yon vornherein auBerhalb yon M nicht definiert ist, so werde gesagt, dab F in M enthalten sei.

Anstatt mit Mengen wird im folgenden meistens mit deren charak- teristischen Funktionen gearbeitet. Die charakteristische Funktion F einer Teilmenge M des R" ist bekanntlich dadurch definiert, dab F(x) entweder den Wert 1 oder 0 hat, je nachdem x e M oder x ¢ M gilt. Wenn gesagt wird, eine charakteristische Funktion F sei konvex, often, ein Polytop etc., so soll das heiBen, dab die durch F bestimmte Menge {xlF(x) = 1} konvex, often, ein Polytop etc. ist. Wenn Verwechslungen zu befiirchten sind, wird auf diese Festsetzung zuweilen erneut darauf hingewiesen. Es ist auch stets darauf zu achten, ob yon einer charak- teristischen Funktion oder yon einer Charakteristik die Rede ist. Letzte- res bedeutet die Verallgemeinerung der Charakteristik yon Euler- Poincar6, die bier als ein auf gewissen Funktionenklassen definiertes Funktional erkl~irt wird.

2. Die Charakteristik im R ° und R 1

In diesem Abschnitt wird gewissen Funktionen im R ° und im R 1 eine ,,Charakteristik" zugeordnet. Ftir den Fall charakteristischer

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Funktionen yon einfachen Mengen stimmt diese Zuordnung mit der ursprfinglich von Hadwiger [6] gegebenen Definition iiberein. Die Situation im R ° ist vollkommen trivial und nur yon formaler Bedeutung.

Es sei F eine reelle, auf dem R 1 definierte Funktion, welche die folgenden Eigenschaften habe.

(a) F sei beschr~inkt und habe nur endlich viele Unstetigkeitsstellen. (b) Ftir jeden Punkt p des R ~ existieren die Grenzwerte

lim F(x). F+(P)=x-~p+olim F(x) und F-(p)= p_o

Die Menge aUer Funktionen, die die Eigenschaften (a), (b) haben, bildet ersichtlich einen linearen Raum. Ist F eine gegebene Funktion, welche diesem Raum angeh6rt, so kann man jedem Punkt p des R 1 die Zahl

;((F, p) = F (p) - ½ (F + (p) + F - (p))

zuordnen. Wegen (a) ist z(F, p) endlich und nur f'fir endlich viele Punkte p yon 0 verschieden. Die Charakteristik yon F werde jetzt durch

z(F) = E z(F, p) (1) p

definiert, wobei fiber alle Unstetigkeitsstellen yon F zu summieren ist. Aus dieser Definition folgt unmittelbar, da3 die Charakteristik linear ist; dab also ffir beliebige reelle Zahlen c, d und je zwei Funktionen F, G, welche den Bedingungen (a), (b) geniigen

z(cF + dG) = cz(F) + dz(G) (2)

gilt. Ist I ein beschr~inktes Intervall im R ~ (d. h. dessen charakteristische Funktion), so ergibt die Definition yon Z sofort, dab •(I) entweder + 1, - l oder 0 ist, je nachdem I abgeschlossen, often oder haiboffen ist. Ein einzelner Punkt z~ihlt dabei als abgeschlossenes Intervall.

Im R ° werde einfach z(F)= F gesetzt. Offenkundig gilt dann wieder (2). Ist F eine auf einer Geraden G des R" definierte Funktion, so ergibt

sich, wenn G als R 1 aufgefaBt wird, ftir F ebenfalts eine Definition yon ~((F). Dabei ist zu bedenken, dab ja Z nicht von dem speziellen in G gew~ihlten Koordinatensystem abh~ngt. Selbstverst~indlich kann auch die Charakteristik f'tir Funktionen im R ° auf Funktionen, die nut in einem Punkt des R* definiert sind, iibertragen werden.

3. Projektionen

Mit Hilfe der soeben definierten Charakteristik t'fir Funktionen, die auf einer Geraden definiert sind, kann jetzt fiir gewisse Funktionen irn R" der Begriff einer Orthogonalprojektion eingeftihrt werden. Es wird sich sp~ter zeigen, dab es im wesentlichen nur eine M6glichkeit gibt,

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den Begriff einer Projektion so zu definieren, dab gewisse wfinschens- werte Eigenschaften erhalten bleiben (s. Satz 1 und Satz 4).

Es sei H e i n e beliebige, aber Ffir alles Weitere festgehaltene Hyper- ebene im R". Jedem Punkt x des R" kann nun der in H liegende Punkt He, Ha(x) zugeordnet werden (Ha(x) ist diejenige Gerade, welche x enthiilt und zu H orthogonal ist). Diese Abbildung des R" auf H wird bekanntlich die Projektion des R" auf H genannt. (Anstatt von einer Orthogonalprojektion wird hier und im folgenden stets nur von einer Projektion gesprochen.) Neben diesem Begriff einer Projektion, die jedem Punkt des R" einen Punkt in H zuordnet, gibt es noch eine Mengen- transformation, die gewissen Mengen im R" wieder eine Menge, die dann in H liegt, zuordnet und ebenfalls als Projektion bezeichnet wird. Ist z.B. K eine kompakte konvexe Menge im R" und ist p die schon definierte Punkttransformation, die den R" auf H abbildet, so wird die durch p bestimmte Projektion yon K auf die Ebene H dutch {p(x) lx ~ K} definiert. Nun werde K als eine charakteristische Funktion aufgefagt. Bemerkt man, dab p-l(x) entweder mit HA(x)iibereinstimmt oder nicht definiert ist, je nachdem x in H liegt oder nicht, so erkennt man unmittelbar, dab die auf H definierte charakteristische Funktion der Projektion durch z (K/ ,p- l (x) ) gegeben ist. Bezeichnet man diese Abbildung der charakteristischen Funktionen der kompakten konvexen Mengen auf ebensolche in H enthaltene Funktionen mit g, so hat man also (nK) (x) = z(K/x p-i (x)). Diese zun~ichst nur ftir charakteristische Funktionen kompakter konvexer Mengen gegebene Definition von rc NBt sich auf wesentlich allgemeinere Funktionenklassen ausdehnen. Sind H und p vorgegeben, so sollen dazu solche im R" definierte Funk- tionen F betrachtet werden, die die Eigenschaft haben, dab F A p-l(x) ftir jedes x e H den im 2. Abschmtt genannten Bedingungen (a), (b) geniigt. Die Menge aller dieser Funktionen ist (bei festem H) ersichtlich ein linearer Raurn. Durch die Beziehung

0tF) (x) = z(F A p-1 (x)) (3)

kann dann auch in diesem Falle eine Projektion rcF erkl~irt werden. Obzwar sowohl p wie auch ~z als Projektion bezeichnet wird, ist es

hier von Bedeutung zwischen der Punkttransformation p und der Funktionentransformation r~ zu unterscheiden. Soll die Ebene H, auf die projiziert wird, in der Bezeichnung angedeutet werden, so werde anstatt p bzw. rc ausftihrlicher Pn bzw. ~n geschrieben. Da eine Ortho- gonalprojektion durch die zugeh6rige Ebene H eindeutig bestimmt ist, wird durch die Bezeichnung Pn oder n n die Projektion eindeutig fest- gelegt.

Ist F die Vereinigung einer endlichen Anzahl kompakter konvexer Mengen, so unterscheidet sich ~F yon dem sonst meistens verwendeten

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Begriff der Projektion dadurch, dab jedem Punkt x der Projektion eine Multiplizit~it, n~imlich die Anzahl der Intervalle von F A p - l ( x ) zugeordnet wird. Bei der Projektion eines offenen konvexen K6rpers wird jedem Punkt die Multiplizit~it - 1 (oder 0) zugeordnet. Die Projek- tion einer iiberall stetigen Funktion ist 0.

Aus (2) und (3) folgt unmittelbar, dab sich die Projektion linear ver- Nilt, d. h. dab fiir reelle a, b

rc(aF + bG) = anF + buG (4)

gilt. Dabei ist zu bemerken, dab die linke Seite von (4) existiert, wenn die beiden rechts stehenden Projektionen existieren.

4. Bewertete Polytope

Es soll zun~ichst eine Klasse yon Funktionen im R" untersucht werden, bei denen die Verh~iltnisse bezi.iglich der Charakteristik und der Projektionen besonders iibersichtlich liegen. Es handelt sich um Funktionen, die mit den gewShnlichen Polytopen verwandt sind, aber sich yon diesen vor allem dadurch unterscheiden, dab jedem ihrer Punkte eine gewisse Multipliziffit zugeordnet ist. Diese Funktionen, die bewertete Polytope genannt werden, spielen dann sp~iter eine wesent- liche Rolle fiir die Approximation allgemeinerer Funktionen.

Mit C k werde die Klasse der abgeschlossenen konvexen Polytope im R k (genauer gesagt, deren charakteristische Funktionen) bezeichnet. Anstatt C" wird auch einfach nur C geschrieben. Dabei soil nicht ver- tangt werden, dab die Polytope innere Punkte haben; jedoch wird ein Polytop stets als beschr~nkt vorausgesetzt. Ein bewertetes Polytop des R ~ werde nun als eine lineare Kombination von Funktionen aus C k definiert. Jedes bewertete Polytop hat also eine Darstellung der Form

P = ~ a~ C i (Cj ~ C k, a i reell) (5) i=1

Die Menge aller bewerteten Polytope des R k werde mit pk bezeichnet, wobei wieder anstatt P" oft nut P geschrieben wird. P ist ein linearer Funktionenraum, und zwar der kleinste solche Raum, welcher C ent- h~ilt. Es sei setzt G ein relativ offenes k-dimensionales konvexes Polytop des R", d. h. Gist often, wenn als zugrunde liegender Raum die kleinste k-Ebene genommen wird, welche die Eigenschaft hat, dab G auBerhalb dieser Ebene verschwindet. Ist C, die abgeschlossene Hiille von G, so hat man ersichtlich eine Darstellung der Form

G = G - (z + z G ; - : + ... + Z 6 ° ) ,

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wobei E G r die Summierung fiber alle r-dimensionalen relativ offenen Begrenzungsfl~ichen G~ yon G bedeutet. Daraus entnimmt man mit Hilfe eines offensichtlichen Induktionsargumentes beziiglich der Di- mension k, dab P alle relativ offenen konvexen Polytope enth~ilt.

Sind im R" zwei Mengen gegeben, deren charakteristische Funk- tionen S, T in P liegen, und ist auch die charakteristische Funktion des Durchschnitts der beiden Mengen, also S- T, in P, so ist auch die charak- teristische Funktion V der Vereinigungsmenge der beiden Mengen in P. Es ist ja V= S + T - S T . Durch wiederholte Anwendung dieser Be- ziehung bekommt man, dab P nicht nur die abgeschlossenen oder relativ offenen konvexen Polytope, sondern alle Polytope (Vereini- gungen endlich vieler konvexer Polytope) enth~ilt.

5. Projektionen und Charakteristik bewerteter Polytope

Die durch (3) gegebene Definition einer Projektion erscheint als eine ziemlich willktirliche Festsetzung. Der folgende Satz zeigt aber, dab wenigstens im Bereich der bewerteten Polytope diese Definition die einzig mSgliche Erweiterung des gew~hnlichen Begriffs einer Pro- jektion ist, wenn man die Linearit~t aufrechterhalten will.

Satz 1. lm R n sei Heine Hyperebene und p die Projektion des R" auf H. Es gibt dann genau eine lineare Abbildung nder Menge der be- werteten Polytope des R n auf die Menge der in H gelegenen bewerteten Polytope (als Funktionen inn R n-x aufgefaflt), so daft n J~r die abge- schlossenen konvexen Polytope mit der iiblichen durch p gegebenen Projektion iibereinstimmt. Diese Abbildun9 n kann durch die Beziehung (3) definiert werden.

Beweis. DaB die durch (3) gegebene Abbildung fiir alle F aus P definiert ist, folgt unmittelbar aus (5). Die l~bereinstimmung dieser Abbildung fiir den Spezialfall abgeschlossener konvexer Polytope mit der iiblichen Definition einer Projektion wurde schon bei den Vor- bemerkungen zur Beziehung (3) erw~ihnt. Auf die Linearit~it von n wurde ebenfalls schon hingewiesen (s. (4)). Die Eindeutigkeit yon n und die Tatsache, dab nFe p , - I gilt, ergibt sich aus der Linearitiit und der

Darstellung (5); denn damit bekommt man n F = ~ ainC~, und nCi i = l

ist in C"-x und eindeutig festgelegt, da es sich um die Projektion eines abgeschlossenen konvexen Polytops handelt.

Mit Hilfe des Begriffs einer Projektion l~iBt sich jetzt leicht eine Charakteristik Ftir bewertete Polytope definieren. Der folgende Satz ist dabei grundlegend. Die Bedeutung der Projektion kommt dabei

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allerdings mehr in dem einfachen Beweis des Satzes als in dessen For- mulierung zum Ausdruck.

Salz 2. Auf dem Iinearen Raum P der bewerteten PoIytope des R" oibt es oenau ein Iineares FunktionaI ~, so daft fi~r jedes nicht leere abge- schlossene konvexe Polytop C

z(C) = 1 (6)

gilt. Ist P ~ P und bezeichnet n die Projektion auf eine Hyperebene des R", so gilt ffir das Funktional Z auflerdem

z(~P) = z(P). (7)

In (7) steht links die im R"-1 und rechts die im R n definierte Charak- teristik.

Beweis. Es wird zun~ichst die Existenz, dann die Eindeutigkeit von Z und schlieBlich die Projektionsinvarianz (7) bewiesen.

A. Existenz. Um Verwechslungen zu vermeiden, soll hier die Charak- teristik im R k mit Z k bezeichnet werden. Fiir den R ° und R 1 wurde die Existenz eines linearen Funktionals mit der Eigenschaft (6) schon im 2. Abschnitt bewiesen. Durch einen InduktionsschluB kann nun die Existenz yon Zk(0 < k < n) gesichert werden. Es sei dazu E eine beliebige, aber festbleibende ( k - t ) - E b e n e im R k und es werde vorausgesetzt, dab ein Funktional mit den erwiinschten Eigenschaften im R k- ~ existiere. Dieses Funktional iibertr~igt sich unmittelbar auf alle in E enthaltenen bewerteten Polytope, wenn E als R k-~ aufgefaBt wird. Es sei nun p die Projektion des R k auf E und rc die zugeh6rige Projektion der bewerteten Polytope des R k. Durch den Ansatz

zk(P) = Z k- ' (uP) (8)

wird dann auf pk ein Funktional definiert, das wegen (4) und der In- duktionsannahme linear ist. Weil f'fir C E C k die Projektion nC wieder ein abgeschlossenes konvexes Polyeder ergibt, das zudem in E enthalten ist, folgt die Behauptung (6) ebenfalls aus der Induktionsannahme.

B. Eindeutigkeit. Aus der Darstellung (5) und der Linearit/it yon Z

bekommt man die Beziehung z(P)-- ~. aiz(Ci). Zusammen mit (6) ergibt sich daraus ~=

z(P) = ~ ai. (9) i=1

Da man ftir jedes lineare Funktional, ftir das (6) gilt, dieselbe in (9) stehende Summe erh~ilt, ergibt sich sofort die Eindeutigkeit von X.

C. Projektionsinvarianz. Weft wegen der Eindeutigkeit yon Z in der Beziehung (8) fiir jede (k - 1)-Ebene E daselbe xk(P) resultiert, folgt (7) aus (8), wenn man k = n setzt.

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6. Die Charakteristik relativ oftener Polytope

In diesem Abschnitt soll die Charakteristik relativ offener konvexer Polytope angegeben werden. Zusammen mit der Linearit~it yon ergibt sich damit ein sehr einfacher Beweis des Eulerschen Polyeder- satzes; vgl. dazu auch Lenz [133 und Hadwiger [10].

Es sei also P eJn k-dimensionales konvexes relativ offenes Polytop des R". Die Definitionen des 2. Abschnittes ergeben sofort z ( P ) = 1 fdr k = 0 und x(P) = - 1 fiir k = 1. Gilt k > 1, so ist es ffir die Bestim- mung der Charakteristik vorteilhaft anzunehmen, dab P ein Polytop des R k sei. Diese Annahme ist zuliissig, da X nicht yon dem Raum, in dem man sich P eingebettet denkt, abh~ingt; das kann man z.B. der Darstellung (9) entnehmen. Bedeutet H eine (k-1) -Ebene des R k, so ist die Beschr~inkung yon P auf eine Gerade entweder 0 oder ein offenes Intervall. Well die Charakteristik eines offenen Intervall - 1 ist, ergibt sich daher, wenn man die Definition einer Projektion beachtet, zrnP = - Q, wobei Q ein gewisses relativ offenes konvexes in H ent- haltenes Polytop ist. Wegen (7) folgt daraus Z ( P ) = Z ( x u P ) = - z ( Q ) . Da P k-dimensional und Q (k-1)-dimensional ist, zeigt ein often- kundiger InduktionsschluB, dab fiir jedes k-dimensionale relativ offene Polytop P

x(P) = (-- 1) g (10)

gilt. Im Gegensatz zu den konvexen abgeschlossenen Polytopen hiingt also for konvexe relativ offene Polytope die Charakteristik yon der Dimension ab.

Nun seien V1, V2, ... eine endliche Anzahl relativ oftener konvexer Polytope im R", und es werde V = E Vii gesetzt. Wegen der Linearit~it von g hat man dann z (V)= E z(V 3. Bedeutet j~ die Anzahl der Vii, die k-dimensional sind, so folgt demnach aus (10) die sehr allgemeine Variante der Eulerschen Polyeder Formel

z(V) = ~ ( - 1 ) k A . O1) k = O

Ist insbesondere V ein n-dimensionales abgeschlossenes konvexes Polytop, so ist x (V)= 1. Zerlegt man V in sein Inneres, das relativ Innere der (n - 1)-dimensionalen Begrenzungsfl~ichen, das relativ Innere der ( n - 2)-dimensionalen Begrenzungsfl~chen usw., so geht (11) in die fibliche Eulersche Polyederformel

n- - I

1 - - ( - 1 ) " = ~ (--1)kfk (12) k = O

tiber, fk ist dabei die Anzahl der k-dimensionalen Begrenzungsfl~ichen yon V.

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Hadwiger [9, 10] erreicht auf anderem Wege eine Definition der Charakteristik f'tir offene Polytope. Dabei steht in (10) nicht der Faktor ( -1) k. Die Charakteristik ist dann nattirlich nicht mehr linear, anstatt dessert gelten andere Beziehungen, die in speziellen F~illen yon Had- wiger 1.c. untersucht wurden. In der yon Lenz [13] entwickelten Theorie gilt, so wie hier, die Beziehung (10).

7. Norm und Konvergenz

Um Ergebnisse zu gewinnen, die sich nicht nur auf bewertete Poly- tope beziehen, ist es notwendig eine geeignete Teilklasse aller reellen Funktionen im R" aufzusuchen, die einerseits groB genug ist, um die haupts~ichlich vorkommenden F~ille einzuschlieBen und andererseits nur solche Funktionen enthalt, auf die die Begriffe der Projektion, der Charakteristik und der QuermaBintegrale tibertragen werden k6nnen. Eine M6glichkeit ftihrt auf die im n~ichsten Abschnitt erkl~irten ap- proximierbaren Furlktionen. Um diese Approximierbarkeit zu erkl~iren, soil bier zun~ichst ftir eine gewisse Klasse yon Funktionen eine Norm (genauer gesagt eine ,,Pseudonorm", vgl. Royden [153, S. t83) ein- gefiihrt werden. Diese Klasse reeller Funktionen, die normierbare Funktionen heiBen sollen, sei jetzt durch die folgenden Bedingungen festgelegt, die zugleich die Definition der Norm enthalten. Es ist dabei noch vorauszuschicken, dab eine Norm und eine Normierbarkeits- bedingung, die im R k definiert sind, unmittelbar auf Funktionen des R", die in einer k-Ebene enthalten sind, fibertragen werden k/innen, wenn man diese Ebene als R k auffaBt. Voraussetzung ist dabei allerdings, dab die Norm und die Normierbarkeitsbedingung nicht yon dem im R k gew~ihlten Koordinatensystern abh/ingen, pk bedeutet das Lebesguesche Mal3 im R k.

I. Im R ° heiBe jede reelle Funktion normierbar. Die Norm ItFtto einer Funktion F i m R ° sei durch ffFlfo = IFt festgelegt.

I1. Ist im R ~- ~ (0__< k__< n) bereits eine Norm und die Klasse der normierbaren Funktiondn definiert und yon dem im R k-1 gew~ihlten Koordinatensystem unabh~ingig, so heiBe eine im R k definierte Funktion F normierbar, wenn gilt:

(a) F sei eine beschr~inkte Lebesgue-meBbare Funktion, die auBer- halb eines beschr~inkten Bereiches verschwindet.

(b) Fiir jede ( k - 1)-Ebene H existiere die Projektion rcnF und rcnF sei (als Funktion im R k- 1 aufgefaBt) wieder normierbar.

(c) Wird im R k durch

eine Norm definiert, wobei sich das angeftihrte Supremum tiber alle ( k - 1)-Ebenen H des R k erstreckt, so sei llFtlk < oo. 3 Malh. Ann 198

Page 12: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

34 H. G roemer:

Da dann die Norm und die Klasse der normierbaren Funktionen ersichtlich nicht vom Koordinatensystem im R k abh~ingen, ist durch die Bedingungen I, II, eine Norm und eine Klasse normierbarer Funktionen eindeutig festgelegt. Anstatt IIFll, werde einfacher nut ]1FIr geschrieben. Die Norm hat die beiden folgenden wesentlichen Eigenschaften.

A. Ist F eine normierbare Funktion des R" und ist a eine reelle Zahl, so ist auch aF eine normierbare Funktion des R" und es gilt

tlaFll = [a] ]IFll. (14)

B. Sind F und G normierbare Funktionen des R", so ist auch F + G eine normierbare Funktion des R" undes gilt

IIF+ Gtl < I!F[f + I[GII • (15)

Die Behauptung A ist trivial und B ergibt sich aus der folgenden Kette von Ungleichungen, die man mit Hilfe yon (4), (13) und der In- duktionsannahme, dab (15) fiir den R k-1 richtig sei, bekommt.

I[F + Gllk = max [ .f IF + G, dl.t k, sup [Irc~(F + G)llg--,/ IRk H J

maxis + +sup 11 IRk R k H H J

+max{jklGIdlz~,supl lrcnGItk-1 }

= Ilfllk + llGllk.

Aus A und B entnimmt man sofort, dab die Menge der normierbaren Funktionen des R" ein linearer Raum ist. Gilt F := 0, so folgt aus (14) r/fll -- 0. Die Umkehrung dieser Aussage ist aber nicht richtig. Ist z. B. F nur an zwei Punkten p, q yon 0 verschieden und gilt F(p) = 1, F(q) = - 1, so sieht man, dab HEll = 0 aber F=I=0 ist.

Mittels der soeben eingeftihrten Norm l~il3t sich in iiblicher Weise eine Konvergenz erkl/iren. Ist {Fro} eine Folge normierbarer Funktionen und F eine weitere normierbare Funktion im R", so werde gesagt, dab {F,,} gegen F konvergiere, wenn l irn IIF,,-FIt = 0 gilt. Konvergiert

{F,,} in diesem Sinne gegen F, so werde F m ~ F geschrieben. Mit Hilfe von (14) und (15) erkennt man sofort, dab F,, ~ F, Gm ~ G die Konvergenz aF,,, + b G , , ~ a F + bG zur Folge hat. Weiters ergibt sich wegen der f'tir jede Hyperebene H giittigen Beziehung

tlnnFl[,,-i < IIF[I,,, (16)

die unmittelbar aus (13) erkennbar ist, dab aus F, , ,~F flit jede Hyper-

ebene H rc n F,,, ~ nn F (17)

Page 13: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 35

folgt. Diese Feststellung soll auch dadurch ausgedrfickt werden, daB gesagt wird, die Projektion rcHF sei eine stetige Funktion von F.

In der Theorie der konvexen K6rper bedient man sich bekanntlich meistens eines anderen Konvergenzbegriffes, der sich folgendermaBen definieren l~igt (vgl. Bonnesen-Fenchel [2], S. 34). Es bezeichne dazu 6 (X, Y) die Hausdorff-Blaschke Metrik yon zwei nicht leeren kompakten konvexen Punktmengen des R", 6 (X, Y) ist also die untere Grenze aller positiven Zahlen e, so dab X C Y", YC X ~ gilt, wobei X ", Y~ die Parallel- bereiche von X, Y im Abstand e sein sollen. Ist X oder Y leer, so hat man 6(X, Y ) = ~ zu setzen. Sind K, Km(m = 1,2 . . . . ) kompakte konvexe Mengen des R", so werde gesagt, daB {K,,} gegen die Menge K kon- vergiere, wenn l i ln 6(K, , ,K)=O ist. Diese Art der Konvergenz soll

symbolisch durch K , , ~ K ausgedrtickt werden. Um bekannte S~itze, bei welchen die zuletzt genannte Konvergenz verwendet wird, hier an- wenden zu k6nnen, ist der folgende Hilfssatz wichtig.

Hilfssatz 1. Sind K und K,, kompakte konvexe Teilmengen des R", so folgt aus K m ~ K die Konveroenz K m ~ K .

Beweis. Es werde zun~ichst bewiesen, dab es eine fiir nicht negative ganze Zahlen k und nicht negative reelle Zahlen d definierte Funktion N(k, d) gibt, so dab ffir je zwei nicht leere kompakte konvexe Mengen A, B im R" deren Durchmesser D (A) bzw. D (B) nicht gr6Ber als d sind

NA - B[[ ~ U(n, d) 6(a, B) (18)

gilt. ( A - B ist die Differenz yon zwei charakteristischen Funktionen.) Im R ° ist ]LA-BH=0 und 6(A,B)=0, so dab (18), etwa mit

N(0, d)= l, richtig ist. Es werde nun die Induktionsannahme gemacht, dab die zu (18)

analoge Beziehung im R k-~ gelte. Bedeutet dann H eine beliebige ( k - 1)-Ebene im R k und sind A, B zwei nicht leere kompakte konvexe Mengen im R k mit D (A) < d, D (B) < d, so ist auch D (nnA) < d, O (n n B) < d und daher, wenn H als R k-~ aufgefal3t wird, wegen der Induktions- annahme

[IzcnA - rcaBllk_ 1 ~ N(k - 1, d) 6(rcaA, nlIB).

Weil offenkundig 6(nnA , rcnB ) < 6(A, B) ist, folgt daraus

1[TrnA - rtnBllk- 1 < N ( k - 1, d) 6(A, B) . (19)

Bedeutet nun C irgendeine kompakte konvexe Menge des R*, deren Durchmesser nicht gr6Ber als d ist, so gilt (s. Bonnesen-Fenchel [2], S. 49), wenn mit W~*(C) die QuermaBintegrale von C bezeichnet werden,

R~ i = l 3*

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36 H . G r o e m e r :

Da aus D(C)<_ d folgt, daB C in einer Kugel vom Radius 2d enthalten ist, und weil sich die QuermaBintegrale monoton verhalten, gibt es eine nut von d und k abh~ingige obere Schranke for alle wig(c). Damit be- kommt man aus (20) eine Absch~itzung der Form

j" Ic ~ - cl d~ k < a M(k, d), (21) Rk

wobei M(k, d) nur yon k und d abh~ingt. Durch Anwendung yon (21) ergibt sich dann, wenn A __< B a, B < A a gilt,

I I A - B l d p k= ~ (A-B) dI~ k+ ~ (B--A) dj ' R k A>=B B > A

< S (Ba-B)dl ~k+ S (A~-A)dtlk<=2bM(K,d) • R k R k

Diese Ungleichung, zusammen mit (19) und (13) ergibt, wenn 6 = 6(A, B) genommen wird

[[A - B[[ = max{~ k tA-- B[ d/~ k, sup IlzcHA- ~rHB[[ k 11

=< 6(A, B) max {2M(k, d), N ( k - 1, d)}.

Wird N(k,d)= max {2M (k, d), N(k- l ,d)} gesetzt, so hat man dem- nach (18).

Gilt jetzt K,~=*K, so gibt es eine Zahl d, so dab D(Km)< d, D(K)< d ist. Aus (18) und lira ~(K,,,K)=O folgt dann lira IIKm-KIt =0, also

m - o o m--,oo

K~, ~ K, womit der Hilfssatz bewiesen ist. Mit Hilfe des Auswahlsatzes yon Blaschke kann man zeigen, dab

l~tir ein K, das zudem nicht leer ist oder nur aus einem einzigen Punkt besteht, umgekehrt aus Km~K die Konvergenz K, ,~K fotgt. In diesem Falle sind also beide Konvergenzbegriffe vollkommen ~iquivatent.

8. Approximierbare Funktionen

In diesem Abschnitt wird jetzt jen¢ ziemlich umfangreiche Funk- tionenklasse erklgrt, f'tir die die Begriffe einer Projektion, der Eulerschen Charakteristik und der QuermaBintegrale so definiert werden k6nnen, dab dabei die bekannten wesentlichen Eigenschaften dieser Begriffe erhalten bleiben.

Eine im R k definierte reellwertige normierbare Funktion F werde eine approximierbare Funktion des R k genannt, wenn die folgenden Bedingungen erfiillt sind.

(a) Ist k = 0, so sei jede Funktion approximierbar. (b) Ist k > 0, so existiere eine Folge {Pi} bewerteter Polytope des R k,

so dab Pi-*F gilt. AuBerdem sei die Beschr~inkung F ^ H yon F aufjede beliebige (k-1)-Ebene H des R k wieder approximierbar. Dabei ist H als R k-1 aufzufassen.

Page 15: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 37

Die Menge aller approximierbaren Funktionen des R k werde mit A k bezeichnet. Anstatt A" werde auch einfacher nur A geschrieben. Ist FeA, GeA, so folgt unter Verwendung yon (14) und (15), dab aus Pi~F, Q ~ G ( P i e P , Qi~P) die Konvergenz aPi+bQi--aF +bG er- schlossen werden kann. Da zudem ftir jede Hyperebene H des R" die Beziehung (aF + bG) A H = a(F /~ H) + b(G A H) gilt, ergibt sich sofort, dab A ein linearer Funktionenraum ist.

Bedeutet He ine (n - l)-Ebene und ist F~A, PieP und Pi~F, so folgt aus (17)

rc H P~ ~ rc~ F, (22)

wobei sich die Konvergenz auf den R "-1 bezieht. Ist E eine in H ent- haltene (n-2)-Ebene, so kann man leicht zeigen (vgl. den Beweis der allgemeinere Beziehung (27)), dal3 ffir diejenige (n - 1)-Ebene G, welche E und eine zu H orthogonale Gerade enth~ilt, (nnF) A E = r~(F A G) gilt. Daraus, zusammen mit (22), folgt, dab ftir ~zHF wieder die Bedingung (b) erfiillt ist. Die Projektion rc~F einer approximierbaren Funktion F ist also, wenn sie als Funktion im R"-1 aufgefagt wird, wieder approxi- mierbar.

Zu jeder kompakten konvexen Menge K des R" gibt es bekanntlich eine Folge gew6hnlicher konvexer Polytope C~ (C~ E C), so dab Ci~K gilt (s. etwa Hadwiger [7], S. 205). Wegen Hilfssatz 1 hat man daher Ci~K und es folgt, dab alle kompakten konvexen Mengen des R" approximierbar sind. Genau genommen, handelt es sich dabei natiirlich um die charakteristischen Funktionen der kompakten konvexen Mengen.

Durch dieselbe Methode, welche zu Ende des 4. Abschnittes fiir Polytope erkl~irt wurde, bekommt man bier, dab die Vereinigungsmenge einer endlichen Anzahl kompakter konvexer Mengen ebenfalls in A liegt. A umfaBt also, in der Terminologie yon Hadwiger [7] ausgedriickt, den ganzen Konvexring des R".

Es sei nun G eine relativ offene beschfiinkte konvexe k-dimensionale Menge im R", G bedeute die abgeschlossene Hiille yon G. Nach dem vorhin Gesagten gibt es eine Folge relativ oftener konvexer Polytope P~, fiir die ~--, (~ gilt. Dabei darf noch angenommen werden, dab alle Pi aul3erhalb der k-Ebene, die durch G festgelegt wird, verschwinden. Da man dann durch einen einfachen Induktionsschlul3 zeigen kann, dal3 II~-GI} = IlPi- Oil gilt, folgt sofort P ~ G . Daraus ergibt sich, dab auch relativ offene beschr~inkte konvexe Mengen sowie die Vereini- gungsmengen von endlich vielen solchen Mengen in A liegen. Mit diesen Mengentypen ist aber A noch keineswegs ersch6pft. Zum Beispiel ist auch die Menge der Randpunkte (d. h. deren charakteristische Funktion) einer jeden kompakten konvexen Menge K in A. Es handelt sich ja dabei um die Differenz von K und dessen Innerem.

Page 16: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

38 H. Groemer:

9. Die Charakteristik approximierbarer Funktionen

Im linearen Raum A der approximierbaren Funktionen Rigt sich nun analog zu Satz2 eine Charakteristik einRihren. (Jber die Voraus- setzungen yon Satz 2 hinausgehend ist dabei allerdings noch die Stetig- keit der Charakteristik zu fordern. Ein auf A definiertes Funktional ¢p heiBt dabei stetig, wenn f'tir jede Folge {F,,} von Funktionen aus A, ftir die ein F ~ A mit F , , ~ F existiert, l imrp(F~)= q~(F) gilt. Die Bedeutung

der Projektion kommt dabei wieder vor allem in dem einfachen Existenz- beweis ftir die Charakteristik zum Ausdruck.

Satz 3. Auf dem Iinearen Raum A der approximierbaren Funktionen des R" 9ibt es 9enau ein stetiges lineares Funktionat 7(, so daft Jhr jedes nicht leere abgeschlossene konvexe Polytop C

z(C) = 1 (23)

gilt. Ist rcF eine Projektion yon F auf eine Hyperebene, so gilt auJ3erdem, wenn nF als Funktion im R"-~ aufgefaflt wird,

z0rF) -=- x(F). (24)

Beweis. Wie beim Satz 2 wird zuerst die Existenz von X, dann die Eindeutigkeit und schliel31ich die dutch (24) ausgedrtickte Projektions- invarianz bewiesen.

A. Existenz. Im R ° ist jede Funktion ein bewertetes Polytop; Satz 3 folgt daher in diesem Falle aus Satz 2. Die Existenz einer Charakteristik, welche stetig und linear ist, und ftir die (23) gilt, werde jetzt ffir den R k- 1

als bewiesen angenommen. Bedeutet E eine beliebige, aber festbleibende (k-1)-Ebene des R k, so werde z(F)=z(~z~F) gesetzt. Dabei ist reEF als Funktion im R k-1 aufzufassen. Offenbar gilt dann (23) und unter Verwendung der Induktionsvoraussetzung folgt aus (4), dab X linear ist, und aus (17), dab )~ stetig ist.

B. Eindeutigkeit. Ist q~ ein weiteres auf A definiertes stetiges lineares Funktional, far das (23) gilt, so ist das Funktional tp = X-~P ebenfalls stetig und linear. Zudem gilt ftir jedes abgeschlossene konvexe Polytop C, dab tp(C)=0 ist. Daraus folgt sofort, dab ~ auch auf der Menge P der bewerteten Potytope verschwindet. Ist dann Pi E P, F ~ A und Pi ~ F, so hat man wegen der Stetigkeit von ~, dab lp(F)= lim~(P~)=0 ist.

Daher gilt auf ganz A ~ = 0, was mit ~0 = Z gleichbedeutend ist.

C. Projektionsinvarianz. Wie beim Beweis der Projektionsinvarianz im Satz 2 ergibt sich (24) aus dem Eindeutigkeitsergebnis und der Tat- sache, dab die Ebene E beim Existenzbeweis beliebig gew~ihlt werden durfte.

Page 17: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und Quermal3integrale 39

Damit ist Satz 3 in allen Teilen bewiesen. Man erkennt aus dem Beweis, dab far die Existenz yon Z die Voraussetzung der Approximier- barkeit durch schwiichere Annahmen ersetzt werden kiAnnte. Ftir den Beweis der Eindeutigkeit und der Projektionsinvarianz beztiglich einer jeden Hyperebene wird aber die Approximierbarkeit wesentlich ver- wendet.

Ist F ~ A und verschwindet F aul3erhalb einer k-Ebene (0 __< k __< n), so kann )~(F) entweder als die Charakteristik yon F im R" oder auch als die Charakteristik yon F in einem R k aufgefal3t werden. Beide Auf- fassungen ergeben aber denselben Wert yon )~(F), denn sonst erhielte man einen Widerspruch, wenn man die Eindeutigkeitsaussage yon Satz 3 auf den R k anwendet.

Die Projektionsinvarianz (24) ist h~iufig ftir die effektive Berechnung yon )~ n[itzlich. Ist z. B. F kompakt und konvex (nicht notwendigerweise ein Polytop), so bekommt man durch wiederholte Anwendung yon (24) sofort )~ (F) = 1. Bedeutet F eine beschr~inkte relativ offene k-dimensionale Menge (d. h. deren charakteristische Funktion), so findet man durch dasselbe Verfahren, das zum Beweis yon (10) angewandt wurde, dab z(F) = ( - 1) k ist.

lO. Allgemeine Projektionen approximierbarer Funktionen

Bekanntlich lassen sich ftir kompakte konvexe Mengen nicht nur Projektionen auf Hyperebenen, sondern auch Orthogonalprojektionen auf beliebige k-Ebenen (0 < k < n) erkl~iren (vgl. z. B. Hadwiger [7], S. 3). Es soll hier gezeigt werden, dab derartige Projektionen auch far be- liebige approximierbare Funktionen definiert werden k/Snnen, und zwar, wenn man auf gewisse wtinschenswerte Eigenschaften nicht ver- zichten will, nut auf eine Art. Als einfache Anwendungen ergeben sich dann die urspriinglich yon Hadwiger [6, 7] angewandte Mtiglichkeit die Charakteristik zu definieren, eine Verallgemeinerung einer ebenfalls yon Hadwiger [8] bewiesenen Formel ftir das kartesische Produkt zweier Mengen und eine nicht induktive Darstellung der Norm.

Im R n sei eine k-Ebene H gegeben. Die (orthogonale) Projektion des R n auf H sei, wie iiblich, dadurch erkl~irt, dab jedem Punkt x s R n der Punkt p (x)= H±(x)c~H als Bildpunkt entspricht. Ha(x) ist dabei wieder die zu H orthogonale ( n - k)-Ebene, welche x enth~ilt. Diese Punkttransformation l~il3t sich fiir kompakte konvexe Mengen K des R" sofort zu einer Mengentransformation ~c erweitern. Man definiere einfach

~K = {p(x)[x~ K}.

Page 18: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

40 H. Groemer:

Ftir kompliziertere Mengen und vor allem f'fir approximierbare Funk- tionen ist jedoch die zu (3) analoge Definition einer Projektion, also

(roe) (x) = z (F ^ p - ' (x)) (25)

heranzuziehen. Die dadurch definierte Funktion rcF werde die all- gemeine Projektion von F auf H genannt. Fiir kompakte konvexe Mengen stimmt (25) mit der iiblichen Definition einer Projektion, d. h. mit ~ tiberein. Aus der Linearitiit yon Z folgt, dab rc wieder ein lineares Funktional ist. Soll die k-Ebene H in der Bezeichnung zum Ausdruck kommen, so wird anstatt re ausffihrlicher ren geschrieben. Durch diese Bezeichnung ist dann eindeutig festgelegt, welche Projektion gemeint ist. In (3) bedeutet p-1 (x) eine Gerade, wohingegen in (25), wenn auf eine k-Ebene projiziert wird, p-1 (x) eine ( n - k)-Ebene darstellt. Im Falle k = n - 1 sind (3) und (25) identisch; die bisher betrachteten Projektionen auf Hyperebenen sind also Spezialfiille allgemeiner Projektionen. Ist H eine k-Ebene und G eine l-Ebene, so dab k < l u n d H C G gilt, und ist F eine in G enthaltene approximierbare Funktion, so ist reHF auch in diesem Falle erkl~irt, wenn man H als R k auffaBt. Der in (25) vorkom- mende Ausdruck p- 1 (x) bedeutet dann diejenige in G enthaltene (l - k)- Ebene, die aus allen Punkten y mit y e G und p(y) = x besteht.

Es soll jetzt ein sehr ntitzlicher Hilfssatz bewiesen werden, der zeigt, dab jede allgemeine Projektion dutch sukzessive Projektionen der im 3. Abschnitt genannten Art gewonnen werden kann.

Hilfssatz2. Im R" seien H,,, Hm+l . . . . . H,_ 1 Ebenen, Jfir die H,. C H,.+I C "-- C H._ 1 (0 -< m -< n - 1) gilt. und H i i-dimensional ist. Dann gilt ffir jedes F ~ A

z~n,~F = rcn,,rcm.+ ~... ren,-1F. (26)

Beweis. Zuerst soll folgende Behauptung bewiesen werden. Ist im R k eine ( k - 1)-Ebene H und eine j-Ebene G gegeben, und enth~lt G eine zu H orthogonale Gerade, so gilt for jedes F cA, wenn man E = H ~ G setzt (und G als R j auffaBt)

(renF) A E = zcE(F /x G). (27)

Um dies zu zeigen, bezeichne man die zu ren, ree geh6rigen Punkttrans- formationen des R k bzw. R j mit Pn bzw. PE- Dann ist (27) gem/iB der Definition von reH und reE mit

(z(F ^ p;1 (x)) A E = z( (F ^ G) ^ p~ l (x)) (28)

gleichbedeutend. Der Definitionsbereich der in (28) links stehenden Funktion (in der Variablen x) ist E und der Funktionswert fiir ein x ~ E ist Z(F^ph~(x) ) . Der Definitionsbereich der rechts stehenden

Page 19: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 41

Funktion ist ebenfalls E. Gilt x ~ E, so ist die Gerade pi)1 (x) zu H ortho- gonal. Da die j-Ebene G ebenfalls eine zu H orthogonale Gerade ent- h~ilt und x ~ Gist, folgt ph 1 (x) C G, Weil auch p ~ (x) eine in G enthaltene zu E orthogonale Gerade ist, die x enth~ilt, mul3 p~l (x)= phi(x) sein und daher p ~ (x)C G gelten. Mit Hilfe der beiden zuletzt genannten Beziehungen ergibt sich daher der Wert dieser Funktion zu z(F ^ p;l (x)). Somit stimmen die linke und die rechte Seite von (28), sowohl was die Definitionsbereiche wie auch die Werte der Funktionen betrifft, iiberein. Es gilt also (28) und damit auch (27).

Es sei nun H e i n e (k-1) -Ebene und D eine /-Ebene des R k, wobei D C H und l < k - 1 gelten soll. Ist y ein Punkt aus D, so kann man (27) mit G = p;~l (y) anwenden (Po ist wieder die zu nD geh~Srige Punkttrans- formation im R~). Man bekommt, wenn man E = H ~ p o ~ (y) setzt,

(nnF) A E = ne(F A p~l (y)).

Wird D als R l aufgefal3t, so steht in dieser Beziehung rechts die Projek- tion einer im R ~ definierten approximierbaren Funktion auf die ( I - l)- Ebene E. Fiir die Charakteristik ergibt sich daher, wenn man die Pro- jektionsinvarianz (24) beachtet,

Z((rtuF ) A E) = z(F A po ~ (y)). (29)

Wegen E = HApo~(y) und weil noF in H enthalten ist, kann in (29) (rcnF) A E durch (~nF) A p;l (y) ersetzt werden. (29) zusammen mit der Definition (25) ergibt dann

rcoTcuF = rooF. (30)

Anstatt nu, soil jetzt einfacher n i geschrieben werden. Die Beziehung (30) lal3t sich auf n , , n , ,+ l . . . n . _ lF anwenden, wenn man D=H,, , H = H~ + ~ schreibt und F durch 7c,,+ z... n._ ~ F (also k = m + 2) ersetzt. Es ergibt sich

7~m ~ m + l Tgm + 2 . . . lr, n _ l F = 7r, m T~m + 2 . . . 7~n_ 1 F .

Ganz entsprechend kann man n,.+2 usw. bis n,_ 1 eliminieren. Man erh~ilt schlieBlich n,,n,,+l . . . n ._ IF = n,,F und damit ist der Hitfssatz bewiesen.

Es sei noch darauf hingewiesen, dab in (30) H e i n e Ebene beliebiger Dimension sein kann. Es gilt also: Bedeutet L eine/-Ebene und M eine m-Ebene des R" und ist M C L, so gilt fiir alle F ~ A

nunLF = nMF. (31)

Der Beweis daFtir ergibt sich durch dreimalige Anwendung von (26), wenn man eine Kette von Ebenen verwendet, ffir die Hm = M, H t = L

Page 20: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

42 H. Groemer:

ist; denn dann folgt aus dem Hilfssatz

rc L F = 7zL... ~n,,_t (n.~ "'" 7zn,, F) = rcL... ~zn~_ 1 (Tz M F) = nL ~M F.

Da sich bei der gew6hnlichen Projektion an einer Hyperebene aus einer approximierbaren Funktion wieder eine approximierbare Funk- tion ergibt, erh~ilt man aus Hilfssatz 2, dab auch die allgemeine Projektion approximierbare Funktionen des R" in approximierbare Funktionen des R k tiberf'tihrt; k ist dabei die Dimension der Projektionsebene. Als eine weitere Folgerung aus Hilfssatz2 ergibt sich mit Hilfe yon (17) die Stetigkeit der allgemeinen Projektionen. Damit ist gemeint, dab ffir jede k-Ebene E aus FEA, FleA , F~--,F die Konvergenz rcEFi--+rcEF folgt.

Es kann jetzt der felgende zu Satz 1 analoge, aber wesentlich all- gemeinere Satz bewiesen werden, der die schon erw~ihnte Charakteri- sierung der allgemeinen Projektionen (und damit der gew~3hnlichen Projektionen) enth~ilt.

Satz 4. lm R" sei H eine k-Ebene (0 < k < n). Es 9ibt 9enau eine stetige lineare Abbildun 9 der approximierbaren Funktionen des R" auf die in H enthattenen approximierbaren Funktionen (als Funktionen des R k auf- 9efaj3t), welche die zusdtzliche Eigenschaft hat, daft sie J~r kompakte konvexe Polytope mit der iiblichen Orthogonalprojektion auf H ftber- einstimmt. Diese Abbilduny ist die durch (25) gegebene allgemeine Pro- jektion.

Beweis. Dal3 die durch (25) definierte allgemeine Projektion die im Satz genannten Eigenschaften hat, wurde schon gezeigt. Ist umgekehrt eine Abbildung von der im Satz beschriebenen Art, so ist fiir alle C c C QC=nnC. Daraus folgt durch lineare Kombination sofort o P = z u P far alle P ~ P. Ist schlieBlieh F c A und Pi c P, P~--*F, so hat man wegen der Stetigkeit von Q und n e QP~eF , n~,P~nnF. Wegen ~P~=nnP~ ergibt sich daraus QF = nnF, also die Gleichheit yon ~ und nn.

nH ist auch fiir k = n und k = 0 definiert. Wenn k = n gilt, so ist H = R" und zcnF=F. Im Falle k = 0 , d.h. wenn H nulldimensional, also ein Punkt ist, so folgt aus (25), daf3 nnF = )~(F) sein mull Die Konstante z(F) ist bier als eine nur im nulldimensionalen Raum H definierte Funktion aufzufassen. Die Charakteristik kann demnach als eine Projektion auf eine 0-Ebene angesehen werden. Daraus folgt insbesondere, dab die Existenz- und Eindeutigkeitsaussage yon Satz 3 ein spezieller Fall yon Satz 4 ist. Die im Satz 3 genannte Projektionsinvarianz gilt tibrigens auch fiir allgemeine Projektionen, d.h. ftir jede k-Ebene H und alle F e A gilt

Z(nl~ V) = )~(F). (32)

Page 21: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und Quermagintegrale 43

Diese Behauptung folgt sofort aus der Darstellung (26), wenn man wiederholt (24) anwendet. (32) kann aber auch als ein Spezialfall von (31) (L = H, M sei nulldimensional) aufgefaBt werden.

Nun soil noch der Fall, daB H eindimensional ist, betrachtet werden. Ist x e H und wird die Beschr/inkung von F auf die Hyperebene, die x enth/ilt und zu H orthogonal ist, mit F x bezeichnet, so zeigt die Defini- tion (25), dab n u F = x(F~) gilt. Aus (32) folgt dann, wenn x(Fx)ats Funk- tion in x aufgefagt wird z ( F ) = zO~(Fx)). Verwendet man nun die f'tir eindimensionale R~iume zust/indige Definition (1), so erh~ilt man

wobei tiber alle Unstetigkeitsstellen x i yon x(Fx) zu summieren ist. Bedeutet F die charakteristische Funktion einer Vereinigungsmenge endlich vieler kompakter konvexer Mengen, so ist dieser Ausdruck, yon technischen Einzeiheiten abgesehen, mit der yon Hadwiger [6, 7] gegebenen Definition identisch. Da rechts nur Charakteristiken •r (n-1)-dimensionale Funktionen stehen, kann diese Beziehung als eine induktive Definition der Charakteristik aufgefaBt werden.

Eine andere Beziehung, die mit Hilfe der allgemeinen Projektionen leicht hergeleitet werden kann, ist der von Hadwiger [8] hervorgehobene Produktsatz. Innerhalb der hier dargelegten Theorie kann er folgender- maBen formuliert werden.

Man denke sich den R" als kartesisches Produkt eines R k und eines R l (k + l = n) dargestellt. Fiir jedes z e R" ist dann z = (x, y) mit x e R k, y e R I. Es sei nun eine approximierbare Funktion F des R" gegeben, t'fir welche

F(z) = P(x) Q(y)

mit einem P e A k und einem Q eA tist. Dann gilt

z(F) = )~(P). x(Q). (33)

Um (33) zu beweisen, bezeichne man die im R" enthaltene k-Ebene y = 0 mit H. Ist nun 2 ein beliebiger, aber festgehaltener Punkt des R k, so gilt, wenn Pu die zu rc n geh6rige Punkttransformation bezeichnet, ph 1 (2, 0) = {(2, Y) IY e R ~} daraus folgt F A ph 1 (2, 0) = (P. Q) A ph 1 (2, 0) = P (2). Q und daher (~HF) (2, 0) = x ( f / x phi (2, 0)) = P(2)- z(Q). gs gilt also

~c HF = P- z(Q).

Wegen der Projektionsinvarianz (32) bekommt man daraus

z(F) = )~(nHF) = z (P" z(Q)) = z(P) ' ~((Q),

womit (33) bewiesen ist.

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44 H. G r o e m e r :

Schliel31ich sei noch auf eine Darstellung der Norm, die sich mit Hilfe der allgemeinen Projektionen geben l~it3t, hingewiesen. Ist F ~ A, so gilt

HFH = sup .[ I~znFI d1~". (34) H H

Dabei ist das Supremum fiber alle m-Ebenen H (0 < m < n) des R" zu erstrecken. Fiir m = 0 hat man ~ I~rzFI d# ° = Irc~FI zu setzen. Die Gtiltig-

n keit yon (34) ergibt sich durch Induktion; denn im R ° ist die Sachlage trivial, und ist (34) ffir den R k-1 schon bewiesen, so folgt aus (13) die Richtigkeit im R k.

11. lnvarianzeigenschaften der Charakteristik

Eine wcsentlichc Invarianzeigcnschaft dcr Charaktcristik wurdc bcreits bcsprochen, n~imlich die Projektionsinvarianz, die durch die Beziehung z ( ~ F ) = x(F) ausgcdriickt werden kann. Hier soll nun die Invarianz der Charakteristik bei einigen weiteren Transformationen des R", insbesondere bei isometrischen Transformationen untersucht werden.

Es sei seine beliebige isometrische Abbildung des R" auf sich selbst. Die Punkttransformation s l~Bt sich dann sofort zu einer Transformation ~r der im R" erkl~irten Funktionen erweitern. Ist F eine auf der Teilmenge M des R" definierte reelle Funktion, so sei aF diejenige Funktion, welche jedem Punkt der Form sx den Funktionswert F(x) zuordnet. Es ist also ( a F ) ( x ) = F ( s - l x ) , und der zugeh6rige Definitionsbereich ist sM. Ftir den Fall einer charakteristischen Funktion einer Teilmenge des R" stimmt diese Definition mit der tiblichen durch s induzierten Mengentransformation tiberein. ~r ist ersichtlich eine lineare Trans- formation, d. h. es gilt ~r(aF + bG) = aaF + baG. Ftir die Charakteristik einer transformierten approximierbaren Funktion kann nun der folgende Satz bewiesen werden.

Satz 5. Es sei s e i n e isometrische Transformation des R" und a die zugeh6rige Transformation der im R" definierten Funktionen. Ist F ~ A, so ist auch aF ~ A und es gilt

z(aF) = z(F) . (35)

Beweis. Im 7. Abschnitt wurde bei der Einf'tihrung der Norm darauf hingewiesen, daf5 die Normierbarkeit und die Norm einer Funktion nicht von dem im R k gew~ihlten Koordinatensystem abh~ngen. Ist s eine isometrische Transformation des R" und ist x ~R", so k6nnen bekanntlich x und s- 1 x als dieselben Punkte in verschiedenen Koordi-

Page 23: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 45

natensystemen aufgefaBt werden. Nach dem vorhin Gesagten und wegen der Definition (o-F)(x)= F(s-~x) ist daher a F normierbar und es gilt

ll(rF]! = IIrli. (36)

Aus C e C folgt aC~ C und durch lineare Kombination findet man daher, daft ftir jedes bewertete Polytop P aus P auch aP~ P sein muff. Ist nun F approximierbar, so gibt es bewertete Polytope P~, so dab PI--,F, also lim lIP/- FII = 0 gilt. Wird (36) auf P~- F angewandt, so bekommt man i ~ c ¢

demnach lira [[aPi - aFjt = 0, was mit i~c~C

aPi-* aF (37)

gleichbedeutend ist. Daraus ergibt sich sofort die Approximierbarkeit von F. Aus •(aC) = )~(C) fiir alle C 6 C folgt durch iineare Kombination 7~(aP) = z(P) fiir alle P ~ P. Damit, zusammen mit (37) und der Stetig- keit yon Z erh~ilt man (35), womit der Satz vollst~indig bewiesen ist.

Die aus (36) folgende Tatsache, dab F, ~ F die Konvergenz aF, ~ a F nach sich zieht, kann auch dadurch ausgedriickt werden, dab gesagt wird, a sei eine stetige Abbildung yon A auf A. Man kann sehr leicht zeigen, daft die hier definierten isometrischen Transformationen die einzigen stetigen linearen Abbitdungen von A auf A sind, die ftir kom- pakte konvexe Polytope mit den tiblichen isometrischen Transfor- mationen tibereinstimmen.

Es liegt nahe, anstatt der isometrischen Transformationen all- gemeinere Transformationen zu betrachten und zu versuchen, die Invarianz der Charakteristik zu beweisen. Eine solche allgemeinere Klasse yon Transformationen sind z.B. die Affinit~iten. Einige dies- beztigliche Resultate sollen hier ohne Beweis angefiihrt werden. Die Beweise sind viel schwieriger als flit isometrische Transformationen, was haupts~ichlich daran liegt, dab die Norm keine Affininvariante ist.

Bedeutet s eine regul~ire affine Transformation des R", so kann man, analog zu der fiir isometrische Transformationen gegebenen Definition, dutch die Festsetzung ( aF ) (x )= F(s- ' x) die Punkttransformation s zu einer Funktionentransformation a ausdehnen. Ist s singul~ir, so ist diese Definition nicht mehr brauchbar. Man kann aber die folgende Tat- sache beweisen:

[st s eine beliebige (regulate oder singul~ire) affine Abbildung des R" auf eine k-Ebene H (0 < k < n), so gibt es genau eine stetige lineare auf A definierte Funktion a, welche die Funktionen aus A auf die in H ent- haltenen approximierbaren Funktionen abbildet und bei abgeschlos- senen konvexen Polytopen mit der tiblichen durch s gegebenen Affini- t~t tibereinstimmt. Diese Transformation ist durch

definiert. (aF) (x) = z(F ^ s- ' (x))

Page 24: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

46 H . G r o e m e r :

Die Projektionen erscheinen hier als Spezialf~ille von Affinit~iten. Die Stetigkeit yon a bedeutet nattirlich, daB F , - - , F ( F . ~ A, F ~ A) die durch die k-dimensionale Norm definierte Konvergenz a F , ~ a F zur Folge hat. Mit Hilfe von Satz 3 folgt dann aus den soeben genannten Eigenschaften der affinen Transformationen, dab fiir jede (regul~ire oder singulgre) Aftinit~t

x(aF) = z(F)

gilt. Diese Beziehung enth~ilt sowoh] die Projektionsinvarianz (24) wie aueh die Invarianz (35) gegentiber isometrischen Transformationen.

12. QuermaBintegrale

Bisher wurde haupts~chlich das auf dem linearen Raum A der approximierbaren Funktionen des R" definierte Funktional Z betrachtet. Es sollen jetzt allgemeiner n + 1 auf A definierte Funktionale W0 ~, Wl" . . . . . W~ eingefiihrt werden, welche ebenfalls stetig, linear und invariant gegentiber isometrische Transformationen sind. Es handelt sich dabei um eine Verallgemeinerung der aus der Theorie der konvexen KSrper bekannten Quermal3integrale. Diese kbnnen ftir konvexe K6rper auf mehrere Arten eingefiihrt werden (vgl. etwa Bonnesen-Fenchel [2]). In dem hier vorliegendem Zusammenhang eignet sich daftir vor allem die yon Kubota [12] aufgezeigte M/Sglichkeit, welche es erlaubt, diese Funktionale induktiv mit Hilfe yon Projektionen einzufiihren. Dabei solten die folgenden Bezeichnungen Verwendung finden. S k sei die

k Einheitssph~ire ~ x 2 = 1 im R k. s k bedeute das auf S k definierte Fl~ichen-

mai3. Das Volumen der zu S k geh/Srigen Vollkugel werden mit xk be- zeichnet. Integrale der Form S f dsk, wobei f eine auf S k definierte

S k

Funktion ist, k~Snnen entweder als allgemeine Lebesguesche Integrale mit S k als zugrunde liegendem Raum oder, nachdem eine Parametrisie- rung yon S k vorgenommen wurde, als Riemann-Stieltjes Integrale auf- gefal3t werden. Die Integration ist dabei stets tiber ganz S k zu erstrecken. Da die hier vorkommenden Integranden auf S k definiert, endlich und stetig sind, ergeben sich dabei keinerlei integrationstheoretische Schwie- rigkeiten.

Die QuermaI3integrale k6nnen nun dutch die folgenden Festsetzun- gen induktiv definiert werden.

(a) Im R ° werde fiir jedes F ~ A °

w2 (F) = z (F) gesetzt.

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Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 47

(b) Im R ~ sollen durch den Ansatz

Wo ~ (F) = I F d# ' , 14'~ x (F) = 2z(F ) (38) R~

zwei auf A ~ erkliirte Funktionale definiert werden. (c) Sind W0 k, W~ k, ..., Wk k als Funktionale auf A k schon definiert,

so sollen Wo k+l, Wl k+~ . . . . . wk+lals Funktionale auf A k+l dadurch definiert werden, dab fiir jedes F ~ A k+~ (k > 1)

k + l d#k+l W d (F )= .[ F (39) Rk+l

und f'tir i = 1, 2 . . . . . k + 1

W?+~ 1 (r) - l (k+ 1)~k s~+~f Wik(~cn(u)F)ds k+1 (40)

gesetzt wird, H(u) ist dabei die zu dem Vektor u e S k+l orthogonale k-Ebene, welche den Koordinatenursprung o enth~ilt. ~rm,)F ist hier (bei festem u) als eine im R k definierte Funktion aufzufassen. Die Be- ziehungen (38)-(40) ergeben somit nut dann eine sinnvolle Definition der QuermaBintegrale Wi k, wenn gezeigt werden kann, dab erstens f/fir alle F ~ A k die zu I4~.k(F) fiihrenden Integrationen m6glich sind und zweitens W~k(F) nicht von dem im R k zugrunde liegendem Koordinatensystem abh~ingt. Was die erste dieser Forderungen betrifft, so ist zu bemerken, dab die Existenz der in (38), (39) vorkornmenden Integrale in der Defini- tion der Approximierbarkeit enthalten ist, und die Existenz von (40) durch den folgenden Hilfssatz gesichert wird. Die Unabh~ngigkeit der W~ k vom Koordinatensystem ergibt sich durch einen offenkundigen, nach der Dimension k fortschreitenden, InduktionsschluB.

Hilfssatz3. Es sei k eine natiirliche Zahl und F E A k+1. Bedeutet H(u) diejenioe k-Ebene, weIche zu u ~ S k+l orthogonal ist und o enthiilt, so ist Jfir i= 0 , 1 . . . . . k das Quermaflintegral I4~k(glt(u)F) eine auf S k+l definierte endliche stetige Funktion in u. Aufierdem 9ibt es eine Konstante ok, so daft/fir alle G c A k und aUe i mit 0 <_ i <_ k

[W~k(6)l ~ ck 116rl (41) 9ilt.

Beweis. Zun~ichst soll folgendes gezeigt werden: Existiert W~k(G) fiir alle G aus A k und gilt (41), so ist W~k(rrn(,~F) ftir jedes F aus A k+l eine stetige Funktion in u.

Urn diese Behauptung zu beweisen, denke man sich ein Uo aus S k+' und eine Folge {u~,} mit u m ~ S k+' und l i m u,, = u o gegeben. Zur

Abkiirzung werde anstatt H(u,~) nur H,, und anstatt H(uo) nur /4o geschrieben. Ist C e C k+l, so geht C durch eine Drehung um o,

Page 26: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

4 8 H . G r o e m e r :

die u,. in u 0 tiberfiihrt, in einen K6rper C~, fiber, so dab rcHC und gnoC,, kongruent sind. Als Teilmengen des R k aufgefaBt handelt es sich also um die gleichen Mengen in verschiedenen Koordinatensystemen, woraus man

W~k(rcu, C) = wik(~ZHoC.,) (42)

entnehmen kann. Wegen lim u,, = u o darf C m ~ C angenommen wer- rtt ~ o0

den, und daraus ergibt sich durch Verwendung von Hitfssatz 1 und (17)

nHo C,. ~ rCUo C. (43)

Da man aus (4) und der induktiven Definition yon W~ ~ entnehmen kann, dab W~ k linear ist, folgt aus (41) und (42)

t w? ( ~ . ~ c ) - t4';" (~ .o C)l = t g'~" (rC.o C,,,) - ~;k (re. ° C)l

= I W/'(rCUo C,,, - rC.o C) l _-< rk I1 rC.oC,,, - r % C l l •

Weil (43) mit l irn II~,~oCm- ~.oCll--0 gleichbedeutend ist, ergibt sich

somit die Stetigkeit yon w~k(~m.)C) als einer reellen Funktion in u. Durch lineare Kombination bekommt man dann, dab auch wik(~mu)P) t'fir jedes P ~ pk+l stetig ist. Liegt schliel31ich ein F ~ A k+L vor, und be- deutet {Pi} eine Folge bewerteter Polytope aus pk+l , ftir die P ~ F gilt, so ergibt sich mit Hilfe von (41) und (16)

[W~ k (Tru(,~Pl) - Wii k (~n(,~F)[ = I Wi k ('~H(u)(Pl -- V))] < c k [I PI -- F II .

Die stetige Funktion W~k(~m,)Pt) konvergiert also gteichmSBig gegen Wik(nmu)F). Daher ist auch Wik(~zn(,)F) ftir jedes F e A k+i eine stetige Funktion in u, und die oben angeftihrte Behauptung ist bewiesen.

Um den Beweis des Hilfssatzes zu Ende zu f'tihren, ist jetzt noch zu zeigen, dab Wik(G) for alle G ~ A k existiert und (41) gilt.

Ist k = l, so folgt dies sofort aus den Definitionen (38) und (13). Es werde jetzt die Induktionsannahme gemacht, dab die Behauptung richtig sei. Es ist dann die entsprechende Aussage ftir G e A k+l Zl.1 be- weisen. Die Definition (39) zeigt, dab jedenfalls V¢~ +1 (G) existiert und flit jedes Ck+ 1 > 1 (41) gitt. Es ist also jetzt noch wik~ 1 (G) zu untersuchen. Aus G EA k+l, der Induktionsannahme und aus dem eingangs be- wiesenen Resultat folgt, dab wik(TtH(u)G) existiert und eine stetige Funk- tion in u ist. Die Definition (40) zeigt dann, dab auch W~ k+l (G) existiert. Mit Hilfe von (40), (41), (16) und der Tatsache, dab S g+l das Ober- fl~ichenmaB (k + 1)Zk+~ hat, ergibt sich dann

1 Wik(rcn(.)G) dsk+ l lW~k+~ *(G)I= ( k + l ) ~ k f _-< x~+~c~llGll. S u + 1 )gk

Page 27: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 49

Wird ck+ 1 - xk+ lck+l gesetzt, so folgt I Wi~+-] 1 (G)I < ck+ ~tl Gll, und damit Zk

ist der Hilfssatz bewiesen. Die wichtigsten Eigenschaften der Quermal3integrale k~Snnen nun

in dem folgenden Satz zusammengefaf3t werden.

Satz 6. Die Quermaflintegrale W~, W1 n . . . . . W," sind auf A definierte stetige lineare Funktionale, die 9egenfiber isometrischen 7~'ansformationen invariant sind.

Beweis. Auf die Linearit~it der Quermagintegrale wurde bereits beim Beweis von Hilfssatz 3 hingewiesen; sie ergibt sich induktiv aus (39), (40) und (4). Aus der Linearit~it der W~n zusammen rnit (41) bekommt m a n f i i r F C A u n d G C A

IW~"(F)- W~"(G)I = ]W~"(F- G)[ ~c , I ]F - G[I

und daraus folgt unmittelbar die Stetigkeit der WA Die Invarianz yon W~ k gegenaber isometrische Transformationen

kann dadurch bewiesen werden, da~ man, wie beim Beweis der In- varianz yon X (Satz 5), V und ~F als dieselben Funktionen in verschie- denen Koordinatensystemen au~a~t. Eine andere Beweism~glichkeit besteht darin, da~ man yon Funktionen aus C (fUr die die Invarianz be- kannt ist) zu Funktionen aus e una schlieBlich zu approximierbaren Funktionen t~bergeht.

Einige spezielte F~ille der Quermagintegrale sind bekanntlich be- sonders wichtig. Bezeichnet C eine kompakte konvexe Menge, so ist

W~(C) das Volumen von C, n WI"(C) das Oberfl~ichenmag von C, n W~(C) das Integral der mittleren Krtimmung von C,

2_ W~"_ 1 (C) die mittlere Breite yon C, ~n W,"(C) die Konstante ~,, wenn C nicht leer ist. Zudem gilt noch, wie man Satz 3 entnehmen kann, dab ffir jedes

FEA

W,"(F)=xnz(F) ist.

13. Die QuermaBintegrale relativ oftener konvexer Mengen

Es soil jetzt der Zusammenhang zwischen den QuermaBintegralen relativ oftener konvexer Mengen und den Quermagintegralen der ent- sprechenden abgeschlossenen Htillen untersucht werden. Das dies- beztigliche Hauptergebnis ist in dem fotgenden Satz enthalten. Auf den 4 Math Ann 198

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50 H. Groemer:

Spezialfall i = n , d.h. auf die Berechnung der Charakteristik relativ oftener konvexer Mengen, wurde schon im 6. Abschnitt und am Schlug des 9. Abschnittes eingegangen.

Satz 7. Bedeutet G eine beschriinkte konvexe retativ offene I-dimen- sionate Menge im R"(O <__ I<_n), und bezeichnet G die abgeschlossene HiiIle yon G, so gilt ffir i = O, t, . . . , n

wi"(G) = ( - I) ~+'+~ W~"(G) (44)

Beweis. Sind i, I, k ganze Zahlen, ffir die 0 < i < k, 0_<l< k gilt, so soil durch Induktion nach k ffir alle im R k enthaltenen/-dimensionalen G

Wik(G) = (-- I¢ +'+k W?(g) (45)

bewiesen werden. Ist i = 0, so handelt es sich hier um eine tl'iviale Be- ziehung fdr die Volumina yon G und G. Wegen 0 _< i _< k ist damit auch der Fall k = 0 erledigt. Da (--l)'i+1)+l+(k+')=(--l) ~+'+k ist, bleibt demnach noch

w~,,,+,+, (G) = ( - 1)' +;+k Wik+~ i , (~) (46)

zu zeigen. Dabei ist 0 < i < k + 1, 0 <_ l < k + 1, G C R k+' vorauszusetzen. l ist die Dimension yon G.

Es mtissen zwei F~ille unterschieden werden, je nachdem l = k + 1 oder 1 < k + 1 ist.

1. Fail: l = k + l . Bezeichnet H(u) die im vorhergehenden Ab- schnitt definierte k-Ebene, so ist in diesem Falle - r i m , ) G ( I - 1)-dimen- sional und relativ often. Aul3erdem folgt aus der Definition einer Pro- jektion sofort nn(.)G = - n n ( . ) G . Damit ergibt sich aus (40) und der Induktionsvoraussetzung (45) (angewandt auf wig( - ZCni.)G))

wi~+l - t +1 (G)= ( k + l ) ~ k s~*~ ' wik( - -~mu)G)dsk+'

_(_ l)i+.-,)+k = f w i g ( - nn(,) G) ds ~+'

(k + 1) zk s;'+,

( - - l ) i+l+k

- (k + 1) zk sk I+, W?f~ . (u )~ ) d : + ' = ( - 1) ~+'+~ wi~(G).

Man ersieht daraus, dab (46) gilt, 2. Fall: l < k + t. Da jetzt die Dimension 1 yon G kleiner als die

Dimension des Raumes R k+' ist, kann die Dimension von rcmu)G yon u abh~ingen. Es ist aber leicht einzusehen, dab ffir fast alle u aus S k+' die Projektion nil(,) G/-dimensional ist, und dann nm, ) G = nn(,) G gilt. (40) und (45) ergeben daher, wenn man eine Menge vom Mage 0 vernach-

Page 29: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 51

I~ssigt

w?+~ ~ (o) = 1

( k + l ) ~ k ~k+l

(_l) i+l+k (k + 1) zk "[ Sk+ 1

( - - 1 ) i + t + k

(k + 1) ×k s ~

Wik (nm,) G) ds k + l

Wik (rCH(,,) G) ds k+ 1

wig(rim. ) 8) ds k+l = ( - 1) i+ t+k Wik+-~l ((~).

Dann gilt:

Wff (K) = z (Inhalt) Wo 2 (K) = n Wo z (/() = 0

2 W12 (K) = 2rt (Umfang) 2 W~ 2 (K) = - 2 rt 2 W12 (/() = 4re

1 = 1 (Charakteristik) 1 WEE (K) = 1 1 W] (/() = 0 w~ (g) ~-

Im R 3 sei Seine offene Vollkugel mit dem Radius 1, Sdie zugeh6rige abgeschlossene Vollkugel und S = S ' -S . Es gilt dann:

4 (g) = 3 n (Volumen)

3 Wl 3 (/~) = 4n (OberfliichenmaB)

3 W3 (g) = 2 (Mittlere Breite) 2r~

3 4--~ W3 (~) = 1 (Charakteristik)

W 3 (K) = 4 3 ~

3 I~] 3 (K) = - 4n

3 W3 (K) = 2

3 W ~ ( K ) = - I

w2 (R) = o

3 l,'Vl 3 (/() = 8

~3 w((/~)=o 2~

3 W((R) = 2

Eine bemerkenswerte Folgerung von Satz 7 und der Additivit~it der W~" sind die folgenden Beziehungen, die eine ~hnlichkeit mit der im 6. Abschnitt besproehenen Eulerschen Polyederformel haben und fiir i = n diese enthalten. Fiir konvexe Polytope wurden ~ihnliche Formeln fiir noch allgemeinere Funktionale von Shephard [16, 17] bewiesen (vgl. auch Perles und Sallee [14] und vor allem Hadwiger [10], dessen Beweis mit dem bier gegebenen sehr ~ihnlich ist). Es sei V die Vereinigung yon endlich vielen paarweise disjunkten, relativ offenen konvexen

k k Polytopen. P~, P~ . . . . . P~ seien diejenigen dieser Polytope, welche die Dimension k haben, pjk bezeichne die abgeschlossene Htille yon P~. 4*

In diesem Falle gilt also wieder (46) und damit ist der Satz bewiesen. Um den hier vorliegenden Sachverhalt zu illustrieren, sotlen die

QuermaBintegrale f'fir den Kreis und die Kugel angegeben werden. Im R 2 sei K eine offene Einheitskreisscheibe, K" die zugeh6rige

abgeschlossene Einheitskreisscheibe u n d / ( sei der Einheitskreis R - K.

Page 30: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

52 H. Groemer:

Wird dann ,,k ti, k)= w,"(Pj

gesetzt, so gilt j= 1 ( - 1) i+" Wi"(V ) = ~. ( - 1) k w(i, k). (47)

k=O

Um diese Beziehung zu beweisen, bedenke man, dab V in der Form

V = ~ P~ geschrieben werden kann. Aus der Linearit/it der Quer- k=0 j = l

maBintegrale folgt daher, wenn (44) beriicksichtigt wird

Wi"(V)--= ~ ~ W/"(Pf)=- ~ ~ (--1)i+k+"wi"(~) k=O j = l k=O j = l

= ( - - 1 ) i+n ~, (--1)kw(i,k). k=O

Damit ist (47) bewiesen. Ist Vein konvexes abgeschlossenes Polytop, so bedeutet w(i,k)

die Summe aller Querma/3integrale W~" der k-dimensionalen abge- schlossenen Seitenfl~ichen yon V. Auf den Fall i= 1 (mittlere Breite) hat Shephard [16] hingewiesen.

Ftir i= n (Charakteristik) stimmt (47) mit der Eulerschen Polyeder- formel (11) fiberein (in diesem Falle gilt ja w(i, k)= mk).

14. Stetige Funktionale

In diesem und im n~ichsten Abschnitt soil mit K die Klasse der kompakten konvexen Mengen des R" (bzw. deren charakteristische Funktionen) bezeichnet werden. Die Klasse derjenigen Mengen, die sich als Vereinigungsmengen endlich vieler KiSrper aus K darstellen lassen, wird, wie schon frfiher erw~ihnt wurde, der Konvexring des R" genannt.

Satz 6 kann man entnehmen, dab jede lineare Kombination 2 der QuermaBintegrale Wo", Wl", ..., W," ein auf dem linearen Raum A der approximierbaren Funktionen des R" definiertes Funktional darstellt, das linear, stetig und bewegungsinvariant ist. Beschrtinkt man 2 auf den Konvexring des R", so ist, wie unmittelbar aus der Linearit~it yon 2 folgt, in dem Sinne additiv, dab f'tir alle A, B des Konvexringes ).(A~ B) + 2(An B) = 2(A) + 2(B) gilt. AuBerdem ist 2 bewegungs- invariant und Hilfssatz 1 zeigt, dab die Beschr~inkung von 2 auf K stetig ist (bei Verwendung der Hausdorff-Blaschke Metrik). Hadwiger [-3-5, 7] (vgl. auch Blaschke [1], S. 105ft.) hat die wichtige Tatsache erkannt, dab umgekehrt jedes auf dem Konvexring definierte Funktional, dab additiv, bewegungsinvariant und auf K stetig ist, als lineare Kombina- tion der QuermaBintegrale dargestellt werden kann.

Page 31: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaNntegrale 53

Unter Heranziehung dieser Ergebnisse yon Hadwiger soil hier eine entsprechende Aussage ftir die auf A definierten Funktionale be- wiesen werden.

Satz 8. 1st ~p ein auf A definiertes tineares, stetiges und bewegungs- invariantes Funktional, so 9ibt es genau ein System yon Konstanten ao, ax, . . . , an, SO daf t

tp = ~ ai W~" (48) i=O

gilt.

Beweis. Aus dem genannten Ergebnis yon Hadwiger folgt, da$ es Konstante ao, al, . . . ,a , gibt, so dab auf dem Konvexring, und daher auch auf C (48) gilt. Wegen der Darstellung (5) und der Linearit~it von q~ und den W~" bekommt man dann die Gtiltigkeit von (48) for den Bereich P der bewerteten Polytope. DaB (48) auch fiir approximierbare Funktionen gtiltig ist, folgt dann wegen der Stetigkeit yon tp und den I~" dadurch, daf3 man zu einem gegebenen F s A eine Folge Pj mit Pj ~ P und Pj ~ F bestimmt, und in

q~ (Pj) = ~ a i W~" (Pj) i=O

beiderseitig fiir j-~ ~ zum Grenzwert tibergeht. Die Eindeutigkeit der a i ergibt sich bereits aus der Darstellung (48), wenn man sich auf Mengen aus K beschr~inkt (s. Hadwiger l.c.).

15. Monotone Funktionale

In den im vorigen Abschnitt genannten Arbeiten bewies Hadwiger nicht nur einen Darstellungssatz fiir stetige Funktionale, sondern auch einen entsprechenden Satz fiir monotone Funktionale. Dieses Resultat soil jetzt auf den hier vorliegenden Fall fibertragen werden. Zun~ichst ist zu erkl~iren, was dabei unter einem monotonen Funktional zu ver- stehen ist, denn fiir nicht konvexe Mengen ist dies keineswegs selbst- verst~indlich.

Durch die folgende Festsetzung werde in A eine teilweise Ordnung ~< erkl~irt.

Ist A e A und B e A, so gelte A < B genau dann, wenn ffir jede k- Ebene H des R"(k = 0, 1 . . . . . n) ~nA <= ~zHB gilt (N bezeichnet die iibliche ftir reelle Funktionen definierte ,,kleiner oder gleich" Beziehung). Man erkennt unmittelbar, dab aus dieser Definition die folgenden Regeln hergeleitet werden k6nnen. A, B, C, D sind dabei beliebige Funktionen aus A.

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54 H. G r o e m e r :

(a) Es gilt A ~< A. (b) Aus A ~< B, B ~ A folgt A -- B. (c) Aus A ~ B, B ~ C folgt A ~< C. (d) Aus A <~B, C <~D folgt A + C ~ B 4 D. (e) Aus A ~< B folgt aA <~ aB oder aB <~ aA je nachdem a _-> 0 oder

a__<0 ist. (f) Gilt A ~ K, B ~ K, so ist A ~< B mit A __< B gleichbedeutend. SchlieBlich bekommt man noch aus (31): (g) Ist H eine Hyperebene und A ~< B, so gilt n•A <~ nNB; dabei ist

die zweite ~< Beziehung als eine Relation im R n-x aufzu[assen. Ein auf A definiertes Funktional ~0 heiBe monoton, wenn aus A <~ B

die Ungleichung tp(A)<=~p(B) folgt. Z.B. ist I41o" ein monotones Funk- tional. Allgemeiner folgt aus (g) mittels der induktiven Definition der Wi" sofort, dab alle QuermaBintegrale Wo", W~" . . . . . IV," auf A definierte monotone Funktionale sind. Selbstversf, indlich ist daher auch jede lineare Kombination mit nicht negativen Koeffizienten ein monotones Funktional.

Um ein zu Satz 8 analoges Resultat beweisen zu k~Snnen, ist noch die folgende Definition n6tig.

Eine Funktion F ~ A heiBe beiderseitig approximierbar, wenn es zwei Folgen {A j}, {Bj} mit A i ~ P, B~ ~ P gibt, so dab A t < F < Bj und A j ~ F , B j ~ F gilt. Aus (d) und (e) folgt, dab die Menge der beiderseitig approximierbaren Funktionen einen linearen Teilraum ,4 yon A bildet. Ein bekannter Approximationssatz aus der Theorie der konvexen K6rper, zusammen mit (f) und Hilfssatz 2 zeigt zudem, dab jedenfalls K C,4 gilt und daher der ganze Konvexring des R" in , t enthalten ist. Selbstverst~indlich gilt auch P C A.

Nun kann der folgende Darstellungssatz bewiesen werden.

Satz 9. Ist ~p ein auf .4 definiertes lineares bewegungsinvariantes monotones Funktional, so 9ibt es 9enau ein System nicht negativer Zahlen a o, a 1, ..., a,, so daft

q~ = ~ al W~" (49) M

i=O gilt.

Beweis. Hat q3 die genannten Eigenschaften, so handelt es sich um ein Funktional, das jedenfalls auf dem Konvexring des R" definiert, additiv und bewegungsinvariant ist. Wegen der Eigenschaft (f) ist augerdem die Beschr~inkung von q~ auf K ein im iiblichen Sinne mono- tones Funktional. Nach den genannten Ergebnissen von Hadwiger gilt daher auf dem Konvexring (und somit insbesondere auf C)

~0 = ~ a~ W~" mit eindeutig bestimmten nicht negativen Konstanten a~. i = 0

Page 33: Eulersche Charakteristik, Projektionen und Quermaßintegrale

Eulersche Charakteristik und QuermaBintegrale 55

D u r c h l ineare K o m b i n a t i o n tibertr~igt sich diese D a r s t e l l u n g sofor t

a u f P , Ist F e , 4 u n d Aj<F<Bj, AjeP, Bj~P, Aj~F, Bj~F, so ha t man, da ~0 m o n o t o n ist q)(Aj)<p(F)<q~(B~). W e g e n AjeP, Bj~P folgt da raus

aiW~n(Aj)<':P(F)N ~ aiWi"(Bj). i = 0 i = 0

Well die Que rma l3 in t eg ra l e s te t ig s ind und A; e F, Bj e F gilt, b e k o m m t m a n somi t

aiWi (F)<cp= = i = 0 i = 0

also die v e r l a n g t e D a r s t e t l u n g (49).

Aus Satz 9 folgt i n sbesonde re , dab j edes au f ,4 def in ie r te l ineare b e w e g u n g s i n v a r i a n t e m o n o t o n e F u n k t i o n a l s tet ig ist.

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Dr. Helmut Groemer Depar tment o f Mathematics The University of Arizona Tucson, Arizona 85 721, USA

(Eingegangen am 11. November t 9 71)