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(Aus der Lupusheilstatte Giel3en [Direktor: Prof. Dr. Alb. Jesionek].) Experimentelle ttauttuberkulose beim Kaninchen. Von K. H. Osterhage. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Oktober 1934.) Einleitung. In Anlehnung und als Fortfiihrung der Untersuchungen Jesioneks fiber die Tuberkulose des Hautorganes beim tierischen Organismus ist die vorliegende Arbeit entstanden. Sie geht yon dcm Gedanken aus, dab unsere Kenntnis der Pathogcnese und des Wesens der Hauttubcr- kulose nur dann eine vollstii, ndige sein kann, wenn die Vielgestaltigkeit des hauttuberkulSsen Krankheitsprozesses bei verschiedenez Tierarten in eingehenden Einzeluulersuchungen erfal~t und gedanklich verarbeitet worden ist. So stellt diese Arbeit, welche die experimentell erzeugtc Hauttubcrkulosc des Kaninchens zum Gegenstand hat, einen Ausschnitt aus einer grSBeren, verschiedene Tierarten umfassenden Versuchsrcihe dar, welche ich auf Anregung und mit Unterstiltzung meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. Alb. Jesionek, an der Lupusheilsttitte Giel3en durchfiihren konnte. Wenn man das Wesen eines spezifischen Krankheitsprozesses, wie der Tuberkulose, experimentell und auf dem Wege logischer, auf Grund des Experimentes sich ergebender Folgerungen erfassen will, so ist neben einer gut ausgebau~en und erprobten Technik eine konstante und plan- m/il3ige Anordnung und Durchfiihrung der Tierversuche notwendige Voraussetzung. Jesionek (1925, 1929) und seine Schiller [yon Gru~d- herr (1925), Krah (1928)] haben ihre bei experimentell erzeugten Haut- tubcrkulosen angewandten Untersuchungsmethoden in verschicdenen Arbeiten dargestellt, so dal3 ich reich bei der Schilderung der yon mir durchgeffihrten Untersuchungen und der angewandten Untersuchungs- methoden, die sich unmittelbar an die yon Jesio~ek beschriebenen an- schliel3en, auf das Wesentlichste bcschrtLnken kann. Die Aufgabe der vorlicgenden Arbeit bcstand nicht allein in ciner genauen Schilderung der histologischen und ehemischcn VerSndcrungen, die sich bei Einverleibung yon lebenden und totcn Tuberkelbacillen in dem Hautorg~n des Kaninchens vollziehcn, sondern vor allem in der Eingliederung der gewonnenen Erkenntnisse in unsere Vorstellung veto Wesen der ttauttubel'kulose beim Tier ganz allgemein und in ihrer Be- ziehung zur ttauttuberkulose des Menschen. Unscre Ausfiihrungcn werden 2crchiv f. Dcrmatologie u. Syphilis. Bd. 170. 42

Experimentelle Hauttuberkulose beim Kaninchen

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(Aus der Lupusheilstatte Giel3en [Direktor: Prof. Dr. Alb. Jesionek].)

Experimentelle ttauttuberkulose beim Kaninchen. V o n

K. H. Osterhage.

Mit 7 Textabbildungen.

(Eingegangen am 2. Oktober 1934.)

Einleitung. In Anlehnung und als Fortfiihrung der Untersuchungen Jesioneks

fiber die Tuberkulose des Hautorganes beim tierischen Organismus ist die vorliegende Arbeit entstanden. Sie geht yon dcm Gedanken aus, dab unsere Kenntnis der Pathogcnese und des Wesens der Hauttubcr- kulose nur dann eine vollstii, ndige sein kann, wenn die Vielgestaltigkeit des hauttuberkulSsen Krankheitsprozesses bei verschiedenez Tierarten in eingehenden Einzeluulersuchungen erfal~t und gedanklich verarbeitet worden ist. So stellt diese Arbeit, welche die experimentell erzeugtc Hauttubcrkulosc des Kaninchens zum Gegenstand hat, einen Ausschnitt aus einer grSBeren, verschiedene Tierarten umfassenden Versuchsrcihe dar, welche ich auf Anregung und mit Unterstiltzung meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. Alb. Jesionek, an der Lupusheilsttitte Giel3en durchfiihren konnte.

Wenn man das Wesen eines spezifischen Krankheitsprozesses, wie der Tuberkulose, experimentell und auf dem Wege logischer, auf Grund des Experimentes sich ergebender Folgerungen erfassen will, so ist neben einer gut ausgebau~en und erprobten Technik eine konstante und plan- m/il3ige Anordnung und Durchfiihrung der Tierversuche notwendige Voraussetzung. Jesionek (1925, 1929) und seine Schiller [yon Gru~d- herr (1925), Krah (1928)] haben ihre bei experimentell erzeugten Haut- tubcrkulosen angewandten Untersuchungsmethoden in verschicdenen Arbeiten dargestellt, so dal3 ich reich bei der Schilderung der yon mir durchgeffihrten Untersuchungen und der angewandten Untersuchungs- methoden, die sich unmittelbar an die yon Jesio~ek beschriebenen an- schliel3en, auf das Wesentlichste bcschrtLnken kann.

Die Aufgabe der vorlicgenden Arbeit bcstand nicht allein in ciner genauen Schilderung der histologischen und ehemischcn VerSndcrungen, die sich bei Einverleibung yon lebenden und totcn Tuberkelbacillen in dem Hautorg~n des Kaninchens vollziehcn, sondern vor allem in der Eingliederung der gewonnenen Erkenntnisse in unsere Vorstellung veto Wesen der ttauttubel'kulose beim Tier ganz allgemein und in ihrer Be- ziehung zur t tauttuberkulose des Menschen. Unscre Ausfiihrungcn werden

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sich daher sowohl mit den Antituberkulinen, als der Summe der den Tuberkelbacillus angreifenden und vernichtenden, mit chemischer Affini- ta t zu diesem begabten Substanzen in gleicher ~Veise zu besch~ftigen haben, wie mit der antituberkul6sen Funktion des Hau~organes. Die Schilderung der Verschiedenartigkeit der sich abspielenden Gewebs- reaktionen beim nicht tuberkul6sen und beim bereits tuberkulose- erkrankten, d .h . beim ,,konstitutionell tuberkul6sen Tier" und ihre bewu8te scharfe Trennung und Auswermng ist eine Hauptaufgabe der vorliegenden Arbeit.

A r b e i t s m a t e r i a l u n d U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e n . Die vorliegenden Untersuchungen fiber eine experimentell erzeugte Haut-

tuberkulose wurden an Kaninehen vorgenommen. Um das Krankheitsbild in seiner Entwicklung und in seinen verschiedenen Stadien erkennen und besehreiben zu kSnnen, wurden Impfungen mit lebenden und toten Tuberkelbaeillen bei nicht- tuberkulSsen und bei bereits mit Tuberkelbacillen vorbehandelten Tieren durch- geffihrt. Diese Impfungen effolgten meist in die Curls und Subcutis, selten (zu Vergleichszwecken) intraperitoneal. Um eine ,,FremdkSrperwirkung" der yon uns injizierten Stoffe (insbesondere der toten Tuberkelbacillen) ausschlieBen zu k6nnen, haben wir im Parallelversuch Impfungen mit einer sterilen Aufschwemmung yon Gips in physiologiseher Koehsalzl6sung vorgenommen.

Die yon uns verwandten Tuberkelbacillen (ausschliel]lich Tuberkelbaeillen vom humanen Typus) wurden aus menschliehem Sputum auf Glycerinbouillon (Pepton Witte) in Reinkultur geziiehtet. Aus den zerkleinerten, nicht zu alten Baeillenrasen stellten wir eine Aufsehwemmung yon Tuberkelbacillen in physiolo- gischer KoehsalzlSsung her, die unmittelbar darauf in dieser Form injiziert wurde.

Bei der Einverleibung lebender Tuberkelbaeillen handelt es sich um die gleichzeitige Applil~tion versehiedener wirksamer Subs~anzen - - um die Summe aller im Organismns Tuberbclba, efllus gelegenen und neu ent- stehenden Substanzen ~ , die anf den ~rirtsorganismus sehr versehiedene Wirkungen gusl6sen k6nnen. Von Jesionek 0929) werden drei grebe Gruppen innerhalb dieser wirksamen Substanzen untersehieden, deren Trennung auf physikMisch-chemischem Wege m6glieh und deren patho- gene ]Virksamkeit beim Meerschweinchen im einzelnen nachgewiesen worden ist ~ das Ektotuberku]in und die Endotuberkuline A und X. Wenn nun lebende Tuberkelbaeillen in irgendeinem Organ des K6rpers ihre pa~hogene Wirksamkeit en~falten, sei es, dal3 sie auf dem natiirliehen Infektionswege oder im Experiment. an den Oft ihrer Lebensbet~tigung gelangen, stets handelt es sich um die Wirksamkeit versehiedener Tuber- kuline, um eine Summe yon chemischen Einzelreaktionen, die ira Krank- heitsbild nicht ohne weiteres voneinander zu trennen sind.

Arbeitet man dagegen mit ,,toten" oder ,,gekochten" Tuberkel- bacillcn, dig nach Jesionek die schwerl6sliehen Leibessubstanzen der Tuberkelbaeillen darstellen, so handelt es sigh bei diesem Endotuberkulin X um eine bcstimmte, festumrissene Teilgruppe yon tuberkul6sen Sub- stanzen, mit denen, wie Jesionek, Krah und vo~ Grundherr gezeig~ baben, exakte und eindeutige Versuche durchgGffihrt werdcn k6nnen.

Experimentelle Hauttuberkulose beim Kaninehen. 695

Die Vorg/~nge, die sich nach er fo lg ter I n j e k t i o n an der Impfs te l lo abspie len, wurden t£glieh f iberwaeht und i nP ro toko l l on niedergelegt 1 E r s t e in Vergleieh der Pro tokol le derse lben Versuehssorie k a n n uns die Kenn t - nis und das Verst~ndnis eines Sondcrfal lcs des tuberku l6sen Krankhe i t s - geschehens ve rmi t t e ln . Wie sich dann unsere K e n n t n i s fiber die Tubcr- kulose eines bes t immten Organes aus dem Vers tehen dieses Einzel- geschehens zu e inem Gesamtb i lde erg~nzt und ab runde t , h a t Jesio~ek in scinen e ingehenden Untc r suchungen fiber die Tuberkulose des H a u t - organes be im Meerschweinchen gezeigt .

W'enn wir mi t lebenden bzw. m i t to t en Tuberke lbac i l l en exper imcnte l t e inen K r a n k h e i t s h e r d erzeugen, so s ind wir uns dar f iber k lar , dal] dieser K r a n k h e i t s h e r d mi t dem un te r na t f i r l i chen Bed ingungen zus tande k o m m e n d e n n i c h t ident isch ist . Abgesehen davon , dab eine auf na t i i r - l ichem Infekt ionswege en t s t ehende Tuberkulose des H a u t o r g a n e s be im K a n i n c h e n wohl kaum v o r k o m m t und da[] in diesem Sinne die yon uns durchgef i ihr te in t racu tane , subcu tane und in t rape r i tonea le I m p f u n g e inen durchaus wi l lk i i r l ichen Eingr i f f da r s t e l l t , s ind aueh die ein- ve r l e ib ten tuberku lSsen Agen t i en yon den im Organismus vorkom- menden tuberku lSsen Stoffen verschieden. Die auf k / ins t l ichem N£hr- s u b s t r a t l ebenden Tuberke lbae i l l en haben andere biochemische Qua- ]it/~ten, als die im lebenden Organismus v o r k o m m e n d e n Bacillcn. Der t o t e Tuberkelbae i l lus , das schwerlSsliehe E n d o t o x i n X, ist, v o m che- mischen S t a n d p u n k t aus be t r ach te t , e twas Verschiedenes, je nachdem die T6tung des Baci l lus mit tols hei[lem W a s s e r d a m p f oder un tc r der E inwi rkung yon be s t immten , ,bac i l len t6 tenden" K6rpe r subs t anzen er- folg~ ist .

x In der Originalarbeit sind die Protokolle iiber die vorgenommenen Versuche in einem besonderen Absclmitt zusammengestellt. Wegen Raummangets haben wir jedoch auf die Wiedergabe der Protokolle sowohl, wie der in der Originalarbeit enthaltenen Kurvenbilder verziehten miissen. Wir hatten diese kurvenmiiBigc Darstellung des hauttuberkul~isen Krankheitsprozesses aus dem Grunde versueht, weil uns die GleichfSrmigkeit und der - - allerdings in gewissen Grenzen ~ gleiche Ablauf der Reaktionen auffiel und es andererseits darauf ankam, das tuberkulSse Krankheitsbild im einzelnen Falle klar und eindeutig zur Darstellung zu bringcn. Bereits Tiedeman~ und Schnieder (1931) haben bei ihren BCG-Sehutzimpfungs- versuehen beim Meerschweinchen eine graphische Darstellung des Ablaufs der Gewebsreaktionen gebraeht, die im Wesen der yon uns - - unabh/ingig von ihnen gefundenen kurvenm/~Bigen Wiedergabe entspricht. Eine absolute Gesetzm~Bigkeit im Ablauf der Gewebsreaktionen wird sehon aus dem Grunde nicht erwartet werden k6nnen, well die Menge der injizierten TuberkelbaciUen trotz aller aufgewandter Sorgfalt stets verschieden ausfallt und abgesehen yon den Verschiedenheiten, die wir im Organismus der einzelnen Tuberkelbacillen annehmen miissen, der Organismus jedes einzelnen Versuchstieres eine bestimmte verschiedene chemische Affinitab zum Tuberkelbacillus besitzt, yon der das Zustandekommen und der Ausfall der Reaktionen abh/~ngt. Vergleieht man aber die einzelnen Kurvenbilder miteinan- dcr, so ist ein in bestimmten Grenzen gleichf6rmiger Ablauf der Gewebsreak- tionen leicht zu erkennen, der itH'e sehem~tische Wiedergabe rechtfertigen wiirde.

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Die makroskopisch-klinische Beobaehtung des Krankheitsprozesses haben wir dutch die mikroskopische Untersuchung des entst~ndcnen Krankheitsherdes erg~nzt. Urn reine Versuchsergebnisse zu erhMten, warcn wir gezwungen, jcdes Versuchstier nut zu einem Versuch heranzuziehen und es yon weiteren Versuchcn auszuschliegen. Es wurden zu jeder Versuchsreihe etwa gleieh alte und gleich kr~ftige m~nnliche Tiere verwandt. Der Krankheitsherd, den wir nach 1, 2, 3, 5, 9, 12, 18, 25 Tagen zumeist excidierten, wurde in Bouinscher Flfissigkeit fixiert und nach der Methylbenzoat- celloidin-Paraffin-Methode (Pdterfl) eingebettet. ~ber einige wichtige Einzclhelten der Fixierung uncl Einbettung und fiber das Schneiden der schwer schneidbaren Objekte babe ich an anderer Stelle zusammenfassend berichtet [Osterhage {1933)].

Die Schnitte wurdcn mit den gebriiuchlichen Fi~rbemethoden (H~matoxylin- Eosin, nach va~ Gieson, Resorcflffuchsin, Silberimpr~gnation nach Bielschowsl~y- ~laresch) behandclt. Die Darstellung der Tuberkelbaeillen im Schnittpr~parat gelingt mit CarbolfuehsinlOsung (Ziehl-Nelson), in der die Pr~parate, ohne erwi~rmt zu werden, 12--24 Stunden verbleiben. Dann differenziert man mit l%igem Salzs~urealkohoL spiilt dic Sehnitte mit destilliertem Wasser gut ab und behandelt sie wic die iibrigen Setmitte weiter. An Steile der nut schleeht gelingenden Methylen- blaufarbung haben wir zur Naehf~rbung der Sehnitte zumeist das Hhm~toxylin verwandt.

Wir waren uns der Verantwortung, die wir mit dcr Durchf i ihrung unserer Tierversuehe iibernahmen, yell bewuBt. Wir glaubtcn uns aber zu ihrer Durchf i ihrung um so mehr berechtigt, als eine zielbcwugte und unffassende Darstellu~,g der Haut tuberkulose beim Kaninchen, ins- besondere unter Beriicksichtigung neuerer Anschauungen fiber das ~Vesen der Haut tuberkulose in Anlehnung an die yon Jesione~ beim Meerschweinchen durchgefiihrten Untersuchungen bis heute nicht ge- bracht worden war. S/imtliche impfungen wurden in schonendster Weiso vorgenommen; ve t der Excision des Krankhei tsherdes wurden die Tiere mittels eines ~ther-Chloroformgemisches abget6tet .

Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit verdanke ich meinem hoch- verehrten Lebrer, Her rn Prof. Dr. Alb. Jesione]c, der mir aueh bei meinen Untersuchungen mit s tetem Interesse und grSgter Bereitwilligkeit beratend zur Seite s tand ; sollten meine Versuche doch die Best~tigung (lessen bringen, was Prof. Jesionelc selbst bei einer anderen Tierart in zahlreichen und exakten Untersuchungen naehgewiesen und bcschrieben hatte. Es ist mir dringendstes Bediirfnis, meinem verehr ten Lehrer auch an dieser SteUe fiir seine stere Hilfe und bereitwillige Unters t i i tzung ergebenst zu danken.

( J b e r T u b e r k u l o s e d e s H a u t o r g a n e s b e i m K a n i n c h e n .

~berbl ickt man die Zahl der Untersuehungen, die sich mit der Tuber- kulose des Kaninchens besch~ftigen, so ist m an iiberrascht, wie gering die Zahl der vorlicgenden Arbei ten ist, im Gegensatz zu den zahlreiehen Versuchen, die das Meerschweinchen zum Gegenstan4 haben. Den Grund dafiir haben wit nach Lewandowski (1916) darin zu erblicken, dab das Kaninchen im Gcgensatz zum Meerschweinchen, das ffir den Tuberkel- bacillus £u[~erst empfiinglich ist und seine Einverleibung kons tan t mit den

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gleichen Gewebsrcaktionen beantworten sell, einen weit geringeren Grad dcr Empf~nglichkeit gegenfiber dem Tuberkelbacillus besitzt und dal~ die Appllkation yon Tuberkelbacilten h~ufig zur Entstehung wenig charakteristischer und unkonstanter Krankheitsbildcr fiihrt. ])as Zn- standekommen einer spontanen Tuberkulose beim Kaninehen diirfte naeh dem Stand unserer heutigen Erkenntnisse tatsi~chlich hSchst selten sein. ~{an hat aus diesem Grunde yon einer natiirliehen ,,Tuberkuloseimmunitiit" des Kaninchens sprechen zu kSnnen geglaubt. Die Untersuchungen won Baumgarten (1885, 1901) und I, Votanabe (1903) haben jedoeh gczeigt, dal3 der Organismus des Kaninchens durchaus f~hig ist, an Tuberkulose zu erkranken, d. h. die Einverleibung yon Tuberkelbacillen mit eharakte- ristischen Reaktionen und mit der Bildung spezifisch tuberkulSser Zell- formationen zu beantworten. Sowohl der humane, wie der bovine Typus des Tuberkelbaeillus iiben auf den Kaninchenorganismus ihre pathogene Wirksamkeit aus. Gegenfiber dam Meerschweinchenorganis- mus besteht jedoeh der Untersehied, da6 Tuberkelbacilten, die bereits eine Tierpassage durchgemaeht haben (ZewandowJci), nur setten beim Kaninchen ihre volle pathogene Wirksamkeit cnt.falten. Aus diesem Grunde ist man immer mehr davon abgekommen, das Kaninchen als Testobjekt, d .h . als Versuehstier im eigentlichen Sinne, fiir das Vor- handensein yon Tuberkelbaeillen in irgendwe]chen Substraten zu be- nutzen, obgleich die yon Baumgarten angewandte Methode der in- traokularen Bacilleneinverleibung verh~Itnismi~6ig sichere Resultate ergab.

Die Struktur des tuberkul6sen Krankheitsherdes bcim Kaninchen und die Ver~nderungen, die das tuberkulSse Gewebe veto Zeitpunkt der Entstehung epitheloider Zellformationen an bis zur sehliel~lichen Gewebs- aufl6sung (Verk~sung) erf~hrt, wurden yon Baumgarten, Wotabene und Le.wandowski eingehend untersucht und beschrieben. W~hrend Baum- garten das Zustandekommen einer Organtuberkuloso durch intraokulare Einimpfung yon lebenden Tuberkelbacillen erreichte, ging Wotanabe bei seincn Untersuchungen in anderer, den natiirlichen Infekt.ionsverh~iltnissen n~herkommender Weise vor; er erzeugte durch Einfiihrung yon Tuberkel- bacillen in die Trachea experimentell eine Lungentuberkulose beim Kaninchen, die in ihrem Verlauf mit dem Prim~rkomplox der Lungen- tuberkuloso des Menschen weitgehende l~bereinstimmungen zeigte.

Uber eine experimentell erzeugte Hauttuberkulose beim Kaninchen wurde yon Lewandowski im Zusalnmenhang mit den beim Meer- schweinchen erzeugten tuberkul6sen ttautver~nderungen berichtet. Wio bereits vorher betont wurde, land Lewandowski beim Kaninchen einen unkonstanten und wenig charakteristischen Ausfall der im Gefolgo der Einverteibung yon TuberkelbacilIen in der t t au t sich abspielenden Gewebsreaktionen. Eine isolierte Anwendung oinzelner tuberkulSser Agentien, wie sie yon Jesionek beim Meersehweinchen durehgefiihrt

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wurde, und eine Erkl/irung des sich abspielenden Krankheitsgeschehens unter dcm Gesichtswinkel einer biochemischen Betrachtungsweise ist beim Kaninchen bisher nicht versucht und angestrebt worden.

D e r t u b e r k u l i i s e Krankheitsberd beim g e s u n d e n K a n i n c h e n .

Ekto-Endo-Tuberkulose der Cutis.

Wenn wit im folgenden zwischen der Ekto-Endo-Tuberkulose und der Endo-X-Tuberkulose der Haut unterscheiden, so geschieht dies nicht, welt ein prinzipieller Unterschied zwischen beiden Krankheits- prozessen bestiinde, sondern aus der l~berlegung heraus, dab die durch Einverleibung lebender Tuberkelbacillen hervorgerufene Ekto-Endo- Tuberkulose den natiirlichen Infektionsverh/~ltnissen und dem na~iirlichen Krankheitsbild am ehesten nahekommt, die durch Applikation yon ,,toten" Bacillen erzeugte Endo-X-Tuberkulose dagegen eine exakte Prtifung und Einzelanalyse der sich bei der Infektion und im Anschlu6 an diese abspie|enden biochemischen Vorg~nge ermSglicht.

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Krankheitsprozessen ist folgender. Bei dem yon mir in Anlehung an Jesione]c als Ekto-Endo- Tuberkulose bezeichneten Krankheitsgeschehen handelt es sich um einen Vorgang, der unter der Einwirkung s/~mtticher wirksamer tuberkulSser Substanzen zustande kommt. Sowohl die yon den Tuberkelbacillen aus- geschiedenen Stoffwechselprodukte, das Ekto-Tuberkulin Jesioneks, wie die giftigen Leibessubstanzen der Tuberkelbacillen, die nach ihrer T6tung frei werden, die Endo-Tuberkuline A und X, gelangen dabei zur Wirk- samkeit. Dieses Zusammenwirken yon Ekto- und Endo-Tuberkulinen miissen wir, abgesehen vielleicht yon einigen besonders gelagerten F/~llen (Lupus), fiberall da annehmen, wo unter der Einwirkung lebender Tuberkelbacillen im Organismus ein tuberkulSser KrankheitsprozeB sich entwickelt.

Bei der Endo-X-Tuberkulose haben wir es dagegen sozusagen in der Hand, eine bestimmte, aus der Masse der Tuberkuline herausgegriffene Gruppe isoliert in einem Organ des KSrpers zur Wirksamkeit gelangen zu lassen und die dabei sich abspie|enden Reaktionen im einzelnen zu verfolgen.

Injiziert man in die Cutis eines Kaninchens eine kleine Menge lebender Tuberkelbacillen, so erkennt man nach einigen Stunden im Bereich der Injektionsstelle das Auftreten einer RStung, die sich allm/ihlich ver- grSi~ert. Nach 24 Stunden sind gewShnlich neben diesem einen Symptom einer akuten Entziindung als weitere Merkmale Schwellung und Tem- peratursteigerung im Bereich der Impfstelle leicht wahrzunehmen. An der Injektionsstelle sieht man h/~ufig eine erbsen- bis einpfennigstiickgroBe knStcherdSrmige VorwSlbung, die oft ein helleres an/imisches Zentrum zeigt und yon einem hyper/i, mischen hochroten Hof umgeben wird. Diese

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kn6tchenf6rmige Vorw61bung entspricht dabei in ihrer Ausdehnung oft der Gr6l]e der bei der Einspritzung entstandenen, aber bald verschwinden- den Quaddel. In den n£chsten Tagen nimmt die Ausdehnung des Ent- zfindungsprozesses meist etwas ab. Untersucht man den Krankhcitsherd jetzt etwas genauer, so erkennt man auf der Kuppe des Entzfindungs- herdes oft etwas eitrige Fliissigkeit, die sich durch eine oder mehrcre winzige 0ffnungen nach aul~en entleert hat.

Im mikroskopischen Schnittpr/iparat sieht man bereits nach 24 Stun- den einen deutlich ausgepri~gten, aus Leukocyten und Lymphocyten

Abb. 1. T i e r 1/33. T o t e Tuberke lbac i l l en i n t r a e u t a m 2. Tag . I n de r Cu t i s is t c inc A n s a m m - lung yon E i t e r k S r p e r e h e n zlx e rkennen . I n m i t t e n des E i t e r h e r d e s l iegen zahlreiche, noch n ich t aufge lSs te kol ]agene Fase rn . Die U m g e b u n g des K r a n k h e i t s h e r d e s be f inde t sich i m

Z u s t a n d e e ine r l e b h a f t e n r e a k t i v e n En tz i i ndung . Vergr . 30 × .

gebildeten AbsceB (Abb. 1). Der Eiterhercl ist an der Stelle entstanden, wo wir die lebenden Tuberkelbacillen einverleibten. Diese liegen zum Tei| in grSBeren Haufen, teils einzeln massenhaft zwischen den Eiterzellen. Das Auffallendste im histologischen Bild ist jedoch die weitgehende Aufl5sung der Bindegewebselemente im Bereich des Abscesses, also an der Stelle, an der lebende Tuberkelbacillen zur Einwirkung auf lebendes Gewebe gekommen sind (Abb. 1 und 2). Diese AuflSsung des Binde- gewebes schreitet allm~hlich fort, bis nach 3--4 Tagen im Bereich des Eiterherdes oft keine Spur mehr davon vorhanden ist. Die einzelnen Bestandteile des Bindegewebes fallen nacheinander und verschieden schnell der Aufl5sung anheim. Am friihesten werden die ze|ligen Binde- gewebselemente (Fibroblasten und Fibrocyten), langsamer die elastischen und kollagenen Faserelemente aufgel5st. Selbst 6--7 Tage nach der Ein- spritzung konnten wir noch nicht vollst~ndig aufgelSste, allerdings in ihrer Form stark ver~nderte, destruierte kollagene Fasern nachweisen. Diese relativ groBe Widerstandsf£higkeit der kollagenen Fasern selbst

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lebenden Tuberkelbacillen gegeniiber findet man beim Kaninchen durch- weg best/~tigt, w/~hrend beim Meerschweinchen eine sehr friihzeitige AuflSsung dieser Elemente stattfindet. Man hat dabei jedoch zu beriick- sichtigen, da~ die Menge der injizierten Bacillen und somit die Intensit/~t des wirksamen tuberkulSsen Prinzips das Aussehen des zustande kommen- den Krankheitsherdes weitgehend mitbest immt.

Am 3.--4. Tage nach der Impfung ist der Abscel3 zumeist durch das Epithel durehgebrochen und ein Teil des Eiters mit den darin liegenden

A b b . 2. T i e r 6/33. L e b e n d e T u b e r k e l b a c i l l e n i n t r a c u t a n . 4. T a g . I m B e r e i c h d e r I m p f - s t e l l e i s t e i n a u s g e d e h n t e r m ~ e h t i g e r Abscel3 e n t s t a n d c n (I . P h a s e ) . D i e B i n d e g e w e b s - e l e m e n t e i n n e r h a l b des E i t e r h e r d e s s i n d f a s t r e s t l o s a u f g c l S s t . D i e h e l l e r e n S t e l l en i n n e r - hal l ) des A b s c e s s e s k ( ) m m e n d a d u r e h z u s t a n d c , dal~ in u n m i t t c l b a r e r N ~ h e d e r in j i - z i e r t e n B a e i l l e n d i e B e s t a n d t e i l e des E i t e r h e r d e s w e n i g e r d i e h t g e l a g e r t s ind . V e r g r . 30 × .

Tuberkelbacillen hat sich entleert. In der Umgebung des Eiterherdes:er- kennt man, wie an den ersten Tagen, eine starke Ffillung der Arterien und Venen und, besonders an der Basis des Prozesses gegen die Subcutis hin, eine st~rkere 6demat6se Durchtr~nkung des Gewebes. Bereits am 4. Tage nach der Impfung trcten in der Nachbarschaft des Abscesses einzelne neu- gebildete Bindegewebszellen auf, die meist in der N~he yon Gef~6w&nden liegen und yon Adventitialzellen abstammen. Wir habcn es hier mit den ersten Anf~ngen einer Bindegewebsproliferation zu tun, die bald immer m~chtiger wird, um schlie~lich das gesamte Krankheitsbild zu beherrschen. Die I. Phase des Krankheitsprozesses, welchc durch Eiterung und Gewebsau/16sung charakterisiert wird und etwa bis zum 4. Tage dauert, wird yon einer II., durch Gewebsproli/eration gekennzeichneten Phase abgelSst.

Klinisch ist dieser (Jbergang v o n d e r I. zur I I . Phase im Krankheits- geschehen an dem Nachlassen der Symptome der akuten Entzfindung zu

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erkennen. Der Krankhei t sherd , der am 3. und 4. Tage nach En t - leerung eines Teiles des Abseessinhalts kleiner geworden ist, verliert allmt~hlich seine R0tung, n i m m t aber an Ausdehnung wieder zu. Dureh- sehnit t l ieh am 6.- -7 . Tage e rkennt man i n m i t t e n des Inf i l t ra tes eine feine Schuppung, die etwa 3 4 Tage anh/~lt.

Diese als Parakeratose zu wertende Abschuppung erklart sich aus einer ab- norm gesteigerten Tatigkeit der Epidermis, insbesondere der Zellen des Stratum germinativum. Bereits 2 Tage nach der erfolgten Injektion erkennt man eine starke Verbreiterung des Epithels im Bereich der Impfstelle (Abb. 2). Das Epithel ist oft um das Mehrfaehe seiner gewShnlichen Breite verdiekt. Das Stratum germi- nativum, das sich im Zustand einer regen Zellproliferation befindet, zeigt groBe polyedrische, neugebildete Zellen mit gut farbbaren Kernen und granuliertem Proto- plasma. Auch yon den germinativen Mutterzellen der Haarbi~lge geht eine Proli- feration yon Epithelzellen aus. Sehr haufig beobachtet man ein Vordringen zapfen- f0rmiger Wucherungen yon neugebildeten Epithelmassen gegen das darunter- liegende Bindegewebe. In einzelnen FAllen schiebt sich das wuehernde Epithel schalenfOrmig yon oben her fiber den AbsceB herfiber. Man hat dabei den Ein- druck, dab hier eine Isolierung und Abkapselung der erkrankten Gewebspartie angestrebt wird, wie es in i~hnlicher Weise beim endotuberkul0sen Krankheitsherd zuweilen verwirklicht wird. Da es sich bei den neugebildeten Epithelzellen nicht, wie man frtiher anzunehmen geneigt war, um akanthotische, anormale Zellen han- delt, sondern um lebenskraftige, gesunde, ihr Eigenleben betatigende Zellen, so miissen wit annehmen, das die normaler Weise vom Epithel gebildeten und nach Jesionek auch ausgesehiedenen Substanzen jetzt in grSBerer Menge gebildet und in die Umgebung abgegeben werden. Wie normalerweise die Produktion yon Horn- substanz zum Wesen der Epithelzellen gehOrt, so produzieren auch die gr0Beren Massen neugebildeter lebenskraftiger Epidermiszellen grSBere Mengen yon Horn- substanz. So erklart sich das Zustandekommen der Hyperherathose im Be- reich des Krankheitsherdes, die auch sp/~ter in der Nachbarschaft des ent- standenen Geschwiires und nach dessen Abheilung noch lange Zeit oft zu beob- achten ist.

Der tdbergang yon der I. zur l I . Phase des Krankheitsprozesses, der yore 4 . - -6 . Tage an bereits klinisch am Nachlassen der aku ten En t - z i indungserscheinungen zu e rkennen ist, wird im mikroskopischen Bild, das eine Impfstel le an diesen Tagen darstell t , noch deutlicher. Die anfangs bestehende Hyper/~mie, die Diapedese yon Leukocyten und das ent- zfindliche 0 d e m sind zuriickgegangen. Das hervor t re tends te Merkmal dieser I I . Phase ist die chronisch- proliferative Entzf indung, die durch Prol iferat ion yon jungen bindegewebigen Elementen , yon embryona len Bindegewebszellen, F ibroblas ten und F ib rocy ten gekennzeichnet ist. Diese Zellen s t ammen yon indifferenten mesenchymalen Mutterzellen ab, welche teils im Bindegewebe selbst zwischen den ausgereiften Bindege- webssubstanzen (kollagenen u n d elastischen Fasern) liegen, teils als ad- venti t iel le Bindegewebszellen ( = Adventi t ialzel len) der AuBenwand der Gef/~Be angeh6ren. Es handel t sich bei den neugebi ldeten Binde- gewebselementen, welche sich besonders um den urspri inglichen Eiter- herd herum, abet auch in Gestalt einzelner Herde in einiger Entfer- n u n g yon diesem entwickeln, um Bin indiffereutes Gewebe (Abb. 5), das,

632 K.H. Osterhage:

wie die im Kontrollversuch mit Gipsaufschwemmungen erzeugten reak- tiven Hautver£nderungen gezeigt haben, noch nicht als spezifisch tuber- kulSses Gewebe bezeichnet werden darf. Die Kennzeichen des spezifisch tuberkulSsen Gewebes, die knStchenfSrmige Struktur des krankhaft ver/~nderten Gewebes, das Auftreten yon epitheloiden Zellen und yon tuberkulSsen Riesenzellen sind erst in Pr£paraten von £1teren Krank- heitsherden anzutreffen.

I m AnschluB an die oben geschilderte, am 6.--8. Tage etwa auf- tretende Schuppu~g kommt es friihestens am 9. Tage zur Ausbildung

Abb. 3. T i e r 33/33. Lebende Tuberke lbac i l l en i n t r a c u t a n . 18. Tag . Die A b b i l d u n g ver- anschau l i eh t die c h a r a k t e r i s t i s c h c F o r m des c u t a n e n tube rku lSsen Impfgeschwi i r e s . Die tuberku lSsen G r a n u l a t i o n s g e w e b s m a s s e n sehieben sich se i t l ieh wel t u n t e r die u n t e r m i n i e r t e Ep ide rmi s . D e r Geschwi i r sg r tmd i s t m i t e i n e m y o n Le~lkocyten du rehse t z t en Sehorf bedeek t . Die a m A u f b a u des Granu la t i onsgewebes be t e i l i g t en unspez i f i schen und spezi f ischen ZeI1- e i e m e n t e s ind yon A n s a m m l u n g e n yon L e u k o e y t e n , L y m p h o e y t e n u n d PlasmazelleI~

du rehse t z t . Vergr . 30 × .

eines Geschwiires, das allm/~hlich an Ausdehnung zunimmt (Abb. 3). Einige Tage nach dem ersten Auftreten dieses Gewebsdefektes erkennt man bereits die typische Form des tuberkul6sen (~schwtires mit seinen charakteristischen unterminierten R/mdern und dem yon schlaffen und blassen Granulationen bedeckten Geschwiirsgrund. Wie beim tuberkulosen Impfgeschwiir des Meerschweinchens bedeckt sich die Oberfl/iche des Geschwiirs h/~ufig mit einem aus eingetrocknetem Serum, Leukocyten, Erythrocyten und Bacillenresten bestehenden Kriistchen, das regelm/~Big nach einigen Tagen wieder abgestol~en wird. I m Gegensatz zum (gesunden) Meerschweinchen, bei dem das einmal ent- standene tuberkulSse Geschwiir fast ausnahmslos in seiner torpiden

Experimentelle ttauttuberkulose beim Kaninchen. 633

Form bis zum Tode des Tieres, der an tuberkul6ser Allgemeininfektion erfolgt, erhalten bleibt, kommt es beim Kaninchen nach verschieden langer Zeit stets zu einer Abheilung des entstandenen cutanen Geschwiires. Nachdem seine Ausdehnung w/~hrend 1--2 Wochen noch zugenommen und der Gewebsdefekt etwa Erbsengr6ge erreicht hat, kommt es im An- schlug an die mit der Abstoflung des Krfistchens verbundenen Reinigung der Geschwfirsfl/£che zu einem allm/~hlichen Kleinerwerden des Defektes. Friihestens nach 4- -5 Wochen, h/~ufig spgter, kommt es zu einer Epitheliali- sierung der gereinigten Geschwtirsfliiche. Einige Zeitlang kann man die Impfstelle als ein leicht erhabenes, manchmal etwas ger6tetes Infi l t rat noch erkennen. Dann blaBt die R6tung ab, die Schwellung verschwindet und es bleibt eine kleine weige, haarlose Narbe zuriick.

Forscht man im mikroskopischen Pr/~parat zun/~chst nach dem Schicksal der einverleibton Tuberkelbacillen, so sieht man, wie (tie ur- spriinglich in gr6gerem Klumpen zusammenliegenden Tuberkelbacillen an Zaht sehr rasch abnehmen. Bereits 4 Tage nach der Impfung sind nut selten noch gr6gere Haufen yon Bacillen atffzufinden; die Tuberkel- bacillen liegen dann meist einzeln zwischen den Zellen des Eiterherdes. An den folgenden Tagen, an denen die Zahl der Tuberkelbacillen, auch infolge der Entleerung des Eiters nach augen, noch welter zusammen- schrumpft, findet man auger offenbar intakten Bacillen feine carbol- fuehsinf/~rbbare Granula, die als Reste yon Bacillen aufzufassen sind und die sowohl extracellul~r, wie intracetlul/~r, in Leukoeyten und Makro- phagen gespeichert, liegen. Es finder demnach eine T6tung und eine alhnghliehe Aufl6sung der einverleibten Tuberkelbacillen dutch irgend- welche vom Organismus gebildete Stoffe start, die dazu ffihrt, dag in ~lteren, Heilungstendenz zeigenden Geschwfiren nur selten noch Tuberkel- baeillen oder Reste yon diesen gefunden werden.

Das tuberkul6se Gesehwfir ist an seinem yon nekrotischen Massen bedeekten Geschwtirsgrund kenntlieh, fiber den sich yon den Seiten her das Epithel mit einigen Zfigen Bindegewebe hertiberschiebt. Die so entstehenden Tasehen sind mit nekrobiotisch ver/inderten Massen - - abgestorbenen Leukocyten und Bindegewebselementen, Serum und (manchmal) Trfimmern yon Tuberkelbacillen - - angefiillt (Abb. 3). Die Geschwfirsfl/~ehe, die makroskopisch eine blasse, schmierige Beschaffen- heir zeigt, ist yon/~hnlichem Det, ritus bedeckt. Unter diesen Gewebsmassen erkennt man das neugebildete Granulationsgewebe, das in versehieden breiter Schieht, entsprechend der Gr6ge und Ausdehnung des Prozesses, entwiekelt ist. Am 9.--10. Tage etwa, also zu einer Zeit, zu der friihestens bereits ein Gesehwfir vorhanden ist, kommt es, allerdings nicht so kon- stant wie beim Meerschweinchen, zum Auftreten yon epitheloiden Zellen, die uns berechtigen, jetzt yon einem 8pezifischeu Krankheitsprozeg zu sprechen (Abb. 6). Nach unserer Ansicht handelt es sich dabei um Zell- formen, die aus indifferenten Bindegewebszellen - - die das prim/~re, oben

634 K. It. Osterhage:

geschilderte Granulationsgewebe bilden - - unter der Einwirkung yon Tuberkulotoxinen (Ekto-undEndo-Tuberkulincn) zustande kommen. Man hat demnach die cpithcloide Zcllc als eine unter der ~Virkung yon spezi- fischen Ze]lgiften abnorm entwickelte Bindegewebszclle aufzufassen. :Der hbhere Grad der Entwicklungsschi~digung, der aber beim Kaninchen im Gegensatz zum Meerschweinchen nur selten realisiert ist, fiihrt zur Ent- stehung yon sog. tuberkulSsen Riesenzollen.

Man finder im Granulationsgewebe eines etwa 2- -3 Wochen Mten Prozcsscs regelm/~i]ig normale Bindegewebszellcn und epitheloido Zellen nebeneinander. In besonders gelagerten FMlen kSnnen cpitheloido Zellen sogar wghrend des ganzen, dann meist sehr kurz verlaufenden Krankheitsprozesses voll](ommen feblen. Allm/~hlich verschiebt sich das Verh/~ltnis der beiden Zellarten zugunsten der normalen Bindegewebs- clemcntc, da die cpitbcloidcn Zcllen wohl info]ge ihrer geringeren VitMit/~t sehr bald zugrunde gehcn. Unterbleibt dann glcichzeitig die Bildung yon neuen epitheloiden Zellen, well s/imtliche Tuberkelbacfllen aufgelSst sind und das tuberkulSse Agens , ,verbraucht" ist, so kommt es zur Aus- heilung des Krankheitsherdes.

Die Heilungsvorg/~nge beginnen bereits sehr friihzeitig, indem vom Rande des Granulationsgewebes aus eine Bfldung yon kollagcnen Fasern einsetzt, die die Narbenbildung bewerksteitigcn. H a t der oberfl~chliche Defekt sich erst einmal geschlossen, so durehwuchcrn, Str/~nge yon jungen Bindegewebssprossen zwischen die noch vorhandenen Inseln und Str£nge yon epitheloiden Zcllen und wandeln das Gewcbe in ein durch derbe kollagene Fasern gekennzeichnetes Narbengewebe urn.

In dem klinisch wahrnehmbaren Zustand der haarlosen Narbe ver- bleibt die ursprtingliche Impfstolle etwa 2- -3 Monate. In der Zwischen- zeit sitzen de, r Stelle manchmal kleine Schuppen auf, die sich aber bald wieder abstol3on. Allm/ihlich kehrt die verlorengegaegene Pigmcnticrung ~Seder zuriick, die Verdichtung des Narbengewebes 16st sich auf und die Stelle ist yon ihrer Umgebung nicht mehr zu unterscheiden.

Endo-X-Tuberkulose der Cuffs.

Bei der Einverleibung yon ,,toten", bzw. ,,gekochten" Tuberkel- bacillon handelt es sich im Sinne Jesioueks um die Applikation tines tuberkulSsen Agens, das nur einen bestimmten, isolierbaren Tei[ der im tuberkul6sen Krankheitsherd zur Wirkung kommenden Tuberkulo- toxine umfaBt. Bei der Verwendung yon Endotoxin X kommen dem- nach diejenigen Stoffo nicht zur Wirkung, deren Entstehung an die Bet/itigung des Eigcnlebcns der Tuberkelbacillen gel~liil)ft ist, das Ekto- toxin und das beim Zcrfall und bci Aufl6sung yon Tuberkelbacillen leicht freiwerdende Endotoxin A. Wir sind uns dariiber klar, dab gerade das Fehlen des Ektotoxins und des Endotoxins A den entstehenden endo- tuberkulSsen Krankheitsherd hinsichtlich seiner Gestalt und der Inten-

Experimentelle Hauttuberkutose beim Kaninchen. 685

sit/~t der tLrankheitserseheinungen weitgehend beeinfluftt und voi~ dem dutch lebende Tuberkelbacillen hervorgerufenen wesentlich unterscheidet.

Jesion~k konnte bei seinen Untersuchungen am Meerschweinchen zeigen, dab das normale gesunde Tier die cutane Einverleibung yon toten Tuberkelbaeillen entweder posi~iv (d. h. mit der Entstehung eines Krank- hoibsherdes), oder negativ (d. h. mit dem Fehlen einer Gewebsreaktion) beantwortet. Beim Kani~whe~ f/~llt die intracutane Einverleibung yon toten (wie yon lebenden) Tuberkelbacillen - - eine ausreichende Menge vorausgesetzt - - kon~tant positiv aus.

Der endotuberkul6se Krankheitsprozeft unterscheidet sich im Prinzip nicht von dem dureh die Einverleibung lebender Tuberkelbacillen zustande kommenden ekto-endotuberkulSsen Krankheitsvorgang. ])as gilt besonders fiir die ersten Tage nach der Injektion, an denen, wie ein Vergleich der Protokolle und Kurven lehrt, kliniseh oin Untersehied zwisehen beiden nicht gemacht werden kann. Im Gegensatz zum endo- tuberkul6sen Krankheitsherd beim Meerschweinchen, der klinisch durch seine Geringf/igigkeit und Kleinheit gekennzcicbnet ist, findet man beim Kaninehen im Bereich der Impfstelle konstant eine meist erbsen- grol]e, etwas das Hautniveau iiberragende, entziindlich ger6tete t Iaut- par$ie. Der Umfang der ldiniseh wahrnehmbaren Ver/inderungen ent- spricht meist der GrSl3e der Impfquaddel. Am 2. Tage. erkennt man innerhalb eines hypor/~mischen, hochroten Holes ein an/~misches, manchmal gelblicheitrig verf~rbtes Zentrum. Innerhalb weniger Tage blaBt jedoeh der Krankhei tsherd stark ab und die Entziindungs- erscheinungen gehen zurfick. Auf der Kuppe des Infiltrates kann man am 3.--5. Tage oft ein Kriistchen erkennen, unter dem ein kleiner Sub- stanzverlust siehtbar wird. Am 6.--8. Tage bemerkt man h~ufig eine feine Schuppung, die gow6hnlich bald wieder verseh~Jndet. Im AnsehluIl daran (9. Tag) entsteht geIegentlich ein geringftigiger Defekt der Ober- haut und des Ceriums, der sich bald mib einem Kr/istchen b e d e c k t . ])as Kriistchen stSBt sich naeh 3--4 Tagen ab und es bleibt eine, zun/~chst noch gerStete, allm£hlich blasser werdende, haarlose Narbe zuriick. Die klinischen Erseheinungen werden im Verlauf yon 1 bis 2 Mona~en immer geringftigiger; das Narbengewebe lockert sieh all- m~hlieh auf, die Pigmentierung kehrt zurfick und der Kraifldmitsherd ist schlieftlieh yon seiner Umgebung nieht mehr zu unterseheiden. In einem Fallo (Tier 28/33) bemerkten wir jedoch am 18. Tage nach der Injektion, daft die bis dahin reizlose Narbe wieder gerStet war und eine deutliehe Infiltration zeigte. Die Erkl/~rung f/Jr dies versehiedene klinisehe Verhalten geben die histologisehen Untersuchungen.

Wie bei dem vorher beschriebenen, durch die Einverleibung lebender Tnberkelbaeillen zustandegekommenen Krankheitsgesehehen, handelt es sieh auch beim endotuberkul6sen Krankheitsbild um einen zweiphasischen Proze$. Bereits wenige Stunden nach der Injektion erkcnnt man im

686 K.H. Osterhage:

Bcreioh der Impfstelle eine Ansammhmg yon Eiterk6rperchen zwischen den auseinandergedr~ngten und bereits in ihrer Form veranderten kollagenen Fasern. Am 2. Tage naeh der Einspritzung hat sich ein aus Leukocyten und Lymphocyten bestehender Abscel~ gebildet, in dem abet noch eine grebe Menge nicht vollst/indig aufgel6ster und isolierter ge- quonener Fasern lieg~ (Abb. 1). Die zelligen Bindegewebselemente der Cutis, Fibroblasten und Fibrocyten, sind jedoeh im Bereieh dos Eiter- herdes vollst~ndig aufgel6st und versehwundon.

Liegt der Eiterherd sehr oberfl/tehheh, so kommt es am 4.--6. Tage h/~ufig zum EinreiBen des Epithels an einer kleinen umscbriebenen Stetle und zur Perforation des Abscesses. Der so entst.andene Gewebsdefekt schhel3t sich nach Entleerung des Eiters bald dutch ein Kriistchen, das aus eingetrocknetem Serum, Eit~rk6rperchen und Resten yon Tuberkel- bacitlen besteht. Regelm~6ig kann man auch beim endotuberkul6sen Krankheitsherd eine Verdiekung des Epithels bcobachten; Wueherungen yon Epithelzellen, die veto Deckepithel und yon Haarfollikeln ausgehen, schieben sieh yon den Seiten her unter den Abscel~. Die einverleibten toten Tuberkelbacillen werden verh~ltnism~6ig schnetl aufgelSst. Nach 6--8 Tagen ist ihre Mange wesentlich geringer geworden und man finder Sphtter und Granula, die sieh mit Carbolfuehsin rot f-~rben, als Reste der in AuflSsung begriffenen Baeillen.

Bereits am 4. Tage nach der Impfung erkennt man in der Umgebung des Eiterherdes vereinzelte Insetn eines neugebildeten jmlgen Binde- gewcbcs. Es handclt sich dabei um eino u~spezifischz Zellprohfera- tion, welche den Beginn einer II. Phase des Krankheitsprozesses dar- stellt. Die yon Adventitialzellen und yon Zellen des lockeren subepidermi- dalen Bindegewebes abstammenden jungen Bindegewebszellen wachsen gegen den Eiterherd vet und durehwuchern den entstandenen Defekt im Cerium. Die Zellen des jungen proliferativen Gewebes reifen zu Fibrocyten heran und lassen kollagene Fasern zwischen sich entstehen. So wird das junge reaktive Bindegewebe in ein Narbengewebe um- gewandclt.

Nur selten wird dieser normale Ablauf der Gewebsreaktionen gest6rt. Die einverleibten gekochten Tuberkelbaeillen sind in der Regel nach 8--10 Tagen vollst/~ndig aufgelSst und das wirksame tuberkul6se Agens ist somit , ,verbraucht". Es kommt daher, im Gegensatz zum ekto-endo- tuberkul6sen Krankheitsherd, unter gew6hnlichen Umst~nden nicht mehr zur Bildung spezifischer, tuberkul6ser Zellelemente.

Ehm Ausnahme yon diesem Verhalten macht der Krankheitsherd bei Tier 28/33. Hier erkennt man am 18. Tage nach tier Impfung ein spezifisch tuberkul6ses Granulat, ionsgewebe rnit epitheloiden Zellen und tuber- kul6sen Riesenzellen, das am Rande des normal entwickelten jungen Narbengewebes liegt. In dem tuberkul6sen Gewebe finder man eine grol~e Menge yon earbolfuchsinf~rbbaren Granula und Splittern, die

Experimen~elle Hauttuberkulose beim Kaninchen. 687

]~este yon Tuberkelbaeillen darstellen; sie liegen intra- und extra- cellular. Am Rande des tuberkulSsen Granulationsgewebes liegt eine sehmale Zone mit nekrobiotisch zerfallenden Zetlen. Das krankhaft ver~nderte spezifische Gewebe wird dutch junge, veto Rande aus vor- dringende Bindegewebssprossen allm~hlieh ersetzt.

In einem Krankheitsherde veto 25. Tage finder man yon einem entziindlichen Granulationsgewebe niehts mehr vor. Lediglich ein schm~ehtiger Streifen :Narbengewebe gibt die Ste|le im Cerium noch an, an der dic pathogene Wirkung der einverleibten gekochten Tuberkel- bacillen zur Geltung kam.

Ekto-End0-Tuberkulose der Subcutis.

Injiziert man einem Kaninchen eine Aufschwemmung yon lebenden oder toten Tuberkelbacillen in die Unterhaut, so kommt es dort zur Aus- bildung eines Krankheitsherdes, der sich in seinom Aussehen und in seiner Entwicklung veto intraeutan entstandenen tuberkulSsen Krant0mitsherd unterscheidet. Diese Versehiedenheit des Krankheitsprozesses erkl/irt sich, wie Jesionek, yon Grumlherr und Krah beim Meerschweinchen zeigen konnten, aus dem Umstand, da$ in der Oberhaut, die in unmittel- barer Nachbarsehaft des Epithels liegt und in engster BerShrung mit diesem steht, andere Reaktionsverh~ltnisse herrsehen, als in der Unter- haut, fiir die diese nahen Lagebeziehungen und die daraus resultierenden ehemischen Besonderheiten nicht zutreffen.

Die subcutane Einverleibung lebender Tuberkelbacillen beim nicht- tuberkulSsen Kaninchen f/~llt ~ eine ausreichende Menge Tuberkel- bacillen vorausgesetzt - - kon~taut positiv aus. Bei l0 Tieren fanden wir keines mit negativer Reaktion. Der Krankheitsherd hat die Gestalt eines mehr oder weniger s tark das Hautniveau iiberragenden Knotens, der im Einzelfatle sehr verschieden groB ist und naeh versehieden langer Zeit klinisch wa}lrnehmbar wird. Friihestens am 1. Tage nach der Ein- spritzung erkennt man eine, zun~,ehst ftache, etwas ger6tete Vorw61bung, die allm~hlich an Ausdchnung zunimmt. In anderen F~llen bemerkt man, auBcr einem vieltcicht vorhandenen Stiehkrfistchen, am 1. Tage an der Impfstelle keine Ver~nderungen und erst nach Tagen (l~ngstens nach 5 Tagen [Tier 19/33]) kommt es zur Ausbildung einer knStchenfSrmigen Geschwulst. Ihre GrSBe schwankt in weiten Grenzen; w'~hrend sie im einen Falle gerade die Ausdehnung eines Einpfennigstiiekes erreicht, wi~chst sie im anderen zu einem m~chtigen Knoten yon beinahe Hfihnerei- grSBe heran. ]:)as Wachstum des knotigen Infil trates erfolgt sehr rasch; innerhalb 1---2 Wochen hat es oft das Maximum seines Umfanges erreicht (Tier 21/33). Manchma] beobaciitet man ein Schwanken in der Entwick- lung des Krankheitsherdes. So kann seine Gr61~e an don ersten Tagcn naeh der Impfung yon einem Tag zum anderen wechseln, sein Umfang

638 K.H. Osterhage:

kann gr613er und kleiner werden. Bei Tier 21/33 erreicht der Krankheits- herd innerhalb 10 Tagen eine betrgehtliche Gr613e, wird dann jedoch kleiner, um yore 17. Tage an an Ausdehnung wieder zuzunehmen. Gegen Ende der 3. 4. Woche erfolgt gewShnlich eine Riickbildung des Prozesses. Der Krankheitsherd verliert seine ursprfinglich derbe und harte Beschaffen- heit, er wird flacher und die oft vorhandene RStung der Haut fiber dem knotigen Infiltrat versehwindet. Die vollkommene Resorption des krank-

Abb. 4. T ie r 15/33. To te Tuberkelbae i l len subeu tan , 3. Tag. Die Abbi ldung g i b t e inen Tell eines in dcr Subcut is gelegenen mticht igen Ei te rherdes wieder. Die injiziert~n Tuberkel - bacillen, die in grS~eren H a u f e n z u s a m m e n g e l a g e r t sind, sind als hellere Stellen i n m i t t e n des Abscesses zu e rkennen . Die u m g e b e n d e n Fase rn der Subcut is sind aufge]oeker t un4 du tch 0demfl i i ss igkci t und durch Massen Yon E i t e r k 6 r p e r c h e n ause inander gedr~ngt .

Vergr , 30 × .

haft veranderten Gewebes nimmt jedoeh sehr lange Zeit in Anspruch; meist ist das torpide, indolente Infiltrat noch 3--4 Monate nach der Injektion deutlich gegeniiber seiner Umgebung abzugrenzen.

Verfolgt man die Entwicklung des subcutanen Krankheitsherdes im histologischen Praparat, so hat man, wie beim intracutanen Krank- heitsherd, 2 Phasen im Krankheitsgeschehen zu unterscheiden. Am t. Tage nach der Injektion beobachtet man eine starke reaktive Entziindung im Bereich der Depotstelle der Bacillen. Die BlutgefaBe der Subcutis sind stark erweitert ; in ihrer Nachbarschaft finder man Leuko- cyten und ausgetretene, tells noch erhaltene, teils bereits aufgel6ste Erythrocyten. Die Fasern des lockeren Bindegewebes der Subcutis sind dutch ()demfliissigkeit auseinandergedrangt. Zwischen ihnen licgen Leukocvten, Lymphocyten und Plasmazellen, die im Bereich der

Experimentelle ttauttuberkulose beim Kaninehen. 639

injizierten Bacillenhaufen vereinzelte kleine Abscesse bilden. Am 2. Tage finder man jedoch meistens bereits einen gr6i]eren Eiterherd, der auch klinisch als eine halbkugelige Vorw51bung bereits zu erkennen ist. Innerhalb des Eiterherdes ist es zur vollst/~ndigen Aufl6sung der binde- gewebigen Elemente, sowohl der Zellen, wie der Fasern gekommen (Abb. 4).

Diese, durch Gewebseinschmelzung und Eiterung gekennzeichnete I. Phase (analog dem AbsceB des intracutanen Krankheitsherdes) wird yon einer dureh Gewebsproliferation charakterisierten ]I. Phase abgelSst.

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Abb. 5. T i e r 20/33. Lebende Tube rke lbae i l l en s u b c u t a n . 6. Tag . I n der N a e h h a r s c h a f t des s u b c u t a n e n E i t e r h e r d e s i s t es zu e ine r unspez i f i sehen Gewebspro l i fc ra t ion g e k o m m e n (1. S t a d i u m der ] ] . Phase) . E ine s t a r k e V e r m e h r u n g der Capi l laren u n 4 k l e i n e ~ n Gefti.•e durch Sprossenb i ldung hat. e ingese tz t . Zwisehen den ne l lgebi lde ten Gef~13en l iegen j unge Bindegewebsze l len -- e m b r y o n a l e Bindegewebszel ten, F ib rob l a s t en u n d F i b r o c y t e n --, d ie zum Tell yon a d v e n t i t i e l l e n Bindegewebsze l len a b s t a m m e n . Zwisehen den j u n g e n Zell-

e l e m e n t e n einzelne L y m p h o c y t e n , L e u k o c y t e n und Plasmazel len . Vcrgr . 270 ×.

Bereits am 3. Tage nach dor Impfung erkennt man in der Umgebung des Eiterherdes neugebildete junge bindegewebige Zellelemente, die in der N~he der stark erweiterten subcutanen Blutgef~i]e liegen und die ats Abk6mmlinge der Adventitialzellen aufzufassen sind. Diese neu- gebildeten Zellen wachsen gegen den Eiterherd vor und bilden einen Ring yon Fibroblasten und embryonalen Bindegewebszellen, der den Absce~ gegen das umgebende Gewebe abgrenzt. In der Nachbarschaft des Krankheitsherdes geht die Gewebsneubildung indessen welter und unter der Einwirkung der freiwerdenden Tuberkulotoxine kommt es zur Entstehung spezifischer tuberkulSser Zellelemente. Im Gegensatz zur unspezifischen Granulationsgewebsbildung, die nach unserer Ansicht bereits den Beginn der II. Phase darstellt und schon am 3. Tage nach der

A r c h i v f. Derma to log ie u. Syphi l is . Bd, 170. 43

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Impfung einsetzt (Abb. 5), beginnt die Bildung des spezifisch tuberkul6sen Granulationsgewebes nicht vor dem 7.--9. Tage. W/~hrend man beim intraeutanen endotuberkul6sen Krankheitsherd infolge seiner zeitlichen Begrenzung spezifische Zellbildungen nur selten und nur kurze Zeit lang beobachtet, sieht man in der Nachbarschaft des subcutanen Eiterherdes sehr deutlich oft kn6tchenf6rmige Zusammenlagerungen epitheloider Zetlen und tuberkul6ser Riesenzellen. Wie wir anfangs betonten, ist das Zustandekommen solcher spezifischer Zellbildungen yon der Menge und

Abb. 6. T i e r 22/33. Lebende Tuberkelbac i l len subcu tan . 20. Tag. Zwischcn den Zcllcn des unspezif ischen Granu ta t ionsgcwebes is t eine , , Inse l" yon epi theloiden Zellen zli e rkenncn . Die Tendenz zu e iner knS tchen f6 rmigen A n o r d m m g is t eben angedeu t e t . Zwischen den

epi theloiden Zellen l iegen zahlre iche Leukocy ten , L y m p h o c y t e n und Plasmazel len . Vergr . 270 × ,

der Dauer der Einwirkung der tuberkul6sen Agentien abh~ngig. Wghrend beim intracutanen Krankheitsherd auch lebende Tuberkelbacillen in relativ kurzer Zeit der Aufl6sung verfallen, das tuberkul6se Agens ,,ver- braueht" und unsch/~dlich gemacht wird, orhalten sich im subcutanen Krankheitsherd die einverleibten Bacillen sehr lange Zeit und k6nnen ihre Wirksamkeit auf das benachbarte Gewebe entfalten (Abb. 6).

Das eitrige Zentrum des Krankheitsherdes wird im Verlauf einiger Wochen allm/~hlich kleiner, bis es schliel~lich ganz verschwindet. Es erfolgt ein langsamer nekrobiotischer Zerfall der Eiterk5rperchen. Auch die im Abscel3 liegenden Bacillenhaufen werden ldeiner und man erkennt neben offenbar intakten Tuberkelbacillen haufig Splitter und Granula als l~este zugrunde gegangener Bacitlen. Bereits vom 20. Tage etwa an beobachtet man auch in dem tuberkul6sen Granulationsgewebe einen

Experimentelle Hauttuberkulose beim Kaninchen. 641

allm~hlichen Gewebszerfatl und eine beginnende GewebsauflSsung. Es kommt zur Entstehung nekrotischer Bindegewebsmassen, die nicht sofort resorbiert werden, sondern 1/ingere Zeit an Ort und Stelle liegen- bleiben. Eine Abstoi~ung ,und Entleerung dieser nekrotischen Massen dutch eine, Cutis und Epithel durchsetzende, Fistel haben wir beim Kaninchen im Gegensatz zum Meerschweinchen niemals beobachtet.

Entsprechend dem klinisch wahrnehmbaren Kleinerwerden des Krankheitsherdes nimmt auch der Umfang der aus spezffischen und unspezifischen Zellelementen bestehenden Granulationsgeschwulst all- m/ihlich ab. Mit dem Verschwinden der Tuberkelbacillen hSrt die Neu- bildung spezffischer epitheloider Zellen auf. Zwar k6nnen noch lange Zeit knStchenfSrmige Anh/~ufungen dieser Zellen im Pr/i~parat nach- gewiesen werden, doch kommt es allm/~hlich zu ihrer vollsti~ndigen Auf- lSsung und Resorption. Aus jugendlichen Bindegewebselementen, die den Krankheitsherd allm/~hlich durchwachsen, entsteht ein Narbengewebe, indem diese Zellen zu Fibrocyten heranreifen und kollagene Fasern zwischen ihnen entstehen.

Endo-X-Tuberkulose der Subcutis.

W/~hrend die Krankheitsherde, die naeh Einverleibung lebender und toter Tuberkelbacillen in der Oberhaut des Kaninchens zustande kommen, sich hinsichtlich des Ablaufes und der Akuit/~t der Gewebsreaktionen wesentlieh unterscheiden, linden wir bei den dureh subcutane Injektion yon Baeillen entstandenen Krankheitsherden kaum einen Unterschied, ob nun lebende oder ,,gekoehte" Tuberkelbaeillen zur Einverleibung gelangten. Im Gegensatz zum Meerschweinchen, bei dem die subeutano Einverleibung toter Tuberkelbacillen nach Jesionek und vo~ Grunvlherr positiv und negativ ausfallen kann, finder man beim Kaninchen konstant einen positiven Ausfall der Gewebsreaktionen. Der entstehende endo- tuberkulSse Krankheitsherd l~Bt, wie der durch Einverleibung lebender Tuberkelbacillen entstandene Krankheitsprozess, einen zweiphasischen Ablauf erkennen.

Der klinisch wahrnehmbare Krankheitsherd hat die Gestalt eines Knotens, der im Einzelfalle eine sehr verschieden hochgradige VorwS1- bung der Haut bedingt. Diese VorwSlbung ist entweder bereits nach 24 Stunden deutlieh wahrnehmbar, oder sie entsteht erst im VerIaufe einiger Tage. Wie beim ekto-endotuberkulSsen Krankheitsherd beobachtet man Schwankungen in der Entwicklung und in der Gr6Be des knoten- f6rmigen Infiltrates. Eine deutliche R6tung ist meist nur im Stadium der akuten, eitrigen Entziindung w/~hrend der ersten Tagc zu beobachten. Wie die Gr61~e, schwankt auch die Entwicklung und Riickbildung des entstehenden Knotens in den einzelnen F/illen. Bei Tier 12/33 erreieht der Umfang des Infiltrates bereits am 2. und 3. Tage nach der Impfung

43*

642 K.H. Osterhage.*

seinen H6hepunkt, w'~hrend bei Tier 14/33 das Maximum seiner Ent- wicldung erst am 16. Tage zu beobachten ist. Bei Tier 11/33 kommt es sogar nach einem vor/ibergehenden Kleinerwerden zu einem neuen starken Wachstum des knotigen Infiltrates, das am 48. Tage noch fast die GrSBe eines Hiihnereies aufweist. Im allgemeinen beobaehtet man jedoch, wie beim ekto-endotuberkulbsen Krankheitsherd der Subcutis, etwa yon der 2.--3. Woche an eine allmghliehe Riickbildung des indo- lenten, reiz- und reaktionstosen Prozesses. Die vollst/~ndige t~esorption und endgiiltige Ausheilung nimmt j edoeh zumeist mehrere Monate in Ansprueh.

Im histologischen Pr~parat erkennt man die gteichen Ver~nderungen im Bereieh tier Depotstelle, (tie such naeh der Injektion yon lebenden Tuberkelbaeillen zustandc kommen. Vielleicht erfolgt die AuftSsung der einverleibten toten Tuberkclbacillen in einzelnen F/~llen etwas rascher, als die Vernichtung und Resorption lebender Baci|len. Jedoch finder man noch naeh 30 und 48 Tagen neben zerfallenen und halb aufgel6sten Bacillen gr61]ere Mengen yon in Haufen liegenden, offenbar nicht ange- g~'iffenen Tuberkelbaeillen. Die in die Cutis injizierten toten Tuberkel- bacillen sind zu dieser Zeit I/~ngst aufgel6st und unsch~tdlich gemacht. Die Ursache ffir diese unterschiedene Beeinflussung der einverleibten toten ]~acillen in der Cutis und Subcutis ist in der versehiedencn ehemisehen Konstitution der Gewebefliissigkeit in beiden Antcilen des Hautorganes begriindet. Wir werden in einem sp~toren Abschnitt unserer Arbeit dariiber eingehend beriehten {s. S. 657).

Wie beim ekto-endotuberkulSsen Krankeitsgeschehen kann man bei der II. Phase des Krankheitsprozesses ein unspezifisches und ein spezifi- sches Stadium unterscheiden. Bereits am 2 .~3. Krankheitstage bcginnt neben der sieh vollziehenden Gewebseinschmelzung die Neubildung eines jungen unspezifischen Granulationsgewebes. Erst veto 7.--10. Tage an sind innerhalb der Granulationsgeschwulst epitheloide Zellen zu erkennen, die h/~ufig in strang- and knStchenf6rmigen Bildungen angeordnet sind. Es kommt zur Abheilung des Krankheitslarozesses, wenn s£m~liche ein- verleibten Tuberkelbaeillen aufgelSst und resorbiert worden sind und nach- dem das atypisch gebildete, , ,k6rperfremde" tuberkulSse Granulations- gewebe auf dem Wege des nekrobiotischen Zerfalls restlos versehwunden ist. Die nekrotischen Massen werden yon jungen Bindegewebssprossen durchwuchert und allm~hlich resorbiert. Das fibroblastenreiche Binde- gewebe wandelt sieh in ein Narbengewebe um und es kommt zur Aus- heilung des subeutanen Krankheitsherdes.

D e r t u b e r k u l i i s e K r a n k h e i t s h e r d b e i m t u b e r k u l i i s e n Kaninchen.

Ekto-Endo-Tuberkulose and Endo-X-Tuberkulose der Cutis. Wenn wit im folgenden, wie in der t~bersehrift dieses Kapitels zum

Ausdruck kommt, vom ,,tuberkulSsen" Kaninchen - - analog dem Begriff

Experlmentelle ttauttuberkulose beim Kaninchen. 643

des tuberkulSsen Mee r schwe inehens - sprechen, so geschieht es aus bcsonderen Grfinden. Wermgleich die experimentelt erzeugte Haut- tuberkulose, wie aus dem vorher Gesagten hervorgeht, beim Kaninchen nicht zu einer genera]isierten, an verschiedenen Organen manifest werden- den Tuberkulose ffihr~ (ira Gegensatz zum Meersehweinchen !), so kenn- zeiehnet die Bezeiehnung , tuberkul6s" (oder besser,konstitutioneIl tuber- kulSs") doch jeden Organismus, der einmal ,,die Bekanntsehaft mit dem Tuberkelbacillus gemacht" und mit bestimmten chemisehen .Reak- tionen beantwortet hat. Es seheint dabei unwichtig, ob in einem solchen Organismus klinisch oder histologisch noch irgendwelche spezifisch tuberkulSsen Krankheitsherde sieh nachweisen lassen. Aussehlaggebend ist allein das Verhalten des 0rganismus gegeniiber einer neuen Invasion yon Tuberkelbacillen.

Bereits Rob. Koch (1891) hatte die aufsehenerregcnde Beobachtung beschrieben, dab die Superinfektion eines vorher mit Tuberkelbacillen infizierten Orgal~ismus (Meerschweinchen) zu einer /~uBerst starken Gewebsreakt.ion ¢iihrt, die sich yon der Erstimpfung hinsichtlich der Aus- dehnung und Akuit£t des Prozesses wesentlich unterseheidet.

D~tre- Deutsch {1904), delia Celia (1904), .Feistmantel (1904), Lewan- dowski (1916), ]~Smer {1908) und Hamburger (1909) haben bei verschie- denen Tierarten die Richtigkeit des Kochsehen Grundversuehes nach- gepriift und seine universe]le Geltung naehgewiesen. Die Untersuehungen Jesioneks fiber die Pathogenese des tuberkulSsen Krankheitsgeschehens haben jedoch erst die Grundlagen geschaffen, die es ermSgliehten, auf dem Wege des Experimentes die Verschiedenheit des Ausfalls der Gewebs- reaktionen in dem vom Tuberkelbaeillus unberiihrten und in dem bereits befallenen Organismus zu erkennen und auszuwerten.

Die K~ninchen, deren wir uns zur D~rstellung des Krankheitsherdes beim reinfizierten Organismus bedienten, wurden in der Weise tuberku]6s gemaeht, dab wir den vorher nicht tuberkul6sen Tieren lebende, einer Reinkultur entstammende Tuberkelbaeillen intracutan, subeutan oder intraperitoneal einverleibten und somit eine prim/~re Organtuberkulose erzeugten. Die Reinfektion wurde erst dann vorgenommen, wenn diese prim/ire Tuberkulose bereits einige Zeit bestand und man annehmen konnte, was durch Versuche sp£ter best~tigt wurde, dall die ,,Um- stimmung" des Organismus bereits erfolgt sei. Gegenfiber dem Meer- schweinchen ergibt sieh dabei die Schwierigkeit, dab der Zeitpunkt der erfolgenden Umstimmung beim Kaninchen auf Grund irgendweleher kliniseh nachweisbarer Ver/~nderungen (Vergr6f~erung der region/iren Lymphknoten usw.) nieht ann/ihernd bestimmt werden kann 1

1 Neuerc bci uns durchgefiihrte Untersuchungen (L. K. ~'rey: Diss. 1934) haben gezeigt, dab beim Meerschwcinchen der Zeitpunkt, an dem diese Um- stimmung erfolgt, yon der quatitatiw~n und quantitativen Wirkung dcr tuber- kulSsen Agenzien, yon der Art ihrer Applikation und yon der individuell verschic- denen chemischen Reaktionslage des Organismus abh/ingt.

644 K.H. 0sterhage :

Beim tuberkul6sen Tier f~llt die intracutane Einverleibung lebender und toter Tuberkelbacillen konstant positiv aus. Der entstehende Krank- heitsherd ist durch seinen betr/~chttiehen Umfang und durch die Akuit/~t seiner Erscheinungen gekennzeichnet und gegeniiber dem intracutanen Herd beim nichttuberkul6sen Tier unterschieden.

Bereits wenige Stunden naeh der Einverleibung sowohl lebender, wio toter Tuberkelbacillen kommt es beim tuberkulSsen Kaninchen im Bereich der intracutanen Impfstelle zu einer intensiven entzfindlichen R6tung der Haut. Die Ausdehnung des Entziindungsherdes erreicht nach 24 Stunden gewShnlieh den Umfang einer zweipfennig- bis mark- stiickgro~en F1/~che. Die Randzone des Prozesses erscheint lebhaft ger6tet und ist h~ufig wall~rtig erhaben. Im Zentrum des Krankheits- herdes erkennt man oft punktf6rmige Blutaustritte und eine livide blaurote Verfarbung. Die erkrankte Hautpart ie ffihlt sich heiB an, ist schmerzhaft und zeigt alle Erscheinungen einer heftigen Entzfindung der Cutis. Am 2. Tage nach der Impfung ist der Unterschied gegenfiber dem intracutanen Krankheitsherd beim nichttuberkul6sen Kaninchen noch deutlicher. Die Schwellung und RStung des Entziindungsherdes ist noch intensiver geworden; in seinem Zentrum erkennt man eine gelblichweiBe Verf/~rbung. Dieser veff~rbte Gewebsbezirk, der sich an den folgenden Tagen mit etwas eingetrocknetem Serum bedeckt, gelangt naeh 5--8 Tagen zur AbstoBung. Es handelt sich dabei um das Zustande- kommen und um das tdinisch wahrnehmbare Bild der Verschorfung, die den intracutanen Krankheitsherd beim tuberkulSsen Kaninchen kennzeichnet und vom nichttuberkulSsen Tier unterscheidet.

Bei der Applikation lebender Tuberkelbacillen dauert es zumeist l~nger, bis es zur vollst/~ndigen Ausheilung des Herdes kommt, als bei der ]njektion toter Tuberkelbacillen. Die in beiden F~llen entstehenden Krankheitsherde unterscheiden sich ]edoch weder in ihrem Aussehen, noeh hinsichtlich des akuten stiirmischen Verlaufes voneinander. Nach der Absto~ung des Schorfes wird eine granulierende Wundfl~che sichtbar, die sieh bald mit einem Krfistehen bedeckt. Die eingetrockneten, immer kleiner werdenden Kriistchen gelangen zur Abstol~ung; nach einigen Tagen (10--13 Tagen bei Injektion toter, nach 14--18 Tagen bei Ein- verleibung lebender Tuberkelbacillen) ist der Defekt gesehlossen und frisch epithelialisiert. An Stelle der entziindlichen Schwellung finder man vom 6.~8. Tage an eine Verdichtung des Gewebes, welches die Stelle des Substanzverlustes umgibt. 2--3 Wochen nach der Impfung ist yon dieser Verdichtung des Gewebes nichts mehr zu erkennen. Nur eine leicht eingesunkene, atrophische, blasse Narbe gibt die Hautstelle noch an, in deren Bereich die Reinfektion mit lebenden oder toten Tuberkel- baeillen vorgenommen walrde.

Aueh die histologische Untersuchung zeigt, daf3 der beim tuberkul6sen Kaninchen erzeugte intracutane Krankheitshcrd yon wesentlich grSl3erem

Experimentelle ]-Iauttuberkulose beim Kaninchen. 645

Umfang und yon anderer Beschaffenheit ist, als der beim nichttuberku- 15sen Tier entstandene Krankheitsherd. An Stel|e des Abscesses, der scharf umgrenzt in der Cutis unter einem verdickten, aber unver~hr ten Epithel liegt, finder sich beim tuberkulSsen Objekt eine ausgedehnte, durch Epithel und Cutis reichende Verschorfung des Gewebes (Abb. 7). An einigen Stellen ist es dabei zu einer Einsehmelzung des Bindegewebes gekommen. Die Grenzen der entstandenen multiplen kleinen Eiter-

Abb. 7. T i e r 35/33. R e i n f e k t i o n : to t e Tuberke lbac i l l en i n t r a c u t a n , 5. Tag . Die A b b i h l u n g v e r m i t t e l t e in sehr e ind rucksvo l l e s B i d yon den auf fa l l enden Gewebsveri~ndemmgen, die s ich in der H a u t des tube rku lSsen O r g a n i s m u s i m Anschlul~ an die R e i n f e k t i o n m i t Tuberke l - baei l len abspie len . Die G e w e b s v e r s c h o r f u n g e r s t r e c k t s ich yon dcr E p i d e r m i s bis in die Tiefe der Cut i s . D a s nek ro t i s ch gewordene Ep i the t u n d Bindegewebe , das s ich be re i t s z u m Tell abges to i l en ha t , i s t du rch e ine deut l iehe D e m a r k i e r u n g s z o n e gegen das junge , k r ~ f t i g e n t w i c k e l t e Granu l a t i onsgewebe abgeg renz t . E in Vergle ich der Abb. 2 und 7 v e r a n s c h a u - l i ch t die g runds~tz l i che Ver seh iedenhe i t der c u t a n e n G e w e b s r e a k t i o n e n b e i m n i c h t t u b e r -

ku lSsen u n d b e i m kons t i t u t ionc l l t ube rku lSsen K a n i n c h e n . Velgr . 30 × .

herde sind jedoch verwaschen und gehen in die allgemeine eitrige Infil- tration des benaehbarten Gewebes fiber. Die erhaltenen kollagenen Fasern innerhalb des verschorften Gewebcs sind dutch (~demfliissigkeit und durch EiterkSrperchen auseinandergedr£ngt; sie erschcinen h~ufig gequollen und sind in ihrer F£rbbarkeit gegeniibcr dem normalen Gewebe ver~ndert. Die Umgebung des verschorften Bezirks l~Bt eine starke arterielle Hyper~mie erkennen; die Blutgef£Be sind stark erweitert und yon Erythrocyten angeffillt.

Bereits vom 2. Tage an kommt es neben dem sich stiirmisch voll- ziehenden nekrobiotischeu Gewebstod und Gewebsschw~nd zu einer Neu- bilduug yon bindegewebigen Zellelementen. Es handelt sich um junge

646 K. Jr. Osterhage:

embryonale Bindcgewebszellen und um Fibroblasten, die zumeist yon adventitiel]en Bindegewebszellen abstammen. In diesom jungen regenera- riven Gramflationsgewebe, welches naeh AbstoBung des Sehorfes am Geschwiirsgrund ffei zutage liegt, haben wir keine spezifiseh tuberkulSsen Zellelemente nachweisen k6nnen. Das junge wuchernde Granulations- gewebe ersetzt alhn/~hlich den entstandenen Gewebsdefekt und wandelt sich, indem die jugendlichen Zellformen ausreifen und kollagene Fasern entstehen, in ein Narbengewebe urn.

Der auffa[lendste und bedeutendste Unterschied gegeniiber dem intra- cutanen IZ~rankheitsprozei~ beim gesunden Kaninehen offenbart sich jedoeh in dem verschiedenen Verhalten der Tuberkelbaeillen. W~hrend beim nichttuberkul6sen Tier die Aufl6sung der einverleibten lebenden und toten Tuberkelbaeillen relativ langsam vonstatten geht, erfolgt sie beim tuberkul6sen Tier sehr viel rascher. Bereits naeh 1--2 Tagen ist die Hauptmengo der injizie1%en Tuberkelbacillen restlos aufgel6st; neben in Zerfatl begriffenen Bacillen findet man reichlieh Triimmer und Granula, die sich mit Carbolfuchsin rot f~rben lassen. Naeh 6--8 Tagen sind nur noch sp/~rliche rote K6rnchen als Reste der injizierten lebenden Tuberkelbaeillen aufzufinden. Die Aufl6sung der toten Tuberketbacillen geht noch sehneller vonstatten; nach 4 Tagen finder man nur noeh sp/~r- liche Reste, nach 6 Tagen ist keine Spur yon den einverleibten Baeillen mehr vorhanden.

Ekto-Endo-Tuberkulose und Endo-X-Tuberkulose der Subeutis beim tuberkulSsen Kaninchen.

~m Gegcnsatz zu der Verschiedenheit der Gewebsreaktionen, die sieh im intracutanen Krankheitsprozc~ beim gesunden und reinfizierten Xaninchen offenbaren, f~llt der durch subcuta~e Einverleibung yon lebenden und toten Tuberkelbacillen zustande kommende Krankheits- herd beim niehttuberkul6sen un:l beim bereits tuberkulSsen Tier konstant gleiehgestaltet und gleiehfSrmig aus. Auch Jesio'rbek und vo~ Grund- herr haben keinen wesenttichen ktinisch und histologisch wahrnehmbaren Unterschied des subcutanen tterdes beim erst- und wiedergeimpften Meersehweinchen feststellen k6nnen.

Wie beim nichttuberkul6sen Tier f/illt die subcutane Einverleibung ]ebender und toter Tuberkelbaci|len konstant positiv aus. Einen nega- riven Ausfall haben wit weder bei nichttuberkul6sen, noeh bei tuber- kul6sen Kaninchen beobachten k6nnen. Der klinisch wahrnchmbare Krankheitsherd hat die Gestalt einer -knotigen Vorw61bung, die am ersten Tage nach der Impfung bereits eine betr~chtliche Gr61]e und Aus- dehnung erreichen kann (Tier 18/'33). Die Haut fiber der entstandenen Vorw61bung ist an den ersten 2--3 Tagen gut versehieblich und in Falten abhebbar. Die h~ufig bestehende R6tung ist nicht auffallend stark und verschwindet nach wmfigen Tagen. Der Umfang des knotigen Infiltrates

Experimentelle Kauttuberkulose beim K~ninehen, 647

nimmt an den folgenden Tagen allm£Mich zu und erreieht in einzelnen F/~llen eine betr/~cht, liche Ausdehnung. Am 4. Tage naeh der Impfung ist die Haut fiber dam sich derb und lest anfiihlenden Knoten nicht mehr versehiebIich. Im Verlauf yon 1--2 SVochen zeigt er eine allmEhlieh zunehmende weichere Konsistenz; eine Fistelbildung, wie sic bei den subcutanen Herden beim Meerschweinchen h/iufig zustande kommt, konnten wir jedoch beim Kaninchen nicht beobachten. Der Krankheits- herd wird im Verlauf einiger Wochen zu einer indolenten subeutanen Gesehwulst, die sieh, ohne st~rkere reaktive Erscheinungen zu zeigen, Mlmiihlieh verkleinert. Jedoeh war bei Tier 41/33 noch nach 50 Tagen eine m/ichtige, fast hfihnereigroBe Geschwulstmasse vorhanden.

Im histologischen ~ p a r a t kann man sich davon iiberzeugen, dab ein Unterschied des subcutanen Krankheitsherdes beim erstgeimpften und reinfizierten Tier nicht besteht. Im AnschluI] an die mit lebhaften Ent- ziindungserscheinungen einhergehende Eiterung und Gewebsaufl6sung (L Phase) kommt eine m~ehtige Neubildung bindegewebiger Zellelemente zustande. Das entstandene junge Granulationsgewebe erfiillt die ganze Subeutis ira Bereich der Impfstelle und erstreckt sich h~ufig noch in die bindegewebigen 5'[uskelinters~itien hinein. Es besteht aus embryonMen Bindegewebszellen und Fibroblasten, die in der N~he des Eiterherdes ringf6rmig angcordnet sind. Friihestens am 7.--9. Tage erkennt man epitheloide Zellen inmitten der neugebildeten Bindegewebszellen. Der tuberkul6se Charakter des entstandenen epitheloiden Gewebes wird besonders in den Randpartien deutlich, we epitheloide Zellen htiufig zu kn6tchen- und strangf6rmigen Bildungen zusammengelagert sind. Im Verlauf der 3. Woche beginnt zumeist innerhalb dieses tuberkul6sen Granulationsgewebes eirL nekrobiotischer Zerfall der epitheloiden Zellenformationen, Die nekrobiotischen Massen werden Mlm~hlich resorbiert und die entstehenden Gewebsliicken yon jungem, regenera- tivem Granulationsgewebe ausgefiillt. Frfihzoitig beginnt in den Rand- partien die Vernarbung des Krankheitsherdes, indem dig jungen Zetl- elemente zu Fibrocyten heranreifen und kollagene Fasern zwisehen ihnen entstehen.

Die AuflSsung der einverleibten lebenden und toten Tuberkelbacillen erfolgt im subeutanen Krankheitsherd beim tuberkulSsen Kaninchen nicht schneller als beim niehttuberkulSsen Tier. In dem 50 Tage alten Krankheitsherd veto Tier 41/33 waren noeh gr6Bere Haufen yon Tuberkel- bacillen und betr/~ehtliehe Mengen yon Bacillenresten aufzu/inden.

L~ber c h e m i s c h e Aff in i t i i t z w i s c h e n t i e r i s c h e m G e w e b e und t u b e r k u l i i s e n A g e n z i e n be im e r s t g e i m p f t e n u n d be im

r e i n f i z i e r t e n K a n i n c h e n .

Das Zustandekommcn einer tuberkulOsen Erkrankung hat zur Vor- ausse~zung, daf3 das befa]lene Objekt f/~hig ist, mit dem befallenden

648 K.H. Osterhage:

Tuberkelbaeillus ehemisehe Reaktionen einzugehen. Diese F/~higkeit des Organismus wird yon Jesionek als chemische Affinit/~t zum Tuberkel- bacillus bczeichnet.

Ihren sinnf/~lligsten Ausdruck linden die zwischen Gewebe und Tuberkelbacillus bestehenden chemisehen Affinit/~tsverh/~ltnisse in dem Umstand, dat~ es im Verlauf der chemisehen Reaktionen zur AuflSsung der Tuberkelbacillen einerseits und zur AuflSsung der Gewcbssubstanzen andererscits kommen kann. Wie jedoch bei einer einfachen ehemischen Reaktion die AuflSsung eines optisch wahrnehmbaren KSrpers nur ein untergeordnetes Moment darstellt im Verg|eich zu dem entstehenden Reaktionsprodukt, so handelt es sich auch bei der optisch so vordringlichen Erscheinung der AuflSsm~g des Gewebes und der Tuberkelbacillen nur um oine Teilerscheinu~g im Gange der chemischen Reaktionen. Ihr wesentlichstes Ergebnis ist jedoeh die Entstehung neuer ehemiseher K5rper aus den beiden Reaktionspartnern, die ihrerseits zu weiteren chemischen Umsetzungen bef~higt und mit bestimmten chemischen Affini- t/~ten zu den cinzelnen Gewebsbestandteilen begabt Kind.

Zwischen den Substanzen, die am Aufbau des ,,Organismus Tuberkel- bacillus" beteiligt sind und dem Bindegewebsorgan des Kaninchens besteh~ chemische Affinitgt. Diese Tatsache besagt jedoch nichb, dab s/~mtliche im '~berkelbacillus enthaltcnen und yon diesem auegcschie- done Substanzen mit demselben ReaktionsvcrmSgen begabt w/~ren. Auch die verschiedenen chemisehen KSrper, die im Bindegewebsorgan innerhalb der Zellen sowohl, wie in der Gewebsfliissigkeit enthalten sind, sind jede fiir sieh durch eine besondere Affinit/~t zu den tuberkulSsen Agenzien gekennzeichnet. Entsprechend dcr Vielgestaltigkeit der mit- einander reagierenden Substauzen entsteht deshalb nicht ein einheitliches Reaktionsprodukt, sondern ein Gemisch von verschiedenen ehlzelnen ReaktionskSrpern. All diesen im Verlauf der chemisehen Umsetzungen neu gebildeten Substanzen ist jedoch nach dem bisher Gesagten das eine gemeinsam, dab sic alle eine Gewebskomponente und eine Tuberkel- baciIluskomponente enthalten.

])as Zustandekommen der-chemischen Reaktionen zwischen den tuberkulSsen Agenzien und dem tierischen Bindegewebe ist yon bestimm- ten Voraussetzungen abh/~ngig. Die vom Tuberkelbacillus stammenden Substanzen miissen in einem flfissigcn Medium (Flfissigkei~ der Gewebe) 15slieh oder suspendicrbar sein. Man kann dabei die Vorstellung haben, dab zwischen diesem flfissigen Medium und den tuberkulSsen Agenzien bereits Reaktionen im Sinne einer chemischen Umsetzur~g stattfinden. AndererseRs ist es denkbar, da~ eine ein~ache (physikalische) LSsu~g der tuberkulSsen Substanzen in der Flfissigkeit der Gewebe erfolgt. Die Tatsache besteht jedoeh zu Recht, dat3 diese in irgendeiner Form an die Gewebsfliissigkeit gebundenen tuberkulSsen Agenzien, das Ektotoxin und die leicht und schwer 15slichen Endotoxine, die Tr/~ger der chemischen

Experimentelle ~rmuttuberkulose beim Kaninchen. 649

Affinit/it des Tuberkelbacillus zum Bindegewebsorgan des Kaninchens darsteIlen.

Bei der Appiikation ,,gekoehter" Tuberkelbacillen handelt es sieh um die ~Virksamkeit und um die chemische Affinit/it einer bestimmten Gruppo yon Tuberkulotoxinen, mn das Endotuberkulin X. Das aktive Prinzip der lebenden Tuberkelbacillen umfal]t dagegen die Gesamtheit aller im Tuberkelbacillus vorhandenen und an seine Lebensbet/~tigung gekniipften tuberkulSsen Agenzien.

Die Tr/iger der chemischen Affini~t des Bindegewebes zum Tuberkel- bacillus sind all diejenigen Elemente, die yon primiircn mesenehymalcn Bindegewebszellen sich herleiten, wenn sie auch im Laufe ihrer Ent- wicklung sehr verschiedene Form und Gestalt angenommen haben. Sowohl die jugendliehen, nicht differenzierten Bindegewebs-Zelleu, wie die ausgereiften hochdifferenzierten, Bindegewebs-Fasern und die zwisehen beiden Elementen kreisende Gewebs.Fliissigkeit sind mit dieser chemischen Affinit£t zu den tuberkulSsen Agenzien begabt. Den tuberkul6sen Agenzien stehen in dot Summe der Bestandteile des Bindegewebsorganes die Binde. gewebsagenzien gegenfiber.

Wenn man die Protokolle fiber den Krankheitsverlauf der einzelnen Versuehstiere miteinander vcrgleicht und man das vorher geschilderto Krankheitsgeschehen in der Haut und Unterhaut des gesunden und tuberkulSsen Kaninchens zusammenfassend iiberblickt, so ergeben sich wesentliche Verschiedenheiten im Verhalten des erkrankten Organismus sowohl, wie der befallendon Tuberkelbacillen, die auf eine Versehiedenheit der chemisehen Reaktionen und eine AndersartigkeR der Mfinit~ts- verh/~ltnisse zurfiekgefiihrt werden miissen, l~ur die VerMiltniss~, under denen sich ehemisehe Reaktionen abspielen und die Substanzen, zwischen denen ehemische Umsetzungen erfolgen, k6nnen diesen Ver~nderungen unterlicgen. Die chemisehe Affinit/it z~Ssehen zwei reaktionsfi~higen Substanzen ist dagegen inamer gteichbleibend und konstant. Trotz dieser Konstantheit kann das Reaktionsprodukt, d~s im Verlauf der gegenseitigen Einwirkung zustande kommt, ein verschiedenes sein. Die Menge der mitein~nder reagierenden Substanzen und die Dauer der Einwirknng bedingen diese VersehiedenheiC des entstehenden Reaktions- produktes.

Ira folgenden sollen nun die im tuberkul6sen Krankheitsherd sich abspielenden, kliniseh und histologiseh sieh darstellenden Gewebs- reaktionen unter dem Gesiehtswinkel einer ehemisehen Betraehtungsweiso untersucht werden.

Injiziert man tote Tuberkelbacillen in die Ober- oder Unterhaut eines gesunden, nieht tuberkul6sen Kaninchens, so gelangen die eih- verleibten Bacillen in ein fliissiges Medium, in die Flfissigkeit, die zwisehen Zellen und Fasern des Bindegewebes gelegen ist und die eine bestimmto chemisehe Zusammensetzung aufweist. Die in unserem Falle bedeutendste

650 K.H. 0sterhage:

Eigenschaft dieser Flfissigkeit erblicken wir darin, dab sie - - bzw. eine in ihr enthaltene Komponente - - f£hig ist, die Leiber der injizierten Tuberkelbacillen aufzulSsen 1. Handelt es sich um ein Tier, des, wio wit anzunehmen geneigt sind, niemals Tuberkelbaeillen in sich aufgonommen und mit bestimmten chemlsche~ ~eaktionen beantwortet hat, so erfolgt die AuflSsung der Bacillen sehr ]angsam. In der Oberhaut des Kaninchens geht dieser Aufl6sungsproze6 gegen~iber der Unterhaut beschleu~igt vor sich. Zwischen der Gewebsfliissigkeit der Cutis und der Subeutis einer- seifs und dem Tuberkelbacillus andererseits besteht demzufolge eine ehemische Affinit~t, die in der Oberhaut des gesunden Kaninchcns grS~er ist als in der Unterhaut. Aueh die Gewebsflfissigkeit der Cutis besitzt keinesfalls HSehstgradigkeit der cbemisehen A ~ i n i ~ t zum Tuberkelbaeillus, die eine sofortige sehtagartige AuftSsung s~mttieher einverleibter Tuberkelbacillen zur Folgo haben mfiBte. Wit kSnnell uns vorstellen, dal] es nichttuberkulSse Tiere gibt, deren Gewebsfliissigkeit der Oberhaut mit dieser HSchstgradigkeit chemiseher Affinit~t gegen- fiber dem Tuberkelbacillus begabt w~re. So haben Jes~;onek, von Grundherr und 2'rey bei ihren Versuchen mit Meerschweinchen Tiere gefunden, bei denen diese HSchstgradigkeit der ehemisehen t~eaktionsbereitsehaft vorhanden war. Beim gesunden, nicht mit Tuberkelbacillen vorbehandel- ten Kaninchen konnten wir jedoch ausnahmslos nut eine geringe chemisehe Affinit~t der Gewebsfliissigkeit zum Tuberkdbacillus fes~stellen. /)as Verhatten der Gewebsflfissigkeit dor Subeutis dem Tuberkelbacillus gegen~iber n~hert sich dora anderen Extrem. Wir sind auf Grund unserer Versuehe bei versehiedenen Tierarten zu der Uberlegung gekommen, da~ es Tierarten geben ki~nnte, deren Gewebsfl~issigkeit fiberhaupt kein~ chemische Affinit~t zum Tuberkelbaeillus bes~l~e. In diesem Falle h~tten wir dami~ zu rechnen, dn$ keine AuflSsung der einverleibten Bacillen, aber aueh - - abgesehen yon einer FremdkSrperreaktion - - keinerlei Gewebsver~nderungen zustande k~men. In der Subcutis yell- ziehen sich die chemisehen Reaktionen, die zur AuflSsung der Tuberkel- bacillen schlie~]lich ffihren, allerdings ungemein langsam; jedoch zeigt die Ta.tsache der erfolgenden AuflSsung und das Zustandekommen spezifisch tuberkulSser Granulationsgewebsbildungen, da6 aueh die Gewebs- flfissigkeit der Unterhaut beim Kanineben mit zwar sehr geringer, doeh deutlieh nachweisbarer ehemiseher Affinit~t zum Tuberkelbacillus begabt is~.

Wenn wir bisher die Affinit/~tsverh~ltnisse der Gewebsflfissigkeit der Obvr- und Untertmut schilderten, so erfassen wir damit nur diejenige Fl~issigkeit, welehe extracellutiir, d .h . zwisehen den Zellen und Fasern des Bindegewebes, gelegen ist. Dieser extracellul~r kreisenden Fliissigkeit gegeniiber n immt die intracelluMr (= endoeellul~r) gelegene Fl~issigkeit

Es sell an dieser Stelle nichf untersucht werden, ob es sich dabei um eine echte chemische ,,Umsetzung" cder um eine einfache ,,LSsung" handett (s. S. 648).

Experimentelle tIauttuberkulose beim Kaninchen. 651

eine selbst~mdige Stelhmg ein. Die Andersartigkeit dieser, innerhalb der festen Bindegewebselemente gelegenen, zum Teil ehemisch an Zell- bestandteile gebundenen Fltissigkeit wird dann offenbar, wenn wir beob- aehten, wie im Innern yon Leukocyten, Makrophagen, Riesenzellen und nieht ausgereiften Bindegewebszellen eine Aufl6sung yon Tuberkel- baeillen erfolgt, ohne dab dabei die ,,festen" Bestandteile dieser Zellen irgendwie in o!0tiseh vordringlicher Weise an dieser Reaktion beteiligt waren. Unsere Vorstellung yon der chemisehen Affinit/~t dieser intra- cellular gelegenea Bindegewebsfltissigkeit zum Tuberkelbaeillus ist jedoeh aus dem Grunde so liiekenhaft, weil sieh die einsetzenden Reak- tionen infolge der Aufl6sung der festen Bindegewebselemente zumeist unserer Beobaehtung entziehen.

~V/ihrend die bisher gesehilderten Reaktionen im histologisehen Bild lediglieh an den Ver/inderungen zu erkennen sind, die im Gang dieser Umsetzungen an den Tuberkelbacillen vor sieh gehen und die zur Auf- t6sung der Baeillen I~ihren, spielen sieh die folgenden Reaktionen in optiseh leieht fai3barer Weise an den sog. ,,festen" Bindegewebssubstanzen ab. Als Bindegewebssubstanzen yon relativ festem Aggregatzustand fagt man Zelle~ und Faser~ zusammen, also diejenigen Substanzen, die dem Bindegewebsorgan seine relative :Festigkeit verleihen und die sowohl im ungefi~rbten, wie im fixierten und gef~rbten Pr£parat als k6rperliehe. gut wahrnehmbare Gebilde sieh darstellen.

Diese festen Bindegewebssubstanzen sind beim niehttuberkulSsen Kaninehen mit hochgradiger ehemiseher Affinit/it zu den tuberkul6sen Agenzien begabt, welehe in der extracellul/~r kreisenden Gewebsfliissigkeit gel6st sind (oder im Sinne einer chemisehen Umsetzung mit dieser bereits reagiert haben). Die Hoehgradigkeit der ehemisehen Reaktionsbereit- sehaft finder ihren siehtbaren Ausdruek darin, da6 die festen Binde- gewebselemente im Verlauf der ehemisehen Umsetzung einer schnellen AuflSsung anheim fallen. Zuerst werden die zelligen Elemente aufgel6st, w/~hrend die kollagenen und elastisehen Fasern ihrer Aufl6sung 1/ingere Zeit widerstehen. Die feineren und weniger zahlreiehen kollagenen Fasern der Subeutis werden dabei sehneller aufgel6st als die Fasern der Oberhaut, obwohl die Aufl6sung der Tuberkelbaeillen in der Sub- eutis langsamer vonstatten gehen. I)er ,¢ollstiindigen Aufl6sung der Bindegewebsfasern geht h~ufig eine Quellung und Destruierung voraus, die als partielle Sctr~digung der Fasern aufgefal~t werden mug. Zwisehen den Zellen und Fasern des Bindegewebsorganes besteht dem- naeh hinsiehtlieh ihres Verhaltens zum tuberkulSsen Agens der Unter- sehied, dab der Grad der ehemisehen Affinit/it der Bindegewebszellen hgher ist als der kollagenen und elastisehen Bindegewebsfasern.

Der hohe Grad der spezifisehen AffinitS.t des festen Bindegewebes zu den tuberktflSsen Agenzien erkl/~rt sieh welter aus der Tatsache, dab der Bezirk, in dessert Bereieh die ehemisehe Umsetzung erfolgt und der

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durch die Aufl6sung der festen Biadegewebselemen~e so auffallend gekennzeictmet ist, nur eine gerlnge, lest umgrenzte Ausdehnung erreicht. Die ehemische Reaktionsbereitschaft der festen Bind¢gewebssubstanzen ist eben so hochgradig, da~ diese mit den tuberkul6sen Agenzien sozu- sagen in statu nascendi, d. h. im Augenblick der AuflSsung der Tuberkel- bacillen und des Freiwerdens tier Tuberkulotoxine reagieren. Alle zur Verffigung stehenden tuberkul6sen Agenzien werden sehlagartig ver- braucht und k6nnen nicht mehr in die Umgebung des Kranldmitsherdes gelangen.

Z~dsehen den festen Antei|en des Bindcgewebsorganes beim Kaninehen und Meersehweinchen bestehen Gradunterschiede der spezifisehen Affini- t/it zu den tuberkul6sen Agenzien. Beim gesunden Meerschweinchen er~olgt die Aufl6sung yon Zellen und ]~'asern innerhalb yon 1--2 Tagen sehr rasch und vollst/~ndig; beim Kaninehen sind h/iufig nach 6 Tagen noeh Reste nieht vollst/~ndig aufgel6ster Fasern vorhanden. Beim Meerschweinehen besitzt demnaeh das ,,feste" Bindegewebe - - vor- nehmlich die Bindegewebsfaser ~ einen h6heren Grad chemiseher Mfini- t/~t zum Tuberkelbacillus als die gleichartigen Gewebssubstanzen beim gesunden Kaninehen. Fiir das Aussehen und die morphologisehe ]3e- schaffenheit des entstehenden Krankheitsherdes ist jedoch dieser ver- schiedene Grad der ehemisehen Affinit/~t des Bindegewebes yon aus- schlaggebender Bedeutung.

Die bisher geschilderten chemischen Umsetzungen erkl/~ren die Tatsache der AuflSsung der einverleibten Tuberkolbacillen und der festen ]3indegewebselemente. Die Aufl6sung der tuberkulSsen Sub- stanzen und ihre L6sung in der ]~ltissigkeit des Bindegewebes erm6glieht erst das Zustandekommen der ehemisehen Reaktion, welcho die Auf- 15sung des Bindegewebes zur Folge hat und die Erseheinungen des als I. Phase bezeichneten Krankheitsgeschehens bedingt. Dem Zustande- kommen der II., durch Gewebsproliferation gekennzeiehneten Krankheits- phase gehen ]edoeh neue chemische Reaktionon voraus.

Der wesentliehe trod grundlegende Unterschied zwisehen den chemi- schen Reaktionen, die dem Zustandekommen der I. und II. Phase des Krankheitsprozesses zugrunde liegen, besteht darin, dalt im Yerlauf der I. Phase eine weitgehende Einschmelzu~g und Au]lSsung der Binde- gewebssubstanzen erfotgt, w/ihrend in der II . Phase nieht der Zellschwund, sondern die Neubildun9 verb Bind@gewebszellen das Krankheitsgesehehon beherrseht. Trotzdem handelt es sich bei diesem seheinbar so gegen- s£tzliehen Verhalten tier BindegewebszeUen den einwirkenden tuber- kul6sen Agenzien gegentiber nieht um einen grunds~tzliehen Untersehied, sondern lediglieh um Gradunterschiede in der ehemischen Affinit/~t dieser Zellen. ~T/i.hrend in der ersten Kra.nkheitsphase die hohe Affinit~t des Bindegewebes zu den tuberkul6sen Substanzen die votlst/~ndige Auf- 16sung der Zellen bedingt, kommt in tier II . Phase infolge d e r n u r geringen

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spezifischon Affinit/it im Verlauf der Reaktion lediglich eine partietle Sch/~digung dcr Bindegewebszellen zustande.

Wiihrend bei dor ersten Reaktion z~ischen Bindegewebe und tuber- kulSsen Substanzen ellen ein 16sliches, nicht sichtbares Reaktionsprodukt entsteht, kommt bei der 2. Reaktion zwischen den beiden Reaktions- partnern ein optisch gut wahrnehmbares P r o d u k t - - das jungc proliferative Granulationsgcwcbe - - zustande. I)ie nur t:artielle Schiidigung, welche die zu weiterer Vermehrung befiihigte Bindegewebszelle durch die tuber- kulSsen Agenzien erf/~hrt, ist nach Jesionek ihrer germinativen Reizung gl~ichzusetzen. Die AuflSsung der Bindegewebszellen in dem ersten Falle und die Zellneubildung im anderen sind nichts andcres als verschiedcne Ausdrucksformen ein und derselben chemisehcn Reaktion, die abet, wcil die Voraussetzungen andere sind, zu verschiedenen Endprodukten ffihrt. Dieser verschiedene Ausfall der Reaktionen kann, wie anfangs bereits betont wurde, nur durch eine~nderung des Milieus, in dem die Reaktionen sich abst~ielen , oder dureh die _~nderung einer der miteinander reagieren- den Substanzen zustandc kommen. SehlieBen wit zun~chst einmal aus, dab die freiwerdenden und in der Gewebsfiiissigkeit gelSsten Tuberkulo- toxine eine Anderung erfahren hi~tten, so kommen wir zu der ]~berlegung, dab die chemisehe Konstitution der Bindegewebszellen eine andere gewor- den sein mul l Der sichtbarste Ausdruck dieser yon uns angenommenen chemischen Konstitutions~nderung der Bindegewebszellen ist jedoeh die Tatsache, dab an Stelle ihrer irfiheren hohen chcmischen Affinit~t zu den tuberkul5sen Agenzien nur noch ein geringer Affinitiitsgrad bcsteht.

Diese Konstitutionsi~nderung der Bindegewebszellen, welche ftir die Andersartigkeit des Ausfalles der Gewebsrcaktionen verantwortlich zu machen ist, kann auf verschiedenem-Wege zustande gekommen sein. Wir kSnnen uns vorstetlen, dal~ der Organismus in irgendwetchen Organen im AnschluB an die Invasion yon Tuberkelbaeillen Stoffe produziert, welche imstande w~ren, die chemische Affinit~t der Bindegewebszellen zu den tuberkul5sen Agenzien herabsetzen und die Aufl5sung der Bindegewebszellen zu verhindern.

~Veit. naheliegender ist jedoeh die l~bertegung, dMl die Stoffe, welehe im Verlaul der chemischen Umsetzungen im Bereich der Impfstelle cntstehen, die Anderung der chemischen Konstitution der Bindegewebs- zcllen verursachcn kSnnten. Von Jesionek werden diese Stoffe, welche das chemische Verhalten der Bindegewebszellen in der geschilderten Weise umstimmen, als t~efrakta'rstoffe bezeichnet. Wir sind zu der An- nahme berechtigt, daft diese Refrakt~rstoffe mit den Substanzen iden- tisch sind, die im Verlauf der ersten chemischen Umsetzung zwischen den tuberkulSsen Agenzien und den Bindegewebszellen und -fasern entstehen. Es handelt sich demnaeh um verschiedene, entsprechend der Vielgestaltig- keit der l~eaktionspartner unterschiedliche chemische Substanzen, welche eine Tuberkelbacilluskomponente und eine Bindegewebskomponento

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enthalten. Wir haben eellul~re Ekto- und Endo- Refrakt/~rstoffe zu unterseheiden. Jesionek nimmt beim Meerschweinehen neben diesen cellul/~ren Refrakt~rstoffen noch humorale, d .h . den chemischen Reak- tionen der tuberkulSsen Agenzien mit fltissigen Gewebsbestandteilen entstammende Refrakt/~rst, offe an.

Die wiehtigste Eigenschaft dieser als Refrakt~rstoffe bezeichneten resorbiorbaren chemiseheu Reaktionsprodukte erblicken wir darin, dab sic als Abk6mmlinge sowohl der Tuberkelbacillen wie des Bindegewebs- organes sich diesen beiden chemischen Systemen gegeniiber indifferent verhalten u~d daft sie diese Indlfferenz sowohl auf das Bindzgc, webe wie a~f di~ Tuber]celbacillen iibertragen. Ihre chemisehe Affinit~t zu beiden kann nicht hocbg-radig sein; sonst wiirden sie in unmittelbarer Nachbar- sehaft des Krankheitsherdcs gebunden un4 kSnnten nieht, im S~.ftestrom des KSrpers gelSst, den ganzen Organismus des Tieres iiberschwemmen.

Indem die RefraktSrstoffe in die Bindegewebszellen der Nachbur- schaft des tuberkulSsen PrimSrherdes (AbsceI]) eindringen, desensibi]i- sieren sic Zellen und Fasern dieses Gewebes gegenfiber den tuberku- 15sen Agenzien. Die vorher bestehende hochgradige chemische Affinit~t, die in der AuflSsung der Bindegewebselemente ihren siehtbaren Ausdruck f~nd, wird derartig ~bgeschw£cht, da[t aLs definitives Reaktionsprodukt lediglich eine partielle Reizung, keine AuflSsung dieser refrakt~r ge- wordenen Bindegewebszellen zustande kommt.

Abet auch die Tnberkelbacillen unterliegen der desensibiiisierenden Wirkung der Refrakt~rstoffe. W/£hrend beim nichttuberkulSsen Tier an den ersten Tagen die AuflSsung der Tuberkelbacillen, besonders in der Curls, sehr rasch vor sich geht, verzSgert sich ihre AuflSsung an den folgenden Tagen betr'~ehtlich. So kalm man beispielswcise in ~lteren Krankheitsherden in einiger Entfernung vom Prim/irherd liegcnde, dort- hin verschlelapte Tuberkelbacillen linden, an denen keine Zeichen einer AuflSsung oder Ver~ndenmg zu erkennen w~ren. Am deuthehsten wird dies ver~nderte chemisehe Verhaltcn der Tuberkelbacillen jedoch in ~ilteren eutanen Krankheitsherden beim Meerschweinchen. In einem solchcn 5--6 Wochen alten Impfgeschwiir finder man hi~ufig vSllig intakte Tuberkelbacillen, w~hrend etwa neu einverleibte, nicht refrakt~r ge- wordenen Tuberkelbaeillen aus Griinden, die sp~ter zu schildern sein werden, einer schlagartigen AuflSsung anheim fallen.

Bei der durch Gewebsprolifera~ion gekennzcichneten Phase des Krankheitsgeschehens werden Yon uns 2 Stadien, ein unspezifisches und ein durch das Auftreten epitheloider Ze]lformationen charakterisiertes spezifisches Stadium unterscheiden. Die unspezifisehen Zellelemente, die das erste Stadium der II . Phase kennzeichnen, entwickeln sieh stets frfiher und anfangs in betr~chtlich grSl]erer Menge als das spezifische tuberkulSse Granu|ationsgewebo. Der grunds~tzliche Unterschied zwi- schen den beiden Gewebsformationen, der uns veranlai~t, diese scharfe

Experimentelle Hauttuberkulose beim Kaninchen. 655

Trennung in 2 Stadien vorzunehmen, ist jedoch folgender: Das aus embryonalen Bindegewebszellen und Fibroblasten bestehende unspczifi- sche Gewebe kann im Verlauf sehr verschiedener chemiseher Reaktionen, an denen Bindegewebssubstanzen beteiligt sind, zustandekommen; die spezifiseh tuberkul6sen Zellelemente entstehen jedoeh ausschtiel31ich nur dann, wenn tuberkul6se Agenzien zur Einwirkung auf entsprechend vorbereitete Bindegewebselemente gelangen, Wit k6nnen auf Grund der yon uns durchgefiihr~en Untersuchungen nicht mit Sieherheit sagen, ob das erstentstandene unspezifische Granulationsgewebe auf Grund einer chemisehen Reaktion mit den tuberkulSsen Agenzien oder mit irgend- welehen anderen nicht spezifisehen Substanzen zustande gekommen ist.

Die Zellen des unspezifischen Gewebes besitzen die F/~higkeit, ihr Leben als normale Bindegewebszellen weiter zu bet/~tigen, sich zu ver- mehren, zu reifen und Fasersubstanz zu bilden. Die Zellen des spezifisch tuberkul6sen Granulationsgewobes, die epitheloiden Zellen und tuber- ku16sen Riesenzellen haben diese F£higkeit verloren. W~hrend im ersten Falle im Verlauf der ehemischen Reaktion mit den tuberkul6sen Agenzien die Bindegewebszelle lediglich yon einem germinativen Reiz getroffen wird, erfolgt im zweiten Falle durdh die ehemisehe Umsetzung eine so grund- legende .~ndcrung der ehemischen Konstitution der Bindegewebszelle, dab sie ihr normales Zellebon nieht weiter bet£tigen kann. Das unspezi- fisehe Granulationsgewebe kommt vor allem dann zur Entwieklung, wenn nut wenige oder bereits abget6tete Tuberkelbacillen zur Einverleibung gelangten. Im Gegensatz dazu entstehen spezifisch tuberku16se ZeU- formationen dann, wenn grote Mengen yon Tuberkelbacillen einverleibt oder, wie in der Subcutis, nur sehr langsam aufgel6st und chemisch gebunden werden. Es ist daher wahrseheinlieh, abet auf Grund der vorliegenden Untersuehungen nicht zu beweisen, da$ auch quantitative Unterschiede bei den einwirkenden tuberkul6sen Agenzien fiir das ver- sehiedene Verhaiten der Bindegewebszellen und den andersartigen Aus- fall der Gewebsreaktionen verantwortlich zu machen sind.

Die ehemischen Reaktionen, die sich zwischen den tuberkulSsen Agenzien and dem veto Tuberkelbaeillus noch unberiihrten Organismus abspieten, ffihren zu einer elementaren, grundlegenden ~4"ndzrung und Umgestaltuv4] des Orgavdsmus. Als Vermittler und Tr~ger der erfo]genden Umstimmung funktionieren die resorbierbaren Endprodukte, die im Verlauf der chemischen Reaktionen entstehen und die yon Jesionek als tuberkul6se Refraktdirstoffe bezeichnet wcrden. Diese Refrakt/irstoffe, deren Vorhandensein, wie oben gesehildert wurde, erst die Bildung yon spezifisch tuberkulSsen Zellelementen mSglich maeht , bedingen die ~nderung der chemischen Konstitution des Organismus, die als ,,Um- stimmung" bezeichnet wird. Wir erblicken in den Reffakt/irstoffen die Tr/iger und die Vermittler der ,,tuberkulSsen Konst i tut ion" eines Orga- nismus (vergl. auch die Arbeit L. ](. F~E'~- (1934), Anmerkung S. 643).

Arch ly f. Dermato iog ie ~1. Syphilis. Bd. 170. 4 4

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Der Organismus, dessen Bestandteilc unter der Einwirkung tuberku- 16ser Refrakt/~rstoffe stehen oder gestanden haben, is$ chemisch und physiologisch ein anderer als der, bei dem noch ke:ine Tuberkelbacillen zur chemischen Wirksamkeit gelangt sind. Wie bereits eingangs betont wurde, ist es dabci gleichgfiltig, ob in einem solchen konstitutionell tuberkulSsen Organismus noch ein aktiver tuberkulSser Krankheitsprozeg sich abspielt, oder ob die der Umstimmung zugrunde liegenden chemischen Reaktionen bereits 1/~ngere Zeit zuriickliegcn und ein spezifischer ProzeB weder klinisch noch histologisch nachzuweisen ist. Bewcisend ffir die erfolgte Um- stimmung des Organismus ist allein sein ver~ndertes chemisches Ver- halten gegeniiber einer Neuinfektion mit Tuberkelbaeillen. Das ,,kon- stitutionell tuberkul6se" Kaninchen beantwortet die erneute Einver- leibung yon Tuberketbaeillen mit anderen Reaktionen Ms das nicht- tuborkul6se Tier. Diese Andersartigkeit des Reaktionsablaufes wird durch die verschiedene chemische Affinit/~t der festen uncl fliissigen Bindegewebssubstanzen beim nichttuberkul6sen und beim ,,konstitu- tionell tuberkul6sen" Kaninchen bedingt.

.~l Stelle der verh/iltnism/~Big geringen Affinlt£t der extracellul/ir kreisenden Gewebsflfissigkeit der Cutis zum TuberkelbacilIus, die beim nichttuberkul6sen Kaninchen zu einer nur allm~hlichen Aufl6sung der einverleibten lebenden und toten Tuberkelbaci]len ffihrt, finder sich beim tuberkul6sen Kaninchen eine so hochgradige ehemisehe Reaktions- bereitschaft dieser Gewebsfliissigkeit, dab in sehr kurzer Zeit sgmtliche einverleibten Bacillen einer vollst/~ndigen Anfl6sung anheimfMlen. Abet tediglieh die neu injizierten, noeh nicht refrakt~r gewordenen Tuberkel- baeillen verfallen der AuflSsung, w/~hrend die im Bereieh der alten Impfstellen beispielsweise gelegenen, frtiher injizierten Tuberkelbacillen, welehe 1/~ngere Zeit hindurch der Einwirkung der tuberkulSsen gefraktiir- stoffe ausgesetzt waren, gelegentlieh der Reinfektion keirte AuflSsungs- erseheinungen zeigen.

Die Affinit~tsverh/~ltnisse der Gewebsfliissigkeit in der Subcutis und den iibrigen 0rganen des K6rpers weisen im ausgesproehenen Gegensatz zur Gewebsflfissigkeit der C51tis beim niehttuberkulSsen und beim tuber- kulSsen Kaninehen keirtz besonderen Untersehiede auf. Dieses ver- sehiedene ehemisehe Verhalten erkl/~rt sieh aus der besonderen ehemisehen Konstitution der eutanen Gewebsflfissigkcit beim konstitutionell tuber- kulSsen Kaninehen ; in dem folgenden Absehnitt werden diese Verh£1tnisse n/iher zu schildern und zu erkt/iren sein (s. S. 657).

])as pl6tzliehe, schlagartige Freiwerden grol3er Mengen yon tuberkul6sen Agenzien bei der I~einfektion mit Tuberkelbaeitten fiihrt beim tuber- kul6sen Objekt zur Entstehung ausgedehnter Ver/inderungen an den Iesten Bfildegewebselementen. Vc'ir haben es beim konstitutionell tuber- kulSsen Kaninehen mit Bindegewebszellen und -fasern zu tun, welche, besonders im Bereich der Cutis, der Einwirkung der tuberkulSsen l%efrak-

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t/~rstoffe t/ingero Zeit hindurch ausgesetzt waren un4 wolche sich den tuberkul6sen Agenzien gegeniiber refra.kt/ir verhalten. Die chemische Affinit/it der festen Bindegewebselemente zu den tuberkul6sen Agenzien, die beim nichttuberkul6sen Kaninchen zun/~chst eine hochgradige war, ist eine tiering gradige gewordcn. An Stello einor Gewebsaufl6sung kommt trotz der Einwirkung unvergleichbar grSl3erer Mengen yon tuberkuI6sen Substanzen keine Au/16sung, sondern nur eine Tartielle Schiidigu~g der Bindegowobsfasern un4 -zellen zustande. Klinisch ~ul~ert sich diese Gewebsreaktion, die sich im histologischen Bild als Nekrose darstellt, ~nter dcm so pr/ignanten und charakteristischen Bild der Gowebs- verschorfung. Offenbar ist der Ablauf der einzelnen Gewebsreaktionen in dem verschorften Gewebsbczirk, nebcn den graduellcn Unterschicdcn, die man bei den einzelnen Bindegewebszellen und -fasern hinsichtlich ihrer Desensibilisierung annehmen mul~, gleichzeitig yon der Menge des wirksamen tuberkul6sen Prinzips abh/ingig. So kommt an einzclnen Stellen des Gewebes eino vollst/~ndige Atffl6sung yon Zellen und Fasern zustande, w~hrend die Hauptmasse der Gewebsnekrose anheimf'~llt. In den Randzonen des Krankhoitsherdcs kommt es schliel]lich tiberhaupt nicht zmn ZeUtod, sondorn nur zu einer so geringffiigigen Beeinflussung der Bindegewebszellen, dal~ dicse eincm germinativen geiz gleich- kommt.

Die grundlegenden Verschiedenheiten der chemischen Affinit/its- vcrh/iltnisse zwischen Bindegewebe und Tuberkelbacillus beim nicht- tuberknl6sen und beim konstitutionell tuberkul6sen Kaninchen sind zusammengefa[~t folgcnde :

Die extracellul~r gelegene cutane Gewebsfl/issigkeit besitzt beim nichttubcrkul6scn Kaninchcn eine geriuti gradige chemische Mfinit~t zum lebenden und toten Tuberkelbacillus. Beim t.uberkul6sen Kaninchen ist dieser Affinit£tsgrad ein sehr hoher. Die festen Bindegewebselemente der Cutis sind beim nichttubcrkulSsen Kaninchcn mit hochgradiger spczi- fischer Affinit£t zu den in der Gewebsfi/issigkeit gel6sten tuberkul6sen Agcnzien begab~. Beim lbuberkul6sen Kaninchen ist der Grad dieser chemischen Affinitiit sehr gering. In der Hochgradigkeit dcr ehemischen Affinit/it der fliissigen Bindegewebsbestandteile und in der Gering- gradigkcit der chemischen Affinitiit der festen Bindegewebsbestandteile zu dcn tuborkul6sen Agenzien iindct das Zustandsbild der ,,tuberku- t6sen Konstitution" des Kaninchenorganismus seinen sichtbaren Aus- druck.

t i b e r A n t i t u b e r k u l i n e und iiber die antituberkuliise Funktion der Haut beim Kaninchen.

Die Verschiedenhcit des Krankheitsgeschehens, die sich bei der Ein- verleibung yon tuberkul6scn Agenzien beim nichttubcrkul6scn und beim

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bereits tuberkul6sen Organismus offenbart, hat zu der Anschauung geffihrt, dab im tubcrkulSsen Objekt Stoffe vorhanden sein miissen, die spezifisehe biologisehe Reaktionen auszul6sen vermSgen. Vo~ Pirquet und Schick sind die ersten gewesen, die das V~'esen dieser Reaktionen als spezilische Ar~tik6rperreaktionen erkannt und aufgefaBt haben. Welcher Art diese tuberkul6sen Antik6rper seien, war lange Zeit unbekannt. So nahm Wolff.Eisuer (1908) zu einer Zeit, als man als wirksames tuberku- 16ses Prinzip noeh corpuseulgre Tcilchen yon Tuberkelbacillen auffaBte, spezifiseh wirkende Lysine an, denen er die Fghigkeit zuschrieb, dab sie diese kleinsten tuberkulSsen Elemente aufzulgsen vermSchten. Sahli (I913), der einen Abbau im Sinne einer chemischen Aufschliegung der tuberkul6sen Agenzien annahm, nachdem sieh die physikalisehe Lyse als einzig wirksames Moment nicht als ausreiehend er~desen hatCe, pr/~gte den Begriff der Chemolysi~e. Er erblickte in dem ,,Tuberkulopyrin", das als Zwischenk6rper bei der chemischen AufschlieBung des ,,Tuber- kulins" dureh Chemolysine entstehen sollte, die eigentliche Ursache der entzfindlichen Lokal- und Allgemeinreaktionen. Als Bildungsst'~tte der tuberkul6sen Antik6rper, die sp/~ter im Serum des erkrankten Organismus vorhanden sein sollten, hat man friihzeitig, ohne dab ein zwingender Beweis daffir vorhanden gewesen w/ire, den tuberkulSsen KraIrkheitsherd selbst angesehen.

Von Jesionek (1925) wurde die Summe der tuberkulSsen Agenzien, die im Tuberkelbacillus enthalten ist und yon ibm ausgeschieden wird, in einzelne, chemisch und physiologisch unterschiedliehe Teilgruppen zerlegt und damit die M6gliehkeit geschaffen, der Frage nach der Natur, nach dem Wesen und naeh der Herkunft der spezifisehen ,,Antituber- kuline" auf dem Wege des Experimentes klar und zielbewuBt nachzu- gehen.

Als AntituberkuIine haben wir alle diejenigen im ]ebenden Organismus a priori vorhandenen oder in ibm gebildeten Substanzen aufzufassen, weIehe einerseits auf Grmld ihrer spezifisehen ehcmisehen Affinit/~t zum Tuberkelbaeillus bef/ihig~ sind, mit diesem zu reagieren, ihn ehemiseh zu veriindcrn, ihn aufzul6sen und unsch~dlich zu maehen, oder anderer- seits Stoffe, die die Konstitution yon K6rpersubstanzen so veri~ndern, dal~ sie dem befallenden Tuberkelbacillus eine geringere Angriffsfl~iche bieten. Nach Jesion@ haben wir zwei grof3e Gruppen yon Antituberkulinen zu unterscheiden: die epidermidalen Antituberkuline und die tuberkul6sen R efraktgir stoff e.

Im Gegensatz zu der fr(iheren Ansehauung, daf3 die Entstehung der spezifisehen tuberkul6sen Antik6rper lediglieh an den tuberkul6sen Krankheitsherd selbst gebunden sei, wird yon Jesionek die Bildung des antituberkulSsen Prinzips in zwei Organsysteme verlegt, in das in normaler Weise funktionierende Hautorgan, insbesondere in die Basalzellen der

Experimentellc Hauttubcrkulose beim Kaninchen. 659

Epidermis und in das Bindegewebsorgan, in dessen Bereich die spezifische Er'l~a:nkung sich abspielt.

])as Wesen und die Wirksamkeit der tuber]~'ul6sen Refraktdirstoffe, die im Verlauf der chemischen Umsetzungen zwischen den tubcrkul6sen Agenzien und den Bindegewebselementen entstehen, sind bereits friiher yon uns gesehildert worden (s. S. 654). Sie sind dadurch charakterisiert, dab sie sieh als Abk6mmlinge der genannten K6rper sowohl dem Tuberkel- bacillus ~de dem Bindegewebe gegeniiber chemisch indifferent verhalten und daft sie diese Indifferenz sowohl auf das Bindegewebe wie auf den Tubcrkelbacitlus fibertragen. Die Refrakt/~rstoffe gel~ngen auf dem Blut- und Lymphwege zu allen Organen des K6rpers und bedingen die- jenigen _~nderungen an den K6rperzollen und Zellkomplexen, die dafiir verantwortlich zu machen sind, dab das Zellgeschehen in abnorme Bahnen gelenkt wird und die den erkrankten Organismus zu einem ,,konstitutionell tuberkul6sen" Organismus umgestalten.

Die Bindegewebszellcn und -fasern werden dutch die tuberkul6sen Re- frakt/~rstoffe in der Wcise ver/~ndert, daft ihre hohe chemische Mfinit/it zu den in der Gewcbsfliissigkeit gel6sten tuberkul6sen Agenzien, die ihre restlose AuflSsung zur Folge hatte, in der Weise geschw'~cht wird, daft lediglieh eine partielle Sch/idigung der Zellen und Fasern erfolgt. Wir k6nnen uns vorstellen, daI~ die ,,Impr/ignation" der Bindegewebssub- stanzen mit Refrakt/irstoffen im Einzelfalle eine derat%ige Steigerung effahren kann, daI~ die :Bindegewebssubstanzen auf die Einwirkung tuber]<ul6ser Agenzien hin nicht einmal mehr mit einer particllen Seh/idi- gung reagieren, sondcrn sieh absolut refrakt~r verhalten.

Es wurde bereits vorher betont, daft die Refrakt/irstoffe ihren desensibilisierenden Einfluft nicht nur auf das Bindegewebe, sondern auch auf die im Organismus vorhandenen Tuberkelbacillen ausiiben (s. S. 654). Die neu in den Organismus gelangenden Tuberkelbacillen unterlicgcn jedoch dieser desensibilisierenden Wirkung nur in den Organen, in denen nur geringe Mengen yon spezifischen Tuberkulolysinen vorhanden sind. :In der Oberhaut des Kaninchens werden sie dagegen in wenigen Tagen restlos und vollst/£ndig au:[gel6st.

:Die als Antituberl~uline bezeichneten tuberkul6sen Refraktiirstoffo stellen somit diejenigen chemischen Substanzen dar, welehe dutch die Desensibilisierung des Bindegewebes denjenigen Grad erworbener passiver Immuuit~it vermitteln, die den tuberkul6sen Organismus vor dem nicht- tuberkul6sen auszeichnet.

Naeh Jesivnek kommt diesen Refrakt/irstoffen noch eine zweito wichtige Aufgabe zu. :Die Untersuchungen beim 5'[eerschweinchen und beim Kaninchen haben gezeigt, dal~ es im Verlauf der tuberkul6sen Organerkrankung zu einer gesteigerten T/~tigkeit des Stratum germinati- rum der Epidermis kommt. Sowohl im Bereich der cutanen Impfstelle,

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wie in ihrer Nachbarschaft kommt es zu einer starken Zellvermehrung der Epidermis (s. S. 631) und, wie wir annehmen diirfen, zu einer erhShten Produktion yon spezifischen epidermidalen Substanzen. Die tuberkulSsen Refrakti~rstoffe wirken auf diese Vorg/~nge offenbar fSrdernd, vielleieht im Sinne eines chemischen Aktivators.

Wenn die Gewebsfl~ssigkeit der Cutis beim Kaninchen, wie wit friiher betont haben, mit spezifischer Affinit/~ zum Tuberkelbaeillus begab~ ist, weshalb eine AuflSsung der in die Hau t einverleibten Bacillen zustande kornmt, so handelt es sich dabei um die Wirkung :con Anti- tuberkulinen, welehe in tier Gewebsfltissigkeit der Cutis enthalten sind. Jesionek bezeichnet diese Art Antituberkuline als epidermidale Tuber- kulolysi~e. Die Bildungsst/~tte dieser Anti~uberkuline ist ausschlieBlich das Stra tum germinativum der Epidermis, d .h . derjenige Zellverband der Oberhaut, welcher die Besonderheit und die Eigenart des Haut- organes bedingt. Der Gehalt der Oberhaut an diesen epidermidalen Tuberkulolysinen schwankt bei den einzelnen Tieren in weiten Grenzen. So wissen wir, dab bei den einzelnen Versuehstieren die AuflSsung der einverleibten Tuberkelbaeillen bald langsam, bald schneller vonsta t ten geht. Mit einer geradezu auffallenden Gesehwindigkeit vollzieht sich jedoch die Baeillenaufl6sung in der Cutis des tuberkulSsen Objektes.

Nach Jesior~ek haben wit dann mit einer H6ehstproduktion yon epi- dermidalen Tuberkulolysinen zu rechnen, wenn die Oberhaut yon der Beschaffenheit ist, dab sie auch die iibrigen yon ihr gebilde~en Sub- stanzen, Hornsubstanz, Pigment usw., in normaler physiologischer Weise produziert, mit anderen Worten, wenn es sieh um normalbesehaffene und in natiirlicher Weise funktionierende Haut handelt. Bei einem Organismus, dessen Hau t ihre natiirliche und ursprtingliehe Beschaffen- heit bewahrt hat, diirfen wit damit reehnen, dab neben den genannten, an die Lebensbetatigung der Basalzellen gekniipften Epidermissubstanzen auch ein HSchstmaI3 yon spezifischen Tuberkulolysinen produziert und fi~das darunter gelegene Gewebe abgegeben wird. Es handelt sich dabei um Tiere, bei denen eine angeborene aktive Tuberkuloseimmunit/~t vor- handen ist; die einverleibten Tuberkelbaeillen werden infolge der HSehstgradigkeit der chemischen AIfinit/it der Gewebsfliissigkeit zum Tuberkelbaeillus restlos und vollst/~ndig aufgel6st und unwirksam ge- macht.

Wesentlich anders liegen die Verh/~ltnisse jedoch bei unseren Ver- suehstieren, beim Meersehweinehen und beim Kaninchen. Bei beiden, durch die Domestizierung ihrer natiirlichen und ad/iquaten Umgebung entw6hnten Tierarten bet£tigt sieh gerade das Hautorgan nieht mehr in seiner urspriingliehen und nat~irlichen Weise. Das Krankheits- geschehen und die Gewebsreaktionen, die in der vorliegenden Arbeit dargestellt sind, spielen sieh demzufolge strenggenommen nicht in einem

Experimentelle Hauttuberkulose beim Kaninchcn, 661

normalen Organismus, sondern an eincm ,,denaturierten", in atypiseher %Veise reagierenden Organismus ab. Das gleiehe gilt jedoeh in ausge- sproehenstem MaBe fiir die Tuberkulose des Hautorganes beim Menschen ; stellt doch die Haut des sog. Kulturmenschen dasjenige Organ dar, das am wenigsten unter der FAnwirkung der ihm ad/~quaten Lebensreize steht und das am weitesten yon dem Zustand entfernt ist, den Jesionek als ,,natfirliehe Beschaffenheit" der Haut bezeichnet.

Oiese Minderwertigkeit des Hautorganes beim Kaninchen offenbart sigh sowohl beim niehttuberkul6sen Tier, wie bei dem Organismus, der bereits die Einwirkung yon TuberkelbaeilIen mi~ spezifischen Reaktionen beantwortet hat. Letzterer steht hinsichtlieh seines Reaktionsverm6gens zwisehen dem nichttuberkul6sen Organismus, dessen cutane, mit gering- gradiger chemischer Affinit/it zum Tuberkelbacillus begabte Gewebs- fltissigkeit nur wenig spezifische Tuberkulolysine enth/~lt, und einem Organismus, dessert eutane Gewebsflfissigkeit wir uns mit einer H6ehst- gradigkeit spezifischer Affini~/i~ und einem HSchstmafl yon spezifischen Tuberkulolysinen ausgestattet denken kSnnen.

Sind grebe Mengen spezifischer Tuberkulolysine in dcr Gewebs- fliissigkeit eines niehttuberkul6sen Objektes vorhanden, so haben wir darin die Ursache einer anffeborenen aktive~ Immunit/~t gegeniiber dem tuberkul6sen Prinzip zu erblieken. Kommt dieses H6chstmaB yon spezifischen Tuberkulolysinen erst im Verlauf einer tuberkul6scn Er- krankung unter der Einwirkung yon tuberkul6sen Refrakt/~rstoffen zus$ande, so handelt es sich um den Zustand einer erworbenen akliven Immunit£t gegeniiber den tuberkul6sen Agenzien. Die Desensibilisierung des Bindegewebsorganes gegeniiber den tuberkul6sen Agenzien, welchc sich unter der Einwirkung der tuberkulSsen Refrakthrstoffe vo]lzieht, ist dagegen der Ausdruck einer erworbene~ passiven Immunit/tt, die den ,,konstitutioneI1 tuberkul6sen" Organismus yon dem nichttuberkul6sen Objekt unterscheidet.

Z u s a m m e n f a s s u n g d e r E r g e b n i s s e . Die Einverleibung ,con lebenden und toten Tuberkelbacillon in die

Cutis und Subcutis des nlchttuberkul6sen und des tuberkulSsen Kaninchens fiihrt konstant zur Entstehung eines ~uberkul6sen Krankheitsherdes. Das Aussehen und die histoIogische Beschaffenheit dieses Krankheits- hcrdes ist yon dor Art und Menge der einverleibten tuberkulSscn Agenzien, yon dem Orte ihrer Applikation und yon der jeweiligen individuell verschicdenen chemischen Konstitution, der unterschiedlichen Reaktions- bereitschaft und Reaktionsf~higkeit des erkrankten Organismus ab- h~ngig.

Der Organismus des nichttuberkul6sen Kaninchens und der ,,kon- stitutionell tuberkul6se" Kaninchenorganismus (der die Einverleibung

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yon Tuberkelbacillen bereits mit spezifischen biologischen Reaktionen beantworte~ hat) reagieren auf die entane Einverleibung yon lebenden nnd toten Tuberkelbacillen in grundsgtzlieh verschiedener Weise. Die Ursache fiir diesen verschiedenen Ausfall der Gewebsreaktionen liegt darin, dab im tuberkuloseerkrankten Organismus unter der Einwirknng der tuberkul6sen Refraktarstoffe eine Xnderung der spezifischen Mfini- t/~tsverhMtnisse zwischen den Gewebselementen und den tuberkul6sen Agenzien zustande gekommen ist. Diese , ,Umstimmungen" des Affini- t/~tsgrades bedingen diejenigen Ver/~nderungen an bestimmten Zell- komplexen, welehe ftir die Andersartigkeit des Abtaufes tier chemisehen l~eak~ionen beim konstitutionell tuberkulSsen Organismus verantwortlieh zu machen sind.

Vergleicht man den Ablauf der Gewebsreaktionen beim Kaninchen und Meerschweinehen, so ergeben sich folgende Untersehiede:

Die Einverleibung lebender Tuberkelbaeillen beim Mesrschwsinshen ftihrt fast ausnahmslos zu einer generalisierten Allgemeintuberkulose, der das Tier im Verlauf einiger Monate erlieg~. Trotzdem im tuberkul6sen Mcerschweinchenorganismus gro{]e Mengen yon spezifischen Antituber- kutinen mobilisiert werden, verm6gen die gegeniiber den KSrpersubstanzen refrakt/~r gewordenen Tuberkelbacillen ihre pathogene Wirksamkeit welter zu entfalten.

Die Einverleibung yon lebenden Tuberkelbacillen in die Haut und Unterhaut des Kaninchens wird konstant mit der Entstehung eines tuberkulSsen Krankheitsherdes beantwortet, der aber allm/~hlich ausheilt, ohne dub eine Allgemeintuberkulose zustande k/~me. Durch die im tuberkulbsen Organismus enthaltenen spezifisehen Tuberkulolysine er- folgt eine restlose AuflSsung der einverleibten Baeillen. Die Reaktions- bereitschaft der refrakt~v gewordenen Bindegewebseleraente zu den freiwerdenden tuberkul6sen Agenzien ist nicht nur in der Oberhaut, sondenl aueh in der Unterhaut and in den /ibrigen Organen gering.

Die chemische Aifinit£t der Gewebsflfissigkeit zu den einverleibten lebenden und toten Tuberkelbacillen ist sowohl beim niehttuberkal6sen, wle beim tuberkulSsen Kaninehen geringer, ats beim nichtttlberku]Ssen und beim tuberkul6sen Meersehweinehen. In allen F/~llen erfolgt die AuflSsung der Bacillen dnreh die Gewebsfliissigkeit beim Kaninchen langsamer als beim Meersehweinehen.

Auch der Mfinit/~tsgrad zwischen den in der Gewebsfliissigkeit ge]6sten tuberkul6sen Agenzien und den ,,festen" Bindegewebssubstanzen is~ beim Kaninchen geringer als beim Meersehweinchen. Lediglich hin- siehtlieh der rela~iv geringen Reaktionsbereitsehaft des refrakt£r ge- wordenen ,,lesSen" ]3indegewebes zu den tuberkul6sen Agenzien bes4eht bei beiden Versuehstieren kein Untersehied.

Somit verlaufen alle Reaktionen zwisehen dem Kaninchenorganismus nnd dem tuberkulSsen Agens im Vergleieh zum Meersehweinehen-

ExperimenteUe Hauttuberkulose bcim Kaninchen. 663

o r g a n i s m u s v e r l a n g s a m t u n d sch leppend . D c r G r u n d f i i r diese Ande r s - a r t i g k e i t de r G e w e b s r e a k t i o n e n bei den be iden T i e r a r t e n ist , abgesehen y o n den ge s ch i l de r t en c h c m i s c h e n Af f in i t / i t sve rh~ l tn i s s en u n d den quan t i - t a t i v e n V e r s c h i e d e n h e i t e n der spez i f i schen A n t i t u b e r k u l i n e , wohl da r in zu suehen , dal~ der K a n i n c h e n o r g a n i s m u s e ine gewisse angebo rene , n i ch t d u r e h R e f r a k t ~ r s t o f f e e r w o r b e n e Ind i f f e r enz gegen i i be r d e m t u b e r k u l 6 s e n P r i n z i p bere i t s bes i tz t .

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