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Langenbecks Arch. u. Dtsch. Z. Chit., ]~d. 273 (Kongref~bericht), S. 501--509 (1953). LXVII. Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose. Von W. WAcnsMuTI4-Wiirzburg. Mit 14 Textabbildungen. Die Erweiterung des Indikationsgebietes der Decortikation yon der Behandlung der unspezifisehen auf die Behandlung der spezifischen Rest. hShlen und damit der Einbau der Decortikation in das grol~e Geb~ude der aktiven Behandlung der Lungentuberkulose bedeutet einen wesent- lichen Fortschritt. Seit im Jahre ] 949 die Amerikaner W~BEnG und DAvis und zum ersten Mal in Europa 1950 W. BRUNNER aus Ziirich fiber erfolgreiche Decortikationen bei Lungentuberkulose geschrieben haben, sind vielf~ltige Erfahrungen gesammelt worden, die es erlanben, das Indikationsgebiet genauer zu nmgrenzen. Ich darf reich dem, was der Herr Referent ges~gt hat, yell ~nschlie~en. Gerade auf dem Gebiete der Tuberkulose ist die Auswahl der Indi- kation fiir die Decortikation eine besonders sehwierige; man muff den ges~mten Krankheitsverlauf und alle mSglichen Gefahren berficksichti- gen und auch die Technik muf~ eine besonders subtile sein. So daft die Decortika~ion bei aktiven Prozessen der Lunge keinesf~lls fiber diesem Bereich vorgenommen werden, sondern man mul~ sich darauf beschr~nken, die viscerale Pleura aussehlief~lieh im Bereiehe der gesunden Lunge zu entfernen. Es ist immer wieder erstaunlich, zu sehen, wie sich dann die gesunden Lappen kompensatorisch bl/~hen, um den Thorax- raum auszuffillen, so d~[t eine zus~tzliche ]?]astik entweder fiberhaupt nicht mehr notwendig ist oder man schlimmstenfalls mit einer Teil- plastik auskommt, gegeniiber einer totalen Plastik jedenfalls ein erheb- Iicher Vorteil. Ich habe die Indikationen unter diesem Gesichtspunkt zusammen- gestellt (Tabelle 1 und 2). Tabelle 1. Decortikation bei Lungentuberltulose. Absolute Indikation. 1. Starrer Pneumothorax bei inaktiver Lungentuberkulose, (zuvor Ausschlu/3 einer :Bronchusstenose). 2. Pleuritis calcarea bei fortschreitender Abnahme des Lungenvolumens. 3. Fibrothorax bei jugend]ichen Patienten mit zunehmender Skoliose. 4. Spezifisches Empyem mit geringer Exsudation und inaktiver Lungentuber- kulose. 5. Florides spezifisches Empyem mi~ aktiver Lungenbuberkulose und heginnen. der Amyloidose. 6. Mischinfizierte drainierte EmpyemresthShlen. 7. l%esth~hle bei kavernisier~er Lungentuberkulose der ~nderen Seite. 8. Kavernenperfor~tion mit mischinfiziertem Empyem (bier Kombination mit Lobektomie).

Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose

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Page 1: Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose

Langenbecks Arch. u. Dtsch. Z. Chit., ]~d. 273 (Kongref~bericht), S. 501--509 (1953).

LXVII. Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose. Von

W. WAcnsMuTI4-Wiirzburg.

Mit 14 Textabbildungen.

Die Erweiterung des Indikationsgebietes der Decortikation yon der Behandlung der unspezifisehen auf die Behandlung der spezifischen Rest. hShlen und damit der Einbau der Decortikation in das grol~e Geb~ude der aktiven Behandlung der Lungentuberkulose bedeutet einen wesent- lichen Fortschritt . Seit im Jahre ] 949 die Amerikaner W ~ B E n G und DAvis und zum ersten Mal in Europa 1950 W. BRUNNER aus Ziirich fiber erfolgreiche Decortikationen bei Lungentuberkulose geschrieben haben, sind vielf~ltige Erfahrungen gesammelt worden, die es erlanben, das Indikationsgebiet genauer zu nmgrenzen.

Ich darf reich dem, was der Herr Referent ges~gt hat, yell ~nschlie~en. Gerade auf dem Gebiete der Tuberkulose ist die Auswahl der Indi- kation fiir die Decortikation eine besonders sehwierige; man muff den ges~mten Krankheitsverlauf und alle mSglichen Gefahren berficksichti- gen und auch die Technik muf~ eine besonders subtile sein. So daft die Decortika~ion bei aktiven Prozessen der Lunge keinesf~lls fiber diesem Bereich vorgenommen werden, sondern man mul~ sich darauf beschr~nken, die viscerale Pleura aussehlief~lieh im Bereiehe der gesunden Lunge zu entfernen. Es ist immer wieder erstaunlich, zu sehen, wie sich dann die gesunden Lappen kompensatorisch bl/~hen, um den Thorax- raum auszuffillen, so d~[t eine zus~tzliche ]?]astik entweder fiberhaupt nicht mehr notwendig ist oder man schlimmstenfalls mit einer Teil- plastik auskommt, gegeniiber einer totalen Plastik jedenfalls ein erheb- Iicher Vorteil.

Ich habe die Indikationen unter diesem Gesichtspunkt zusammen- gestellt (Tabelle 1 und 2).

Tabelle 1. Decortikation bei Lungentuberltulose. Absolute Indikation. 1. Starrer Pneumothorax bei inaktiver Lungentuberkulose, (zuvor Ausschlu/3

einer :Bronchusstenose). 2. Pleuritis calcarea bei fortschreitender Abnahme des Lungenvolumens. 3. Fibrothorax bei jugend]ichen Patienten mit zunehmender Skoliose. 4. Spezifisches Empyem mit geringer Exsudation und inaktiver Lungentuber-

kulose. 5. Florides spezifisches Empyem mi~ aktiver Lungenbuberkulose und heginnen.

der Amyloidose. 6. Mischinfizierte drainierte EmpyemresthShlen. 7. l%esth~hle bei kavernisier~er Lungentuberkulose der ~nderen Seite. 8. Kavernenperfor~tion mit mischinfiziertem Empyem (bier Kombination mit

Lobektomie).

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502 W. I%~CHSMUTI~:

Tabelle 2. Decortikation bei Lungentuber]culose. Relative Indikation. 1. Florides Empyem mit kavernisierter Lungentuberkulose der gleiehen Seite

and reduzier~em Atemvohmen (Vitalkapazit~ unter 2000). 2. Starrer Pneumothorax mit unbeeinflul3ter Restkaverne zur Vorbereitung

weiterer aktiver Behandlungsmal]nahmen (KavernendrMnage, Teilplastik usw.). 3. Florides spezifisehes Empyem ohne naehweisbare OrganseMden (naeh Vet-

sagen interner Beh~ndlung). 4. Empyem bei bereits naehweisbarer Amyloidose. 5. Spezifisehes Empyem mit naehweisbarer anderer Organmanifestation der

Tuberkulose (Knoehen, Niere).

Zur Technik mSchte ieh, wie der He r r Vorredner , empfehlen, grund- s i t z ] ich die to ta le En t f e rnung der Sehwarte , die extrapleurale Deeort i - ka t ion, also die En t f e rnung der visceralen und der pa r ie ta len Sehwar te

Abb. 1. Spezifisehe P leu raschwar te m i t Tuberkelbi ldungen.

vorzunehmen. Die Vortei le s ind bedeu tend . Wi r haben die en t fe rn te Schwar te genau his tologisch un te r such t und es stell~e sich heraus, dab in allen drei vcn uns besehr iebenen Sehichten sich noeh nach J a h r e n Tuberke] naehweisen l iegen (Abb. 1).

I eh dar f Ihnen einige Fgl le demons t r i e r en :

Patient M., 8 Jahre zuvor doppelseitige Pneunomie und Pleuritis. Es hat sieh dann eine PIeuritis ealeare~ mit breiten Kalkeinlagerungen auf der linken Seite entwiekelt und seit 4 Jahren ist nun eine zunehmende Sehrumpfung der Thoraxseite mit hoehgradiger respiratoriseher Insuffizienz eingetreten. Die Vital- kap~zitit betrug rund 1000. Der Mann hatte sehwere Atemnot, konnte keine Treppen mehr steigen und war vSllig berufsunfghig. Es gelang unter Sehwierig- keiten, mig Messer nnd MeiBet die Xalkplatten und die gesamte Sehwarte zu ent- fernen. Der Patient ist mit einer Vitalkapazitgt yon ungefghr 2000 bus der Klinik

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Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose. 503

entlassen worden. Bei der Naehbehandlung wurde zur Mobilisierung des starren Thorax der Biomotor mit Erfolg gngewandt. Der Patient ist heute wieder arbei~s- fahig.

Abb. 2. (Pat. ,~'[.) Pleuritis calcarea links bei gleichzeitiger Pleuraverschwartung, recht.~ nach doppels~itigcr Pleuritis.

Abb. 3. (Pat.)'I.) Znstand nach I)ecortikation (zu Abb. 2).

OVJIZHOLT und Mitarbeiter haben kfirzlich im Januar 1.952 fiber einen ~ihn- lichen durch Decortikation und Perikardektomie geheilten Fall einer konstrik- riven Pleuritis und Perikarditis berichtet (Abb. 2 und 3).

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504 W. WACHSMUTH :

Patient B., im April 1949 Feststellung der linksseitigen groBkavernisierten offenen Lungen~uberkulose, im Juli 1949 Pneumothoraxanlage links, im Februar

Abb. 4. (]?at. B.) Exsudative linksseitige groBkavernisierte Lungentuberkulose vor Pneumothoraxanl~g'e.

Abb. 5. (Pat. B.) Linksseitiger Pneumothorax mit B1/~hkaverne kurz vor dor Perforation.

1950 Beginn einer spezifischen Pleuritis links mi~ zunehmender Versehwartung. Einmal wSchentlich Punktion. Nach Abheilung der Lungen$uberkulose ira Juli 1951 Decortikation links. Wir haben also tiber 1 Jahr lang abgewar~et, um die

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Extrapleurale Deeortikation bei Tuberkulose. 505

Kaverne abheilen zu lassen. Das hat sich auch bew~hrt, der Patient arbeitet wieder, die Tuberkulose ist inaktiv und gesehlossen (Abb. 4--7).

Abb. 6. (Pat. B.) Linksseitiger Pyopneumothorax bei weitgehend inaktiver linksseitiger Lungentuberkulose.

Abb. 7. (Pat. B.) Zustand nach Deeortikation (zu Rbb. 6).

Patient Sch. Hier handelt es sieh um einen Pat ienten mit einem doppelsei- tigen spezifisehen SpitzenprozeB. Naeh Anlegung eines Pneus kam es zu einem ErguB und dann zu einem spezifisehen Empyem. Der Pat ient hat te in einer

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506 W. WAcHSMUTm

18 Monate dauernden in ternen Punkt ionsbehandlung 70g Streptomycin und 40 Mill. Einhei ten Penicillin erhalten. Wegen der s tark fibrinSsen Ei terung waren

Abb. 8. (Pat. Sch.) Linksseitiges spezifisches Pleuraempyem bei doppelseitiger Spitzentnberkulose.

Abb. 9. (Pat. Sch.). Zustand nach Decortikation (zu Abb. 8).

die Punkt ionen erheblich erschwert. Nach vorberei tender Saugdrainage und Sp/ilbehandlung wurde die Decortikation im Mai 1951 vorgenommen. Der Pa t i en t ist seit 6 Monaten wieder arbeitsfghig (Abb. 8 und 9).

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E x t r a p l e u r a l e D e c o r t i k a t i o n be i T u b e r k u l o s e . 507

Abb. I0. (Pat. H.) l~echtssei t iges mischinf iz ier tes P l eu raemPyem bci doppelse i t iger e i r rh , ~[ittelfe] d tuberknlose .

Abb. 11. Gczielte Aufnahmc (zu Abb. i0). (Pat. I-I, )

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508 W. WAC~SMCTI~:

Patient H., seit 1946 doppelseitige Lungentuberkulose. Linksseitige Pneu- behandlung. Naeh Pneumothoraxversueh reehts spezifisches Empyem. Kaverne im reehten Hilusbereieh. Im Juni 1950 wurde die Deeortikation reehts vorge-

Abb. 1"2. (Pat. YI.) Zustand nach Decortikation rechts.

Abb. 13. (Pat. P.) Spezifisehes Pleuraempyem rechts naeh Pneumothorax, klein kavernislerte linksseitlge Mittelfeldt~berkulose.

nommen und eine klimatische konservative Nachbehandlung angeschlossen. Der Patient ist jetzt negativ, in einem ausgezeichneten Allgemeinzustand und winder roll arbeitsf~hig (Abb. 10--12).

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Extrapleurale Decortikation bei Tuberkulose. 509

Patient P. Hier h~ndelt es sieh um eine Patientin mit einer rechtsseitigen Tuberkulose im ObergescholL Es war ein Pneu angelegt worden. Nach Thor~ko- kaustik spezifisehes Empyem rechts. Im M~rz 1951 Feststellung der linksseitigen kavernisierten Mittelfeldtuberkulose. Bei der Aufnahme betrug die Vitalkapazitgt 1400 ! Es war daher nicht mSglieh, die Kollapsther~pie auf der linken Seite dutch- zuffihren. Infolgedessen haben wir zun~chst auf der rechten Seite die Decorti- kation vorgenommen, dann erfolgte in der Heilst~tte die Pneumothoraxbehand-

Abb. 14. (Pat. B.) Zustand nach Decortik~tion (zu Abb. 13) und Pneumothoraxanlage links.

lung. Der Patientin geht es gut, sie ist negativ, Senkung und Temperaturen sind normM. Sie wurde inzwisehen aus der Heilst/~tte entlassen. Die VitMkapazitiit betrug bei der Entlassung 1800 trotz des Pneumothorax (Abb. 13 und 14).

Wir bef inden uns hier auf einem neuen Gebiete, auf dem es gilt,

weitere Er fahrungen zu sammeln. Sehon heute kann jedoeh gesagt

werden, dab die Deeor t ika t ion nieht nu t ein sehr wiehtiges Verfahren,

sondern un te r U m s t g n d e n sogar der einzige lebensre t tende Weg ist,

vor a l lem in den F~llen, bei denen wir sonst mi t einer respiratorischen

Insuffizienz reehnen miissen.