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Lyrisches Intermezzo
VDS-Fortbildungs-Tagung zum Zentralabitur
„Heinrich-Heine-Vertonungen“
(Oldenburger Fassung)
mit Hartmut Kahnt & Ralf Beiderwieden
Stade 18. April 2016 (Vincent-Lübeck-Gymnasium)
Oldenburg 12. Mai 2016 (Altes Gymnasium)
Design der Fortbildungs-Tagung
15 Uhr Beginn
Entflieh’ mit mir: Mit gemeinsamem Singen
Der Atlas – oder: Die Welt der Brechungen im Heine-Lied (macht HK)
Ein paar Texte; Heine, aus „Die romantische Schule“?; Schubert-Texte? oder
� Schönberg, „Das Verhältnis zum Text“
� Adorno, „Tendenz des Materials“
� De la Motte, zum Dominantseptnonakkord (??)
16.30 Kaffee
Der Doppelgänger
� Analyse von Werner Thomas: In: Materialien zur Musikgeschichte Bd. 1, S. 122-134
� (nein, doch nicht. geht besser anders: macht HK)
Die alten bösen Lieder
� Zum Text
� Zum Lied
� Zu Fatih Akins Film
� ein oder zwei Schüler-Filme
18 Uhr Ende
In diesem Heftlein finden Sie: � Kleine Heine-Lieder-Didaktik (Bw)
� Grundsätze der Klavierlied-Analyse: Tipps für Schülerinnen und Schüler (Bw)
� Lieder schreiben: Ein paar Hilfslinien (Bw)
� Werkliste: Ein paar Glücksfälle (Bw)
� Schumann-Spezialitäten (I): Die geheimnisvolle VI. Stufe (nebst VI6 – V7 – (I)) (Bw)
� Schumann-Spezialitäten (II): Schumanns Hände (Bw)
� Schumann-Spezialitäten (III): Schumann und der vierstimmige Satz (Bw)
� Bw’s Playlist
� Über Heines „Buch der Lieder“ (HK)
� Über Schuberts Vertonungen (HK)
� Schubert-Porträt (HK)
� Der Doppelgänger: Analyse zu Heines Text und Schuberts Vertonung (HK)
� Info: Schumanns Heine-Vertonungen (HK)
� Hinweise zu „Die alten bösen Lieder“
� Hübsche Texte und Materialien; u. a. „Heines Abschied von der Romantik“ (Bw)
� Aus Tabea Möhlmanns Stunden-Mitschriften (aus Bw’s LK)
� Kleine Synopse Schubert – Schumann Vertonungen (Bw)
� Mind Map Schumann (Bw)
Heinrich-Heine-Lieder: Eine kleine Zentralabitur-Didaktik
1. Ein seltsames Thema
In gewisser Hinsicht ist erscheint Zentralabi-
turthema „Heine-Lieder“ seltsam. Das erste
starke Zeugnis sind Schuberts Vertonungen in
seiner letzten Sammlung, als „Schwanenge-
sang“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Es
sind Grenz-Vertonungen aus der Spätzeit eines
Menschen im Abschied von der Erde, über
weite Strecken mit einem Ausdruck zwischen
Resignation und Verzweiflung; in manchem
vielleicht „Blicke aus einer anderen Welt“.
Dinge, die für Schuberts Liedschaffen so ty-
pisch sind, wie sein Umgang mit dem variier-
ten Strophenlied, sein Fortspinnen eines Erfin-
gungskerns, das vielfältige Changieren glückse-
liger und wehmütiger Emotionen sind in die-
sen letzten Liedern nur sehr schwer zu finden.
2. Damit umgehen
Es gibt vermutlich zwei Möglichkeiten, damit
umzugehen.
� Entweder man nimmt zunächst ein
schubertsches „Muster-Lied“ (z. B.
„Forelle“...)
� Oder man sagt: Sei’s drum. Wenn
schon, denn schon. Die Themenstel-
lung „Heine-Lieder“ hat so spezifische
Chancen und Aspekte, dass wir uns
mit aller Kraft darauf konzentrieren
sollten.
3. Das Spezielle und Besondere des Themas
� Eine der ganz besonderen Möglichkei-
ten ist die Vergleichbarkeit zwischen
verschiedenen Komponistenpersön-
lichkeiten, die wirkliche ZEITGENOS-
SEN des Dichters waren und ihn auch
z. T. persönlich getroffen haben oder
zwischen denen es ein besonderes
Band gibt. Schubert – Robert Schu-
mann – CLARA Schumann – Felix
Mendelssohn Bartholdy.
� Heinrich Heine ist – auch bereits in sei-
nen frühen Gedichten – ein eminent PO-
LITISCHER Literat. (Schubert und
Schumann sicherlich viel weniger.) Darin
aber liegen besondere Chancen, sich den
politischen, gesellschaftlichen Zusam-
menhang klarzumachen. – Das kann man
auch bei anderen Liedvertonungen (W.
Müllers Winterreise – oder Goethelieder
usw.). Aber bei den anderen geht das
immer ein Stück weit mit der Brechstange,
ist nicht leicht begreiflich zu machen. Bei
Heinrich Heine ist die politische Kraft di-
rekt offensichtlich und leuchtet auch
Schülern unmittelbar ein.
� Überhaupt: Heinrich Heines frühe Ge-
dichte sind romantische Gedichte – aber
zugleich mit oft ironischen oder witzigen
Brechungen. Darin liegen Möglichkeiten,
über BRECHUNGEN und auch über
GEBROCHENHEIT nachzudenken, die
in Heinrich Heines Gedichten des „Buchs
der Lieder“ (darin: des „Lyrischen Inter-
mezzo“) sich leicht zeigen lassen, aber
auch den Schlüssel liefern zu Brechungen
ganz anderer Art in den Kompositionen
von Schubert und Schumann.
� Heine und Mendelssohn zusammenge-
nommen, ergibt sich die Möglichkeit,
über Antisemitismus und Juden-
Emanzipation in Deutschland zu spre-
chen. Besonders eindringlich die Ge-
schichte um „Entflieh’ mit mir“, und wie
Günther Goldschmidt es zitierte nach der
Reichsprogromnacht 1938.
� Es gibt (mindestens) zwei Vertonungen
von CLARA Schumann, einer der großen
Künstlerinnen der Zeit. Eine willkomme-
ne und viel zu seltene Möglichkeit, einmal
eine KomponistIN zu Wort kommen zu
lassen. (Dass zu mit „Ich stand in dunklen
Träumen“ sogar noch eine Parallelverto-
nung von Schubert gibt; und sie außer-
dem eine Liedvertonung zu „Die Lore-
ley“ geschrieben hat, mit Vergleichsmög-
lichkeit zu Silcher / nebst Volkslied, er-
öffnet zusätzliche Einblick-Chancen,
auch zu Fragen von Musik und Gesell-
schaft.
� Mit Schuberts „Doppelgänger“ kommt
ein Schlüsselwerk der Klavierliedlitera-
tur in den Horizont. (Wenn man im-
mer nur Winterreise unterrichtete, trä-
fe man’s nie.) Dazu gibt es in „Materia-
lien zur Musikgeschichte“ die gründli-
che und ausführliche Analyse von
Werner Thomas, gewissermaßen einen
Schlüsselaufsatz zur Klavierlied-
Interpretation. Ein langer, schwerer
Text – aber in so einem Semester auch
eine Gelegenheit, einmal einen großen
Text zur Musik zu lesen und zu verste-
hen. Auch das gehört zum Auftrag des
Faches Musik.
� Mit Fatih Akins Verfilmung „Die alten,
bösen Lieder“ ergibt sich die Möglichkeit
eines filmischen Brückenschlages, einer
modernen politischen Um-Interpretation
– und zugleich für Schüler-
Gestaltungsmöglichkeiten. (Der Film
wirkt auf Schüler zuerst völlig schockie-
rend – und bietet dann ganz viele Mög-
lichkeiten, etwas zu entdecken.)
Wenn man alles das überlegt und zusammen-
nimmt, dann, so finden wir, spricht alles dafür,
den Schwerpunkt „Heine-Vertonungen“ ganz
spannend zu finden, wichtig zu nehmen – und
mit Volldampf zur Sache zu gehen.
Werkliste: Ein paar Glücksfälle
(1) Entflieh’ mit mir
� Chorlied von Mendelssohn (gut zu singen!)
� Klavierliedvertonung von Robert Schumann
(2) Ich stand in dunklen Träumen
� Franz Schubert: „Ihr Bild“ (im „Schwanengesang“) („Dur-Moll-Osmose“)
� Clara Schumann (!) als „KomponistIN“: auch ein wichtiger Aspekt
(3) Die Loreley
� Friedrich Silcher („Volkslied – Kunstlied“)
� Clara Schumann („KomponistIN“)
� Nachdenken über „Musik in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jh.
(4) Allnächtlich im Traume
� Parallelvertonungen von Mendelssohn und Schumann ()
(5) Der Doppelgänger
� Vertonung von Schubert
� Analyse und Interpretation von Werner Thomas (in „Materialien zur Musikgeschichte“ Bd. 1)
(6 „Die alten bösen Lieder“
� Vertonung von Schumann (letztes Lied der Dichterliebe)
� Vergleich „Am leuchtenden Sommermorgen“: Zyklusbildung (Klaviernachspiel gleich!)
� Fatih Akin, in „Visions of Europe“: filmische Transformation – Verfremdung, Umdeutung.
Lied-Zitate; Montage / Collage; Veränderung / Aneignung der Schumann-Vorlage; Metall-
klänge; E-Gitarre und akustische Rückkopplung... nebst Filmaufgabe
Grundsätze der Klavierlied-Analyse
Ein paar gute Tipps für Schülerinnen und Schüler
1. Guter Zweischritt: Erst Text – dann Vertonung
GRUNDSÄTZLICH ist es sinnvoll, zuerst schön in Ruhe und gründlich den TEXT zu betrachten; und
erst dann zu fragen, wie die MUSIK den Charakter, die Wirkung, die Emotion „ausdrückt“ – oder
verändert – oder verwandelt. Wenn gleich das Lied gehört wird, dann ist der Eindruck der Musik SO
STARK, dass es kaum noch möglich ist, das Gedicht zu lesen, ohne den Klang des Liedes gleich mitzu-
hören. Dann ist es aber kaum noch möglich, die Frage zu stellen, inwiefern die Vertonung das Gedicht
verwandelt oder verändert. Also, in aller Regel: ERST DEN TEXT; ERST DANN DIE MUSIK. (Aber
hier wie meistens gilt: Es kann auch mal Ausnahmen geben.)
2. Das Lied als Ganzes denken – nicht Wort für Wort!
Achtung, aufpassen! Der entscheidende Unterschied eines Kunstliedes im 19. Jahrhundert zu einem
Madrigal, einer Motette der Renaissance- oder Barock-Zeit ist, dass ein Text nicht wortweise oder
abschnittsweise vertont wird, sondern, in der einen oder anderen Form, immer als GANZES. Ganz oft
ist es NUR EIN POETISCHER KERNGEDANKE des Textes, der musikalisch geformt wird. (Text
Schönberg!) Aufpassen also: Die Suche nach einer Wort-für-Wort-Vertonung oder Satz-für-Satz-
Vertonung führt meist in die Irre (obwohl auch in Klavierliedern oft bestimmte einzelne Stellen des
Gedichts, Einschnitte, Wendungen, starke Emotionen oder Bilder auffällig ausgeformt werden); min-
destens genauso wichtig ist die Frage: Welcher zentrale Gedanke des Gedichts (welche „POETISCHE
IDEE“) wird musikalisch gefasst?
3. Ein zentraler Aspekt: Die Strophen-Frage
Eine zentrale Frage bei der Kunstlied-Behandlung ist immer: Wie geht der Komponist hier mit der
STROPHEN-Frage um? Ist es ein STROPHENLIED? ein VARIIERTES STROPHENLIED? oder ein
DURCHKOMPONIERTES LIED? Ein STROPHENLIED wird der Komponist meistens schreiben,
wenn er einen volksliedhaften Ton erzielen möchte, wenn es schlicht und einfach klingen soll und, z. B.
in Chorliedern, einfach zu singen sein soll. Manchmal aber auch, um Entsprechungen zwischen den
Strophen deutlich zu machen. Ein DURCHKOMPONIERTES LIED wird er z. B. schreiben, um eine
dramatische Entwicklung zu komponieren; überhaupt, um Wandlungen, Veränderungen hörbar zu
machen; oder um, so ähnlich wie in einer Oper, den Charakter „Kunst-Gesang“ hervorzuheben. In
einem VARIIERTEN STROPHENLIED wird er versuchen, beides miteinander zu verbinden.
4. Die essentielle Harmonik-Frage
Ein zentrales Entwicklungs- und Experimentierfeld in der Musik des 19. Jahrhunderts ist die grenzen-
lose Welt der HARMONISCHEN Möglichkeiten. Anders als bei einer Motette von Bach oder Schütz
oder einem Madrigal von Monteverdi geht in einem Kunstlied des 19. Jahrhunderts kein Weg an der
Harmonik vorbei. Die Frage, was Schubert, Mendelssohn, Schumann mit den Akkorden und den
Harmonieverbindungen macht, ist für das Kunstlied des 19. Jahrhunderts zentral, essentiell. Diese
Frage immer mitdenken (auch wenn sie nicht ausdrücklich in der Aufgabe steht)! „Dur-Moll-Osmose“,
„Tonika-Versteckung“, Verschleierung der Tonart, Tonartwechsel, enharmonische Verwechslung (=>
Verwandlung!), die Wirkung auffälliger Akkorde (z. B. Schumann: der Non-Akkorde), speziell: Die
Welt der Dominante, und unendlich viel mehr.
5. Dopplung oder Verwandlung
VORSICHT MIT „UNTERSTÜTZT“! Immer mitdenken, dass VIELLEICHT die Musik den Text „aus-
drückt“, „unterstützt“, „besonders betont“, „hervorhebt“ oder „verstärkt“: Also in gewisser Weise
VERDOPPELT. D a s s s i e a b e r g a n z o f t a u c h e t w a s g a n z N e u e s , A n d e r e s ,
E i g e n e s d a r a u s m a c h t . Oft genug ein Gegenteil. Immer mitbedenken, dass der Ausdruck
eines Liedes von Schubert keineswegs derselbe sein muss wie der Ausdruck des zugrundeliegenden
Textes von Heinrich Heine!!
6. Dialektik des Kunstliedes
Beim Kunstlied immer mitdenken – und jeweils fragen, wie es sich in DIESEM LIED äußert – dass das
Klavierlied der Schubert-Zeit immer ein Doppeltes ist, immer zugleich „rückwärts“ und „vorwärts“.
„Rückwärts“ ist es, weil es die Vorstellung des Volksliedes ausdrückt: die Vorstellung des Einfachen,
Schlichten, der „Seele“ des Volkes (So hat Herder die „Stimmen der Völker in Liedern“ gesammelt, in
gleicher Weise Achim von Arnim und Clemens Brentano die deutschen Volkslieder in „Des Knaben
Wunderhorn“). Oft ist auch die Vorstellung von etwas ganz Altem da, das in der einen oder anderen
Weise immer noch da ist: wie der Mythos im Nibelungen-Lied. – Zugleich aber ist das Klavierlied ein
kühnes Experimentierfeld, auf dem die Spielmöglichkeiten des Klaviers, das Zusammenspiel von Kla-
vier und Singstimme und die kühnsten harmonischen Experimente erprobt werden.
(Ganz auffällig zeigt sich das im Umgang mit dem verminderten Vierklang; diesen Akkord, der in Bachs Werk
unzählige Male gewissermaßen als der zentrale Ausdrucksakkord verwendet wird: sowohl der späte Schubert als
auch Schumann verwenden ihn in den Heine-Liedern nur ganz selten und dosiert – und wenn doch einmal ausgie-
big, wie in Schuberts „Die Stadt“, dann in ganz seltsamer Weise, hier zum Beispiel so, dass der harmonische Zu-
sammenhang völlig verloren geht und die Harmonie „heimatlos“ wird. Oder am Ende von „Die alten bösen Lieder“,
wo in zwei verrutschenden verminderten Akkorden auf „und senken ins Meer hinab“ hörbar etwas zu Bruch geht,
also zuende geht.)
(7. Vorsicht vor Soufflee-Effekt: Vorsicht ist angebracht vor „Kompositions-Erwartungen“. Die funktionieren
scheinbar gut, aber danach entsteht kein Impuls, keine Spannung, keine Problemfrage, und die Stunde fällt – wie
ein Soufflee – in sich zusammen. Außerdem ist das Verfahren spekulativ (und kostet Zeit für nichts). N i c h t
r a t e n , w i e e s s e i n k ö n n t e , s o n d e r n h ö r e n , w a s i s t . )
Lieder schreiben: ein paar kleine Hilfslinien
1. Sicherlich muss beim Lieder schreiben über ganz große Fragen nachgedacht werden.
� Welche Emotion, welchen Charakter hat das Gedicht / will ich als Komponis(in) herausholen?
� Wie kann ich ein musikalisches Thema gestalten / entwickeln / verändern?
� Wie kann die Liedvertonung auf den Text reagieren?
2. Aber, zumal mit Blick auf eine Abi-Klausur, hier zuerst der dringende Rat: Den Ball flach halten!
Um ein Lied zu machen, müssen Sie drei Dinge zusammenbringen:
� Es muss eine Melodie geben.
� Es muss eine Harmonik geben, ein harmonisches Gerüst.
� Es muss in geeigneter Weise der Text rhythmisch deklamiert werden.
3. Hier ein zentraler Ratschlag: Das harmonische Gerüst als ERSTES!
Es ist viel, viel leichter, eine schöne Harmoniefolge auszudenken – und eine Melodie darüberzuschrei-
ben; als umgekehrt sich eine Melodie vorzustellen und dann zu versuchen, eine Harmonik darunterzu-
legen. Wie man eine Melodielinie harmonisiert, ist eine schwere, tückische Frage, über die schon Ge-
nerationen von Musikstudenten gestolpert sind.
4. Harmoniegerüst schreiben
� Nicht einzelne Akkorde denken, sondern Akkord-Gruppen
� Im Regelfall erstmal: In Vierern denken. (In der Popmusik sind Endlos-Schleifen aus vier Ak-
korden sehr, sehr häufig. Im „klassischen“ Klavierlied gibt es diese Endlos-Schleifen so nicht,
aber ein paar Viertakt-Gruppen lassen sich gut zu einer Strophen-Struktur zusammenbauen.
� Im Regelfall erstmal: Ein Akkord pro Takt.
� Gern zuerst einmal gängige Akkordverbindungen nutzen. Zum Beispiel die Kadenz. (V. a.
Mendelssohn macht das ganz auffällig und ausgeprägt. Es muss, gerade im Abitur, nicht gleich
ein hoch experimenteller Schumann sein.) Oder die Quintfall-Sequenz (C-F-h°-em-am-dm-G-
C oder am-dm-G-C-F-h°-E7-am). Oder die Pachelbel-Folge (C-G-am-em-F-C-G-C oder am-
em-F-C-dm-am-E7-am). Oder eine andere.
� „Ruhige Linien“, „starke Linien“ suchen und nutzen. Z. B. eine Tonleiter-wandernde Basslinie;
oder eine chromatische Linie; oder eine Quintfall-Folge.
� Immer am Ende eines Vierers: Schlussformen ausprobieren. Ganzschluss? Halbschluss? Pla-
galschluss? Trugschluss? Trugschlüsse z. B. gern GEZIELT einsetzen.
� Im Abi: Etwas GANZ EINFACHES machen.
5. Melodie schreiben
� Ein einfaches „Melodiebogen-Design“ skizzieren. Und dann so einbauen, dass es in die Har-
monie passt. Wie gesagt, VIEL VIEL leichter als umgekehrt. (um die Akkordtöne „kanten“ /
„falten“)
� Einfache „Gestalten“ bilden, Kernmelodie-Elemente, die z. B. sequenziert oder ähnlich weiter-
geführt werden.
6. Text-Deklamation
• Taktart aussuchen. Eine, die auf die Intention / das Gedicht passt: Soll es ein Tanz im Dreier
werden? Ein Wiegen im 6er? Eine Art Marsch im Vierer? Etwas Getragenes im langsamen
Vierer? Etwas Geschwindes im Zweier? Etwas wiegendes im 6/8? oder etwas Jagendes im
schnellen 6/8?
• Einfacher Grundsatz, Regelfall erstmal: Im Regelfall kommt DIE BETONUNG IM VERS-
MASS AUF DIE EINS.
• Und wieder: In Vierer-Gruppen denken (oder in Zweiern, sodass eine Gedichtzeile zwei Takte
ausmacht). Heine schreibt fast immer in Vierzeilern. Jede Zeile erstmal auf zwei oder vier Tak-
te bringen.
• Veränderungen, Streckungen können Sie dann immer noch gern machen. Wenn Sie zum Bei-
spiel nach jeder Zeile dwei Takte Klavier-Zwischenspiel einbauen (wie Schumann in „Im
wunderschönen Monat Mai“), kommen Sie zu 4+7 Takte pro Strophe.
7. Klavier-Behandlung.
Darüber nachdenken: Was soll das Klavier machen?
• Akkordsatz? Akkord-Begleitung?
• Wenn Akkorde: Unterstützend unter die Melodiestimme? Oder, zum Beispiel, „auf Lük-
ke“ (wie „Wenn ich in deine Augen seh“ oder „Ich hab’ die Nacht geträumet“)?
• Vielleicht ausgeprägter Choralsatz – oder sogar polyphoner vierstimmiger Satz?
• Oder gebrochene Akkorde?
• „SCHUMANN-ARPEGGIEN“? (Bw-Begriff; gemeint: jene für Schumann so typischen gebro-
chenen Akkorde, deren Spitzen- und Bass-Ton eine eigene Linie ergeben und die als Arpeggi-
en sehr oft durch beide Hände laufen, gewissermaßen die „inneren Finger“ und „Dau-
men“ beider Hände zu einer Einheit werden lassen? (Bsp.: „Im wunderschönen Monat Mai“;
„Am leuchtenden Sommermorgen“ sowie Nachspiel in „Die alten bösen Lieder“)
• Ein eigenständiges Motiv, in dem die Harmonie irgendwie versteckt ist – und das mit der
Harmonie sich verwandelt? (Wie so oft bei Schubert)?
(Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Aber im Abi: etwa GANZ EINFACHES machen!)
Ein paar Schumann-Spezialitäten
Die geheimnisvolle VI. Stufe in Schumanns „Dichterliebe“
Schumanns Dichterliebe beginnt mit einem
höchst geheimnisvollen Akkord.
Irgendwie über D, aber der erste Ton der rech-
ten Hand ist, frei schwebend, darüber, die gro-
ße Septime cis; hinzu tritt ein Vorhalt ais-h (!),
und dann springt das cis, das sich kurzzeitig als
7-6-Vorhalt entpuppt hat, zum noch weiter
entfernten hohen gis, vielleicht ein 4-3-
Vorhalt?.
Danach kommt ein Cis7-Akkord: Also eindeu-
tig eine Dominante nach Fis-Dur oder fis-Moll.
Dann wäre T. 1 also die Subdominantparallele
sP von fis-moll. Dieses fis kommt aber nie.
Dieselbe Figur wiederholt sich, dann setzt der
Gesang ein. Und erst jetzt wendet sich die
Harmonie zur eigentlichen Tonart A-Dur. Auf
„Mai“ ist erstmals die Tonika erreicht, nach-
träglich wird der D-Akkord zur einfachen
Subdominante, gefolgt von der Dominante E.
Funktional ist dieser Anfangsakkord kaum zu
fassen und zu erklären – von einem fiktiven
fis-moll aus ist es ein Akkord über der VI. Stu-
fe.
(2) Einer der verblüffendsten analytischen
Befunde der Dichterliebe ist, dass im allerletz-
ten Lied, „Die alten bösen Lieder“ am Ende das
Nachspiel aus dem Lied XII, „Am leuchenden
Sommermorgen“, wieder aufgegriffen wird.
Nicht (wie in Frauenliebe und Leben) der An-
fang, sondern tatsächlich ein Lied mittendrin.
Es zeigt sich, dass es eine Harmoniefolge ist,
die von der Dominante ausgeht, dann steigt
der Bass zur Septime herab.
Und dann kommt ein völlig verblüffender
Akkord, über Ges.
Auffällig: Mit fast genau diesem Akkord be-
ginnt das Lied! Wieder ein völlig geheimnis-
voller harmonischer Anfang, der Akkord
scheint mit normalen Funktionsbegriffen
überhaupt nicht fassbar. Er enthält einen
doppelten Leitton (cis zum d, e zum f), löst
sich dann in einen Dominantakkord F mit
Quartsextvorhalt auf und geht dann zur
Tonika B.
Wiederum, ein völlig rätselhafter Akkord. Aber
wiederum: die tiefe VI. Stufe! Erst am Ende
erscheint gewissermaßen die harmonische
Auflösung; und genau diese Auflösung-
Harmoniefolge greift Schumann ganz am Ende
des Zyklus, im Nachspiel des letzten Liedes
wieder auf!
Kann man dann nicht sagen, dass diese tiefe VI.
Stufe gewissermaßen der Schlüsselakkord, das
geheimnisvolle harmonische Zentraum des
Zyklus Dichterliebe ist?
E s i s t i mm e r e i n e t i e f e V I . S t u f e ,
d i e – i n j e g a n z u n t e r s c h i e d l i -
c h e r W e i s e – s i c h um e i n e n
H a l b t o n n a c h u n t e n i n e i n e D o -
m i n a n t e , i n d i e V . S t u f e a u f l ö s t .
Funktional oft gar nicht zu bestimmen; Ges hat
in B-Dur keine Funktion. Der D-Akkord in
„Im wunderschönen Monat Mai“ ist eine Sub-
dominantparallele auf fis-Moll (oder eine noch
entlegenere Funktion zu Fis-Dur), das niemals
erklingt.
VI> - V7 – (I)
Es kommt noch toller.
� Dieselbe harmonische Wendung findet
sich als „Schraube“ aufwärts im ersten
Lied, „Im wunderschönen Monat Mai,
T. 9: G6 – Fis7 – hm / Ges6 (!) – A7 - dm
� Und im letzten Lied, die große harmo-
nische Schraube des Mittelteils, ab T.
20 m. A.: auf E(dur) folgt: dm6 – Cis7 –
fism / em6 – Dis7 – Gis(Dur!).
Schumanns Hände
Bei Robert Schumann geht die Poesie durch
die Hände. Das tut sie in gewisser Weise bei
jedem Komponisten, aber bei Schumann in
besonderer Weise.
Einerseits versteht Schumann sein Komponie-
ren, stärker als andere Komponisten, als
„Dichtung“. „Dichterliebe“, nennt er seinen
dritten Klavierzyklus. „Der Dichter spricht“,
heißt die letzte der „Kinderszenen“. Und so
weiter. Schuberts Lieder sind einfach Lieder,
einfach Ausdruck in Gesang und Klavier.
Schumann aber versteht seine Lieder - und
auch seine Klavierstücke - als Tongedichte.
Andererseits: in verschiedener Weise greifen
bei Schumann die Hände auseinander und
ineinander, und das ist Teil des poetischen
Gehalts. Vielleicht kann man drei Hauptmittel
des „Ausdrucks der Hände“ unterscheiden.
(1) Das „innige Ineinandergreifen“
(2) Das Schumann-Arpeggio
(3) Den gespannten Griff.
(1) Das „INNIGE INEINANDERGREIFEN“
Das bekannteste Beispiel ist der Anfang der
„Träumerei“. Beide Hände greifen einen einfa-
chen F-Dur-Akkord, aber in weiter Lage, und
zwar so, DASS DIE HÄNDE EINANDER
ÜBERKREUZEN. Sie könnten genausogut
einen einfachen F-Dur-Akkord greifen, das
klangliche Ergebnis wäre im günstigen Fall
dasselbe. Im ungünstigen Fall bekommt der
Spieler die weite Lage, so wie sie da steht, nicht
hin, und der Akkord verunglückt. Es ist wohl
jedem nicht so geübten Spieler zu raten, für das
Vorspiel den Fingersatz zu vereinfachen. Aber
sich doch einmal klarzumachen, was Schu-
mann will: den Ausdruck durch Spreizung der
beiden Hände - und die „innige Verschrän-
kung“ der Hände ineinander.
Ein sehr schönes, schlichtes, einfaches Beispiel
in der Dichterliebe ist „Wenn ich in deine Au-
gen seh“. Es beginnt mit einem g-Moll-Akkord.
Aber so, dass das d' des linken Daumens über
dem b des rechten Daumens liegt, die Hände
überkreuzen einander. Das korrespondiert sehr
eng damit, wie eng die Gedichtzeilen und die
Klavier-“Fill-ins“ ineinander verschränkt sind,
sodass eine Art „Ping-Pong“-Effekt entsteht.
Der passt wiederum zu dem engen Ping-Pong-
Spiel des Textes, im Paarreim (!): „Wenn ich in
deine Augen seh', so schwindet all mein Leid
und Weh“.
Gesteigert wird die Wirkung noch am Höhe-
punkt des Liedes: „Doch wenn du sprichst: Ich
liebe dich“. Dort greifen die Hände wieder
übereinander und sinken dann in einer Arpeg-
gio-Perlenkette hinab, einem GEBROCHE-
NEN AKKORD ausgerechnet an der Stelle, an
der das Ping-Pong der Gedichtzeilen durch
einen irritierende Reimzeile GEBROCHEN
wird. (Zufall?)
(2) Das SCHUMANN-ARPEGGIO
Sehr, sehr typisch für den Schumann-
Klavierklang sind seine spezifischen Arpeggien.
Sie funktionieren auf spezielle Weise. Es gibt
eine Melodiestimme, gewissermaßen im rech-
ten kleinen Finger. Es gibt eine Bass-Stimme,
gewissermaßen im linken kleinen Finger. Da-
zwischen spannt Schumann ein Arpeggio, und
zwar so, dass sowohl der Basston als auch der
Melodieton zugleich Teil des Arpeggios sind;
und dass das Arpeggio von der einen in die
andere Hand fließt. Die beiden Hände sind
also in der Regel in jedem einzelnen Arpeggio-
Akkord ineinander verheiratet. Es ist eine Art
Akkordsatz, der gewissermaßen in eine Perlen-
schnur aufgelöst wird. Dieser Effekt der Auflö-
sung steigert sich noch, wenn zum Beispiel der
Melodieton - oder der Basston - nicht auf der
Hauptzählzeit stehen. Sehr schöne Beispiele in
der Dichterliebe sind „Im wunderschönen Mo-
nat Mai“, „Hör ich das Liedchen klingen“ und
„Am leuchtenden Sommermorgen“. Das Kla-
viernachspiel dieses Liedes, wieder im charak-
teristischen Schumann-Arpeggio, wird am
Ende von „Die alten bösen Lieder“ wieder auf-
gegriffen.
(3) Den GESPANNTEN GRIFF, oft in weiter
Lage.
Große Spannungen hoch - tief benutzt Schu-
mann häufig, um eine Idee von gespannter
Weite zu geben. Manchmal liegt diese Span-
nung - z. B. als Dezime - in einer Hand, dann
fühlt man sie so stark, dass es wehtut, vgl. o..
Ein Beispiel ist „und senken ins Meer hinab“,
der verminderte Fermaten-Akkord. Verlangt
wird nur ein Oktavgriff links als auch rechts,
aber so mit weiteren Tönen aufgefüllt, dass die
Spannung in der Hand sehr groß wird. Noch
weiter bei „großes (!) Grab“, Nongriff.
Wiederum ein sehr anschauliches Stück ist
„Hör ich das Liedchen singen“. Typisch für
dieses Lied ist eine Begleitung in sehr weiten
Arpeggien, schon vom ersten Takt an. Aber an
einer Stelle wird dieser Klang - der gewiss als
Idee über dem ganzen Lied schwebt - extrem
weit aufgespannt, und zwar bei „mein über-
großes Weh“. Da entsteht ein vierstimmiger
Satz. Der Bass liegt links, Sopran und Alt rechts.
Ber der Tenor liegt von beiden Händen so weit
weg, dass der Spieler eine dritte Hand braucht
für die Mittelstimme (fast lauter Töne d').
Danach kommt ein strenger chromatischer
vierstimmiger Satz in engerer Lage. Am Ende
gibt es zwei Sechzehntel-Legato-Passagen. Die
zweite ist in der linken Hand notiert - aber gar
nicht legato zu spielen. Von der rechten auch
nicht. Wohl aber, wenn die linke und die rech-
te Hand einander abwechseln: Dann geht's -
und ist nicht einmal furchtbar schwer.
Spannung, Innigkeit, Verschränkung, Ineinan-
derfließen: Das sind alles typische schumann-
sche Ausdrucks-Möglichkeiten des Klaviers,
und Schumann nutzt sie in unzähligen Varian-
ten. Die hier skizzierten Stilmittel sind offen-
sichtlich ineinander verschränkt - wie so vieles
bei Schumann. Das Lied „Hör ich das Liedchen
klingen“ zeigt besonders schn die Verschrän-
kung der pianistischen Mittel.
Jeder kennt die Geschichte von Schumanns
linker Hand: Wie er eine richtige Folterma-
schine erfand, um die Hand zu zwingen, end-
lich den Ringfinger beweglich zu bekommen.
Das alles für seinen Klavierunterricht bei Carl
Wieck, dem strengen Vater seiner geliebten
Clara, der Schumann für einen Hallodri und
Taugenichts hielt, und der Schumann barba-
risch hart drannahm. Kurzum: Bei jenem irr-
sinnigen Kraft- und Dehnungstraining riss
eine Sehne, und Schumanns Klavierkarriere
war beendet, bevor sie überhaupt begonnen
hatte.
Dass übrigens etwas so angespannt wird, dass
es reißt, gehört zum Ausdrucksrepertoire der
Romantiker. Clara berichtete nach etlichen
ihrer Konzerte vergnügt, wieviele Saiten sie
wieder einmal zum Zerspringen gebracht hatte
(was man sich auf den heutigen Stahlrahmen-
Klavieren nicht mehr vorstellen kann). Und es
heißt in der Dichterliebe ja auch:
„Hör ich das Liedchen klingen,
das einst die Liebste sang,
so will mir die Brust zerspringen
von wildem Schmerzensdrang.“
„Zum Zerreißen gespannt“ heißt für Schu-
manns Klavierhände: Besonders ausdrucksvoll.
Robert Schumann und der vierstimmige Satz
Schumanns Musik ist eigentlich immer auf der
Suche nach dem „Poetischen“. Was aber ist das
„Poetische“? Das kann man nicht in Worten
sagen. Könnte man es, dann wäre es nicht
mehr das Poetische.
Aber auffällig ist, dass Schumann, wo er am
poetischsten wird, oft ziemlich auffällig zum
Mittel des klaren vierstimmigen Satzes greift,
mal als ziemlich polyphoner Satz, dann wieder,
ganz schlicht und klar, als einfacher CHO-
RALSATZ. Der strenge vierstimmige Satz ist
für ihn das Inbild einer sauberen Tonkunst,
eines reinen Reiches der Töne.
Viele wissen vielleicht, dass Schumann das
Buch „Über Reinheit der Tonkunst“ von Thi-
baut sehr verehrt hat, in dem der Kirchenmu-
sikstil Palestrinas als über die Jahrhunderte
hinweg vorbildlich vorgeführt wird.
Auffällig ist auch die Häufung von Kirchen-
schlüssen (Plagalschlüssen) am Ende von be-
sonders „poetischen“ Stücken. („Ich grolle
nicht“, „Wenn ich in deine Augen seh“).
Wiederum, Vergleich zu den Kinderszenen:
„Der Dichter spricht“ ist ein Stück in fast ganz
glattem vierstimmigem homophonem Satz,
CHORALSATZ genannt.
Bw’s Playlist
Franz Schubert, 6 Heine-Lieder aus dem „Schwanengesang“
Fischer-Dieskau &
01 Der Atlas
02 Ihr Bild
03 Das Fischermädchen
04 Die Stadt
05 Das Meer
06 Der Doppelgänger
Schumann, Dichterliebe
Olaf Bär &
07 Im wunderschönen Monat Mai
08 Aus meinen Tränen sprießt es
09 Die Rose, die Lilie
10 Wenn ich in deine Augen seh
11 Ich will meine Seele tauchen
12 Im Rhein, im heiligen Strome
13 Ich grolle nicht
14 Und wüsstens die Blumen, die kleinen
15 Das ist ein Flöten und Geigen
16 Hör ich das Liedchen klingen
17 Ein Jüngling liebte ein Mädchen
18 Am leuchtenden Sommermorgen
19 Ich hab im Traum geweinet
20 Allnächtlich im Traume
21 Aus alten Märchen
22 Die alten bösen Lieder
CLARA Schumann
23 Ich stand in dunklen Träumen
Felix-Mendelssohn-Bartholdy
24 Auf Flügeln des Gesanges (gesungen von Heinrich Schlusnus)
25 Auf Flügeln des Gesanges op. 547 (Klavierfassung)
26 Entflieh’ mit mir (Leipziger Rundfunkchor)
Robert Schumann
27 Entflieh’ mit mir
Clara Schumann
28 Die Loreley
Lyrisches Intermezzo. VDS-Tagung zum Abitur 2017/ Themenschwerpunkt 2: „Liebe, Leid und Sehnsucht“ * Hartmut Kahnt
Informationen zum „Buch der Lieder“ (bis zum Zyklus: „Die Heimkehr“)
einbezogene Quellen: Briegleb, Klaus (Hg.): Heinrich Heine. Sämtliche Schriften in zwölf Bänden, München: Hanser Verlag 1976, Band 2 Dümling, Albrecht: Heinrich Heine – vertont von Robert Schumann, München: Kindler 1981 (Edition Lied und Lyrik)
Zu Heinrich Heine (1798 – 1856)
Heines Werk ist autobiografisch geprägt; persönliche und politische Motive sind in seiner schriftstellerischen Praxis eng verquickt. Einflussreich auf das „Buch der Lieder“ waren drei Erfahrungen: 1. „Amalien-Erlebnis“: Heine verliebt sich 1816 als Achtzehnjähriger in Düsseldorf in seine Kusine Amalie, die Tochter seines reichen Hamburger Onkels Salomon; sie heiratet 1821 einen ostpreußischen Gutsbesitzer. 2. Isolation: Heine fühlt sich in der Hamburger feinen Gesellschaft seines Onkels („Diplomati-sches Federvieh, Millionäre, hochweise Senatoren etc. etc. sind keine Leut für mich“) als Au-ßenseiter: „Ich lebe hier ganz isoliert.“ (27.10.1816 an Freund Christian Sethe). 3. Antisemitismus: Bereits 1816 in Hamburg empfindet Heine eine „schwüle Spannung“ zwi-schen christlichen und jüdischen Hamburgern. Im Dezember 1820 wird Heine aus der Göt-tinger Burschenschaft als Jude ausgeschlossen. Seine Assimilierungsversuche sieht er als gescheitert, trotz seiner Konvertierung zum Protestantismus als „Eintrittsbillet“ in die Gesell-schaft nach Jura-Examen und Promotion 1825. Diese fundamentale Lebenserfahrung verarbeitet Heine in seiner lyrischen Produktion mit den Grundmotiven der unglücklichen Liebe, des Verstoßen- und Ausgeschlossenseins, der Heimatlosigkeit, der Einsamkeit, des Fremdseins in der gesellschaftlichen Umgebung.
„Buch der Lieder“: Entstehung
Das „Buch der Lieder“ entstand zeitlich und sachlich im Zusammenhang der ersten beiden „Reisebilder“-Bände. Die Gedichtzyklen „Heimkehr“, „Aus der Harzreise“ und „Nordsee“ sind in diesem Prosakontext zuerst erschienen. 1826 visierte Heine die Veröffentlichung einer Lyriksammlung an; er wollte nicht fixiert werden allein auf den rasch populär gewordenen politischen Stil der „Reisebilder“. Heine sah die Jugendgedichte als „psychologisches Bild“, als ein Dokument seiner Jugend auf seinem Weg der schriftstellerischen Entwicklung zu einer militanten autobiografisch gepräg-ten Literatur. Er verstand seine Lyrik als aktuell, am „Tagesinteresse“ des Publikums anknüp-fend. Die Widmung der „Heimkehr“ 1826 an Rahel Varnhagen als Salonkönigin in Berlin macht das deutlich: Sie begriff Heines „maliziöse“ Gedichtform (s.u.) als moderne Literatur-form. 1826 legte er letzte Hand an den zweiten „Nordsee“-Zyklus. Der Plan zur Gedichtsammlung scheiterte aber zunächst:
Heine selbst war zögerlich bezüglich der Öffentlichkeit der frühen Texte als einer Preisgabe persönlicher Leiden (Junge Leiden).
Heine war kränklich und depressiv.
Heine schwankte zwischen dem Gedanken der Emigration nach Frankreich und den sich eröffnenden Möglichkeiten, mit wachsender Popularität als Schriftsteller mit kritischer Publikumsnähe in Deutschland zu wirken.
„Minder die Lust des Wanderns als die Qual persönlicher Verhältnisse
(z.B. der nie abzuwaschende Jude) treibt mich von hinnen.“
Die persönlichen Verhältnisse quälen ihn aus beruflichen Gründen: auf seinem Weg zum freien politisch wirkenden Schriftsteller.
Campe als Verleger stand dieser Sammlung skeptisch gegenüber, weil die Texte seit 1817
bereits veröffentlicht waren (s.u.) und er eher an den Reisebildern interessiert war, in denen ein Teil der Texte ebenfalls veröffentlicht war (Harzreise, Die Heimkehr, Nordsee I) bzw. werden sollte (Nordsee II). Er drängte Heine zu einer Fokussierung seiner Arbeit auf die Fortsetzung der verlegerisch erfolgreichen „Reisebilder“ und stimmte nur unter dieser Prämisse der Drucklegung 1827 zu.
Lyrisches Intermezzo. VDS-Tagung zum Abitur 2017/ Themenschwerpunkt 2: „Liebe, Leid und Sehnsucht“ * Hartmut Kahnt Informationen zum „Buch der Lieder“ Seite 2
18.10.1827: Ausgabe des „Buchs der Lieder“ 19.10.1827: „Die Welt ist dumm und fade und unerquicklich und riecht nach vertrockneten
Veilchen.“ (Heine an August Varnhagen von Ense)
Immer wieder hat Heine um eine stimmige Anordnung der Jugendgedichte im Gesamtwerk gerungen: Geplant war eine Fokussierung auf die metrisch strengen liedförmigen Jugendge-dichte und eine Re-Integration der beiden Gedichtzyklen Nordsee in die „Reisebilder“. Heine hat aber das „Buch der Lieder“ von 1827 als Einzelausgabe um seiner Popularität wil-len in der Zusammenstellung nicht angetastet. Es hat nach der fünften, der letzten vom Au-tor durchgesehenen Auflage 1844, sieben weitere Auflagen bis zu Heines Tod gehabt und wurde zum obligatorischen Hausbuch des Bürgertums. „Buch der Lieder“: Entstehung der Zyklen
Das „Buch der Lieder“ ist ein „psychologisches Bild“ des Autors, 1827 unter diesem Gesichts-punkt chronologisch geordnet. Innerhalb der Zyklen ist das Ordnungsprinzip aber nicht die Chronologie, sondern die Komposition. Die Zyklen sind von Grundmotiven (Liebe, Freiheit, Tod, Poesie) sowie von einigen Hauptbil-dern (Sonnenbild, Schlangenbild, Dunkel-Licht-Metapher, Rose-Nachtigall-Mythos) geprägt. Letztere werden auch in Heines Pariser Zeit beibehalten. Dazu tritt eine Fülle von Chiffren.
Junge Leiden (1817 – 1821): Hamburg, Düsseldorf, Bonn, Göttingen
Themen: - unglückliche Liebe - Zwiespalt von schmerzender Freiheit und Sehnsucht nach glücklicher Ruhe Ab 1820 arbeitet Heine distanziert und feilt mit strenger Selbstkritik an den Texten und an
seiner „poetischen Gewandtheit“ – animiert im Studium von August v. Schlegel. Heine stellt die Sammlung unter dem Titel „Traum und Lied“ zusammen, erschienen im
Spätherbst 1821 als „Gedichte von H. Heine.“ Berlin 1822. Diese Sammlung ist nicht identisch mit dem neu gruppierten Zyklus „Junge Leiden“, der für Heine nun dokumentarischen Charakter hatte.
Rezension von Karl Immermann: „Jenen bittren Grimm über eine nüchterne, unempfängliche Gegenwart, jene tiefe
Feindschaft gegen die Zeit scheint nun die kraftvolle Natur unseres Heine ganz be-
sonders stark zu hegen, und daraus wird es mir erklärlich, warum ein Jüngling un-ter achtundfünfzig Gedichten auch nicht ein einziges zu geben vermochte, aus dem
Freude und Heiterkeit spricht.“ (Kunst- und Wissenschaftsblatt, ein Beiblatt des „Rheinisch-Westfälischen Anzeigers“ 1822)
Lyrisches Intermezzo (1822 – 1823): Hamburg, Berlin, Polen
Heine (oder ein Freund?) wirbt in einer anonymen Selbstanzeige: „Tragödien, nebst einem lyrischen Intermezzo, von H. Heine“. Berlin 1823 Heine wird zunehmend selbstkritisch und sucht nach neuen Gestaltungsformen seiner
„Leiden“ (1821). „Eigentümlichkeit“ ist das Ziel:
„Ob man mich lobt oder tadelt, es rührt mich nicht, ich gehe meinen strengen
Weg, den ich mal als den besten erkannt habe. Einige sagen, er führt mich in den
Dreck, andre sagen, er führe direkt in die Hölle. Gleichviel, der Weg ist neu, und
ich suche Abenteuer.“ (1.9.1822)
Es seien „kleine maliziös-sentimentale Lieder“ (24.12.1822 an Immermann), „humoristische Lieder im Volkston“ (5.1.1823).
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Heine benennt zwei Quellen: - kurze österreichische Tanzreime (Julius M. Schottky); - Wilhelm Müllers „Lieder“ als Weiterentwicklung des Volksliedes.
Heine grenzt sich ab: „In meinen Gedichten hingegen ist nur die Form einigermaßen volkstümlich, der Inhalt gehört der konventionellen Gesellschaft.“ (7.6.1826 an W. Müller) Heine sieht seine Arbeiten als den „schwarzen Stein, der bloß wunderlich geformt ist, und woraus der Hammer der Zeit böse wilde Funken schlägt.“ (24.12.1822 an K. Immermann)
Eine weitere Quelle nennt Heine nicht: Petrarca (den er über August Schlegel in seiner Bonner Studienzeit kennenlernte). Das variierte Grundthema dort: die unglückliche Liebe zwischen Süße und Schmerz mit typisierter Geliebter nebst Nachtigall, Rosen, Sternen etc. als Accessoire. Die formale Strenge und Verknappung übernimmt Heine - auch ohne die Sonettform. Die Heimkehr (1823 – 1824): Lüneburg, Hamburg, Nordsee, Göttingen
veröffentlicht als „Drei und dreißig Gedichte“ (1824)
Das zyklische Bauprinzip wird erstmals selbst reflektiert: als Variation alter Motive. „Heimkehr“ bedeutet Wiederholung der alten Schmerzen (Judenschmerz, Liebesschmerz) in neuen Konstellationen an alten (gesellschaftlichen) Orten.
Es ist ein Komplex persönlicher und sozialer Leiden: - Klagen über Qualen in der Lüneburger Isoliertheit (antijüdische Ressentiments); - Arbeitsfülle in der Göttinger Zeit hin zur Promotion (Frühjahr 1824 – Juli 1825); - Selbstzweifel über seine Fähigkeiten, den eigenen literarischen Anforderungen nach einem einheitlichem Ausdruck und nach einer Entsprechung von Form und privat-sozialem politi- schen Inhalt zu genügen; - ein ambivalentes Verhältnis zu Hamburg:
„… Sozietät mauschelnder Hamburger und Hamburgerinnen. Hamburg!!! Mein Ely-
sium und Tartarus zu gleicher Zeit! Ort, den ich detestiere und am meisten liebe,
wo mich die abscheulichsten Gefühle martern, und wo ich mich dennoch hinwün-sche, und wo ich mich gewiß in der Folge oft befinden werde und –“
(23.08.1823 an Moses Moser)
„Ich bin in der größten Unruhe … Die alte Leidenschaft bricht nochmals mit Gewalt hervor. Ich hätte nicht nach Hamburg gehn sollen; wenigstens muß ich machen,
daß ich sobald als möglich fortkomme. Ein arger Wahn kömmt in mir auf, ich fange an selbst zu glauben, daß ich geistig anders organisiert sei und mehr Tiefe habe
als andre Menschen. Ein düsterer Zorn liegt wie eine glühende Eisendecke auf
meiner Seele. Ich lechze nach ewiger Nacht.“ (11.7.1823 an Moser)
„Hamburg ist am Tage eine große Rechenstube und in der Nacht ein großes Bor-dell. Alle Menschen sehn mich an als wollten sie das lyrische Intermezzo parodie-
ren. Und ich bin voller Ironie und Sentimentalität. - “ (6.12.1825 an Rudolf Christiani)
Harzreise (1824): Harz, Göttingen Die Nordsee. Erster Zyklus (1825 -1826): Nordsee, Lüneburg, Hamburg Die Nordsee. Zweiter Zyklus (1826) Tendenz: zunehmend ironische Freiheit der poetischen Sprache, poetisches Experiment mit Prosa als verschlüsselter kritischer Literatur.
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„Buch der Lieder“: Sprachduktus (bis zum Zyklus „Die Heimkehr“)
Heines Lyrik ist ambivalent: gefühlvoll und ironisch distanziert; poetisch und reflexiv. Heine suggeriert tradierte Erlebnislyrik im Sinne Goethes als sentimentale Liebesschmerz-ergüsse, nimmt aber die soeben evozierte Stimmung desillusionierend „maliziös“ zurück. Er treibt ein intellektuell gesteuertes literarisch-artistisches Rollenspiel mit der naiven Empfin-dung des Lesers. Mit offenen unspezifischen Erlebnis- und Empfindungsmustern und einer ausgeprägten Ich-Zentriertheit und Präsenz des lyrischen Subjekts bietet er Raum für Leser-projektionen. Auch die Kürze und Verdichtung bietet Leerstellen für die individuelle Füllung durch die Leser. Empathie wird zum Kalkül (vgl. Lyrisches Intermezzo Nr. 45; Die Heimkehr Nr. 13).
Heine spielt trivial gewordene klassisch-romantische Sprachmuster gegen einen modernen
feuilletonistischen Sprachduktus aus. Romantik wird bei ihm zum Requisit; Sentimentalität ist arrangiert. An die Stelle des „Erlebnisses“ tritt ein Repertoire differenzierter Gestaltungs-techniken, deren Funktion es ist, Stimmung und Gefühle des lyrischen Subjekts beliebig zu reproduzieren. Lyrik wird damit zum synthetischen merkantil verfügbaren Kunstprodukt für ein bürgerliches Publikum auf dem literarischen Markt. Nicht zuletzt der nur scheinbar nach-lässige Umgang mit Reim und Metrum kennzeichnet die Gedichte als Produkte statt als Fol-gen eines Musenkusses. Das schlichte volkstümliche Gewand fungiert als Medium eines mo-dernen reflexiven, dissonanzreichen Lebensgefühls, das sich sprachlich niederschlägt in um-gangssprachlichen Wendungen, gezielt eingesetzter Rhetorik und Redundanz und in Elemen-ten bürgerlicher Konversation als urbaner Sprache.
Daraus ergibt sich eine Heterogenität des „Tons“ aus Sentimentalität, Witz, Malice, Ironie sowohl innerhalb einzelner Gedichte als auch in der Zusammenstellung der Gedichte in den Zyklen. Einzelne Gedichte werden durch Gegengedichte ironisch gebrochen; diese stehen sich aber nicht immer direkt gegenüber.
Heine betreibt eine Dekonstruktion des lyrischen Dekors. Der Imaginationskraft poetischer
Motive misstraut er: Dem schönen Schein der Poesie stellt er als Pendant die banale Wirk-lichkeit bürgerlichen Lebens gegenüber. Liebes-Erleben in frivol-rührseligen Sprachklischees verweist auf die Entwertung des Eros in einer Gesellschaft, die alle mitmenschlichen Bezie-hungen instrumentalisiert und in den Tauschwert aufgelöst hat. Darin liegt Heines kritischer Impetus des Frühwerks. Das Grundmotiv der unerfüllten, unglücklichen Liebe ist geprägt von ironischer Distanz in tiefster Resignation: Das unbelehrbare „dumme Herz“ lässt sich immer wieder von seinen Gefühlen hinreißen wider besseres Wissen. Es verlangt nach Liebe und nicht nach Erkennt-nis. Nur der Verstand ermöglicht, aus Erfahrungen zu lernen und durch Schaden klüger zu werden, verhindert aber wiederum unmittelbare authentische Beziehungen. Diese Aporie wird bei Heine zum ironisch gebrochenen lyrischen Spiel in einer durchrationalisierten Welt im Banne des Ökonomie-Prinzips: Schmerzen und Leiden des lyrischen Subjekts rühren her von Erfahrungen der Korrumpierung authentischer Gefühle durch Besitz und gesellschaftliche Konvention und dem Gefühl des Ausgeschlossenseins aus „der“ Gesellschaft.
Ausblick zu Heines weiterer Entwicklung: Die kunstfertig produzierten Liebesschmerz-Befindlichkeiten fordern einen Umschlag: Heine spürt das Abgegriffene seiner lyrischen Sageweise ( Junge Leiden. Romanzen Nr. 20: „Wahrhaftig“;
Heimkehr Nr. 42). Sein Weg führt hin zum Verlangen nach Poesie im Leben, nach realem Glück, nach Entfaltung einer humanen Gesellschaft – dazu brauchte er Pariser Luft zum Atmen.
Was zog die Komponisten an, das „Buch der Lieder“ so oft zu vertonen?
- Wiederholungen, Parallelismen, klanglicher Reichtum; - thematische Bezüge zu Musik (Gesang der Vögel, Lied der Nachtigall, Flöten und Geigen); - Leerstellen für musikalische Ausdeutungen durch die typisierten Erlebnis- und Empfindungsmuster und die Kürze und Verdichtung (s.o.). - das Liebesmotiv mit attraktiven wiederkehrenden Begriffen (Herz, Liebe, Nacht, Traum, Tränen …)
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Informationen zu Franz Schuberts Heine - Vertonungen
Franz Schubert (1797 – 1828)
Schubert hat 6 Lieder von Heine vertont. Er wählte sie aus dem Gedichtzyklus Heimkehr, der zunächst im ersten Teil der „Reisebilder“ erschien (im Mai 1826 veröffentlicht) und später von Heine in das „Buch der Lieder“ übernommen wurde (im Oktober 1827 erschienen). Schubert hat diese Lieder vermutlich im September 1828 entworfen und erwog noch im Oktober, sie gesondert herauszugeben. Er dürfte einer der ersten Komponisten gewesen sein, die Heine vertonten. Die sechs Lieder wurden Ostern 1829 vom Verleger posthum unter dem Titel
„Schwanengesang“ herausgegeben, zusammen mit den im Sommer 1828 entstandenen Rellstab-Liedern (Nr. 1 - 7) und Schuberts letzter Liedkomposition (Johann Gabriel Seidl: „Die Taubenpost“; Nr. 14). Schubert hatte die Lieder unter ihren Autoren zusammengefasst; einen Zyklus inhaltlicher Geschlossenheit wie „Die schöne Müllerin“ und die „Winterreise“ ergeben sie nicht.
Schubert wählt Lieder, die seiner Befindlichkeit um 1828 am ehesten entsprachen:
- Schmerzen, Last, Unglücklichsein (Nr. 8); - gescheitertes Glück, Liebesverlust (Nr. 9, 11, 13), - unerfülltes Sehnen (Nr. 12) - das dem Meer gleichende stürmisch-bewegte Herz mit Tiefe (Nr. 10) Er füllt damit die in den ausgewählten Gedichten angebotenen Leerstellen, ohne den artifiziellen und ironisch-doppelbödigen Charakter der Lyrikprodukte Heines aufzugreifen. Seine Auswahl meidet folglich auch die ganz offenkundig witzig-maliziösen Texte im Zyklus. Heine-Lieder im „Schwanengesang“ Textvorlage: Heine, Buch der Lieder.
Die Heimkehr Nr. 8 Der Atlas (original in g-moll) Nr. 9 Ihr Bild (original in b-moll) Nr. 10 Das Fischermädchen (original in As-dur) Nr. 11 Die Stadt (original in c-moll) Nr. 12 Am Meer (original in C-dur) Nr. 13 Der Doppelgänger (original in h-moll)
Nr. XXIV Ich unglückselger Atlas! Nr. XXIII Ich stand in dunkeln Träumen Nr. VIII Du schönes Fischermädchen Nr. XVI Am fernen Horizonte Nr. XIV Das Meer erglänzte weit hinaus Nr. XX Still ist die Nacht
Lyrisches Intermezzo. VDS-Tagung zum Abitur 2017/ Themenschwerpunkt 2: „Liebe, Leid und Sehnsucht“ * Hartmut Kahnt
Franz Schubert: Porträt
„Aus meinen großen Schmerzen mach ich die kleinen Lieder“ (Heine) Quellen: Schneider, Marcel: Franz Schubert in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten;
Reinbeck: Rowohlt 1958 (rowohlts monographien), S. 74 - 78
Bozzetti, Elmar: Das Jahrhundert der Widersprüche. Musik im 19. Jahrhundert; Frankfurt: Diesterweg 1991 S. 21, 25f
Sächsischen Staatsoper Dresden (Hg.): Violin-Rezital der Capell-Virtuosin Lisa Batiashvili Programmheft 25.02.2013, S. 13 (Bacchi, Ölgemälde)
„ …Vor allem muß ich Dir ein Lamento über den Zustand unserer Gesellschaft wie über alle übrigen Verhältnisse ankündigen; denn außer meinen Gesundheitszuständen, die sich (Gott sey Dank) nun endlich ganz festzustellen erscheinen, geht alles miserabel …“
(30.11.1823 an Franz v. Schober) „ … Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt. Denk Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig werden will, und der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter statt besser macht, denke Dir einen Menschen, sage ich, dessen glänzendste Hoffnungen zu Nichte geworden sind, dem das Glück der Liebe und Freundschaft nichts biethen als höchstens Schmerz, dem Begeisterung (wenigstens anregende) für das Schöne zu schwinden droht, und frage Dich, ob das nicht ein elender, unglücklicher Mensch ist? … Jede Nacht wenn ich schlafen geh, hoff ich nicht mehr zu erwachen, und jeder Morgen kündet mir nur den gestrigen Gram. So Freude- und Freundelos verbringe ich meine Tage …“
(31.3.1824 an Freund Leopold Kupelwieser)
„ … Freilich ist nicht mehr jene glückliche Zeit, in der uns jeder Gegenstand mit einer jugendlichen Glorie umgeben scheint, sondern jenes fatale Erkennen einer miserablen Wirklichkeit, die ich mir durch meine Phantasie […] so viel als möglich zu verschönern suche.“
(16/18. Juli 1824 an Bruder Ferdinand) „ … in einer dieser trüben Stunden, wo ich besonders das thatenlose-unbedeutende Leben, welches unsere Zeit bezeichnet, sehr schmerzlich fühlte, entwischte mir folgendes Gedicht:
“ (21.9.1824 an Franz v. Schober)
„ … Überhaupt ist es ein wahres Elend, wie jetzt überall alles zur faden Prosa sich verknöchert, wie die meisten Leute dabei ruhig zusehen oder sich gar wohl dabei befinden, wie sie ganz allmählich über den Schlamm in den Abgrund glitschen.“
(21.7.1825 an Joseph v. Spaun)
„ … Wien […] ist freylich ein wenig groß, dafür aber ist es leer an Herzlichkeit, Offenheit, an wirklichen Gedanken, an vernünftigen Worten, und besonders an geistreichen Taten.“
(27.9.1827 an Marie L. Pachler)
Tiefer Sehnsucht heil’ges Bangen Will in schön’re Welten langen; Möchte füllen dunklen Raum Mit allmächt’gem Liebestraum. Großer Vater! Reich‘ dem Sohne, Tiefer Schmerzen nun zum Lohne, Endlich das Erlösungsmahl Deiner Liebe ew’gen Strahl. Sieh, vernichtet liegt im Staube, Unerhörtem Gram zum Raube, Meines Lebens Martergang Nahend ew’gem Untergang. Tödt‘ es und mich selber tödte, Stürz‘ nun alles in die Lethe, Und ein reines kräft’ges Sein Laß, o Großer, dann gedeih’n.
8.5.1823
Schubert composing at his desk. Oil painting by Carlo Bacchi from the »Pariser Salon 1829«
“Für das Wahre der Kunst fühlt hier keine Seele. […] Ich bin also allein mit meiner Geliebten, u. muß sie in mein Zimmer, in mein Klavier, in meine Brust verbergen.“
(8.9.1818 an Franz v. Schober) „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden; jene, welche der Schmerz allein erzeugt hat, scheinen am wenigsten die Welt zu erfreuen.“
(Tagebuch, März 1824)
Lurir.hes Intermezzo. VDS-Taqunq zum Abitur 2017/ lhemenschwerpunkt 2: ,,Liebe. Leid und Sehnsucht" * Hartmut Kahnt
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Lyrisches Intermezzo. VDS-Tagung zum Abitur 2017/ Themenschwerpunkt 2: „Liebe, Leid und Sehnsucht“ * Hartmut Kahnt
Informationen zu Robert Schumanns Heine - Vertonungen
Schumanns Weg zum Lied:
Schumann rang in seiner Jugendzeit zwischen Schriftsteller und Musiker; er entwickelte eine große Affinität zu Jean Paul (1827). Daraus entwickelt sich bei ihm der Gedanke einer poetischen Musik, der sich im Sinne der romantischen Musikästhetik zunächst in untextierter Instrumentalmusik, insbesondere in Klavierwerken ( Clara Wieck) niederschlug. Poetische
Musik zielt darauf, „eine neue poetische Zeit vorzubereiten, beschleunigen zu helfen“ (Schumann).
Poetische Musik verlangt eine Aktivierung des Hörers – dieser wird zum Ko-Autor und stellt
in seiner Phantasie Korrespondenzen her zwischen Sprache und unsagbaren, sprachlosen Empfindungen. Als Orientierung erhält er kurze Hinweise (Titel) auf den poetischen Gehalt der Komposition. Ein Programm lehnt Schumann als Entmündigung, als eine zu „grobe“ Leitung der Gedanken des Hörers ab.
Eine Welt voller Poesie ist eine Welt voller Rätsel. Musik ist für Schumann eine Sprache, die der Entschlüsselung bedarf. Er entwickelte ein System einer musikalischen Chiffren-Sprache. Einflüsse: - Johann Klübers „Kryptograhik“ (1809) (Schumann Vater war Buchhändler!); - Jean Pauls Hang zu Rätselspielen in seinen Romanen; - Chiffrierung als Strategie in der regressiven Restaurationszeit; - biografisch der verbotene und nur heimlich mögliche Kontakt mit Clara Wieck (1835- 1840)
„Phantasiere ich am Klavier, so werdens Choräle, schreib ich, so geschieht’s
ohne Gedanken - nur einen möchte ich überall mit großen Buchstaben und Accorden hinmalen CLARA .“
(9.10.1837 an Clara Wieck)
Das geschah oft in dieser Form:
In vielen anderen Liedern findet sich dieses Motiv – oft nach oben (Hoffnung) oder unten (Klage) stufenmäßig fünftönig erweitert und auch transponiert.
1840 entstehen in einer Art Schaffensrausch 138 Lieder, die ersten nach seinem Frühwerk mit Liedern für Agnes Carus (1828). Anlass: Clara wünschte sich von ihm publikumsnähere und -wirksamere Kompositionen; seine poetischen Klavierkompositionen galten als elitär. Schumann bemüht sich um größere Deutlichkeit (Rücknahme der prosahaften Melodik; ein instrumentaler Liedstil 1839 in den Klavierromanzen op. 28.). Von dort aus findet er die Verknüpfung der Musik mit Texten, die er als Ausdrücke seines Ichs verstehen konnte: Subjektive Inspiration wurde objektiviert durch literarisch qualitätsvolle Texte. Die Klaviermusik sorgt für unmittelbaren Ausdruck, die Texte ermöglichen aber einen leichteren Zugang als seine poetische Klaviermusik.
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Informationen zu Schumann, Seite 2
Diesen Weg von der Klaviermusik zum Lied spiegeln Briefstellen wider:
„ … Es afficiert mich alles, was in der Welt vorgeht, Politik, Literatur, Menschen; über Alles denke ich nach in meiner Weise, was sich dann durch die Musik Luft
machen, einen Ausweg suchen will. Deshalb sind auch viele meiner Kompositionen so schwer zu verstehen, weil sie an entfernte Interessen anknüpfen, oft auch
bedeutend, weil mich alles Merkwürdige der Zeit ergreift, und ich es dann
musikalisch wieder aussprechen muß (…).“ (13.4.1838 an Clara Wieck)
„Componieren Sie noch mehr für Gesang? Oder sind Sie vielleicht wie ich, der ich Gesangskomposition, solange ich lebe, nie für eine große Kunst gehalten?“
(30.6.1839 an Hermann Hirschbach)
„Das Tönen und Musicieren macht mich beinahe todt jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die
hatte ich lange entbehrt.“ (22.2.1840 an Clara Wieck)
„[…] Die vorigen Tage habe ich ein großes Cyklus (zusammenhängend) Heine’scher
Lieder ganz fertig gemacht […] Wie mir dies Alles leicht geworden, kann ich Dir nicht sagen, und wie ich glücklich dabei war. Meistens mach‘ ich sie stehend oder gehend,
nicht am Clavier. Es ist doch eine ganz andere Musik, die nicht erst durch die Finger getragen wird - viel unmittelbarer und melodiöser.“ (24.2.1840 an Clara Wieck)
„Die Lieder [Anm.: Op. 24] sind meine ersten gedruckten, also kritisiere sie nicht zu
stark. Wie ich sie componierte, war ich ganz in Dir. Du romantisches Mädchen
verfolgst mich noch mit deinen Augen überall hin, und ich denke mir oft, ohne solche Braut kann man auch keine solche Musik machen.“
(13.3.1840 an Clara Wieck)
Wortdichtung und Tondichtung finden ihre Synthese und realisieren so die romantische Vorstellung von der Verschmelzung der Künste. Von seinen poetischen Klavierkompositionen herkommend, verschmilzt Schumann den Klavierpart mit der Singstimme zu einer neuartigen quasi polyphonen Satzstruktur. Der Sprachtext wird in den Tonsatz integriert und über eine zentrale Stimmungskomponente als poetische Idee musikalisch transferiert. Folglich orientiert sich die Vertonung nicht immer an den einzelnen Textzeilen; Textgliederung, Ausdeutung einzelner Wörter oder Textstellen und Deklamation treten als Gestaltungselemente zurück zugunsten einer Gesamtstimmungseinheit von Text und Musik-struktur, was sich in einem liedspezifischen musikalischen Gestus niederschlägt.
Der Klavierpart wird zum ausdeutenden Kommentar; Klavier-Epiloge drücken musikalisch das über den Text hinaus „Unsagbares“ aus: als weitere Strophen ohne Text.
Fazit: Der Text wird als poetisches Gebilde gesehen, dessen „Idee“ die Musik ausdeutet bzw. weiter entfaltet (in den Klavier-Epilogen).
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Zu Schumanns Liederzyklus „Dichterliebe“ op. 48
Im Heine-Liederkreis op. 24 übernahm Schumann aus Heines „Buch der Lieder“ den
kompletten Zyklus Junge Leiden. Lieder (9 Lieder). Er schickte ihn am 23.5.1840, unmittelbar nach der Veröffentlichung, an Heine nach Paris, ohne je eine Rückmeldung zu erhalten.
Der Heine-Liederzyklus „Dichterliebe“ op. 48 entstand innerhalb einer Woche nach dem soeben erschienenen Heine-Liederkreis; jetzt wählte Schumann aus dem „Buch der Lieder“ im Zyklus Lyrisches Intermezzo 20 der 65 Gedichte aus. Zur Veröffentlichung 1844 nahm er aus den ursprünglich 20 Liedern vier heraus: - Nr. V: „Dein Angesicht“ - Nr. VI: „Lehn deine Wang an meine Wang“ - Nr. XLVI (46): „Es leuchtet meine Liebe“ - Nr. LIV (54): „Mein Wagen rollet langsam“
Damit eliminiert er (Clara zuliebe?) das Motiv „Tod“ und hellt den Zyklus auf.
Op. 48 „Dichterliebe“ (1840) Textvorlage: Heine, Buch der Lieder. Lyrisches Intermezzo
Nr. 1 Im wunderschönen Monat Mai (A/fis?) Nr. 2 Aus meinen Tränen sprießen (A-dur) Nr. 3 Die Rose, die Lilie, die Taube (D-dur) Nr. 4 Wenn ich in deine Augen seh‘ (G-dur) Nr. 5 Ich will meine Seele tauschen (h-moll) Nr. 6 Im Rhein, im heiligen Strome (e-moll) Nr. 7 Ich grolle nicht (C-dur) Nr. 8 Und wüßten’s die Blumen (a-moll) Nr. 9 Das ist ein Flöten und Geigen (d-moll) Nr. 10 Hör‘ ich das Liedchen klingen (g-moll) Nr. 11 Ein Jüngling liebt ein Mädchen (Es-dur) Nr. 12 Am leuchtenden Sommermorgen (B-dur) Nr. 13 Ich hab‘ im Traum geweinet (es-moll) Nr. 14 Allnächtlich im Träume (H-dur) Nr. 15 Aus alten Märchen (E-dur) Nr. 16 Die alten, bösen Lieder (cis-moll/ Des-dur)
I II III IV VII XI „Im Rhein, im schönen Strome“ XVIII XXII XX XL (40) XXXIX (39) XLV (45) LV (55) LVI (56) XVIII LXV (65)
Der Zyklus-Gedanke wird verwirklicht durch eine Verknüpfung der Gedichte über:
- die innere Dramaturgie: Liebe – Liebesqual – Entsagung/ Verlorene Liebe;
- Wortassoziationen: Knospen/ Blumen/ Vögel (Nr. 1 - 3); Kuss/ Mund (Nr. 4 und 5), „bitterliches“ Weinen (4 und 13), Kölner Dom (6 und 16), fremde Hochzeit (9 und 11);
- zentrale Wörter: Blumen, Vögel, Liebe, Lied, Tränen und Traum.
- die Klaviermusik: Verknüpft wird Nr. 6 mit Nr. 16 über die Nachspiele. Der Zyklus klingt aus mit einer Modifikation der instrumentalen „Strophe“ in Nr. 6 („Im Rhein, im heiligen Strome“). Auch in Nr. 12 („Am leuchtenden Sommermorgen“) wird die poetische Grund- stimmung in einem ähnlichen musikalischen Gestus umrissen: Insofern ergibt sich eine hinter den Erscheinungen verborgene Poesie, die sich in musikalischen Metamorphosen offenbart – ein zutiefst romantischer Gedanke.
- die Tonarten-Folge als Gruppierung: A/D/G – h/e – C – a/d/g – Es/B/es – H/E/cis (fis)
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Zu Schumann und Heine
Im Mai 1828 besucht Schumann als frischgebackener Abiturient Heine in München. Er kannte ihn als den Verfasser der „Reisebilder“. Schon im August 1828 las er gemäß einer Tagebuch-aufzeichnung im „Buch der Lieder“ – also in der 1. Auflage von 1827.
Affinitäten:
seelische Zerrissenheit/ Gespaltenheit unter Metternichs restaurativem Regiment: zwischen Anpassung und Widerstand, Rückzug und Aufbruch, Biedermeier und Vormärz. - Heine zwischen politischem Kampf, Spott und Melancholie/ Depression; - der junge Schumann nach dem Tod des Vaters (1826) zwischen dem Wunsch der Mutter nach sicherer Existenz (Jura) und Künstlertum;
- Schumann zwischen dem kämpferischen Florestan ( Beethovens politische Opernfigur!) und dem kontemplativ-elegischen Eusebius. (Vorbilder waren die Figuren Vult und Walt aus Jean Pauls „Flegeljahren“)
Florestan den Wilden, Eusebius den Milden,
Tränen und Flammen Nimm sie zusammen
In mir beide Den Schmerz und die Freude. (Schumann an Clara)
„O dieser Grabbe muß einmal schon sehr tief, sehr tief gesunken sein u. Manches erfahren haben – er erinnert oft an die Bizzarerie in den
Heineschen Liedern, jenen brennenden Sarkasmus, jene große Verzweiflung, alle die Karikaturen von Hoheit und Würde hat er mit Heine
gemein […] Ich könnte noch Manches u. Vieles schreiben – doch möchte‘ ich lieber ein halber Grabbe sein, als ein Dutzend von seinen Rezensenten mit
der Brille u. dem Achselzucken!“ (30.10.1828, Tagebuch)
progressives Kunstverständnis im Kampf gegen Philistertum und reaktionäre Romantik: - Heine polemisiert gegen die „Romantischen Schule“ (vgl. bereits Junge Leiden. Romanzen Nr. 20:
„Wahrhaftig“), Idealismus (Heimkehr Nr. 58) und Restauration (Heimkehr, Nr. 84).
- Schumann kämpft gegen musikalische Reaktionäre.
das Motiv der unglücklichen Liebe: - bei Heine das ihn auch gesellschaftlich prägende „Amalien-Erlebnis“ ( Info zu Heine, BdL); - bei Schumann die bis September 1840 unerfüllte Beziehung zu Clara Wieck. Seit 1835 setzt er mehrfach Heine-Gedichte als Motto über einzelne Nummern seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“, meist an Clara gerichtet. Unterschied: Schumann wusste sich stets geliebt.
das Gefühl des Ausgestoßenseins:
- bei Heine: siehe Informationen zum „Buch der Lieder“ - bei Schumann: Der Liebeskonflikt wird zum Konflikt mit der Welt. Wieck hatte Schumann nach dessen Handverletzung als nicht verwertbar für eine Virtuosen-Karriere fallen- gelassen und den Umgang mit seiner größten Investition (Clara) verboten. Es folgten die Trennungsversuche und Intrigen seitens Wieck und der Prozess Schumanns um die Ehe.
Unterschiede:
Schumann erkennt zwar Heines „Ton“ (s.o.) und greift auch einige offenkundig ironische „maliziös-sentimentale“ Lieder Heines auf (Nr. 11 - 13, 16), setzt diesen Ton aber nur begrenzt um (Nr. 6, 11, 16). Letztlich hält er an der Poetisierung der Welt fest; das Klavier transferiert eine aus dem Text extrahierte poetische Idee in einen musikalischen Gestus.
verwendete Literatur: Dümling, Albrecht: Heinrich Heine – vertont von Robert Schumann, München: Kindler 1881 (Kindler Edition Lied und Lyrik)
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weitere Vertonungen Schumanns aus dem „Buch der Lieder“
Op. 24 (9 Lieder) Junge Leiden. Lieder (komplett übernommen)
Nr. 1 Morgens steh ich auf und frage (D-dur) Nr. 2 Es treibt mich hin (h-moll) Nr. 3 Ich wandelte unter den Bäumen (H-dur) Nr. 4 Lieb‘ Liebchen, leg’s Händchen (e-moll) Nr. 5 Schöne Wiege meiner Leiden (E-dur) Nr. 6 Warte, warte, wilder Schiffmann (E-dur) Nr. 7 Berg und Burg’n schaun herunter (A-dur) Nr. 8 Anfangs wollt ich fast verzagen (d-moll) Nr. 9 Mit Myrthen und Rosen (D-dur)
Nr. I Nr. II Nr. III Nr. IV Nr. V Nr. VI Nr. VII Nr. VIII Nr. IX Mit Rosen, Zypressen und Flittergold
Op. 25 „Myrthen“ (26 Lieder, davon 3 Lieder von Heine)
Nr. 7 Die Lotosblume (F-dur, mit Clara-Motiv!) Nr. 21 Was will die einsame Träne (A-dur) Nr. 24 Du bist wie eine Blume (As-dur)
Lyrisches Intermezzo Nr. X Die Heimkehr Nr. XXVII (27) Die Heimkehr Nr. XLVII (47)
Op. 45
Nr. 3: Abends am Strand Die Heimkehr Nr. VII: „Wir saßen am Fischerhause“
Op. 49 Nr. 1: Die beiden Grenadiere (h-moll) Nr. 2: Die feindlichen Brüder (h-moll) Op. 53 Nr.3: Der arme Peter (G-dur/ e-moll)
Op. 57 Belsazar (g-moll)
Junge Leiden. Romanzen Nr. VI „Die Grenadiere“ Nr. III „Zwei Brüder“ Nr. IV „Der arme Peter“ Nr. X „Belsatzar“
Op. 127 Nr. 2 (1850/51): Dein Angesicht (Es-dur)
Lyrisches Intermezzo Nr. V „Dein Angesicht so lieb und schön“
andere Heine-Vertonungen Schumanns Textvorlage: Neue Gedichte (1844)
Op. 64 Nr. 3: Tragödie (E-dur/e-moll/C-dur) Verschiedene : Tragödie I „Entflieh mit mir und sei mein Weib“ (bereits 1828 entstanden!)
Lyrisches Intermezzo. VDS-Tagung zum Abitur 2017/ Themenschwerpunkt 2: „Liebe, Leid und Sehnsucht“ * Hartmut Kahnt Zu Schumann: „Die alten bösen Lieder“ (Op. 48, Nr. 16) Zu Entdeckendes: Prolog (T 1 – 3) Theaterdonner im fortissimo, marsch-/ fanfarenartig über Quinte abwärts („begraben“!) A a – a‘ (T 4 m.A. – 11) Gesang greift den Eingangstusch auf; Klavier mit markantem Gestus in beiden Stimmen (auch im Folgenden) mit Ssn praktisch umsetzen T
B b1 – b2 – b3 (T 12 m.A. – 35) jeweils zwei gegenläufige Binnenabschnitte mit altertümelnder Anspielung auf die Barform [Stollen-Stollen-Abgesang]; der erste Binnenabschnitt abwärts, der zweite aufwärts, je einen Ton höher (vgl. T 19/20 zu 27/28) (vgl. T 15/16 zu 23/24 zu 31/32) = steigernd wie der Text (Heidelberger Fass/ Mainzer Brück‘/ Christoph im Dom). Gesangstimme greift im jeweils zweiten Teil die marschartigen Elemente aus A auf, aber jetzt aufwärts (Aktion!). A‘ (T 36 m.A. – 43) Hier lohnt eine vergleichende Gegenüberstellung mit Teil A, auch textlich.
Versenkung des Sargs auf einem verminderten Akkord. Klavierstimme jetzt auf Halben ruhend („großes Grab“) C c1 – c2 (T 43 – 52) Erster Abschnitt rezitativisch; metrisch in der Klavieroberstimme verschoben; unten bleiben die Halben der Beerdigung (nahezu colla parte mit Gesang). Der zweite Abschnitt (T 48 m.A.) endet nach einem opernhaften Neapolitaner (T 50) offen auf der Dominante. Insgesamt hat die Musik einen theatralischen Duktus, der dem Text durchaus nahekommt. Epilog (T 53 ff) Der Text geht in die Musik über (Schumanns Idee der poetischen Musik).
Fallende Arpeggio-artige Achtel, metrisch und harmonisch verschleiert ( exemplarisch an einer Stelle untersuchen).
Was könnte diese „Strophe“ im Klavier ausdrücken?
Passt diese „Strophe“ zu dem Text und seiner bisherigen Vertonung? Von hier aus bietet sich eine Verknüpfung an mit den Liedern Nr. 12 (Am leuchtenden Sommermorgen), Nr. 6 (Im Rhein …) und Nr. 10 (Hör ich das Liedchen klingen). So kann musikalisch und textlich der Zyklus-Gedanke erarbeitet werden (vgl. dazu auch die „Informationen zu Schumann“). Und vielleicht ergibt sich dann eine plausible Deutung des rätselhaften Epilogs des Klaviers. Am Ende steht der Abschied von den besungenen Liebesqualen (Einsargen – Beerdigen). (Biografisch steht Schumann kurz vor der juristisch durchgesetzten Eheschließung mit Clara).
----- Die Analyse sollte textorientiert sein und von einer Übersicht verschaffenden Gliederung des Textes in dem Lied (musikalische Abschnitte) ausgehen.
Hübsche Texte und Materialien
Arnold Schönberg, in: „Das Verhältnis zum Text“ (1912)
In Wirklichkeit kommen solche Urteile von der allerbanalsten Vorstellung, von einem
konventionellen Schema, wonach bestimmten Vorgängen in der Dichtung eine gewisse
Tonstärke und Schnelligkeit in der Musik bei absolutem Parallelgehen entsprechen müsse.
Abgesehen davon, dass selbst dieses Parallelgehen, ja ein noch viel tieferes, auch dann
stattfinden kann, wenn sich äußerlich scheinbar das Gegenteil davon zeigt, dass also ein zarter
Gedanke beispielsweise durch ein schnelles und heftiges Thema wiedergegeben wird, weil eine
darauffolgende Heftigkeit sich organischer daraus entwickelt, abgesehen davon, ist ein solches
Schema schon deshalb verwerflich, weil es konventionell ist. Weil es dazu führte, auch aus der
Musik eine Sprache zu machen, die für jeden „dichtet und denkt“. Und seine Anwendung durch
Kritiker führt zu Erscheinungen, wie zu einem Aufsatz, den ich einmal irgendwo gelesen habe:
Deklamationsfehler bei Wagner, in dem ein Flachkopf zeigte, wie er gewisse Stellen komponiert
hätte, wenn Wagner ihm nicht zuvorgekommen wäre.
Ich war vor ein paar Jahren tief beschämt, als ich entdeckte, dass ich bei einigen mir
wohlbekannten Schubert-Liedern gar keine Ahnung davon hatte, was in dem zugrunde
liegenden Gedicht eigentlich vorgehe. Als ich aber dann die Gedichte gelesen hatte, stellte sich für
mich heraus, dass ich dadurch für das Verständnis dieser Lieder gar nichts gewonnen hatte, da
ich nicht im geringsten durch sie genötigt war, meine Auffassung des musikalischenVortrags zu
ändern. Im Gegenteil: es zeigte sich mir, dass ich, ohne das Gedicht zu kennen, den Inhalt, den
wirklichen Inhalt, sogar vielleicht tiefer erfasst hatte, als wenn ich an der Oberfläche der
eigentlichen Wortgedanken haften geblieben wäre. Noch entscheidender als dieses Erlebnis war
mir die Tatsache, dass ich viele meiner Lieder, berauscht von dem Anfangsklang der ersten
Textworte, ohne mich auch nur im geringsten um den weiteren Verlauf der poetischen Vorgänge
zu kümmern, ja ohne diese im Taumel des Komponierens auch nur im geringsten zu erfassen,
zu Ende geschrieben und erst nach Tagen darauf kam, nachzusehen, was denn eigentlich der
poetische Inhalt meines Liedes sei. Wobei sich dann zu meinem größten Erstaunen herausstellte,
dass ich niemals dem Dichter voller gerecht geworden bin, als wenn ich, geführt von der ersten
unmittelbaren Berührung mit dem Anfangsklang, alles erriet, was diesem Anfangsklang eben
offenbar mit Notwendigkeit folgen musste.
(in: Stil und Gedanke. Aufsätze zur Musik, hg. Ivan Vojtech, S. Fischer 1976, S. 4 f.)
Theodor W. Adorno: Die Tendenz des Materials
Die Annahme einer geschichtlichen Tendenz der musikalischen Mittel widerspricht der
herkömmlichen Auffassung vom Material der Musik. Es wird physikalisch, allenfalls
tonpsychologisch definiert, als Inbegriff der je für den Komponisten verfügbaren Klänge. Davon
aber ist das kompositorische Material so verschieden wie die Sprache vom Vorrat ihrer Laute.
Nicht nur verengt und erweitert es sich mit dem Gang der Geschichte. Alle seine spezifischen
Züge sind Male des geschichtlichen Prozesses. [...]
Die Schäbigkeit und Vernutztheit des verminderten Septimakkords oder gewisser chromatischer
Durchgangsnoten in der Salonmusik des neunzehnten Jahrhunderts gewahrt selbst das
stumpfere Ohr. Fürs technisch erfahrene setzt solches vage Unbehagen in einen Kanon des
Verbotenen sich um. Wenn nicht alles trügt, schließt er heute bereits die Mittel der Tonalität,
also die der gesamten traditionellen Musik, aus. Nicht bloß, dass jene Klänge veraltet und
unzeitgemäß wären. Sie sind falsch. Sie erfüllen ihre Funktion nicht mehr. Der fortgeschrittenste
Stand der technischen Verfahrungsweise zeichnet Aufgaben vor, denen gegenüber die
traditionellen Klänge als ohnmächtige Clichés sich erweisen. [...]
Der verminderte Septimakkord, der in den Salonpiècen falsch klingt, ist richtig und allen
Ausdrucks voll am Beginn von Beethovens Sonate op. 111. Nicht nur, dass er hier nicht
aufgeklatscht ist, dass er aus der konstruktiven Anlage des Satzes hervorgeht. Sondern das
technische Gesamtniveau Beethovens, die Spannung zwischen der äußersten ihm möglichen
Dissonanz etwa under Konsonanz; die harmonische Perspektive, die alle melodischen Ereignisse
in sich hineinzieht; die dynamische Konzeption der Tonalität als ganzer verleiht dem Akkord
sein spezifisches Gewicht. Der historische Prozess jedoch, durch den er es verloren hat, ist
irreversibel.
(in: Philosophie der Neuen Musik, Suhrkamp (Frankfurt a. M.) 1978, S. 38-42)
Diether de la Motte: Dominantseptnon-Akkord
Der D79 (meist mit großer, seltener mit kleiner None) spielt in der musikalischen Sprache
Schumanns eine entscheidende Rolle, er ist zu dieser Zeit ein sehr ausdrucksstarker und noch
ganz unverbrauchter Klang. Es sei daran erinnert, dass die ältere Musik nur eine (vor allem
dominantische) 9-8-Vorhaltbildung kannte, wobei die Auflösung des Vorhalts stets noch im
Klang selbst und nicht erst in seiner Weiterführung erfolge.
(Harmonielehre, dtv-Bärenreiter [Kassel] 1976, S. 180)
Abschied von der Romantik
Aus Heinrich Heines Buch „Die romantische Schule“
(Paris, 1833) (Aus der Heine Ausgabe des Aufbau-Verlages; Berlin & Weimar 1978; Bd. 4; alle Zitate finden
sich gegen Ende des Dritten Buches)
(Über Jean Paul, den Heine gerade nicht zur romantischen Schule rechnet)
Sein Herz und seine Schriften waren eins und dasselbe. Diese Eigenschaft, diese Ganzheit finden
wir auch bei den Schriftstellern des heutigen jungen Deutschlands, die ebenfalls keinen
Unterschied machen wollen zwischen Leben und Schreiben, die nimmermehr die Politik trennen
von Wissenschaft, Kunst und Religion, und die zu gleicher Zeit Künstler, Tribune und Apostel
sind.
Ja, ich wiederhole das Wort Apostel, denn ich weiß kein bezeichnenderes Wort. Ein neuer
Glaube beseelt sie mit einer Leidenschaft, von welcher die Schriftsteller der früheren Periode
keine Ahnung hatten. Es ist dieses der Glaube an den Fortschritt, ein Glaube, der aus dem
Wissen entsprang. Wir haben die Lande gemessen, die Naturkräfte gewogen, die Mittel der
Industrie berechnet, und siehe, wir haben ausgefunden: dass diese Erde groß genug ist; dass sie
jedem hinlänglich Raum bietet, die Hütte seines Glückes darauf zu bauen; dass diese Erde uns
alle anständig ernähren kann, wenn wir alle arbeiten und nicht einer auf Kosten des anderen
leben will; und dass wir nicht nötig haben, die größere und ärmere Klasse an den Himmel zu
verweisen.
[S. 308]
(Über De LaMotte-Fouqué)
Diese Undine könnte man als die Muse der Fouquéschen Poesie betrachten. Obgleich sie
unendlich schön ist, obgleich sie ebenso leidet wie wir und irdischer Kummer sie hinlänglich
belastet, so ist sie doch kein eigentlich menschliches Wesen. Unsere Zeit aber stößt alle solche
Luft- und Wassergebilde von sich, selbst die schönsten, sie verlangt wirkliche Gestalten des
Lebens, und am allerwenigsten verlangt sie Nixen, die in adlige Ritter verliebt sind. Das war es.
Die retrograde Richtung, das beständige Loblied auf den Geburtadel, die unaufhörliche
Verherrlichung des alten Feudalwesens, die ewige Rittertümelei missbehagte am Ende den
bürgerlich Gebildeten im deutschen Publikum, und man wandte sich ab von dem
unzeitgemäßen Sänger. In der Tat, dieser beständige Singsang von Harnischen, Turnierrossen,
Burgfrauen, ehrsamen Zunftmeistern, Zwergen, Knappen, Schlosskapellen, Minne und Glaube,
und wie der mittelalterliche Trödel sonst heißt, wurde uns endlich lästig...
(Über Uhland; Heine vergleicht die Wirkung des Uhland-Gedichtes „Der schöne Schäfer zog
so nah“ – 1813 mit der Wirkung 20 Jahre später, 1833)
Dasselbe Buch habe ich wieder in Händen, aber zwanzig Jahre sind seitdem verflossen, ich habe
unterdessen viel gehört und gesehen, gar viel, ich glaube nicht mehr an Menschen ohne Kopf,
und der alte Spuk wirkt nicht mehr auf mein Gemüt. Das Haus, worin ich eben sitze und lese,
liegt auf dem Boulevard Mont-Martre; und dort branden die wildesten Wogen des Tages, dort
kreischen die lautesten Stimmen der modernen Zeit; das lacht, das grollt, das trommelt; im
Sturmschritt schreitet vorüber die Nationalgarde; und jeder spricht französisch. – Ist das nun
der Ort, wo man Uhlands Gedichte lesen kann? Dreimal habe ich den Schluss des oben
erwähnten Gedichtes mir wieder vordeklamiert, aber ich empfinde nicht mehr das unnennbare
Weh, das mich einst ergriff, wenn das Königstöchterlein stirbt und der schöne Schäfer so
klagevoll zu ihr hinaufrief: „Willkommen, Königstöchterlein!“
[S. 327]
(die letzten Gedichtzeilen sind ein Uhland-Zitat)
Ach! nicht aus leichtfertiger Lust, sondern dem Gesetze der Notwendigkeit gehorchend, setzt sich
Deutschland in Bewegung ... Das fromme, friedsame Deutschland! ... es wirft einen wehmütigen
Blick auf die Vergangenheit, die es hinter sich lässt, noch einmal beugt es sich gefühlvoll hinab
über jene alte Zeit, die uns aus Uhlands Gedichten so sterbebleich anschaut, und es nimmt
Abschied mit einem Kusse. Und noch einen Kuss, meinetwegen sogar eine Träne! Aber lasst uns
nicht länger weilen in müßiger Rührung...
Vorwärts! Fort und immerfort,
Frankreich rief das stolze Wort:
Vorwärts!
[S. 334]
Aus Tabea Möhlmanns
Stunden-Mitschriften
im Musik-LK am Alten Gymnasium Oldenburg
Die Stadt (Schubert)
Zum Text Volksliedstrophe abcb, 3hebiger Vers, meist Jambus, aber durchbrochen Naturbild: Abenddämmerung, Sonnenuntergang (Bild der Stadt) Abschied, Verlust, Trennung Zur Vertonung: Keine identifizierbare Tonart. Das ganze Lied über (außer den beiden „Fenstern“) ein rätselhafter Klang, harmonisch nicht greifbar. Verminderter 4Klang, der sich nicht auflöst. - Bild des „Ruderns“ über dem Wasser: der monotone Takt - Bild der Tiefe, fast durchgehend: Orgelpunkt, Bordun - das Statische, Monotone, Eintönige - verminderter 4-Klang, unaufgelöst, „unharmonisch“, irrationaler Rhythmus 9 gegen 8 - Ausbruch, Durchbruch, Verwandlung (letzte Strophe)
Schubert, Der Atlas
Heines Gedicht: - scheinbar mythologisches Gedicht (Herkules-Sage) - verdecktes Liebesgedicht: Klage über Verlust - Volksliedstrophe (ein bisschen knitterig), - auffälliger Rhythmus 3x5, 1x3, unregelmäßig im Jambus - Mehrfache Betonungen gegen das Versmaß („óder unendlich elend“) Schuberts Vertonung: - „Erfindungskern“ (H.-H. Eggebrecht) - Tremolo rechte Hand - linke Hand mächtig, Colla Parte (! die Linke!) -> Bass-Lastigkeit - schroffe Sprünge: Quarten aufwärts, vermindert Quarte (!) abwärts - Moll-Dur-Wechsel, viele große Sprünge; e-Moll -> As-Dur! - Veränderte A-B-A-Form (Anfangsteil wieder aufgegriffen): Starke Eingriffe in Heines Text - es - e- f: schraubt es immer höher, dramatische Steigerung - Ausdrucksakkord ÜBERMÄßIGER DREIKLANG
„Ihr Bild“: Ein „Tonart-Wechsel-Stück“
Heines Text: Verlorene Liebe, Wechsel der Gefühle zwischen Trübsinn, verklärter Erinnerung und Schmerz, Leid Schuberts Vertonung: Häufige Tonart-Wechsel, v. a. zwischen Dur und Moll. (1) „DUR-MOLL-OSMOSE“. bm->F->B (2) über einen „Scharnier-Ton“ in die „Terzverwandte II. Grades“: B / über b / Ges CHROMATISCHE MODULATION - viel Einstimmigkeit - Pausen zwischen Liedzeilen: Das Klavier „sinnt nach“, „dichtet weiter“.
Schumann
Wenn ich in deine Augen seh (Schumann)
Heines Gedicht: Liebesgedicht. Erst glatt. Dann Brechung und Verwandlung. ganz regelmäßiger Vers, Paarreim („ping-pong“): immer Körperteil -> Emotion, fast lächerlich, banal. Seltsame Brechung der letzten Zeilen: „weinen bitterlich“. (a) traurig? negativ? verzweifelt? (Verlust?) – oder: (b) das überwältigend Positive? Schumanns Klaviersatz: Akkordsatz; aber (im Prinzip) auf Lücke! langer, liegender Klang, Liegeklang unter der Gedichtzeile, Klavier als Weiterdichten, Nachsinnen in der Atempause (und dann im Nachspiel). An der Brechung: Akkord-Brechung (!) aber positiver Ausklang (Interpretation b). Zur Harmonik: Verminderter Vierklang als herausragender Akkord (Dominante zur Subdominante), aufgelöst in Subdominante, aber mit 9-8-Vorhalt: Sehr starke „lyrische Emphase“, Spannung – Entspannung Ende: „KIRCHENSCHLUSS“, „PLAGALSCHLUSS“: Sakrale Wirkung. über eingeschobene Dominante zur Subdominante mit ORGELPUNKT
Drei Lieder aus der Dichterliebe (im Set)
- Ein Jüngling liebte ein Mädchen: scheinbar lustiges Wanderlied mit starker Schlusswirkung. - Am leuchtenden Sommermorgen: weiches, romantisches Lied; Klaviernachspiel „weiterdichtend“, identisch mit „Die alten bösen Lieder“
- Ich hab im Traum geweinet: REZITATIV; Text gesungen, rezitiert, dazwischen trockene Akkorde („SECCO“). Klavier befreit sich, wird gelöst in Strophe 3. Die Lieder ergänzen einander, sind unterschiedlich, aber ergeben zusammen ein poetisches ganzes. Dramaturgie, Intensivierung, emotionale Steigerung, Zusammenhang. Wechselnde Rolle des Klaviers. - Begleitung eines schnellen Wanderliedes (Ein Jüngling) - das Fließende, Romantische; verselbständigtes Klavier-Nachspiel - Nachspiel z. T. Übergang von einem Lied zum nächsten. Das Kontrapunktische: „Ein Jüngling“ scheinbar lustig. Innerhalb des Liedes zuerst trocken, gebremst, in Strophe 3 befreit sich die Emotion, alles bricht ein.
Die alten bösen Lieder
letztes Lied aus Robert Schumanns Dichterliebe.
Kleiner Spickzettel
Das Heidelberger Fass: Riesiges Weinfass in der Ruine des Heidelberger Schlosses.
Mehrfach neu hergestellt, abgebrannt auch beim Brand des Schlosses. Noch heute
Touristenattraktion in Heidelberg, als Sehenswürdigkeit deutscher Handwerkskunst.
zu Mainz die Brück: Schiffsbrücke 1661-1885. Vorgängerbauten: Die „Römerbrücke“ bis
ins 5. Jh.; die Brücke Karls des Großen, 814 fertiggestellt und gleich wieder abgebrannt.
Erst 1862 wurde eine Eisenbahnbrücke eröffnet; die „Theodor-Heuss-Brücke“ Mainz –
Kastel wurde 1885 eröffnet.
Christoph im Dom: Statue des Heiligen Christophorus mit dem Jesusknaben, fast 3,73
m hoch (Legende: ein riesiger Mann soll das Jesuskind über einen Fluss getragen haben
– und unter der Last geächzt haben. Jesus sagt hinterher: Ja, du hast soeben die Last
der Welt getragen – und gibt ihm den Namen Christophorus.)
Heines Gedicht: verlorene Liebe; endgültiger Abschied: „begraben“ Romantisches Gedicht, aber stark gebrochen. Drastische Bilder, Vergleich in männlichen, stumpfen Kadenzen: abrupte, fast komische Wirkung („wie's Heidelberger Fass“). „Romantische Ironie“ „Negative Erlösung“: „versenkter“ Schmerz Imperative, Anaphern. Steigertung innerhalb der Vergleiche, immer größere „Gewässer“: „Fass“ (Wein); „Brück“ (über den Rhein / Main?); Köln am Rhein (da ist der Rhein noch breiter, größer); Meer Schumanns Vertonung: z. T. drastische Wort-Ton-Effekte: Starke Schlüsse, mächtige, starke Sprünge. „Erfindungskern“ im Klavier, Klavierpart und Gesangsstimme haben sehr eigenständige Funktion. (1) Anfang: cis-Moll „zementiert“, starkes cis-Moll. (2) Schraube aufwärts
(3) völliger Bruch, schwerer, lauter Akkordsatz: Versenken (4) plötzliche Verwandlung Rieke: „Die Romantik liegt im Nachspiel“: Reine Romantik, reine „Poesie (des Klaviers) ohne Text“
Fatih Akin Film: „Die alten bösen Lieder“
Bezieht sich nur auf eine Textzeile, die erste. Nicht am Text entlang, sondern greift eine Botschaft heraus. BILD: „Vorhang“ im Kino. Schwarzweiß. Sängerin in Theaterkostüm. Im Bild nur Celli (anders als auf der Tonspur). Der Bühnenwerker mit der Maschinerie: Metallfeder, Bohrmaschine, Hammer. Ein Block in Farbe: türkische Musik. Grammophon-Platte sichtbar. Untergang: Sängerin hält sich die Ohren zu. TEXT: 3-4 Lieder. „Wir kommen wieder“ (Wehrmachtslied, vom Griechenlandfeldzung); „Die Wacht am Rhein“. Heine-Gedicht. Für uns nicht zu verstehen: türkischer Gesang. GERÄUSCHE: Knacken der alten Schallplatte. Metallgeräusche (Hammer auf Metallfedern?). Auflegen der alten Grammophon-Platte, Knacken und Knistern; akustische Rückkopplung E-Gitarre. Am Ende immer schrillere Überlagerung, „KAKOPHONIE“ MUSIK: Alte Schallplatten. Dann Streichquartett Auffällig (Absicht?): „Wir kommen wieder“ reimt sich auf „Die alten bösen Lieder“ Interpretation: Die alte Zeit, scheinbar begraben, sucht uns wieder heim. Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus, Rechtsradikalität.
Der Schumann-Klang
„Klavier-Gedicht“. Vorspiel – Nachspiel manchmal verselbständigt Wirkung des Gedichts, des Liedes, durch Klavier verwandelt in etwas anderes Melodien z. T. fast ähnlich; aber Klavier schafft den Unterschied. Lieder meist sehr kurz, gehen ineinander über. aber das Klavier macht den jeweils spezifischen Klang. lässt das Gedicht unangetastet. Klavier: unterstützt, verdeutlicht: z. B. Einschnitte; aber auch: „Klavier-Verwandlung“ etwas „Poetisches“, das Wesentliche, das im Klavier stattfindet. DISKUSSIONSFRAGE: „Umsetzung“ des Gedichts? („unterstützt“?) – oder Verwandlung (in etwas anderes, vielleicht Gegensätzliches?
Heine-Lieder-Synopse Schubert Schumann
Verhältnis zum Text Text als Ausdruck aufgegriffen Text als poetisches Gebilde, als Gedicht
Vertonung Vertonung als radikaler Ausdruck der Emotion;
Musik als Ausdruck von Schmerz, Verzweiflung, Ausgegrenztheit
Text als Umsetzung der poetischen Idee:
„Gedicht über Gedicht“
Umgehen mit Text Vertonung der Emotion.
Durchaus häufig: Starker Eingriff in den Text, um die beabsichtigte Emotion
so extrem wie möglich herauszubringen („Atlas“)
Umsetzung einer gewonnen poetischen Idee.
Vielfach hoch abstrakte Umsetzung z. B. sprachlicher Sachverhalte
Rolle des Klaviers ERFINDUNGS-KERN (Eggebrecht). Zentrales Motiv, das sich im Laufe des
Liedes verändert, anpasst – oder auch nicht (z. B. „Die Stadt“).
Das Klavier „dichtet“.
Greift eine eigene Idee des Textes auf.
Dichtet weiter (z. B. in ausgeprägten Nachspielen);
schafft Verbindungen zwischen Liedern (z. B. „Die alten bösen Lieder“ -->
„Am leuchtenden Sommermorgen“
Klaviersatz „Erfindungskern“ s. o..
Akkordische Begleitung in vielfältigen Varianten,
mit motivischem Geschehen
„Poesie des Klaviersatzes“
- verschleierte Vierstimmigkeit
- Choralsatz
- „Auf Lücke“: Nach- oder Vordichten der Klavierakkorde
- „inniges“ Spiel der Hände, oft gebrochene Akkorde durch beide Hände,
Verschränkung („sprichst, ich liebe dich“)
Harmonik „Ausdrucks-Harmonik“
Typisch: „Dur-Moll-Osmose“, feine, oft unerwartete harmonische
Verwandlungen, Tonartwechsel, Brüche, Übergänge
„Lyrische Schwebe-Zustände“, Tonika-Verschleierung
Offene, geheimnisvolle Akkorde, „geheimnisvolle VI. Stufe“ in der
Dichterliebe;
Schumann-Akkord: 9-Akkord (mit großer Non)
zur Lebenssituation
Lieder eines leidenden Menschen am Ende seines Weges.
Abschied aus der Welt, z. T. fast wie eine „Stimme aus dem Jenseits“
1840: Das „Liederjahr“.
der reinste Lieder-Erguss im Überschwang des Liebesglücks
Verhältnis zu Heine nimmt und vertont Heine als unmittelbaren Ausdruck;
gewissermaßen „naive“ Expressivität
literarischer Kenner.
Durchschaut die Gebrochenheit und Ironie bei Heine.
Erfindet subtile sprachliche, inhaltliche, aber auch strukturelle
Transformationen von Lyrik in Musik.
Aber: lyrisch fast durchgehend ernsthaft: greift nicht die „malizös-
sentimentale“ Ironie bei Heine auf
Was Sie über Robert und Clara
Schumann wissen müssenRobert: 1810-1856Clara: 1819-1896
Der Dichter spricht
Robert: Sohn einesBuchhändlersFasziniert von Literatur.Jean Paul, ETA HoffmannLiteraturexperteSchumann (anders alsSchubert)Selbstverständnis als"Tondichter"
Schumann als Musik-
Schriftsteller
Neue Zeitschrift für Musik(Leipzig)Florestan & Eusebius
Eine verhinderte Karriere
Schumann und das Klavier
- Unterricht beim alten CarlWieck- Der Unfal l mit der Schlinge
Liebestaumel mit
Hindernissen:
Robert und Clara
Der Vater dagegen.Streit und ProzesseIm Taumel des Liebesglücks:Das Liederjahr /Eheschließung 1840
Die Biedermeier-Familie
Clara
Clara als Pianistin.
Gefeierte Pianistin ihrer Zeit.Früh: Wunderkind, Schülerin ihres(Über-)VatersVirtuose Literatur der Zeit.
Zweite Karriere:"Hohepriesterin der Kunst"
enge Freundschaft zu Brahms
Clara als Komponistin - und wasRobert dazu sagte
Das "LIEDERJAHR" 1840
Liederkreis (Eichendorff)
Frauenliebe und Leben(Chamisso)
Dichterliebe (Heine) (inEINER WOCHE!)
. . . und unzählige andere
Schumanns Krankheit
Von Leipzig
nach Bonn - Endenich