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(Aus dem Institut ffir allgemeine und experimentelle Pathologie der Univcrsit~t Wien. - - Vorstand: Prof. Dr. Rothberger.) ,,Immunisierungs"-Versuche mit dem Brown-Pearceschen Kaninchentumor. (Intraveniise und intracutane Anwendung yon zelffreien K~ilteextrakten.) Von W. Raab. Mit 1 Textabbildung. (Eingegangen am 21. Juli 1937.) In friiher ver6ffentlichten Versuchen konnte ich feststellen, dab das Phs der sog. ,,Trypsin-Immunit/~t" auch fiir die elektiv zer- st6rende Wirkung des Trypsins auf Carcinomzellen insofern Geltung zu haben scheint, als das Serum yon Tieren, denen intraven6s Trypsin injiziert worden ist, nur nach den ersten Injektionen tryptisch-carcino- lytische Kraft besitzt, wi~hrend schon nach wenigen Tagen selbst enorm grol~e intraven6s einverleibte Trypsinmengen ihre carcinolytische Wir- kung sofort vollsts einbiif3en. Angesichts dieser Beobachtungen dr~ngte sich die Frage auf, ob nicht die M6glichkeit besteht, eine ~thn- liche kiinstliche Immunititt auch gegen die aggressiven proteolytischen Fermente (Kathepsine) b6sartiger Tumoren zu erzeugen und derart dem Tumorwachstum und der Metastasierung entgegenzuwirken. Wenn auch die Frage einer etwaigen quantitativ besonders reichlichen Pro- duktion proteolytischer Fermente yon seiten nmligner Geschwiilste zumeist im negativen Sinne beantwortet worden ist (Hess und Saxl, Kleinmann, Krebs u. a.), so scheint es doch Tumorproteasen yon quMi- tativer Besonderheit zu geben, die sich durch ihren tryptischen Charak- ter yon den normalen Gewebsproteasen unterscheiden (Fal/~, Noyes und Sugiura). -- Eine Mehrabsonderung yon Kathepsinen aus Tumor- zellen wird vielleicht nur dutch deren rascheres und hitufigeres Abster- ben und das damit verbundene Freiwerden intracelluls Fermente vorgets (Willheim und Stern). Immerhin schienen mir die eben angefiihrten Befunde den Versuch einer kiinstlichen ,,Fermentimmuni- sierung" gegen Tumorkathepsine zu rechtfertigen. W~hrend ich noch mit Vorarbeiten hierzu beschs war, kam eine Ver6ffentlichung yon Domaglc und Hac/cmann zu meiner Kenntnis, in welcher ich eine wichtige Stiitze der Annahme erblicken zu diirfen glaubte, dab das,was man als Tumorimmunit~tt zu bezeichnen pflegt, im wesentlichen auf eine Immunit~tt gegen die heterolytischen Tumorfermente zuriickzu-

„Immunisierungs”-Versuche mit dem Brown-Pearceschen Kaninchentumor

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(Aus dem Institut ffir allgemeine und experimentelle Pathologie der Univcrsit~t Wien. - - Vorstand: Prof. Dr. Rothberger.)

,,Immunisierungs"-Versuche mit dem Brown-Pearceschen Kaninchentumor.

(Intraveniise und intracutane Anwendung yon zelffreien K~ilteextrakten.)

Von W. Raab.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 21. Juli 1937.)

In friiher ver6ffentlichten Versuchen konnte ich feststellen, dab das Phs der sog. ,,Trypsin-Immunit/~t" auch fiir die elektiv zer- st6rende Wirkung des Trypsins auf Carcinomzellen insofern Geltung zu haben scheint, als das Serum yon Tieren, denen intraven6s Trypsin injiziert worden ist, nur nach den ersten Injektionen tryptisch-carcino- lytische Kraft besitzt, wi~hrend schon nach wenigen Tagen selbst enorm grol~e intraven6s einverleibte Trypsinmengen ihre carcinolytische Wir- kung sofort vollsts einbiif3en. Angesichts dieser Beobachtungen dr~ngte sich die Frage auf, ob nicht die M6glichkeit besteht, eine ~thn- liche kiinstliche Immunititt auch gegen die aggressiven proteolytischen Fermente (Kathepsine) b6sartiger Tumoren zu erzeugen und derart dem Tumorwachstum und der Metastasierung entgegenzuwirken. Wenn auch die Frage einer etwaigen quantitativ besonders reichlichen Pro- duktion proteolytischer Fermente yon seiten nmligner Geschwiilste zumeist im negativen Sinne beantwortet worden ist (Hess und Saxl, Kleinmann, Krebs u. a.), so scheint es doch Tumorproteasen yon quMi- tativer Besonderheit zu geben, die sich durch ihren tryptischen Charak- ter yon den normalen Gewebsproteasen unterscheiden (Fal/~, Noyes und Sugiura). - - Eine Mehrabsonderung yon Kathepsinen aus Tumor- zellen wird vielleicht nur dutch deren rascheres und hitufigeres Abster- ben und das damit verbundene Freiwerden intracelluls Fermente vorgets (Willheim und Stern). Immerhin schienen mir die eben angefiihrten Befunde den Versuch einer kiinstlichen ,,Fermentimmuni- sierung" gegen Tumorkathepsine zu rechtfertigen. W~hrend ich noch mit Vorarbeiten hierzu beschs war, kam eine Ver6ffentlichung yon Domaglc und Hac/cmann zu meiner Kenntnis, in welcher ich eine wichtige Stiitze der Annahme erblicken zu diirfen glaubte, dab das,was man als Tumorimmunit~tt zu bezeichnen pflegt, im wesentlichen auf eine Immunit~tt gegen die heterolytischen Tumorfermente zuriickzu-

33~4 W. Ra~b :

f~ihren sei. Domagk und Hackmann ber ieh ten n/~mlieh t iber aul~erordent- l ieh wi rksame Immunis i e rungen normMer Tiere gegen das Angehen von ma l ignem Tumormate r iM du tch teils subcutane, tei ls in t raven6se Vor- behand lung mi t n~t iven T u m o r e x t r a k t e n , die bei dem Nu l lpunk t nahel iegenden T e m p e r a t u r e n hergeste l l t worden waren. Die Auto ren ffihren den Mil3erfolg fas t aller mi t zellfreiem Mater ia l durehgeff ihr ten Immunis ie rungsversuche anderer Untersucher da rauf zuriiek, dal3 diese ihre E x t r a k t e bei Zimmer- oder gar bei 13ru tsehranktempera tur gewonnen b a t t e n und br ingen selbst Beobach tungen fiber den Verlust der immunisa to r i schen W i r k u n g ihrer eigenen E x t r a k t e , wenn diese n ich t in der erforder l iehen niedr igen T e m p e r a t u r geha l ten wurden. Ohne dal3 die Auto ren selbst die F rage einer Betei l igung von F e r m e n t e n an dem yon ihnen beobach te t en Ph/ inomen diskut ieren, sehien mir in diesem eine auffMlende AnMogie zu der bekann ten Inak t i v i e rung pro teo ly t i seher F e r m e n t e dureh deren in der W g r m e erfolgende, da- gegen in der Kg l t e h in tangehMtene Adsorp t ion an a d g q u a t e Subs t r a t e (EiweiBkSrper) e rkennbar und d a m i t ein verheil3ungsvoller Weg zu f e rmen t immuni sa to r i s chen Versuehen er6ffnet zu sein. Auch Domagk und Hackmann spreohen i ibr igens die Vermutung aus, dab die immuni- sa tor iseh wi rksame Subs tanz an Eiweil~ gebunden sei.

Ff i r ein wei te rh in geplantes Arbe i t en mi t gr61~eren Mengen e h i e r t e r Gesehwuls t fermente ersehienen die volumin6sen Brown-Pearcesehen Tumoren der Kan inchen besonders geeignet . Es sol l ten deshalb zu- ngehs t die Domagkschen Versuehe mi t diesem Mater ia l wiederhol t werden, da sieh die Beobach tungen Domagks vorwiegend auf Mguse- eare inome beziehen und die oben z i t ier te VerSffent l iehung nu t spgrliehe, wenn aueh posi t ive Angaben fiber Immunis i e rungen gegen den Brown- Pearce-Tumor enth/*lt.

He r r Professor Domagk, dem ieh den T u m o r s t a m m verdanke , h a t t e die Liebenswfirdigkei t , mir sehrift l ioh einige teehnisehe Einzelhei ten fiber das yon ibm gefibte Verfahren zur Immunis i e rung gegen den Brown- Pearce-Tumor mitzute i len , so dab ieh in die Lage verse tz t wurde, meine Versuehe genau nach seinen Vorschr i f ten durchff ihren zu k6nnen.

Alle Versuchstiere waren Mgnnchen. - - Die Extraktgewinnung erfolgte in folgender Weise: Es wurde jeweils ganz frisch entnommenes Tumor- bzw. Muskel- gewebe in einer eisgektihlten Fleischmasehine faschiert, sodann 5real mit Kohlen- s/*uresehnee gefroren und kurz wieder aufgetaut, dann im gefrorenen Zustande nochmals zerkleinert und vorsichtig zerrieben, rait physiologischer Koehsalz- 16sung im Verhgltnis 1:5 versetzt und wghrend 24 Stunden im Eissehrank (bei etwg~ + 2 ~ extrahierL weiters unter Kiihlung nqit Kohlensgureschnee abzentri- fugiert, dann zungohst durch Filterpapier und sodann 2real dureh Seitz-Filter, welehe mit einem Kohlensguresehnee enthaltenden Mantel umgeben waren, zelI- und keimfrei filtriert. Die Filtrate wurden unmittelbar darauf zur intraven6sen Injektion verwendet, und zwar erhielt jedes Tier pro Injektion in ungefghr 9 tggigen Intervallen .je 2 ecru davon. - - 5 Tiere wurden durch einen Zeitraum von 52 Tagen,

,,Immunisierungs"-Versuche mit demBrown-Pearcesehen Kaninehentumor. 345

4 Tiere durch einen solchen yon 32 Tagen mit Tumorextrakten vorbehandelt. - - 5 Tage nach AbschluB der Vorbehandlungen wurden s~mtliche Tiere und ilberdies eine Anzahl von Kontrollen (siehe Tab. 1 und Abb. 1) mit frischem Tumormaterial in der fiblichen Weise beimpft, indem das mittels Latapieapparates unter asep- tischen Kautelen in einen ziemlieh homogenen Brei verwandelte Gewebe mit etwa der dreifachen Menge physiologiseher KoehsalzlSsung aufgeschwemmt und hiervon in jeden Hoden ein Quantum yon je 2 cm injiziert wurde.

Das Alter der jeweils verwendeten Tumoren ergibt sich aus folgender 1Jber- sicht:

16. VII. 1936. Beimpfung yon 2 Tieren (I. Generation), 30. VII. Beimpfung yon 3 Tieren (II. Generation). 6. VIII. TStung eines Tieres der I. Generation und Extraktbereitung (Tumor

21 Tage alt). 7. VIII. 1. Vorbehandlung yon 5 Tieren mit Tumorextrakt.

13. VIII. T6tung eines Tieres der I. Generation und Extraktbereitung (Tumor 28 Tage alt).

14. VIII. 2. Vorbehandlung yon 5 Tieren mit Tumorextrakt. 19. VIII. TStung eines Tieres der II. Generation und Extraktbereitung

(Tumor 20 Tage alt). - - Beimpfung yon 3 Tieren (III. Generation). 20. VIII. 3. Vorbehandlung yon 5 Tieren mit Tumorextrakt. 26. VIII. T6tung eines Tieres der II. Generation und Extraktbereitung

(Tumor 27 Tage alt). - - Beimpfung von 2 Tieren (IV. Generation). 27. VIII. 4. Vorbehandlung yon 5 Tieren und 1. Vorbehandlung yon 4 Tieren

mit Tumorextrakt. 1. IX. T6tung eines Tieres der III. Generation und Beimpfung eines Tieres

(V. Generation). 2. IX. T6tung eines Tieres der II. Generation und Extraktbereitung (Tumor

34 Tage alt). 3. IX. 5. Vorbehandlung yon 5 Tieren und 2. Vorbehandlung yon 4 Tieren

mit Tumorextrakt. l l . IX. T6tungeinesTieres derIII . GenerationundExtraktbereitung(Tumor

23 Tage alt). 12. IX. 6. Vorbehandlung yon 5 Tieren und 3. Vorbeh~ndlung von 4 Tieren

mit Tumorextrakt. 17. IX. TStung eines Tieres der III. Generation (Tumor 29 Tage alt), zweier

Tiere der IV. Generation (Tumoren 22 Tage alt) und eines Tieres der V. Generation (Tumor 16 Tage alt). - - Misehung der zerkleinerten Tumormassen und Beimpfung ~ller 9 vorbehandelten Tiere sowie der Kontrolltiere.

1. X. Eines der vorbehandelten Tiere eingegangen. 3. X. TStung der iibrigen Versuehs- und Kontrolltiere. (Eine grSl~ere An-

z~hl yon Tieren, die im Lauf der Versuehe vorzeitig eingingen, ist in obiger Zu- summenstellung nieht angefiihrt.)

Die in Tab. 1 und 2 (Gruppe I) und in Abb. 1 dargestel l ten Er- gebnisse zeigen ein vollst/~ndiges Fehlen irgendwelcher Anha l t spunk te fiir eine T u m o r i m m u n i t ~ t bei den mi t Tumorex t r ak t en in t ravenSs vor- behande l ten Tieren. Sowohl das Gewicht der prim/iren H o d e n t u m o r e n als der gemeinsam gewogenen Metastasen als auch der Gesamtmassen yon Tumorgewebe war bei den vorbehandel ten Tieren im Durch- Schnitt ebensogroI~ wie bei den Kontrol len . Zuf/~lligerweise s t immen die Durchschni t t swer te sogar zahlenm/~Big genau fiberein. W~hrend

Zeitschrift ffir Krebsforschung. 46. Bd. 24

346 W. Raab :

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hande l ten Tieren mit der gewohnten Aggressi-

__ vi t~t und Metastasie- rungstendenz. Metasta- sen fehl ten trotz ange- r

gangenem Primi~rtumor bei je einem yon den 12 Kontrol l t ie ren und yon den 9 Versuchstieren der Gruppe I.

Worauf dieser abso. lute Gegensatz zu den Immunis ierungseffekten yon Domaglc und Hack. mann zur i ickzuff ihren ist, vermag ich nicht an- zugeben. Soweit ich sehe, bes tand die einzige wesentliche Abweichung meiner Versuche der Gruppe I yon den mir durch Prof. Domagk zur Verfiigung gestellten me- thodischen Vorschriften darin, dab die Beimpfung sowohl der durch 6 als der durch 3 Wochen vor-

r162 behandel ten Tiere be- _ _ _ reits 5 Tage nach der

letzten Ext rak t in j ektion erfolgte. Ich hat te mich hierzu gen6tigt gesehen,

- - - da der Al lgemeinzustand einiger Tiere ein l~ngeres HinauszSgern nicht rat-

__ sam erscheinen lieB. I n einem Schreiben Prof. Domagks an mich hieB es: , ,10--14 Tage nach

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348 W. l~aab :

der letzten Injektion sind die Tiere im allgemeinen immun." Ieh reehnete also mit einem vielleieht nieht ganz optimMen Resultat, nieh~ abet mit einer etwaigen g/~nzliehen Aufhebung des Effektes der vorangegangenen woehenlangen Extraktbehandlungen. Immerhin lieB die Angabe yon Domagk und Hackmann, dab das Waehstum bereits vorhandener Tu- moren durch die Injektion derselben Tumorextrakte, welehe beim gesunden Tier immunisierend wirken, nieht nur nicht behindert, son-

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dern eher gef6rdert wird, daran denken, dab in meinen Versuehen das Zusammentreffen der Naehwirkung der letzten Extraktinjektione~l mit dem allzufriih eingebraehten Tumormaterial dessen Angehen unter Zurfiekdr/ingung der immunisierenden Momente in vollem Ausmag gestattet habe. Die Annahme einer derartigen Ursaehe des Migerfolges der Versuehsgruppe I ersehien mir naehtr/tglieh um so mehr gereeht- fertigt, als Domagk und Hackmann in einer sp/~teren Arbeit erw/~hnen, da6 sieh die Immuni t~t gegen den Brown-Pearce-Tumor bei den vor- behandelten Kaninehen erst naeh 4--8 Woehen einstelle (im Gegensatz zu der Terminierung mit 10--14 Tagen in Prof. Domaglcs Sehreiben

,,Immunisierungs"-Versuche mit dem Brown-Pearceschen Kaninchentumor. 349

an reich, welche sich offenbar nur auf das yon ihm vorwiegend ver- wendete Ehrlichsche Adenocarcinom bezieht).

Aus diesem Grunde wurde eine zweite Versuchsgruppe angesetzt, in welcher ieh bei im iibrigen gleicher Technik (6 Extraktinjektionen innerhalb yon 6 Woehen) zwisehen der letzten Vorbehandlung und der Beimpfung mit frischem Tumormaterial anstelle yon bloB 5 Tagen einen Zeitraum yon 8 Wochen (58Tagen) verstreiehen lieB. Nur 4 Tiere erlebten das Ende der Versuchsperiode, an welchem wiederum - - so wie bei den Kontrollen - - 16 Tage nach Beimpfung mit frischem Material alle Tiere getStet wurden. - - Trotz dem langen Intervall zwischen letzter Vorbehandlung und Beimpfung war auch hier kein eindeutiger Immunisierungseffekt bemerkbar: Die Tumoren gingen bei allen 4 Tieren a n - - zwei davon allerdings, ohne zu metas~asieren - - , und die Durchschnittsgewichte der Tumormassen verhielten sich gegen- fiber den Kontrollen bezfiglich der Prim~rtumoren wie 17:25, bezfig- lieh der Metastasen wie 17:34 (s. Tab. 2, Gruppe II). - - Nimmt man beide intravenSs vorbehandelten Gruppen zusammen, so verhalten sich die entsprechenden Gesamtdurchschnitte zu den Kontrollen wie 22:25 bzw. wie 29:34 (s. Tab. 1 und 2 und Abb. 1).

Vielleicht spielen l~assenverschiedenheiten und jahreszeitliehe Mo- mente eine l~olle in dem Zustandekommen so weitgehender Gegens~tze zwisehen meinen Resultaten und denen yon Domaglc und Haclcmann. - - Soweit mir bekannt ist, ist eine Nachprfifung der Domaglcschen Ver- suehe - - und zwar an Ms - - bisher nur yon Dittmar vorgenommen worden, weleher zu einer teilweisen Best~tigung gelangte, indem zwar manche Tiere fast gar keine, andere abet daffir eine sehr starke Hem- mungswirkung der Vorbehandlung mit Tumor-K~lte-Extrakten er- kennen liel~en, was dieser Autor durch jahreszeitliche Reaktivits schwankungen zu erkl~tren versucht.

Wie kompliziert und unfibersiehtlich die Voraussetzungen derarti- ger Immunisierungsversuche sind, geht iibrigens u. a. auch aus Arbei- ten yon Casey hervor, der dureh parenterale Injektion yon Tumor- material, welches im Eisschrank bei Gefriertemperaturen aufbewahrt worden war (sowohl Zellaufschwemmungen als zell]reie Filtrate), nicht nur keine Hemmung des Angehens und Wachstums nach einem Inter- vall yon 12--15 Tagen inokulierter frischer Brown-Pearcescher Kanin- ehentumoren beobachtete, sondern im Gegenteil eine ziemlieh regel- m~Bige, bedeutende Steigerung der Aggressivit~t und Malignit~t. Casey nimmt deshalb das Vorhandensein das Tumorwachstum ]6rdernder, yon den Tumorzellen selbst abtrennbarer Sto~fe im Tumorgewebe an.

Nach dem negativen Ausfall meiner ,,Immunisierungs"-Versuehe mit Filtraten aus Tumormaterial wurden noch analoge Versuche unter Verwendung in gleicher Weise hergestellter zellfreier Filtrate aus der

350 W. Raab :

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Muskulatur tumortragender Kaninchen vorgenommen, weil yon Waldschmidt-Leitz in der Muskulatur tumorkranker Tiere das Vorhandensein yon Kathepsinen in besonders groBer Menge festgestellt wor- den is~ und aueh i~hnliche Be- funde yon Maschmann und Helmert fiber den Kathepsin- reichtum nicht yore Tumor ergriffener Organe vorliegen. Domagk und Haclcmann geben an, mit Extrakten aus norma- len Organen sowohl kranker ~ls gesunder Tiere ebenfalls - - wenn auch in geringerem Grade - - Immunisierungswir- kungen erzielt zu haben.

5 Kaninchen wurden durch 6 Wochen und 3 Kaninchen durch 3 Wochen mit frisehen Muskel-KMte-Extrakten tu- morkranker Tiere intraven5s vorbehandelt (parallel mit der schon besproehenen Gruppe I der tumorextraktbehandelten Tiere) und 5 Tage nach Be- endigung der Vorbehandlungs- periode mit frischem Tumor- material in die Hoden beimpft.

Das Resultat (s. Tab. 3 und Abb. 1) war auch hier ein vSllig negatives : sowohl Tumor- als aueh Metast~senmasse stimm- ten ziemlich genau mit den Kontrollen iiberein.

W~hrend die oben geschil- derten Versuche noeh im Gange waren, erschienen 2 Mitteilun- gen yon Besredka und Gross (Paris) fiber erfolgreiche Immu- nisierungen gegen den Brown-

,,Immunisierungs"-Versuche mit dem Brown-Pearceschen Kaninchentumor. 351

Pearceschen Kaninchentumor durch intracutane Beimpfung mit frischem Tumormaterial , welche anf~nglich zu einer lokalen Tumorbildung ffihrt, die jedoch niemals metastasiert und innerhalb weniger Wochen wieder resorbiert wird. Nach Beendigung der Resorption des Haut tumors bleibt nach Besredka und Gross Monate hindurch eine ,,solide und dauerhafte Immuni t~ t" gegeniiber der intratesticul~ren oder subcutanen Inokulation mit frisehem Tumorbrei bestehen. Die gleiche Beobachtung war - - ebenfalls mit dem Brown-Pearce-Tumor - - schon frfiher durch Casey mitgeteilt worden [Amer. J. Cane. 21, 761 (1934)], ferner mit Rat ten- tumoren yon K n o p / u n d erregte mein Interesse um so mehr, als gerade in letzter Zeit die an sich schon l~ngst bekannte besondere immuni- satorische Bedeutung der Hau t durch die Mitteilungen yon Kutschera fiber die klinisch-therapeutischen Effekte kfinstlich erzeugter t taut tuber- kulose bei Phthisikern wieder in den Vordergrund geriickt worden ist. - - Allerdings mu~ betont werden, dal~ analoge Versuche mit trans- plantablen Ms dureh Urbach und Schnitzler zu keinem posi- riven Ergebnis gefiihrt haben, und zwar deshalb, weft das intracutan ein- gebrachte Tumormaterial entweder i iberhaupt reaktionslos resorbiert wurde oder aber die aueh bei anderen Applikationsarten gewShnliche maligne Tumorentwicklung veranlaI~te.

Da es mein Bestreben war, nach Immunisierungsm5glichkeiten mit zell/reiem Material zu suchen, wurden intracutane Vorbehandlungen mit nach Domagk und Hackmann hergestellten Tumor-K~lte-Extrakten zuni~ehst an 5 Tieren derart durchgeffihrt, dal~ in einwSehigen Abst~n- den 3- -6rea l je 4 - -5 cem der jeweils frisch bereiteten Ext rakte intra- cutan in mehreren Depots injiziert wurden, wobei keinerlei sichtbare lokale oder sonstige Reaktion eintrat. 33--58 Tage nach der letzten intracutanen Vorbehandlung wurden die iiblichen intratesticul~ren Be- impfungen vorgenommen und s~mtliche Tiere nach 16 Tagen getStet (Tab. 4, Gruppe I , Abb. 1). Das Ergebnis war insofern auffallend, als yon den 5 Tieren 3 keinen makroskopisch erkennbaren Prim~rtumor zeigten und 3 Tiere keine Metastasen aufwiesen. Hierbei handelte es sich jedoeh nicht um die 3 gleiehen Tiere, sondern es waren gerade jene beiden, bei welehen sieh sogar sehr grol~e Primi~rtumoren ent- wickelt hatten, metastasenfrei und andererseits fanden sieh bei zweien von den prim~rtumorfreien T ie ren Metastasen, allerdings von sehr geringem Ausma~. Eines dieser beiden Tiere zeigte merkwiirdiger- weise fiberdies nichts anderes als die sonst yon mir niemals beob- aehte te Erseheinung einer Metastasierung in beide Augen. I m Durchsehnitt aller 5 Tiere betrug alas Gewieht der Primi~rtumoren 16 g gegeniiber 25 g in den Kontrollen - - also keine besonders starke Abweichung - - , dafiir aber verhielt sich das Metastasengewicht wie 2 : 34.

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,,Immunisierungs"-Versuche mit dem Brown-Penrcesehen Kaninchentumor. 353

Dieses immerhin sehr auffgllige Verhalten lieg die Wiederholung der Versuehs~nordnung in einer zweiten Gruppe yon 6 Tieren geboten erschei- nen. Alle 6 Tiere wurden 4ram intra- eutgn vorbehandelt und 6 Woehen nach der letzten Vorbehandlung intra- testiculgr beimpft. Im Gegensatz zu dem anseheinend einen immunisato- risehen Effekt andeutenden Verhalten der Gruppe I zeigte sich in dieser zweiten Gruppe keinerlei wesentliehe Abweiehung von den Kontrollen (Tab. 4, Gruppe II , Abb. 1) : die Tu- moren gingen in allen Fgllen an, me- tastasierten in allen Fgllen mehr oder weniger reiehlieh, und das Dureh- schnittsgewieht der Metastasen sowie der gesamten Tumormasse war sogar grSl3er als bei den Kontrollen. Auf welche Umstgnde dieser weitgehende Kontrast zwisehen den beiden im wesentlichen unter gleiehen Voraus- setzungen durehgefiihrten Versuehs- gruppen zurfiekzufiihren ist, ob es sieh um reine Zufglligkeiten handelt oder nieht, lggt sieh derzeit nieht ent- scheiden.

Endlieh wurde aueh noeh eine Gruppe yon 5 Tieren mit Aufsehwem- mungen yon Aeeton-Trockenpulver aus Brown-Pearceschen Tumoren vor- behandelt, indem in 10tggigen Ab- st/inden 3mal je 3--5 eem der Auf- sehwemmung (1 : 100) jeweils in 6 his 8 Depots intraeutan injiziert wurden, was keine merkliehe Lokalreaktion verursachte. 25 Tage nach der letzten Vorbehandlung wurden die Tiere intra- testieulgr beimpft und 16 Tage spgter get6tet. Das Resultat war auch hier ein negatives (Tab. 5, Abb. 1), indem alle Tumoren angingen und mit einer

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354 W. Raab.

Ausnahme mctastasier ten. Die Durchschnit tsgewichte der Pr im~r tumoren und Metastasen waren zwar geringer als in den Kontrol len , doch lassen sich hieraus keinerlei Schlul~folgerungen zuguns ten einer grunds~tzl ichen Hemmungswi rkung ableiten. Casey hat ja durch in t racu tane Vor- behandlung sowohl mi t Aufschwemmungen yon konservier tem Tumor- mater ia l als mi t zellfreien F i l t r a t en sogar eine FSrderung des Wachs- tums nachtri~glich inokulier ter Brown-Pearce-Tumoren und ihrer Meta- s tasierungstendenz beobachtet . Die Versuche einer , , Immunis ie rung" gegen ma]igne Tumoren mi t zellfreiem oder abgetStetem Material scheinen demnach gegenwg, rtig an einem to ten P u n k t angelangt zu sein.

Zusammen/assung.

Versuche einer , , Immunis ie rung" gegen den Brown-Pearceschen K a n i n c h e n t u m o r ha t t en ein negatives Ergebnis in folgenden Versuchs- anordnungen :

1. In t ravenSse Vorbehandhmg mi t Tumor -K~l t e -Ex t rak ten nach Domagk und Hac/cmann.

2. In t raven6se Vorbehandlung mit K~l t e -Ex t rak ten aus der Musku- la tur tumorkranker Tiere.

3. I n t r a c u t a n e Vorbehandlung mi t Aufschwemmungen acetonge- t rockneten Tumorpulvers .

4. I n t r acu t ane Vorbehandlung mit Tumor -K~l t e -Ex t rak ten schien zu- ns in einer Versuchsgruppe sowohl dem Angehen sps intratest icu- liar eingeimpften Tumormater ia ls als insbesondere seiner Metastasierung entgegenzuwirken. I n einer zweiten analogen Versuchsgruppe konnte jedoch auch dieser scheinbare Immunis ierungseffekt nicht mehr re- produzier t werden.

(Diese Arbei t wurde mit Unters t i i t zung durch die Ella-Sachs- Plotz-St i f tung durchgeftihrt.)

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s .

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