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SEITE 2
DIE ZEIT DANACHIngrid Häußler im Gespräch
MITGLIEDERZEITUNG DER SPD HALLE (SAALE)
SEITE 10
AUS DER NACHBARSCHAFTNeuer SPD-Stadtverband in Leipzig
SEITE 13
BILANZ: WOHNUNGSVERKAUFErfahrungen der Dresdner SPD
INHALT
IMPRESSUM
EIN.BLICK
SEITE 04: Neujahrsempfang der SPD
SEITE 04: 20 Jahre friedliche Revolution
SEITE 05: Die Arbeiterwohlfahrt
SEITE 06: Neuer Vorstand in Neustadt
SEITE 06: Tag der Älteren
SEITE 07: Friedhof Neustadt
SEITE 07: Arbeitsplan AG 60plus
SEITE 08: Nein zum Stadionneubau
SEITE 08: Internationale Bauausstellung
SEITE 09: OV Halle-Süd stellt sich vor
RUND.BLICK
SEITE 10: Metropolregion Leipzig/Halle
SEITE 12: Schwuso-Bundeskonferenz
SEITE 12: Bundespolizei verlässt Halle
ÜBER.BLICK
SEITE 13: Wohnungsverkauf in Dresden
SEITE 14: Demokratischer Sozialismus
SEITE 14: Zur Bahnprivatisierung
SEITE 15: Erneuerbare Energien Gesetz
SEITE 16: Tief.punkt - Steuersünder
blick.punkt
Mitgliederzeitung der SPD Halle (Saale)E-MAIL | [email protected]
Herausgeberin
SPD Halle (Saale) | Gr. Märkerstr. 6 | 06108 Halle (Saale)
V.i.S.d.P.
Katja Pähle, Stadtvorsitzende
Redaktion
Über.Blick: Andrej Stephan | Rund.Blick: Marcus SchlegelmilchEin.Blick: Katharina Hintz | Kultur: Christopher Kurzke
Koordination
Finanzen: Christian Weinert | Satz & Layout: Felix Peter
Druck
Druckerei Teichmann Halle
Einschränkungen
Die Beiträge geben die private Meinung der Autoren wieder und sind nicht zwangsläufi g mit der Meinung der SPD identisch. Die Redaktion behält sich das Recht vor, eingesandte Texte zu bearbeiten und ggf. nur auszugsweise abzudrucken. Die Vervielfältigung ist unter Verwendung eines vollständigen Quellennachweises gestattet. Die Rechte an Wort und Bild liegen beim Stadtverband der SPD Halle (Saale).
Jahrgang 2 | I/2008 | 20. 03. 2008
Für Roland Koch war der brutale Überfall auf ei-nen Rentner in München durch zwei jugendliche Täter ein gefundenes Fressen. Sofort sprach er von der Allgegenwärtigkeit der Jugendkriminalität und forderte eine drastische Strafverschärfung der Strafgesetze für Jugendliche. Richtig ist zwar, dass sich die Zahl der durch Jugendliche began-genen Straftaten seit Beginn des Jahrtausends leicht erhöht hat, jedoch sind die wenigsten dieser Straftaten Gewaltverbrechen wie das in München - in der Regel begehen Jugendliche Ladendiebstähle und Leistungserschleichungen.
Auch das pauschale Bild des generell krimi-nellen Jugendlichen vermögen die Zahlen der Statistiken nicht zu bestätigen, so bleiben 95 Prozent aller Jugendlichen völlig unauffällig, 75 Prozent der jugendlichen Straftäter haben lediglich einen Eintrag im Bundeszentralregister, wohingegen eine kleine Gruppe von 5-10 Prozent der Täter als so genannte Intensivtäter nahezu 50 Prozent aller begangenen Delikte auf sich vereinigen.
Dass Jugendliche auf Grund ihrer star-ken psychischen Anspannung durch die Pubertät, zunehmende Versuchungen in der Werbung und das fortschreitende Versagen von sozialen Stützen anfällig für die Begehung von Straftaten sind, ist nicht erst seit Hessen bekannt. So gaben bei einer Dunkelfelderhebung 90 Prozent aller befragten Jugendlichen zu, schon einmal eine Straftat be-gangen zu haben (leichter Diebstahl, Fahren ohne Führerschein, Leistungserschleichung), nur wur-den die meisten nie erwischt. Jugendkriminalität ist “normal” (Prof. Dr. Kai-D. Bussmann), wie die Zahlen belegen, nur lässt die Begehung von Straftaten für gewöhnlich bei Männern mit dem 20. Lebensjahr nach, bei Frauen eher, und die meisten Jugendlichen werden auch völlig ohne Sanktionen oder Bekanntwerden ihrer Straftat in ihrem späteren Leben zu rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürgern.
Natürlich regen Straftaten wie die in München zum Nachdenken an, allerdings ist die unüberleg-te Forderung nach härteren Strafen das denkbar falscheste Rezept um Jugendkriminalität zu be-gegnen, denn Jugendstrafrecht ist im Gegensatz
BUND. Roland Koch machte das Thema Jugendkriminalität im Wahlkampf zu seinem Top-Thema… und verlor. Was ist dran an den Koch‘schen Theorien, die ganz Deutschland in Aufregung versetzt haben?
>> von Ivo Gorisch und Felix Peter, Arbeitsgemeinschaft für Bildung
Jugendlich = kriminell?
zum Erwachsenenstrafrecht eben gerade kein Tatstrafrecht, in dem die begangene Tat gegen-über der Gesellschaft gesühnt werden soll, es ist Erziehungsstrafrecht, das täterbezogen den de-linquenten Jugendlichen Werte vermitteln und ein Leben innerhalb der gesetzlichen Grenzen aufzeigen, aber auch ermöglichen soll.
Wissenschaftliche Studien belegen auch zum Teil recht eindrucksvoll, dass bloße Bestrafungen von Normabweichungen in der Regel nicht zu den gewünschten Konsequenzen führen. Im Gegenteil: In einer Längsschnittstudie von Laub und Sampson aus dem Jahr 1995 konnte sogar gezeigt werden, dass Bestrafung wie z.B. die Inhaftierung von Jugendlichen dazu führt, dass diese im Erwachsenenalter weniger stabile
Arbeitsverhältnisse aufweisen und als Erwachsene mehr Straftaten be-gehen (Klinische Psychologie, Davison & Neale, 2002, Beltz PVU).
Wenn Strafen nicht helfen, was also dann? Bestes Mittel ist natürlich im-mer noch Prävention, das heißt die Verhinderung davon, dass aus norma-
len und für die Entwicklung durchaus wichtigen Regelverstößen in der Jugend kein dauerhaftes Handeln wird. Das Instrument zur Prävention ist die Bildung und die Unterstützung der Familien, denn zwei der stärksten Risikofaktoren für den Beginn einer kriminellen Karriere sind mangeln-de Bildung und niedriger sozioökonomischer Status der Eltern.
Befi ndet sich ein Jugendlicher allerdings bereits auf dem Weg zur Intensivtäterschaft, ist mit Prävention nicht mehr zu helfen. In diesen Fällen muss eine wirkungsvolle Intervention greifen. Das Strafrecht sieht hierfür angemessene Mittel vor, allerdings gibt es hier bei der Umsetzung noch Verbesserungsbedarf. Über diesen und die Verbesserung des Bildungssystems bzw. die Unterstützung benachteiligter Familien wur-de in den letzten Jahren bereits viel diskutiert, nur leider immer wieder ohne wirkungsvolles Ergebnis. Und auch momentan sieht es wie-der ganz danach aus, als würden notwendige Schritte mit Verweis auf den knappen Haushalt nicht in Angriff genommen werden.
blick.punkt Halle | I/2008
Im Blick.punkt
IN EIGENER SACHE...
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Frühling naht, die erste Ausga-
be des blick.punkt Halle liegt vor. Wir
gewähren auch in dieser Ausgabe
Ein.Blicke in das Geschehen der hal-
leschen SPD, Rund.Blicke in überre-
gionale Sparten, die eng mit der SPD
verbunden sind, und Über.Blicke über
Themen von bundesweiter Tragweite,
die es auch in Halle zu diskutieren gilt.
Im blick.punkt steht diesmal Ingrid
Häußler, die der Redaktion geduldig
Rede und Antwort gestanden hat.
Auch in dieser Ausgabe haben wir
hoffentlich den Nerv der geneigten
Leserschaft getroffen und eine viel-
fältige Auswahl an Themen aufbe-
reitet. Besonders hingewiesen sei
auf die Artikel der SPD-Stadträtin aus
Dresden, Sabine Friedel, zum dorti-
gen Wohnungsverkauf, den die SPD
sicher aus guten Gründen abgelehnt
hat, sowie den Aufruf des Stadtvor-
sitzenden der – neuen – SPD Leipzig,
Gernot Borriss.
Der blick.punkt etabliert sich zu-
nehmend in der Mitgliedschaft, das
vernehmen wir durchaus mit gewis-
ser Freude. Über die Hälfte der abge-
druckten Artikel stammt von Autoren
„außerhalb“ der Redaktion. Und das
fi nden wir gut so! Der blick.punkt will
aus der Mitgliedschaft für die Mit-
gliedschaft berichten und jeder der
Interesse hat, möge sich aufgerufen
verstanden, seinen Beitrag zu leisten
– auch wenn dieser nicht umgehend
abgedruckt werden kann. In der vor-
liegenden Ausgabe haben wir mehre-
re Beiträge gekürzt und mussten den-
noch einige zurückstellen und in die
kommende Ausgabe verschieben.
Damit können wir jetzt schon span-
nende Beiträge für den nächsten
blick.punkt ankündigen, wünschen
nun aber erstmal informative Gewin-
ne bei der Lektüre dieser Ausgabe.
Die Redaktion
2
HALLE. Seit knapp einem Jahr ist Ingrid Häußler - ehemalige Regierungspräsidentin, Ministerin und Oberbürgermeisterin - im Ruhestand. Von ihrem „neuen Leben“ und ihrem neuen Blick auf das politische Geschehen in der Stadt, im Land und im Bund berichtete die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende im Gespräch mit dem blick.punkt.
>> das Gespräch führten Marcus Schlegelmilch und Felix Peter
Die Zeit danach - Ingrid Häußler im Gespräch
Liebe Ingrid, was würdest Du tun, wenn Du noch einmal für einen Tag Oberbürgermeisterin sein könntest?
Das ist eine ausgesprochen schwere Frage! Was würde ich als Erstes tun? Ich würde versuchen eine Pressekon-ferenz einzuberufen, um noch einmal über die Vorzüge und Stärken der Stadt zu diskutieren. Denn ich stelle fest, dass Halle immer noch zu wenig mit seinen Stärken und Vorzügen in der Öffentlichkeit bekannt ist - bei den Einheimischen, aber vor allen Dingen jedoch überregional. Wir haben uns viel Mühe gegeben ins Gespräch zu kommen, aber man stellt immer wie-der fest, dass das nicht ausreicht, um tatsächlich das, was Halle an Stärken hat, in die Welt zu tragen. Dafür muss weiterhin etwas getan werden.
Wenn Du jetzt zurück schaust: Was war der wichtigste Erfolg bzw. Ent-schluss in deiner Amtszeit?
Was mir wichtig gewesen ist, war zum einen das Thema Bürgerbeteili-gung. Für mich ist damals im Wahl-kampf herausgekommen, dass viele frustriert waren und gesagt haben, DIE wollen von uns nichts hören und wissen und man bekommt kaum Ge-legenheit sich zu beteiligen. Deshalb habe ich überlegt, wie man das ändern kann. Das Thema Stadtteilkonferenzen war ein Erfolg. Das wurde ja auch sehr anerkannt von den Bürgern.
Ein weiter Punkt ist das Thema Stadt-umbau, wo Halle ja auch besondere Probleme hat. Ich denke, dass wir da viel geleistet haben, denn die Stadt Halle ist immer wieder bundesweit genannt worden als Beispiel dafür, wie man mit dem Stadtumbau umgehen kann. Mir war es wichtig von dieser Negativ-Schlagzeile wegzukommen: Halle wird immer kleiner und wir müs-sen nur abreißen; hin zu der Frage: Wie geht man kreativ mit solch einem Pro-blem um?
Du bist stellvertretende Landesvorsit-zende: Welchen Politikfeldern gilt jetzt Dein besonderes Interesse bzw. wofür bist Du zuständig im Landesvorstand?
Meine Zuständigkeiten liegen natür-lich bei der Kommunalpolitik. Aktuell bin ich auch in die anstehende Orts-vereinstour eingebunden, wo es darum geht, dass sich Landesvorstandsmit-glieder und Bundestagsangehörige bei den Ortsvereinen blicken lassen, um die Nähe zwischen Basis und denen, die in Ämtern sind, herzustellen. Das
Kommunale ist dennoch mein Haupt-thema. Ich bin weiterhin zuständig für die Städte- und Gemeindekonferenz in Sachsen-Anhalt und nehme an deren Sitzungen teil. Das ist eine Sache, die mir selbst sehr wichtig ist. Was mich persönlich besonders interessiert, wo ich aber jetzt nicht tätig bin, ist das Thema Bildung. Ich denke, dass wir hierbei eklatanten Nachholbedarf ha-ben, was Veränderung angeht.
Im Jahr 2009 stehen uns gleich drei Wahlen bevor: in Europa, im Bund und auf kommunaler Ebene. Wenn Du Dir die SPD im Land und in der Kommune anschaust, wie schätzt Du ihre Chan-cen ein?
Fangen wir doch mal bei der Kom-munalpolitik an. Man muss ganz offen sagen, dass wir hier in Halle keine all-zu gute Ausgangsposition haben. Wir sind nur dritte Kraft und ich denke, hier haben wir es vor allem nötig, kla-re Themen aufzugreifen und an diesen dran zu bleiben. Ich würde es z. B. be-fürworten, wenn jeder Ortsverein ein Thema aufnehmen könnte und versu-chen würde damit in seinem Stadtteil wahrgenommen zu werden. Denn das ist ja das Problem, woran alle Parteien kranken: die Wahrnehmung durch den Bürger verbunden mit der Besetzung von Themen.
In der Stadt sind das vielleicht nicht einmal so sehr die großen gesellschaft-lichen Polit-Themen, sondern die klei-nen Fragen vor Ort, die im Stadtteil eine Rolle spielen. Denn das ist mir aus meiner Oberbürgermeisterzeit vor allem in Erinnerung geblieben: dass die Menschen sich für ihren Stadtteil interessieren. Wenn die Bürgernähe in
dieser Form geschaffen werden wür-de, dann haben wir Chancen in Halle stärker zu werden als die anderen Par-teien. Aber das kostet natürlich Kraft und Fleiß und fordert ein offensives Zugehen auf die Bürger.
Im Land denke ich, dass das Thema Bildung zentral ist. Die Situation, in der sich unsere Schulen befi nden, kann so nicht bleiben. Die SPD hat ja ganz kla-re Vorstellungen, wie z. B. das längere, gemeinsame Lernen. Mir geht es aber auch darum, die Inhalte der Lehrplä-ne zu ändern. Wir sehen ja, dass viele Menschen im täglichen Leben versa-gen und ich denke weitergehend, dass die Schule zu wenig Praktisches bietet für das später folgende Leben.
In unserer Partnerstadt in Oulu (Finnland) ist mir bei Schulbesichti-gungen aufgefallen, dass die Schüler mehr für das Leben mit auf den Weg bekommen. Auffällig war z.B. die star-ke Bindung der Schüler an ihre Schule. Wir haben uns gewundert, warum die Schulen so sauber sind. Jedes Jahr, wenn das Schuljahr zu Ende ist, wird die Schule gemeinsam von Lehrern, Schülern und Eltern renoviert. Das verbindet alle miteinander! Man kann vieles von Finnland lernen. Aber das sind nur einige Aspekte. Es geht um die Gesamtheit des Themas und vor allem um die Stärkung der sozialen Kompe-tenzen der Schüler.
Ein besonderes Thema für mich als Hallenserin ist das der Stärkung der Oberzentren. Da bin ich sehr frustriert, was unsere SPD angeht. Das Thema kann man zur Zeit gar nicht anspre-chen, weil wir in der Regierung betei-ligt sind und weil die Koalition sich auf ein bestimmtes Vorgehen verständigt hat. Dieses Vorgehen widerspricht im Übrigen - nach meiner Ansicht - dem Koalitionsvertrag. Wir in Halle müssen darauf hin arbeiten, dass das Thema „Stärkung der Oberzentren“ ein zent-rales im Wahlkampf wird. Außerdem fi nde ich, dass man für dieses Ziel auch überparteilich werben kann und soll-te. Alle, die dafür sind, sollten die Kraft aufbringen bei diesem Thema einen Schulterschluss zu wagen.
Bleiben wir in der Kommune. Sollte die Stadt-SPD nicht Wege fi nden, um sich mit weiteren gesellschaftlichen Grup-pen und Vereinen hier vor Ort auszu-tauschen?
Das halte ich durchaus für eine gute Möglichkeit um als SPD wirksamer zu
Kommunalpolitik kostet Kraft und Fleiß und fordert ein offensives
Zugehen auf die Bürger!Ingrid Häußler
ehem. hallesche Oberbürgermeisterin
Ingrid Häußler im Gespräch mit Redakteur Mar-cus Schlegelmilch (Bild: F. Peter).
blick.punkt Halle | I/2008
Im Blick.punkt 3
sein. Denn wir sind ja an sich nicht so stark und können nur bedingt alleine etwas bewegen. Mit einer uns nahe stehenden Organisation ein Thema zu besetzen und dieses Projekt zu be-fördern, das könnte gut funktionieren. Ein Vorteil dabei ist, dass wir kräf-tiger und wirkungsvoller auftreten könnten, als wir gerade sind. Wir sind zwar, was die Funktionen in der Stadt angeht mit Oberbürgermeisterin und Beigeordneten gut aufgestellt und vertreten, doch dieses eigentlich gute Bild spiegelt sich eben nicht in der Wahrnehmung der SPD in der Stadt wider. Diese Diskrepanz aufzulösen ist nicht einfach, weil es Mitglieder ande-rer Parteien verstanden haben, sich in bestimmte Vereine einzubringen und dort zu etablieren.
In allen Diskussionen kommen wir immer auf das Geld zu sprechen. Ab wann ist aus Deiner Sicht der Punkt überschritten, wo eine „simple“ Kos-ten-Nutzen-Rechnung ein wichtiges Projekt nicht verhindern sollte?
Das ist natürlich eine schwierige Frage an eine ehemalige Oberbürger-meisterin, die es gelernt hat vor allem auf das Geld zu schauen. Ich denke, es ist erstmal wichtig mit dem auszu-kommen, was man hat. Das heißt aber auch, dass man sich entscheiden muss, wofür man das Geld ausgibt. Es gibt Felder, wo man Geld ausgeben muss. In Halle ist ein Schwerpunkt die Kultur und ein weiterer müssen die Familien sein. Das ist für die Kommune Halle ein sehr wichtiges Thema, weil es ver-mehrt Familien gibt, die mit dem Le-ben hier schwer zurecht kommen. Da-raus resultieren Probleme ohne Ende. Weil die Kinder aus diesen Familien uns zumeist auch wieder als Empfän-ger staatlicher Hilfen begegnen. Prä-vention ist hier das Gebot.
Die Folge davon ist jedoch, an einer anderen Stelle zu sparen. Wenn ich z. B. an den Sport denke, und meine Mei-nung hierzu ist sicher nicht allzu popu-lär, dann muss ich gestehen, dass sich auch unter meiner Führung hierbei zu wenig getan hat. Wir haben in Halle zu viele prominente Sportarten, die aus der Historie gewachsen sind! Die Olympia-, Bundes- und Landesstütz-punkte können in dieser Form so nicht erhalten werden, weil das dazu führt, dass wir eine breite Infrastruktur be-zahlen müssen und diese so nicht fi nanzieren und erhalten können. In Halle muss man im Bereich des Sports den „Mut zur Lücke“ haben. Hier sind die großen, halleschen Sportvereine gefragt, denn der Stadtsportbund al-leine kann das nicht leisten.
Insgesamt muss man sich sagen, man macht ein bis zwei Sachen auf hohem Niveau in dem Bewusstsein,
dass man damit bestimmte Anliegen nicht fördert und sich damit auch Kri-tik einhandelt, aber man schafft auf der anderen Seite Dinge von höchster, umfassender Qualität. Dazu benötigt man aber eine Strategiedebatte. Um diese kommt unsere Stadt nicht um-hin, weil man dafür in der Zukunft be-lohnt wird.
Du hast sie schon angesprochen - die Stadtteilkonferenzen. Sind diese ein probates Mittel, um dem Problem der Politikverdrossenheit im Land zu be-gegnen?
Ganz klar: Ich bin überzeugt, dass dies ein Mittel ist. Es erfordert aber eine Menge Sorgfalt. Man darf die Menschen nicht vor den Kopf stoßen und verärgern. Wenn man sich erst anbietet und sagt: „ich biete Euch ein Forum“, dann muss man die Probleme sauber abarbeiten. Die Bürger kontrol-lieren das auch. Ich denke, dass wir da ein gutes System hatten. Wir haben zu Beginn einer solchen Konferenz immer eine Bilanz vorgestellt mit den Punkten, die erledigt bzw. nicht erle-digt werden konnten. Diese Foren sind aber auch dazu da, das zu sagen, was man nicht leisten kann. Solch direkte Ansagen akzeptieren die Menschen besser, als hingehalten zu werden.
Weiterhin muss für die Bürgernähe das Bürgerbüro gut funktionieren und arbeiten. Die Bürger sollen das Gefühl haben, hier ist ein offenes Rathaus mit offenen Ohren der Angestellten. Das in der Stadt schlummernde Krea-tivitätspotenzial wird dadurch unter-stützt und gefördert.
Bundespolitisch gibt es derzeit nur ein Thema: den Umgang mit der Linkspar-tei. Ist die SPD im Umgang mit diesem Thema nicht äußerst ungeschickt?
Dem stimme ich vollkommen zu. Ungeschickt zu sagen, heißt zu unter-treiben. Es lief in letzter Zeit oft genug sehr tapsig. Das hat uns geschadet.
Ich wünsche mir einen offeneren Umgang und mehr offene Diskussionen. Zuletzt habe ich im Fernsehen Klaus Wowe-reit gesehen. Er hat mir ausgesprochen gut gefallen. Er lässt sich hierbei ganz einfach nicht in die Ecke drängen. Oft genug passiert uns aber genau dies. Man könnte fast glauben, dass wir uns für irgendetwas verteidigen müssten. Das ist aber überhaupt nicht der Fall! Wir müssen offener sein nach einer Wahl. Das heißt aber auch, sich im Vorfeld Möglichkeiten offen zu halten. Entscheidend bei Koalitionen müssen immer die Sachfragen sein.
Ich habe immer gesagt, dass ich eine Neuaufl age des Tolerierungsmodells nicht will, weil man da wenig umset-zen kann. Schauen wir zum rot-roten Senat in Berlin: die Linkspartei ist re-gierungsfähig und kann gemeinsam mit der SPD die Finanzen konsolidie-ren. Die Polemik der Linkspartei wird damit demaskiert. Ich sage: Liebe SPD, sei offen und diskutiere offen und ma-che eine Zusammenarbeit immer ab-hängig von den Sachfragen.
Schließen wir den Kreis und kehren noch einmal zu Dir als Privatperson zu-rück. Du bist seit einem Jahr ins Privat-leben entlassen. Was hat sich in Halle und für Dich ganz persönlich verändert seit Deinem Ausscheiden?
In Halle bin ich nun als Privatperson unterwegs. Ich stelle aber fest, dass ich es noch viel zu wenig bin. Denn wenn ich durch die Stadt gehe, bin ich immer noch eine sehr öffentliche Person, jeder erkennt mich. Was ich schön fi nde, ist, dass mich heute mehr Menschen grüßen, als zu Zeiten als ich noch im Amt war. Das strahlt schon eine gewisse Freundlichkeit aus und das tut mir ganz gut. Sagen wir mal so: Ich versuche eine Privatperson zu werden und hoffe, dass mir das mehr und mehr gelingt. Ein Problem habe ich nicht damit, nun nicht mehr in der ersten Reihe zu sitzen, sondern ich ge-nieße es, unbeachtet da zu sitzen und wie ein normaler Bürger Dinge wahr-zunehmen.
Wenn man immer die Nr. 1 ist, nimmt man die Dinge schon ganz anders wahr, weil man weiß, dass man im-mer gleich eine Antwort parat haben muss. In den Ämtern als Oberbürger-meisterin, Regierungspräsidentin und Ministerin musste ich überparteilich handeln - zu Recht, sonst wird man nicht gewählt. Das hat dann auch zu Konfl ikten mit der Partei geführt. Nun kann ich mich politisch klarer positio-nieren, als es vorher der Fall war. Das fi nde ich schön!
Liebe Ingrid! Wir danken Dir vielmals für das Gespräch!
Entscheidend bei Koalitionen müssen immer Sachfragen sein - Ingrid Häußler nimmt Stellung zum Umgang mit der Linkspartei (Bild: F. Peter).
Liebe SPD, sei offen, diskutiereoffen und mache eine Zusammen-arbeit von Sachfragen abhängig.
Ingrid Häußler stellv. SPD-Landesvorsitzende
KALENDERBLATT
Am 26. Juli würde Salvador Allende Goosens
(1908-1973) einhundert Jahre alt. Damit ist der
Anlass benannt, sich dem ehemaligen Staatsprä-
sidenten Chiles in dieser Ausgabe des Kalender-
blattes erinnernd zu widmen.
Der promovierte Arzt Allende, seit 1937 Be-
rufspolitiker und vor seiner Wahl zum Präsiden-
ten 1970 auch schon Parlamentsabgeordneter,
Senator und Minister, wurde in der DDR gern
als das erste sozialistische Staatsoberhaupt der
westlichen Hemisphäre bezeichnet. Mit Recht?
Sicher, aber ganz gewiss nicht im staatssoziali-
stischen Sinne, was die Rolle der DDR als Exilland
für viele Chilenen nach dem mutmaßlich von
der CIA koordinierten Militärputsch Pinochets
am 11.09.1973, bei dem Salvador Allende Selbst-
mord beging, aber keineswegs schmälern soll.
Allende war ein Schwärmer und Träumer, der
beim Gedanken, dass Kleinkinder hungerten
und an mangelnder medizinischer Versorgung
litten, während Großkonzerne die Gewinne chi-
lenischer Bodenschätze abgriffen, nur schlecht
schlafen konnte. Allende deshalb in der Rück-
schau als großen Kämpfer für Frieden und So-
zialismus zu preisen und zu verklären, ist sicher
fragwürdig – Widerstand gegen seine Politik
war auch vor dem September 1973 nicht nur von
rechts, sondern auch unter denen laut gewor-
den, denen er eigentlich Wohltaten bescheren
wollte. Allende war ein Humanist und ein Linker.
Seine Wirtschaftspolitik zielte in erster Linie
auf die Verstaatlichung chilenischer Schlüssel-
industrien, die sich noch in post-kolonialer Ab-
hängigkeit von US-amerikanischen Konzernen
befanden – und stürzte am Ende auch über die
Wirtschafts- und Handelsembargos der Verei-
nigten Staaten. Seine Sozialpolitik, mit den aus
der Verstaatlichung etwa des Kupferbergbaus
resultierenden Erlösen fi nanziert, beweist letzt-
lich in erster Linie das erschreckend erbärmliche
Niveau Chiles vor 1970.
Warum taucht Allende darüber hinaus an
dieser Stelle auf, vom runden Geburtstag abge-
sehen? Weil ihm das Schmieden einer Volksfront
zuzuschreiben ist, gegen die auch in diesen Ta-
gen – etwa seitens der CSU – so gern gepoltert
wird: In einem sehr abstrakten Sinne also die
Schaffung einer Mehrheit „jenseits der Union“.
Und in diesem Sinne können wir von Allende
lernen, dass eine Kooperation über bekannte
Koalitionen hinweg nicht nur das schlagzei-
lentaugliche Spekulieren als Basis haben darf,
sondern ein defi niertes Set gemeinsamer Ziele
in einem zeitlich überschaubaren Rahmen ein-
fordert – ein „Venceremos“, wie Allende selbst es
wohl genannt hätte.
von Andrej Stephan
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
AM RANDE...
In eigener Sache... Seite 02Kalenderblatt Seite 03Willy-Brandt-Medaille Seite 08Therese Kaul wurde 90 Seite 08EU für Kinderrechte Seite 10Neu dabei... Seite 11Kulturstammtisch Seite 12Theater der Welt Seite 15
AG FÜR BILDUNGSACHSEN-ANHALT-SÜD
VORSTANDFelix Peter (Vors.)
Patrick WanzekChristopher Kurzke
0163 2824943
AG SOZIALDEMOKRATISCHER JURISTEN SACHSEN-ANHALT-SÜD
SPRECHERThomas Wünsch
ARBEITSKREIS KULTURDER STADTRATSFRAKTION
VORSITZENDERGünter Kraus
AK STADTENTWICKLUNGDER STADTRATSFRAKTION
VORSITZENDERRalf Müller-Gerberding
4
HALLE. In diesem Jahr mit etwas Verspätung fand der Neujahrsempfang der SPD Halle im Christian-Wolff-Haus statt. Die Einladung ging in diesem Jahr nicht nur an Gäste, sondern an alle Mitglieder der halleschen SPD und es folgte eine große Zahl der Einladung.
>> von Katharina Hintz, Redaktion blick.punkt Halle
Alle Jahre wieder - Neujahrsempfang der SPD
Am 01. Februar 2008 lud die Halle-sche SPD in das Stadtmuseum ein. Ein Neujahrsempfang mit ein biss-chen Verspätung, mögen viele ge-dacht haben, aber Gottfried Koehn begründete dies in seiner Rede da-mit, dass wir nicht mehr in das alte Jahr zurückblicken müssen, sondern schon auf den guten Start ins Jahr 2008 zurückschauen können. Wie es für einen Neujahrsempfang üblich ist, waren nicht nur Mitglieder un-serer Partei zu Gast, in diesem Jahr wurde die gesamte Mitgliedschaft eingeladen, sondern auch Gäste aus anderen Parteien, dem Stadtrat, Ge-werkschaften und viele mehr. Die Stadtvorsitzende Katja Pähle ließ es sich nicht nehmen, die Gäste zu begrüßen. Dabei blickte sie kurz zu-rück auf das ruhige vergangene Jahr, ließ aber bei der Vorschau erkennen, dass die Verschnaufpause vorbei ist. Das Jahr 2008 sieht zwar aller Wahr-scheinlichkeit auch keine Wahlkämp-fe vor, aber es ist das wichtige Jahr zur Vorbereitung des Wahljahres 2009. Das 2020-Papier wird fertig gestellt werden und in der Mitglied-
schaft diskutiert werden. Das Jahr 2008 soll ein Jahr der Kommunikati-on werden, wobei nicht nur geredet, sondern auch gestritten und disku-tiert werden darf. Der Dialog liegt im Vordergrund. Nicht zu vergessen, der Blick.punkt als „das“ Kommunikati-onsmittel, welcher 2007 erstmalig erschien.
Auf die Stadtvorsitzende folgt der Fraktionsvorsitzende Gottfried Koehn, der darauf hinweist, dass sich die Riege der Dezernenten immer mehr vervollständigt, der Haushalt steht und die Neugestaltung der Kul-turlandschaft in Angriff genommen wurde. Er lässt es sich auch nicht nehmen, dem Stadtmuseum ein Ge-schenk für die Gastfreundschaft zu überreichen, einen Pokal, mit dem 1899 Radsportler geehrt wurden. Dagmar Szabados fordert alle Stadt-räte die gleichzeitig Landtagsab-geordnete sind auf, sich stärker für Halle in Magdeburg einzusetzen und mehr für Halle zu sprechen.
Aber warum wird jedes Jahr dieser Aufwand betrieben, damit sich „Neu-jahrsempfangshopper“ mehrmals an
üppigen Buffets bedienen? Natürlich nicht nur das. Ein Neujahrsempfang ist nötig, denn dadurch sagt man schon am Anfang des Jahres, dass man noch da ist und vor allem, dass man als Partei auch in diesem Jahr auf die Geschicke der Stadt wirken möchte.
Wie das Wort Neujahrsempfang aber sagt, fi ndet der Empfang zu Be-ginn des Jahres statt, was passiert aber darüber hinaus? Wann sind von der SPD Pressemitteilungen zu lesen, wann wird über Anfragen der Frak-tion im Stadtrat berichtet und wann wird die SPD in der Öffentlichkeit wahrgenommen, der Öffentlichkeit, die bei uns in 2009 bei wichtigen Wahlen ihr Kreuz machen soll? Wir dürfen nicht erst wieder zu Beginn 2009 damit anfangen, in der Stadt sichtbarer zu werden, wenn jeder schon das laue Lüftchen des Wahl-kampfes spürt. Also vielleicht star-ten wir wieder beim Herz-Kreislauf, beim Schlauchbootrennen, beim Drachenbootrennen, gestalten En-ten beim Entenrennen oder, oder, oder.
Ein nachhaltiges Erinnern muss gut
vorbereitet werden. Deswegen ha-
ben sich bereits vor mehreren Mona-
ten Menschen in Halle zusammen-
gefunden, um darauf hin zu arbei-
ten. Es handelt sich um rein bürger-
schaftliches Engagement. Wir sind
von niemandem eingesetzt worden
und keinem Rechenschaft schuldig,
auch nicht abhängig von einzelnen
Institutionen, erhalten aber vielfäl-
tige Unterstützungen und Zuspruch:
Das reicht vom Ministerpräsidenten
des Landes Sachsen-Anhalt über un-
sere Oberbürgermeisterin Dagmar
Szabados, der Stiftung Aufarbei-
tung mit Sitz in Berlin, der Gedenk-
stättenstiftung Sachsen-Anhalt, der
Stasi-Behörde, den städtischen Ein-
HALLE. Im Herbst 2009 jährt sich bereits zum 20. Mal alles, was wir als „friedliche Revolution“ zusammenfassen. Das soll gefeiert werden! Waren es doch großartige Ereignisse, die niemand vergisst, der mitgewirkt hat oder in irgendeiner anderen Weise mittendrin steckte. Und war es doch der Ausgangspunkt für alles, was nachher kam, uns Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit brachte, also den meisten Menschen großartige neue Möglichkeiten eröffnete.
>> von Rüdiger Fikentscher, Arbeitsgruppe 20 Jahre „friedliche Revolution“
Schritte zur Freiheit – Herbst ´89 in Halle
richtungen wie Stadtmuseum und
-archiv, natürlich auch dem Mittel-
deutschen Rundfunk und der Mittel-
deutschen Zeitung.
Doch wie erinnert man angemes-
sen und nachhaltig? Unsere Zielgrup-
pe sind nur zum Teil diejenigen, die
dabei gewesen sind, sondern beson-
ders jene, die während der letzten 20
Jahre nach Halle kamen, und die un-
ter 30-Jährigen, denen logischerwei-
se die eigene Erinnerung fehlt.
Unser Ausgangspunkt ist die Fest-
stellung, dass es in Halle viele Orte
und Daten gibt, die im Herbst 1989
wichtige Teile der „friedlichen Revo-
lution“ waren. Mit ihnen verbunden
sind die Namen von Personen und
Gruppen, die den Prozess aus un-
terschiedlichen Positionen heraus
und auf verschiedene Weise voran-
gebracht haben. Daran soll an ver-
schiedenen Orten ganz speziell erin-
nert werden. Es bedarf aber zugleich
einer Konzentration, um den gesam-
ten Vorgang möglichst geschlossen
darzustellen. Dazu eignet sich der
26. Oktober 1989 im Volkspark be-
sonders gut, denn an diesem Tage
trat erstmals das Volk in einer grö-
ßeren Versammlung den Machtha-
bern gegenüber und meldete seine
Ansprüche an. Dies ist ein spezielles
hallesches Datum und war offenbar
auch DDR-weit ein sehr früher Ter-
min für dergleichen. Deshalb soll an
diesem Montag im Oktober 2009 im
Volkspark eine Jubiläumsveranstal-
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
ARBEITSGEMEINSCHAFTJUSOS IN DER SPD
VORSTANDAndrej Stephan (Vors.)Stefan LehmannFelix Peter
[email protected] 22858340
ARBEITSKREISSCHWUSOS IN DER SPD
VORSTANDMarcel DörrerJens AbendrothChristian Weinert
KONTAKTwww.schwusos-sachsen-anhalt.blogspot.comschwusos-halle@arcor.de
ARBEITSGEMEINSCHAFT60PLUS IN DER SPD
VORSTANDNorwin Dorn (Vors.)Hannelore SchneiderJürgen RichterKlaus HopfgartenWolfgang WilleGerhard VoigtKlaus-Dieter Weißenborn
SOZIALDEMOKRATISCHEHOCHSCHULGRUPPE
SPRECHERSebastian Wornien
5
In den neuen Bundesländern kennt
man die Arbeiterwohlfahrt vor al-
lem als Träger von Einrichtungen
und sozialer Dienste, wo vielfältige
soziale Dienstleistungen insbeson-
dere im Bereich der Altenhilfe und
Kinder- und Jugendhilfe professio-
nell angeboten werden. Weniger
verankert im Bewusstsein der Öf-
fentlichkeit und auch im Verband
selbst ist die Arbeiterwohlfahrt als
politischer Mitgliederverband, der
den Anspruch erhebt, die Interessen
benachteiligter Bürger zu vertreten,
die ansonsten im System der Inter-
essenvertretung kein Gehör fi nden
und dem sich Einzelmitglieder an-
schließen, weil sie sich den wertebe-
zogenen Vorstellungen verbunden
fühlen. Dass der Aufbau der Arbei-
terwohlfahrt hier weitgehend unab-
hängig von sozialen, politischen und
verbandlichen Traditionen erfolgte,
hat eine Orientierung an betriebs-
wirtschaftlichen und effi zienzori-
entierten Organisationsvorstellun-
gen begünstigt. Dabei ist die Inte-
ressenvertretungsfunktion und die
Förderung des Ehrenamtes, sowohl
das traditionelle in den Ortsvereinen
der AWO als auch das bürgerliche
Engagement in den Hintergrund ge-
rückt bzw. hat sich nur rudimentär
entwickelt. Aber auch in den alten
Bundesländern hat die Entwicklung
im Sozialsektor zu „mehr Markt und
Wettbewerb“ dazu geführt, dass die
sozialen Dienstleistungsunterneh-
men gegenüber dem Idealverein an
Bedeutung gewonnen haben.
In den Grundsätzen und Eckpunk-
Die AWO - ein (sozial-)politischer MitgliederverbandAWO. „Unser Problem ist nicht unsere Vergangenheit. Zu der können wir stehen. Unser Problem ist unsere Zukunft. Werden wir ihr gewachsen sein?“ (C. Wolfgang Müller zum 75. Geburtstag der AWO).
>> von Barbara Höckmann, Vorsitzende AWO-OV Halle Nord
ten zur Verbandsentwicklung, die
auf der Sonderkonferenz in Magde-
burg 2007 verabschiedet wurden,
hat die Arbeiterwohlfahrt erkannt,
dass sie sich zukünftig wieder stär-
ker als sozialpolitischer Akteur und
anwaltschaftlicher Vertreter für
sozial benachteiligte Bevölkerungs-
gruppen in unserer Gesellschaft pro-
fi lieren muss.
Derzeit erleben sozialpolitische
Themen bedauerlicher Weise eine
Renaissance. Unsere Gesellschaft
wird immer ungleicher, die Kluft
zwischen arm und reich immer grö-
ßer. Angesichts einer Sozialpolitik,
deren Wirkungen die Substanz der
Menschenwürde angreift, hat die
Arbeiterwohlfahrt, nimmt sie ihr
Leitbild ernst, diese zu schützen.
Und da stellvertretende Interessen-
vertretung immer nur die zweitbes-
te Lösung ist, sollte dies möglichst
mit den Betroffenen gemeinsam
passieren. Einen kleinen Schritt in
diese Richtung haben wir mit unse-
rer „unabhängigen Sozialberatung“
in Halle getan.
Im Oktober 2004 haben wir als
Ortsverein Halle-Nord mit dem Pro-
jekt „unabhängige Sozialberatung“
zu Fragen zum SGB-II-Grundsiche-
rung für Arbeitssuchende - besser
bekannt als Hartz IV - begonnen,
welches am 01.01.2005 in Kraft ge-
treten ist. Hier arbeiten 20 bis 25
StudentInnen, Berufstätige, Rentne-
rInnen, ALG-I- und ALG-II-BezieherIn-
nen ehrenamtlich im Projekt und be-
raten BürgerInnen im Café 22 in der
August-Bebelstr. 22 donnerstags von
9 -13 Uhr bei der Antragstellung von
Leistungen, überprüfen Leistungs-
bescheide und unterstützen bei der
Durchsetzung der Rechtsansprüche,
die den Leistungsberechtigten all
zu oft verwehrt werden. Unsere Be-
fürchtungen, die mit der Einführung
des Gesetzes verbunden waren,
haben sich bestätigt. Nicht nur das
SGB II selbst in seiner Ausgestaltung,
sondern gerade auch seine Umset-
zung sind mehr als fragwürdig.
Begleitet war die Einführung des
SGB II von einer Diffamierungskam-
pagne gegen arbeitslose Menschen,
die immer wieder neu entfacht
wird. Bezeichnungen wie Sozialsch-
marotzer, arbeitsscheues Gesindel,
Abstauber u. ä. sind an der Tagesord-
nung und werden von den Medien
öffentlichkeitswirksam aufgegrif-
fen. Auch hier ist eine Unterstützung
der Betroffenen notwendig und gilt
es anwaltlich Positionen zu bezie-
hen. Trotz unseres niedrigschwelli-
gen Angebotes erreichen wir noch
immer zu wenige Menschen. Scham,
Unsicherheit und Resignation spie-
len dabei eine wesentliche Rolle.
Die Ergebnisse nach mehr als drei
Jahren Beratungsarbeit und rund
3000 Beratungen zeigen jedoch ein
anderes Bild als uns von den Medien
suggeriert wird: Leistungen werden
verweigert, in unzureichender Höhe
bewilligt, Ansprüche ohne Prüfung
abgewiesen bzw. über Rechtsan-
sprüche bzw. Rechtsbehelfe nicht
informiert. Die Bearbeitung von An-
trägen und Widersprüchen dauert
nach wie vor zu lange und von den
tung größeren Umfangs als Auftakt
zu mehreren Erinnerungstagen – es
wird sich wohl um zwei Wochen
handeln – stattfi nden und mehrere
weitere Projekte daran angeschlos-
sen werden. Als Festredner konnten
wir unseren Freund Richard Schrö-
der gewinnen. Es wird Theater und
Diskussionen, Musik, Ausstellungen
und vieles andere mehr geben.
Gearbeitet wird außerdem an ei-
nem Buch, in dem die Geschichte
jener Monate von der Kommunal-
wahl im Mai 1989 bis zur Volkskam-
merwahl am 18. März 1990 im grö-
ßeren Zusammenhang dargestellt
wird, darin eingeblendet die jeweils
wichtigsten Ereignisse in Halle. Na-
türlich ist es auch notwendig, dass
sich unser SPD-Stadtverband in die-
sem Zusam-
menhang als
selbstbewusste
Neugründung präsentiert, so wie
wir es auch anderen umgeänderten
Parteien und Neugründungen nahe
legen. Kurzum: Eine große Aufgabe
steht vor uns. Jeder, der sich in der
Lage sieht mitzuhelfen, ist herzlich
dazu eingeladen.
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
ORTSVEREINE
HALLE-MITTEVorsitzender:
Andreas [email protected]
HALLE-NEUSTADTVorsitzender:
Klaus-Dieter Weiß[email protected]
HALLE-NORDOSTVorsitzender:
Mario [email protected]
HALLE-NORDWESTVorsitzender:
Walter [email protected]
HALLE-OSTVorsitzende:
Katharina [email protected]
HALLE-SÜDVorsitzender:
Burkhard Feiß[email protected]
6
viel gepriese-
nen Förderinst-
rumenten par-
tizipieren die Betroffenen kaum.
Aus dem Beratungsprojekt heraus
ist ein weiteres Projekt entstanden,
die „Aktion Zuckertüte“. Hier haben
in den letzten beiden Jahren jeweils
60 Kinder von ALG-II-BezieherInnen,
die AWO-Kindertagestätten besu-
chen, ihre Erstausstattung für die
Einschulung erhalten. Während das
alte Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
eine einmalige Beihilfe für die Ein-
schulung noch kannte, ist dies im
SGB II nicht mehr vorgesehen. Die
Regelleistung für die Kinder dieser
Altersgruppe beträgt 208 ₠. Damit
soll alles bestritten werden, was
Kinder benötigen. Allein die Erstaus-
stattung für die Einschulung beträgt
in der billigsten Variante rund 130 ₠.
Da wird viel geredet von der Zukunft
unserer Kinder, von Bildungs- und
Entwicklungschancen. Aber eben
nicht für alle. Kindern aus SGB-II-Fa-
milien wird ein Ganztagsplatz in der
Kinderbetreuung versagt und weder
für die Einschulung noch für die Kos-
ten des jährlichen Klassenwechsels
werden die notwendigen Leistun-
gen gewährt und damit Bildungs-
chancen von Beginn an beschnitten.
Mit den jährlich 60 Kindern, welche
die Ausstattung von uns erhalten ha-
ben, erreichen wir in der Stadt Halle,
in der 34,5 % der Kinder in Armut auf-
wachsen, nur die Spitze des Eisbergs
- nicht mehr. Und es kann auch nicht
Aufgabe der Arbeiterwohlfahrt sein,
staatliche Aufgaben zu überneh-
men. Unserer Tradition verpfl ichtet,
leisten wir Nothilfe, aber immer ver-
bunden mit der anwaltschaftlichen
Tätigkeit für die Anliegen und Inte-
ressen von Benachteiligten und der
Skandalierung sozialer Probleme, für
deren Abhilfe der Sozialstaat und die
gewählten Vertreter der politischen
Parteien, die ihn repräsentieren, Ver-
antwortung zu tragen haben.
Für größere Schritte brauchen wir
mehr aktive und neue Mitglieder in
den Ortsvereinen und ehrenamtli-
che MitstreiterInnen, die Lust und
Spaß an der Entwicklung politischer
Aktivitäten vor Ort haben, neue Pro-
jekte mitgestalten und sich an deren
Umsetzung beteiligen wollen. Die
Themen liegen auf der Straße, man
muss nur hinschauen und sie auf-
greifen. Gemeinsam könnte es dann
gelingen, dass wir nicht nur im Liede
„Seit an Seit schreiten und fühlen,
sondern auch glauben es muss ge-
lingen. Dann zieht mit uns die neue
Zeit und auch der neue Geist“ - so
Paul Saatkamp 1998 auf der Sonder-
konferenz der AWO in Düsseldorf.
NEUSTADT. Der SPD-Ortsverein Halle-Neustadt, der in den letzten Monaten einen leichten Mitgliederzuwachs verzeichnen konnte, hat am 14. Februar 2008 turnusgemäß seinen Vorstand neu gewählt.
>> von Klaus-Dieter Weißenborn, Vorsitzender OV Halle-Neustadt
Vorstandswahlen in Halle-Neustadt
Der bisherige Vorsitzende Klaus-
Dieter Weißenborn wurde wieder-
gewählt. Neuer Stellvertreter ist, ne-
ben dem ebenfalls wiedergewählten
Klaus Hüsing, nun auch Wolfgang
Christ. Außerdem gehören dem Vor-
stand Vera Thomas (Schriftführerin)
und Bernd Scheidat (Kassierer) an,
die beide ebenfalls bereits in der ver-
gangenen Wahlperiode diese Funk-
tionen ausübten. Die neue Revisions-
kommission setzt sich aus den Ge-
nossen Bernd Bahn, Matthias Heck-
lau und Jörg Hellwig zusammen.
Auf der Mitgliederversammlung
im Februar hat der Ortsverein Neu-
stadt außerdem mit Vertretern des
Fachbereichs Stadtentwicklung und
Stadtplanung und dem Projektleiter
Herrn Aldag eine sehr gute, sachlich-
kritische Diskussion über das IBA-
Projekt „Zentrum Neustadt“ mit der
umstrittenen Skaterbahn geführt.
Die Vertreter der Stadt wurden ge-
beten, bei künftigen Projekten die
Bürger früher einzubeziehen und
längerfristig auch an Projekten zu
arbeiten, die das Umfeld im Bereich
der Verbindungen von Altstadt und
Neustadt attraktiver werden lassen.
Die Bewegung Lebensabend wollte
mit dem Tag allen Ehrenamtlichen,
Helfern und unterstützenden Kom-
munen danken und zugleich wei-
tere Initiativen anregen. Für die AG
60plus steht der Tag in diesem Jahr
unter dem Motto „Demokratie und
Toleranz stärken - gemeinsam gegen
rechts“.
Wir werden mit der „Initiative Zivil-
courage Halle im Friedenskreis Hal-
le e.V.“ einen historisch-kritischen
AG 60plus. Die 1958 gegründete überparteiliche und überkonfessionelle Lebensabendbewegung führte den Tag der älteren Generation ein, der traditionsgemäß am 1. Mittwoch im April bundesweit in vielen Städten begangen wird.
>> von Norwin Dorn, Vorsitzender AG 60plus Halle
Tag der Älteren der AG 60plus Halle/Saal(e)kreis
Stadtrundgang unter sachkundiger
Führung zu Stätten und Zeugnissen
der Nazi-Diktatur organisieren. An
folgenden Stationen machen wir mit
folgenden Themen Halt: dem Cam-
pus der Uni zum Thema „Bücherver-
brennung“, am Händeldenkmal zur
Geschichte des ersten Händeldenk-
mals in Deutschland von 1912 bis zu
seiner Zerstörung 1933, enteigneten
SPD-Immobilien wie der Druckerei,
dem Volkspark und der Großen Mär-
kerstrasse und der Hochschule für
Kunst und Design Burg Giebichen-
stein, an der die Grafi k- und Malklas-
se von Charles Crode im Mai 1933
zerstört wurde.
Wir bitten auch auf diesem Wege
um Teilnahmen nicht nur aus den
Reihen der AG 60plus, sondern auch
aus anderen Gliederungen der Hal-
leschen SPD. Treffpunkt und Zeit
werden noch bekannt gegeben. Wir
sehen uns am 2. April!
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
DER NEUESPD-STADTVORSTANDHALLE (SAALE)
VORSITZENDEKatja Pähle
STELLVERTRETERHannelore SchneiderThomas Wünsch
SCHATZMEISTERKlaus Hüsing
BEISITZERWolf-Michael GroßSibylle ReinhardtKatharina HintzSebastian WornienChristopher Kurzke
ADRESSEAdolf-Reichwein-HausGroße Märkerstraße 606108 Halle (Saale)
STADTRATSFRAKTIONDER SPD HALLE (SAALE)
VORSTANDGottfried Koehn (Vors.)Gertrud EwertJohannes Krause
GESCHÄFTSFÜHRERBurkhard FeißelTechnisches Rathaus1.Etage, Zimmer 101-103
ADRESSETechnisches RathausHansering 1506108 Halle (Saale)
7
Sollte der Stadtrat- nach der mehr als erforderlichen Diskussion! - die Vorlage der Verwaltung mittragen, wird die letzte Bestattung auf dem Friedhof Neustadt 2018 stattfi nden und im Jahr 2038 wird der Friedhof dann endgültig geschlossen. Die Übergangsfristen sind notwendig und zwangsläufi g: dreißig Jahre kann das Nutzungsrecht für ein Wahlgrab erworben werden, die Mindestruhe-zeit für eine Erdbestattung beträgt zwanzig, für eine Urnenbestattung zehn Jahre.
Sollte der Friedhof Neustadt und die weiteren fünf (neben den bis 2034 schon geschlossenen oben genannten fünf Friedhöfen) per Be-schluss diesen Jahres im Jahr 2038 geschlossen werden, unterhielte die Stadt nur noch die drei denkmal-geschützten Nord-, Süd- und Ger-traudenfriedhof. Die drei Friedhöfe weiter zu unterhalten ist angesichts des Denkmalschutzes und der schon investierten Gelder durchaus konse-quent und nachvollziehbar.
Was spricht für Neustadt: der Friedhof liegt als einziger im Westen
HALLE. Die Stadt Halle unterhält derzeit 14 Friedhöfe. Davon werden bis zum Jahr 2034, das ist schon beschlossen, die Friedhöfe Giebichenstein, Seeben, Diemitz, Dölau und Wörmlitz geschlossen. Laut Mitteldeutscher Zeitung Halle vom 23. Februar, erwägt die Stadtverwaltung im Zuge dieses Prozesses neben weiteren Friedhöfen im Semizentrum und der Pe-ripherie Halles von den vier großen Friedhöfen (Nord-, Süd-, Gertrauden- und Neustadt-Friedhof) einen zu schließen. Die Stadtverwaltung hat sich auf den Friedhof Neustadt festgelegt. Die Beschlussvorlage soll dem Stadtrat zur Diskussion im März (26. März 2008, 14 Uhr, Stadthaus) vorgelegt werden.
>> von Marcus Schlegelmilch, OV Halle-Nordwest
Für den Erhalt des Friedhofs Neustadt
der Stadt, in der ehemals eigenstän-digen Neustadt. Zugegeben, seine Lage ist nicht zentral in Neustadt und dennoch ist er mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Vor allem: für jeden Neustädter ist er damit so gut und schnell zu er-reichen wie kein anderer der drei weiteren Groß-Friedhöfe in Halle, und immerhin stellt Halle-Neustadt trotz des Schrumpfungsprozesses ein Fünftel der gesamten Einwoh-nerzahl Halles!
Vergleicht man die Anzahl der Be-stattungen auf den vier (großen) Friedhöfen, so ist der Neustädter Friedhof der einzige, der eine nahezu gleich bleibende Anzahl an (Erd- und Urnen-) Bestattungen aufweist. Der Nordfriedhof zum Beispiel hat mehr als die Hälfte weniger Bestattungen im Vergleich von 1991 zu 2006. Dies ist kein (direktes) Argument gegen den Nordfriedhof, denn ich wünsch-te mir weiterhin eine dezentrale Friedhofsstruktur, sondern eines - unter diesen Umständen - für vier Großfriedhöfe - und auch für kleine-re Friedhöfe im Semizentrum und in
der Peripherie Halles, in den ehemals eigenständigen Orten - in Halle in der Zukunft.
Generell und zusammenfassend: eine Konzentration auf drei Friedhöfe in Halle ist für mich nicht vorstellbar. Die Bündelung und Zentrierung von Energien, sonst der „Goldene Weg“ in einer Stadt mit leeren Kassen, sind in diesem Fall nicht der „Königsweg“, dieser scheint mir in diesem Fall: die Erhaltung der (eingeschränkten) De-zentralisierung.
Ich verstehe ganz gewiss den Anlass der Überlegungen der Verwaltung - sie sind berechtigt und nachvollzieh-bar - zu stark zehrt die veränderte Einwohnerzahl an der bestehenden Infrastruktur der Friedhöfe.
Aber: Klamme Kassen können nicht immer ein und vor allem das ent-scheidende Argument sein. Bei die-sem Thema erst recht nicht, deshalb möge die Stadtratsfraktion (und der Stadtrat) sorgsam beraten, zuhören und dann entscheiden. Wenn sie dies tut, kann sie der Diskussions-grundlage der Verwaltung so nicht zustimmen - meine ich!
AG 60plus. Die Mitglieder unserer Vorstände Halle/Saal(e)kreis berieten Mitte Januar einen Arbeitsplan für das Jahr 2008 mit welchem versucht werden soll, die zur AG 60plus gehörenden Genossinnen und Genossen anzusprechen und eine noch stärkere Mitarbeit in unserer Partei zu erreichen.
>> von Norwin Dorn, Vorsitzender AG 60plus Halle
Arbeitsplan der AG 60plus Halle/Saal(e)kreis
Wir verständigten uns auf eine
Vielzahl von Vorhaben, als da wären
(1) Vorbereitung des bundesweiten
Aktionstages „Demografi scher Wan-
del“ (ARD und Deutscher Städtetag)
am 19.04.2008 in Halle mit der Se-
niorenberatungsstelle der Stadt
Halle durch Organisierung eines of-
fenen Stadtseniorengesprächs zum
Thema „Selbstbestimmtes Leben
- auch in der letzten Lebensphase“
mit der Justizministerin des Landes
Angela Kolb und dem Direktor des
German Center for Evidence-based
Nursing der MLU, (2) aus Anlass der
90sten Wiederkehr der Ernennung
von Friedrich Ebert als ersten Präsi-
denten der Weimarer Republik wol-
len wir eine eintägige Busreise nach
Thüringen organisieren. Dabei wird
es ein Treffen mit Vertretern der
AG60plus Thüringen in dem Hotel
geben, in dem Friedrich Ebert vor 89
Jahren die Weimarer Verfassung un-
terschrieb, (3) am 18.03.2008 wird es
im Rahmen der „Dieskauer Schloss-
gespräche“ eine Lesung mit Reinhard
Höppner geben, die von Dr. Franz
Gerth organisiert wird, (4) zu Be-
ginn des Monats April, genauer am
02.04.2008 wird es den bundeswei-
ten Aktionstag der AG 60plus zum
Thema „Demokratie und Toleranz“
geben, der durch unsere AG organi-
siert wird, (5) am 13.04.2008 wird es
eine gemeinsame Wanderung mit
den Jusos nach Ferropolis geben,
(6) Mitte September wollen wir er-
neut das Geiseltal besichtigen und
den Fortgang der Flutung in Augen-
schein nehmen und es soll (7) einen
„Politischen Stammtisch“ mit einem
Bundespolitiker zum Thema „Soziale
Gerechtigkeit in Ost und West - heu-
te und zukünftig“ geben. Mit diesem
umfangreichen Programm gelingt es
dem Vorstand hoffentlich, Viele zur
Beteiligung zu animieren.
Interessenten für die Fahrt nach
Thüringen können sich schon jetzt in
der Geschäftsstelle anmelden.
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
WILLY-BRANDT-MEDAILLE
Aus Anlass seines 80. Geburtstages
zeichnete der Landesvorstand der AG
60plus seinen früheren Vorsitzenden
und jetziges Vorstandsmitglied mit
der Willy-Brandt-Medaille aus.
Die Verleihung dieser Auszeichnung
würdigt das langjährige Engagement
von Gerhard Voigt in unserer Partei,
insbesondere in der Arbeitsgemein-
schaft 60plus. Im Auftrag des Lan-
desvorstandes übergab der jetzige
Landesvorsitzende Genosse Norwin
Dorn im Rahmen einer Versammlung
des Ortsvereins Halle-Nordost Me-
daille und Urkunde, die vom Bundes-
vorsitzenden Kurt Beck und dem Lan-
desvorsitzenden Holger Hövelmann
unterschrieben war.
von Norwin Dorn
THERESE KAULS 90. GEBURTSTAG
Unsere Genossin Therese Kaul konnte am 10. Februar ihren 90. Geburtstag feiern. Im Auftrag der OV-Mitglieder gratulierte eine kleine Abordnung des Vorstandes der Jubilarin ganz herzlich und wünschte ihr gute Ge-sundheit und noch weitere schöne Jahre.Therese Kaul wurde im letzten Kriegsjahr 1918 geboren. Ihre Geburt wollten ihre Eltern deshalb auch mit einem Hoffnungszeichen für die Zukunft verbinden und so gaben sie Therese noch einen zweiten Vor-namen: Friede! Die Hoffnung auf dauernden Friede aber blieb leider ein Traum. In der Zeit des Faschismus litten auch viele Sozialdemokraten. Therese Kaul fand bereits unmittel-bar nach Kriegsende, am 1. Juni 1945 den Weg in die SPD. Für sie hatte das sozialdemokratische Gedankengut immer große Bedeutung.Sie ist natürlich immer noch politisch sehr interessiert und hat auch im ver-gangenen Jahr an der Weihnachts-feier des Ortsvereins teilgenommen. Beim gemeinsamen Gesang, auch bei „Wann wir schreiten Seit` an Seit`…“ war sie absolut textsicher! Wir dan-ken Therese für ihre Treue zur Sozial-demokratie!
von Klaus-Dieter Weißenborn
8
Nein zu sagen ist nicht immer
eine ablehnende Haltung. Nein ist
auch ein Ausdruck einer anderen
Meinung. Eine andere Meinung zu
haben ist nicht falsch und kann so-
gar konstruktiv sein. Bestes Beispiel
hierfür ist der Fußball und das damit
verbundene Thema des Stadionneu-
baus. Nachdem, was ich bis heu-
te dazu weiß, kann ich nur sagen:
„Stoppt jegliche Ausgaben für dieses
Projekt. Steht auf und sagt ‚NEIN’
zu dieser Investition.“ Ein Stadion,
welches weder private Investoren
fi ndet noch eigenfi nanziert werden
kann, sollte allein aus diesen objek-
tiven Gründen nicht gebaut wer-
HALLE. NEIN sagen ist konstruktiv und zukunftsorientiert – ein kritischer Beitrag aus der Mitgliedschaft zu einer Debatte - die Halle seit mehreren Jahren bewegt und in diesem Jahr voraussichtlich vor dem Abschluss steht.
>> von Mario Kerzel, OV Halle-Nordost
Ein klares NEIN zum Stadionneubau
den. Wenn, wider Erwarten, der HFC
seine sportliche Leistung so enorm
steigert, dass wir ein neues Stadion
brauchen, werden sich auch Investo-
ren und Sponsoren fi nden, die dieses
Projekt unterstützen.
Bis dahin sollten wir jeden Cent, der
für die Planung ausgegeben werden
soll, sinnvoll in den halleschen Brei-
tensport hineinstecken. Hier sollten
wir konkrete Sportangebote an un-
sere Kinder und Jugendlichen ma-
chen, damit diese ihren Drang nach
Bewegung gezielt und „kontrolliert“
ausleben können. Hierbei könnten
sich verschiedenste Gruppen im fai-
ren Wettstreit messen. Ein positiver
Nebeneffekt ist das Vermitteln von
sozialen Kompetenzen.
Auch wenn mein Standpunkt
nicht konstruktiv zu sein scheint,
so ist es wichtig, Glaubwürdigkeit
durch Authentizität auszudrücken.
Dies erreicht die Politik nur durch
Kompetenz, gesunden Menschen-
verstand und Weitblick. Nichts ist
unglaubwürdiger als undurchdachte
Lösungen, welche auf einer Menge
„fauler“ Kompromisse basieren, egal
ob auf kommunaler, Landes- oder
Bundesebene. So fi nde ich, dass wir
nur das auf den Weg bringen sollten,
wofür wir auch einstehen.
Internationale Bauausstellungen gab es bereits in den 80er Jahren in Berlin und in den 90ern im Ruhrge-biet. Neu ist allerdings der Ansatz, ein ganzes Bundesland einzube-ziehen und vor allem das Thema „Stadtumbau“. Der Umgang mit den Schrumpfungsprozessen und dem Leerstand und die Beantwortung von Fragen nach Zukunftsfähigkeit und Identität spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle.
Das Thema besitzt dabei zweifel-los eine internationale Dimension. Darüber konnte man sich im Jahr 2006 auch in Halle informieren, als im Bahnhof Halle-Neustadt die Ausstellung „Schrumpfende Städte“ stattfand. Auf einer Weltkarte wur-de dargestellt, dass über 350 Städte weltweit mit mehr als 100 000 Ein-wohnern in den letzten fünfzig Jah-ren mehr als 10 % ihrer Einwohner verloren haben (u. a. in Russland 93, in den USA 59, in der Ukraine 41, in Großbritannien 27).
In Sachsen-Anhalt beteiligen sich 17 Städte an der IBA. Halle ist seit 2003 mit dem Motto „Balanceakt Doppel-stadt. Kommunikation und Prozess“ dabei. Die Doppelstadt beschreibt dabei die Stadtpole beidseitig der Saale, mit der städtebaulichen Mo-derne - Neustadt - im Westen und
HALLE. Die Idee eine internationale Bauausstellung in Sachsen-Anhalt durchzuführen, wurde 2002 vom Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Prof. Akbar, und dem damaligen SPD-Bauminister, Dr. Jürgen Heyer, entwickelt. Die folgenden Landesregierungen griffen die Initiative auf und führten sie zusammen mit interessierten Städten, dem Bauhaus und der Landesentwicklungsgesellschaft SALEG weiter.
>> von Thomas Felke, Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt
IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 - Projekte in Halle
der alten Stadt im Osten. Bei dem halleschen IBA-Thema geht es um den Bedeutungswandel, um die Sta-bilisierung bei erheblich sinkender Nachfrage, um Gestaltungsmög-lichkeiten trotz knapper öffentlicher Mittel. Der zentrale Maßstab der IBA in Halle bleibt dabei die Stadt als Ganzes im Gleichgewicht zu halten.
Die halleschen IBA-Projekte befi n-den sich entlang einer Ost-West-Ach-se an 6 Standorten und beinhalten eine Vielzahl von einzelnen Projekt-bausteinen. Einige Projektinhalte haben sich seit 2003 gewandelt, an-deres kam neu dazu, einzelne wer-den hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit noch zu prüfen sein. Der Beitrag Hal-les folgt somit dem Ansatz der IBA, exemplarisch Werkzeuge des Stadt-umbaus zu entwickeln und zur An-wendung zu bringen.
Nachdem über längere Zeitdauer die Finanzierungsmodalitäten unklar waren, konnte mit Entscheidungen des Landes im Herbst 2007 die Förde-rung sichergestellt werden. Mit dem Einsatz von Mitteln des Programms Stadtumbau Ost und aus dem Euro-päischen Fonds für Regionale Ent-wicklung (EFRE) sollen insbesondere kommunale Infrastrukturprojekte fristgerecht bis zum Jahr 2010 umge-setzt werden.
Im Einzelnen geht es bei der IBA in Halle um folgende Standorte und Schwerpunkte: 1. Drehscheibe Riebeckplatz. Zwischen Stadt und Verkehr: Zukunft der Hochhäuser, grüne Zwischennutzungen, neuer Busbahnhof; 2. Franckesche Gärten. Vor der Stadt- In die Stadt: Wege-beziehungen, Gärten, Hochstraße; 3. Sozialraum Glaucha. Die soziale Dimension des Stadtumbaus: Sozi-alraum- und Wohnungsmarktstudie, Impulsprojekte zur Quartiersauf-wertung und Stabilisierung; 4. Sali-neinsel. Bindeglied der Doppelstadt: Urbane Brücken, Stadthafen „Elisa-bethsaale“, Salineensemble, Gaso-meter, Entwicklung Medienquartier; 5. Galerie im Grünen. Vom Wohn-komplex zum Wohnquartier: Platz Am Tulpenbrunnen, Wohngebäude am Oleanderweg; 6. Zentrum Neu-stadt. Revitalisierung des urbanen Kerns: Hochhausscheibe C, Urbanes Umfeld (Skaterbahn).
Schon heute ist absehbar, dass durch die IBA das allgemeine In-teresse an Stadtentwicklung und Stadtumbau gefördert worden ist. Öffentlichkeitsarbeit und kontinu-ierliche Kommunikation geplanter Einzelmaßnahmen müssen deshalb als Kernbestandteil des gesamten IBA-Prozesses betrachtet werden.
blick.punkt Halle | I/2008
Ein.Blick
KURZINTERVIEW MIT B. FEISSEL, VORSITZENDER OV HALLE-SÜD
blick.punkt: Was macht den Ortsver-ein Süd einzigartig?Feißel: Ganz klar Vielfalt. Wir bedie-nen ein breites politisches Spektrum, das zum einen durch die heterogene Struktur des Einzugsbereichs bedingt ist, zum anderen aber auch durch die Binnenstruktur die wir abbilden. Wir haben sowohl junge als auch ältere Genossen in unseren Reihen, da sind spannende Diskussionen vorpro-grammiert. Ja, und was soll ich sagen, wir haben den nettesten Vorsitzen-den der Welt [lacht].
blick.punkt: Und welche Herausfor-derungen kann dieser netteste Vor-sitzende für das Einzugsgebiet des Ortsvereins benennen?Feißel: Das Problem das wir haben, übrigens nicht nur im Süden der Stadt, ist der niedrige Organisations-grad. Wir haben zu wenige Mitglieder, um überall präsent zu sein. Dennoch muss es uns gelingen, ein Spektrum zu kreieren, das die Bürger vor Ort interessiert und auch bei diesen an-kommt. Dieses Ziel zu bedienen wird aufgrund der unterschiedlichen So-zialstrukturen und Bedürfnisse eine echte Herausforderung sein.
blick.punkt: Welchen Themen werdet ihr euch dieses Jahr in besonderem Ausmaß widmen?Feißel: Für das zweite Quartal haben wir unsere Justizministerin Ange-la Kolb eingeladen. Und natürlich werfen die Kommunalwahlen im kommenden Jahr ihre ersten Schat-ten. Ansonsten gilt es weiterhin ein breites Spektrum an tagesaktuellen Themen anzubieten.
blick.punkt: Derzeit wird im Stadtver-band das Papier „Halle 2020“ erarbei-tet, das in den kommenden Monaten diskutiert werden soll. Wo sieht sich denn der OV Süd im Jahr 2020?Feißel: Eine gute Frage. Bezogen auf den demographischen Wandel wer-den wir die Überalterung zu spüren bekommen, die auch neue Herausfor-derungen mit sich bringt. Dennoch sage ich, wir werden ein lebendiger Ortsverein in einem Stadtteil mit Zu-kunft sein - und einer direkten Grenze an die Stadt Merseburg [lacht].
das Gespräch führteChristian Weinert
9
Wir sitzen in einem Café in der halleschen Altstadt und sind mit Akteuren des Ortsvereins Süd verab-redet. Einerseits, weil die Innenstadt nun mal Zentrum des städtischen Lebens und für jeden zügig zu er-reichen ist, andererseits, und damit lässt sich schnell zum eigentlichen Thema überleiten, weil gastronomi-sche Einrichtungen im Einzugsgebiet des Ortsvereins eher die Ausnahme sind. Gemeinsamer Treffpunkt für die regelmäßigen Sitzungen ist der ‚Guldenhof’ in Beesen in der Gulden-straße, eine der wenigen Lokalitäten in dem riesigen Einzugsbereich.
Doch dies sind nicht die grundle-genden Herausforderungen mit de-nen die aktiven Genossen im Süden von Halle konfrontiert werden. „Das Gebiet ist sehr heterogen“, sagt Oli-ver Hartung, Mitglied im OV Süd, und versteht darunter nicht bloß den riesigen Einzugsbereich des Ortsvereins. Die Stadtteile Böllberg/Wörmlitz, Silberhöhe, Ammendorf – samt der dörfl ich geprägten Stadt-viertel Beesen, Radewell, Osendorf und Planena – sowie die Stadtvier-tel Gesundbrunnen, Südstadt und Damaschkestraße bilden das Ein-zugsgebiet des Ortsvereins. Die So-zialstrukturen könnten kaum unter-schiedlicher sein und darin besteht auch die größte Herausforderung für die Genossen vor Ort. „Die Probleme in Ammendorf oder dem Wohnge-biet Pfi ngstanger sind andere als die auf der Silberhöhe“.
„Während die Bewohner aus Am-mendorf ihren konkreten Unmut über eine schlechtere Anbindung durch den Wegfall der Straßenbahn-linie 4 beklagen, sind die Probleme etwa auf der Silberhöhe weitaus komplexer“, sagt Burkhard Feißel, Vorsitzender des Ortsvereins Süd. Überalterung durch den demogra-phischen Wandel, die immer noch anhaltende Abwanderung, die prekäre Situation auf dem Arbeits-markt, Stadtumbau und die abneh-
SÜD. In jeder Ausgabe des blick.punkt wollen wir in Zukunft einen halleschen Ortsverein näher vorstellen und mit den Akteuren vor Ort ins Gespräch kommen. Den Auftakt bildet der OV Süd, der sich mit besonderen Themen und Herausfor-derungen konfrontiert sieht…
>> von Christian Weinert und Felix Peter, Redaktion blick.punkt Halle
Wir dürfen nicht nur meckern
mende Infrastruktur machen vielen Menschen Sorgen. So werden die Genossen mit viel Unmut der dor-tigen Bewohner konfrontiert, der bisweilen in fortwährende Kritik mündet – ohne kleine Erfolge vor Ort zu honorieren. Der entstehende Silberwald auf der Silberhöhe ist ein solcher Aspekt, der das arg gebeu-telte Stadtviertel lebenswerter ma-chen soll.
Bei den beständigen Unmutsäu-ßerungen verweist Burkhard Feißel gern auf eine Bewohnerin vor Ort, die sich auch ohne Parteibuch en-gagiert. „Wir dürfen nicht nur me-ckern“, sei deren Einstellung. Enga-gierten Bürgern eine Plattform auch jenseits von Wahlen zu bieten, ist ein Ziel des Ortsvereins, sagt Oliver Har-tung. Das sei schon deshalb wichtig, weil die Mitglieder der Partei ‚Die Linke’ gerade von den Älteren als die ‚Kümmerer’ wahrgenommen wer-den, auch wenn diese nichts bewe-gen. Dem entgegen zu wirken ist ein Ziel der Genossen. So halten sie Kon-takte zu einigen ansässigen Vereinen und wollen eben jenen engagierten Bürgern, deren Einstellung über die des bloßen Meckerns hinausgeht, eine Plattform bieten. „Kontinui-tät im Auftritt“, auch wenn dies ein langwieriger Prozess sei, umrahmt Oliver Hartung dieses Ziel. Dabei gilt es deutlich zu machen, „dass man Themen realistisch angeht“, pfl ich-tet im Burkhard Feißel bei.
So haben die Genossen für einen schnellen vorübergehenden Umzug der Sekundarschule „Zeitzer Straße“ in das Ausweichquartier im alten Frieden-Gymnasium plädiert. Am Stammsitz der jetzigen Schule wehe noch immer ein Hauch von Vorwen-dezeiten, die Schule bräuchte drin-gend eine Sanierung. Leider ist die realistische Sichtweise nicht in allen Köpfen der politischen Gegner ange-kommen.
Und wie gestaltet sich die Binnen-struktur im Ortsverein? „Wir sind
keine Altherren-Riege“, antwortet Burkhard Feißel zügig und verweist auf die gesunde Mischung in der Mitgliedschaft. Selbst im Vorstand werden die Generationen abgebil-det. Zwischen Anfang zwanzig und Ende sechzig ist jedes Alter vertre-ten und steht symbolisch für den gesamten Ortsverein. „Es sind viele junge Gesichter“, betont Burkhard. Auch die Entwicklung der Mitglie-derzahl sei erfreulich, diese bewege sich stabil bei rund 50 Genossen. Die Aktivsten treffen sich einmal im Mo-nat zur Sitzung des Ortsvereins und diskutieren verschiedene Themen. „Das ist noch echter Stammtisch mit der Möglichkeit, aktuelle politische Themen zu diskutieren“, macht Burk-hard die Besonderheit im Ortsverein Süd deutlich.
Zum Ablauf der letzten Stadtvor-standswahlen äußern sich die bei-den Mitglieder erst auf Nachfrage. „Es war schon eine Riesenenttäu-schung“, sagt Burkhard Feißel und wünscht sich für die Zukunft, dass die geleistete Arbeit im Ortsver-ein, auch politisch gewürdigt wird. Zurückziehen wolle man sich aber nicht, sondern sei weiterhin an einer konstruktiven Zusammenarbeit in-teressiert. „Wir werden uns verstärkt Themen widmen, die nicht nur den Ortsverein Süd betreffen“, erläutert Oliver Hartung.
Darüber hinaus wirken der demo-graphische Wandel und der Abwan-derungsprozess in besonderem Aus-maß auf die Gebiete im Süden von Halle. „Das macht die Themenfi n-dung schwierig, weil sich durch den Stadtumbau die Bevölkerungsvertei-lung grundlegend verschoben hat“, gibt Oliver Hartung zu Bedenken. Während die Silberhöhe in den letz-ten Jahren rund die Hälfte der Ein-wohner verloren hat, und zuletzt bei 14.000 Bewohnern stagniert, haben andere Viertel zugelegt oder sind - wie das Wohngebiet ‚Pfi ngstanger’ - neu entstanden.
SPD-ORTSVEREIN HALLE-SÜD
MITGLIEDERZAHL: 50
EINZUGSGEBIET: Böllberg/Wörmlitz, Silberhöhe, Ammendorf, Südstadt, Damasch-kestraße, Gesundbrunnen, Beesen, Radewell, Osendorf, Planena
SITZUNGEN: immer der erste Dienstag im Monat
VORSTAND: Burkhard Feißel (Vors.), Sebastian Zeidler (stellv. Vors.), Gabriele Raffel (Beisitzerin), Jürgen Scherzberg (Beisitzer), Maria Schuster (Beisitzerin)
KONTAKT: [email protected]
Vorstand OV Halle-Süd (Bild: B. Feißel).
blick.punkt Halle | I/2008
Rund.Blick10
REGION. Die SPD besinnt sich ihrer großstädtischen Wurzeln neu. Am 11.02.2008 setzte das SPD-Präsidium eine Kommissi-on zur Zukunft sozialdemokratischer Politik in den großen Städten ein. Unter dem Arbeitstitel „Sozialdemokratische Politik für innovative Metropolregionen“ sollen der Zusammenhalt der Gesellschaft, die Integration von Zuwanderern und Ar-mutsbekämpfung Themen sein. Insbesondere soll es darum gehen, neue wirtschaftliche Chancen zu nutzen und so auch die jüngere, oft hochqualifi zierte Stadtbevölkerung wieder mehr in die Politik einzubeziehen.
>> von Gernot Borriss, Vorsitzender SPD-Stadtverband Leipzig
Innovative Metropolregion Leipzig/Halle
Eine der großen deutschen Metro-
polregionen ist der mitteldeutsche
Ballungsraum um Halle (Saale) und
Leipzig. Auch in Sachsen hat die SPD
die Großstädte nun neu entdeckt:
Im Rahmen der aktuellen Partei-
strukturreform entstanden für die
drei sächsischen Großstädte Chem-
nitz, Dresden und Leipzig eigenstän-
dige Stadtverbände - in Leipzig am
19.01.2008.
Für alle, die eine Partei als sicht-
baren politischen Akteur im kom-
munalen Rahmen verstehen, ist die
Bildung von (Groß-)Stadtverbänden
ein lange überfälliger Schritt. Un-
terbezirke sind eben mehr als lose
Verwaltungsgemeinschaften, und
gerade eine Großstadtpartei muss
mehr sein als eine Rathauspartei: An-
sprechpartner für Vereine, Verbände
und Initiativen mit kommunalem Be-
zug, Ideengeber in der öffentlichen
Diskussion und so etwas wie eine
permanente Zukunftswerkstatt. In
der Netzwerkarbeit - zielgruppenori-
entiert, stadt- und stadtteilbezogen
- sehen wir deshalb auch einen unse-
rer Schwerpunkte. Mit unseren fünf
Ideenwerkstätten zu den Themen
Bildung, Arbeit, Stadtentwicklung,
Familie und Sozialer Zusammenhalt
wollen wir allen Leipzigerinnen und
Leipzigern die Möglichkeit geben,
mit uns gemeinsam kommunalpo-
litische Ansätze neu zu entwickeln.
Der Weg der Beteiligung möglichst
vieler ist dabei das - eine - Ziel, das
andere Ziel heißt Kommunalwahl-
programm 2009.
All dies lässt sich besser leisten,
wenn wir Ehrenamtler nicht jeweils
für zwei, drei oder vier Landkreise/
kreisfreie Städte denken und mit
Partnern kooperieren müssen. Auch
gibt es spezifi sch großstädtische Mi-
lieus, die für die SPD erreichbar sind
- aber nur für eine SPD, die sich ihrer
spezifi schen Lebenserfahrungen und
Politikerwartungen annehmen kann.
Das alles ist nicht neu für euch
in Halle. Neu ist nur, dass es nun in
Eurer Nachbar- und Schwesterstadt
Leipzig auch einen SPD-Stadtver-
band gibt, der sich wie ihr dem groß-
städtischen Anspruch stellen will.
Lasst uns dies doch gemeinsam tun,
wenn es um Themen unserer Metro-
polregion geht. Diese Metropolregi-
on hat zwar einen verwirrenden Na-
men, aber ein klares Zentrum: Halle
und Leipzig. Wir sind eben nicht der
Rand unserer beiden Bundesländer,
sondern die dynamische Mitte Mit-
teldeutschlands. Wenn diese Mitte
eine gemeinsame Sprache fi ndet,
ist der erste Schritt getan. Ein mög-
liches Fernziel haben Jens Bullerjahn
und andere beschrieben. Der neue
SPD-Kreisverband Leipzig - das sind
unsere Nachbarn - regt schon mal
an, dass die SPD eine Arbeitsgruppe
„Vereinigtes Mitteldeutschland“ ins
Leben ruft. Dann auf gute Zusam-
menarbeit.
REGION. In unserer letzten Ausgabe hatten wir über eine mögliche Fusion der drei mitteldeutschen Länder zu einem neuen Bundesland berichtet. Ein nicht mehr allzu abwegiger Gedanke - so machte auch Sachsen-Anhalts Finanzminister und stell-vertretender Ministerpräsident Jens Bullerjahn in einem Gespräch mit dem blick.punkt keinen Hehl daraus, dass er es für besser befi nden würde, wenn es Sachsen-Anhalt spätestens 2020 nicht mehr als einzelnes Bundesland gäbe. In unserem Artikel hatten wir auch einen möglichen Profi teur einer Länderfusion vorgestellt: die Region Halle-Leipzig. Um diese soll es im Folgenden gehen.
>> von Felix Peter, Redaktion blick.punkt Halle (Saale)
Der Löwe greift nach den Sternen
Die Region Leipzig-Halle gehört zu den für deutsche Verhältnisse grö-ßeren Ballungsräumen. Sie beher-bergt rund eine Million Menschen und zwei Großstädte, die von einer Landesgrenze getrennt jede für sich ein eigenes Oberzentrum in ihrem Landesteil darstellen. Infrastruktu-rell ist die Region sehr gut erschlos-sen: Mehrere Autobahnen führen hier in einem großen Autobahnring zusammen, viele Fernverkehrs- und Regionalstrecken der Eisenbahn bil-den hier gleich zwei Knotenpunkte. Ein ausgedehntes S-Bahn-Netz ist in Planung. Ein erster Schritt ist mit der Linie Halle-Leipzig bereits getan. Und nicht zuletzt gibt es auch einen
internationalen Flughafen, der zu-gleich Luftfrachtdrehkreuz eines der größten Logistikunternehmen der Welt ist.
Alles in allem scheinen damit die Grundlagen für eine fl orierende Wirtschaftsregion gelegt zu sein und tatsächlich haben sich auch schon mehrere große Unternehmen für die Region entschieden. Es gibt allerdings eine Bremse, die eine ge-meinsame Entwicklung der gesam-ten Region beeinträchtigt: die Lan-desgrenze zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt, welche die beiden Städte Halle und Leipzig und deren Speckgürtel voneinander trennt. Zwei Länder und damit zwei vollkom-
men verschiedene Zuständigkeiten für ein und dieselbe Region. Eine Koopera-tion ist zwar möglich, doch eben nur bis zu einem bestimmten Punkt.
So lange Halle und Leipzig auf ge-trennten Gebieten liegen, wird die Kooperation zwangsweise immer geringer sein als die Konkurrenz, denn bei einem gemeinsamen Vor-gehen wird immer die eine Stadt den Kürzeren ziehen, und zwar jene, wel-che das Objekt der Begierde nicht auf ihre Seite der Landesgrenze und damit in ihren Einfl ussbereich ziehen kann. So geschehen beim Tauziehen um das BMW-Werk, so geschehen auch unlängst in den Zwillingsstäd-ten Mannheim und Ludwigshafen,
EU KÄMPFT FÜR DIE
RECHTE DER KINDER
Sexueller Missbrauch, Gewalt, Ar-
mut, Vernachlässigung, fehlender
Zugang zu Bildung, Ausgrenzung und
Diskriminierung - eine Vielzahl von
Gefahren bedrohen die Kinder welt-
weit, die mit 2,2 Milliarden nahezu
ein Drittel der Weltbevölkerung aus-
machen. Aber auch in Deutschland
häufen sich die erschreckenden Mel-
dungen in den Medien.
Zum richtigen Zeitpunkt reagierten
die Abgeordneten des Europäischen
Parlaments und nahmen am 16. Ja-
nuar dieses Jahres eine von der EU-
Kommission verfasste Strategie zur
Stärkung der Kinderrechte an. Den
guten Absichten sollen nun endlich
Taten folgen und dafür geht die Eu-
ropäische Gemeinschaft mit gutem
Beispiel voran.
Auch und gerade für Kinder gelten
die Menschenrechte, die innerhalb
der Gemeinschaft einer langen Tradi-
tion entspringen. Damit diese Rechte
im Zeitalter der Globalisierung nicht
missachtet, sondern mit aller Kraft
durchgesetzt werden, wird die EU
auch in Zukunft eine Vielzahl von
internen und externen Maßnahmen
ergreifen und die Problematik in das
Bewusstsein der Öffentlichkeit zwin-
gen.
In nächster Zukunft werden u.a.
Notrufnummern für Hilfe suchende
Kinder und für Fälle von vermissten
oder sexuell missbrauchten Kindern
eingerichtet. Auch soll das Erlangen
relevanter Kreditkartendaten verein-
facht werden, um die Benutzer von
Internetseiten mit kinderpornogra-
phischen Inhalten effi zienter aufspü-
ren zu können.
Mit dem Strategiepapier der EU-
Kommission fi nden natürlich jene
Unterstützung, die die Verankerung
der Kinderrechte auch in die Landes-
verfassung Sachsen-Anhalts fordern.
von Ulrich Stockmann
blick.punkt Halle | I/2008
Rund.Blick 11
die sich am Rhein direkt gegenüber-liegen und ebenfalls von einer Lan-desgrenze getrennt werden. Dort wechselte ein fi nanzkräftiges Un-ternehmen das Flussufer, weil die andere Stadt mehr Subventionen bereitstellen konnte und den Umzug im Prinzip fi nanzierte.
In solchen Situationen können aus Freunden auch schnell einmal Feinde werden. Verständlich, denn die Kom-munen müssen sich in Deutschland zunächst erst einmal um sich selbst kümmern - Rücksichtnahme auf die Probleme anderer kann sich längst niemand mehr leisten. Wenn man allerdings „im selben Boot sitzt“,
kommt man um Zusammenarbeit statt Wettkampf und gegenseiti-ge Rücksichtnahme statt Egoismus nicht herum. Um „im selben Boot sitzen“ zu können, müssen aber zu-nächst einige Steine aus dem Weg geräumt werden.
Zum Beispiel: Keine Landesgrenze, weniger Hindernisse. Das Grundge-setz sieht für gespaltene Regionen sogar einen konkreten Ausweg vor: In Artikel 29, Absatz 4 heißt es dazu: „Wird in einem zusammenhängen-
den, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat, von einem Zehntel der in ihm zum Bundestag Wahlberechtigten durch Volksbegehren gefordert, dass für diesen Raum eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszugehö-rigkeit [...] geändert wird, oder dass in den betroffenen Ländern eine Volksbefragung stattfi ndet.“ Einen Versuch wäre es zumindest wert. Es muss allerdings in der Region auch
der Wille dazu vorhanden sein, was zumindest in den beiden Oberzen-tren Halle und Leipzig in ersten An-sätzen der Fall zu sein scheint.
Noch weniger Hindernisse gäbe es wohl, wenn sich Leipzig und Halle und deren Umgebung zu einer ge-meinsamen Kommune zusammen-schließen würden, weil erst dann ei-ner gemeinsamen Kooperation auch ein gemeinsamer Gewinn gegen-überstehen würde. Ein solcher Schritt scheint durchaus möglich, wird auch
schon das ein oder andere Mal laut ange-dacht, liegt aber wohl noch in wei-ter Ferne, so dass eine ernsthafte Anstrengung in diese Richtung noch von niemandem in Angriff genom-men wird. So lange die Landesgren-ze die Region teilt, gibt es auch zu-vor ein noch größeres Hindernis zu überwinden. Gerade in Halle ist das Streben nach einer Orientierung in Richtung Leipzig stark ausgeprägt, weil man sich hier von der Landes-regierung und dem Landtag im Stich gelassen fühlt. Die herbeigesehnten Eingemeindungen, die Leipzig schon längst hinter sich hat, sind mit aller Macht politisch verhindert worden und auch angekündigte anderwei-tige Ausgleiche blieben weitestge-hend aus.
Was brächte aber ein solcher Zu-sammenschluss mit sich: zunächst einmal eine Menge nationaler und eventuell sogar internationaler Aufmerksamkeit, denn zumindest Leipzig ist keine unbekannte Größe in Europa. Dann natürlich eine ein-heitliche Verwaltung, ein gemein-sames Nahverkehrsunternehmen, gemeinsame Stadtwerke, ernsthafte Kooperationen in der Kultur und bei den Universitäten, verbunden mit der Reduzierung von Doppelstruk-turen. Und natürlich eine Einwoh-nerzahl von rund 950.000, also fast einer Million auf einer Gesamtfl äche von über 1.300 km², was die neue Stadt zur Nummer 5 in Deutschland machen würde.
Zukunftsmusik? Derzeit mit Si-cherheit ja! Langfristig wird wohl aber kein Weg daran vorbei führen, wenn man die Region weiter entwi-ckeln und voranbringen will. Und so wird es vielleicht noch in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts gesche-hen, dass der Leipziger Löwe nach den halleschen Sternen greift – und wenn er nicht ganz rankommt, wer-den ihm die Sterne nach momenta-nem Stand wohl gerne etwas entge-genkommen!
NUMMER STADTBEZIRK EINWOHNER FLÄCHE in km²01 Leipzig 506.000 305,10 02 Halle 235.000 135,02 03 Merseburg 36.400 54,72 04 Markkleeberg 23.900 31,36 05 Taucha 22.700 48,69 06 Schkeuditz 21.700 132,64 07 Markranstädt 17.300 85,21 08 Bad Dürrenberg 14.900 52,91 09 Schkopau 11.000 90,68 10 Salzmünde 9.100 57.72 11 Kabelsketal 9.000 50,96 12 Hohenthurm 8.700 76,55 13 Landsberg 8.500 63,32 14 Leuna 8.200 35,89 15 Holleben 6.000 47,60 16 Götschetal 5.500 32,94 17 Günthersdorf 5.400 43,10
Leipzig-Halle - ferne Zukunftsmusik oder erreichbares Ziel? So oder ähnlich könnte sich das Gebiet einer gemeinsamen Doppelstadt gestalten. Die Stadt im Herzen eines möglichen mitteldeutschen Bundeslandes würde zu den größten Städten der Bundesrepublik zählen und sich nicht nur auf Grund ihrer zentralen Lage als neue Landeshauptstadt eignen. Natürlich bleibt diese Karte zunächst einmal Vision - aber das war ein geeintes Deutschland vor nicht allzu langer Zeit auch einmal (Grafi k: blick.punkt; Legende siehe Tabelle unten).
Tabelle. Beispielhafte Glie-
derung des Stadtgebietes
Leipzig-Halle in Stadtbe-
zirke mit Einwohner- und
Flächenangaben (Quelle:
Gemeindeverzeichnis, www.
destatis.de/gv/).
NEU DABEI IN DER SPD HALLE
heute: Hendrik Kreowsky, 26 Jahre, Rechtsreferendar
blick.punkt: Der Schritt in die SPD, ein bleibendes Moment?Kreowsky: Die Aufnahme zur Weih-nachtsfeier des Ortsvereins Halle-Mittel im Kinderheim Clara Zetkin empfand ich als sehr angenehm – und die bleibt auch in Erinnerung. Anson-sten war ich schon immer an vielen politischen Themen interessiert, da führte der Weg fast zwangsläufi g in die SPD.
blick.punkt: Welche Themen interes-sieren Dich besonders?Kreowsky: Ich halte bildungspoli-tische Fragestellungen für wichtig und interessant. Auch das Thema der Jugendkriminalität gehört diskutiert, auch wenn Roland Koch dieses The-ma falsch angeht.
blick.punkt: Bist Du gebürtiger Hal-lenser?Kreowsky: Nein, ich stamme aus der Altmark und bin im Rahmen mei-nes Studiums zugezogen. Ich sehe meinen Lebensmittelpunkt aber in Halle, schon deswegen, weil meine Partnerin auch hier lebt und wir noch dieses Jahr den „Bund fürs Leben“ eingehen.
blick.punkt: Was unterscheidet denn die Altmark von Halle?Kreowsky: Halle hat ein umfassendes Kulturangebot, das fällt sofort auf. Generell sind die Menschen hier offe-ner und weniger verschlossen.
blick.punkt: Wo werden wir Dich se-hen?Kreowsky: Momentan bin ich durch mein Referendariat in Magdeburg tätig, da ist die Zeit begrenzt. Ich will aber nicht nur stilles Mitglied sein, sondern aktiv am Geschehen teilneh-men.
Dann herzlich willkommen!
das Gespräch führteChristian Weinert
blick.punkt Halle | I/2008
Rund.Blick
DRITTER KULTURSTAMMTISCHDES KULTURFORUMS
DER SOZIALDEMOKRATIE
Am 26. Februar 2008 trafen sich unsere Genossen zum dritten Kultur-stammtisch der Sozialdemokratie im Operncafé der Oper Halle, um über den Abschlussbericht zum Thema „Kultur in Deutschland“ der Enquete-Kommission des Deutschen Bundes-tages zu reden. Hierzu waren einge-laden, der Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt J.-H. Olbertz, der Kul-turamtsleiter von Dessau-Rosslau G. Lambrecht, die Bundestagsvertreter der Enquete-Kommission aller Partei-en und der sächsische Landtagsvize-präsident G. Hatsch. Moderiert wurde der Abend von G. Kraus, Vorsitzender des AK Kultur der Stadtratsfraktion.
Unter anderem kamen folgende Themen zur Sprache: öffentliche Kultursubvention, diverse Einkunfts-möglichkeiten von Künstlern und Kul-tur als Identitätsstifter. Am meisten kochten die Emotionen bei den Zu-hörern hoch, als es um die geringen Jahresverdienste der selbständigen Kunstschaffenden ging, die derzeit bei etwa 11.000 Euro liegen. Das ist si-cherlich auch ein Thema für einen der nächsten Kulturstammtische. Doch Grundtenor des Abends blieb der Ruf nach einer schnellen Umsetzung des Kommissionsberichtes in die aktuelle Politik, um eine weitere Verödung der Kulturlandschaft in Deutschland zu verhindern und Künstler in Zukunft besser zu stellen.
von unserem KulturredakteurChristopher Kurzke
12
SCHWUSOS. Die größten Teils aus halleschen Schwusos bestehende Delegation aus Sachsen-Anhalt fuhr zur Bundeskonfe-renz nach Hamburg. Dabei wurde ein neuer Bundesvorstand gewählt, in dem auch Sachsen-Anhalt vertreten ist.
>> von Jens Abendroth, OV Halle-Mitte
Toleranz braucht Auseinandersetzung
Auf der Bundeskonferenz der
Schwusos mit über 100 Delegierten
vom 16. bis 17. Februar in Hamburg
präsentierte die sachsen-anhaltische
Delegation ihr Bundesland in der
Auseinandersetzung über ein neues
grundlegendes Arbeitspapier.
Nachdem auch im Stadtverband
Halle die Schwusos ihre Arbeit vor
zwei Jahren aufgenommen haben,
war dies die erste Gelegenheit, sich
mit den Vorstellungen und Werten
anderer Landesverbände auseinan-
der zu setzen. Zudem wurde ein neu-
er Bundesvorstand gewählt, in dem
auch Sachsen-Anhalt vertreten ist.
Die Erkenntnis, dass die sexuelle
Orientierung oft ein Grund für die
Ausgrenzung von Menschen ist, ist
nicht neu. Erstaunlich oft und deut-
lich muss diese Botschaft jedoch
immer wieder vermittelt werden, so
der Tenor der Bundeskonferenz. Auf-
gabe der politischen Organisationen
ist es dabei, die Bereiche öffentlicher
Einfl ussnahme so zu gestalten, dass
eine Gesellschaft sich weiter entwi-
ckeln kann.
Grundlagen sind ein Schulunter-
richt, in dem Homosexualität nicht
gleich nach Übertragungswegen für
HIV und Syphilis genannt wird und
ein Gesundheitssystem, welches
z.B. das Risiko der Übertragung von
Krankheiten im Rahmen der Blut-
spende nicht an der sexuellen Ori-
entierung der Spender sondern an
ihrem Sexualverhalten festgemacht.
Entgegen aller Integrationsbemü-
hungen war es das Anliegen gerade
vieler älterer Delegierter, dem An-
trag auf eigene Betreuungseinrich-
tungen für homosexuelle Pfl egebe-
dürftige zuzustimmen. Dies war für
uns schwer zu begreifen. In der fol-
genden Diskussion wurde uns dann
das Lebensgefühl derer vermittelt,
die eine Strafverfolgung aufgrund
ihrer sexuellen Orientierung erleben
mussten, die wir so - zum Glück - nicht
mehr erfahren mussten. „Wenigstens
im Alter möchten wir unsere Ruhe ha-
ben“, so einige Delegierte.
Dieser stille Rückzug ist ein Sym-
ptom für das eigentliche Problem
der Intoleranz. Starke Worte und
schwache Gesetze können sie nicht
abschaffen. Nur durch Fragen und
Zuhören kann man andere Perspek-
tiven erkennen und eigene Vorstel-
lungen erweitern. Ein klarer Auftrag
nicht nur für die Schwusos, sondern
für die ganze SPD.
An die Stelle der bisher 16 Bundes-
polizeipräsidien sind ab 1. März 2008
neun Bundespolizeidirektionen ge-
treten, die mit federführenden Auf-
gaben betraut werden. Die bisherigen
Bundespolizeipräsidien Pirna (Sach-
sen) und Halle (Sachsen-Anhalt und
Thüringen) werden in diesem Zusam-
menhang fusioniert – und am Stand-
ort Pirna zentriert.
Selbst wer im Kontext dieser Ent-
scheidung den Mantel des beken-
nenden Hallensers fallen lässt, wird
Zweifel an der Bestimmung hegen.
Allein ein Blick auf die Landkarte lässt
die Entscheidung höchst fragwürdig
erscheinen. Während Halle zentral
im geträumten Bundesland Mittel-
deutschland liegt, ist Pirna erst mit
einer großfl ächigen Durchfahrt von
Sachsen erreichbar.
Die Entscheidung gegen Halle er-
weckt aber auch einen in der Sache
stark bedenkenswerten Aspekt.
HALLE. Am 25. Januar 2008 hat der Bundestag das Gesetz zur Neuorganisation der Bundespolizei beschlossen und damit die Anzahl der Bundespolizeibehörden verringert sowie Aufgaben und Befugnisse neu verteilt – mit drastisch ungünsti-gen Folgen für Halle.
>> von Christian Weinert, Redaktion blick.punkt Halle
Bundespolizei verlässt Halle
Christoph Bergner, Parl. Staatssekre-
tär im Bundesinnenministerium bittet
im Bundestag um die Zustimmung
zur Neuorganisation und scheint die
heimatlichen Wurzeln vergessen zu
haben.
Wenn jedoch dieser gleiche Herr
Bergner seinen geographisch zu ver-
ortenden Ursprung sonst gern her-
vorhebt, muss die Frage aufgeworfen
werden, inwiefern ein Parlamentari-
scher Staatssekretär, dessen Ministeri-
um die Neuorganisation federführend
begleitet hat, ein solch desaströses
Ergebnis für den halleschen Wahlkreis
präsentieren kann – und Anregungen
der regionalen SPD zum Sachthema
Neuorganisation mit platten und res-
pektlosen Antworten garniert.
Sicher, die SPD hat dem Gesetzent-
wurf zugestimmt. Allerdings ist dabei
zu konstatieren, dass auf Betreiben
der halleschen Abgeordneten Christel
Riemann-Hanewinckel und der SPD-
Fraktion im Deutschen Bundestag zu-
mindest ein Revier für Halle gesichert
ist und der Standort nicht gänzlich
aufgegeben wurde.
Klar ist, Christoph Bergner kann sich
auf der einen Seite als Parlamenta-
rischer Staatssekretär bundespoli-
tischen Themen nicht verschließen.
Auf der anderen Seite ist er dennoch
einem regionalen Wählerauftrag ver-
haftet, den es nicht aus dem Blick zu
verlieren gilt. Er selbst hat in seiner
Rede vor dem Bundestag formuliert,
um die „regionalen Verpfl ichtungen
und Erwartungen“ zu wissen. Hier
darf zumindest die Frage aufgewor-
fen werden, inwiefern Herr Bergner
diese „regionale Verpfl ichtung“ in
einer auch für Halle so wichtigen Ent-
scheidung kommentarlos außer Acht
gelassen hat und die Bedürfnisse ei-
ner ohnehin mit Problemen belaste-
ten Stadt nicht gänzlich unbeachtet
gelassen hat.
blick.punkt Halle | I/2008
Über.Blick 13
Donnerstag, 03. April 200818:00-20:30 Uhr in Halle:„Genmais, Gammelfl eisch, Gift im Spielzeug - wie schützen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher?“moderiert von Christian Weinert
Dienstag, 08. April 2008, 18:00-20:30 Uhr in Halle: „Mehrgenerationenwohnen – Zweckgemeinschaft oder neues Familien- und Gesellschaftsmodell?“
Dienstag, 22. April 2008,18:00-21:00 Uhr in Halle:„Ei des Kolumbus oder Humboldts Bankrott? Die Bachelor-Master-Reformen und ihre Resonanz“
Dienstag, 27. Mai 2008,18:00-20:00 Uhr: „Geschmiert, gedopt, gekauft – Geht´s auch sauber im Sport?“Podiumsdiskussion mit Sylvia Schenk (Vorsitzende Transparency International) in Kooperation mit der Stadt Halle (Saale) und der Martin-Luther-Universität
KONTAKT:www.fes.de/magdeburg
DRESDEN. Am 9. März 2006 hat die Mehrheit des Dresdner Stadtrates den Beschluss gefasst, die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBA Dresden GmbH an Fortress zu verkaufen. 981 Millionen Euro bot der amerikanische Finanzinvestor – für viele ein unwiderstehliches Angebot.
>> von Sabine Friedel, SPD-Stadträtin in Dresden
Wohnungsverkauf in Dresden - eine Bilanz
Im Vorfeld des Beschlusses gab es Hoffnungen und Ängste. Ein Bür-gerbegehren gegen den vollstän-digen Verkauf scheiterte knapp. „Eine Grundsatzentscheidung für Dresden“ wurde der Verkauf in der Debatte des Rates genannt, über die regionale Presse hinaus fand das „Vorbild“ bzw. der „Tabubruch“ Dresden Beachtung. Nach dem Ver-kauf hat sich das Bild im Dresdner Stadtrat geändert: Die SPD-Fraktion hat gegen den Verkauf gestimmt. Sie verlor ein Mitglied (im Gegensatz zum Rest der Fraktion ein Befürwor-ter des Verkaufs) und gewann ein Mitglied (im Gegensatz zu dessen damaliger Fraktion ein Gegner des Verkaufs). Einen besonders tiefen Riss hinterließ die Entscheidung in der Dresdner Linkspartei, die nun mit zwei Fraktionen im Rat vertreten ist. Seither sind zwei Jahre vergangen. Mieterschutz, Stadtentwicklung, Schuldenfreiheit - die Bilanz über all diese Themen fällt gemischt aus.
Die Landeshauptstadt Dresden ist schuldenfrei. Mit dem Verkaufser-lös wurden alle Verbindlichkeiten getilgt. Runde 40 Millionen Euro Zinsen, die bis dahin jährlich zu zah-len waren, können nun dem Ver-mögenshaushalt zugeführt und für Investitionen verausgabt werden. Das ist einerseits gut: Schulen und Kindertagesstätten, die seit den 90er Jahren von CDU und FDP ver-nachlässigt wurden, werden jetzt saniert. Kluge Entscheidungen und eine vernünftige Prioritätensetzung hat die Schuldenfreiheit trotzdem nicht automatisch hervorgebracht: Noch immer spielen Großprojekte und Mammutinvestitionen (Wald-schlößchenbrücke) die Hauptrolle, noch immer werden Freibäder ge-schlossen und Bibliotheksgebühren erhöht. Seltsamerweise hat so die Schuldenfreiheit zwar tatsächlich eine Entspannung für den Verwal-tungshaushalt gebracht, aber poli-tisch eine Fixierung auf den Vermö-genshaushalt nach sich gezogen. Schuldenfreiheit ist für die Rats-mitglieder der „WOBA-Koalition“ von CDU, FDP, Bürgerfraktion und Linksfraktion (die „Verkäufer-Links-fraktion“) zu einem Wert an sich ge-worden; die Dresdner Hauptsatzung wurde gar mit einem Schuldenver-bot versehen. Momentan droht das Soziale in der Stadt vernachlässigt zu
werden: das Haus für Straßenkinder, der Reiterhof im Problemviertel, der islamische Kulturverein – alle hören immer wieder, dass ihr Anliegen nicht unterstützt werden kann, da sonst die Schuldenfreiheit gefährdet wäre.
Formal existiert die WOBA Dres-den GmbH noch. Wahrscheinlich zu-mindest, denn ganz genau weiß das niemand. Das Unternehmen fi rmiert als Gagfah Group, auch in Dresden. In den Geschäftsberichten der Hol-ding werden die Dresdner Bestände konsolidiert ausgewiesen. Die Be-teiligungsverwaltung der Landes-hauptstadt Dresden, eigentlich für das Vertragscontrolling zuständig, scheint sich auf das Abheften der Gagfah-Pressemitteilungen zu be-schränken. Die Presse- und Öffent-
lichkeitsarbeit wird von einer Agen-tur in Frankfurt am Main betreut, das operative Geschäft von der Esse-ner Konzernzentrale aus gemanagt. Für die Mieter steht eine Hotline zur Verfügung, die von einem Call-Center in Köln betreut wird. Ob sich die WOBA/Gagfah, mit 17 Prozent Marktanteil immerhin der größte Vermieter der Stadt, auch künftig an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt, ist derzeit ebenso Gegen-stand von Verhandlungen wie das Engagement bei Stadtentwicklung und Stadtumbau.
Die Verkaufsbefürworterin und „Mutter der Sozialcharta“, Stadträtin Christine Ostrowski, ist mittlerweile aus der Linkspartei ausgetreten und
als Immobilienmaklerin, unter an-derem für die Gagfah Group, tätig. Ein Mieterparadies werde durch die Sozialcharta geschaffen, erklärte sie ihr Engagement für den Verkauf. Auf den zweiten Blick ist das Paradies durchschnittlich – im Sinne des Wor-tes: Die Sozialcharta begrenzt zwar die Möglichkeiten zur Erhöhung der Kaltmiete, um maximal drei Prozent dürfen die Mieten steigen. Aller-dings: im Durchschnitt des Gesamt-bestandes. Bei 48.000 Wohnungen in ganz Dresden sind Mieterhöhun-gen von 10 bis 15 Prozent bei einzel-nen Haushalten durchaus möglich und oft auch geschehen. Während das Unternehmen, als es noch städ-tisch war, pro Jahr in ca. 1.500 Woh-nungen die Mieten moderat anhob, schaffte die Gagfah-WOBA dieselbe Anzahl allein in den ersten drei Mo-naten des Jahres 2007. Gleichfalls deutlich angestiegen sind die Mie-ten der ca. 5.000 Gewerbeeinheiten: neben gut laufenden Restaurants und Geschäften in der Innenstadt oft auch kleine Lebensmittelläden, Nähereien oder Eisenwarengeschäf-te in den Stadtteilen. Das alles ist nur durch viel Mühe, Fragen und Re-cherche zu erfahren, da nach der Pri-vatisierung nun keinerlei Informati-onspfl ichten mehr bestehen. Die Stadtverwaltung scheint das kaum zu kümmern: „Eine Erfassung der Anzahl der Mieterhöhungen scheint in Auslegung der Sozialcharta nicht angebracht, da eine zahlenmäßige Begrenzung der zulässigen Mieter-höhungen nicht vereinbart wurde“, lautet die Antwort auf unbequeme Anfragen.
Was also bleibt? Einerseits eine schuldenfreie Stadt, mit all den Vor-teilen und Möglichkeiten, die sich dadurch bieten. Andererseits ein Marktführer, dessen strategische Ziele nicht mehr von der Stadt und ihren Ratsmitgliedern, sondern von Fondsverwaltern formuliert werden. Eine Frage der Risikofreude sei der Verkauf, so formulierten es die Be-fürworter in der Ratsdebatte. Es sind die Rücken der Dresdner Mieter, die das Risiko tragen müssen.
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe: „Konsolidierung mit Augenmaß - SPD-Fraktion im halleschen Stadtrat ver-hindert Komplettverkauf des kommu-nalen Wohnungseigentums“.
Sabine Friedel - Sprecherin für Haushalt und Fi-nanzen sowie Jugendpolitik der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat und Stadtvorsitzende der SPD in Dresden (Foto: SPD-Fraktion Dresden).
blick.punkt Halle | I/2008
Über.Blick
WIR SEHEN UNS...
SPD
07.-11. April 2008Parteischulwoche
in Halberstadt
13. April 2008Quartalswandern
der Jusos mit der AG 60plusnach Ferropolis
16. April 2008gemeinsame Veranstaltung
der AsJ, der AfB und der Jusoszum Thema „Jugendkriminalität“
mit Justizministerin Angela Kolb
01. Mai 2008Tag der Arbeit
wie immer auf der Peißnitz
16.-18. Mai 2008Klausurtagung der Jusos
in Schierke/Harzu.a. mit Jens Bullerjahn
21. Mai 2008vorauss. 18: 00 Uhr in Halle
„Prävention oder Panikmache - wiereformieren wir das Blutspenderecht?“
Podium der Schuwusos Halleu.a. mit Gerlinde Kuppe
30. Mai 2008unser SPD-Hoffest
der alljährliche Schlager
HALLE
12. April 2008, 20:15 Uhr Halle/Messe
„Verstehen Sie Spaß“
19. Juni – 06. Juli 2008Kulturinsel und ganz Halle
„Theater der Welt“ in Halle unter dem Motto „Komm! Ins Offene“
05. Juni – 15. Juni 2008„Händelfestspiele“
in Halle unter dem Motto „Geistige Musik im profanen Raum. Von La Resurrezione zum Messiah“
01., 03., 04. Mai 2008jeweils 14:30 Uhr
Goethe-Theater Bad Lauchstädt„Die Zauberfl öte“
von Wolfgang Amadeus Mozart
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SPD. „Die Sozialdemokratie muss an der Utopie einer sozialen Ordnung ohne Ausbeutung, ohne Erniedrigung, ohne Not und an der Vorstellung von einer Gesellschaft der Freien und Gleichen festhalten, in der die freie Entwicklung eines und einer jeden die Bedingung für die freie Entfaltung aller bleibt. Die Sozialdemokratische Partei wäre zu wenig nütze, wenn sie die reelle Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft nicht hätte und nicht weitertrüge.“ Mit diesen Worten ermahnte Willy Brandt seine SPD, nicht allzu lange vor seinem Tod, diese unsere Geschichte prägende Idee des Demokratischen Sozialismus nicht aufzugeben.
>> von Wolfgang Eichler, Landesvorstandsmitglied SPD Sachsen-Anhalt
Zum Begriff des Demokratischen Sozialismus
Der Begriff des Demokratischen Sozialismus ist ein Synonym für die Vorstellung einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in ihrer Einheit ver-wirklicht sind. Diese Vision verlangt eine Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerli-chen, politischen, sozialen und wirt-schaftlichen Grundrechte für alle Menschen gleichermaßen garantiert sind, alle Menschen ein Leben ohne Unterdrückung und Gewalt, also in sozialer und menschlicher Sicherheit führen können.
Konservative haben versucht, die SPD wegen ihres Festhaltens am De-
mokratischen Sozialismus zu diffa-mieren, indem sie suggeriert haben, unsere Vision mit gesellschaftlichen Verhältnissen vor 1989 im Ostblock in Verbindung zu bringen. Wir können aber selbstbewusst argumentieren, dass das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung das Konzept des Demokratischen Sozialismus gerade nicht widerlegt, sondern die Orientierung der Sozialdemokratie an ihren Grundwerten eindrucksvoll bestätigt hat. Wir haben allen Anlass, die in sozialdemokratischer Tradition geprägten Begriffe nicht anderen zu überlassen.
In welchem Verhältnis stehen De-mokratischer Sozialismus und Sozi-
ale Demokratie zueinander? Soziale Demokratie ist ein Name für ein richtungspolitisches Programm, das aus den jeweils bestehenden gesell-schaftlichen Verhältnissen im Sinne der Leitidee des Demokratischen So-zialismus formuliert werden muss. Deshalb braucht die SPD von Zeit zu Zeit ein neues Grundsatzprogramm. Wir haben also auf der einen Seite mit dem Demokratischen Sozialis-mus eine zeitlich unabhängige, das heißt unveränderliche Vision, auf der anderen Seite mit der Sozialen Demokratie ein Programm für die nähere Zukunft. Ab und zu ein Blick ins Hamburger Programm hilft uns bei unserer politischen Arbeit.
BUND. In Sorge um die weitere Entwicklung der Deutschen Bahn AG und damit des größten Arbeitgebers in Sachsen-Anhalt hatte sich der Ortsverein Nordost mit einem Antrag zum Bundesparteitag gegen die Bahnprivatisierung in der damaligen von Bundesminister Wolfgang Tiefensee geplanten Form gewandt.
>> von Detlef Wendt, OV Halle-Nordost
Wie weiter mit der Bahn?
Das große Interesse an diesem
Thema zeigten über 30 Anträge mit
ähnlichem Inhalt. Da sich im Vorfeld
bereits elf Landesverbände gegen
die angedachte Form der Privatisie-
rung ausgesprochen hatten und in
den Medien die Absurdität des ur-
sprünglich geplanten Börsenganges
mit einer Quasi-Verschleuderung von
Staatseigentum an private Inves-
toren dargestellt wurde, war unser
Bundesvorstand weise genug einen
bereits abgemilderten Initiativantrag
zur Privatisierung (Stichwort: stimm-
rechtlose Vorzugsaktie) in Hamburg
einzubringen. Doch die Stimmung
im Saal verhieß auch hier wenig Be-
geisterung, vielmehr zeigte sich gro-
ße Zustimmung, als Peter Conradi
(MdB 1972-1998) in einer klaren Rede
eine Privatisierung grundsätzlich
ablehnte und die längst überfällige
verkehrspolitische Führung der Bahn
durch den Bund forderte: „Mehdorn
und sein Aufsichtsrat tanzen dem
100%-Eigentümer so auf der Nase
herum, wie das in keinem anderen
Unternehmen in diesem Land mög-
lich wäre.“ Nur mit seinem ganzen
politischen Gewicht konnte Kurt Beck
zwischen völliger Ablehnung (Inhalt
eines Antrages aus Berlin) und dem
Antrag des Vorstandes vermitteln
und somit dessen Gesicht wahren.
Erstaunlicherweise arbeiten zwei
Bundesminister gegen den in Ham-
burg beschlossenen Wunsch der
Parteimehrheit: Steinbrück und Tie-
fensee haben mit dem Bahnvorstand
ein Holdingmodell erarbeitet, dass
die folgenden zentralen Punkte des
Parteitagsbeschlusses missachtet: (1)
Keine Trennung von Zügen und Netz,
also keine Zerschlagung der Bahn. (2)
Wenn privates Kapital, dann in Form
stimmrechtsloser Vorzugsaktien.
Im geplanten Holdingmodell soll es
eine Netz-, Transport- und Logistik-
Holding geben, zudem sollen normale
Aktien akzeptiert werden. Außerdem
besteht die Ansicht, dieses Holding-
modell müsse nicht vom Bundestag
beschlossen werden, sondern nur
vom Vorstand der Bahn AG - all dies
im Gegensatz zu den in Hamburg ge-
fassten Beschlüssen.
Fehlendes Kapital und die Öffnung
des europäischen Marktes werden
„gebetsmühlenartig“ als Gründe
für eine Privatisierung genannt. Da-
bei hätte die Bahn genug Kapital,
wenn sie nicht im Stile eines „Glo-
bal Players“ weltweit Unternehmen
aufkaufen würde. Die Bahn ist laut
Grundgesetz Teil der Daseinsvorsor-
ge. Vielleicht schauen die Manager
der Bahn, die zum großen Teil aus der
Flugzeugindustrie kommen, einmal
kurz Richtung Schweiz: Dort zeigt
eine Staatsbahn, dass auch ohne Pri-
vatisierung effi zient und erfolgreich
gewirtschaftet werden kann. Kun-
denbindung statt Schnäppchenjagd
bestimmt dort die Preisgestaltung.
Also, Genossen, bleibt wachsam,
noch ist die Privatisierung der Bahn
nicht vom Tisch - sonst wird sich DIE
LINKE daran laben!
blick.punkt Halle | I/2008
Über.Blick
THEATER DER WELT
Theater der Welt wurde 1981 vom deutschen ITI (Internationales Theater Institut) begründet. Alle drei Jahre präsentiert das Festival richtungweisende Entwicklungen und Leistungen des Theaters nicht nur aus Deutschland, sondern aus aller Welt. Dass die Stadt Halle in diesem Jahr Gastgeberin ist, ist eine Überraschung, denn bisher fand das Festival in Großstädten wie München oder Köln mit hohen Budgets für die Theaterlandschaft statt. In der Zeit vom 19. Juni bis 06. Juli 2008 wird die Theaterwelt in Halle zu Gast sein und auf unsere Stadt schauen. Die künstlerische Leitung wird bei nt-Intendant Christoph Werner liegen.
„Komm! Ins Offene“ ist das Motto des Festivals. Dabei handelt es sich um ein Zitat des Dichters Friedrich Höderlin, welches gut zur Intension des Festivals passt. Auf der einen Seite die Aufforderung, wieder mal ins Theater zu gehen und gemeinsam etwas vielleicht Neues zu erleben und auf der anderen Seite ein Ziel, welches viel versprechend ist und verlockend.
Uns erwartet ein Programm, welches von 500 Künstlern aus fünf Kontinenten gestaltet wird, 18 Tage, 18 verschiedene Spielstätten, Premieren, Uraufführungen und andere noch nicht in Halle gewesene Superlative. Als Bühne werden nicht nur die „Bretter“ des nt dienen, sondern die gesamte Stadt inklusive der Franckeschen Stiftungen, Oper, Stadtgottesacker, Halle-Neustadt und Kurt-Wabbel-Stadion. Auch Halloren, Hallenser und Hallunken werden die Chance haben, aktiv in das Treiben einzugreifen.
Natürlich wird das Programm des Festivals vielfältig sein, trotzdem sei eine Aufführung exemplarisch erwähnt. Das Kurt-Wabbel-Stadion wird eine „One-Man-Show“ erleben. 34 Jahre nach dem Fußballklassiker BRD - DDR bei der WM´74 wird ein Künstler die Wege des Jürgen Sparwasser nachgehen, die er auf dem Rasen damals gegangen und gelaufen ist. Die Zuschauer haben die Möglichkeit an einem Transistorradio den Kommentatoren der DDR und der BRD zu lauschen und natürlich dem Aktiven auf dem Rasen zuzujubeln, ihn anzufeuern und mit ihm mitzufi ebern, auch wenn das Ergebnis jedem bekannt ist.
von Katharina Hintz
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Über die beiden zentralen Aspekte
des EEG haben sich natürlich insbeson-
dere die großen deutschen Energiever-
sorger intensive Gedanken gemacht
und deshalb gemeinsam ein Konsor-
tium gebildet, die Deutsche Energie
Agentur, kurz DENA. Die DENA hat
eine wissenschaftliche Studie anferti-
gen lassen, die sich damit beschäftigt
darzustellen, bis wann welche regene-
rativen Leistungen zu entwickeln sind,
um die Vorgaben aus dem EEG zu er-
reichen.
Die momentan wichtigste regenera-
tive Energiequelle ist die Windenergie.
Hier lag die Leistung im Jahr 2007 bei
ungefähr 21 Gigawatt (GW). Im Jahr
2020 sollen es ca. 54 GW sein. Wer jetzt
an dieser Stelle erschrickt und denkt,
dass in gut zehn Jahren niemand mehr
den Wald vor lauter Windanlagen
sieht, dem sei gesagt, dass es nur noch
einen geringen Ausbau von Onshore-
Anlagen geben wird. Dies liegt daran,
dass die für Windkraftanlagen geeig-
neten Flächen weitestgehend belegt
sind. Der Energiezuwachs wird durch
Offshore-Anlagen in der Nord- und
Ostsee erreicht. Eine weitere Erhöhung
wird durch das so genannte „Repowe-
ring“ erreicht. Dies sind Effi zienzstei-
gerungen durch den Austausch alter
Anlagen durch neue leistungsstärkere
Anlagen.
Weitere wesentliche regenerative
Energien sind die Photovoltaik, Was-
serkraft und Biomasse. Zum Vergleich:
Ein durchschnittliches Kernkraftwerk
erzielt ca. 1 GW und ein Kohlekraft-
werk liegt ebenfalls bei knapp 1 GW.
Allerdings ist der Nutzungsgrad bei
Kraftwerken wesentlich höher.
Die Einspeisung von Windenergie
erfordert Ausbaumaßnahmen in das
Hoch- und Höchstspannungsnetz.
Windenergieanlagen befi nden sich
aber in Regionen mit geringerem
Strombedarf. Hier müssen Leitungen
errichtet werden, um den Strom in
Regionen mit hohem Energiebedarf
zu transportieren. Ebenso muss für die
Einspeisung von Windenergie - insbe-
sondere bei Starklast - eine Verletzung
des (n-1)-Kriteriums vermieden wer-
den, welches als Kriterium zur Netz-
sicherheit defi niert worden ist und
besagt, dass zu jeder Zeit ein elektri-
sches Betriebsmittel, Transformator,
Leitung oder Kraftwerk ausfallen darf,
ohne dass es zu einer Überlastung ei-
nes anderen Betriebsmittels kommen
darf oder gar zur Unterbrechung der
Energieversorgung.
Bis in das Jahr 2010 sind 460 km Neu-
bau und bis 2020 sogar 1900 km Neu-
bau von 380-Kilovolt-Trassen geplant.
Netzverstärkungen bestehender Tras-
sen werden bis 2020 bei ca. 850 km
liegen. Bis 2020 werden hierfür Kosten
von ca. 3 Milliarden Euro anfallen. Mei-
ner Meinung nach werden sich diese
Kosten aber wesentlich erhöhen. Zum
einen wird der Stahlpreis weiter stark
steigen und zum anderen werden die
Kosten aus Umplanungen durch die
Genehmigungsverfahren höher sein
als kalkuliert.
Der weitere Ausbau der Windenergie
- und anderer regenerativer Energi-
en - wird auch zukünftig einen hohen
Aufwand in die Netzerweiterung und
Sanierung erforderlich machen. Nach
2015 könnte dann sogar bei Stark-
wind und geringem Strombedarf die
Netzlast geringer sein, als die ins Netz
eingespeiste Windenergieanlagenleis-
tung einschließlich der sonstigen rege-
nerativen Erzeugungen. Dies bedeu-
tet, dass aus Sicht der Leistungsbilanz
gemäß EEG-Vorrangregelung die kon-
ventionellen Erzeugungseinheiten so-
gar vollständig vom Netz genommen
werden müssten. Wie sich aber jeder
vorstellen kann, ist die Schwankung
der Stromerzeugung zwischen Stark-
wind und Flaute extrem hoch. Zur Aus-
gleichung bedarf es auch zukünftig an
Kraftwerken. Man kann es als Reserve
für „schlechte Zeiten“ ansehen.
Die Form und Art der Kraftwerke ist
politisch durchaus diskutierbar. Eine
komplette Stromversorgung ohne
Atomkraft ist realistisch. Ob in dem
politisch beschlossenen Zeitrahmen
(bis 2021), ist aus heutiger Sicht aber
fraglich und sollte in vernünftiger Art
und Weise diskutiert werden. Kohle-
kraftwerke bieten eine Alternative zur
Atomenergie. Kurzfristig müssen alte
Anlagen ersetzt werden, um CO2-Emis-
sionen weiter zu reduzieren. Moderne
Anlagen können und werden eine sinn-
volle Ergänzung zur Windenergie sein,
denn ganz ohne Kraftwerke wird auch
in den nächsten Jahrzehnten unsere
Energieversorgung nicht funktionieren.
Angedachte CO2-freie Kraftwerke
sind durchaus kritisch zu betrachten.
Hier sollen mittels CO2-Erdleitungen
die Gase in Salzstöcken transportiert
und gelagert werden. Es gibt aber
planungstechnisch keine rechtlichen
Grundlagen der Zwangseinweisung
bzw. Enteignung von Grundstücksei-
gentümern, die vom Leitungsverlauf
betroffen wären. Solche Leitungen be-
kommt man also nach jetzigem Geset-
zesstand überhaupt nicht gebaut!
Zur Atomenergie ist anzumerken,
dass hier eine gesamteuropäische Lö-
sung angestrebt werden muss, denn
auch Strom - v.a. Atomstrom! - wird
aus unseren Nachbarländern impor-
tiert. Hier ist sicherlich die Politik ge-
fordert. Also auch wir!
BUND. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ist mit zwei wesentlichen Aspekten verabschiedet worden. (1) Zum einen soll der Anteil an regenerativen Energieerzeugungen auf bis zu 50% im Jahr 2050 gesteigert werden und (2) zum anderen sollen und muss der CO
2 Ausstoß reduziert werden.
>> von Rainer Koehne, OV Halle-Nordost
Das Erneuerbare Energien Gesetz
blick.punkt Halle | I/2008
Tief.punkt
DIE AUTOREN
Gernot BorrissVors. SPD-Stadtverband Leipzig
Sabine FriedelSPD-Stadträtin in Dresden
Vors. SPD-Stadtverband Dresden
Ulrich StockmannMitgl. d. europ. Parlaments
Rüdiger FikentscherOV Halle-Nordost
Landtagsvizepräsident
Barbara HöckmannVors. AWO-OV Halle Nord
Thomas FelkeOV Halle-Neustadt
Landtagsabgeordneter
Wolfgang EichlerSPD-Landesvorstand
Christian WeinertOV Halle-Mitte
Vorstand Schwusos Halle
Marcus SchlegelmilchOV Halle-Nordwest
Koordinator Juso-AG Rechts
Felix PeterOV Halle-Mitte
Vors. AG für Bildung
Katharina Hintzstellv. Vors. OV Halle-Mitte
Beisitzerin im Stadtvorstand
Ivo GorischOV Halle-Mitte
Jens AbendrothOV Halle-Mitte
Klaus-Dieter WeißenbornVors. OV Halle-Neustadt
Christopher KurzkeOV Halle-Nordwest
Beisitzer im Stadtvorstand
Detlef WendtOV Halle-Nordost
Rainer KoehneBeisitzer OV Halle-Nordost
Andrej StephanOV Halle-Nordost
Vors. Jusos Halle
Norwin DornOV Halle-Neustadt
Vors. AG60plus
Mario KerzelOV Halle-Nordost
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BUND. Schon in den ersten Stunden der Affäre um Ex-Postchef Klaus Zumwinkel und das Steuerparadies Liechtenstein bemühte sich Guido Westerwelle, die allseits bekannte liberale „One-Man-Drei-Groschen-Oper“, vor die Presse, um mit einem richtig schlechten Witz die (für ihn) rhetorische Frage zu stellen, ob man Steuerhinterzieher denn nun lebenslänglich hinter Gitter sperren wolle.
>> von Andrej Stephan, Redaktion blick.punkt Halle
Steuerpolemik
Der Westerwelle-Kommentar ziel-
te aber, wie andere Schnellschüsse
auch, am eigentlichen Problem mei-
lenweit vorbei: Schlussendlich geht
es doch wohl darum, dass das Zah-
len (oder Nicht-Zahlen) von Steuern
in Deutschland von einigen als läs-
tige Pfl icht begriffen wird, der man
sich nach Möglichkeit mehr oder
minder gekonnt entzieht, von ande-
ren aber als Anknüpfungspunkt für
Populismen genutzt wird, die nach
dem Prinzip der Wetterfahne ent-
standen zu sein scheinen.
Vom rechtskonservativen Rand des
Parteienspektrums ist zu hören, das
deutsche Steuerrecht müsse jetzt
endlich entwirrt und entspannt
werden, natürlich unter Einschluss
gewaltiger Absenkungen der Steu-
ersätze, dann würde auch bereit-
williger bezahlt. Vom anderen Rand
ist zu hören, hier lasse sich wieder
idealtypisch der Geist des Kapita-
lismus und seiner Ikonen schauen:
Parasiten, Ausbeuter und Antisozia-
le, Betrüger, Schurken, Schergen des
Profi ts und Schwindler, soweit das
Auge reicht.
Alles Humbug, alles künstliche
Aufregung – eine Debatte zum Ab-
gewöhnen also? Nicht ganz! Der Ek-
lat um die Möglichkeit, in Deutsch-
land erwirtschaftetes Geld in Liech-
tensteiner Stiftungen zu deponieren
(oder sich damit nach Monaco oder
in die Schweiz abzusetzen; die Nie-
derländer, weil wir bekanntlich eu-
ropäisch denken, bevorzugen hin-
gegen ihre ehemaligen Kolonien in
der Karibik; die Briten auch), unter-
streicht ein deutsches Mentalitäts-
problem in zweierlei Hinsicht: Zum
einen besteht in einigen Fällen in der
Tat der Unwillen, zum Gemeinwesen
(von dem man auch profi tiert oder
profi tiert hat; beim Studium etwa)
als starke Schulter beizutragen – zum
anderen spiegelt die ganze Steuerge-
schichte beispielhaft den deutschen
Hang, neidtriefend und hasserfüllt
gegen „die Wirtschaft“ oder „die
Manager“ zu hetzen, obwohl das
Geschehen um Zumwinkel (sicher
nur eine Eisbergspitze) doch selbst
in größeren Ausmaßen zu nicht
mehr Anlass gibt als zum Ärger dar-
über, wie sich Einzelpersönlichkeiten
(zum Zeitpunkt: etwa tausend), die
eigentlich Vorbildcharakter haben
müssten, an Prinzipien versündigen,
die man für etabliertes gesellschaft-
liches Gemeingut hielt.
Natürlich macht es keinen Spaß,
große Teile von zum Teil unter frag-
würdigen Bedingungen erwirtschaf-
teten Einkünften oder Vermögen an
einen Peer Steinbrück abzweigen zu
müssen. Eine Rechtfertigung, die-
se Vermögen in die so genannten
Steueroasen abzuzweigen, liegt hier
nicht. Sondern in der Tat der Hang zu
dem, was Hubertus Heil neue Anti-
Sozialität genannt hat. Manche der
Erwählten und Erleuchteten schei-
nen ihre sportlichen Ambitionen
beim Hinter-die-Fichte-Führen des
Fiskus schon länger zu pfl egen als
die Union schwarze Kassen.
Viel weniger aber liegt hier noch
ein vernünftiger Grund für Häme,
Neid und Frustabbau: Die Bundesre-
publik Deutschland braucht wohl in
der Tat eine Debatte darüber, warum
hier von wem und in welchem Um-
fang Steuern zu zahlen sind.
Deshalb: Aus der Diskussion um
die Steuerhinterziehungen und um
Liechtenstein gehört ganz schnell
die heiße Luft gelassen, das Kernpro-
blem liegt anderswo – Deutschland
versteht sich auch 2008 noch nicht
als eine Solidargemeinschaft, in der
das gemeine SPD-Mitglied gern lebt,
arbeitet und politisiert, sondern ist
im Gegenteil auf einem perversen
Ego-Trip, dessen Intensität noch zu-
zunehmen scheint.
Bestimmt muss über kurz oder
lang das deutsche Steuerrecht ent-
krampft werden (auch wenn dann
Dutzende rechtswissenschaftlicher
Verlage um ihre Existenz fürchten
müssen); Die Berechtigung des Rufs
nach Steuersenkungen erschließt
sich dem gemeinen Sozi und/oder
Juso aber nicht: Wohltaten werden
gewährt, wenn wir uns das leisten
können. Bis dahin sind 1500 Milliar-
den Staatschuld aber immer wieder
ein schlechtes Gewissen.
Für alle, die nicht willens sind, dazu
beizutragen, auch wenn ihr indivi-
duelle Beitrag höher sein muss als
jener vom Fließbandarbeiter in Ei-
senach oder von Kurt Becks sprich-
wörtlichen Frisörinnen und Dach-
deckern, kann es nur eine Option
geben: Den konsequenten Abschied
aus Deutschland und der Wegzug
an schönere Plätze (die gibt es si-
cherlich) unter Wechsel der Staats-
bürgerschaft. Für alle, die Michael
Schumacher und Boris Becker besser
leiden können als der Autor, hieße
das aber auch das Ende einer uner-
träglich verklärenden und betäu-
benden Ikoneninszenierung durch
Bild und RTL. Ein Verlust?