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www.neues-deutschland.de twitter.com/ndaktuell Postvertriebsstück / Entgelt bezahlt Einzelpreise Ausland: Österreich Mo-Fr 1,70 EUR/Sa 2,00 EUR Slowakei 1,80/2,10 EUR Tschechien 61/71 CZK Polen 6,60/9,50 PLN ISSN 0323-4940 66. Jahrgang/Nr. 222 Berlin-Ausgabe 1,50 Sozialistische Tageszeitung Donnerstag, 22. September 2011* * Robin Hoods Erben Ein Paukenschlag: 1000 Fachleute aus globaler Wissenschaft, Politik und öffent- lichen Institutionen fordern vom nächsten G20-Gipfel die Einführung einer Steuer zur Eindämmung der Spekulation. Seite 2 Grünliches Glitzern Spitzen-Ökos wie dem Stuttgarter Regie- rungschef Kretschmann gefällt die Frank- furter Automesse inzwischen. Tatsächlich aber dominiert weiterhin der große Ver- brennungsmotor. Seite 3 Literatur im ND Vom Nürnberger Internationalen Militär- tribunal bis zum Internationalen Strafge- richtshof – eine spannende Geschichte. Von Bachmann bis Kronauer – deutsche Literatur vom Feinsten. Seiten 16 und 17 Standpunkt Vom Himmel hoch, da ... Von Markus Drescher ... kommt er her. Nein, weder ein Engel noch der Heilige Geist, Jesus oder gar dieser Gott schweben ein. Nur der Stellvertreter landet – in Berlin-Tegel. Benedikt XVI., aus Funk, Fernsehen, Presse und Flug- blatt auch bekannt als Heiliger Va- ter, Papa Ratzi oder Hitlerjunge Ratzinger. Nichts weniger als ein Wunder werden Hauptstadt und Republik erleben. Gleich Moses einst das Ro- te Meer wird unser »Bild«-Zeitung- wir-sind-Papst die Bevölkerung in – da setzt er noch einen drauf – drei Teile teilen: die Ehrfurchtsvollen, die Papstgegner und die Desinte- ressierten. Paradoxerweise sind Letztere dieser Tage die Seeligen, schalten einfach um, blättern wei- ter, können den medialen Glauben- Nichtglauben-Krieg an sich vorbei- ziehen lassen. Die anderen aber – Inquisition lässt grüßen. Kleinkariert, schäbig, beschä- mend – so schallt es denen entge- gen, die nicht glauben wollen. Und auch jenen, die trotz Glauben die Kritik an katholischer Sexualmoral, Kondomverbot, mittelalterlichem Geschlechterverhältnis, fragwürdi- gem Geschichtsverständnis und Milde gegenüber einem Holocaust- leugner teilen oder einfach auf der Trennung von Staat und Kirche be- harren. Mancher Gläubige glaubt an viel, aber anscheinend nicht an freie Meinungsäußerung und De- monstrationsrecht. Bis zum 25. September noch ziehen Papstan- hänger und -kritiker rhetorisch zu Felde – die einen mit Gott, die an- dern mit Menschenverstand. Unten links Heute sind es noch genau 100 Tage, dann ist das Jahr 2011 Geschichte. Vermutlich wird Philipp Rösler jeden einzelnen davon am Kalender ab- streichen – und vergebens darauf hoffen, dass es 2012 aufwärts geht. Schließlich geht unter 1,8 Prozent beinahe nichts mehr. Aber 100 Tage sind dennoch eine lange Zeit. Da kann der Putsch der Parteibasis in Sachen Rettungsschirm den FDP-Chef eins, zwei, drei vom Stühlchen fegen. Da kann ihm der glücklose Außenmi- nister doch noch abhanden kommen. Und da kann er höchstselbst wegen anhaltender Unbedarftheit von der Kanzlerin in die geordnete politische Insolvenz geschickt werden – weil die auf jeder ihrer noch ausstehen- den fünf Regionalkonferenzen immer wieder aufgefordert wird, sich nicht von einem 38-jährigen Doktor am Nasenring durch die Arena schleifen zu lassen. Mit mehr oder weniger Promovierten hat Merkel ja auch in- zwischen leidvolle Erfahrungen ge- nug. Und Rösler bräuchte nicht mal einen Zapfenstreich. oer Kurz Plan: Rot-Schwarz Rostock (dpa). Die SPD in Meck- lenburg-Vorpommern will weiter mit der CDU regieren. Parteivor- stand, Parteirat sowie die neue Landtagsfraktion hätten Koaliti- onsverhandlungen mit der CDU beschlossen, sagte Ministerpräsi- dent Erwin Sellering (SPD) gestern Abend in Rostock. Möglich wäre nach der Landtagswahl auch eine Regierung mit der LINKEN. Für eigenen Staat Ramallah (AFP). Im Westjordan- land sind am Mittwoch tausende Palästinenser auf die Straße ge- gangen, um den geplanten Antrag auf eine Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen zu unterstüt- zen. Seite 8 Flucht übers Meer Rom (AFP). An Bord eines klappri- gen Bootes haben syrische und türkische Flüchtlinge Italien er- reicht. Die 149 illegalen Einwan- derer, darunter Kurden, seien am Mittwoch in der kalabrischen Stadt Bianca aufgegriffen worden. Opferzahl gestiegen Delhi (dpa). Die Zahl der Toten nach dem Erdbeben im Himalaya hat 100 überschritten. In dem am schwersten betroffenen indischen Bundesstaat Sikkim starben min- destens 68 Menschen. Weitere Op- fer wurden aus Nepal, Tibet, Bhu- tan, China und Nepal gemeldet. Obamas »Sensenmann« über Afrika USA bauen geheime Stützpunkte für Kampfdrohnen gegen Ziele in Jemen und Somalia Von Olaf Standke Die Obama-Regierung hat am Horn von Afrika geheime Basen für Drohnen- Einsätze errichten lassen. Das berich- tete die »Washington Post« in ihrer gestrigen Ausgabe (Mittwoch). Die Stützpunkte seien Teil einer aggressi- ven Strategie, um mit Al Qaida ver- bundene Terrorgruppen in Somalia und Jemen anzugreifen. Vor einigen Tagen noch hatte ein US-Bundesgericht den Antrag der Bürgerrechtsorganisation Ameri- can Civil Liberties Union auf Auf- klärung über das Drohnenpro- gramm des Auslandsgeheimdiens- tes CIA abgelehnt. Die Mittwoch- ausgabe der »Washington Post« gewährte jetzt Einblicke in das Vorgehen am Horn von Afrika, wo gleich mehrere Drohnen-Stütz- punkte entstehen, um Angriffe auf vermeintliche Verstecke von Al Qaida und anderen Terrorgruppen in Somalia und in Jemen fliegen zu können. Eine dieser Anlagen werde in Äthiopien errichtet, das ein en- ger Verbündeter im Kampf gegen die radikalislamische Shebab-Miliz in Somalia sei, so die Zeitung, eine weitere auf den Seychellen im Indi- schen Ozean, wo bereits seit 2009 mehrere Drohnen und 100 US- amerikanische Soldaten stationiert sind – nur wenige hundert Meter vom Passagierterminal des haupt- städtischen Flugplatzes von Victo- ria entfernt. Offiziell sind diese unbemannten Flugkörper für den Kampf gegen Piraten in den regionalen Gewäs- sern gedacht, doch führte ihr Kurs gern einmal 800 Kilometer nord- westlich Richtung Somalia. Laut vertraulichen diplomatischen De- peschen, die dank der Enthül- lungsplattform Wikileaks öffentlich wurden, soll jetzt eine Flotte neuer Killer-Drohnen eine »Testmission« für künftige Angriffe in dem ost- afrikanischen Land abgeschlossen haben. Zudem plane die CIA eine geheime Landebahn auf der Arabi- schen Halbinsel, um auch von dort aus bewaffnete Drohnen nach Je- men aufsteigen zu lassen. Schon heute fliegen Kampfdrohnen wie die »MQ-9 Reaper« des kaliforni- schen Rüstungskonzerns General Atomics Angriffe von einer Basis in Dschibuti aus. Im Englischen heißt der sprichwörtliche Sensenmann »Grim Reaper«. Die »Washington Post« spricht angesichts dieser Entwicklung von der »raschen Ausweitung eines un- erklärten Drohnen-Krieges«. Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass Präsident Barack Obama so- genannte Schattenkriege gegen Terroristen in Asien und Afrika massiv verstärken lässt. Was den Auslandsgeheimdienst CIA zu- nehmend in eine paramilitärische Organisation verwandelt. Praktisch jeder der »neuen, aggressiven Schritte« der Regierung finde im Verborgenen statt, so die »New York Times«. Mittlerweile setzen die USA in der Grenzregion zwi- schen Pakistan und Afghanistan, die als Rückzugsgebiet für Kämpfer der Taliban und des Terrornetz- werkes Al Qaida gilt, regelmäßig unbemannte Kampfflugzeuge ein. Verfügten die US-Streitkräfte 2001 nur über 54 dieser bewaffneten Flugkörper, sind es heute schon über 4000. Wie die »Washington Post« gestern schrieb, habe es bisher in mindes- tens sechs Län- dern tödliche Drohnen-Angriffe gegeben: Afgha- nistan, Irak, Liby- en, Pakistan, Somalia und Jemen. Und bis 2020 sollen sage und schreibe rund 37 Milliarden Dollar für weitere 730 mittlere und große Drohnen ausgegeben werden. Statt auf den »Hammer« setze man nun auf das »Skalpell«, wie es Obamas Spitzenberater im Anti-Terror- krieg, John Brennan, formulierte. Doch allein am Hindukusch hat diese vorgeblich zielgenaue »chi- rurgische« Strategie hunderte Zivi- listen das Leben gekostet. Wie eine Untersuchung des Lon- doner Büros für Investigativen Journalismus (TBIJ) zeigt, sind seit 2004, dem Beginn der von der CIA im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan koor- dinierten rund 300 Drohnen-Ein- sätze, mindestens 2292 Menschen ums Leben ge- kommen, darun- ter 385 Zivilisten; 164 von ihnen wa- ren Kinder. Wobei die Angriffe nach der Amtsüber- nahme von Obama Anfang 2009 massiv ausgeweitet wurden. So habe der Präsident 236 Angriffe mit mindestens 1842 Toten zu ver- antworten, was etwa einen Luft- schlag alle vier Tage bedeute, wie das TBIJ errechnete. Auch im Afghanistan-Krieg bau- en die NATO-Truppen inzwischen mehr und mehr auf die Strategie der »gezielten Tötungen« (Targe- ted Killings). Eine Praxis, die im- mer wieder scharfe Kritik findet. Philip Alston, der UN-Sonderbe- richterstatter für extralegale Hin- richtungen, hat sie als rechtswidrig bewertet und in einer Studie vor al- lem die USA für ihre Drohnen- Kriegführung verurteilt. Und der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech spricht von »völkerrechts- widrigen Exekutionen und Liquida- tionen«, wenn Drohnen wie in Pa- kistan Menschen töten, bei denen nicht klar war, ob es sich um Kom- battanten handelte. Er befürchtet so noch mehr zivile Opfer sowie ei- ne Beschädigung des Völkerrechts und rechtsstaatlicher Kategorien. Zeichnung: Christiane Pfohlmann Eine Reaper-Kampfdrohne wartet auf den Einsatz. Foto: dpa Athen sieht Zukunft mit Euro Troika kehrt zu weiteren Gesprächen zurück Athen (AFP/ND). Im Ringen um die Rettung des hochverschuldeten Griechenland werden Hoffnungs- zeichen ausgesandt. Finanzminis- ter Evangelos Venizelos verstän- digte sich in einem zweiten Krisen- telefonat am Dienstagabend mit den Vertretern der Gläubiger sei- nes Landes auf die Rückkehr der Troika, die für eine Auszahlung weiterer Hilfsgelder nötig ist. Wäh- rend Venizelos strengere Haus- haltsdisziplin versprach, befürch- tete die Bevölkerung weitere Ein- sparungen. Vor dem Parlament in Athen be- schwor Venizelos am Mittwoch ei- ne Zukunft seines Landes mit dem Euro. »Griechenland ist und wird immer Mitglied der Eurozone blei- ben«, sagte er. Die Regierung wer- de alles unternehmen, um »das Schicksal unseres Landes und sei- nen Platz in der Eurozone nicht aufs Spiel zu setzen«. Dazu seien weitere Sparmaßnahmen nötig, ergänzte Venizelos, ohne Details zu nennen. Es müsse ein »Krieg für unsere Generation« gewonnen werden. Wenig später kam die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Pa- pandreou zu einer Sondersitzung über weitere Sparmaßnahmen zu- sammen. Die griechische Presse stellte ihre Leser schon auf weitere Entlassungen und Gehaltskürzun- gen im öffentlichen Dienst ein. Die Gewerkschaften planten ein Tref- fen, bei dem sie ihren Gegenkurs festlegen wollten. Seite 9 Seit dem Amtsantritt von Barack Obama wurden 236 US-Angriffe mit Kampfdrohnen geflogen. Sie forderten 1842 Todesopfer. *

Obamas »Sensenmann« über Afrika - neues-deutschland.de · auf den »Hammer« setze man nun auf das »Skalpell«, wie es Obamas Spitzenberater im Anti-Terror-krieg, John Brennan,

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Postvertriebsstück / Entgelt bezahlt

Einzelpreise Ausland:

Österreich Mo-Fr 1,70 EUR/Sa 2,00 EUR

Slowakei 1,80/2,10 EUR

Tschechien 61/71 CZK

Polen 6,60/9,50 PLN ISSN 0323-4940

66. Jahrgang/Nr. 222 ● Berlin-Ausgabe ● 1,50 € Sozialistische Tageszeitung Donnerstag, 22. September 2011*

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Robin Hoods ErbenEin Paukenschlag: 1000 Fachleute aus

globaler Wissenschaft, Politik und öffent-

lichen Institutionen fordern vom nächsten

G20-Gipfel die Einführung einer Steuer

zur Eindämmung der Spekulation. Seite 2

Grünliches GlitzernSpitzen-Ökos wie dem Stuttgarter Regie-

rungschef Kretschmann gefällt die Frank-

furter Automesse inzwischen. Tatsächlich

aber dominiert weiterhin der große Ver-

brennungsmotor. Seite 3

Literatur im NDVom Nürnberger Internationalen Militär-

tribunal bis zum Internationalen Strafge-

richtshof – eine spannende Geschichte.

Von Bachmann bis Kronauer – deutsche

Literatur vom Feinsten. Seiten 16 und 17

Standpunkt

Vom Himmelhoch, da ...

Von Markus Drescher

... kommt er her. Nein, weder einEngel noch der Heilige Geist, Jesusoder gar dieser Gott schweben ein.Nur der Stellvertreter landet – inBerlin-Tegel. Benedikt XVI., ausFunk, Fernsehen, Presse und Flug-blatt auch bekannt als Heiliger Va-ter, Papa Ratzi oder HitlerjungeRatzinger.

Nichts weniger als ein Wunderwerden Hauptstadt und Republikerleben. Gleich Moses einst das Ro-te Meer wird unser »Bild«-Zeitung-wir-sind-Papst die Bevölkerung in –da setzt er noch einen drauf – dreiTeile teilen: die Ehrfurchtsvollen,die Papstgegner und die Desinte-ressierten. Paradoxerweise sindLetztere dieser Tage die Seeligen,schalten einfach um, blättern wei-ter, können den medialen Glauben-Nichtglauben-Krieg an sich vorbei-ziehen lassen. Die anderen aber –Inquisition lässt grüßen.

Kleinkariert, schäbig, beschä-mend – so schallt es denen entge-gen, die nicht glauben wollen. Undauch jenen, die trotz Glauben dieKritik an katholischer Sexualmoral,Kondomverbot, mittelalterlichemGeschlechterverhältnis, fragwürdi-gem Geschichtsverständnis undMilde gegenüber einem Holocaust-leugner teilen oder einfach auf derTrennung von Staat und Kirche be-harren. Mancher Gläubige glaubtan viel, aber anscheinend nicht anfreie Meinungsäußerung und De-monstrationsrecht. Bis zum 25.September noch ziehen Papstan-hänger und -kritiker rhetorisch zuFelde – die einen mit Gott, die an-dern mit Menschenverstand.

Unten links

Heute sind es noch genau 100 Tage,dann ist das Jahr 2011 Geschichte.Vermutlich wird Philipp Rösler jedeneinzelnen davon am Kalender ab-streichen – und vergebens daraufhoffen, dass es 2012 aufwärts geht.Schließlich geht unter 1,8 Prozentbeinahe nichts mehr. Aber 100 Tagesind dennoch eine lange Zeit. Dakann der Putsch der Parteibasis inSachen Rettungsschirm den FDP-Chefeins, zwei, drei vom Stühlchen fegen.Da kann ihm der glücklose Außenmi-nister doch noch abhanden kommen.Und da kann er höchstselbst wegenanhaltender Unbedarftheit von derKanzlerin in die geordnete politischeInsolvenz geschickt werden – weildie auf jeder ihrer noch ausstehen-den fünf Regionalkonferenzen immerwieder aufgefordert wird, sich nichtvon einem 38-jährigen Doktor amNasenring durch die Arena schleifenzu lassen. Mit mehr oder wenigerPromovierten hat Merkel ja auch in-zwischen leidvolle Erfahrungen ge-nug. Und Rösler bräuchte nicht maleinen Zapfenstreich. oer

Kurz

Plan: Rot-Schwarz

Rostock (dpa). Die SPD in Meck-lenburg-Vorpommern will weitermit der CDU regieren. Parteivor-stand, Parteirat sowie die neueLandtagsfraktion hätten Koaliti-onsverhandlungen mit der CDUbeschlossen, sagte Ministerpräsi-dent Erwin Sellering (SPD) gesternAbend in Rostock. Möglich wärenach der Landtagswahl auch eineRegierung mit der LINKEN.

Für eigenen Staat

Ramallah (AFP). Im Westjordan-land sind am Mittwoch tausendePalästinenser auf die Straße ge-gangen, um den geplanten Antragauf eine Mitgliedschaft bei denVereinten Nationen zu unterstüt-zen. Seite 8

Flucht übers Meer

Rom (AFP). An Bord eines klappri-gen Bootes haben syrische undtürkische Flüchtlinge Italien er-reicht. Die 149 illegalen Einwan-derer, darunter Kurden, seien amMittwoch in der kalabrischen StadtBianca aufgegriffen worden.

Opferzahl gestiegen

Delhi (dpa). Die Zahl der Totennach dem Erdbeben im Himalayahat 100 überschritten. In dem amschwersten betroffenen indischenBundesstaat Sikkim starben min-destens 68 Menschen. Weitere Op-fer wurden aus Nepal, Tibet, Bhu-tan, China und Nepal gemeldet.

Obamas »Sensenmann« über AfrikaUSA bauen geheime Stützpunkte für Kampfdrohnen gegen Ziele in Jemen und Somalia

Von Olaf Standke

Die Obama-Regierung hat am Horn von

Afrika geheime Basen für Drohnen-

Einsätze errichten lassen. Das berich-

tete die »Washington Post« in ihrer

gestrigen Ausgabe (Mittwoch). Die

Stützpunkte seien Teil einer aggressi-

ven Strategie, um mit Al Qaida ver-

bundene Terrorgruppen in Somalia

und Jemen anzugreifen.

Vor einigen Tagen noch hatte einUS-Bundesgericht den Antrag derBürgerrechtsorganisation Ameri-can Civil Liberties Union auf Auf-klärung über das Drohnenpro-gramm des Auslandsgeheimdiens-tes CIA abgelehnt. Die Mittwoch-ausgabe der »Washington Post«gewährte jetzt Einblicke in dasVorgehen am Horn von Afrika, wogleich mehrere Drohnen-Stütz-punkte entstehen, um Angriffe aufvermeintliche Verstecke von AlQaida und anderen Terrorgruppenin Somalia und in Jemen fliegen zukönnen. Eine dieser Anlagen werdein Äthiopien errichtet, das ein en-ger Verbündeter im Kampf gegendie radikalislamische Shebab-Milizin Somalia sei, so die Zeitung, eineweitere auf den Seychellen im Indi-schen Ozean, wo bereits seit 2009mehrere Drohnen und 100 US-amerikanische Soldaten stationiertsind – nur wenige hundert Metervom Passagierterminal des haupt-städtischen Flugplatzes von Victo-ria entfernt.

Offiziell sind diese unbemanntenFlugkörper für den Kampf gegenPiraten in den regionalen Gewäs-sern gedacht, doch führte ihr Kursgern einmal 800 Kilometer nord-westlich Richtung Somalia. Lautvertraulichen diplomatischen De-peschen, die dank der Enthül-lungsplattform Wikileaks öffentlichwurden, soll jetzt eine Flotte neuerKiller-Drohnen eine »Testmission«

für künftige Angriffe in dem ost-afrikanischen Land abgeschlossenhaben. Zudem plane die CIA einegeheime Landebahn auf der Arabi-schen Halbinsel, um auch von dortaus bewaffnete Drohnen nach Je-men aufsteigen zu lassen. Schonheute fliegen Kampfdrohnen wiedie »MQ-9 Reaper« des kaliforni-schen Rüstungskonzerns GeneralAtomics Angriffe von einer Basis inDschibuti aus. Im Englischen heißtder sprichwörtliche Sensenmann»Grim Reaper«.

Die »Washington Post« sprichtangesichts dieser Entwicklung vonder »raschen Ausweitung eines un-erklärten Drohnen-Krieges«. Voreinem Jahr war bekannt geworden,dass Präsident Barack Obama so-genannte Schattenkriege gegenTerroristen in Asien und Afrikamassiv verstärken lässt. Was denAuslandsgeheimdienst CIA zu-nehmend in eine paramilitärischeOrganisation verwandelt. Praktischjeder der »neuen, aggressivenSchritte« der Regierung finde imVerborgenen statt, so die »New

York Times«. Mittlerweile setzendie USA in der Grenzregion zwi-schen Pakistan und Afghanistan,die als Rückzugsgebiet für Kämpferder Taliban und des Terrornetz-werkes Al Qaida gilt, regelmäßigunbemannte Kampfflugzeuge ein.Verfügten die US-Streitkräfte 2001nur über 54 dieser bewaffnetenFlugkörper, sindes heute schonüber 4000. Wiedie »WashingtonPost« gesternschrieb, habe esbisher in mindes-tens sechs Län-dern tödlicheDrohnen-Angriffegegeben: Afgha-nistan, Irak, Liby-en, Pakistan, Somalia und Jemen.

Und bis 2020 sollen sage undschreibe rund 37 Milliarden Dollarfür weitere 730 mittlere und großeDrohnen ausgegeben werden. Stattauf den »Hammer« setze man nunauf das »Skalpell«, wie es ObamasSpitzenberater im Anti-Terror-

krieg, John Brennan, formulierte.Doch allein am Hindukusch hatdiese vorgeblich zielgenaue »chi-rurgische« Strategie hunderte Zivi-listen das Leben gekostet.

Wie eine Untersuchung des Lon-doner Büros für InvestigativenJournalismus (TBIJ) zeigt, sind seit2004, dem Beginn der von der CIA

im pakistanischenGrenzgebiet zuAfghanistan koor-dinierten rund300 Drohnen-Ein-sätze, mindestens2292 Menschenums Leben ge-kommen, darun-ter 385 Zivilisten;164 von ihnen wa-ren Kinder. Wobei

die Angriffe nach der Amtsüber-nahme von Obama Anfang 2009massiv ausgeweitet wurden. Sohabe der Präsident 236 Angriffemit mindestens 1842 Toten zu ver-antworten, was etwa einen Luft-schlag alle vier Tage bedeute, wiedas TBIJ errechnete.

Auch im Afghanistan-Krieg bau-en die NATO-Truppen inzwischenmehr und mehr auf die Strategieder »gezielten Tötungen« (Targe-ted Killings). Eine Praxis, die im-mer wieder scharfe Kritik findet.Philip Alston, der UN-Sonderbe-richterstatter für extralegale Hin-richtungen, hat sie als rechtswidrigbewertet und in einer Studie vor al-lem die USA für ihre Drohnen-Kriegführung verurteilt. Und derHamburger Völkerrechtler NormanPaech spricht von »völkerrechts-widrigen Exekutionen und Liquida-tionen«, wenn Drohnen wie in Pa-kistan Menschen töten, bei denennicht klar war, ob es sich um Kom-battanten handelte. Er befürchtetso noch mehr zivile Opfer sowie ei-ne Beschädigung des Völkerrechtsund rechtsstaatlicher Kategorien.

Zeichnung: Christiane Pfohlmann

Eine Reaper-Kampfdrohne wartet auf den Einsatz. Foto: dpa

Athen siehtZukunftmit EuroTroika kehrt zu weiterenGesprächen zurück

Athen (AFP/ND). Im Ringen umdie Rettung des hochverschuldetenGriechenland werden Hoffnungs-zeichen ausgesandt. Finanzminis-ter Evangelos Venizelos verstän-digte sich in einem zweiten Krisen-telefonat am Dienstagabend mitden Vertretern der Gläubiger sei-nes Landes auf die Rückkehr derTroika, die für eine Auszahlungweiterer Hilfsgelder nötig ist. Wäh-rend Venizelos strengere Haus-haltsdisziplin versprach, befürch-tete die Bevölkerung weitere Ein-sparungen.

Vor dem Parlament in Athen be-schwor Venizelos am Mittwoch ei-ne Zukunft seines Landes mit demEuro. »Griechenland ist und wirdimmer Mitglied der Eurozone blei-ben«, sagte er. Die Regierung wer-de alles unternehmen, um »dasSchicksal unseres Landes und sei-nen Platz in der Eurozone nichtaufs Spiel zu setzen«. Dazu seienweitere Sparmaßnahmen nötig,ergänzte Venizelos, ohne Detailszu nennen. Es müsse ein »Kriegfür unsere Generation« gewonnenwerden.

Wenig später kam die Regierungvon Ministerpräsident Giorgos Pa-pandreou zu einer Sondersitzungüber weitere Sparmaßnahmen zu-sammen. Die griechische Pressestellte ihre Leser schon auf weitereEntlassungen und Gehaltskürzun-gen im öffentlichen Dienst ein. DieGewerkschaften planten ein Tref-fen, bei dem sie ihren Gegenkursfestlegen wollten. Seite 9

Seit dem Amtsantrittvon Barack Obama

wurden 236 US-Angriffemit Kampfdrohnen

geflogen. Sie forderten1842 Todesopfer.

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