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Projektbericht
Projekt „Forschungsfragen aus steirischen
Hausarztpraxen“
Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Graz, 10.Jänner 2017
2 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Projektteam
Univ.-Prof.in Dr.in med. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch
Institutsdirektorin des Instituts für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte
Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz
Stellvertretende Institutsdirektorin und Leiterin des Arbeitsbereichs „Chronische
Krankheit und Versorgungsforschung“ am Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-
Universität Frankfurt am Main
Univ. Ass. Dr.in Stephanie Poggenburg (Projektleitung)
PD Dr. Karl Horvath
Mag. Thomas Semlitsch
Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte
Versorgungsforschung, Medizinische Universität Graz
Im folgenden Text wurde bei der Angabe von Personenbezeichnungen jeweils die
männliche Form angewandt. Es sind damit auch weibliche Personen gemeint. Dies
erfolgte ausschließlich zur Verbesserung der Lesbarkeit.
Das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung
(IAMEV) der Medizinischen Universität Graz ist fachlich unabhängig und vermeidet
jegliche externe Parteinahme und Beeinflussung. In seiner Arbeit legt das IAMEV
höchsten Wert auf Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Transparenz.
3 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund und Ziele ................................................................................................................... 8
1.1 Versorgungsforschung .............................................................................................................. 8
1.2 Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin ................................................................... 9
1.3 Forschungsinteresse von Hausärzten und Hausärztinnen .................................................. 9
1.4 Forschungspraxisnetzwerke ................................................................................................... 10
1.5 Forschungspraxisnetzwerk in der Steiermark ..................................................................... 10
1.6 Zielsetzungen ........................................................................................................................... 11
2 Material und Methoden .............................................................................................................. 12
2.1 Studiendesign und Ablauf.................................................................................................. 12
2.2 Expertengremium ............................................................................................................... 13
2.3 Semistrukturierte Telefoninterviews mit Hilfe eines Interviewleitfadens .................... 13
2.4 Der Fragebogen .................................................................................................................. 14
2.5 Statistische Auswertung .................................................................................................... 15
3 Ergebnisse – Resultate .............................................................................................................. 17
3.1 Forschungsthemen und -ideen ......................................................................................... 17
3.2 Auswahl von Forschungsfragen im Expertenpanel ....................................................... 20
3.3 Auswahl der 10 relevantesten Forschungsfragen ......................................................... 22
3.4 Fragebogen ......................................................................................................................... 22
3.5 Übersicht .............................................................................................................................. 34
3.6 Gesamtpunkte ..................................................................................................................... 35
3.7 Rücklaufquote ..................................................................................................................... 37
3.8 Priorisierung in Bezug zur Häufigkeit der Fragethemen ............................................... 37
4 Diskussion .................................................................................................................................... 37
5 Ausblick ........................................................................................................................................ 40
6 Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 42
7 Anhang ......................................................................................................................................... 44
Abbildung 1: PICO-Schema .............................................................................................................. 14
Abbildung 2:Ablauf des Projektes .................................................................................................... 16
Abbildung 3: Kategorien der von HÄ genannten Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen
............................................................................................................................................................... 18
Abbildung 4: Übersicht der Bewertungen aller Forschungsfragen ............................................. 34
Abbildung 5: Bewertung der Relevanz der Fragen für den Praxisalltag nach einem
Punktesystem ...................................................................................................................................... 35
4 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Zusammenfassung
Forschungsfrage:
Zu welchen Themenfeldern bzw. Fragen soll nach Meinung der in der Steiermark
tätigen Hausärzte vorrangig geforscht werden, da sie diese für den hausärztlichen
Praxisalltag für wesentlich einstufen?
Methode:
1. Durch das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte
Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz (IAMEV) wurden
alle in der Steiermark tätigen Hausärzte mit der Bitte um Beantwortung
folgender Fragen angeschrieben:
a. Besteht Interesse an der Teilnahme an allgemeinmedizinischen
Forschungsprojekten?
b. Welche persönliche Motivation besteht, an allgemeinmedizinischen
Forschungsprojekten teilzunehmen?
c. Welche hemmenden Faktoren bestehen für die Teilnahme an
Forschungsprojekten?
d. Welche Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen halten die
Hausärzte für den hausärztlichen Praxisalltag für wesentlich bzw.
würden sie in ihrer Ordination gerne untersuchen?
2. Kategorisierung der von den Hausärzten angegebenen Forschungsthemen
bzw. –fragen nach Themenbereichen.
Beurteilung der genannten Forschungsfragen hinsichtlich Machbarkeit und
des Vorliegens von Ergebnissen aus wissenschaftlicher Forschung durch ein
Expertengremium (Allgemeinmediziner, Fachärzte für Innere Medizin,
Experten der Gesundheitswissenschaften und Evidenz basierten Medizin
sowie Statistik).
3. Die so identifizierten, machbaren Fragestellungen wurden mittels
semistrukturierter Interviews mit den Hausärzten, die die Fragen eingebracht
hatten, entsprechend dem PICO-Schema umformuliert und strukturiert.
4. Die nun im PICO-Format vorliegenden Forschungsfragen wurden erneut vom
Expertengremium hinsichtlich ihrer Relevanz für einen Wissenszuwachs der
Allgemeinmedizin priorisiert.
5. Die 10 vom Expertengremium als am relevantesten eingestuften
Forschungsfragen wurden erneut mittels eines Fragebogens allen steirischen
Hausärzten vorgelegt und von diesen hinsichtlich ihrer Relevanz für den
hausärztlichen Alltag auf einer vierstufigen Skala als sehr, eher, weniger oder
nicht relevant bewertet.
5 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Ergebnisse:
106 der 1015 in der Steiermark tätigen Hausärzte zeigten sich an einer aktiven
Teilnahme an Forschungsprojekten in hausärztlichen Praxen interessiert.
Von 66 der 1015 in der Steiermark tätigen Hausärzten wurden konkrete für
den hausärztlichen Praxisalltag wesentliche Forschungsfragen bzw.
Forschungsthemen genannt.
Insgesamt beinhalteten die 133 Forschungsthemen 105 allgemeine Themen
wie z.B. Diabetes mellitus und 28 konkrete Forschungsfragen, welche
inhaltlich kategorisiert wurden. Die Kategorien lauteten:
AM im Versorgungssystem
Ausgewählte KH-Bilder
Komplementärmedizin
Pharmaka, Diagnose und Therapie
Schmerzen
Geriatrie
Organisation und Finanzen
Versorgungsqualität
Compliance
Ökonomie
Gesundheitsdeterminanten
Arzt-Patienten Kommunikation
Psychosomatik
Schwangerschaft und Familie
Ernährung, Gendermedizin
Prävention
Sonstiges
Sie umfassten zwischen 16 und 2 Forschungsthemen oder –fragestellungen
pro Kategorie.
28 konkrete Forschungsfragen wurden vom Expertengremium gesichtet und
17 davon als machbar im Hinblick auf wissenschaftliche Beantwortbarkeit
durch ein Forschungsprojekt bewertet und mittels semistrukturierten
Interviews mit den jeweiligen Hausärzten im Sinne des PICO-Formats
strukturiert.
Nach einer erneuten Sichtung der nun strukturierten Fragen wurden die
folgenden 10 Forschungsfragen durch das Expertengremium als am
relevantesten hinsichtlich eines Erkenntnisgewinns für die Allgemeinmedizin
eingeschätzt:
o Frage 1: Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die
Sturzhäufigkeit und –folgen bei älteren Patienten?
o Frage 2: Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge
Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?
6 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
o Frage 3: Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein
höheres Risiko eine chronische, hämatologische oder maligne
Erkrankung zu bekommen?
o Frage 4: Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen
Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung
gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?
o Frage 5: Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer
medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit
Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?
o Frage 6: Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger
Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der
Lage eine Diagnose zu stellen und Therapie einzuleiten?
o Frage 7: Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer
Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur
Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?
o Frage 8: Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des
Hausarztes bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und
Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer
Ambulanz?
o Frage 9: Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als
verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit
freier Facharztwahl?
o Frage 10: Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen
Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR
und Schleimlösern?
Diese 10 Fragen wurden an alle 1015 steirischen Hausärzte gesendet, die
diese Fragen hinsichtlich der Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag
mittels einer 4-stufigen Bewertungsskala beurteilen sollten.
15% der angeschriebenen Hausärzte nahmen an der Bewertung dieser
Fragen teil.
Von den an der Befragung teilnehmenden Hausärzten wurden die Fragen:
„Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als
verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit
freier Facharztwahl?“
und
„Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer
medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit
Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?“
als am relevantesten für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt.
7 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Schlussfolgerung:
Unter den 10 von Hausärzten eingebrachten und von einem Expertengremium
hinsichtlich der Machbarkeit und Relevanz für einen Erkenntnisgewinn für die
Allgemeinmedizin vorausgewählten Fragen, wurden von praktisch tätigen
Hausärzten in der Steiermark die Fragen zu den Effekten einer
Gatekeeperfunktion des Hausarztes und zu den Effekten einer
Bewegungstherapie im Vergleich zu NSAR bei Rückenschmerzen als jene mit
der höchsten Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt.
Als weniger relevant wurden die Fragen nach dem Einfluss der Ernährung auf
die Sturzhäufigkeit, der Bedeutung der idiopathischen BSG-Erhöhung, nach
den vergleichenden Effekten von selbst hergestellten Elektrolytlösungen im
Vergleich zu Probiotika bei kindlichen Darmentzündungen und nach den
Erwartungen von Jugendlichen an die Hausärzte, angesehen.
Das Ergebnis dürfte einerseits in den aktuellen gesundheitspolitischen
Diskussionen zur ärztlichen Primärversorgung der österreichischen
Bevölkerung (Frage 9) und in der tatsächlichen Häufigkeit, mit der ein
bestimmtes Krankheitsbild mit der Notwendigkeit einer konkreten
therapeutischen Entscheidung im hausärztlichen Praxisalltag auftritt (Frage 5),
begründet sein.
8 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
1 Hintergrund und Ziele
1.1 Versorgungsforschung
Primärversorgung, die in Hausarztpraxen stattfindet, stellt einen wesentlichen
Bestandteil des Gesundheitssystems dar, und ihre Bedeutung nimmt aufgrund der
Zunahme von chronischen Krankheiten und Multimorbidität in einer immer älter
werdenden Gesellschaft stetig zu1. Die Stärkung der Primärversorgung wird
zunehmend ein politisches Anliegen2 und adäquate Forschung in Hausarztpraxen
auch im Sinne von Versorgungsforschung ist notwendig, um valide und informierte
Entscheidungen treffen zu können. Während es in vielen Ländern wie z.B.
Großbritannien, der USA, Australien, Kanada und den Niederlanden3 eine lange
Tradition von praxisrelevanter Versorgungsforschung gibt, so gilt dies insbesondere
nicht für Österreich4, wo die Anzahl der Publikationen von Ärzten aus der
Primärversorgung deutlich geringer ist als in o.g. Ländern. Es befassen sich noch viel
zu wenige Studien mit versorgungsrelevanten medizinischen Alltagsproblemen,
obwohl Primärversorgung weite Forschungsmöglichkeiten bietet. Wo
Versorgungsforschung existiert, werden Studien oft in idealisierten und
unterrepräsentierten Patientengruppen durchgeführt5.
Der besondere Stellenwert der Versorgungsforschung bei dieser Art von Studien liegt
darin begründet, dass sie einen interdisziplinären Forschungsansatz darstellt, der die
Prozesse, Ergebnisse und Rahmenbedingungen von Gesundheitsversorgung mit
wissenschaftlichen Methoden untersucht6. Die Relevanz dieser Forschung wird in
den USA bereits seit den 60-er Jahren durch eine erhebliche staatliche finanzielle
Unterstützung betont7,8. Eine solche staatliche Unterstützung existiert auch seit den
1980-er Jahren in Großbritannien, aber erst seit etwas über einem Jahrzehnt in
Deutschland, wo Versorgungsforschungsstudien nun mit nationalen
Förderprogrammen unterstützt werden9,10. In Österreich wurde die bislang kaum
wahrgenommene Versorgungsforschung 2013 in den Bundes-Zielsteuerungsvertrag
2013 - 2016 aufgenommen11, wobei es aber klar an unabhängigen finanziellen
Fördermitteln fehlt.
Zur Durchführung systematischer Versorgungsforschungsprojekte - beispielhaft seien
hier die Studien zum Einsatz von Analgetika vs. Antibiotika bei unkomplizierten
Harnwegsinfekten12 und die PICANT-Studie13 (Langzeitindikation für orale
9 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Antikoagulation) genannt - bedarf es jedoch geeigneter Strukturen und
Forschungspraxen mit an Forschungsprojekten interessierten Hausärzten, die
optimaler Weise in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Forschungspraxisnetzwerke,
die zum Teil an den Instituten für Allgemeinmedizin bereits aufgebaut wurden, sollen
nun auch strukturiert gepflegt und zunehmend qualifiziert werden, um mittels
qualitativ hochwertiger Versorgungsforschung relevante klinische Studien in der
Hausarztpraxis durchführen zu können14.
1.2 Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin
Es konnte bereits durch zahlreiche international (Deutschland, Niederlande, Schweiz,
Großbritannien etc.) durchgeführte Studien gezeigt werden, dass mittels
Versorgungsforschung wichtige Erkenntnisse generiert werden, die zur
Verbesserung der Primärversorgung beitragen können15-21. Die Forschungsinhalte
dieser Projekte decken einen weiten Bereich der ärztlichen Tätigkeit ab und befassen
sich einerseits mit unterschiedlichen Therapieansätzen verschiedener
Krankheitsbilder in der Allgemeinmedizin als auch mit der Qualität von strukturierten
Therapieprogrammen bei chronischen Erkrankungen und überdies mit der
Epidemiologie spezieller Krankheitsbilder oder der Effizienz unterschiedlicher
Therapieansätze.
Da sich die Finanzierung von Forschungsprojekten länderspezifisch sehr divergent
darstellt, ist davon auszugehen, dass durch die Beauftragung der
Forschungsprojekte auch unterschiedliche Zielgrößen verfolgt werden und nicht
immer davon ausgegangen werden kann, dass sich Forschungsinhalte mit dem
Forschungsinteresse sowohl derjenigen, die die Forschungsprojekte (ggf. auch im
Auftrag) leiten, wie auch mit dem Forschungsinteresse derjenigen, die die
Forschungsprojekte durch ihre aktive Teilnahme unterstützen, decken.
1.3 Forschungsinteresse von Hausärzten
Zu den Motiven, die Hausärzte dazu bewegen, an Forschungsprojekten partizipieren
zu wollen, existiert international eine breite Datenbasis. In unserer eigenen Studie
und auch in vielen weiteren konnte gezeigt werden, dass die „praktische Relevanz
der Fragestellung“ eine große Bedeutung für die Teilnahme an einem
Forschungsprojekt hat22-24. Ebenso spielt die klinische Bedeutung eine große Rolle
als Motivator für eine Mitarbeit an Forschungsprojekten25 und hier insbesondere auch
das Ziel der Verbesserung der Patientenversorgungsqualität4. Ermöglicht man
10 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
darüber hinaus den Hausärzten die Beteiligung bei der Erarbeitung der
Studienfragestellung, so erhöht dies die Wahrscheinlichkeit einer ausreichenden
Patientenrekrutierung23.
Auch in überregionalen Studien konnte gezeigt werden, dass pekuniäre Gründe
deutlich weniger motivierend für die Forschungsteilnahme waren als inhaltliche
Faktoren26,23,27. Insbesondere die Arbeitsschwerpunkte der Allgemeinmedizin in
Forschungsprojekten abbilden zu können und hieraus auch persönlich durch einen
Wissenszuwachs zu profitieren26, scheint ein deutlich höherer Anreiz zur Teilnahme
an Forschungsprojekten zu sein als eine rein finanzielle Aufwandsentschädigung.
Daher sollte auch bei der Planung zukünftiger Forschungsprojekte die
allgemeinmedizinische Relevanz und Umsetzbarkeit berücksichtigt werden, um
möglichst zu messbaren Ergebnissen des Patientenoutcomes zu führen. Auch
Peters-Klimm et al. konnten 2012 zeigen17, dass die praktische Relevanz der
durchgeführten Studie und der persönliche Lerneffekt 22 die größten Motivatoren zur
Teilnahme an einer solchen waren.
1.4 Forschungspraxisnetzwerke
Während viele Länder wie Großbritannien, die Niederlande und die USA bereits auf
langjährige Erfahrungen in der Hausarztforschung zurückgreifen können und diese
überwiegend in Forschungspraxennetzwerken28,29 stattfindet, die universitär
angebunden sind, hat die Versorgungsforschung und insbesondere die hausärztliche
Forschung in Forschungspraxisnetzwerken in Österreich noch keine lange Tradition.
Überdies sind bisher auch keine unabhängigen Mittel zur Finanzierung von
Versorgungsforschungsprojekten zur Verfügung gestellt worden.
1.5 Forschungspraxisnetzwerk in der Steiermark
Daher stellt die Gründung des Forschungspraxisnetzwerkes des Institutes für
Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Mitte letzten
Jahres die Grundlage für alle zukünftigen Versorgungsforschungsprojekte dar.
Im Zuge der Gründung dieses Netzwerkes wurde an alle steirischen
Allgemeinmediziner ein Fragebogen verschickt, der zum Ziel hatte, das
Forschungsinteresse der Hausärzte zu erheben, Forschungsfragen zu sammeln und
hemmende und fördernde Faktoren für die Mitarbeit an Forschungsprojekten zu
erfragen.
11 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Von 1015 angeschriebenen Hausärzten antworteten 135, von denen 106
Bereitschaft zeigten, an Forschungsprojekten teilzunehmen, und insgesamt wurden
133 Forschungsthemen und -ideen von 66 Hausärzten in der Steiermark genannt.
Des Weiteren gaben diese o.g. motivierende und hemmende Faktoren für die
Mitarbeit an Forschungsprojekten in der Allgemeinmedizin an.
Diese Befragung der Hausärzte bzw. die Angabe ihrer Forschungsthemen stellt die
Grundlage des hier beschriebenen Projektes dar.
1.6 Zielsetzungen
Ziel des Projekts war die Erstellung einer Sammlung von Forschungsfragen bzw.
Forschungsthemen, deren Beantwortung bzw. Beforschung nach Ansicht der in der
Steiermark tätigen Hausärzte wesentlich für ihren Praxisalltag ist. Weiterhin war es
Ziel dieses Projektes die Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen inhaltlich zu
kategorisieren und zu priorisieren.
12 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
2 Material und Methoden
2.1 Studiendesign und Ablauf
Im Mai 2015 wurde vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte
Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz an alle 1015 steirischen
Hausärzte ein Fragebogen (Fragebogen 1, Anhang) verschickt, mit dessen Hilfe
erhoben werden sollte:
a. welche Forschungsfragen bzw. Forschungsthemen von den Hausärzten als
wesentlich für Ihren Praxisalltag erachtet werden
b. ob seitens der Hausärzte auch Interesse besteht sich aktiv an
Forschungsprojekten zu beteiligen.
In weiterer Folge sollte unter den interessierten Hausärzten ein Forschungsnetzwerk
etabliert werden.
Die von den Hausärzten vorgeschlagenen Forschungsfragen bzw.
Forschungsthemen wurden zunächst gesammelt und in einem ersten Schritt
inhaltlich induktiv kategorisiert.
Darauf folgte eine weitere Kategorisierung in einem Expertengremium, in dem die
genannten Forschungsideen entweder als konkrete Forschungsfrage oder als
allgemein gehaltenes Forschungsthema ohne konkrete Fragestellung klassifiziert
wurden.
In einem zweiten Schritt wurden die Forschungsfragen der Hausärzte in einem
Expertengremium im Hinblick auf Machbarkeit:
[Machbarkeitskriterien:
Handelt es sich um eine ausreichend konkrete beantwortbare Fragestellung?
Ist ein entsprechendes Projekt mit den wahrscheinlich zur Verfügung
stehenden Ressourcen realistisch umsetzbar?
Mit welchen zur Verfügung stehen Mitteln wäre die Forschungsfrage zu
beantworten?]
und auf eine ggf. schon mögliche Beantwortbarkeit:
Liegen in der vorhandenen medizinisch wissenschaftlichen Literatur bereits
ausreichend Informationen zur Beantwortung der Fragestellung vor?
bewertet.
13 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Um die als machbar und relevant klassifizierten Forschungsfragen zu konkretisieren
und mittels des PICO-Schemas (s.u.) wissenschaftlich bearbeitbar und beantwortbar
zu machen, wurden die Hausärzte, die diese jeweils genannt hatten, telefonisch
kontaktiert und mit ihnen gemeinsam mittels semistrukturierter Interviews eine
konkrete Forschungsfrage, strukturiert nach dem PICO-Schema (s.u.), erarbeitet.
Diese nun konkretisierten und strukturierten Forschungsfragen wurden wiederum
dem Expertengremium vorgelegt. Von diesem Gremium wurden diejenigen 10
Forschungsfragen ausgewählt, die im Hinblick auf Machbarkeit und Relevanz für
einen Wissenszuwachs der Allgemeinmedizin am höchsten priorisiert worden waren.
Im abschließenden Schritt wurden diese 10 priorisierten Fragestellungen allen 1015
steirischen Hausärzten mittels eines einseitigen Fragebogens (Fragebogen 2,
Anhang), der eine 4-stufige Bewertungs-Skala (sehr relevant - eher relevant -
weniger relevant - nicht relevant) enthielt, zur Bewertung vorgelegt. Dabei wurden
alle Hausärzte postalisch kontaktiert und eine Antwortmöglichkeit per Fax oder auf
dem Postweg zur Verfügung gestellt.
149 Antworten, die wir bis zum 31.10.2016 erhalten haben, flossen in die
Auswertung mit ein.
2.2 Expertengremium
Das Expertengremium setzte sich zusammen aus: Allgemeinmedizinern, Fachärzten
für Inneren Medizin, Experten für Gesundheitswissenschaften, evidenzbasierte
Medizin, Versorgungsforschung und biomedizinische Statistik.
2.3 Semistrukturierte Telefoninterviews mit Hilfe eines Interviewleitfadens
Diejenigen Hausärzte, deren Forschungsfragen vom Expertengremium als machbar
und relevant bewertet worden waren, wurden telefonisch kontaktiert, um mit ihnen
eine konkrete, strukturierte Forschungsfrage zu entwickeln, die mehreren Kriterien
genügen sollte: einerseits sollte die Forschungsfrage inhaltlich derjenigen
entsprechen, die die Hausärzte tatsächlich stellen wollten, andererseits sollte die
Forschungsfrage anhand des PICO-Schemas (Abb. 1) formuliert werden und so
wissenschaftlich bearbeitbar und beantwortbar gemacht werden:
14 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Abbildung 1: PICO-Schema
PICO-Schema:
Patient population - Patient und sein Problem
Intervention - Behandlung
Comparison – Alternativmaßnahme oder keine Behandlung
Outcome - Behandlungsziel (z.B. Mortalität, Lebensqualität)
Die semistrukturierten Telefoninterviews wurden von zwei Mitarbeitern des Institutes
mit Hilfe eines vorher eigens für diese Untersuchung erstellten Interviewleitfadens
geführt (Anhang). Die Dauer der Interviews betrug zwischen 5 und 15 Minuten.
2.4 Der Fragebogen
Die erste Fragebogenerhebung im Mai 2015 wurde mittels eines strukturierten
Fragebogens (Anhang), der postalisch an alle 1015 steirischen Hausärzte
ausgesendet wurde, durchgeführt. Er bestand aus drei Abschnitten, 13
Fragestellungen, 64 Items und sechs Freitextfeldern. Der erste Abschnitt umfasste
sieben Fragestellungen zu soziodemographischen Daten und Angaben zur
allgemeinen Ordination. Der zweite Abschnitt beinhaltete fünf Fragestellungen zum
allgemeinen und spezifischen Forschungsinteresse. Der dritte Abschnitt stellte die
Möglichkeit zur Bekanntgabe der Kontaktdaten zur Verfügung, falls eine weitere
Zusammenarbeit erwünscht war.
Der zweite, im Rahmen dieses Projektes ebenfalls an alle 1015 steirischen
Hausärzte ausgesendete Fragebogen (Anhang) bestand aus einem Anschreiben,
einer Angabe der 10 vom Expertengremium am relevantesten bewerteten
Forschungsfragen mit einer 4-stufigen Bewertungsskala hinsichtlich ihrer Relevanz
(sehr relevant - eher relevant - weniger relevant - nicht relevant) für den ärztlichen
Praxisalltag. Die Postsendung enthielt zusätzlich ein Anschreiben der Institutsleitung
mit einer kurzen Erklärung dazu, worum es sich bei der Befragung handelt und wofür
die Priorisierung der Forschungsfragen durch die Hausärzte in der Zukunft dienen
soll (in Zusammenarbeit mit Hausärzten Projekte entwickeln, die sich mit diesen
Forschungsfragen befassen und somit langfristig die hausärztliche Versorgung
verbessern; im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln
Rückmeldung auf die von ihnen gestellten Fragen geben). Daneben enthielt der
http://flexikon.doccheck.com/de/Mortalit%C3%A4t
15 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Fragebogen ein Freitextfeld, in dem man eine zusätzliche Forschungsfrage angeben
konnte. Eine Beantwortung war anonym oder mit Angabe der Kontaktdaten möglich.
Bei beiden Fragebögen war eine Beantwortung mittels Fax oder auf dem Postweg
möglich.
2.5 Statistische Auswertung
Die statistische Auswertung der erhobenen Daten erfolgte deskriptiv mit Hilfe der
Software Microsoft Excel 2016. Dabei wurde in der Auswertung einerseits der Fokus
darauf gelegt, welche Forschungsfragen die Hausärzte als besonders relevant für
ihre tägliche Arbeit bewerteten, andererseits wurde untersucht, wie viele der in dieser
Befragung antwortenden Hausärzte bereits in der ersten Befragung Interesse an
einer Mitarbeit an Forschungsprojekten gezeigt hatten, wobei dies nur ein
ergänzender Parameter dieser Untersuchung ist, der für die Ergebnisse dieses
Projektes ohne Relevanz ist.
16 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
105 allgemeine
Forschungsthemen
17 Fragen aus denen sich
Forschungsfragen ableiten
lassen
10 konkrete
Forschungsfragen
28 allgemeine
Forschungsfragen
11 Fragen
weniger machbar
7 Fragen weniger
relevant
Abbildung 2: Ablauf des Projektes
133 Forschungsideen aus der Studie "Hausärzte in der Steiermark - wer will
forschen und warum? "
Induktive Kategorisierung:
19 Themenbereiche
Konkretisierung der 28 Forschungsfragen
im Expertenpanel
Auswahl von 17 Fragen im Expertenpanel nach Relevanz und Machbarkeit
strukturierte / standardisierte Telefoninterviews; Erstellung von Fragen
nach dem PICO-Schema gemeinsam mit den Hausärzten
Priorisierung der Forschungsfragen im Expertenpanel
Entwurf eines Fragebogens und Aussendung an Hausärzte zur
Priorisierung
Priorisierung durch Hausärzte selbst
17 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
3 Ergebnisse – Resultate
3.1 Forschungsthemen und -ideen
Aus dem im Mai 2015 ausgesendeten Fragebogen konnten 133 allgemeine
Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen, die von 66 Hausärzten formuliert worden
waren, extrahiert werden. In einem ersten Schritt wurden diese einer induktiven
inhaltlichen Kategorisierung unterzogen.
Die insgesamt 133 Forschungsideen konnten dabei 19 Kategorien bzw.
Themenbereichen zugeordnet werden (Abb. 3). Die Kategorien lauteten: AM im
Versorgungssystem, Ausgewählte KH-Bilder, Komplementärmedizin, Pharmaka,
Diagnose und Therapie, Schmerzen, Geriatrie, Organisation und Finanzen,
Versorgungsqualität, Compliance, Ökonomie, Gesundheitsdeterminanten, Arzt-
Patienten Kommunikation, Psychosomatik, Schwangerschaft und Familie,
Ernährung, Gendermedizin, Prävention und Sonstiges, und umfassten zwischen 16
und 2 Forschungsthemen oder –fragestellungen pro Kategorie.
In einer weiteren Kategorisierung wurden die von den Hausärzten genannten
Forschungsideen in allgemeine Forschungsthemen und Forschungsfragen geteilt.
Die Zuordnung erfolgte durch ein Expertengremium. Aus den 133 vorliegenden
Forschungsideen wurden 28 Forschungsfragen und 105 allgemeine
Forschungsthemen identifiziert (Tabelle 1).
18 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Abbildung 3: Kategorien der von Hausärzten genannten Forschungsthemen bzw. Forschungsfragen
19 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Tabelle 1: Inhaltliche Kategorisierung der Forschungsthemen und Unterscheidung in Forschungsthema und Forschungsidee
Forschungsthema; -idee Allgemeines Forschungsthema
Konkrete Fragestellung
Absolut
AM im Gesundheitssystem 9 7 16
Ausgewählte Krankheitsbilder
11 3 14
Komplementärmedizin
11 2 13
Pharmaka (Wechselwirkungen, Generika, Polypharmazie)
8 5 13
Diagnostik & Therapie in der AM
9 3 12
Schmerzen
6
1 7
Geriatrie
6 0 6
Organisation / Finanzen / Struktur
6 0 6
Versorgungsqualität
4 1 5
Compliance
4 1 5
Ökonomie
3 1 4
Gesundheitsdeterminanten
2 2 4
Kommunikation Arzt-Patient
4 0 4
Psychosomatik
4 0 4
20 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Schwangerschaft / Familie / Kind
4 0 4
Ernährung
3 0 3
Gendermedizin
2 0 2
Vorsorge / Prävention
2 0 2
Sonstiges
7 0 7
105 28 133
3.2 Auswahl von Forschungsfragen im Expertenpanel
Von den 28 Forschungsfragen wurden durch das Expertengremium 17 Fragen
ausgewählt, die hinsichtlich ihrer Machbarkeit (Kriterien s.o.) und Beantwortbarkeit
am besten bewertet wurden. Diese wurden anschließend mittels semiquantitativer
Interviews mit den Hausärzten entsprechend dem PICO-Format strukturiert und
konkretisiert. Eine Darstellung der Forschungsfragen findet sich in Tabelle 2.
Tabelle 2: Beurteilung der Forschungsfragen nach Machbarkeit und Beantwortbarkeit
Forschungsfragen/-themen/-ideen der Hausärzte Ist Forschungs- frage ableitbar? [Machbarkeit/Beant-wortbarkeit]
Ja Nein
Ergebnis klinischer Studie - für Allgemeinmedizin gleiche Ergebnisse?
x
Geographische Nähe, rasche Verfügbarkeit, Einwohner/Arzt - Zusammenhang mit verschiedenen Endpunkten? Gibt es eine optimale Arztdichte? Wovon hängt sie ab? (Die geforderten PHCs in vollem Umfang könnten sicher höchstens in Bezirkshauptstädten eingerichtet werden)
x
Arbeitsmedizin und Pseudo-Freiberufler: Schutzmaßnahmen nötig? Z.B. dauern Feiertagsdienste unter der Woche vom Vortag (normaler Arbeitstag) bis zum Folgetag (dito) rechnerisch 60 Stunden durchgehend. Und das auf Kassenvertrag verpflichtend
x
21 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Grundkompetenzen/Aufgaben - was soll/kann in der Grundversorgung/PHC/hausärztlich versorgt werden; wie versorgen: Qualitätsgesicherte Handlungspläne für Grundversorgung für alltägliche Standardsituationen; abgestufte Versorgung; Stufen/Versorgungsebenen; welche Stufe macht was?; Abgestufte Ordinations-Erreichbarkeits-Zeiten (Praxisöffnung/Erreichbarkeit/Bereitschaft)
x
Stellenwert der AM in der Bevölkerung x
Welche Form der medizinischen Versorgung ist besser (Zielwerte: Hospitalisation, Mortalität, Ökonomie, Fehlbehandlungen, etc.):
x
1. Betonte AM ("Hausarzt")-Versorgung mit zusätzlichem Spezial-/Facharzt-Support - wie zumeist in der Peripherie/am Land durchgeführt
2. Hohe Spezialisten-Frequenz, Facharztversorgung mit nur untergeordneter AM - "Koordinator" - wie zumeist in den Städten praktiziert.
Wie viel z.B. Orthopädie, Psychiatrie, Psychologie wird in der AM-Praxis abgedeckt?
x
Wie viele Patienten müssen gar nicht in das GH-System eintreten, da der Hausarzt mit Kurzinterventionen und Beratungen weitere sekundäre Maßnahmen verhindert? Bei welchen Beratungsursachen?
x
Ausgewählte Krankheitsbilder
Borreliose als Ursache von rheumat. Entwicklung bei Gelenkserkrankungen v. o. neurologischer Erkrankungen
x
Der banale Virusinfekt --> Erkrankungsdauer mit / ohne medikamentöser Therapie
x
Prophylaxe + Therapie von Dekubitus - Vergleich mit Ozon z.B. vs. Olivenöl (wie in Altersheimen Usus)
x
Komplementärmedizin
Therapieerfolge von Akupunkturbehandlungen x
Tumorerkrankungen und Misteltherapie x
westliche Pflanzen und TCM x
Wie viele Patienten würden mehr kommen, wenn Homöopathie als Kassenleistung durchgeführt wird?
x
Pharmaka (Wechselwirkungen, Generika, Polypharmazie)
Polypharmazeutische Behandlung geriatrischer Patienten vs. minimal treatment
x
Statine --> diabetogen? Bis zu welchem Alter wirklich sinnvoll? x
Diagnostik & Therapie in der AM
Anwendung von Algorithmen für Diagnostik und Therapie in der hausärztlichen Praxis
x
Befragung von Reiserückkehrenden x
Schmerzen
22 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Langzeitverläufe von Patienten mit erhöhtem BSG x
Geriatrie
Ernährungseinfluss besonders bei älteren Personen x
Versorgungsqualität
(Objektive) Verbesserung der Versorgung durch Geräte? (Labor, Ultraschall)
x
Überprüfung der Effektivität durchgeführter Untersuchungen und eingeleiteter Therapien (Effizienz, Adhärenz)
x
Ökonomie
Kosten und Effizienz: Praxis vs. Ambulanz x
Regelmäßige Visiten bei geriat. Patienten - Was spare ich als AM bei Gesundheitsausgaben (z.B. weniger hospitalisieren, weniger Transporte, etc.)
x
Gesundheitsdeterminanten
Auswirkungen niederschwelliger medizinischer Angebote auf die Volksgesundheit
x
Lebensqualität abhängig von körperlicher Leistungstätigkeit x
Kommunikation Arzt-Patient
Bedeutung des Beziehungsaspektes in der Medizin; Arzt-Kontinuität (continous care)/Ambulanzbetrieb
x
Summe 17 11
3.3 Auswahl der 10 relevantesten Forschungsfragen
Im Expertengremium fand in einer zweiten Priorisierung eine erneute Bewertung der
jetzt dem PICO-Schema entsprechenden Forschungsfragen der Hausärzte nach
Machbarkeit, Beantwortbarkeit und Relevanz hinsichtlich Wissensgewinn für die
Allgemeinmedizin statt, um die 10 relevantesten Forschungsfragen zu ermitteln.
3.4 Fragebogen
Diese 10 Forschungsfragen, welche an 1015 steirische Hausärzte mittels
Fragebögen im August 2016 per Post ausgesendet wurden, sollten mit Hilfe einer 4-
stufigen Skala im Hinblick auf ihre Relevanz für den Praxisalltag bewertet werden.
Die Adressdaten entsprachen den Daten der Ärztekammer Steiermark mit Stand
März 2015.
Der Rücklauf betrug bis zum 31.10.2016 149 Antworten (Fax und postalisch), was
einer Rücklaufquote von 14,7% entspricht.
23 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse für die 10 prioritären Forschungsfragen
dargestellt.
Antwort 15%
Keine Antwort 85%
RÜCKLAUF
24 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 1: Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die
Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten?
39% der antwortenden Ärzte hielten diese Frage für eher relevant. Zusammen mit
den 22%, die sie für sehr relevant halten, sind fast 2/3 der Meinung, dass sie wichtig
für den individuellen Alltag ist und nur etwas mehr als 1/3 sagt, dass sie weniger
(30%) oder nicht relevant (7%) ist. 2% haben diese Frage nicht beantwortet.
2%
7%
30%
39%
22%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten?
25 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 2: Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an
den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?
Frage 2 wurde nur von 6% der Ärzte als nicht relevant empfunden. 27% hielten sie
für wenig relevant. Demgegenüber stehen 34%, die sie für eher relevant hielten und
29% sagen gar, dass es sehr relevant für sie wäre zu erfahren, was sich Jugendliche
und junge Erwachsene von ihren Hausärzten erwarten.
4%
6%
27%
34%
29%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?
26 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 3: Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko
eine chronisch entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu
bekommen?
Die Frage nach dem Risiko von Patienten mit BSG-Erhöhung hielten 15% für sehr
relevant und 40% für eher relevant. Etwas weniger als die Hälfte der Hausärzte hielt
diese Fragestellung für weniger (32%) beziehungsweise nicht (9%) relevant.
4%
9%
32%
40%
15%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch entzündliche,
hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?
27 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 4: Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung
mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine
Therapie mit Probiotika?
Für 18% der Hausärzte wäre es sehr relevant zu wissen, wie die kindliche
Darmentzündung besser zu behandeln ist. Ein Drittel (34%) meinen es sei ihnen eher
wichtig und 40% respektive 7% halten diese Frage für weniger oder gar nicht
relevant für ihren Beruf.
1%
7%
40%
34%
18%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?
28 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 5: Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer
medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit
Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?
Über zwei Drittel (69%) der allgemeinmedizinisch tätigen Ärzte wären daran
interessiert, was die Anzahl an Krankenstandstage bei Rückenschmerzen effektiver
senkt. Zusammen mit den 21%, die diese Frage für eher relevant halten, ergeben
sich 90%, die diese Frage für wichtig erachten. 7% sind der Meinung sie wäre
weniger, und nur 1% sagt sie sei nicht relevant.
2%
1%
7%
21%
69%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen
Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?
29 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 6: Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im
Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage eine Diagnose
zu stellen und Therapie einzuleiten?
Knapp 4/5 der antwortenden Ärzte findet, diese Frage sei sehr (45%) oder eher
(34%) relevant für ihren Alltag. Demgegenüber stehen 20%, die meinen sie sei
weniger (17%) oder nicht (3%) relevant für sie.
1%
3%
17%
34%
45%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und
Therapie einzuleiten?
30 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 7: Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-
Optimierung einer Statin-Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über
80 Jahre?
Die Frage nach den Empfehlungen zur Statintherapie im hohen Alter hielten 43% der
Ärzte für sehr relevant. 25% meinten sie sei für sie eher relevant, und 21% waren der
Meinung sie sei weniger relevant. Nur 9% waren der Ansicht sie sei nicht relevant für
ihren persönlichen Alltag.
3%
9%
21%
25%
43%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur
Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?
31 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 8: Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes
bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im
Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?
Über die Hälfte (52%) der antwortenden Ärzte war der Meinung es sei für sie sehr
relevant zu erfahren, welche Auswirkungen der ganzheitliche Zugang habe. Ein
Drittel (33%) sah es als eher relevant an, und eine Minderheit von 11%
beziehungsweise 3% sahen darin wenig oder keine Relevanz.
1%
3%
11%
33%
52%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarzt bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit
und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?
32 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 9: Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als
verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit freier
Facharztwahl?
Die Frage nach dem Sinn eines Gatekeeping-Systems empfand eine große Mehrheit
von 69% als sehr relevant für sie. 21% sahen es als eher relevant an, und nur 7%
und 2% sind der Meinung es sei von geringer oder keiner Relevanz für sie.
1%
2%
7%
21%
69%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem
System mit freier Facharztwahl?
33 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Frage 10: Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen
Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR und
Schleimlösern?
Frage 10 ist für die meisten Ärzte eher relevant (40%). 32% sagen sogar sie sei sehr
relevant für sie, wohingegen 21% die Meinung vertreten sie sei wenig relevant, und
3% gaben an sie habe gar keine Relevanz für ihren Alltag.
3%
3%
21%
40%
32%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%
Keine Antwort
Nicht relevant
Wenig relevant
Eher relevant
Sehr relevant
Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie
mit NSAR und Schleimlösern?
34 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
3.5 Übersicht
Untenstehend finden sich alle Daten in einem Diagramm zusammengefasst. Die
Antwortkategorien (sehr, eher, weniger, nicht relevant) wurden von oben nach unten
neben die jeweilige Frage aufgetragen.
Aus der Übersicht lässt sich erkennen, dass insbesondere Frage 5 und 9 von den
Hausärzten als hochrelevant eingeordnet wurden.
Abbildung 4: Übersicht der Bewertungen aller Forschungsfragen
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Frage 1
Frage 2
Frage 3
Frage 4
Frage 5
Frage 6
Frage 7
Frage 8
Frage 9
Frage 10
Übersicht Frage 1-10
35 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
3.6 Gesamtpunkte
Um die Bewertung der Relevanz zu objektivieren, wurde die Gesamtpunkteanzahl
der einzelnen Fragen mittels folgender Formel errechnet:
𝑛𝑠𝑒ℎ𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 4 + 𝑛𝑒ℎ𝑒𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 3 + 𝑛𝑤𝑒𝑛𝑖𝑔𝑒𝑟 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡 ∗ 2 + 𝑛𝑛𝑖𝑐ℎ𝑡 𝑟𝑒𝑙𝑒𝑣𝑎𝑛𝑡
= 𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒
Abbildung 5: Bewertung der Relevanz der Fragen für den Praxisalltag nach einem Punktesystem
405
414
379
387
527
473
442
492
531
438
0 100 200 300 400 500 600
Frage 1
Frage 2
Frage 3
Frage 4
Frage 5
Frage 6
Frage 7
Frage 8
Frage 9
Frage 10
Gesamtpunkte
36 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Relev
anz
Somit ergibt sich folgende Rangfolge der Fragen (in aufsteigender Relevanz):
Frage 3:
Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch
entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?
Frage 4:
Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter
Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?
Frage 1:
Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei
älteren Patienten?
Frage 2:
Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich
zum Facharzt?
Frage 10:
Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam
wie die Therapie mit NSAR und Schleimlösern?
Frage 7:
Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-
Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?
Frage 6:
Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur
Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und Therapie
einzuleiten?
Frage 8:
Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes bei unspezifischen
Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in
einer Ambulanz?
Frage 5:
Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit
NSAR bei berufstätigen Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?
Frage 9:
Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im
Vergleich zu einem System mit freier Facharztwahl?
37 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
3.7 Rücklaufquote
Während es in der Befragung der Hausärzte im Mai 2015 eine Rücklaufquote von
13,3% (10,4 % der Hausärzte waren an einer Mitarbeit an Forschungsprojekten
interessiert) gab, lag die Rücklaufquote bei der Befragung in diesem Projekt etwas
höher bei 14,7%.
Von den 149 antwortenden Hausärzten waren 37 auch schon Hausärzte, die bereits
als forschungsinteressierte Hausärzte im Forschungspraxisnetzwerk registriert
waren; 112 (75%) der antwortenden Hausärzte sind (noch) nicht offiziell Teilnehmer
am Forschungspraxisnetzwerk.
3.8 Priorisierung in Bezug zur Häufigkeit der Fragethemen
Von den Hausärzten wurden am häufigsten (N=16) Forschungsideen zu Themen der
Allgemeinmedizin im Gesundheitssystem genannt. Dies spiegelt sich auch in ihrer
Priorisierung der Forschungsfragen wieder, da sie eine Forschungsfrage zum Thema
„Gatekeeping“ an höchster Stelle priorisiert haben.
Die weiteren Fragestellungen umfassen weitestgehend die Bereiche „Ausgewählte
Krankheitsbilder“, „Diagnostik & Therapie in der AM“ und „Pharmaka“ und damit
weitere Fragstellungen, die von den Hausärzten in großer Anzahl genannt worden
sind.
4 Diskussion
Was sollte Forschung leisten?
Forschung gilt als systematische, kontrollierte, empirische und kritische
Untersuchung von Phänomenen, geleitet von Theorie und Hypothese. Forschung soll
dabei logisch, verständlich, reproduzierbar und nutzbar sein30. Forschung sollte zum
Ziel haben, theoretisches Wissen zu generieren, Theorien und Methoden als Basis
für spezifische Praktiken zu entwickeln und angewandte Methoden im klinischen
Alltag zu validieren (insbes. in der Versorgungsforschung)31. Forschung in der Praxis
und für die Praxis ist Voraussetzung für eine zeitgemäße, qualitativ hochstehende,
den Standards der Evidence-Based-Medicine verpflichteten Hausarztmedizin, die
dem Anspruch der Grundversorgung auf höchstem Niveau gerecht werden will.
Jedoch können Resultate, die aus Studien mit hochselektionierten Spitalspatienten
stammen, in vielen Fällen nicht auf das Setting der Hausarztpraxis übertragen
werden, unter Umständen kann dies paradoxerweise sogar zu einer
Mortalitätssteigerung der Patienten unter hausärztlicher Betreuung führen21,32.
38 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Außerdem besteht im hausärztlichen Praxisalltag eine größere Kluft zwischen
klinischer Evidenz und täglicher Umsetzbarkeit aufgrund der Individualität und
Spezifität der Arzt-Patienten-Beziehung33. Umso mehr ist die Bedeutung und
dringende Notwendigkeit von Versorgungsforschungsprojekten zu betonen, die unter
Einschluss von multimorbiden, polypharmazierten Patienten praxisrelevante
Fragestellungen untersuchen sollten. Gerade aber zu solchen Fragestellungen, die
Hausärzte täglich beschäftigen, wird eher selten geforscht (Behandlung
multimorbider Menschen, Abgrenzung von selbstheilenden Krankheitsverläufen
gegenüber solchen mit abzuwendendem gefährlichen Verlauf, Entscheidung zum
Nichtbeginnen, Anpassen oder Beenden medikamentöser Therapien, etc.)34.
Ursachen hierfür dürfte eine höhere Attraktivität der Grundlagenforschung und eine
zu häufig patientenferne Ausrichtung des Forschungsziels (politisch, wirtschaftlich,
karrieristisch, etc.) sein. Folge ist allerdings eine eklatante Zunahme von
Forschungsergebnissen, von denen die Patienten nicht profitieren.
Warum sollten Hausärzte an Forschung partizipieren?
Der persönliche Antrieb von Ärzten, an Forschungsprojekten teilzunehmen, besteht
unabhängig von der fachärztlichen Ausrichtung sicher in intrinsisch geprägten
Motivationsfaktoren wie persönlicher Neugier, dem Drang nach Wissen und
Erkenntnisgewinn. Karrieristische Motive spielen insbesondere bei der Teilnahme
von Hausärzten an Forschungsprojekten eine geringe Rolle, können aber ganz
allgemein auch nur als extrinsisch fördernd gewertet werden31. Viel bedeutender
scheint die Freiheit, kreative Prozesse zu initiieren und mittels wissenschaftlicher
Versuche bis zum Erhalt verwertbarer Ergebnisse zu untersuchen, bei
Versorgungsforschungsprojekten auch in Kooperation unter Einbeziehung des
Forschungspraxisnetzwerkes. Insbesondere unabhängige Fördergelder und
–programme, wie in vielen anderen Ländern bereits seit langem etabliert7-10, sind
wesentliche Elemente, um innovative Forschung überhaupt erst zu ermöglichen.
Warum wollen Hausärzte an Forschungsprojekten partizipieren?
Unsere eigene Untersuchung zeigt, dass Hausärzte insbesondere dann an
Forschungsprojekten partizipieren wollen,
- wenn die aus der Forschung gewonnene Evidenz nützlich ist und für die
tägliche Versorgung der Patienten relevant ist
39 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
- wenn die Forschung der Aufwertung und Weiterentwicklung der
Allgemeinmedizin als eigene Fachdisziplin dient
- wenn die Forschung dem Ausbau des persönlichen Netzwerkes dient und
einen fachlichen Austausch mit Kollegen fördert
Dies konnte auch in anderen Untersuchungen gezeigt werden; Barzel et al.35
evaluierten in einem Workshop in interprofessionellen Kleingruppen
Motivationsfaktoren für die Teilnahme an Forschungsprojekten: die von ihnen
befragten Teilnehmer favorisierten als Studientyp eindeutig die Interventionsstudie.
Für die Studienteilnahme war der erlebte „Output“ deutlich wichtiger als die
Honorierung. Daneben spielten als fördernde Faktoren für die Umsetzung von
Forschungsprojekten in der Hausarztpraxis klare Strukturen und Absprachen,
Wertschätzung und eine gemeinsam definierte Kommunikation eine entscheidende
Rolle35. Das frühzeitige Einbeziehen von Praxen in Planung und Umsetzung von
Projektideen betonten Bleidorn et al. als wesentliches Element, um die Machbarkeit
eines Forschungsprojektes zu erhöhen27.
Die Priorisierung der von den steirischen Hausärzten selbst erarbeiteten
Forschungsfragen stellt einen neuen Ansatz in der Einbindung von niedergelassenen
Hausärzten in Forschungsprojekte dar.
Unter den 10 von Hausärzten eingebrachten und von einem Expertenpanel
hinsichtlich der Machbarkeit und Relevanz vorausgewählten Fragen wurden von
praktisch tätigen Hausärzten in der Steiermark die Fragen zu den Effekten einer
Gatekeeperfunktion des Hausarztes und zu den Effekten einer
Bewegungstherapie im Vergleich zu NSAR bei Rückenschmerzen als jene mit
der höchsten Relevanz für den hausärztlichen Praxisalltag eingeschätzt. Weniger
relevant wurden die Fragen nach dem Einfluss der Ernährung auf die Sturzhäufigkeit,
der Bedeutung der idiopathischen BSG-Erhöhung, nach den vergleichenden Effekten
von selbst hergestellten Elektrolytlösungen im Vergleich zu Probiotika bei kindlichen
Darmentzündungen und nach den Erwartungen von Jugendlichen an die Hausärzte
eingeschätzt. Das Ergebnis dürfte einerseits in den aktuellen gesundheitspolitischen
Diskussionen zur ärztlichen Primärversorgung der österreichischen Bevölkerung36
(Frage 9) und in der tatsächlichen Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Krankheitsbild
mit der Notwendigkeit einer konkreten therapeutischen Entscheidung im
40 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
hausärztlichen Praxisalltag auftritt (Frage 5) begründet sein, kann man doch davon
ausgehen, dass die Lebenszeitprävalenz von Rückenschmerzen in Industrienationen
60-80% beträgt37.
Jedoch lassen auch die von den Hausärzten weniger relevant bewerteten
Fragestellungen entweder einen starken Praxisbezug erkennen (Behandlung viraler
AW-Infekt, Behandlung Darmentzündung) oder befassen sich mit
systemimmanenten, die Organisations- und Versorgungsstruktur und -qualität
betreffenden Fragestellungen (Vergleich der hausärztlichen Behandlung vs.
spitalsambulanzärztlicher Behandlung). Auch dies ist sicher unter dem Aspekt der
momentan in den Fokus gerückten Diskussionen der Veränderungen im
primärärztlichen Bereich und der damit verbundenen hausärztlichen
Rollenzuweisung zu beurteilen.
5 Ausblick Die Ergebnisse dieses Projektes können als Grundlage für die Beauftragung weiterer
Projekte durch den Gesundheitsfonds gesehen werden. Der Forschungsansatz,
Hausärzte danach zu befragen, welche Forschungsfragen für ihren Praxisalltag
relevant sind, ist international neu und innovativ.
Versorgungsforschung, die in hausärztlichen Praxen durchgeführt wird, stellt einen
bislang eher vernachlässigten Forschungsansatz dar, obwohl sie als Zielgröße die
Prozesse, Ergebnisse und Rahmenbedingungen von Gesundheitsversorgung hat
und damit großes Effektpotential insbesondere auch für die Verbesserung der
Patientenversorgungsqualität birgt. Da jedoch gerade motivierte und engagierte
Hausärzte die Voraussetzung dafür sind, Versorgungsforschung durchzuführen und
diese an solcher insbesondere dann gerne partizipieren, wenn sich die Forschung
mit praxisrelevanten und patientenzentrierten Forschungsfragen befasst, stellt der
Ansatz, hausärztliche Forschungsfragen abzubilden, sicher eine zukunftsweisende
Perspektive dar.
Als Szenarien für die Zukunft bieten sich - basierend auf den Auswertungen der
Fragebögen – einerseits Forschungsaufträge an, die o.g. Forschungsfragen mittels
fokussierter Literaturrecherche hinsichtlich der existierenden Evidenz beantworten
und die Hausärzte mittels Informationsmaterialien (z.B. Newsletter, Folder) zu den
konkreten Forschungsfragen informieren; andererseits aber auch
41 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Versorgungsforschungsaufträge, die mit Hilfe des im Sommer 2015 gegründeten
allgemeinmedizinischen Forschungspraxisnetzwerkes der Steiermark umgesetzt
werden können.
42 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
6 Literaturverzeichnis
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43 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
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7 Anhang Fragebogen 1
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Fragebogen 2 Betreff: Forschungsfragen aus Hausarztpraxen Sehr geehrte steirische Hausärztinnen und Hausärzte,
vielleicht erinnern Sie sich noch, dass wir Sie im Sommer 2015 bezüglich etwaiger für Sie interessanter Forschungsfragen kontaktiert haben. Für die rege Rückmeldung möchten wir uns nochmals bedanken. Aus Ihren vielfältigen Forschungsideen haben wir in einem strukturierten Prozess Forschungsfragen ausgewählt, die am ehesten eine Möglichkeit bieten, durch eigene Studien oder Literaturrecherchen beantwortet zu werden. Seien Sie also bitte nicht enttäuscht, wenn Sie Ihre Forschungsfrage nicht wiederfinden, dies bedeutet auf keinen Fall, dass diese nicht relevant ist.
Die ausgewählten Forschungsfragen möchten wir Ihnen nun vorstellen und Sie bitten, uns Ihre Meinung dazu zu geben, für wie relevant Sie die jeweilige Frage aus Ihrer alltäglichen praktischen Arbeit heraus beurteilen.
Diese Bewertung wird nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, uns aber die Möglichkeit geben, in Zukunft in Zusammenarbeit mit Ihnen Projekte zu entwickeln, die sich mit diesen Forschungsfragen befassen und somit langfristig die hausärztliche Versorgung verbessern.
Auch im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln werden wir Ihnen eine Rückmeldung auf die von Ihnen gestellten Fragen geben können.
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Die Forschungsfragen Sehr relevant
Eher relevant
Weniger relevant
Nicht relevant
Senkt die Überwachung und Optimierung der Ernährung die Sturzhäufigkeit und -folgen bei älteren Patienten*?
Welche Erwartungen haben Jugendliche und junge Erwachsene an den Hausarzt im Vergleich zum Facharzt?
Haben Patienten mit idiopathischer BSG-Erhöhung ein höheres Risiko eine chronisch entzündliche, hämatologische oder maligne Krankheit zu bekommen?
Ist die Behandlung der unkomplizierten, kindlichen Darmentzündung mit selbst hergestellter Elektrolytlösung gleichermaßen wirksam wie eine Therapie mit Probiotika?
Senkt eine aktive Bewegungstherapie im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie mit NSAR bei berufstätigen Patienten mit Rückenschmerzen die Anzahl der Krankenstandstage?
Ist der Hausarzt bei somatoformen Beschwerden junger Frauen im Vergleich zur Spitalsambulanz besser und schneller in der Lage, eine Diagnose zu stellen und Therapie einzuleiten?
Welche Empfehlungen gibt es hinsichtlich einer Nutzen/Schadens-Optimierung einer Statin-Therapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten über 80 Jahre?
Welche Auswirkungen hat der ganzheitliche Zugang des Hausarztes bei unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit im Vergleich zur sofortigen Abklärung in einer Ambulanz?
Wie sinnvoll ist ein Gatekeeping-System (= Hausarzt als verpflichtende erste Anlaufstelle) im Vergleich zu einem System mit freier Facharztwahl?
Ist die alleinige Therapie mit Hausmitteln beim viralen Atemwegsinfekt gleichermaßen wirksam wie die Therapie mit NSAR und Schleimlösern?
*) Bei der Frageerstellung wurde bei der Angabe von Personenbezeichnungen jeweils die männliche Form angewandt. Dies erfolgt ausschließlich zur Verbesserung der Lesbarkeit
Über das Ergebnis aller Antworten der steirischen Hausärzte werden wir nach Auswertung auf unserer Website allgemeinmedizin.medunigraz.at berichten.
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Natürlich besteht erneut die Möglichkeit einer anonymen Beantwortung, denn jede Stimme ist uns wichtig. In diesem Fall übermitteln Sie uns den Fragebogen ohne Ihre Adressdaten ansonsten reicht es aus, Ihren Praxisstempel zu verwenden.
Titel, Vor- und Nachname:
Straße:
PLZ: Ort:
E-Mail:
Rücksendung bitte per Fax unter 0316 / 385 79654 oder per Post an folgende Adresse.
Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit!
Mit besten Grüßen aus dem Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung
Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch
Institut für Allgemeinmedizin
und evidenzbasierte
Versorgungsforschung
Auenbruggerplatz 2/9
8036 Graz
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Interviewleitfaden
DR. _________________________________Nr.__
Annahme: Telefonat mit OrdinationsassistentIn
Grüß Gott, mein Name ist _________________________, ich rufe an vom Institut für
Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen
Universität Graz im Namen von Frau Prof. Siebenhofer-Kroitzsch.
Vor einem Jahr hat Frau /Herr Dr. __________________ freundlicher weise an einer
Fragebogenerhebung unseres Institutes teilgenommen, zu dem wir jetzt noch eine
weitere Frage hätten. Maximal wird das Gespräch 7-10 Minuten dauern.
Dürfen wir um ein Gespräch mit Frau / Herrn Dr.____________________ bitten?
Wann darf ich mich wieder bei Ihnen melden?
Eigentliches Gespräch mit Forschungsarzt/Forschungsärztin
Liebe Frau Dr ______________, lieber Herr Dr. ________________!
Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, um mit mir am Telefon zu
sprechen.
Wir möchten mit diesem Gespräch anknüpfen an den Fragebogen des Institutes für
Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, den Sie im Mai letzten
Jahres freundlicherweise beantwortet haben.
Dabei haben Sie Ihre generelle Bereitschaft zur Mitarbeit an Forschungsprojekten
aus der Allgemeinarztpraxis bekanntgegeben (vorher nachprüfen !!) und ein
Forschungsthema bzw. eine Forschungsidee benannt, das Sie interessiert.
(einfügen Forschungsfrage)
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___________________________________________________________________
Um uns dieses Themas weiter annehmen zu können und dieses weiter bearbeiten zu
können, ist es für uns jedoch notwendig, eine Konkretisierung der Fragestellung
durchzuführen.
Darum möchte ich Sie bitten, Ihr Thema genauer mit mir zu besprechen.
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Ich werde bei dem Gespräch Notizen machen, um es später besser auswerten zu
können. Sollten Sie während des Gespräches Fragen haben, können Sie diese
jederzeit stellen.
Kommen wir zurück zu dem Forschungsthema, das Sie interessiert:
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1) An welche Patienten(gruppe) / an welches konkrete Problem haben Sie
gedacht? Können Sie dies evtl. eingrenzen bzw. konkretisieren?
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2) Was ist der genaue Gegenstand der Untersuchung, der Sie interessiert? An
welche Art der Intervention / Therapieverfahren / Methode etc. haben Sie
gedacht, die an der Gruppe von PatientInnen durchgeführt werden soll?
Können Sie diese ggf. weiter eingrenzen bzw. konkretisieren?
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3) Mit welcher Intervention (z.B. Therapie) könnte ihre Intervention verglichen
werden bzw. mit welcher Patientengruppe soll ihre Patientengruppe verglichen
werden? Also was ist die Hauptalternative mit der die von Ihnen
vorgeschlagene Intervention verglichen werden könnte? (z.B.: Placebo vs.
ASS)
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4) Was war das Ziel Ihrer Forschungsfrage? Was sollte mit der Forschung
erreicht werden? Welches Ergebnis erwarten Sie?
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5) Ihre Forschungsfrage lautet nun:
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Entspricht diese Forschungsfrage inhaltlich dem, was Sie Sie sich vorgestellt
haben, als Sie das Forschungsthema an uns geschickt haben?
Ja weiter
Nein nochmals PICO anwenden (für uns INTERN!)
P:____________________________________________________________
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I:_____________________________________________________________
______________________________________________________________
C:____________________________________________________________
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O:____________________________________________________________
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Entspricht die Forschungsfrage nun dem, was Sie sich vorgestellt haben?
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Wenn Sie möchten, können Sie noch eine weitere Forschungsfrage
formulieren:
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Möchten Sie zum Abschluss noch etwas sagen? Haben wir in dem Gespräch
etwas Wichtiges vergessen?
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Vielen Dank, dass Sie mit mir gesprochen haben.
Interviewrichtlinien
1. Frage nur nach, wenn es wirklich von Interesse ist.
2. Vermeide dabei suggestive Fragen oder gespiegelte Rückmeldungen
oder Interpretationen.
3. Halte dich genug zurück und versuchen nicht das Gespräch zu lenken.
Versetze dich in die Rolle eines Fernsehmoderators. Seine Aufgabe ist
es, das Gespräch zu leiten, im Fokus des Interesses ist jedoch immer
der Gast.
4. Bewerte und kommentiere Aussagen der Gesprächspartner nicht! Ein
„ach wie schlimm“, mit dem man im Alltagsgespräch Empathie
signalisiert solltest du dir verkneifen. Signalisiere stattdessen durch
Kopfnicken, Bestätigungslaute, und dann und wann ein „ich verstehe“,
dass du zuhörst und interessiert bist.
5. Lass den Gesprächspartner in Ruhe ausreden. Lass immer wieder viel
Zeit verstreichen, damit auch zaghafte Ideen oder langsam
entstehende Gedanken Gelegenheit haben, durch den Interviewten
ausgedrückt zu werden. Planen also Pausen fest ein und scheue dich
nicht vor stillen Momenten.
6. Der Gesprächsleitfaden muss nicht zwingend chronologisch verfolgt
werden. Folge eher dem thematischen Verlauf des Gesprächspartners,
als der Reihenfolge des Leitfadens.
7. Vermeide es, Themen doppelt abzufragen. Wenn Fragen schon
„zufällig“ beantwortet wurden, müssen diese Frage nicht noch einmal
vorgelesen werden, nur weil sie auf dem Leitfaden steht.
54 Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) Medizinische Universität Graz
Literatur:
1.Uwe Flick, Ernst von Kardoff, Ines Steinke (Hg.) 2005: Qualitative Forschung. Ein
Handbuch, Reinbek bei Hamburg.
2. Dresing,Thorsten /Pehl, Thorsten: Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse.
Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 5. Auflage. Marburg, 2013.
Quelle: www.audiotranskription.de/praxisbuch (Datum des Downloads: 26.05.2016)
3. Stefanie Vogt, Melanie Werner (Hrsg.); Forschen mit Leitfadeninterviews und
qualitativer Inhaltsanalyse. Skript.Köln,2014
Begleitinformation:
Falls Fragen zum PICO-Schema auftauchen:
PICO ist dabei eine Abkürzung für
P wie Patient oder Problem
d.h. wir benötigen eine Konkretisierung der Frage:
„Welche Gruppe von Patienten bzw. welches Problem ist gemeint?“
I wie Intervention bzw. Technologie bzw. diagnostisches oder therapeutisches
Verfahren
d.h. wir benötigen eine Konkretisierung der Frage:
„Welche Inte