168

Siegmann & Kollegen - lunkewitz.prozessbeobachter.net · gelegt – durch die Verfassungsbeschwerde der Aufbau Liquidationsgesell-schaft mbH (der hiesige Beschwerdeführer ist deren

Embed Size (px)

Citation preview

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

2

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2011 (2-04 O 605/09) (Anlage VB 4) in der durch den Beschluss des Landgerichts vom 21. Dezember 2011 (Anlage VB 5) im Tatbestand berichtigten Fassung und beantrage,

1. die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen, um sodann 2. festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Be-

schluss in seinen Grundrechten verletzt worden ist und zwar in seinem grundrechtsgleichen Recht auf Wahrung seines rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG und sei-nem grundrechtlich geschützten allgemeinen Justizgewährungsanspruch (abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und dem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG),

3. die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung unter Be-achtung der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts an den Bundesgerichtshof, hilfsweise an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – und dort jeweils an einen anderen nicht vor befassten Senat – zu-rückzuverweisen und

4. das Land Hessen und die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Streitwert: über 30.000.000,- EUR (s. dazu den Streitwertbeschluss des BGH, Anlage VB 1, dort S. 2 Mitte) Die auf § 22 Abs. 2 BVerfGG gestützte Vollmacht liegt im Original bei (Anla-ge VB 6).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

3

Ich überreiche überdies aus dem fachgerichtlichen Verfahren einen Auszug aus der Gerichtsakte, wie sie sich aus den Handakten der Prozessbevollmächtigten in den drei Instanzen ergibt. Im Einzelnen handelt es sich dabei – um die Schriftsätze und Verfügungen aus der ersten Instanz, die hier die

Bezeichnung Anlage VB 7 / I bis XLVII tragen und die im einzelnen auf der dem Anlagenstapel vorgelegten Übersicht aufgeführt sind,

– um die aus den in der ersten Instanz vorgelegten Anlagen K (hier mit An-lagenkonvolut VB 8 vorgelegt, ohne innerhalb des Konvoluts die Zäh-lung der Anlagen K 1 bis K 220 zu verändern) und den dort vorgelegten Anlagen B (hier mit Anlagenkonvolut VB 9 vorgelegt, ohne innerhalb des Konvoluts die Zählung der Anlagen B 1 bis B 44 zu verändern),

– um die Schriftsätze und Verfügungen aus der zweiten Instanz, die hier die Bezeichnung Anlage VB 10 / I bis XXII tragen und die im einzelnen auf der dem Anlagenstapel vorgelegten Übersicht aufgeführt sind,

– um die aus den in der zweiten Instanz vorgelegten Anlagen BK (hier mit Anlagenkonvolut VB 11 vorgelegt, ohne innerhalb des Konvoluts die Zählung der Anlagen BK 1 bis BK 99 zu verändern) und den dort vorge-legten Anlagen BB (hier mit Anlagenkonvolut VB 12 vorgelegt, ohne innerhalb des Konvoluts die Zählung der Anlagen BB 1 bis BB 4 zu ver-ändern),

– um die Schriftsätze und Verfügungen aus der dritten Instanz, die hier die Bezeichnung Anlage VB 13 / I bis VIII tragen und die im einzelnen auf der dem Anlagenstapel vorgelegten Übersicht aufgeführt sind,

und

– um die aus den in der dritten Instanz vorgelegten Anlagen NZBB (hier mit Anlagenkonvolut VB 14 vorgelegt, ohne innerhalb des Konvoluts die Zählung der Anlagen NZBB 1 bis NZBB 11 zu verändern).

In diesem Schriftsatz zitiert werden die Schriftsätze, wie sie auf den Anlagen-übersichten zu den Anlagenkonvoluten 7, 10 und 13 aufgeführt sind. Die Ge-richtsaktenseiten werden dabei mitzitiert für den Fall, dass das angerufene Bundesverfassungsgericht die Gerichtsakte beiziehen sollte.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

4

Ich weise darauf hin, dass zu dem hiesigen Themenkomplex in einem Parallel-verfahren bereits seit dem 12. November 2012 eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist, die nach Zurückweisung der Anhörungsrüge durch den Bundes-gerichtshof am 17. Januar 2013 bei Ihnen in den ordentlichen Geschäftsgang gelangt ist. Die Verfassungsbeschwerde trägt das Aktenzeichen

1 BvR 80/13. Diese Verfassungsbeschwerde wie auch das zugrundeliegende fachgerichtliche Verfahren hatte der Kläger auch in das hiesige fachgerichtliche Verfahren ein-geführt (und zwar mit Ss. v. 29.8.2013, Anlage VB 10 / XIII und den Anlagen BK 60 - 62 [hier Teil des Anlagenkonvoluts 11]). Ich bitte höflich darum, die beiden Verfassungsbeschwerden gemeinsam zu beraten.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

5

Begründung Der Sachverhalt ist dem Bundesverfassungsgericht bereits – wie eingangs dar-gelegt – durch die Verfassungsbeschwerde der Aufbau Liquidationsgesell-schaft mbH (der hiesige Beschwerdeführer ist deren Alleingesellschafter) und durch die Verfassungsbeschwerde zum Az. 1 BvR 1175/99 bekannt. Thema dieser Verfahren wie auch des hiesigen Verfahrens ist die letztlich völlig fehl-geschlagene Übertragung zwei der wichtigsten und renommiertesten DDR-Verlage in der Zeit nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und zwar des Aufbau-Verlags und des Verlags Rütten & Loening. Beide Verlage hatte die Beklagte, die bis zum 31. Dezember 1994 unter dem Namen Treuhandan-stalt handelte, verkauft, obwohl sie hierzu nicht verfügungsbefugt war. Die Verlage standen nämlich zu keiner Zeit in Volkseigentum oder Parteieigentum, weshalb die Treuhandanstalt den Käufern die Verlage und deren Vermögen nicht verschaffen konnte.

1. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland hatte die Beklag-te zunächst die Verlage unter dem Namen nichtiger Scheingesellschaften be-trieben, nach der Übergabe an die Käufer am 7. Oktober 1991 taten dies die Käufer. Durch die Ausübung der Geschäftstätigkeit haben die Beklagte wie nachfolgend die Käufer in Ermangelung der Rechts- und Vermögensinhaber-schaft massiv fremde Urheber-, Verlags-, Marken- und Lizenzrechte verletzt. Die rechtswidrige Geschäftstätigkeit der nichtigen Scheingesellschaften wurde bis zum 30. Mai 2008 unverändert fortgesetzt.

2. In Streit stand hier – wie auch im Parallelverfahren, zu dem noch die Verfas-sungsbeschwerde zum Az. 1 BvR 80/13 anhängig ist –, ob die Treuhandanstalt bei Vertragsschluss von ihrer fehlenden Rechtsmacht wusste oder insoweit zumindest erhebliche Zweifel hatte, ohne die Käufer aufzuklären. Der Kläger (Berufungskläger, Nichtzulassungsbeschwerdeführer, Verfassungsbeschwer-deführer, nachfolgend: Kläger) hat ihr dabei weiter vorgehalten, dass sie schon bei Vertragsschluss wusste, dass der Aufbau – Verlag bereits seit den 1960er – Jahren in massivem Umfang nicht lizensierte Mehrauflagen zum Schaden westlicher Vertragspartner – Verlage und Autoren – veranstaltet hat-te, die sog. Plusauflagen, die Käufer aber auch darüber nicht aufgeklärt hat, obwohl sich die Schadenserwartungen vor Vertragsschluss auf bis zu 30 Mil-lionen DM beliefen. Bereits daraus ergab sich zwingend, dass der Aufbau-Verlag schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überschuldet und zahlungs-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

6

unfähig war. Er hat der Treuhandanstalt weiter vorgehalten, ihm und den wei-teren Käufern verschwiegen zu haben, dass beide über die Verlage geschlos-senen Verkaufs- und Übertragungsverträge wegen Formmangels nichtig waren und ihm stattdessen vorgespiegelt zu haben, die Neubeurkundung des Kaufs am 24. November 1992 erfolge wegen angeblicher Sittenwidrigkeitsrügen von Käuferseite. Es sind all dies die Kernvorwürfe des Klägers, der Alleingesell-schafter der BFL Beteiligungsgesellschaft mbH ist, die wiederum zunächst 75% aller Anteile an den gekauften Gesellschaften und später dann alle Antei-le halten sollte. Der Kläger finanzierte dabei im Vertrauen auf die Vertrags-treue und Redlichkeit der Beklagten aus seinem Privatvermögen mit hohen zweistelligen Millionenbeträgen den Kauf und Betrieb der Verlage.

3. Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Die Beschwerde des

Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil wurde zudem – ohne nähere Begründung (unter Hinweis auf § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO) – zurückgewiesen.

4. Der Kläger sieht sich durch die Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbe-

schwerde in seinen Grundrechten verletzt, weil er in seiner zum Bundesge-richtshof gereichten Beschwerde durchgreifende Rügen dargelegt hat, die nach Maßgabe der §§ 544 Abs. 2 Satz 2, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur Zulassung der Revision sowie nachfolgend zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsur-teils und zur Zurückweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht hätten führen müssen. Damit missachtet der Bundesgerichtshof jedenfalls den grund-rechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG und in Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Anspruch des Klä-gers auf einen wirksamen Zugang zu einem gesetzlich eröffneten Rechtsmittel und zeigt, dass er die entsprechenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung der Voraussetzungen für eine Revisionszulassung schon im Grundsatz verkennt. Der Kläger beanstandet dabei vor dem Bundesverfas-sungsgericht – wohlgemerkt – nicht die falsche einfachrechtliche Beurteilung des Streitstands durch die Fachgerichte, sondern namentlich, dass die Rechts-fehler des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main der Korrektur durch das Re-visionsgericht auch im Interesse der Allgemeinheit bedurft hätten.

Dies gilt umso mehr, als der Kläger dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main

zahlreiche und dazu offensichtliche Gehörsverstöße nachgewiesen hat, denen der Bundesgerichtshof hätte abhelfen müssen. Nachdem dies unterblieben ist,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

7

ist der Kläger gehalten, seine Gehörsrügen vor dem Bundesverfassungsgericht weiterzuverfolgen.

A.

I. Vorbemerkung

Für ein besseres Verständnis des Verfahrens sei vorab auf folgende Eckdaten hingewiesen:

1. Der Kauf der Verlage ging auf eine Initiative von Prof. Dr. h. c. Hilmar Hoff-

mann zurück, der Anfang der 1990er Jahre Kulturstadtrat der Stadt Frankfurt am Main und Leiter der renommierten „Stiftung Lesen“ war. Prof. Hoffmann hatte im Frühjahr 1991 den Kläger darauf angesprochen, ob dieser die beiden genannten und mit bedeutendsten DDR-Verlage von der Treuhandanstalt er-werben wolle (Ss. v. 29.12.2009, S. 11, GA I 11; NZBB 5 Abs. 2).

a) Der als Immobilieninvestor tätige Kläger entschied sich für ein solches Enga-

gement, auch um so bei der deutsch-deutschen Vereinigung kulturelle und hi-storische Verantwortung zu übernehmen. Er hat sich daher in Verhandlungen mit der Treuhandanstalt ab dem Frühjahr 1991 auf einen Kauf verständigt und letztlich eine Investorengemeinschaft gebildet, an der neben der BFL Beteili-gungsgesellschaft mbH i. G. (nachfolgend: BFL) die Konzeption Finanz- und Unternehmensberatung GmbH des Herrn Dr. Eberhard Kossack, der Groß-buchhändler und Verleger Thomas Grundmann von Bouvier Bonn sowie die Dr. Ulrich Wechsler Verlags- und Medien GmbH des Herrn Dr. Ulrich Wechsler (Bertelsmann AG) beteiligt waren (NZBB 5 Abs. 3).

aa) Die Investorengemeinschaft kaufte darauf durch Beitritt- und Änderungsver-

trag vom 27. September 1991 i. V. m. dem Vertrag vom 18. September 1991 vermeintliche Geschäftsanteile an einer laut den Verträgen nach §§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 2 TreuhG aus Volkseigentum umgewandelten „Aufbau Verlag GmbH im Aufbau“ und einer „Rütten & Loening, Berlin, GmbH im Aufbau“, die als vermeintliche Rechts- und Vermögensnachfolger mit den Vermögenswerten des 1945 in Berlin gegründeten Aufbau-Verlags sowie mit jenen des 1844 in Frankfurt am Main gegründeten Verlags Rütten & Loening (Anlage K 8, An-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

8

lage K 9, Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag) ausgestattet sein sollten.

bb) In Ziff. 9.2 des Vertrages vom 18. September 1991 haben die Parteien die

Wirksamkeit der Anteilsverkäufe hinsichtlich beider Verlage durch ein Junk-tim verbunden. Der Vertrag sollte insgesamt rückabzuwickeln sein, wenn auch nur einer der Geschäftsanteilsverkäufe nichtig und unwirksam sein sollte (Ss. v. 29.12.2009, S. 51, GA I 51 mit Beweisangebot Zeugnis Dr. Albrecht Greu-ner; NZBB 6 Abs. 1).

cc) Die Käufer führten im Februar 1992 die vermeintlichen Nachgründungsmaß-

nahmen nach §§ 19 - 21 TreuhG durch. Mit deren Eintragung in das Handels-register am 6. August 1992 entstand die Aufbau-Verlag GmbH als fehlerhafte Neugründung. Die Rütten & Loening GmbH entstand in gleicher Weise am 22. Oktober 1992.

dd) Am 24. November 1992 schlossen der Kläger, die damaligen Mitgesellschafter

der Aufbau-Verlag GmbH, die Aufbau-Verlag GmbH, die Rütten & Loening GmbH und die Beklagte einen Vergleich (Anlage K 10), der Regelungen zu verschiedenen Punkten umfasste, über die zwischen den Parteien nach Ab-schluss der Verträge aus dem September 1991 Streit entstanden war (unter an-derem wegen Auseinandersetzungen um die sog. Plusauflagenproblematik und um den Verlagssitz auf dem Grundstück Französische Straße 32/33). Auf Ver-langen der Beklagten wurde auch der Beschwerdeführer Vertragspartei. Die Aufbau-Verlag GmbH verpflichtete sich dazu, die Erfüllung der Verträge vom 18. September 1991 und vom 27. September 1991 und des Vertrags vom 23./24. November 1992 durch die Fortsetzung ihrer Verlagstätigkeit zu ge-währleisten. Der Beschwerdeführer musste die Finanzierung sichern und hier-für die persönliche Haftung übernehmen (NZBB 6 Abs. 2).

b) Kaufgegenstand waren die Geschäftsanteile an einer vermeintlich nach §§ 1

(4), 11 (2) TreuhG aus Volkseigentum ungewandelten “Aufbau – Verlag GmbH im Aufbau“ und einer vermeintlichen “Rütten & Loening, Berlin, GmbH im Aufbau“.

aa) Die Aufbau Verlag GmbH wurde am 16. August 1945 in Berlin von dem

Journalisten Heinz Willmann, dem Volkswirt Claus Gysi, dem Verlagsbuch-händler Kurt Wilhelm und dem Verlagskaufmann Otto Schiele gegründet (vgl.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

9

Anlage K 11). Am 20. Oktober 1945 wurde sie in das Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragen. Kurz darauf wurde der Gesellschaft eine Verlagslizenz erteilt und sie begann mit der Verlagstätigkeit. Die Grün-dungsgesellschafter übertrugen ihre Anteile am 24. September 1945, 29. Oktober 1945 und 1. März 1946 auf den Kulturbund zur Demokratischen Erneuerung Deutschland e. V. (nachfolgend: Kulturbund), einer kulturellen Massenorganisation der SBZ und späteren DDR (NZBB 2 Abs. 4/NZBB 3 Abs. 1).

bb) Der Verlag Rütten & Loening wurde 1844 von zwei jüdischen Familien ge-

gründet und war bis zum 30. Januar 1933 ein erfolgreicher Kinderbuchverlag, der etwa 1845 in Erstauflage den „Struwwelpeter“ verlegte und der zudem ei-ne der führenden Stimmen der kritischen Intelligenz in Belletristik und wis-senschaftlicher Literatur war. Im Jahr 1936 wurde er von einer offenen Han-delsgesellschaft betrieben, deren Gesellschafter im Sinne der nationalsoziali-stischen Rassenideologie als „Halbjuden“ bzw. „jüdisch versippt“ galten. Auf Anordnung der Reichsschrifttumskammer musste das Handelsgeschäft an den Buchhändler Dr. Albert Hachfeld zwangsweise verkauft werden, der den Ver-lag nach Potsdam verlegte und als Einzelkaufmann fortführte. Am 3. Oktober 1945 wurde bei Herrn Dr. Hachfeld das Betriebsvermögen des Rütten & Loe-ning Verlages beschlagnahmt und der Potsdamer Verlagsgesellschaft zur Ver-waltung übertragen. Aufgrund sowjetischen Besatzungsrechtes wurde Herr Dr. Hachfeld 1948 hinsichtlich Rütten & Loening enteignet und 1952 das Ver-lagsvermögen auf die Volk und Welt GmbH übertragen. Diese brachte das Verlagsvermögen in die durch Gesellschaftsvertrag vom 24. März 1952 in Berlin-Ost neu gegründete Rütten & Loening GmbH ein, deren Gesellschaf-terkreis aus zwei natürlichen Personen und der Volk & Welt GmbH selbst be-stand (NZBB 3 Abs. 2). Aufgrund der Nichtigkeit des Zwangsverkaufes im Jahre 1936 haben die Altgesellschafter jedoch ihr Eigentum an Rütten & Loe-ning nie verloren.

2. Tatsächlich konnte die Beklagte über beide Verlage nicht verfügen. Die in das

HRB eingetragenen GmbH i. A. waren bloße „Scheingesellschaften“ weshalb mit den Nachgründungsmaßnahmen am 6. August 1992 und vom 22. Oktober 1992 in Gestalt der Aufbau-Verlag GmbH und der Rütten & Loening GmbH vermögenslose leere Hüllen entstanden sind.

Die Ereignisse rund um die Erwerbsvorgänge mündeten dann auch in einer

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

10

Vielzahl von Rechtstreitigkeiten, weil die Treuhandanstalt ihre Verantwortung für die gescheiterte Privatisierung nicht übernehmen wollte. Diese besteht nach Ansicht des Klägers deshalb, weil die Treuhandanstalt die Käufer nicht rechtzeitig über den exklusiv bei ihr bereits zum Zeitpunkt der Vertragsschlüs-se vorhandenen Wissensstand in Bezug auf die Eigentumslage an den Verla-gen sowie das Ausmaß drohender Schadensersatzforderungen gegen die Ver-lage aus den sog. Plus-Auflagen informiert hat und die (vorgeblich eigenen) Verlage dennoch im Wissen um das Investitionsrisiko (Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Aufbau–Verlags bereits bei Vertragsschluss) verkauft und dem Aufbau-Verlag in dem Zusammenhang auch noch betriebsnotwendi-ges Vermögen, nämlich die Grundstücke Französische Str. 32/33, entzogen hat. Ferner hat der Beschwerdeführer der Beklagten vorgehalten, dass sie die Beteiligten an dem Vertrag vom 24. November 1992, darunter den Kläger, nicht auf die nur ihr bekannte Formnichtigkeit aller Verträge hingewiesen hat, sondern ihnen stattdessen vorgespiegelt hat, die Neubeurkundung des Kaufs erfolge im Hinblick auf angebliche Sittenwidrigkeitsrügen von Käuferseite.

3. Vorliegend haben die Parteien im fachgerichtlichen Rechtsstreit darum gestrit-

ten, ob der Beschwerdeführer von der Beklagten aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht des Kulturbundes e. V. in Bezug auf die Vorgänge rund um den Verkauf zweier vermeintlicher GmbH im Aufbau mit den DDR-Verlagen Aufbau-Verlag und Verlag Rütten & Loening Schadensersatz ver-langen kann, weil die Beklagte niemandem Rechtspositionen an diesen Verla-gen verschaffen konnte und weil die Verträge u. a. wegen Formmangels nich-tig und wirksam angefochten sind.

a) Der Kläger hatte dabei dargelegt (NZBB 4 Abs. 6/NZBB 5 Abs. 1), dass die

Beklagte die (vermeintlichen) Geschäftsanteile an den Verlagen (bzw. an einer „Aufbau-Verlag GmbH im Aufbau“ und einer „Rütten & Loening, Berlin, GmbH im Aufbau“) an die Investoren verkaufte, obwohl die Beklagte vor und nach der Übertragung mindestens manifeste Zweifel daran hatte, dass die Ver-lage im Volkseigentum gestanden hatten und damit Zweifel daran hatte, dass sie jeweils eine GmbH im Aufbau nach dem TreuhG waren, über die die Be-klagte hätte verfügen können. Tatsächlich handelte es sich bei den verkauften Geschäftsanteilen um nicht existierende „Anteile“ an Scheingesellschaften. Nach Ansicht des Klägers ist die Beklagte nach § 307 BGB a. F. zum Scha-densersatz verpflichtet, weil die Vertragsgegenstände von vornherein nicht ha-ben entstehen können und somit die Verträge auf eine unmögliche Leistung

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

11

gerichtet waren. Zudem schulde die Beklagte Schadensersatz, da sie seit Be-ginn der Verhandlungen im Frühjahr 1991 Aufklärungs-, Hinweis- und Treue-pflichten hinsichtlich ihrer fehlenden Verfügungsmacht, hinsichtlich ihrer feh-lenden Zuständigkeit, hinsichtlich des Bestehens von Restitutionsansprüchen bzw. des fortbestehenden Eigentums der Altgesellschafter bzgl. Rütten & Loening und des Kulturbunds bzgl. des Aufbau-Verlages und hinsichtlich der Formnichtigkeit der Verträge sowie von den Verlagen zu DDR-Zeiten erstell-ter Raubdrucke („Plusauflagen“) verletzt habe. Die Beklagte hafte dem Be-schwerdeführer auch in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger des Kultur-bundes, da die Beklagte ihre Pflichten aus dem Treuhandverhältnis dadurch verletzt habe, dass sie dem Kulturbund Besitz und Eigentum am Aufbau-Verlag vorenthalten habe. Sie habe zudem ihre Amtspflichten dadurch ver-letzt, dass sie das Branchendirektorat Privatisierungen nicht von dem Ver-tragsschluss mit den Käufern und der Verlagsübergabe an die Käufer abgehal-ten habe. Auch habe sie den Kulturbund dauerhaft über die Eigentumslage ge-täuscht. Der noch nicht bezifferbare Schaden des Klägers bestehe unter ande-rem in Rückzahlungsansprüchen des Insolvenzverwalters der Aufbau-Verlag GmbH sowie noch offenen Mietforderungen (zu letzteren hinsichtlich eines erstrangigen Teilbetrages von 494.446,12 EUR aber zwischenzeitlich BGH, Beschl. v. 24.6.2014 – II ZR 98/13, Zurückweisung der Nichtzulassungsbe-schwerde des Insolvenzverwalters gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main v. 7.2.2013, 6 U 53/12; zugleich aber Beleg dafür, dass dem Beschwerdeführer auch insoweit durchaus ein Vermögensschaden droh-te). Zudem stünden dem Kläger noch Ausgleichsansprüche wegen der Verlet-zung der Verlagsrechte des Aufbau-Verlages und der Eigentumsrechte des Kulturbunds zu.

b) Dabei ging es im Wesentlichen um die Fragen,

– ob die am 29. September 1990 bzw. am 3. Mai 1991 unter HRB 35991 und HRB 37765 im Handelsregister eingetragenen „Aufbau-Verlag GmbH i. A.“ und „Rütten & Loening GmbH i. A.“ ursprünglich tatsächlich aus volksei-genen Betrieben hervorgegangen sind, oder ob trotz dieser Eintragungen nur Scheingesellschaften entstanden, weil die Verlage bis über den 1. Juli 1990 hinaus organisationseigene Betriebe (OEB) im Eigentum der SED/PDS oder im Eigentum des Kulturbundes oder Dritter waren und wer für diese ent-scheidungserhebliche Tatsache darlegungs- und beweisbelastet ist;

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

12

– ob für den Fall, dass es sich bei den streitgegenständlichen Verlagen tat-sächlich jemals um organisationseigene Betriebe der SED/PDS gehandelt haben sollte, diese im Jahr 1990 von der Partei tatsächlich wirksam in Volkseigentum überführt wurden; denn nur in diesem Fall hätte die Beklag-te nach dem TreuhG über diese verfügen können;

– ob (bzw. wann) die Beklagte wusste (bzw. manifeste Zweifel daran hatte

bzw. erkennen konnte), dass die von ihr vermeintlich an die Käufer durch Übertragung der Geschäftsanteile veräußerten Verlage nie in Volkseigentum gestanden hatten, deshalb nicht nach den Voraussetzungen des TreuhG in eine GmbH i.A. umgewandelt worden waren und die Beklagte daher nicht über diese hätte verfügen können;

– sowie, ob die Verträge aus dem September 1991 und dem November 1992

nach § 306 BGB a. F. (oder aus anderen Gründen) nichtig sind, weil sie auf eine aus Rechtsgründen objektiv unmögliche Leistung gerichtet waren, da weder die Beklagte noch irgend ein anderer ab dem 7. Oktober 1989 bzw. dem 1. Juli 1990 bzw. dem 3. Oktober 1990 in der Lage war, die Unterneh-men Aufbau Verlag und Verlag Rütten & Loening durch Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH i. A. zu veräußern;

– ob die Verträge auch aus anderen Gründen, insbesondere infolge Anfech-

tung und wegen Formmangels nichtig sind;

– und schließlich, ob durch die Handlungen und Unterlassungen der Beklag-ten, die das Vermögen des Kulturbund e. V. nach § 20 a, b PartG DDR treu-händerisch verwaltete, dem Kulturbund e. V. und dem Kläger als dessen Rechtsnachfolger, ein Schaden entstanden ist.

4. Maßgebliche Akteure dieses Verfahrens sind die Folgenden (so auch vorgetra-

gen in der NZBB 7 Abs. 1 - NZBB 8 Abs. 2 a) Wie bereits dargelegt: die 1945 gegründete Aufbau Verlag GmbH und der

1844 (und 1952 neu) gegründete Verlag Rütten & Loening und deren jeweili-ge Rechtsnachfolger. In dieser Verfassungsbeschwerde werden diese auch als „Aufbau 1945 bzw. als „Rütten & Loening 1844“ bezeichnet.

In Abgrenzung hierzu werden die vermeintliche Aufbau Verlag GmbH im

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

13

Aufbau (eingetragen am 29. November 1990 in das Handelsregister beim AG Charlottenburg, HRB 35 991), die im August 1992 als fehlerhafte, vermögens-lose Neugründung der Käufer entstandene Aufbau-Verlag GmbH, die Aufbau Verlagsgruppe GmbH und die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH, so sie nicht näher bezeichnet sind, auch als „Aufbau 1990“ abgekürzt. Die vermeint-liche Rütten & Loening GmbH, Berlin, GmbH im Aufbau (eingetragen in das Handelsregister beim AG Charlottenburg, HRB 37 765, Anlage K 163) und Rütten & Loening GmbH werden nachfolgend auch als „Rütten & Loening 1990“ aufgeführt.

b) Die Treuhandanstalt, eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts,

war gegründet worden, um nach Maßgabe des TreuhG das am 1. Juli 1990 volkseigene, also im Staatseigentum der DDR befindliche Vermögen der DDR zu privatisieren (nachfolgend auch: Beklagte, Treuhand, Treuhandanstalt, Treuhandanstalt Branchendirektorate Privatisierung; vgl. insbesondere Ss. v. 29.12.2009, S. 14 bis 18, GA I 14 - 18). Zudem war sie als Nachfolgerin der unabhängigen Kommission im Einigungsvertrag mit der Wahrnehmung der Verwaltung des Vermögens der Parteien der DDR und der diesen verbundenen Organisationen und Massenorganisationen in öffentlich-rechtlicher Treuhand-schaft betraut (nachfolgend auch: Treuhandanstalt Direktorat Sondervermö-gen). Als Mitarbeiter der Treuhand waren unter anderem der Abteilungsleiter für die Privatisierung der DDR-Verlage/Printmedien, Herr Molinari, Herr Kar-sten Voelker und Herr Dr. Schneider mit den hier streitgegenständlichen Vor-gängen befasst. Herr Molinari war insbesondere für den Aufbau-Verlag und für Rütten & Loening zuständig und hat für die Beklagte die Verträge vom 18. und 27. September 1991 verhandelt und unterzeichnet. Herr Voelker hat für die Beklagte den Vertrag vom 24. November 1992 verhandelt und unter-zeichnet. Von ihm stammt der Vermerk von 20. November 1992. Ferner ist der Leiter der Stabsstelle der Beklagten für Besondere Aufgaben, Herr Dr. Hans Richter, zu nennen, der dem Vorstand der Beklagten direkt berichtete.

c) Die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien

und Massenorganisationen der DDR (nachfolgend: Unabhängige Kommission / UK) war vom 1. Juni 1990 bis 15. Dezember 2006 für die Überprüfung und die Ermittlung und Feststellung des Vermögens der Parteien und Massenorga-nisationen der DDR zuständig. Die UK, deren laufende Geschäfte von einem Sekretariat geleitet wurden, das organisatorischer Bestandteil des Bundesmini-steriums des Inneren war, arbeitete unabhängig und unterstand der Rechtsauf-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

14

sicht der Bundesregierung. Mitarbeiter der UK bzw. des Sekretariats, die in der hier streitgegenständlichen Angelegenheit Dokumente und Vermerke ver-fassten, waren unter anderem der Referent Herr Hingst und der Referent Herr Regierungsrat Berger, dessen Vorgesetzter der Referatsleiter Herr von Laer war.

d) Die BFL (damals i. G.) schloss mit der Treuhandanstalt den Vertrag vom

18. September 1991 als eine der Investoren. Alleingesellschafter der BFL war und ist der Kläger. Dieser ist ein privater Investor, der von 1991 bis 2008 als Verleger tätig war und Aufbau 1945 bzw. den Geschäftsbetrieb des Aufbau Verlags mit sämtlichen Aktiva und Passiva im Jahr 1995 direkt vom Eigentü-mer Kulturbund („ein weiteres Mal“) erworben hat (notarielle Verträge vom 28. Februar und 21. Dezember 1995, Anlage B 29 und K 1). Der Vertrag vom 21. Dezember 1995 wurde durch Prozesserklärung der hiesigen Beklagten und der UK Ende 1999 wirksam.

e) Die Herren Rechtsanwalt Bernd Schrader (Gutachten vom 24.10.1994, Anlage

K 79) und Professor Dr. Bernhard Schlink (Universitätsprofessor und Autor, u. a. „Der Vorleser“; Gutachten vom Januar 1995, Anlage B 25) haben in die-ser Angelegenheit Gutachten vorgelegt. Herr Dr. Bernd Hohmann ist ein Mit-arbeiter von Herrn Professor Dr. Schlink; er war an der Erstellung des Gutach-tens Schlink beteiligt, insbesondere aber ist Herr Dr. Hohmann der Verfasser des Schreibens an die Beklagte vom 13. Dezember 1994 und des dazu über-reichten gutachtlichen Vermerks, vorgelegt als Anlagen K 87 und K 88, und Adressat des Schreibens der Beklagten vom 12. Oktober 1995, Anlage K 90.

f) Die Aufbau-Verlag GmbH beantragte am 30. Mai 2008 die Eröffnung des

Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Amtsgericht Charlottenburg er-öffnete mit Beschluss vom 1. September 2008 das Insolvenzverfahren und be-stellte Rechtsanwalt Joachim Voigt-Salus zum Insolvenzverwalter. Im Okto-ber 2008 übernahm der Unternehmer Matthias Koch den Aufbau Verlag vom Insolvenzverwalter mit allen Rechten von Herrn Lunkewitz, der mit dem In-solvenzverwalter kooperierte, um den Verlag zu erhalten (NZBB 10 Abs. 1).

5. Der Bundesgerichtshof war mit dem Sachverhalt mehrfach vorbefasst: a) Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach einem Hinweis auf die

sachliche Unbegründetheit des Rechtsmittels vom 10. Dezember 2007 (Anlage

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

15

K 3) mit Beschluss vom 3. März 2008 (II ZR 213/06, Anlage K 2) die Revisi-on der Aufbau Verlag GmbH gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frank-furt am Main vom 17. August 2006 (16 U 175/05, Anlage K 4, vorgehend LG Frankfurt am Main 2-27 O 238/04, Anlage K 5) zurückgewiesen.

aa) Die Aufbau-Verlag GmbH 1990 hatte dort gegenüber dem hiesigen Be-

schwerdeführer die Feststellung begehrt, dass sie Rechtsnachfolgerin von Aufbau 1945 geworden sei. Widerklagend hatte er die Feststellung begehrt, dass er Rechts- und Vermögensnachfolger von Aufbau 1945 bzw. eines im Wege der Rechts- und Vermögensnachfolge nach der Aufbau 1945 entstande-nen organisationseigenen Betriebes (OEB) Aufbau-Verlag (eingetragen in HRC Nr. 538 im Register der volkseigenen Wirtschaft beim Magistrat von Groß-Berlin) ist. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Wider-klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Aufbau-Verlag GmbH blieb ebenso wie die (vom OLG Frankfurt zugelassene) Revision er-folglos. Die Aufbau-Verlag GmbH hatte der hiesigen Beklagten in diesem Frankfurter Verfahren den Streit verkündet, woraufhin diese dem Rechtsstreit auf Seiten der Aufbau-Verlag GmbH und der Nebenintervenienten beigetreten war.

bb) Die Entscheidung des II. Zivilsenats wurde in der Presse lebhaft diskutiert

(vgl. Hans Leyendecker, in Süddeutsche Zeitung vom 27. März 2008, Anlage NZBB 1: „Ich habe gewonnen und schlafe schlecht“, abgerufen am 24. Oktober 2011 bei www.sueddeutsche.de: „Eine romanhafte Geschichte mit schweren Helden und übertragenen Bonvivants...“, „Es gebe aber „un-streitige Tatsachen“, befand der BGH, dass der „Kulturbund bis zum Beitritt der DDR seine Inhaberrechte an der ehemaligen Aufbau-Verlag GmbH nicht verloren hatte.“; Christoph Diekmann, in ZEIT vom 30. Juni 2008, Anlage NZBB 2: „Onkel Fritz in dieser Not“, abgerufen am 24. Oktober 2011 bei www.zeit.de: „Die deutsche Buchwelt rätselt, ob sie eine Tragödie, einen Schwank, ein Kriminalstück erlebt.“, ; Hubert Spiegel, in Frankfurter Allge-meine Zeitung, „Ein Verleger unter Räubern“, Feuilleton vom 2. April 2008, Anlage NZBB 3, abgerufen am 24. Oktober 2011 bei www.faz.de: „Für Bernd F. Lunkewitz ist eine Behörde, die sich nicht an die Gesetze hält, schlichtweg eine „Räuberbande“. Man könnte sagen, dass der Bundesgerichtshof den Ver-leger in dieser Einschätzung bestätigt hat.“) und fasste die Entscheidung des II. Zivilsenats (wie sich heute zeigt, scheinbar zu Unrecht) wie folgt auf:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

16

„Diese Geschichte begann 1991. Damals erwarb Lunkewitz na-mens einer Beteiligungsgesellschaft von der Treuhand den Auf-bau-Verlag für 1 Million Mark. Es floss viel Geld, um den Verlag liquide zu halten. Lunkewitz kaufte im Glauben, er erwerbe ehe-maligen SED-Besitz. Die sich entstaatlichende Staatspartei der DDR hatte 1990 den Verlag in Volkseigentum überführt. Das ge-schah zu Unrecht, wie Lunkewitz später entdeckte. In Wahrheit gehörte der Verlag dem Kulturbund der DDR. Die Treuhand hätte Aufbau weder verkaufen dürfen, noch war sie bereit, ihren Miss-handel zu korrigieren und den Verlag nachträglich vom Kultur-bund zu erwerben. Deshalb kaufte ihn Lunkewitz 1995 privat ein zweites Mal – jetzt vom Kulturbund. Er prozessierte mit Ausdauer und bekam im März 2008 vom Bundesgerichtshof letztinstanzlich bestätigt, dass ihm die Treuhand 1991 widerrechtlich eine „inhalts-leere Hülle“ angedreht hatte.“ (ZEIT, 30. Juni 2008, Anlage NZBB 2).

b) Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 9. Oktober

2012 ohne weitere Begründung (VIII ZR 382/11, Anlage NZBB 4) die Nicht-zulassungsbeschwerde der Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH gegen das Urteil des Kammergerichts (10 U 167/09, Anlage NZBB 5, vorgehend LG Berlin, 9 O 464/08, Anlage NZBB 6) zurückgewiesen. Dieses Verfahren ist Gegenstand der eingangs erwähnten,

noch offenen Verfassungsbeschwerde zum Az. 1 BvR 80/13:

aa) Die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH hatte in diesem Verfahren Scha-

densersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Privatisierung des Aufbau-Verlages und des Verlages Rütten & Loening gel-tend gemacht. Dabei hatte sie sich unter anderem auf die Interventionswirkung aus dem vorstehend genannten Verfahren vor den Frankfurter Gerichten und damit darauf berufen, dass mit Abweisung der Klage und insbesondere Statt-gabe der Widerklage dort feststehe, sie, die Klägerin, sei keine nach dem Treuhandgesetz entstandene Kapitalgesellschaft in Inhaberschaft der Beklag-ten und nicht sie, sondern der Widerkläger des Vorprozesses und hiesige Be-schwerdeführer sei Inhaberin des Vermögens der am 16. August 1945 gegrün-deten Aufbau-Verlag GmbH oder eines Rechts- oder Vermögensnachfolgers geworden; gleiches gelte für den Verlag Rütten & Loening. Das Landgericht Berlin, wie auch das Kammergericht Berlin haben eine derartige Interventi-onswirkung verneint und die Klägerin als nachweis- und beweisfällig dafür

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

17

angesehen, dass sie nicht Inhaberin des Vermögens der streitgegenständlichen Verlage geworden sei. Diesen Beweis habe sie nach Ansicht der dortigen Ge-richte nicht erbracht. Es sei damit nicht ausgeschlossen, dass der Aufbau-Verlag „im Wege der staatlichen Reorganisation in Form einer Verschmel-zung“ insbesondere mit dem Verlag Rütten & Loening der SED zugewiesen worden sei und deshalb von ihr in Volkseigentum übertragen werden konnte. Wie das Berufungsgericht ausführt, habe schon das Kammergericht in seinem Urteil vom 5. Mai 1998 (14 U 856/96) das so dargelegt. Der Bundesgerichts-hof hat das nicht beanstandet. Auch der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat-te seinen Beschluss vom 21. August 2001 (1 W 8620/99) darauf gestützt. Erst am 10. Februar 2011 hat das Kammergericht sich erneut im Urteil 10 U 167/09 dieselbe Begründung verwendet, was der Bundesgerichtshof erneut nicht be-anstandet hat.

Darüber hinaus haben die Gerichte Nichtigkeitsgründe wie auch Aufklärungs-

und Hinweispflichtverletzungen der Beklagten verneint. Eine Nichtzulas-sungsbeschwerde sowie die anschießende Anhörungsrüge blieben ohne Erfolg.

bb) Dass der VIII. Zivilsenat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des

Kammergerichts vom 10. Februar 2011 ohne inhaltliche Begründung zurück-gewiesen hat, hat dazu geführt, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Entscheidungsgründe des Kammergerichts auch insoweit als vom Bundes-gerichtshofs bestätigt und als Beleg für die Richtigkeit seiner Entscheidung geeignet angesehen hat, soweit diese zu den Beschlüssen des II. Zivilsenats vom 10. Dezember 2007 und 3. März 2008 in Widerspruch stehen und auch sonst von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen. Dies gefährdet nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht nur die Einheit der Rechtsordnung, sondern hinterlässt auch einen schalen Beigeschmack inso-fern, als es den Verdacht nährt, dass eine fortgesetzte grob unrichtige Rechts-anwendung unbeanstandet bleibt, nur weil sie den Fiskalinteressen des Staates in Verkörperung der Beklagten nützlich ist.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

18

II. Der Kläger hatte in diesem fachgerichtlichen Rechtsstreit, der dieser Verfas-

sungsbeschwerde zugrunde liegt, mehrere Feststellungsanträge rechtshängig gemacht und hiernach

– erstens, die Feststellung begehrt, dass die beklagte verpflichtet ist, dem Klä-

ger allen Schaden zu ersetzen, der diesem daraus entstanden ist und noch entstehen wird, (Zählung in BU 9: A. I. 1.) dass die im Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin unter B 35991 unter der Bezeichnung Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH, davor Aufbau Verlagsgruppe GmbH, davor Aufbau-Verlag GmbH, davor Aufbau-Verlag GmbH im Aufbau, eingetra-gene Gesellschaft zu keiner Zeit eine nach dem Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (GBl. DDR 1990 I S. 300), zuletzt geändert durch Art. 19 (8) Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBL. 2007 I S. 2840), durch die Um-wandlung einer volkseigenen Wirtschaftseinheit entstandene Kapitalgesell-schaft im Aufbau oder eine Kapitalgesellschaft in Inhaberschaft der Beklag-ten gewesen ist, (Zählung in BU 9: A. I. 2.) dass die vorgenannte Gesellschaft nicht Inhabe-rin des Vermögens der am 16. August 1945 vor dem Notar Dr. Hünnbeck in Berlin (Urkunde Nr. 1/1945) gegründeten Aufbau-Verlag GmbH, eingetra-gen am 20. Oktober 1945 in das Handelsregister B Nr. 86 Nz beim Amtsge-richt Charlottenburg, umgetragen am 3. März 1949 zum Handelsregister B Nr. 4001 beim Amtsgericht Berlin-Mitte, umgetragen am 5. April 1955 zum Handelsregister C Nr. 538 im Register der volkseigenen Wirtschaft beim Magistrat von Groß-Berlin, gelöscht im Handelsregister B Nr. 4001 am 19. April 1955, oder eines im Wege der Rechts- und/oder Vermögens-nachfolge danach entstandenen organisationseigenen Betriebs (OEB) Auf-bau-Verlag oder eines anderen Rechts- und/oder Vermögensnachfolgers geworden ist.

– Der Kläger hatte ferner, zweitens (Zählung in BU 9: A. II.), die Feststellung

begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu ersetzen, der ihm daraus entstanden ist und noch entstehen wird,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

19

dass die bis zu ihrer Verschmelzung auf die Aufbau Verlagsgruppe GmbH vom 9. August 2006 im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin unter HRB 37765 unter der Bezeichnung Rütten & Loening GmbH, davor Rütten & Loening GmbH im Aufbau eingetragene Gesell-schaft zu keiner Zeit eine nach dem Treuhandgesetz durch die Umwandlung einer volkseigenen Wirtschaftseinheit entstandene Kapitalgesellschaft im Aufbau oder eine Kapitalgesellschaft in Inhaberschaft der Beklagten gewe-sen ist, dass die vorgenannte Gesellschaft nicht Inhaberin des Vermögens der am 24. März 1952 vor der Notarin Ingeburg Gentz in Berlin (Urkunde Nr. 303/52) in Berlin-Ost gegründeten Rütten & Loening GmbH, umgetra-gen am 25. Oktober 1954 aus dem Handelsregister B zum Handelsregister C Nr. 507 (Register der volkseigenen Wirtschaft beim Magistrat von Groß-Berlin), oder eines früheren Inhabers dieses Vermögens, oder eines im We-ge der Rechts- und/oder Vermögensnachfolge danach entstandenen organi-sationseigenen Betriebs Rütten & Loening oder eines anderen Rechts- und/oder Vermögensnachfolgers geworden ist.

– Der Kläger hatte weiter, drittens (Zählung in BU 10: A. III.), beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu erset-zen, der ihm daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass der Ge-schäftsanteilskauf- und Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 18. September 1991 (Urkunde Nr. 226/1991, Notar Müller, Berlin), der Bei-tritts- und Änderungsvertrag zum vorgenannten Vertrag vom 27. September 1991 (Urkunde Nr. 366/1991, Notar Dr. Paul, Frankfurt am Main) und der Vertrag vom 24. November 1992 (richtig: 23. November 1992) (Urkunde Nr. 665/1992, Notar Klein, Berlin) sämtlich nichtig sind, hilfsweise dass einzelne der vorgenannten Verträge nichtig sind.

– Der Kläger hatte schließlich, viertens (Zählung in BU 11: B.), die Feststel-lung verlangt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu erstat-ten, der ihm als Rechtsnachfolger des Kulturbundes daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass Verlags- und sonstige immaterielle Vermö-gensrechte der Aufbau-Verlag (alt), der zunächst am 16. August 1945 vor dem Notar Dr. Hünnebeck in Berlin (Urkunde Nr. 1/1945) als Aufbau-Verlag GmbH gegründet und am 20. Oktober 1945 unter Handelsregister

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

20

B Nr. 86 Nz im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg eingetra-gen, dann am 3. März 1949 zum Handelsregister B Nr. 4001 beim Amtsge-richt Berlin-Mitte umgetragen, dann am 5. April 1955 zum Handelsregister C Nr. 538 im Register für volkseigene Betriebe und für diesen gleichgestell-te Unternehmen beim Magistrat von Groß-Berlin umgetragen, dann am 19. April 1955 im Handelsregister B gelöscht und hierdurch in einen organi-sationseigenen Betrieb des Kulturbunds zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands umgewandelt wurde, in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 1. September 2008 unbefugt zunächst von der Beklagten, sodann auf deren Veranlassung von der im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin unter HRB 35991 eingetragenen Gesellschaft bzw. – bis zu deren Entstehung – von deren Gesellschaftern genutzt wurde.

(Zu den Anträgen BU 8 Abs. 5 - BU 11 Abs. 2). 1. Der Kläger hatte dazu die Ansicht vertreten, dass die den Investoren im Sep-

tember 1991 bzw. November 1992 verkauften (Schein-)Gesellschaften bzw. die dann aus den vermeintlichen Nachgründungsmaßnahmen der Käufer in 1992 entstandenen fehlerhaften Gesellschaften nicht Rechts- und Vermögens-nachfolgerin von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 bzw. der hieraus entstandenen organisationseigenen Betriebe geworden sind. Er sieht sich durch die Entscheidung des II. Zivilsenats vom 3. März 2008 (II ZR 213/06, Anlage K 2) und insbesondere den Inhalt des vorangegangenen Hinweisbeschlusses in seiner Auffassung bestätigt, dass der Kulturbund seit Gründung des Verlages als Aufbau-Verlag GmbH dessen Eigentümer war und er dieses Eigentum auch nach der Umwandlung in einen OEB Aufbau Verlag im Jahr 1955 nie an die SED/PDS verloren hat. Aufbau 1945 habe auch nie im Volkseigentum ge-standen. Die Beklagte sei mangels Vorliegen der gesetzlichen Umwandlungs-voraussetzungen nie Inhaberin nach § 1 Abs. 4 TreuhG des Aufbau Verlages 1945 gewesen. Auch Rütten & Loening habe sich nie in Volkseigentum be-funden, weil die ursprünglichen Gesellschafter nie ihr Eigentum verloren hät-ten, und sei deshalb nicht umgewandelt worden. Die Beklagte sei nie Inhabe-rin des Vermögens der Verlage nach § 11 TreuhG gewesen und habe nie Ver-fügungsmacht über diese gehabt.

Die Beklagte habe (zumal als treuhänderische Verwalterin des Vermögens

sowohl des Kulturbundes als auch der SED/PDS seit dem 1. Juni 1990) bei den Vertragsabschlüssen der Jahre 1991 und 1992 bereits Kenntnis davon ge-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

21

habt, dass Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 nicht im Volkseigentum gestanden haben und dass das TreuhG auf die Verlage deshalb keine Anwen-dung finden konnte (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 6. April1993, 1 W 1590/92, ZIP 1993, 872/873 f).

Die Investoren seien dagegen davon ausgegangen, von der Beklagten durch

zwei Verträge vom 18. September 1991 und vom 27. September 1991 sämtli-che Geschäftsanteile an zwei Kapitalgesellschaften im Aufbau nach §§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 2 TreuhG erwerben zu können bzw. erworben zu haben. Kaufge-genstände hätten nach dem Vertragstext sämtliche GmbH-Geschäftsanteile an den Gesellschaften

– „Aufbau Verlags-Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau“, HRB

35 991 AG Charlottenburg

und

– „Rütten & Loening, Berlin, Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Auf-bau“, HRB 37 765 AG Charlottenburg

sein sollen, die Inhaber der betreffenden Verlage waren. Bei diesen Gesell-

schaften aber habe es sich tatsächlich um Scheingesellschaften gehandelt. Die (erst) durch die – vermeintlichen – Nachgründungsmaßnahmen vom Febru-ar/August 1992 entstandenen fehlerhaften Gesellschaften seien von Beginn an leere, vermögenslose Hüllen gewesen. Diese hätten unter andauernder Verlet-zung der Lizenzen, Urheber- und Markenrechte das Geschäft der ihr nicht ge-hörenden Verlage fortgeführt und hafteten für die im Namen der Scheingesell-schaften Aufbau Verlag im Aufbau und Rütten & Loening im Aufbau einge-gangenen Verbindlichkeiten analog § 25 HGB.

2. Der Kläger hatte in den Tatsacheninstanzen umfassend zum erlittenen Schaden

und zur Eigentumslage vorgetragen. a) Er hatte dabei im einzelnen dargelegt, dass er aufgrund vorstehender Umstän-

de einen eigenen Schaden erlitten hat und zudem als Rechtsnachfolger des Kulturbundes dessen Vermögensschaden geltend machen kann (vgl. Ss. v. 29. Dezember 2009, S. 231 bis 237, GA I 230 bis 236; Ss. v. 15. Mai 2012, S. 110 ff, GA VIII 2028 ff). Dabei handelt es sich unter anderem um die Über-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

22

nahme einer Bürgschaft des Klägers zur Sicherung des laufenden Kontokor-rents der Aufbau-Verlag GmbH, wobei die Geschäftsbeziehung mit der Berli-ner Bank AG im Zuge der Insolvenz gekündigt wurde, die Bürgschaft fällig gestellt wurde, der Kläger diese in Höhe 2.234.061,38 EUR gegenüber der Bank ausglich, seine Forderung zur Insolvenztabelle anmeldete und der Insol-venzverwalter die Forderung bestritt, da er den Kläger unter dem Gesichts-punkt des Eigenkapitalersatzes für verantwortlich hält (vgl. Anlagen K 119, 120, 121), sowie um Rückzahlungsansprüche hinsichtlich Mietforderungen (hierzu aber BGH, Beschl. v. 24. Juni 2014, II ZR 98/13) und um die Forde-rung aus einer vermeintlichen Finanzierungszusage in Höhe von 5 Millionen EUR, wovon der Insolvenzverwalter noch Teilzahlungen in Höhe von 4,32 Millionen EUR verlangte (Anlage K 123, vgl. auch Ss. v. 14. Februar 2011, S. 28 f, GA IV 945 f, vgl. aber BGH, Beschl. v. 13. Oktober 2015 – II ZR 7/15). Weitere Schadenspositionen des Klägers legt dieser unter ande-rem mit Schriftsatz vom 12. Januar 2012 (S. 96 ff, GA VII 1719 ff) dar (insbe-sondere weitere Einschüsse in die der BFL Beteiligungsgesellschaft zur Finan-zierung von Investitionen im Verlagswesen ab Januar 1992, Rechtsberatungs- und Gerichtskosten in Höhe von ca. 6,5 Millionen EUR, Investitionen und Ausbau in Immobilien für Verlagstätigkeit; vgl. auch Ss. v. 14. März 2011, S. 83 bis 89, GA IV 1000 bis 1006). Hinsichtlich des Kulturbundes beruft sich der Kläger im Wesentlichen auf Schäden, die dem Kulturbund durch die rechtswidrige Nutzung immaterieller Rechte durch Dritte entstanden sind, und zwar hinsichtlich Verlagsrechten (hierzu Ss. v. 29. Dezember 2009, S. 235/236, GA I 234/235) und hinsichtlich Kennzeichenrechten (Ss. v. 29. Dezember 2009, S. 236/237, GA I 235/236).

b) Zur Eigentumslage hatte der Kläger in den Tatsacheninstanzen in erheblichem

Umfang Dokumente vorgelegt, aus denen sich die Eigentumslage an Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 bis zum 14. März / 2. April 1990 (Überga-be- / Übernahmeprotokoll, Anlage K 35) bzw. bis zum 1. Januar 1990 bzw. bis zum 7. Oktober 1989 ergeben soll.

aa) Das Berufungsgericht geht auch davon aus, aus den von dem Kläger einge-

reichten Dokumente ergebe sich, dass der Aufbau-Verlag 1945 jedenfalls bis Ende 1962 im Organisationseigentum des Kulturbundes stand (BU 20 Abs. 2).

bb) Der Kläger hat sich zum Nachweis des fortbestehenden Eigentums des Kultur-

bundes ab 1963 bis 1990 auf weitere Dokumente bezogen, mit denen sich das

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

23

Berufungsgericht (in auffälligem Unterschied noch zu der Entscheidung des Kammergerichts vom 10.2.2011, 10 U 167/09, Anlage NZBB 5) auf BU 21 Abs. 2 bis 24 Abs. 2 zumindest teilweise inhaltlich auseinandersetzt (begin-nend mit dem Beschluss des Politbüros des ZK der SED vom 31.7.1962 (Pro-filierungsbeschluss), Anlage K 26 und den dazu ergangenen Abkommen zwi-schen dem ZK der SED [Abteilungen Finanzverwaltung und Parteibetriebe und Wissenschaften] und dem Ministerium für Kultur [HV Verlage und Buch-handel] vom 28.12.1962, Anlage K 27, sowie 13.12.1963, Anlage K 28, bis Rechenschaftsbericht der HV Verlage und Buchhandel über die Vermögens-verwaltung der parteieigenen Verlage, Anlage B 4; sodann „Rechenschaftsbe-richt über die Vermögensverwaltung der parteieigenen Verlage im Jahr 1965“, Anlage K 135, sowie 1970, 1975, 1980 und 1982 (Anlagen K 137 bis K 144) – wobei es allerdings gerade die darin enthaltenen Feststellungen zur Eigen-tumslage in Bezug auf die verwalteten Verlage übergeht – bis Vereinbarung vom 18./.19. April 1984 zwischen dem ZK der SED [Abteilungen Finanzver-waltung und Parteibetriebe] und dem Ministerium für Kultur [HV Verlage und Buchhandel], Anlage K 33, sowie Bezugnahme auf das „Gesetz über das Ver-tragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 25. März 1982“; vgl. insge-samt auch Ss. v. 13.12.2012, S. 31 ff, S. 35 f, GA VIII 1956 ff; Ss. v. 12.1.2012, S. 29 Mitte, GA VII 1652 mwN dazu, dass der Beschluss des Polit-büros zu keiner Zeit aufgehoben oder geändert wurde).

3. Das Berufungsgericht vertritt demgegenüber die Auffassung, es sei nicht aus-

zuschließen, dass das organisationseigene Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag 1945 nach 1963 „im Wege staatlicher Reorganisation in Form der Verschmelzung“ der SED zugewiesen worden sei (BU 20 Abs. 3, 22 Abs. 3, 23 Abs. 1), mit der Folge, dass der Aufbau-Verlag 1945 zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt ein OEB der SED/PDS geworden sei, der von dieser sodann 1990 wirksam (hierzu BU 24 Abs. 3 bis 26 Abs. 2) in Volksei-gentum überführt worden sei. Tatsächlich, rechtlich und auch historisch be-trachtet ist dies indes offensichtlich falsch.

a) Richtig daran ist nur, dass die SED/PDS Anfang 1990 und nur für einen kur-

zen Zeitraum behauptete (Ss. v. 29.1 Dezember 2009, S. 122/123, GA I 121/122, Anlage K 70, dort S. 2), bei den Verlagen handele es sich um Partei-eigentum und versuchte, trotz bereits vorliegender Zweifel daran, dieses im April 1990 mit Wirkung zum 1. Januar 1990 in Volkseigentum zu übertragen und dabei für das Parteivermögen bei einem (auch nur teilweisen) Weiterver-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

24

kauf fast 17 Millionen Mark Kaufpreis zu erzielen. Im Januar 1990 finden sich in einer Vorlage für das Präsidium des Parteivorstandes der SED/PDS (Anlage B 9, S. 2 Abs. 4 bis 4 Abs. 2, hierzu BU 26 Abs. 1) durch Herrn Klaus Höpc-ke, stellvertretender Minister für Kultur zwischen 1973 und 1989, folgende Ausführungen:

„Ein Problem von besonderer politischer Bedeutung ist die künfti-ge Handhabung des Aufbau-Verlages und Rütten & Loening. (...). Der Verlag wurde 1945 mit Mitteln der KP durch Genossen K. Gysi und weiteren drei Gesellschaftern mit je 20.000 RM als G.m.b.H. gegründet, zu einem späteren Zeitpunkt als Verlag des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands dekla-riert, und dorthin erfolgte auch die Gewinnabführung. Anfang der sechziger Jahre brachte die SED die Substanz des Volksverlages, Weimar (Kulturelles Erbe), und von Rütten & Loening, Berlin, ein. Der Verlag firmierte nun nicht mehr als Kulturbund-Verlag, und die Finanzierung des Kulturbundes wurde über die Hauptkasse des ZK neu geregelt. Die Verlagsgebäude in Berlin und Weimar sind Parteieigentum. (...) Folgende Variante wäre denkbar: Der Aufbau-Verlag wird wieder Verlag des Kulturbundes. Zu diesem Zweck erfolgt die Umwand-lung in eine G.m.b.H. Gesellschafter zu gleichen Teilen werden der Kulturbund und die „Buchverlagsgesellschaft“ (für den Anteil der Partei). Das eindeutig abgegrenzte Editionsprogramm Rütten & Loening (Kulturgeschichte, kulturelles Erbe) wird dem Verlag Volk und Welt zugeordnet. Sofern diese Lösung nicht gangbar wä-re, käme nur ein Verkauf in Volkseigentum in Frage. In den Belegschaften der organisationseigenen Verlage unserer Partei gibt es nach wie vor strittige Debatten (auch Erklärungen) zur Infragestellung des Parteieigentums, der erwirtschafteten Ergebnisse u.a. Abgesehen von unseren prinzipiellen Standpunkten zur Eigen-tumsfrage könnte dem entgegengewirkt werden, (...).“ (Hervorhe-bungen durch den Unterzeichner)

b) Unter dem 14. März 1990 wurde dann ein Übergabe- / Übernahmeprotokoll

zur vermeintlichen Überführung des Verlages als OEB der SED vom Ministe-rium für Kultur und dem Verlagsdirektor unterzeichnet, das die Übernahme der Verlage ohne Wertansatz in Volkseigentum vorsah. Dieses Protokoll wur-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

25

de vom Vertreter der PDS (Dr. G. Pelikan; Anlage K 35) – auf Grund eines Beschlusses des Präsidiums des Vorstands der PDS, dass „nur ein Verkauf in Frage (kommt)“ unter Beifügung des Vermerks „b.w.“ (bitte wenden) auf der Vorderseite und einer Zusatzerklärung zur Fälligkeit des geforderten Kaufprei-ses auf der Rückseite des Dokuments – am 2. April 1990 unterzeichnet und als (neues) Angebot an das Ministerium geschickt. Dieses nach der in § 64 ZGB festgelegten Frist vorgelegte neue Angebot lehnte das Ministerium durch Schreiben vom 18. April 1990 (Anlage BK 72) ab.

c) Die SED/PDS erklärte bei der Aufarbeitung ihrer Vermögensverhältnisse dann

bereits gegenüber dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zur BARoV-Liste vom 22. Dezember 1992, keine Rechte am Aufbau-Verlag gel-tend machen zu können, wobei sie – wie bereits vorgetragen – seit dem 1. Juni 1990 der treuhänderischen Verwaltung der Beklagten unterlag, die dieser Er-klärung zustimmen musste (Nachweis in Anlage K 70, Vermerk vom 10.2.1993, S. 2 Abs. 2, nach der sich die Partei in dieser Liste [anders als in Bezug auf Rütten & Loening] keiner Rechte mehr hinsichtlich des Aufbau Verlages berühmte). Mit anderen Worten existiert also eine mit Zustimmung der Beklagten verfasste Erklärung dazu, dass die SED/PDS nie Eigentümer des Aufbau-Verlages war. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 (S. 37/38, GA III 588/589) nach §§ 142, 421 ZPO beantragt, der Beklagten die Vorlage dieser Urkunde aufzugeben (der Antrag wurde nicht beschieden). Am 10. April 1995 (Anlage K 173, GA III 689/699) erklärte der Parteivorstand der PDS auch gegenüber dem Kläger, es sei nach zwischenzeitlich erfolgter histo-rischer Aufarbeitung von Vermögensfragen der SED festzustellen, dass der Aufbau-Verlag nie – also insbesondere auch nicht vor 1990 – zum Eigentum der SED gehörte, und bestätigt damit die formelle Erklärung gegenüber dem BARoV vom 22. Dezember 1992.

4. Das Berufungsgericht hat sich mit den Ausführungen des Klägers in seinem

mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Urteil indes so gut wie gar nicht auseinandergesetzt und befasst sich mit einer ganzen Reihe von Doku-menten weder implizit noch explizit. Der Kläger hatte in dem Nichtzulas-sungsbeschwerdeverfahren insoweit zahlreiche Verletzungen seines An-spruchs auf rechtliches Gehör gerügt und dazu – zur besseren Verständlichkeit schon vorab im Sachbericht – die Eckdaten und den insoweit für das Nichtzu-lassungsbeschwerdeverfahren wesentlichen Vortrag zur Substantiierung seiner auf §§ 544 Abs. 2 Satz 3, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, Art. 103 Abs. 1

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

26

GG gestützten Rügen zusammengefasst (NZBB 16 Abs. 4 - NZBB 32 Abs. 1, unter Punkt II. 2.). Nachdem der Bundesgerichtshof diesen Gehörsverletzun-gen nicht abgeholfen hat und auf die Rügen unter Verweis auf § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auch in der Sache nicht eingegangen ist, ist der Vortrag hier zur Substantiierung der hiesigen Beschwerde – ebenfalls vorab – zu wie-derholen:

a) Auffallend sind zunächst die nachfolgend ausgeführten Auslassungen des

Berufungsgerichts: aa) Die SED/PDS erklärt gegenüber dem Bundesamt zur Regelung offener Ver-

mögensfragen zur BARoV-Liste vom 22. Dezember 1992, nie Rechte am Aufbau-Verlag gehabt zu haben. Die SED/PDS unterliegt seit dem 1. Juni 1990 der treuhänderischen Verwaltung der Beklagten, die dieser Erklärung zu-stimmen musste (Nachweis in Anlage K 70, Vermerk vom 10.2.1993, S. 2 Abs. 2, nach der sich die Partei in dieser Liste [anders als in Bezug auf Rütten & Loening] keiner Rechte mehr hinsichtlich des Aufbau Verlages berühme; Antrag, der Beklagten die Vorlage der Liste nach § 142 ZPO aufzugeben, Ss. v. 4.10.2010, S. 37/38, GA III 588/589, nicht beschieden, Ss. v. 29.12.2009, S. 122/123, GA I 121/122).

bb) Am 10. April 1995 (K 173, GA III 698/699) erklärt der Parteivorstand der

PDS, nach zwischenzeitlich erfolgter historischer Aufarbeitung von Vermö-gensfragen der SED sei festzustellen, dass der Aufbau-Verlag nie zum Eigen-tum der SED gehörte, und bestätigt damit die formelle Erklärung gegenüber dem BARoV vom 22. Dezember 1992.

cc) Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 (ab Gründung 1952) sind ununter-

brochen und über 1989 hinaus als selbständige juristische Personen in HRB, sodann in HRC, dann wieder in HRB eingetragen. Rütten & Loening ist 1969 von der Parteispitze der SED (Walter Ulbricht) und vom Minister für Kultur (Claus Gysi) als selbständiger Verlag, dabei als Kooperationspartner von Auf-bau, bestätigt worden (Ss. v. 6.6.2013, S. 46/47, GA VIII 2083/2084).

dd) In der Arbeitsrichtlinie Nr. 3 vom 6. Januar 1964 stellte der stellvertretende

Vertragsdirektor Hähn fest:

„1.) Der Verlag Rütten & Loening bleibt als juristische Person

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

27

auch nach der Angliederung an den Aufbau-Verlag Berlin und Weimar bestehen.“ (Anlage BK 73)

ee) In den Rechenschaftsberichten des Ministeriums für Kultur über die von ihm

verwalteten Verlage und den dazugehörigen Bilanzen für die Jahre 1965, 1970, 1975, 1980 und 1982 (Anlagen K 135 bis K 144) werden die in der Schlussbilanz vom 31. Dezember 1963 (Anlage K 29) festgestellten und dann in der Vereinbarung des MfK mit dem Kulturbund vom 27. Februar 1964 (An-lage K 31) unter Ziffer 2.1 als „Vermögen des Kulturbundes im Aufbau-Verlag“ dokumentierten Fonds in Höhe von insgesamt MDDR 3.606.852,17 separat von denen der Partei und der anderen Organisationen in unveränderter Höhe als solche ausgewiesen.

ff) Der Kulturbund hat bis 1989 die ihm als Eigentümer zustehenden und auf

eigenen Wunsch pauschalierten Gewinnabführungen vom Ministerium für Kultur erhalten (vgl. Anlage K 34, Vermerk UK vom 17.3.1994, S. 3, hierzu BU 36 Abs. 2; Ss. v. 15.5.2012, S. 45 ff, GA VIII 1966 ff; Ss. v. 29.8.2013, S. 40 ff, GA VIII 2077 ff, Anlage BK 40 bis BK 48). Der Kläger hat dargelegt, dass es sich dabei nicht um staatliche Zuweisungen handelte, da staatliche Zuweisungen und Gewinnabführungen jeweils separat verbucht wurden (vgl. Ss. v. 6.6.2013, S. 40 ff, 44, 45, GA VIII 2077 ff, 2081, 2082).

gg) Der Aufbau-Verlag hat gegenüber dem Kulturbund bis 1988 jährlich über

seine Geschäfte Rechenschaft abgelegt (vgl. Anlagen K 159 bis K 161, Ss. v. 4.10. 2010, S. 28 ff., GA III 579 ff).

hh) Das Zentralkomitee der SED hat durch seine Abteilung Finanzverwaltung und

Parteibetriebe vom 12. Mai 1983 den Aufbau-Verlag / Rütten & Loening unter Verweis auf die Verwaltungsvereinbarung vom 28. Dezember 1962 – „1.) die Eigentumsverhältnisse blieben unverändert“ – als einen von mehreren partei- und organisationseigenen Betrieben bezeichnet und hervorgehoben, das Mini-sterium für Kultur sei lediglich anleitend und vermögensverwaltend tätig (vgl. Anlage B 6).

ii) Der Kulturbund hat durch seinen Bevollmächtigten Herrn Dr. Glücksmann,

der langjähriges und leitendes Mitglied war, bereits Ende 1990 / Anfang 1991 gegenüber der Beklagten auf die Eigentumsrechte des Kulturbundes hingewie-sen (Ss. v. 11.04.2014, S. 14/15, , GA IX 2317/2318, Anlagen BK 88 bis 90).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

28

jj) Ergänzend hat der Kläger auf das von dem Bundesministerium für innerdeut-

sche Beziehungen herausgegebene DDR Handbuch (2. Aufl. 1979, S. 1132) verwiesen, das für den Aufbau-Verlag festgestellt hat, dieser gehöre dem Kul-turbund (Ss. v. 29.12.2009, S. 54/55, GA I 54/55; Anlage NZBB 8).

kk) Die Beklagte selbst bestätigte auf eine detailliert begründete Anfrage gegen-

über der Aufbau-Verlag GmbH und damit auch dem dort als Verleger tätigen Kläger durch Schreiben vom 11.2.1994 (Anlage K 76): „Nach den Feststel-lungen der Unabhängigen Kommission stand der Aufbau-Verlag nicht im Ei-gentum der SED“ und bestätigte ausdrücklich „die Tatsache, dass sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhältnissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte.“

b) Zu den Übertragungsvorgängen von der Beklagten (Treuhandanstalt/BvS) auf

die Investoren im Jahr 1991/1992 sowie im Jahr 1995 vom Kulturbund an den Kläger hatten die Parteien in den Tatsacheninstanzen im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

aa) Am 29. November 1990 wurde die „Aufbau-Verlag Gesellschaft mit be-

schränkter Haftung im Aufbau“ in das Handelsregister Charlottenburg (HRB 35 991, Anlage K 36) eingetragen. Am 3. Mai 1991 wurde die „Rütten & Loe-ning, Berlin Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau“ ebenfalls dort eingetragen (HRB 37 765, Ablage K 163).

bb) 18. September 1991 (Anlage K 8): Notarieller Vertrag zwischen Treuhandan-

stalt und BFL i.G. über Anteilskauf und Abtretung der Geschäftsanteile an den unter HRB 35 991 und 37 765 beim AG Charlottenburg eingetragenen Gesell-schaften. 27. September 1991 (Anlage K 9): Notarieller Vertrag, Eintritt des Herrn Thomas Grundmann, der Dr. Ulrich Wechsler Verlags- und Medien GmbH und der Konzeption Finanz- und Unternehmensberatung GmbH als weitere Käufer in den Vertrag vom 18. September 1991.

cc) Nach Ziffer 13 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages vom 27. September 1991 (Anlage

K 9) konnten die Käufer von dem Vertrag zurücktreten, wenn die Zustimmung des Vorstands der Beklagten und die Vollmacht für den auf Seiten der Beklag-ten handelnden Herrn Klemens Molinari nicht spätestens am 4. Oktober 1991 vorlagen (Ss. v. 29.12.2009, S. 53 Mitte, GA I 53 Mitte). Am 2. Oktober 1991

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

29

abends teilte Herr Molinari dem Kläger mit, dass der Vorstand der Beklagten die Zustimmung am 1. Oktober 1991 beschlossen habe und vereinbarte mit Herrn Lunkewitz die Übergabe des Verlages zu Händen der BFL für den 7. Oktober 1991 (Ss. v. 29.12.2009, S. 53 Mitte, GA I 53 Mitte).

dd) 17. Oktober 1991: Zugang der Zustimmungserklärung der Treuhandanstalt zu

den notariellen Verträgen vom 18. und 27. September 1991 mit der Maßgabe, dass auch alle zwischenzeitlich den Käufern des Aufbau Verlages bekannt ge-wordenen bzw. bekannt gegebenen weiteren Entwicklungen bei den zu über-nehmenden Verlagen als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als offenbart zu betrachten seien (Anlage K 43, Schr. v. 11.10.1991; die Erklärung wird von der Beklagten am 16. Oktober 1991 zur Post gegeben, Zugang am 17. Oktober 1991 bei dem Notar; Ss. v. 29.12.2009, S. 53/54, GA I 53/54).

ee) Am 20. Februar 1992 beschlossen die Käufer die Fortführung der Gesellschaf-

ten; Eintragung am 6. August und 22. Oktober 1992 in das Handelsregister (Anlage K 36 und K 163, § 19 TreuhG). Eintragung der vorgenannten Tatsa-chen sowie Löschung des Zusatzes „im Aufbau“ im HRB beim AG Charlot-tenburg (§ 21 Abs. 3 TreuhG).

ff) Differenzen zwischen den Käufern und der Beklagten über die so genannte

Plusauflagen-Problematik sowie Verkauf der Grundstücke Französische Straße 32 und 33 durch die Aufbau Verlagsgesellschaft an den Beschwerdeführer (Ss. v. 29. Dezember 2009, S. 96 ff, GA I 96 ff). Daraufhin Abschluss der Verein-barung vom 23./24. November 1992 (Anlage K 10; darin erneuter Verkauf der vermeintlichen Geschäftsanteile an den vermeintlichen Kapitalgesellschaften im Aufbau).

gg) 28. Februar/21. Dezember 1995 (Anlagen B 29 und K 1): Notarielle Verträge

zwischen Kulturbund und dem Beschwerdeführer, mit denen der Kulturbund seine Geschäftsanteile an Aufbau 1945 sowie den Geschäftsbetrieb mit allen Aktiva und Passiva an den Beschwerdeführer verkauft. Übertragung der An-teile und Vermögensgegenstände. Am 9. März 1995 verweigerte das Direkto-rat Sonder- und Bundesfinanzvermögen der Beklagten gegenüber dem Kultur-bund die Zustimmung zu dem Vertrag (Anlage K 111, 110), da dieser nach der Übertragung von Aufbau 1945 nach den Regelungen des TreuhG auf eine un-mögliche Leistung gerichtet sei. Hiergegen klagte der Kulturbund vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG 26 A 191.95). Nach mündlicher Verhandlung

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

30

vor dem Verwaltungsgericht am 29. November 1999 Freistellungserklärung der Beklagten vom 17. Dezember 1999 im Einvernehmen der UK (Anlagen K 113 bis 115).

c) Zur Frage des Kenntnisstandes der Treuhandanstalt und der Unabhängigen

Kommission hinsichtlich der Eigentumslage und Inhaberschaft hat das Beru-fungsgericht den Vortrag der Parteien zwar gewürdigt. Auch diese Würdigung enthält jedoch hinsichtlich substantiierten und entscheidungserheblichen Kernvorbringens des Klägers massive Auslassungen. Daher wird nachfolgend der Vortrag der Parteien zur Frage des Kenntnisstandes zusammengefasst, was vor dem Hintergrund evidenter Verletzungen des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör und insbesondere deswegen in dieser Ausführlichkeit erfor-derlich ist, weil das Berufungsgericht unter anderem auf BU 31 Abs. 2 von „reiner Spekulation“, auf BU 37 Abs. 4 von „haltlosen Behauptungen“ und auf BU 37 Abs. 3 davon spricht, der Vortrag des Klägers entbehre jeder sachlichen Grundlage (Art. 103 Abs. 1 GG).

aa) Das Berufungsgericht befasst sich explizit, wenn auch überwiegend unvoll-

ständig, mit nachfolgend aufgeführten Dokumenten, bzw. mit dem Sachvor-trag der Parteien:

(1) 25. Juli 1991, erster Nachforschungsauftrag der UK (Referat PV 1 „Massenor-

ganisation“ nicht PV 2 „echte PDS-Beteiligungen“, vgl. Anlage BK 87, S. 4) an die Treuhandanstalt (Anlage K 47, hierzu BU 30 Abs. 2).

(2) 13. August 1991, Schreiben Direktorat Sondervermögen, Herr Dr. Dierdorf, an

den Leiter des Sekretariats der Unabhängigen Kommission, Herrn Dr. von Hammerstein (Anlage K 45, hierzu BU 29 Abs. 4).

(3) Am 14. August 1991 (Anlage K 48, „2. Nachforschungsauftrag“) wiederholt

die Unabhängige Kommission (Referat PV 1 „Massenorganisation“) ihre Bitte um Stellungnahme vom 25. Juli 1991 (Anlage K 48, insbesondere Frage, wann der Aufbau Verlag aus dem Volkseigentum in das Eigentum der SED überge-gangen sei, „2. Nachforschungsauftrag“; hierzu BU 30 Abs. 2). Am 20. Au-gust 1991 wird zu den Fragen der Schreiben vom 25. Juli 1991 und 14. August 1991 auf letzterem Schreiben vermerkt: „n.b.“ (nicht bekannt).

(4) 6. September 1991 (Anlage K 46; hierzu BU 30 Abs. 2), Antwortschreiben auf

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

31

das Schreiben vom 13. August 1991, Sekretariat der Unabhängigen Kommis-sion im Bundesministerium des Innern, Herr Hingst, an die Treuhandanstalt Direktorat Sondervermögen, Herrn Dr. Dierdorf: Danach keine wirksame Überführung der Verlage in Volkseigentum durch die Erklärungen vom 2. April 1990 aufgrund der dort gleichzeitig erfolgten Erklärung über einen be-dingten Kaufpreis (neues Angebot nach § 64 Abs. 4 ZGB, das nicht ange-nommen wurde). Das Eigentum befände sich danach noch bei der PDS.

(5) 7. Oktober 1991: Aktennotiz Herr Hingst (UK) über eine Besprechung mit

dem für den Verkauf der Verlage zuständigen Abteilungsleiter der Beklagten, Herrn Molinari, und dem Referatsleiter der Unabhängigen Kommission: Vor-behalt Zustimmung UK, Übergabe von Unterlagen über den Aufbau Verlag – „und zwar umfassend auch zur Entwicklung des Verlages selbst“ – an die Un-abhängige Kommission (hierzu BU 30 Abs. 2, Anlage K 53; Ss. v. 29.12.2009, S. 72 ff, GA I 72 ff sowie Beweisangebot Zeugnis Molinari, von Laer, Hingst auf S. 73 Mitte, S. 76 Mitte, BU 31 Abs. 2).

(6) 8./9. Oktober 1991: Ergänzende Gespräche zwischen den Herren Molinari,

von Laer und Hingst (Ss. v. 29.12.2009, S. 73/74, GA I 73/74). (7) 9. Oktober 1991: „Unter Bezugnahme auf die ... gestern und heute geführten

Gespräche“ Zustimmungsersuchen zur Privatisierung des Aufbau Verlages von der Treuhandanstalt an die Unabhängige Kommission. Hinweis, dass das nächstbeste Gebot um 4 Millionen schlechter als das vorliegende sei, monat-lich weitere Verluste aufliefen und sich die Situation aufgrund der derzeit lau-fenden Frankfurter Buchmesse und der kurz zuvor stattgefundenen gerichtli-chen Hausdurchsuchungen zugespitzt habe (Anlage K 54; hierzu BU 30 Abs. 2).

(8) 22. Oktober 1991: Vermerk Herr Hingst (Anlage B 21, BU 30 Abs. 2) zu Zu-

ständigkeitsfragen. Das Berufungsgericht befasst sich mit diesem Vermerk zwar auf BU 30 Abs. 2, nimmt den Inhalt des Vermerks aber nur selektiv zur Kenntnis (vgl. insbes. auch Ss. v. 4.10.2010, S. 57 bis 60, GA III 608 bis 611).

(9) 29. Oktober 1991: Übersendung des Schreibens der UK vom 6. September

1991 (Anlage K 52, Unwirksamkeit der Überführung der Verlage in Volksei-gentum durch Erklärungen vom 2. April 1990, hierzu BU 29 Abs. 4) von Di-rektorat Sondervermögen an Direktorat Privatisierung: Die Verlage unterlägen

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

32

der treuhänderischen Verwaltung durch das Direktorat Sondervermögen; man-gels Zustimmung des Direktorats Sondervermögen seien die Verträge schwe-bend unwirksam (Anlage K 52). Komme eine Zustimmung in Betracht, stehe der erzielte Verkaufserlös dem Sondervermögen zu (Anlage K 52).

(10) 27. Februar 1992: Besprechung Oberfinanzdirektion Berlin, der Liegen-

schaftsgesellschaft der Treuhandanstalt und der Treuhandanstalt (Prot. v. 5.3.1992 als Anlage K 68, S. 4. Hierzu BU 32 Abs. 4): Französische Straße 32/33 (Aufbau-Verlag):

„Herr Molinari informiert über eine Entscheidung der „Unabhän-gigen Kommission“, dass es sich nicht um Parteivermögen han-delt.“

(11) 29. Dezember 1992: Vermerk Unabhängige Kommission (Anlage K 71, Herr

Hingst, hierzu BU 34/35) über Befragungen von Frau Smalla und Herrn Lange entsprechend den bereits über ein Jahr zuvor in dem Vermerk vom 22. Okto-ber 1991 (Anlage B 21, S. 2 unter Ziff. 2) formulierten Fragen (Bilanzierung, Gewinnabführung, Einbeziehung in Altersversorgung der Partei):

„1) Frau Smalla... langjährige leitende Mitarbeiterin in der VOB Zentrag (zuletzt als Prokuristin), erklärt am 15. Dezember 1992 auf Befragen:

Der Aufbau-Verlag sei kein Parteibetrieb gewesen, vor allen Din-gen sei er nicht von der VOB Zentrag verwaltet oder sonst bei ihr geführt worden. Auch die typischerweise in Betracht kommenden Umstände für eine Parteizugehörigkeit (...) hätten nicht vorgele-gen.

2) Im Ergebnis ebenso äußerte sich beiläufig am 14.12.1992 Arno Lange, der den Eindruck hervorragender Kennerschaft zur Ge-schichte und Verknüpfung der Verlage vermittelt. Lange hat auch eine nachvollziehbare Erklärung dafür, dass sich die Partei gleich-wohl mit dem Protokoll der Übergabe des Verlages als Eigentüme-rin geriert hat.“

Sowie handschriftliche Aktennotiz auf Seite 2:

„Herr Lange legte dar, dass es sich beim Aufbau Verlag um einen OEB des Kulturbundes gehandelt habe. Er nimmt dabei auf die an-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

33

liegende Vereinbarung Bezug.“ Die „anliegende Vereinbarung“ Herrn Langes war nicht Gegenstand der Akte,

die die Beklagte und die UK in dem Verfahren des Kulturbundes vor dem Verwaltungsgericht Berlin vorgelegt haben. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 (S. 124/125, GA I 123/124) nach §§ 142, 421 ZPO beantragt, der Beklagten die Vorlage dieser Urkunde aufzugeben (der Antrag wurde jedoch nicht beschieden).

(11) 10. Februar 1993 (Anlage K 70, hierzu BU 34): Vermerk Unabhängige Kom-

mission (Herr Hingst). Aufgrund der Ermittlungen lasse sich feststellen, dass der Aufbau Verlag und der Verlag Rütten & Loening kein Parteivermögen wa-ren, sondern zum Vermögen des Kulturbundes gehörten (S. 2 Abs. 3).

(12) 10. März 1993 bis 21. Juni 1993 sowie 9./11. Februar 1994: Korrespondenz

und Besprechungen der Behörden, wem der aus der Veräußerung erzielte Kaufpreis zufließe (vgl. Anlagen K 72, K 73, K 75, hierzu BU 35/36).

(13) 17. März 1994: Erneute Feststellung der UK (Chronologie, Anlage K 34, S.

2/3; vgl. bereits Anlagen K 71, B 21 hierzu BU 26 Abs. 2). bb) Das Berufungsgericht befasst sich demgegenüber überhaupt nicht mit demje-

nigen Tatsachenstoff, der in besonderem Maße die Ansicht des Klägers belegt, insbesondere nicht mit:

(1) 10. Oktober 1991: Aktennotiz Herr Hingst (UK): Annahme, Aufbau Verlag sei

Parteieigentum gewesen, beruhe allein auf Existenz des Überführungsproto-kolls und – wohl – entsprechenden mündlichen Äußerungen Würzburgers und Pelikans; Nachfragen sollten vorgenommen werden (Anlage K 55, hierzu kei-nerlei Würdigung auf BU 30).

(2) 22. Oktober 1991: Vermerk Herr Hingst (Anlage B 21, hierzu knapp BU 30

Abs. 2). Auf Seite 5 unter Ziffer II 1 wiederholt Herr Hingst seinen Vermerk vom 10. Oktober 1991, nach dem dafür, dass es sich bei den Verlagen zu-nächst um Parteivermögen in der Form organisationseigener Betriebe gehan-delt hätte, allein die Existenz des Übergabe- / Übernahmeprotokolls und die subjektive Darstellung der Partei selbst spreche. Auf Seite 6 Abs. 1 heißt es:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

34

„Der Umstand, dass sich jemand als Eigentümer geriert, vermag jedoch kein Eigentum zu begründen. Dies gilt auch unter dem de-formierten Partei- und Staatsverständnis der DDR.“

Und auf Seite 6 Abs. 2:

„Zwar waren … auch Betriebe von Parteien berechtigt, sich in das Register eintragen zu lassen. Die Verlage sind aber gerade nicht als Parteibetriebe eingetragen worden, da als übergeordnetes Or-gan nicht die Partei bzw. eines ihrer Führungsgremien vermerkt worden ist, sondern der Ministerrat, also eine staatliche Leitung.“

Auf Seite 6 Abs. 4, 7 Abs. 1:

„Die ihnen einhergehende Behauptung, das Verlagsgebäude in Berlin stehe im Parteieigentum, ist zudem gegenüber der Aktenla-ge (...) evident falsch. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die Par-tei mit der Einbeziehung der beiden Verlage in das Behandlungs-schema der organisationseigenen weiteren Druckereien und Verla-ge lediglich den Versuch unternommen hat, eine bedeutsame Ver-lagsunternehmung, bzw. die aus ihrer Privatisierung zu erwarten-den Erlöse, faktisch in ihren Einflussbereich zu bringen.“

Als Ziffer IV und V auf Seite 8 folgende Ausführungen:

„Der Kulturbund e.V. hat sowohl gegenüber dem Magistrat von Berlin, Abteilung Grundstücks- und Vermögensfragen, als auch gegenüber der THA Restitutionsansprüche bzgl. des Aufbau-Verlages und des Betriebsgrundstücks Französische Straße ange-meldet mit der Begründung, dass die Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft nach Löschung im Handelsregister allein auf Ersuchen des Magistrats von Groß-Berlin erfolgt sei und damit eine rechtswidrige Enteignung darstelle. Für den beabsichtigten Verkauf des Aufbau-Verlages hat der Kulturbund e.V. mit Schrei-ben vom 18. September 1991 seine Zustimmung mit der Maßgabe erteilt, dass ihm der Kauferlös als Entschädigung zufließen müsse. (...).“

Diese Ausführungen zum Eigentum des Kulturbunds belegen zweifelsfrei dass

die UK spätestens zu diesem Zeitpunkt die ernsthafte Möglichkeit in Betracht zog, dass der Kulturbund noch immer Eigentümer des Verlages sein könnte.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

35

Auf Seite 7 Abs. 2 werden die Fragen festgelegt, die Grundlage weiterer Er-mittlungen sein sollen:

„indem z.B. alle weiteren typischerweise in Betracht kommenden Umstände für eine Parteizugehörigkeit ausgeschlossen werden. Hierfür kommen in Betracht:

- die Bilanzierung bei der Zentrag, - die Gewinnabführung an die Partei, - die Einbeziehung der der Arbeiter und Angestellten der Verlage

in die „Freiwillige zusätzliche Altersversorgung der Partei“ für Mitglieder der SED, ihrer Einrichtungen und Betriebe.“

(3) Im Verlauf des Jahres 1992 bis spätestens 22. Dezember 1992: Ermittlungen

der unter treuhänderischer Verwaltung durch die Beklagte stehenden SED/PDS, die zu der Erklärung vom 22. Dezember 1992 zur BARoV-Liste führen, dass ihr Ansprüche auf den Verlag nicht zustehen; die Beklagte musste dieser Erklärung zustimmen und somit Kenntnis von ihrem Inhalt und den vo-rausgegangenen Ermittlungen haben (Nachweis in Anlage K 70, Vermerk vom 10.2.1993, S. 2 Abs. 2, nach der sich die Partei in dieser Liste [anders als in Bezug auf Rütten & Loening] keiner Rechte mehr hinsichtlich des Aufbau Verlages berühme; Antrag, der Beklagten die Vorlage der Liste nach § 142 ZPO aufzugeben, Ss. v. 4.10.2010, S. 37/38, GA III 588/589, nicht beschie-den, Ss. v. 29.12.2009, S. 122/123, GA I 121/122).

(4) 20. November 1992: Gesprächsprotokoll (Vertragsmanagement Treuhand,

Anlage K 67, S. 3 f):

„Herr Voelker wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Unternehmenskaufvertrag vom 18.9.1991, mit dem die Geschäfts-anteile am Aufbau-Verlag von der Treuhandanstalt veräußert wur-den sowie die hierzu geschlossene Nachtragsurkunde aus formel-len Gründen nichtig ist. Dieser formelle Mangel lässt sich durch Zeitablauf nicht heilen und hat zur Folge, daß die Treuhandanstalt aus juristischer Sicht nach wie vor Inhaber der Geschäftsanteile ist. Sofern dieser Umstand im Rahmen der gerichtlichen Auseinander-setzung oder eines etwaigen Gesamtvollstreckungsverfahrens zu Tage tritt, steht die Treuhandanstalt als Gesellschafter des über-schuldeten Verlages da.“

cc) Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main übergeht insbesondere auch die der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

36

Beklagten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Glücksmann als Vertreter des Kultur-bundes im Zusammenhang mit dessen Restitutionsantrag (vgl. oben Anlage B 21 unter Ziffer IV. und V.) bereits Ende 1990 / Anfang 1991 übermittelten Indizien für das fortbestehende Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag (vgl. Ss v. 11. April 2014, S. 14 bis 16, GA IX 2317 bis 2319 iVm den Anla-gen BK 88 bis BK 90), wonach der Kulturbund bis zuletzt der Auffassung ge-wesen ist, Eigentümer des Aufbau-Verlages zu sein, dass der Direktor des Aufbau-Verlages dem Bundesvorstand des Kulturbundes angehört hat und der Bundessekretär an der jährlichen Rechenschaftslegung des Verlages stets teil-genommen habe sowie dass der Kulturbund jedes Jahr vom Verlag einen Ge-winnanteil erhalten habe. Herr Dr. Glücksmann war Mitglied des Kulturbun-des und über Jahrzehnte der Leiter der Arbeitsgruppe Haushalt / Finanzen der Zentralen Revisionskommission gewesen. Die Beklagte war seit dem 1. Juni 1990 die treuhänderische Verwalterin des Vermögens des Kulturbundes.

d) Auch im Zusammenhang mit der sog. Plus-Auflagen-Problematik hatte der

Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Gehörsverstöße gerügt. aa) Hintergrund des Vertriebs von als „Plus-Auflagen“ bezeichneten Raubdrucken

zu Zeiten der DDR war, dass einige DDR-Verlage und zwar jene, die vom Ministerium für Kultur verwaltet wurden, seit Mitte der 1960er Jahre auf hö-here Weisung Auflagenbeschränkungen missachtet hatten, die sich aus den mit den Westverlagen geschlossenen Lizenzverträgen ergaben. In das Geschäft des Vertriebs dieser illegalen Auflagen zulasten der im „nichtsozialistischen Wäh-rungsgebiet“ ansässigen Vertragspartner war auch Aufbau 1945 eingebunden. Die Gewinne aus diesem Geschäftsmodell wurden an die SED abgeführt (NZBB 26 Abs. 4).

Nach dem Beitritt der DDR hat man indes wegen des Verdachts des langjähri-

gen Betruges in Tateinheit mit Vergehen nach dem Urhebergesetz (vgl. Anla-ge K 49, polizeilicher Vermerk v. 2.10.1991) ermittelt, u. a. auch gegen Ange-hörige des Aufbau-Verlages. Zuständig war die „Zentrale Ermittlungsstelle für die Bekämpfung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität“ (ZERV). Die ZERV saß im Haus der Beklagten, kooperierte eng mit dieser und war perso-nell mit ihr über das Direktorat Recht und die Stabsstelle „Besondere Aufga-ben“ und deren Leiter, Herrn Dr. Richter, verbunden (Ss. v. 29.12.2009, S. 62 ff, GA I 62 ff; NZBB 26 Abs. 4/NZBB 27 Abs. 1).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

37

bb) Hierzu hatten die Parteien in den Tatsacheninstanzen beweisbewehrt vorgetra-gen, wobei der Kläger diesen Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfah-ren wie folgt zusammengefasst hat (NZBB 27 Abs. 3 - NZBB 27 Abs. 3).

(1) 20./21. August 1991: Durchsuchungen im Ermittlungsverfahren gegen den

Finanzverwalter der PDS, Dr. Gerd Pelikan (dieser hatte das Übergabe- / Übernahmeprotokoll vom 2. April 1990 sowie die Zusatzerklärung zum Pro-tokoll für die PDS unterschrieben). Fund eines Schreibens vom 28. November 1989, aus dem sich die Problematik der Plusauflagen ergibt (dort: Auflagener-höhungen seit Mitte der 60er Jahre, die nicht Gegenstand der Lizenzverträge mit Partnern im NSW waren und Abführung der zusätzlichen Gewinne [nicht gezahlte Lizenzgebühren] an die Partei in dessen Büro bei der PDS; Anlagen K 49 und K 50). Über diesen Fund wurde das Direktorat Recht der Beklagten, deren treuhänderischer Verwaltung die PDS damals unterlag, Stabsstelle „Be-sondere Aufgaben“, dort Herr Dr. Hans Richter, unverzüglich von der ZERV unterrichtet (Ss. v. 29.12.2009, S. 63, GA I 63 mit Beweisangebot Zeugnis Richter).

(2) 2. Oktober 1991: Vermerk U. Schmidt, KOR (Anlage K 49). Darstellung der

Erkenntnisse zu den Plusauflagen. Zudem:

„Von der Treuhandanstalt, Direktorat Recht, PR BA, Herrn Dr. Hans Richter wurde mitgeteilt, dass der Aufbau-Verlag unmit-telbar vor dem Verkauf stünde. Es droht Beweismittelverlust, da eine Übergabe bereits in der Woche ab dem 06.10.1991 vorgese-hen sei. Als Käufer treten ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt/M. und ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertels-mann-Konzern auf, es gibt aber vage Anhaltspunkte dafür, dass diese Personen für Dr. Elmar Faber stehen.“

(3) 4. Oktober 1991: Antrag der Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht Tiergar-

ten, Haftrichter, auf Erlass der polizeilich angeregten Durchsuchungsbeschlüs-se (Anlage K 50). Vermerk:

„Sowohl die Treuhandanstalt, Dr. Richter, als auch die Kripo, KOR Schmidt, wiesen auf die besondere Eilbedürftigkeit, hin.“

(4) 7. Oktober 1991: Übergabe des Verlages und zeitgleich Durchsuchung der

Verlagsräume aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses vom 7. Oktober

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

38

1991 (vgl. Ss. v. 29.12.2009, S. 66, GA I 66: „Als der Kläger am 07.10.1991 morgens ohne jede Kenntnis der Problematik geschweige denn ihrer Tragwei-te zur Übernahme in Berlin eintraf, fand er das Verlagsgebäude von schwer-bewaffneten Polizisten umstellt, die Räume selbst von Staatsanwälten... be-setzt, die kompletten Lizenzakten (...) beschlagnahmt, ferner die versammelten Medien vor...“; zudem Anlage K 51, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.10.1991). Gleichzeitig Übergabe umfassender Unterlagen zum Aufbau Verlag durch die Beklagte an die UK zur Prüfung der Eigentumsfrage (Ss. v. 29.12.2009, S. 73, GA I 73).

(5) Die Treuhandanstalt hat die ihr unmittelbar nach dem 20./21. August 1991 von

der ZERV vorgelegten Informationen über die Plusauflagen und ihre Berech-nungen über die zu erwartenden Schäden, die für die Käufer zweifellos von zentraler Bedeutung waren, nicht an die Erwerbsinteressenten weitergeleitet (Ss. v. 29.12.2009, S. 64, GA I 64). Der Kläger hat beweisbewehrt vorgetra-gen, dass er in Kenntnis der Plusauflagen-Problematik die Verträge vom 18. und 27. September 1991 nicht unterschrieben hätte bzw. die Investoren von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hätten (Ss. v. 21.12.2010, S. 42 ff, GA III 776 ff; Ss. v. 13.12.2012, S. 88, GA VIII 2006).

e) Zur Jahreswende 1993/1994 entstanden bei der Aufbau-Verlag GmbH 1990

Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Privatisierung, die darauf beruhten, dass der Verlag in einem Verfahren vor der 16. Zivilkammer des Landgerichts Ber-lin einen gerichtlichen Hinweis erhielt, das Gericht gehe nicht davon aus, dass der Aufbau-Verlag jemals eine volkseigene Wirtschaftseinheit gewesen sei (Ss. v. 29.12.2009, S. 129, GA I 128). Zudem führte der Verlag vor dem Landgericht Hamburg einen Rechtsstreit um die Rechte am Werk Carl von Ossietzkys (LG Hamburg 243 O 624/93) mit der Rowohlt Verlag GmbH, die die Parteifähigkeit der dortigen Klägerin anzweifelte. Mit Schreiben vom 29. Dezember 1993 (Anlage K 74) bat der Verlag daher die Treuhandanstalt vor-sorglich um Abtretung treuhänderisch verwalteter Rechte.

aa) Aufgrund dieses Schreibens kam es am 9. Februar 1994 zu einer Besprechung

zwischen der Treuhandanstalt (Herr Dr. Fischer, Herr Gütschow und Herr Schmidt) und der UK (Herr Regierungsrat Berger). Im Protokoll der Bespre-chung ist vermerkt (Anlage K 75, hierzu BU 35/36):

„Ich (scil: Herr Berger) habe klargestellt, daß die Wirksamkeit der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

39

Veräußerung des Aufbau Verlages nicht in Frage gestellt werden solle, sondern nur intern zwischen der Unabhängigen Kommission und der Treuhandanstalt entschieden werden müsse, ob aus der Veräußerung ein positiver Kaufpreis erzielt werden konnte, wel-cher dem Sondervermögen abgeführt werden müsse. Hierbei wur-de auch besprochen, welche Auswirkungen es für die Wirksamkeit der Veräußerung des Aufbau Verlages hat, dass sich dieser als or-ganisationseigener Betrieb nicht im Eigentum der SED befand, sondern im Eigentum des Kulturbundes. Es bestand Einigkeit dar-über, dass dies zur Folge hat, dass die Aufbau Verlag GmbH, de-ren Geschäftsanteile veräußert wurden, eine vermögenslose Hülle darstellt, da sie nicht gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG bzw. gem. § 7 Umwandlungs-VO Rechtsnachfolgerin in das Vermögen der OEB Aufbau Verlag werden konnte.“

bb) Gleichwohl beantwortete die Beklagte „U2 SV5B; Herr Schmidt“ das Schrei-

ben des Klägers vom 29. Dezember 1993 unter dem 11. Februar 1994 (Anlage K 76, hierzu BU 36 Abs. 4) wie folgt:

„Nach den Feststellungen der Unabhängigen Kommission stand der Aufbau-Verlag nicht im Eigentum der SED. (....). Die Tatsa-che, daß sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhält-nissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte, ändert nichts daran, daß es sich bereits im März 1990 nicht um Partei- sondern offensichtlich um Volkseigentum handelte. (...) „Im Übrigen ist die Treuhandanstalt nach dem derzeitigen Kennt-nisstand ihren Verpflichtungen aus den Verträgen vom 18. Sep-tember und 27. September 1991 nachgekommen und hält daher ei-ne Abgabe weiterer Erklärungen nicht für erforderlich.“

Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks auf einer Kopie dieses Schrei-

bens war dessen Text vor der Versendung unter den Teilnehmern der Bespre-chung abgestimmt worden (vgl. Anlage BK 59).

In einer „Chronologischen Übersicht über die eigentumsrechtliche Entwick-

lung des Aufbau-Verlages“ (Anlage K 34, Vermerk v. 17.3.1994) kommt Herr Regierungsrat Berger von der UK zu dem Ergebnis, „dass der Aufbau Verlag nach seiner Löschung im Handelsregister B und Eintragung im Register C als Verlag des Kulturbundes behandelt wurde. (...)“ und es „keine Hinweise auf eine Übertragung des Aufbau Verlages in Volkseigentum“ gebe.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

40

cc) Am 28. September 1994 teilt Herr Berger von der UK Herrn Lunkewitz mit, „dass Aufbau nicht OEB SED, sondern OEB Kulturbund“ sei und Herr Lun-kewitz eine „vermögenslose Hülle“ erworben habe (Gesprächsnotiz Berger, Anlage K 77; Ss. v. 13.12.2012, S. 91/92, GA VIII 2009/2010; keine Feststel-lungen hierzu im Berufungsurteil).

f) Zur Eigentumslage an den Verlagen existieren zwei Privatgutachten sowie ein

gutachterlicher Vermerk: aa) Die BFL hatte Herrn Rechtsanwalt Bernd Schrader mit der Erstellung eines

Rechtsgutachtens zur Frage der Identität der Gesellschaften beauftragt. Dieser kam im Oktober 1994 zu dem Ergebnis, dass die Aufbau-Verlag GmbH 1990 nicht Rechts- und Vermögensnachfolgerin von Aufbau 1945 geworden sei (Anlage K 79). Dabei standen ihm nur die öffentlich bekannten Daten zur Ver-fügung.

bb) Nachdem die Beklagte diesem Gutachten widersprach und die Parteien auch

weiterhin keine Einigkeit erzielen konnten, schlug die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor, für dessen Unabhängigkeit sie sich un-ter Verweis auf ihre Gesetzesbindung durch ihren Direktor Herrn Dreher ver-bürgte (Ss. v. 12.1.2012, S. 76, GA VII 1699, Ss. v. 29.12.2009, S. 144, GA I 143). Diesem Vorgehen stimmte der Verlag zu.

cc) Die Beklagte beauftragte daraufhin Herrn Prof. Schlink mit der Erstellung

eines (unabhängigen!) Gutachtens. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1994 (Anlage K 87) übersandte dessen Mitarbeiter Dr. Bernd Hohmann einen gut-achtlichen Vermerk (Anlage K 88). Das Anschreiben lautet wie folgt:

„hiermit übersende ich Ihnen den angekündigten Vermerk. Leider kann ich Ihnen nichts Positives mitteilen. (...) Ich denke, dass die THA, wenn sie weiterhin darauf beharren sollte, auf verlorenem Posten steht. Deshalb habe ich auch Abstand davon genommen, Herrn Prof. Schlink von mir aus einzuschalten. Es bleibt Ihnen nach wie vor die Möglichkeit, ihn unabhängig von mir um ein Gutachten zu bitten.“

Das „Gesamtergebnis“ seiner Begutachtung gibt Herr Hohmann in seinem

Vermerk wie folgt an:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

41

„Der Aufbau-Verlag konnte nicht nach dem TreuhG umgewandelt und privatisiert werden, da er sich nicht im Volkseigentum befand. (...) Dazu ist zu bemerken, daß dem nicht dadurch entgegengetre-ten werden kann, daß behauptet wird, der Verlag sei doch volksei-gen gewesen. Diese Behauptung lässt sich nach allem was an tat-sächlichem Material gegenwärtig vorliegt, rechtlich nicht halten.“

dd) Trotz dieser klaren Ausführungen seines Mitarbeiters Hohmann wurde im

Januar 1995 ein von Herrn Professor Dr. Schlink unterzeichnetes Gutachten vorgelegt, das zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufbau-Verlag Eigentum des Volkes gewesen sei. Für dieses Gutachten, das „von mir unter Mitarbeit von Herrn Dr. B. Hohmann erstellt[e]“ wurde, stellte Herr Prof. Schlink 30.000 DM zzgl. MWSt. in Rechnung (Anlage K 89).

ee) Der Kläger hat vorgetragen, dass das Gutachten nicht von Herrn Prof. Schlink,

sondern von der Beklagten selbst verfasst wurde und sich zum Beweis dieses Vortrags auf das Zeugnis von Herrn Prof. Dr. Schlink, Herrn Dr. Bernd Hoh-mann und Herrn Lothert (Ss. v. 29.12.2009, S. 149 f, GA I 148 f) sowie das als Anlage K 90 vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 1995 an Herrn Dr. Bernd Hohmann berufen, in dem es heißt:

„Ich möchte nochmals betonen, daß ich keinerlei Kritik an dem Gutachten, das unter unserer Mitarbeit entstanden ist, zum Aus-druck bringen wollte; im Gegenteil, nach meiner Meinung war die bisherige Zusammenarbeit sehr konstruktiv und harmonisch.“ (Unterstreichung nicht im Original)

Die Beklagte hat das Gutachten bei den Gerichten vorgelegt und sich darauf

gestützt. Auch später sind die von der Beklagten eingereichten Schriftsätze weiter mit Professor Schlink bzw. Dr. Hohmann abgestimmt worden (vgl. An-lage BK 99).

dd) In einem Vermerk vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 97, hierzu BU 37 Abs. 4)

nahm Herr Berger (UK) erneut Bezug auf die eigentumsrechtliche Zuordnung des Aufbau-Verlages und bezeichnet die „sekretariatsinterne Rechtsmeinung“ (Zuordnung zum Kulturbund) als „unzutreffende Würdigung des Abkommens vom 13. Dezember 1963“. Es sei davon auszugehen, dass der Verlag wirksam in Volkseigentum überführt worden sei. Die damaligen Prozessbevollmächtig-ten der Beklagten hatten zuvor um eine Relativierung des Akteninhaltes „ge-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

42

beten“, nachdem von Klägerseite die früheren internen Vermerke der UK vor-gelegt worden waren, die zum gegenteiligen Ergebnis gekommen waren (An-lage K 95, Schr. v. 6.10.1995). Die Beklagte hat daraufhin ihre Prozessbe-vollmächtigten an die UK verwiesen (Schreiben vom 9.10.1995, Anlage K 96), die dann sofort am selben Tag und ohne weitere Untersuchungen den „be-stellten“ gegenteiligen Vermerk „wunschgemäß“ lieferte. Die Beklagte hat dann diesen Vermerk bei den Gerichten vorgelegt.

g) Die BFL und der Kläger erklärten mit Schreiben vom 26. Juni 2007 (Anlage K

60, hierzu BU 4, 44) gegenüber der Beklagten die Anfechtung ihrer auf Ab-schluss der Verträge vom September 1991 und November 1992 gerichteten Willenserklärungen wegen arglistiger Täuschung über „Inhalt und Ausmaß der Plusauflagen-Problematik“. Insbesondere habe die Beklagte die Käufer nicht darüber aufgeklärt, dass ihr die Problematik der Plusauflagen schon vor Abschluss der Verträge von September 1991 bekannt war. Unter dem 16. Juni 2009 (Anlage K 62) sowie nach Konsultation mit dem Insolvenzverwalter nochmals am 9. September 2009 erklärte der Kläger ebenso wie die sonstigen Beteiligten gegenüber der Beklagten die Anfechtung der auf Abschluss der Verträge vom 23./24. November 1992 gerichteten Willenserklärungen, da die Beklagte sie arglistig darüber getäuscht habe, dass die Verträge vom Septem-ber 1991 formnichtig gewesen seien und der Vertrag vom November 1992 insbesondere zur Heilung des Formmangels geschlossen worden sei. Auch ha-be die Beklagte arglistig über den Wert des Grundstücks Französische Straße 32/33 und die fehlende Eigentümerstellung getäuscht.

5. Der Streitstoff lässt sich wie folgt zusammenfassen Die Käufer gingen bei Abschluss der Verträge vom 18. und vom 27. Septem-

ber 1991 davon aus, dass die Beklagte in der Lage wäre, ihnen die Anteile an und das Vermögen von „Aufbau 1945“ und „Rütten & Loening 1844“ zu ver-schaffen. Der Kläger wähnte sich auch bei Abschluss des Vertrages vom 24. November 1992 als Vertragspartner einer Behörde, die nach §§ 1 und 11 TreuhG Inhaber der Anteile an den Gesellschaften gewesen war und diese hat-te wirksam übertragen können. Der Kläger ist insbesondere davon ausgegan-gen, dass die Beklagte den Käufern alle Informationen zur Verfügung stellte, die notwendig waren, die Wirksamkeit der abgeschlossenen Verträge, insbe-sondere die Existenz von Kapitalgesellschaften im Aufbau und von Geschäfts-anteilen daran, sowie die Werthaltigkeit der vermeintlich erworbenen Verlags-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

43

häuser zu beurteilen. Die Treuhandanstalt hatte damals noch einen tadellosen Ruf und galt als eine

Gesetz und Recht verpflichtete Bundesbehörde die jenseits aller Zweifel nach den Grundsätzen ehrbarer Kaufleute agiert. Der Kläger mussten nicht davon ausgehen, dass diejenige Behörde, die angeblich mit dazu angetreten war, der Willkür des SED-Unrechts-Regimes ein Ende zu bereiten, trotz ihrer schwer-wiegenden Zweifel an der Eigentumslage und drohender Schadensersatzforde-rungen der Westverlage und Autoren wegen Verletzungen der Lizenzen versu-chen würde, Verträge von solcher Reichweite und Bedeutung abzuschließen, ohne den Kläger über ihre Kenntnisse und Zweifel sowie die diesen zu Grunde liegenden Ermittlungsergebnisse der UK zu informieren. Er durfte vielmehr gerade annehmen, dass die Beklagte die Käufer auf derart massive tatsächliche und rechtliche Unsicherheiten hinweisen würde, bzw. niemals unredliche und auf von Anfang an unmögliche Leistungen gerichtete Verträge anbieten und abschließen würde. Der Kläger hätte die Verträge vom 18. und vom 27. Sep-tember 1991 sowie vom 24. November 1992 nicht abgeschlossen, wenn er gewusst hätte, dass die zuständigen Behörden es ausschlossen, jedenfalls alles andere als sicher waren, dass sie Anteile und Vermögen wirksam übertragen konnten und/oder wenn ihm zugleich die vorherige Kenntnis der Behörden sowie das Ausmaß der Plusauflagen Problematik zur Kenntnis gebracht wor-den wäre. Gerade der Vertrag vom 24. November 1992 wäre darüber hinaus nicht geschlossen worden, wenn die Beklagte dem Kläger die Formnichtigkeit der Verträge vom 18. und 27. September 1991 offenbart und ihm nicht vorge-spiegelt hätte, die Neubeurkundung des Verkaufs der Anteile erfolge wegen angeblicher Sittenwidrigkeitsrügen von Käuferseite. Er hätte die Verlagstätig-keit 1992 nicht fortgeführt und damit nicht fortwährend Lizenzen, Marken- und Urheberrechte verletzt. Er hätte den Verlagen auch keine Einlagen gege-ben und keine Gesellschafterdarlehen gewährt. Die Beklagte dagegen hatte zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits mehr als 8 Mio. DM für die Verlage auf-gewendet, die sie von den Scheingesellschaften niemals erstattet bekommen hätte. Wäre dies bekannt geworden, hätte sich die Beklagte neben dem finan-ziellen Schaden und dadurch möglicherweise auch noch verursachten Zusam-menbruch des Aufbau-Verlages gründlich blamiert und ein weiteres Mal als unfähig gezeigt. Deshalb hat sie (scheinbar erfolgreich) versucht, auf betrüge-rische Weise dieses Geld durch den Verkauf des ihr nicht gehörenden Verla-ges zurück zu holen und dessen nur ihr bekannte Probleme auf die Käufer ab-zuwälzen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

44

Dabei hat sie in nicht nur moralisch verwerflicher Weise den mäzenatischen

Ansatz des Klägers und sein weitgehendes Vertrauen in die Integrität der Be-klagten und in die Bedeutung des Erfolges ihres Auftrags als mächtigste Bun-desbehörde im Beitrittsgebiet ausgenutzt und die Käufer und den Kulturbund zynisch belogen und betrogen.

III.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2011 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb vor dem Oberlandesge-richt Frankfurt am Main ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete Nichtzulas-sungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 zurückgewiesen.

1. Das Landgericht verweist zunächst darauf, dass es sachlich wie örtlich zustän-

dig sei (LU 22 unten - LU 23 unten), um sodann auszuführen, dass die Klage seiner Ansicht nach unbegründet sei (LU 23 unten ff.). Der Kläger habe nicht bewiesen, dass der Aufbau-Verlag nicht eine nach dem Treuhandgesetz ent-standene Kapitalgesellschaft in Inhaberschaft der Beklagten gewesen sei und nicht Inhaberin des Vermögens der am 16. August 1945 gegründeten Aufbau-Verlag GmbH sei (LU 23 unten - LU 25 Abs. 3). Letztlich könne nicht eindeu-tig geklärt werden, ob der Kulturbund weiterhin Eigentümer des Aufbau-Verlags war, was zu Lasten des Klägers gehe. Gleiches gelte für die Eigentü-merverhältnisse am Verlag Rütten & Loening, weshalb auch insoweit keine Ansprüche bestünden (LU 25 Abs. 4/LU 26 Abs. 1). Aus gleichem Grunde habe der Kläger auch keine Ansprüche wegen der – nicht bewiesenen – Un-möglichkeit der Leistung (LU 26 Abs. 4 f.). Die Beklagte habe ferner auch keine Aufklärungspflichten verletzt (LU 26 - LU 28 unten)

2. Die gegen dieses erstinstanzliche Urteil geführte Berufung des Klägers blieb in

der Sache ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die zulässige (BU 12 Abs. 1 - 3) Berufung als unbegründet (BU 14 unten) zurückgewiesen.

a) Zu den Anträgen des Klägers A I 1 und 2 (Feststellung der Verpflichtung zum

Schadensersatz wegen fehlender Rechtsinhaberschaft bzw. Vermögensnach-folge, Aufbau-Verlag, vgl. BU 9) verneint das Berufungsgericht Schadenser-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

45

satzansprüche des Klägers. aa) Es führt zunächst aus, auf Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes und der

Indizien könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH (also Aufbau 1990) tatsächlich nicht die nach den Vorschriften des TreuhG umgewandelte Rechts- und Ver-mögensnachfolgerin der 1945 gegründeten Aufbau-Verlag GmbH (also Auf-bau 1945) geworden sei (BU 15 Abs. 1). Die fehlende Rechts- und Vermö-gensnachfolge habe der Kläger zu beweisen, wobei ihm keine speziellen Be-weislastregeln Beweiserleichterungen verschafften. Das Berufungsgericht ver-neint sowohl eine Anwendung von § 1006 BGB (BU 15 Abs. 5), als auch die Anwendbarkeit einer allgemeinen Rechtsfortdauervermutung (BU 16 Abs. 1 bis Abs. 3) und des Grundsatzes, dass Vertragsänderungen derjenige zu be-weisen hat, der sich auf sie beruft (BU 16 Abs. 4 bis 17 Abs. 1). Die Entschei-dung des LG Frankfurt am Main vom 18. November 2005 bzw. des OLG Frankfurt am Main vom 17. August 2006 (Zurückweisungsbeschluss des BGH v. 3.3.2008, II ZR 213/06) habe im vorliegenden Verfahren weder Rechtskraft- noch Interventionswirkung (BU 17 Abs. 2). Den ihm obliegenden Beweis für die fehlende Rechts- und Vermögensinhaberschaft habe der Kläger aber nicht erbracht (BU 17 Abs. 3 bis 26 Abs. 2). Zwar geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass Aufbau 1945 bis Ende 1962 im Organisationseigentum des Kulturbundes gestanden habe (BU 20 Abs. 2). Das Berufungsgericht erklärt aber, es lasse sich nicht ausschließen, dass Aufbau 1945 nachfolgend „im We-ge staatlicher Reorgansiation in Form der Verschmelzung“ mit anderen Verla-gen und insbesondere dem Verlag Rütten & Loening zu einer Einheit verbun-den und die Anteile des Kulturbundes hieran in der Folgezeit allein der SED zugewiesen worden seien, so dass der Verlag 1990 ein OEB der SED/PDS gewesen sei mit der Folge, dass dieser wirksam in Volkseigentum überführt werden konnte (BU 20 Abs. 3 bis 26 Abs. 2). Das Berufungsgericht geht dabei davon aus, dass Aufbau 1945 ab 1964 „nur noch als parteieigener Verlag“ ausgewiesen worden sei (BU 21 Abs. 1) und meint, dass zunächst von einem gemeinsamen Eigentum bzw. einer gemeinsamen Fondsinhaberschaft von SED und Kulturbund an dem verschmolzenen Verlag ausgegangen werden könne (BU 22 Abs. 3) und sodann nicht auszuschließen sei, dass ein vollstän-diger Übergang der Fondsinhaberschaft auf die SED erfolgte (BU 23 Abs. 2 bis 24 Abs. 2). Da der Senat „bei einer Gesamtschau aller vorgenannten Um-stände und Indizien nicht die erforderliche, allen vernünftigen Zweifeln Ein-halt gebietende Überzeugung“ habe gewinnen können, es sei auszuschließen,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

46

dass Aufbau 1945 im Frühjahr 1990 im Eigentum der SED/PDS gestanden ha-be, habe Aufbau 1945 durch die Erklärungen im Übernahme-/Übergabeprotokoll vom 14. März / 2. April 1990 (Anlage K 35) in Volksei-gentum überführt werden können (BU 24 Abs. 3 bis 26 Abs. 2). Diese Über-führung sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht wegen einer einseitig erklärten Bedingung der SED/PDS unwirksam oder wegen eines offenen Dis-senses ausgeschlossen (BU 25 Abs. 2 bis 26 Abs. 2), da nach der Rechtspre-chung des BGH zu § 150 BGB nicht davon ausgegangen werden könne, die PDS habe den Inhalt ihrer Zusatzerklärung zwingend zum Vertragsinhalt ma-chen wollen.

bb) Das Berufungsgericht führt weiter aus, dass selbst wenn man von einer feh-

lenden Rechts- und Vermögensinhaberschaft ausgehe, dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zustünden (BU 27 bis 40 Abs. 4).

(1) Ansprüche aus §§ 306, 307 BGB a.F. verneint das Berufungsgericht, da die

Vorschriften nicht einschlägig, sondern von § 437 Abs. 1 BGB a.F. verdrängt seien (BU 27/28).

(2) Ansprüche aus culpa in contrahendo verneint das Berufungsgericht sowohl

hinsichtlich Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen im Rahmen des Vertragsschlusses im Jahr 1991 (BU 29 Abs. 3 bis 32 Abs. 1), als auch im Rahmen des Vertragsschlusses im Jahr 1992 (BU 32 Abs. 2 bis 34 Abs. 2), als auch hinsichtlich nachvertraglicher Hinweis- und Treuepflichten (BU 34 Abs. 3 bis 38 Abs. 2).

(2.1) Zu den klägerseits gerügten Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen im

Rahmen des Vertragsschlusses im Jahr 1991 führt das Berufungsgericht aus: Hinsichtlich des Vorwurfs, die Beklagte sei bei Unterzeichnung der Verträge

„von fortbestehendem Eigentum der SED/PDS an den beiden Verlagen“ aus-gegangen, scheitere ein Anspruch daran, dass es bereits am Eintritt eines kau-salen Schadens fehle, da sich die SED/PDS zu keiner Zeit fortbestehender Rechte am Verlagsvermögen berühmt oder gegenüber den Käufern bzw. dem Kläger Ansprüche geltend gemacht habe (BU 29 Abs. 4).

Hinsichtlich des Vorwurfs, die Beklagte habe es für zunehmend wahrschein-

lich gehalten, dass sich der Verlag in „fortbestehendem Eigentum des Kultur-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

47

bundes“ befunden habe, habe der Kläger eine Aufklärungspflichtverletzung „nicht ansatzweise dargetan“ (BU 29 Abs. 5/30 Abs. 1 bis 31 Abs. 1).

Das Vorbringen, die UK habe der Beklagten anlässlich der Gespräche vom

9. Oktober 1991 ihr Wissen und die hohe Wahrscheinlichkeit fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes mitgeteilt, sei reine Spekulation; dem diesbezüg-lichen Beweisangebot sei nicht nachzugehen (BU 31 Abs. 2).

Die bis 1989 fließenden jährlichen Zahlungen stellten als systemimmanente

staatliche Finanzierungsanordnung die Eigentumszuweisung an die SED nicht in Frage (BU 31 Abs. 3, 32 Abs. 1).

(2.2) Zu den klägerseits gerügten Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen im

Rahmen des Vertragsschlusses im Jahr 1992 erklärt das Berufungsgericht, dass vorstehende Ausführungen entsprechend gölten und ergänzt, dass weder der Vermerk vom 5. März 1992 (zur Besprechung vom 27. Februar 1992, An-lage K 68) abweichende Anhaltspunkte ergebe (hierzu BU 32 Abs. 4), noch das „Verschweigen von Anfechtungsgründen“ (BU 33 Abs. 1 bis 34 Abs. 1). Zeitlich nachfolgende Vermerke (insbesondere derjenige vom 29. Dezember 1992, Anlage K 71) könnten Ansprüche aus culpa in contrahendo hinsichtlich des Vertragsschlusses vom 23./24. November 1992 nicht begründen (BU 34 Abs. 2).

(2.3) Nachvertragliche Hinweis- und Treuepflichtverletzungen verneint das Beru-

fungsgericht auf BU 34 Abs. 3 bis 38 Abs. 2. Es lässt offen, ob der Beklagten das Wissen der UK zugerechnet werden könne (BU 34 Abs. 7). Es habe sich aber „ersichtlich lediglich um eine vorläufige rechtliche Beurteilung gehan-delt“ (BU 35 Abs. 1). Die Beklagte habe auch deswegen nicht über weitere Ermittlungsergebnisse informieren müssen, da die Beklagte gerade keinen An-lass gehabt habe anzunehmen, dass der Bestand des Vertrages durch die Inter-vention Dritter gefährdet werden könne (BU 35 Abs. 4, 36 Abs. 1). Die Be-klagte habe nach Ansicht des Gerichts nach außen anders informieren dürfen als es ihrer internen Meinung entsprach, zumal die nach außen versandte In-formation vertretbar gewesen sei (BU 36 Abs. 4). Der Vortrag des Klägers da-zu, dass die Existenz eines dem Gutachten Schlink diametral entgegengesetz-ten Gutachtens verschwiegen worden sei, entbehre jeder Grundlage (BU 37 Abs. 3). Haltlos sei die Behauptung, die Beklagte habe die UK dazu gebracht, den Vermerk vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 97) anzufertigen (BU 37 Abs.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

48

4). Verstöße der Beklagten gegen die prozessuale Wahrheitspflicht oder eine Täuschungsabsicht in Bezug auf eine – manipulierte – Kopie des Tauschver-trages habe der Kläger nicht ansatzweise nachvollziehbar dargetan (BU 38 Abs. 1); entsprechendes gelte für das Vorbringen des Klägers zum engen Zu-sammenwirken von Herrn Prof. Dr. Papier als damaligem Vorsitzenden der UK und der Beklagten (BU 38 Abs. 2).

(3) Das Berufungsgericht verneint sodann Ansprüche aus § 826 BGB (BU 38 Abs.

3 bis 39 Abs. 4) und aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG (BU 39 Abs. 5 bis 40 Abs. 3).

b) Zu den Anträgen des Klägers A II 1 und 2 (Feststellung der Verpflichtung zum

Schadensersatz wegen fehlender Rechtsinhaberschaft bzw. Vermögensnach-folge, Rütten & Loening, vgl. BU 9/10) verneint das Berufungsgericht eben-falls Schadensersatzansprüche des Klägers. Auch insoweit könne die Rechts- oder Vermögensnachfolge nicht ausgeschlossen werden (BU 40 Abs. 5 bis 41 Abs. 3). Auch seien die gerügten Pflichtverletzungen zu verneinen (BU 41 Abs. 4). Darüber hinaus fehle es aber auch am Eintritt eines kausalen Vermö-gensschadens (BU 41 Abs. 5 bis 43 Abs. 1).

c) Die mit Antrag A III von dem Kläger begehrte Feststellung (vgl. BU 10 Abs.

3, Nichtigkeit) ist nach Ansicht des Berufungsgerichts unbegründet, da die Verträge nicht nach § 306 BGB a.F. (BU 43 Abs. 3) und auch nicht aus sonsti-gen Gründen nichtig seien (BU 43 Abs. 4 bis 47 Abs. 1). Die Beklagte habe nicht als unzuständige Behörde gehandelt (BU 43 Abs. 5), es habe keiner in-nerbehördlichen Zustimmung bedurft (BU 43 Abs. 6 bis 44 Abs. 1), die Nich-tigkeit folge nicht aus einer fehlenden Zustimmung der UK (BU 44 Abs. 2), die Verträge seien nicht aufgrund der Anfechtungserklärungen nichtig (BU 44 Abs. 3 bis 46 Abs. 3) und nicht wegen Beurkundungsmängeln (BU 46 Abs. 4 bis 47 Abs. 1).

d) Der Feststellungsantrag zu B (abgetretene Ansprüche des Kulturbundes, vgl.

BU 11) sei ebenfalls unbegründet, da zum einen nicht festgestellt werden kön-ne, dass die Treuhandanstalt nicht alleinige Inhaberin sämtlicher Geschäftsan-teile der „Aufbau Verlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau“ und übergegangener Rechte war (BU 47 Abs. 5). Zudem scheiterten etwaige Ansprüche an einem fehlenden Verschulden der Beklagten (BU 47 Abs. 6 bis 48 Abs. 1).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

49

e) Offenbleiben könne, ob der Kläger überhaupt aktivlegitimiert sei und ob der

Durchsetzbarkeit der streitgegenständlichen Ansprüche die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegenstehe (BU 48 Abs. 2). Auch der Frage, ob und inwieweit der Geltendmachung derartiger Schadensersatzansprüche die Abgeltungsklausel in Ziffer 16 des Vertrages aus dem Jahr 1992 entgegenste-he, müsse nicht nachgegangen werden (BU 47 Abs. 2).

f) Die Zulassung der Revision sei nicht veranlasst (BU 48 Abs. 4). 3. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem dem Kläger am 27. Oktober

2016 zugestellten (s. dazu den Eingangsstempel auf dem BU, Anlage VB 1, und das EB in Anlage VB 2) Berufungsurteil hat der Kläger vor dem Bundes-gerichtshof am 18. Juli 2014 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und diese am 15. Dezember 2014 innerhalb der ihm gesetzten, verlängerten Frist be-gründet (Rechtsmittelschrift v. 18. Juli 2014, Anlage VB 13 / I, Eingangsbe-stätigung des BGH, Anlage VB 13 / II, die Begründungsfrist war bis zum 15. Dezember 2014 verlängert, Anlage VB 13 / V).

a) In der Beschwerdebegründung hatte der Kläger auf 141 Seiten umfassend zum

Streitstand (NZBB 2 – NZBB 36 Abs. 5) sowie zur Statthaftigkeit der Nicht-zulassungsbeschwerde (NZBB 36 Abs. 6/NZBB 37 Abs. 1 unter Punkt III.; § 26 Nr. 8 EGZPO: Beschwer angesichts der auf 30.000.000 Mio. EUR lau-tenden Streitwertbeschlüsse in den Tatsacheninstanzen deutlich über 20.000,- EUR) vorgetragen und in Entsprechung der Pflicht aus § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulassungsrelevante Rechtsfehler im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO dargelegt (NZBB 37 Abs. 2 - NZBB 141). Dabei hat der Kläger das Beru-fungsurteil umfassend angegriffen und zahlreiche Gehörsverstöße geltend ge-macht und dabei betont, dass sich das Berufungsgericht sich geradezu in noto-rischer und letztlich willkürlicher Weise nicht – wie aber geboten – mit dem Vorbringen des Klägers auseinandersetzt und entscheidungserhebliche Be-weisantritte übergeht. Das Berufungsgericht verkenne dabei gefestigte Be-weisgrundsätze in verfassungsrechtlich relevanter Weise, weshalb die Zulas-sung der Revision zur Beseitigung der Grundrechtsbeschwer erforderlich sei. Hinzu träten zahlreiche weitere zulassungsrelevante Rechtsfehler, die in der Gesamtschau erkennen lassen, dass das Berufungsgericht aus sachfremden Gründen davon abgesehen hat, der Berufung stattzugeben (zusammengefasst auf NZBB 139 Abs. 2 - NZBB 141 Abs. 2). Die in der III. Instanz der II. In-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

50

stanz vorgehaltenen und von der III. Instanz nicht abgeholfenen Grundrechts-rügen werden hier im Laufe der Verfassungsbeschwerde wiederholt (zur Glaubhaftmachung, dass sie in der III. Instanz erhoben wurden, sei hier auf NZBB 37 Abs. 2 – NZBB 139 Abs. 1 verwiesen).

b) Die Beschwerde blieb in der Sache ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat

seinen Zurückweisungsbeschluss dabei nicht begründet, sondern lediglich ausgeführt, dass keine Zulassungsgründe vorlägen und im Übrigen auf § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO verwiesen. Wörtlich heißt es dort:

„Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revi-

sion ... wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grund-sätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halb-satz 2 ZPO abgesehen.“

B. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, weil der innerstaatliche Rechtsweg

zweifelsfrei erschöpft ist (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG) und der Kläger auch vor den Fachgerichten darauf hingewirkt hat, dass sämtlichen hier unter dem nach-folgenden Punkt C. erhobenen Grundrechtsrügen schon dort abgeholfen wird.

1. Der mit dieser Verfassungsbeschwerde angefochtene Beschluss des Bundesge-

richtshofs vom 9. Oktober 2012, durch den die Beschwerde gegen die Nicht-zulassung der Revision nach §§ 544 Abs. 4 Satz 1, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu-rückgewiesen worden ist, ist nach § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO unanfechtbar. Der Kläger hat beim Durchschreiten des Rechtswegs – wie dargelegt und durch die mit den Anlagen vorgelegten Dokumente glaubhaft gemacht – auch sämtliche Fristen gewahrt, weshalb das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof jeweils in der Sache entschieden haben. § 90 Abs. 2 BVerfGG ist damit gewahrt.

2. Gegen den angefochtenen Zurückweisungsbeschluss ist freilich die Anhö-

rungsrüge nach § 321a ZPO statthaft, die hier nicht erhoben wurde. Dies steht der Verfassungsbeschwerde aber nicht entgegen, obwohl der Kläger hier zahl-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

51

reiche Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend macht. Insoweit sei auf die Rechtsprechung des angerufenen Bundesverfassungsgerichts verwiesen, nach der eine sog. sekundäre Gehörs-rüge unzulässig ist (vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 5. Mai 2008 – 1 BvR 562/08, NJW 2008, 2635 f., m. Anm. Zuck). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts begründet die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels gegen einen behaupteten Gehörsverstoß der Vorinstanz nämlich, für sich genommen, keine neue Gehörsverletzung durch das über das Rechts-mittel entscheidende Gericht. Auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes und der Anspruch auf rechtliches Gehör würden nicht die Eröffnung der An-hörungsrüge gegen eine solche Entscheidung verlangen. Nach dem erfolglosen Rechtsmittel könne der Betroffene den behaupteten Gehörsverstoß durch die Vorinstanz vielmehr sofort mit der Verfassungsbeschwerde rügen (BVerfG, aaO, NJW 2008, 2635/2636, juris-Rn. 16). Die Anhörungsrüge ist in einem Fall – wie auch dem vorliegenden – somit nicht mehr statthaft, sofern nicht ein eigenständiger Gehörsverstoß des Rechtsmittelgerichts zu konstatieren ist. Die formelhafte Begründung der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof ergibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass auch dem Bundesgerichtshof ein eigenständiger Gehörsverstoß vorgeworfen werden könnte. Dieser bringt mit seinem Beschluss nur zum Ausdruck, dass er die Gehörsrügen geprüft, sie aber nicht für durchgreifend erachtet habe. Letzteres ist zwar – wie hier nachfolgend in der Verfassungsbeschwerde vorgetragen wird – sachlich falsch, diese irrige Rechtsansicht begründet jedoch keinen neuen, eigenständigen Gehörsverstoß. Dann aber liegt auch hier die typische Situation vor, in der allenfalls eine sekundäre, jedoch unzulässige Gehörsrüge erhoben hätte werden können.

3. Der Kläger hat im fachgerichtlichen Verfahren alle prozessualen Möglichkei-

ten ergriffen, um die mit dieser Verfassungsbeschwerde nachfolgend unter Punkt C. zu rügenden Grundrechtsverstöße schon dort abzuwehren oder eine Korrektur zu erwirken (Grundsatz der materiellen Subsidiarität; s. nur BVerf-GE 73, 322/325; E 74, 102/113; E 77, 381/401; E 81, 22/27; E 81, 97/102; E 84, 203/208; E 110, 1/12; stRspr.). Nachdem er andere Grundrechtsverstöße nicht erheben wird, als sie bereits durch die NZBB vorgezeichnet sind, wird in Ansehung der Wahrung des Grundsatzes der materiellen Subsidiarität auf den hiesigen Sachvortrag und insbesondere auf die Rügen in NZBB 37 Abs. 2 - NZBB 141) verwiesen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

52

C. Wie im Folgenden im Einzelnen dargelegt wird (§ 92 BVerfGG), werden

durch den die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluss des Bundesgerichtshofs wie schon durch das zuvor die Revision trotz offensichtli-chen Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu-lassende Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Grundrechte des Klägers, namentlich aus Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Ge-hör), aus Art. 3 Abs. 1 GG (objektive Willkür) und aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG – Justizgewährungsanspruch verletzt. Insbesondere war der Bundesge-richtshof von Verfassungs wegen gehalten, bei seiner Entscheidung nach §§ 544 Abs. 4 Satz 1, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, um da-bei v. a. auch den zahlreichen Gehörsverstoße des Berufungsgerichts abzuhel-fen. Die Haltung, Kernvortrag des Klägers nicht, nicht vollständig oder falsch zur Kenntnis zu nehmen, zieht sich dabei – wie zu zeigen sein wird – durch das gesamte Berufungsurteil, weshalb dieses als solches nicht mehr nachvoll-ziehbar ist. Das Berufungsurteil verletzt daher mangels Abhilfe durch den Bundesgerichtshof weiterhin eigenständig die Grundrechte des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG und wird vom Bundesverfas-sungsgericht mitsamt dem landgerichtlichen Urteil (LU) zu beanstanden sein.

I. Die einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstabsnormen, auf die sich der

Kläger stützt, sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls hinsichtlich der nachfolgend unter Punkt C. II, III. und V. erhobenen Rügen hinreichend geklärt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind demnach im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG entschieden.

Hiernach ist den einzelnen Grundrechtsrügen folgendes zugrunde zu legen: 1. Der Kläger rügt im Kern zahlreiche Verstöße gegen sein Recht aus Art. 103

Abs. 1 GG. Insoweit gilt Folgendes: a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführun-

gen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

53

BVerfGE 42, 365/367 f; E 47, 182/187; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Se-nats], Beschl. v. 16.9.2010 – 2 BvR 2394/08, juris, juris-Tz. 14). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137/141 f.; E 47, 182/187). Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfGE 40, 101/104; E 47, 182/187). Die Gerichte sind dabei auch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vor-bringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 13, 132/149; E 42, 364/368; E 47, 182/187). Deshalb müssen, wenn ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemacht wird, im Einzelfall be-sondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Be-teiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 27, 248/252; E 47, 182/187 f.).

b) Dergleichen Umstände liegen insbesondere dann vor, wenn das Gericht we-

sentliche, das Kernvorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unbe-rücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachen-vortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in der Begründung der Entscheidung nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberück-sichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. BVerfGE 86, 133/146; BVerfGK 6, 334/340; K 10, 41/46; Hervorhebung nur hier). Dar-aus ergibt sich eine Pflicht der Gerichte, die wesentlichen, der Rechtsverfol-gung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Ent-scheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. BVerfGE 47, 182/189; BVerfGK 10, 41/46; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 16.9.2010, aaO; vgl. auch zuletzt etwa BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 26.9.2012 – 2 BvR 938/12, juris, juris-Tz. 20).

c) Ein besonderer Umstand, der einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kenn-

zeichnet, ist daneben aber auch die Nichtberücksichtigung erheblicher Be-weisanträge (vgl. BVerfGE 60, 250/252; E 65, 305/307; E 69, 141/143; BVer-fGK 12, 346/350 f; BVerfG, [3. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 26.6.2012 – 2 BvR 1013/11, juris, juris-Tz. 32]). Zwar gilt auch insoweit, dass Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen bietet, dass das Gericht Vor-bringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

54

ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 50, 32/35; E 60, 1/5; E 60, 305/310; E 62, 249/254; E 69, 141/143 f; BVerfGK 12, 346/351). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn die Nichtberücksich-tigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32/35; E 60, 250/252; E 69, 141/143 f; BVer-fGK 12, 346/351).

2. Der Kläger macht ferner geltend, dass die angefochtenen Richtersprüche ob-

jektiv willkürlich sind (Rüge aus Art. 3 Abs. 1 GG). Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung

des Bundesverfassungsgerichts freilich erst dann, wenn er unter keinem denk-baren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung noch nicht willkürlich. Dessen ist sich der Kläger bewusst. Willkür liegt allerdings dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Wei-se missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewen-det wird (vgl. BVerfGE 89, 1/13 f; E 96, 189/203; BVerfGK 16, 294/296). Wenn die Rechtsanwendung hiernach unverständlich ist, gerade weil sie sach-lich schlechthin unvertretbar ist, so ist sie unabhängig von subjektiven Um-ständen oder einem Verschulden des Gerichts objektiv willkürlich (vgl. BVer-fGE 67, 90/94; BVerfGE [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 15.12.2011 – 1 BvR 2490/10, FamRZ 2012, 431/432).

3. Der Kläger macht schließlich Verletzungen seines Rechts auf Zugang zu den

Gerichten (hier: zu einer gesetzlich eröffneten Revisionsinstanz) und auf eine grundsätzlich umfassende tatsächliche Prüfung des Streitgegenstands durch das zuständige Gericht geltend.

a) Dieses Recht ist dabei grundrechtlich in den einzelnen Freiheitsgrundrechten,

insbesondere in Art. 2 Abs. 1 GG, und dem Rechtsstaatsprinzip (Artt. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG) verankert und wird allgemein als Justizgewährungsan-spruch bezeichnet (vgl. BVerfGE 54, 277/291; E 107, 395/401; E 108, 341/347). Dabei darf der Weg zu den Gerichten zwar von der Erfüllung und dem Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden (vgl. BVerfGE 9, 194/199 f; E 40, 272/274; E 77, 275/284; stRspr.). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes beeinflusst insoweit aber auch die

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

55

Auslegung und Anwendung jener Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtsweges und die Beschreitung eines Instanzenzuges von Bedeutung sind. Der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanz darf hiernach nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen-der Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272/274 f.; E 54, 94/97; E 77, 275/284; E 78, 88/89; E 88, 118/124). Das aber heißt, dass immer dann, wenn das Prozessrecht eine weitere Instanz eröffnet, auch in diesem Rahmen eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein muss (vgl. BVerfGE 40, 272/274 f; E 54, 94/96 f; E 96, 27/39). Das Rechtsmittelgericht darf daher ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und es für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 78, 88/89 f; E 96, 27/39). Eine nicht mehr vertretbare Handhabung der Zulas-sungsvorschriften bewirkt dann aber regelmäßig einen Grundrechtsverstoß, der auf eine entsprechende Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsge-richt zu beanstanden ist (vgl. BVerfGK 12, 341/344; BVerfG, [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07, NJW 2011, 2276/2277; Beschl. v. 30.5.2012 – 1 BvR 2952/08, juris, juris-Tz. 22).

b) Diese Grundsätze gelten auch für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

nach der ZPO, namentlich bei der Anwendung der §§ 544, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Hiernach ist die Eröffnung der Revisionsinstanz an die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gekoppelt oder daran, dass der vorliegende Fall die Entscheidung des Revisionsgerichts gerade zur Fortbildung des Rechts o-der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert. Dabei wird dem Gericht kein Beurteilungsspielraum eingeräumt, vielmehr muss dieses einschreiten, wenn einer der gesetzlichen Gründe tatsächlich vorliegt.

II. Mit den Annahmen, es sei nicht auszuschließen, dass die Aufbau Liquidati-

onsgesellschaft mbH die Rechts- und Vermögensnachfolgerin von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 oder eines im Wege der Rechts- und/oder Vermögensnachfolge danach entstandenen OEB geworden sei und diese je ei-ne durch die Umwandlung einer volkseigenen Wirtschaftseinheit entstandene Kapitalgesellschaft im Aufbau in Inhaberschaft der Beklagten gewesen und deshalb Ersatzansprüche des Klägers zu verneinen seien, verletzt das Beru-fungsgericht den Kläger in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

56

Abs. 1 GG und seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es wendet dabei die Regeln der Darlegungs- und Beweislast in nicht mehr nachvollziehbarer, will-kürlicher und das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise an, da vorliegend die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt dass der Kulturbund sein Eigentum an Aufbau 1945 (nach der Umwandlung 1955 in einen OEB Aufbau Verlag des Kulturbundes) verloren und die SED den Ver-lag wirksam in Volkseigentum übertragen hätte, was Voraussetzung dafür wä-re, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH Inhaberin der Geschäftsan-teile von Aufbau 1945 hätte werden können. Das Berufungsgericht übergeht in dem Zusammenhang überdies entscheidungserheblichen Tatsachenstoff und geht erheblichen Beweisantritten nicht nach. Es nimmt dabei letztlich willkür-lich eine rechtlich für das Eigentum der gesellschaftlichen Organisationen un-zulässige und überhaupt nur für Volkseigentum mögliche „Verschmelzung durch staatliche Reorganisation“ an, weshalb der Bundesgerichtshof zwingend die Revision hätte zulassen und der Berufung auf die Revision hätte stattgeben müssen. Schon dadurch wird der allgemeine Justizgewährungsanspruch des Klägers verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber auch verletzt, wenn man mit dem Berufungsgericht den Kläger als darlegungs- und beweisbelastet dafür ansehen wollte, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH nicht Rechts- und Ver-mögensnachfolgerin von Aufbau 1945 geworden ist, da das Gericht auch in-soweit entscheidungserheblichen Kernvortrag und auch beweisbewehrten bzw. auch unstreitigen Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und in Betracht gezogen hat.

Im Einzelnen: 1. Zu vergegenwärtigen sind zunächst die Grundannahmen in dem fachgerichtli-

chen Rechtsstreit: a) Hiernach ist die Beklagte nicht nach §§ 1 Abs. 4 , 11 Abs. 2 TreuhG Inhaberin

der vertragsgegenständlichen Anteile an Kapitalgesellschaften im Aufbau bzw. der Verlage geworden, wenn die Verlage am 1. Juli 1990 nicht in Volkseigen-tum standen, da das TreuhG auf organisationseigene Betriebe keine Anwen-dung findet (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 6.4.1993, 1 W 1590/92, ZIP 1993, 872/873 f). Dann aber handelte es sich bei der im November 1990 als Aufbau-Verlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau (HRB 35 991, Anla-ge K 36) und der im Mai 1991 als Rütten & Loening, Berlin Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau (HRB 37 765, Anlage 163) in das Handels-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

57

register eingetragenen Gesellschaften nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs um Scheingesellschaften (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1999, VIII ZR 158/98, BGHZ 141, 1 ff, juris-Tz. 29; Senat, Beschl. v. 16.10.2006, II ZB 32/05, NJW-RR 2007, 259 ff, juris-Tz. 15: in dem dortigen Verfahren erfolg-ten sodann Nachgründungsmaßnahmen im Sinne des § 19 TreuhG durch die Treuhand selbst und erst dann wurde diese [nach Nachgründungsmaßnahmen] fehlerhafte Gesellschaft durch die Treuhand veräußert). Die Aufbau Liquidati-onsgesellschaft mbH ist dann erst durch die – vermeintlichen – Nachgrün-dungsmaßnahmen zum 20. Februar bzw. zum 6. August 1992 als fehlerhafte Gesellschaft und dabei leere, vermögenslose Hülle entstanden.

b) Bekanntlich wurde vor dem Landgericht Frankfurt zwischen der Aufbau Ver-

lag GmbH und dem hiesigen Kläger ein Rechtsstreit geführt, der wegweisend für die nachfolgenden Verfahren vor dem Landgericht Berlin und dem Land-gericht Frankfurt gewesen ist, da in diesem Verfahren die Frage geklärt wurde, wer denn nun Rechts- und Vermögensnachfolger von Aufbau 1945 geworden ist und wer nicht (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.11.2005 - 2-27 O 238/04, Anlage K 2; Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 17.8.2006 - 16 U 175/05, Anlage K 3; BGH, Beschl. v. 10.12.2007, Anlage K 4, sowie Beschl. v. 3.3.2008, Anlage K 6 – jeweils II ZR 213/06).

aa) In diesem Verfahren hatte die Aufbau Verlag GmbH unter anderem auf (posi-

tive) Feststellung geklagt, dass sie Rechts- und Vermögensnachfolgerin von Aufbau 1945 geworden sei (Klageantrag zu 1) und auf (negative) Feststellung, dass der dortige Beklagte und hiesige Kläger, Herr Lunkewitz, nicht Rechts- und Vermögensnachfolger von Aufbau 1945 geworden sei (Klageantrag zu 2, vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 18.11.2005, S. 7). Der dortige Beklagte, Herr Lun-kewitz, hatte Klageabweisung und widerklagend die Feststellung beantragt, dass er Rechts- und Vermögensnachfolger von Aufbau 1945 geworden sei (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 18.11.2005, S. 7). Die hiesige Beklagte war dem Rechtsstreit nach der Streitverkündung durch die Klägerin, Aufbau Verlag GmbH, auf Seiten der Klägerin und der Nebenintervenienten bereits vor dem Landgericht beigetreten und hat später auch selbst Rechtsmittel eingelegt.

(1) Der Tenor des Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 18. November 2005

lautet:

„Die Klage wird abgewiesen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

58

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass [dass] der Beklagte der Rechts- und Vermögensnachfolger der am 16.8.1945 vor dem No-tar Dr. Hünnebeck in Berlin (Urkunde Nr. 1/1945) gegründeten Aufbau – Verlag GmbH, eingetragen am 20.10.1945 in HRB Nr. 86 Nz beim AG Charlottenburg, umgetragen am 3.3.1949 nach HRB Nr. 4001 beim Rat des Stadtbezirks Berlin – Mitte, umgetra-gen am 4.5.1955 nach HRC Nr. 538 (Register der volkseigenen Wirtschaft beim Magistrat von Groß – Berlin), gelöscht in HRB Nr. 4001 am 19.4.1955, oder eines im Wege der Rechts- und Ver-mögensnachfolge nach der vorgenannten Gesellschaft entstande-nen organisationseigenen Betriebes (OEB) Aufbau – Verlag, ein-getragen in HRC Nr. 538 im Register der volkseigenen Wirtschaft beim Magistrat von Groß-Berlin ist.“

Das Landgericht Frankfurt führt auf Seite 12 seines Urteils vom 18. November

2005 aus:

„Nach dem Parteivortrag, soweit er unstreitig ist und den zu den wechselnden Rechtsformen und Eigentumsverhältnissen des Auf-bau – Verlags vorgelegten Unterlagen kann die Kammer nicht feststellen, dass der Kulturbund sein Eigentum an dem Verlag ver-loren hat und dieses in das Parteieigentum der SED und damit spä-ter der PDS übergegangen ist.“

Und auf Seiten 15/16:

„Der Beklagte ist aufgrund des Vertrags vom 21.12.1995 Inhaber des Verlagsvermögens des Aufbau-Verlags geworden. (...) Da er (scil.: der Kulturbund) – wie ausgeführt – sein Eigentum an dem Aufbau-Verlag nicht verloren hatte, konnte er es wirksam als Be-rechtigter an den Beklagten veräußern, der damit Inhaber sämtli-cher Geschäftsanteile und der damit verbundenen Rechte gewor-den ist. (...) Der Vertrag vom 21.12.1995 geht von der hier als zu-treffend angesehenen Umwandlung des Aufbau-Verlags in einen organisationseigenen Betrieb aus.“

(2) Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die hiergegen gerichtete Berufung der

dortigen Klägerin und der Streitverkündeten mit Urteil vom 17. August 2006 zurückgewiesen. Klägerin und Streitverkündete hatten die Stattgabe der Klage und die Abweisung der Widerklage begehrt. Das Berufungsgericht führt aus, dass auf Grundlage der rechtlichen Möglichkeiten eines Eigentumsüberganges

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

59

des OEB vom Kulturbund auf die SED nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, dass die SED Eigentum an Aufbau 1945 erlangt habe. Dass sich der Eigentumsübergang nicht zweifelsfrei feststellen lasse, gehe zu Lasten der Klägerin. Weiter führt das Gericht zum Klageantrag zu 2 unter anderem aus:

„Der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte nicht Rechts- und Vermögensnachfolger des Aufbau-Verlages ist, war unbegründet, da der Beklagte aufgrund des am 21. Dezember 1995 mit dem Kul-turbund e.V. geschlossenen Vertrags Rechts- und Vermögensnach-folger des Aufbau-Verlags geworden ist.“

Und weiter:

„Die zulässige Widerklage ist – wie den Ausführungen zum Kla-geantrag zu 2) entnommen werden kann – begründet.“

(3) Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 3. März 2008

(II ZR 213/06, Anlage K 2) die Revision der damaligen Klägerin zurückge-wiesen. Bereits im Hinweisbeschluss vom 10. Dezember 2007 führt der Senat aus, dass das

„Berufungsgericht in rechtlich unangreifbarer Würdigung der un-streitigen Tatsachen und der vorgelegten Urkunden zu der Über-zeugung gelangt, dass der Kulturbund bis zum Beitritt der DDR seine Inhaberrechte an der ehemaligen Aufbau-Verlags GmbH nicht verloren hatte und diese Rechte deswegen wirksam auf den Beklagten hat übertragen können.“

Eine entsprechende Auffassung hat der II. Zivilsenat erneut in dem Hinweis-

beschluss vom 27. September 2010 in dem Verfahren II ZR 182/07 ebenso wie am 12. Juli 2011 in dem Verfahren II ZR 134/10 vertreten.

bb) Der Entscheidung kommt vorliegend keine Interventionswirkung zu, da die

Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten der dortigen Klägerin beigetreten ist. Gleichwohl mag diese „erste“ Frankfurter Entscheidung illustrieren, dass es sich die Gerichte sehr einfach machen, wenn sie nun nachfolgend argumentie-ren, der Kläger (bzw. in dem Verfahren vor dem KG Berlin, 10 U 167/09 die dortige Klägerin) habe nicht nachgewiesen, die Aufbau Verlag GmbH (bzw. Aufbau-Liquidationsgesellschaft mbH) sei nicht Rechts- und Vermögensnach-folgerin von Aufbau 1945 geworden. Dass diese Art von Rechtsprechung in

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

60

einem Verfahren, in dem es nach der zutreffenden höchstrichterlichen Feststel-lung der Eigentumsverhältnisse im vorherigen Verfahren nunmehr um die auch daraus zu Lasten der Behörden resultierenden konkreten Schadensersatz-pflichten geht, vom Kläger

als einseitige und gezielte Bevorzugung der staatlichen Behörde durch die staatlichen Gerichte

verstanden wird, liegt auf der Hand. Zudem hat das Kammergericht immerhin

unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. August 2006, 16 U 175/05, in einem Amtslöschungsverfahren gem. § 395 FamFG durch Beschluss vom 16. Dezember 2013 (12 W 32/12) der Be-schwerde gegen den eine Löschung des Umwandlungsvermerks vom 29. November 1990 im Handelsregister B ablehnenden Beschluss des Amtsge-richt Charlottenburg stattgeben und das Verfahren zur Durchführung der Amtslöschung dorthin zurückverwiesen. Dabei hat es zur Begründung ausge-führt, die Eintragung des Umwandlungsvermerks sei nach Überzeugung des Senats unzulässig, weil die noch dem vorangegangenen Beschluss des Kam-mergerichts vom 21. August 2001 – den auch das OLG Frankfurt in seinem Urteil wiederholt zitiert – zugrundeliegenden Zweifel daran, „dass ein Eigen-tumsübergang vom Kulturbund auf die SED und eine anschließende wirksame Überführung in Volkseigentum … zweifelsfrei ausgeschlossen werden kön-nen“ inzwischen ausgeräumt seien (vgl. Anlage NZBB 7, S. 5 Abs. 3 und 4).

2. Das Berufungsgericht hält den Kläger also für beweisfällig dafür, dass die

Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH keine nach dem Treuhandgesetz ent-standene Kapitalgesellschaft in Inhaberschaft der Beklagten gewesen sei und dass die Gesellschaft nicht Inhaberin des Vermögens der am 16. August 1945 gegründeten Aufbau-Verlag GmbH oder eines Rechts- und/oder Vermögens-nachfolgers geworden ist (BU 15 Abs. 1). Die verbleibenden Zweifel gingen zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers. Damit aber verstößt das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG, da es, wenn es den zugrunde zu legenden Tatsachenstoff vollständig zur Kenntnis genommen und erwogen hätte, zu dem Ergebnis gelangen hätte müssen, dass der Kläger die fehlende Rechts- und Vermögensnachfolge bewiesen hat (hierzu nachfolgend C. II. 2. b [Nachweis durch den Kläger] und c [mehrfach zulassungsrelevant rechtsfeh-lerhafte Annahme des Berufungsgerichts einer Verschmelzung durch staatli-che Reorganisation, auf die der Bundesgerichtshof zwingend die Revision hät-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

61

te zulassen müssen]). Jedenfalls aber verkennt das Gericht vorliegend die Be-weislastverteilung in einer Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise, da es zu Unrecht davon ausgeht, der Kläger müsse beweisen, dass der Kulturbund sein Eigentum an Aufbau 1945 nicht verloren habe (hierzu nachfolgend C. II. 2. d [Kontinuitätsvermutung] bzw. e [Substantiierungslast beim Beweis negativer Tatsachen] sowie f). In dem Zusammenhang genügt das Berufungsurteil auch nicht den an einen Indizienbeweis zu stellenden Anforderungen (g). Das Beru-fungsgericht verletzt den Kläger damit letztlich in seinen Rechten aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG bzw. entziehen ihm der Bundesgerichtshof sei-nen Anspruch auf Zugang zu einer ihm eröffneten Revisionsinstanz, die er gewonnen hätte.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Aufbau 1945 ursprünglich im Eigen-

tum des Kulturbundes gestanden hat. Das Berufungsgericht geht zudem (in-soweit zutreffend) davon aus, dass der Kulturbund dieses nachfolgend auch nach der Umwandlung 1955 in einen OEB Aufbau-Verlag in Inhaberschaft des Kulturbundes und Umtragung in HRC bis Ende 1962 nicht verloren hat (BU 20 Abs. 2).

aa) Die Beklagte hat einen Verlust dieses Eigentums nicht bewiesen bzw. der

Kläger hat nachgewiesen, dass der Kulturbund dieses Eigentum nicht verloren hat, jedenfalls aber zu keiner Zeit wirksam Volkseigentum begründet wurde, so dass zugleich feststeht, dass die Beklagte über den Verlag, der in diesem Fall weder in Partei- noch in Volkseigentum gestanden hätte, nicht auf Grund-lage des TreuhG verfügen konnte (§ 1 TreuhG), so dass durch die vermeintli-che Umwandlung nur Scheingesellschaften entstanden sind (BGH, Urt. v. 24.2.1999, VIII ZR 158/98, BGHZ 141, 1/12).

bb) Die Beklagte behauptet pauschal, der Verlag sei in das Eigentum der SED

übergegangen, die SED/PDS hätte es im Jahre 1990 in Volkseigentum über-führt und die Treuhand habe es daher nach Umwandlung gemäß §§ 1 Abs. 4, 11 TreuhG mit Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag im September 1991 an die Käufer übertragen können. Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die sachenrechtliche Kontinuitätsvermutung, wie sie unter anderem in § 1006 BGB ihren Ausdruck findet. Darüber hinaus hat er sich auf die Ent-scheidungen des OLG München vom 10. Juli 2008 (29 U 3316/03, ZUM 2008, 982) und des OLG Düsseldorf vom 22. September 1999 (11 U 8/99, do-kumentiert in juris) bezogen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

62

cc) Zwar ist zunächst der Kläger darlegungs- und beweisbelastet für die rechtsbe-

gründenden Tatbestandsmerkmale, wozu vorliegend auch gehören mag, dass die Treuhand den Investoren Inhaberschaft und Vermögen an Aufbau 1945 nicht hat übertragen können, wozu wiederum Voraussetzung wäre, dass Auf-bau 1945 nicht in Volkseigentum stand. Diesen Beweis hat er indessen ge-führt, indem er nachgewiesen hat, dass der Aufbau-Verlag in Form einer GmbH ab März 1946 dem Kulturbund gehörte – was inzwischen unstreitig ist – und beweisbewehrt vorgetragen hat, dieser habe sein Eigentum an Auf-bau 1945 auch später nicht verloren und sei insbesondere auch nach der Um-wandlung in einen OEB weiterhin Eigentümer des Verlages geblieben.

Die Beklagte hat hingegen (nur) pauschal behauptet, spätestens mit Bildung

der neuen Wirtschaftseinheit Aufbau-Verlag Berlin und Weimar ende die Exi-stenz des Aufbau-Verlages als OEB des Kulturbundes, ohne indes konkret darzutun, wie dies rechtlich vonstatten gegangen sein soll (vgl. Ss. v. 26.5.2010, S. 9 ff, GA II 298 ff, insbes. S. 16, GA II 305).

b) Zunächst ist von der Auffassung, sie sei zumindest zeitweise Eigentümer des

Verlags gewesen, inzwischen selbst die SED/PDS abgerückt (Erklärung des Parteivorstands vom 10.4.1995, Anlage K 173, GA III 698/699: „Heute müs-sen wir nach zwischenzeitlich erfolgter historischer Aufarbeitung von Vermö-gensfragen der SED feststellen, dass der Aufbau-Verlag nicht zum Eigentum der SED gehörte und die Unterschrift in Unkenntnis der tatsächlichen Eigen-tumslage erfolgte.“, LG Frankfurt, Urt. v. 18.11.2005, 2-O 27 O 238/04, S. 14 Abs. 1, Anlage K 2, Unterstreichung nicht im Original der Anlage K 173; im Ergebnis bereits Klarstellung in der BARoV-Liste vom 22. Dezember 1992, Nachweis in Anlage K 70, Vermerk vom 10.2.1993, S. 2 Abs. 2, nach der sich die Partei in dieser Liste [anders als in Bezug auf Rütten & Loening] keiner Rechte mehr hinsichtlich des Aufbau Verlages berühme; Antrag, der Beklag-ten die Vorlage der Liste nach § 142 ZPO aufzugeben, Ss. v. 4.10.2010, S. 37/38, GA III 588/589, nicht beschieden), so dass sie den Verlag auch nicht später in Volkseigentum hätte überführen können.

aa) Gleichwohl meint das Berufungsgericht, es könne nicht ausgeschlossen wer-

den, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH Rechts- und Vermögens-nachfolgerin von Aufbau 1945 geworden sei. Während das Kammergericht in seinem Urteil vom 10. Februar 2011 (10 U 167/09) seine gleichlautende

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

63

Rechtsauffassung schlicht damit begründete, es sei nicht ersichtlich, wie Vermögen und Anteile der bis zum Profilierungsbeschluss vom 31. Juli 1962 parteieigenen Verlage „Rütten & Loening“ und „Volksverlag Weimar“ auf den Kulturbund hätten übergehen sollen und zudem Indizien für und gegen ei-nen Eigentumsübergang des „Aufbauverlages Berlin/Weimar“ auf die SED sprächen, eindeutige Dokumente aber fehlten, gibt sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der hier angegriffenen Entscheidung jedenfalls etwas mehr Mühe, den umfassenden Tatsachenstoff zu würdigen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, es habe die vorliegenden Dokumente nicht gewürdigt. Um-so auffälliger ist sodann jedoch,

dass die Auslassungen in der Würdigung gerade diejenigen Doku-mente und solchen Parteivortrag betreffen, die den Vortrag des Klägers eindeutig belegen.

Allein das schon begründet die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, gehört

dieser Vortrag doch zum Kern des Angriffs des Klägers. bb) Dies gilt zuvörderst für die eben angesprochene Erklärung des Parteivorstands

der PDS vom 10. April 1995 und den Vortrag zur BARoV-Liste 1992, zu de-nen sich das Berufungsgericht weder im Tatbestand noch in den Entschei-dungsgründen mit auch nur einem einzigen Wort verhält; soweit ersichtlich vermeidet auch die Beklagte eine Auseinandersetzung mit diesen Dokumen-ten.

(1) Da anhand dieser Erklärung aber nachgewiesen ist, dass selbst die SED bzw.

ihre Nachfolgeorganisation nach erfolgter historischer Aufarbeitung von Ver-mögensfragen der SED feststellen, dass der Aufbau-Verlag nicht zum Eigen-tum der SED gehörte und sich das Berufungsgericht mit dieser entscheidungs-erheblichen Erklärung nicht befasst, liegt hierin ein evidenter Gehörsverstoß zu Lasten des Klägers.

(2) Das Gericht hat darüber hinaus in Bezug auf die BARoV-Liste 1992 trotz

Vorliegens der Voraussetzungen einer Anordnung nach § 142 ZPO die Not-wendigkeit der Ausübung seines Ermessens nicht erkannt (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2007, XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 ff, Tz. 21). Auch dieser Verfahrens-fehlers des Gerichts verletzt den Kläger in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass der Inhalt der BA-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

64

RoV-Liste geeignet gewesen wäre, die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen.

cc) Es ist weiter nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht, hätte es vorste-

henden Sachvortrag und die hierzu vorgelegten Dokumente zur Kenntnis ge-nommen und erwogen bzw. eine Anordnung nach § 142 ZPO hinsichtlich der BARoV-Liste getroffen, zu einem abweichenden Ergebnis gelangt und zutref-fend davon ausgegangen wäre, dass die fehlende Rechts- und Vermögensnach-folge durch den Kläger nachgewiesen ist. Das Urteil beruht danach auf den Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die dargelegten Gehörsverletzungen sind darüber hinaus auch entscheidungserheblich, da das Berufungsgericht – wie nachfolgend dargelegt werden wird auch die Voraussetzungen der §§ 306, 307 BGB a.F. und das Vorliegen von schadenskausalen Aufklärungs-, Hin-weis- und Treuepflichtverletzungen sowie insbesondere eine Formnichtigkeit gemäß § 15 GmbHG rechtsfehlerhaft verneint hat und zwar in einer Weise, die die Zulassung der Revision zwingend erfordert hätte. In der Nichtzulassung der Revision liegt daher zugleich eine nicht gerechtfertigte Entziehung des all-gemeinen Justizgewährungsanspruchs. Da das Berufungsgericht zudem dahin-stehen lässt, ob der Kläger aktiv legitimiert ist (BU 48 Abs. 2), die Abgel-tungsklausel in Ziffer 16 des Vertrages von 1992 (BU 47 Abs. 2) oder aber die Einrede der Verjährung (BU 48 Abs. 2) den geltend gemachten Ansprüchen entgegenstehen, ist insoweit vom Vortrag des Klägers und damit seiner Aktiv-legitimation und davon auszugehen, dass die Ansprüche weder abgegolten noch verjährt sind.

c) Art. 103 Abs. 1 GG sowie der allgemeine Justizgewährungsanspruch werden

aber auch dadurch verletzt, dass das Berufungsgericht einen nicht nachvoll-ziehbaren, da nicht annähernd inhaltlich erläuterten „Weg“ gefunden zu haben meint, wie denn der Kulturbund das Eigentum an Aufbau 1945 an die SED verloren haben könnte (nämlich durch eine „staatliche Reorganisation in Form der Verschmelzung“ mit anschließender zunächst gemeinschaftlicher Fondsin-haberschaft und sodann eines vollständigen Übergangs der Fondsinhaberschaft auf die SED, BU 20 Abs. 3, 22 Abs. 3, 23 Abs. 2). Diese vermeintlich „kreati-ve Lösung“ ist jedoch keineswegs originell, sondern bereits vom Kammerge-richt in seinem Urteil vom 5. Mai 1998 (14 U 856/96), in dem Beschluss vom 21. August 2001 (1 W 8620/99) und in dem Urteil vom 10. Februar 2011 (10 U 167/09) verwandt worden. In keinem dieser Urteile und Beschlüsse haben die Gerichte allerdings dargelegt, auf welcher Rechtsgrundlage nach dem

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

65

Recht der DDR das nach der Verfassung der DDR besonders geschützte Ei-gentum der gesellschaftlichen Organisation Kulturbund durch „staatliche Re-organisation“ an die SED übertragen worden sein könnte. Sollte mit dem un-klaren Begriff der „staatlichen Reorganisation in Form der Verschmelzung“ eine Enteignung oder ein enteignungsgleicher Eingriff gemeint sein, wäre dar-aus zu schließen, dass die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland – jedenfalls in Verfahren gegen die Beklagte – systematisch das Recht und ins-besondere die Verfassung der DDR verletzt.

Eine wirksame Enteignung des Kulturbundes durch einen enteignenden Ein-

griff der DDR hätte gegebenenfalls Restitutionsansprüche des Kulturbunds zur Folge, die – wegen der vermeintlichen Enteignung durch Registereintragung –auch fristgerecht angemeldet, aber bis heute nicht beschieden sind.

aa) Es sei in dem Zusammenhang erneut daran erinnert, dass nicht einmal die

SED/PDS nach 1992 bzw. 1995 noch davon ausging, dass Aufbau 1945 jemals zum Eigentum der SED gehörte und dass darüber hinaus das Bundesministeri-um für innerdeutsche Beziehungen 1979 in dem von ihm herausgegebenen DDR Handbuch (2. Aufl. 1979, S. 1132) für den Aufbau-Verlag festgestellt hatte, dieser gehöre dem Kulturbund (Ss. v. 29.12.2009, S. 54/55, GA I 54/55; Anlage NZBB 8). Auch diesen Vortrag übergeht das Berufungsgericht – er-sichtlich als nicht in seine Rechtsauffassung stützend – geflissentlich und ver-letzt damit wiederum und eindeutig Art. 103 Abs. 1 GG. Auch die Überge-hung des vom Kläger vorgelegten Schreibens vom 11. Februar 1994 (K 76), in dem die Beklagte gegenüber Aufbau 1990 und dem Kläger selbst bestätigt, dass „Nach den Feststellungen der Unabhängigen Kommission ... der Aufbau-Verlag nicht im Eigentum der SED [stand]“ und damit ausdrücklich „die Tat-sache, dass sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhältnissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte“, bestätigt, verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.

bb) Darüber hinaus lässt sich diese „Kreativlösung“ des Berufungsgerichts nicht

mit dem von dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gleichfalls übergangenen Vortrag des Klägers dazu in Einklang bringen, dass die betrof-fenen Verlage stets (bis zur Wende und über das Jahr 1989 hinaus) selbständi-ge, juristische Personen blieben und als solche im Handelsregister eingetragen waren (Ss. v. 29.12.2009, S. 29, GA I 29, Anlage K 23 und K 24; Ss. v. 17.1.2014, S. 14 Abs. 2, GA IX 2226) und im Ergebnis auch die Gesell-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

66

schaftsanteile an zwei rechtlich und wirtschaftlich selbständigen GmbH i. A. separat verkauft wurden. Hieran schließt sich zwangsläufig die Frage an, wie das Berufungsgericht überhaupt zu der streitentscheidenden Überzeugung ge-langt sein will, dass die Beklagte ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Über-tragung der Anteile an zwei separaten GmbHs i. A. nachgekommen sein könn-te, wenn es infolge vorangegangener Verschmelzung nur noch eine geben kann. Weiterhin lässt sich dieser Befund schwerlich mit der Arbeitsanweisung Nr. 3 vom 6. Januar 1964 (Anlage BK 73, GA IX 2262) in Einklang bringen, nach dem der Verlag Rütten & Loening im Zuge der Profilierung gerade nicht mit dem Aufbau-Verlag verschmolzen wurde, sondern neben diesem als eige-ne juristische Person bestehen blieb.

Die famose „Kreativlösung“ des Berufungsgerichts ist freilich ersichtlich

sinnwidrig und unsinnig und verletzt nicht nur die Denkgesetze, sondern auch den Kläger nicht nur in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in jenem aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Wie alle bisher damit befassten Gerichte, die wegen der symptomatisch feh-

lerhaften Rechtsanwendung der vermeintlichen „staatlichen Reorganisation in Form einer Verschmelzung“ und mangels einer sonstigen nachvollziehbaren Begründung ihrer Klageabweisung zu dieser nicht nachvollziehbaren, willkür-lichen und dem Recht der DDR und den Denkgesetzen widersprechenden „kreativen Lösung“ gegriffen haben, kann auch das Berufungsgericht diese Frage nicht beantworten. Es verliert daher dazu auch kein Wort. Da die ver-meintliche „staatliche Reorganisation in Form einer Verschmelzung“ für zahl-reiche Vermögenswerte der gesellschaftlichen Organisationen der DDR auch in Zukunft noch bedeutsam sein kann, hätte die Frage, ob das Rechtsinstitut der „Reorganisation“ (Zuteilung oder Entzug) von volkseigenen Betrieben oder Betriebsteilen auch auf organisationseigene Betriebe der DDR anwend-bar, durch den Bundesgerichtshof geklärt werden müssen. Dass dieser die Re-vision aber trotz entsprechender Rüge nicht zugelassen hat, entzieht dem Klä-ger seinen Anspruch Zugang zur gesetzlich eröffneten Revisionsinstanz und verletzt ihn damit in seinen Verfahrensgrundrechten.

cc) Auch im Übrigen ist die – zu kurz gegriffene und nicht begründete und ohne-

hin auch nicht begründbare Würdigung des Berufungsgerichts ersichtlich gleichfalls unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG er-folgt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts erweisen sich dabei als – in

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

67

Ansehung des Kernvortrags – komplett unvollständig und einseitig die Be-klagte hinsichtlich des in die Würdigung einbezogenen Tatsachenstoffs begün-stigend, die etwa auf die etwa auf Seite 13 ihres Schriftsatzes vom 26. Mai 2010 (GA II 302 f) und Seiten 6 ff ihres Schriftsatzes vom 14. März 2011 (GA IV 873 ff) dazu vorgetragen hat, dass die Verlage wirtschaftlich fusioniert hät-ten bzw. rechtlich verschmolzen seien. Die Beklagte behauptet dabei (unter Auslassung der für die Sicht des Klägers sprechenden Umstände) nur, dass die Verlage verschmolzen worden seien; wie dies rechtlich erfolgt sein soll, schil-dert sie nicht. Hierfür bietet auch das Berufungsgericht keine Lösung, wenn es auf BU 20 Abs. 3 schlicht auf Rechtsprechung des Kammergerichts bzw. des OLG Frankfurt „zu den verschiedenen Formen staatlicher Reorganisation“ verweist. In welcher dieser „verschiedenen“ Formen vorliegend eine staatliche Reorganisation erfolgt sein soll, bleibt das Geheimnis des Berufungsgerichts: Dass eine solche für das Eigentum der gesellschaftlichen Organisationen rechtlich nicht möglich ist, wurde von dem Kläger mehrfach vorgetragen. Das sie auch sachlich unbegründet ist, ist spätestens seit 1992 bzw. 1995 klar, näm-lich seit dem Zeitpunkt, zu dem die Partei selbst klargestellt hat, nie Rechte am Aufbau-Verlag 1945 gehabt zu haben.

(1) So zitiert das Berufungsgericht bei seiner Feststellung auf BU 21 Abs. 1, ab

dem Jahr 1964 sei der Verlag nur noch als parteieigener Verlag ausgewiesen worden, offensichtlich blind den Beschluss des Kammergerichts vom 21. Au-gust 2001 (1 W 8620/99), ohne sich mit der Vielzahl an inzwischen neu vorge-legten Dokumenten auseinanderzusetzen, in denen ausdrücklich von Eigentum einer gesellschaftlichen Organisation die Rede ist (Ss. v. 6.6.2013, S. 9 bis 11 iVm Anlage B 26 sowie nachfolgend), und ohne die Beschlüsse des Bundes-gerichtshofs vom 10. Dezember 2007, vom 3. März 2008 und den Beschluss des Kammergerichts vom 16. Dezember 2013 zu erwähnen, mit denen diese Behauptung widerlegt wird.

(2) Bei seiner Würdigung der Rechenschaftsberichte des Ministeriums für Kultur

(BU 23 Abs. 2 ff, insbesondere BU 24 Abs. 1) übergeht das Berufungsgericht, dass darin zumindest für den Zeitraum bis Ende 1982 die Fonds des Kultur-bundes im Aufbau-Verlag separat von denen der Partei und anderer Organisa-tionen in exakt derselben Höhe ausgewiesen sind, die in der Vereinbarung vom 27. Februar 1964 (Anlage K 31/32) unter Ziff. 2.1 ausdrücklich als das „Vermögen des Kulturbundes am Aufbau-Verlag“ festgestellt wurden. Der Kläger hat in dem hier anhängigen Verfahren unter anderem die Rechen-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

68

schaftsberichte des Ministeriums für Kultur über die Vermögensverwaltung der partei- und organisationseigenen Verlage seit Wirksamwerden der Profilie-rung am 1. Januar 1964 sowie die Bilanzen hierzu vorgelegt und darauf Bezug genommen. Dort wird zwar für die Jahre 1964, 1965 und 1970 auf den Deck-blättern angeführt, dass parteieigene Verlage, u.a. der Aufbau-Verlag, angelei-tet und verwaltet worden seien (vgl. auch BU 22 Abs. 2, sowie Anlagen K 135, 136 [Bericht und Bilanz 1965] und Anlage K 137, 138 [Bericht und Bi-lanz 1970]). Der Kläger hat jedoch dargelegt, dass im weiteren Text und in der jeweils anliegenden Bilanz ausdrücklich die „Fonds“ des Kulturbundes am Aufbau Verlag separat ausgewiesen und die Gewinnabführungen an den Kul-turbund festgestellt werden. Weiter hat der Kläger dargelegt, dass in den Sach-feststellungen stets zwischen Partei- und Organisationseigentum unterschieden wurde (ebenso in den Bilanzen) und dass insbesondere in allen Berichten das Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag festgestellt wurde. In den Re-chenschaftsberichten der Jahre 1975, 1980 und 1982 werden die Verlage dar-über hinaus auch auf den Deckblättern als organisationseigene Verlage be-zeichnet (Anlagen K 139, 140 [1975], Anlagen K 141, 142 [1980] und Anla-gen K 143, 144 [1983]) und gilt im Übrigen zu den Sachfeststellungen das so-eben Vorgetragene. All dies ist bei Inaugenscheinnahme der Dokumente auch ohne weiteres erkennbar. Bei seinen Ausführungen auf BU 24 Abs. 2 übergeht das Berufungsgericht zudem, dass auch nach 1982 noch eine Rechenschaftsle-gung gegenüber dem Kulturbund erfolgte und er auch noch Gewinnausschüt-tungen in der auf seinen Wunsch 1971 pauschalisierten Höhe erhielt (vgl. zu Vorstehendem, etwa Ss. v. 12.1.2012, S. 38 ff, GA VII 1661 ff, Ss. v. 13.12.2012, S. 45 ff., GA VIII 1966 ff, sowie S. 57 ff, GA VIII 1977 ff; Ss. v. 6.6.2013, S. 40 ff, GA VIII 2077 ff).

(3) Auf BU 23 Abs. 2 und 38 Abs. 1 übergeht und/oder missversteht das Beru-

fungsgericht, dass sich aus der vollständigen Anlage 2 zum Tauschvertrag vom 27. Juli 1966 (Anlage BK 18, Ss. v. 13.12.2012, S. 40 ff, GA VIII 1961 ff) ergibt, dass durch den Tausch Betriebsgrundstücke nicht nur aus Volksei-gentum in Parteivermögen, sondern auch in das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen übergegangen sind, wie es auch durch den Vermerk der UK vom 4. Oktober 1995 (Anlage K 93) bestätigt wird. Dementsprechend erkennt das Gericht auch nicht, dass die Bezugnahme auf den Beschluss des Kammer-gerichts vom 21. August 2001 (1 W 8620/99) ins Leere geht, weil diesem Ge-richt seinerzeit nur der von der Beklagten um diese entscheidenden Angaben verkürzte und daher unvollständige Tauschvertrag vorlag, wie klägerseits aus-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

69

drücklich dargelegt wurde. (4) In seinen Ausführungen zum vermeintlich vollständigen Übergang der Fond-

sinhaberschaft auf die SED (BU 23 Abs. 2 ff., insbesondere 25 Abs. 2) über-geht das Berufungsgericht den – unstreitig gebliebenen – Vortrag des Klägers, wonach die gesellschaftlichen Organisationen auf Grund ihres besonderen Ei-gentumsschutzes auch bei gemeinschaftlichen Investitionen ihre Rechte nicht verloren (Ss. v. 12.1.2012, S. 32/33 mwN, GA VII 1655/1656).

(5) In Bezug auf die Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 1984 (BU 24 Abs.

2) geht das Berufungsgericht darüber hinweg, dass gerade nicht der Aufbau–Verlag, sondern der „Aufbau-Verlag / Rütten & Loening“ als parteieigen be-zeichnet worden war, wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 5. Oktober 2006 berücksichtigt hatte (Ss. v. 12.1.2012, S. 43, GA VII 1666, Anlage K 4).

d) Vorsorglich: Nach vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass der

Kläger den erforderlichen Beweis erbracht hat. Wollte man dies anders sehen, gilt, dass die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse darlegen und beweisen, dass der Kulturbund das Eigentum am Aufbau Verlag 1945 nicht an die SED verloren hat, ihn auch darüber hinaus in Verfahrensgrundrechten ver-letzt – und zwar sowohl in jenem aus Art. 103 Abs. 1 GG als auch in dem all-gemeinen Grundrecht auf Justizgewährung. Das Berufungsgericht verneint je-denfalls zu Unrecht, dass sich der Kläger auf die allgemeine Rechtsfortdauer- bzw. Kontinuitätsvermutung bzw. den Grundsatz berufen kann, dass Rechts-änderungen derjenige zu beweisen hat, der sich auf sie beruft (gegen BU 16/17):

aa) Für den Fortbestand eines einmal begründeten Rechts spricht nach Rechtspre-

chung und Schrifttum die allgemeine Kontinuitäts-/Fortdauervermutung, wie der Bundesgerichtshof erst jüngst in seinem Urteil vom 27. Juni 2014 in dem Verfahren V ZR 55/13 (NJW 2014, 3396 Rn. 14 a.E.) noch einmal ausgespro-chen hat. Damit hätte die Darlegungs- und Beweislast für eine Änderung der Rechtslage nach Rechtsprechung und Schrifttum demjenigen oblegen, der sich darauf beruft, hier also der Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1994 - II ZR 4/94, NJW 1995, 1292 ff, juris-Tz. 16; Gurski, in: Staudinger, BGB, Neubear-beitung 2013, § 1006 Rn. 7 (S. 666 Mitte); Baldus, in: MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 1006 Rn. 36; Erman/Ebbing, BGB 14. Aufl. § 1006 Rn. 18; Baumgär-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

70

tel/Schmitz, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. § 1006 BGB Rn. 8, OLG Düs-seldorf, Urt. v. 26.09.1997 - 19 W 1/97 AktE, dokumentiert in juris Tz. 13; OLG Brandenburg Urt. v. 19.12.2007 - 3 U 140/06, dokumentiert in juris Tz. 36). Bei seinen Ausführungen auf BU 16/17 verkennt das Berufungsgericht diese Rechtsprechung zur Verteilung der Beweislast beim Verlust einmal be-gründeter Rechte.

bb) In dieser Verkennung der Beweislastverteilung liegt zugleich ein Verstoß ge-

gen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Bundesgerichtshof hätte deshalb aber auch – wie vom Kläger beantragt (NZBB 51 Abs. 2/NZBB 52 Abs. 2) zwingend die Revi-sion zulassen müssen, da in der Verkennung der Beweislastverteilung zugleich ein symptomatischer Rechtsfehler des Berufungsgerichts liegt, da das Beru-fungsgericht den von den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1994 (II ZR 4/94, NJW 1995, 1292 ff) und 27. Juni 2014 (V ZR 55/13, NJW 2014, 3396) abweichenden Rechtssatz aufstellt, der ur-sprüngliche Inhaber eines Rechtes könne sich nicht auf die allgemeine Rechts-fortdauervermutung berufen (BU 16 Abs. 2). Das Berufungsgericht vertritt da-bei die Auffassung, der Kläger könne sich nicht auf die Vermutung berufen, weil es vorliegend nicht um eine (absolutes) Recht an einer Sache gehe; nur wenn der Entstehungstatbestand eines (absoluten) Rechts einmal nachgewie-sen sei, trüge der Gegner die Beweislast für das Erlöschen. Vorliegend meint das Berufungsgericht also, die Gesellschaftsanteile an der Aufbau GmbH bzw. die Inhaberschaft an einem OEB stellten kein absolutes Recht dar. Das ist falsch und stellt sich als weiterer zulassungsrelevant rechtsfehlerhafter Ober-satz dar: Schon das Reichsgericht hat ausgesprochen, dass „der Gesellschafts-anteil an einer Gesellschaft m.b.H. als ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu erachten“ ist (Urt. v. 26.11.1920 – VII ZR 286/20, RGZ 100, 274/278). Folgerichtig kommentiert Wagner (in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 823 Rn. 235), dass wenn „etwa ein GmbH-Anteil unzulässigerweise von einem Dritten zur Versteigerung gebracht [wird], [...] ein Eingriff in ein absolutes subjektives Recht zweifellos vor[liegt].“ Zugelassen werden hätte die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, da sich die indizielle Wiederholungsgefahr schon aus dem Umstand ergibt, dass bereits das Kammergericht in seinem Urteil vom 10. Februar 2011 (10 U 167/09) zu einer im Ergebnis vergleichbar falschen Rechtsansicht hinsichtlich des Gel-tungsbereichs der allgemeinen Kontinuitätsvermutung gelangt ist und die Kla-ge dort aus ähnlichen Erwägungen abgewiesen wurde. Eine fortgesetzte Wie-derholung dieser falschen Rechtsanwendung würde zu einer unerträglichen

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

71

Rechtsunsicherheit auch in anderen Verhältnissen führen, weil damit z. B. je-der Besitzer oder Nutzer eines Rechts in die Lage versetzt wäre, dem rechtmä-ßigen Eigentümer mit der Aufforderung, dass er beweisen möge sein Eigen-tum nicht an ihn verloren zu haben, eben dieses Eigentum – gegebenenfalls er-folgreich – streitig zu machen. Die Erwägung, dass sich der Rechtsfehler we-gen seiner besonderen Schwere und Grobheit schon nicht wiederholen werde, ist bereits durch die vergleichbare Entscheidung des Kammergerichts wider-legt. Eine Erwägung, dass gegenüber Behörden und insbesondere der Beklag-ten diese Regelungen nicht gölten, wäre ein Verstoß gegen den Gleichheits-grundsatz.

cc) Wollte man die Divergenz bzw. eine Symptomatik des Rechtsfehlers vernei-

nen und § 1006 BGB und die hieraus gemeinhin abgeleitete Rechtsfortdauer-vermutung auf Vindikationsverhältnisse sowie Ansprüche aus § 816 BGB bzw. Herausgabeansprüche allgemein beschränkt ansehen, so hätte der Bun-desgerichtshof die Revision gleichwohl zwingend zur Fortbildung des Rechts zuzulassen müssen. Der vorliegende Sachverhalt hätte dem erkennenden Senat Gelegenheit zur Klarstellung, dass die in den Entscheidungen des Bundesge-richtshofs vom 19. Dezember 1994 (BGH, aaO, juris Tz. 16) und 27. Juni 2014 (V ZR 55/13, juris-Rn. 14) ausgeführte Beweislastverteilung (allgemeine Rechtsfortdauervermutung) nicht nur für Herausgabeansprüche, sondern dar-über hinaus grundsätzlich (hierzu sei auf die Entscheidungen des OLG Düs-seldorf, Urt. v. 26.09.1997 - 19 W 1/97 AktE, dokumentiert in juris Tz. 30 [Fortbestehen der Aktionärsstellung] sowie des OLG Brandenburg Urt. v. 19.12.2007 - 3 U 140/06, dokumentiert in juris Tz. 36 [Gläubigerstellung in Bezug auf Darlehensrückerstattungsanspruch] verwiesen) auch für Schadens-ersatzansprüche Geltung beansprucht. Es fehlt insoweit an einer höchstrichter-lichen Leitentscheidung, da es sich bei der entsprechenden Passage im Urteil vom 27. Juni 2014 nur um ein obiter dictum handelt, was die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zwingend erforderlich gemacht hat. Da die Nichtzulassung danach nicht ansatzweise verständlich ist, wurde der Kläger hierdurch der allgemeine Ju-stizgewährungsanspruch rechtfertigungslos entzogen.

e) Unabhängig davon liegt ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103

Abs. 1 GG auch mit der Verkennung der Regeln über die sekundäre Darle-gungs- und Beweislast bei negativen Tatsachen vor. Insoweit sind dem Beru-fungsgericht auch durchdringende Vorwürfe aus Art. 3 Abs. 1 GG zu machen:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

72

aa) Ähnlich dem bereicherungsrechtlichen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1

Alt. 1 BGB (bei dem der Bereicherungsgläubiger für das Fehlen des Rechts-grundes darlegungs- und beweisbelastet ist) musste der Kläger vorliegend nicht alle in Betracht kommenden (beklagtenseits behaupteten) Übertragungen der Inhaberschaft in Bezug auf Aufbau 1945 widerlegen, sondern nur solche, die substantiiert behauptet werden (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1989, V ZR 326/87, NJW 1990, 392/393, juris-Tz. 17; Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, NJW 2011, 1279, Rn. 12; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.1991, 6 U 150/90, dokumentiert in juris, Tz. 17). Dies lässt sich für den hier zu beurteilenden Sachverhalt bereits mit den bei negativen Tatsachen – hier dem Verlust einmal bestehenden Eigentums – allgemein geltenden Regeln begründen (vgl. BGH Urteil vom 12.11.2010 V ZR 181/09 NJW 2011, 1279, Rn. 12); auch sonst gilt, dass ein substantiiertes Bestreiten (§ 138 Abs. 2 ZPO) dann notwendig ist, wenn der Beweis dem Behauptenden (hier dem Kläger) nicht möglich, nicht zumutbar oder (so hier) wesentlich erschwert ist, während der Bestreitende die Verhältnisse genau(er) kennt oder aber in der Lage ist, sich solche Kenntnisse zu verschaffen (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8b). Dies ist hier der Fall, weil die Beklagte anders als der Kläger uneingeschränkten Zu-griff auf alle Unterlagen der SED, des Kulturbundes, des Ministeriums für Kultur und auch sonst aller mit dem Vorgang befassten staatlichen Stellen der ehemaligen DDR hatte. In diesem Fall konnte von dem Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsa-che (Eigentum noch beim Kulturbund) unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände (Übergang auf die Partei und/oder in Volkseigentum) verlangt werden (vgl. BGH, Senatsurt. v. 17.1.2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 f, Tz. 16).

bb) Die Beklagte legt jedoch nicht, schon gar nicht substantiiert, dar, wann und

durch welchen Übertragungsakt der Kulturbund das Eigentum an Aufbau 1945 verloren haben soll (vgl. insbesondere BerErw v. 15.5.2012, S. 16 ff, GA VIII 1890 ff, insbes. ab S. 19 ff, GA 1893 ff).

(1) Die Beklagte meint wohl (deutlich wird dies nicht), dass es sich bei der Lö-

schung der Aufbau Verlag GmbH im HRB am 20. April 1955 und der Eintra-gung in das Register C der volkseigenen Wirtschaft am 5. April 1955 um den Übergang in Volkseigentum handeln müsse (BerErw v. 15.5.2012, S. 16 Abs. 3, GA VIII 1890, S. 19, GA VIII 1893). Dem Vortrag der Beklagten zu einem

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

73

angeblichen Übergang des Aufbau-Verlages in Volkseigentum durch bloße Registerumtragung ist der Kläger unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung entgegengetreten; im Übrigen nimmt auch das Berufungsge-richt zu Recht an, dass die Ein- bzw. Umtragung nicht zu einem Verlust des Eigentums seitens des Kulturbunds geführt hat (BU 19/20).

(2) An anderer Stelle meint die Beklagte, der Aufbau-Verlag sei spätestens mit

der Bildung der neuen Wirtschaftseinheit Aufbau-Verlag Berlin und Weimar zu einem parteieigenen Verlag geworden. Auch hier finden sich keine substan-tiierten Ausführungen dazu, wie dieser Übergang tatsächlich und rechtlich er-folgt sein soll, zumal sich die Beklagte nicht dazu verhält, dass am 27. Februar 1964, also nach dem Stichtag der Profilierung mit ihm über die Verwaltung des Aufbau-Verlages vereinbart wurde, dass der Kulturbund die Versiche-rungskosten für die gesamten Vermögenswerte des Aufbau-Verlages Berlin-Weimar weiterhin zu tragen hatte, wobei ihm lediglich die Mehrkosten erstat-tet wurden (Anlage K 31, Ziff. 2.5), und dass vor Ausgabe von Sonderkrediten die Zustimmung des Kulturbundes einzuholen war (Anlage K 31, Ziff. 1.2). Damit wird eindeutig weiterhin an die Eigentümerstellung des Kulturbundes angeknüpft (Ss. v. 29.12.2009, S. 36, GA I 36). Erst recht wird dies dadurch bestätigt, dass in Nr. 2.1. der Vereinbarung ausdrücklich „das Vermögen“ des Kulturbundes mit DM 3.606.852,17 beziffert wurde, und zwar genau nach der Maßgabe des Vermögensstatus‘ aus der Schlussbilanz per 31. Dezember1963, die ihrerseits in Ausführung der Verwaltungsvereinbarung vom 13. Dezember 1963 aufgestellt worden war (Ss. v. 29.12.2009, S. 33 bis 36, GA I 33 bis 36, Anlagen K 28 bis K 30). Es ist unstreitig dargelegt, dass das Abkommen vom 27. Februar 1964 bis zum Ende der DDR unverändert fortgegolten hat (Ss. v. 29.12.2009, S. 37 Abs. 1, GA I 37) und dass bis zumindest 1988 auch noch ei-ne jährliche Rechenschaftslegung gegenüber dem Kulturbund erfolgte.

In voller Übereinstimmung mit dem Vorigen wurden in den Rechenschaftsbe-

richten des Ministeriums für Kultur über die von ihm verwalteten Verlage und den beiliegenden Bilanzen der Jahre 1965, 1970, 1975, 1980 und 1982 die Fonds, d. h. die Beteiligungen des Kulturbundes in genau der vorgenannten Höhe neben denen der anderen betroffenen Massenorganisationen DSF und FDJ an den verwalteten Verlagen jeweils separat neben denen der SED aus-gewiesen und wurden auch die Gewinne aus dem Aufbau Verlag dem Kultur-bund zugewiesen. Hiermit, wie auch mit den Umständen der Profilierung, ins-besondere der Verwaltungsvereinbarung aus dem Dezember 1963 sowie mit

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

74

der Schlussbilanz 1963 und mit der Eröffnungsbilanz 1964 sowie den daraus in den Rechenschaftsberichten festgeschriebenen Fonds des Kulturbundes, die auch in der Vereinbarung mit dem Kulturbund vom 27. Februar 1964 doku-mentiert sind, setzt sich die Beklagte nicht auseinander.

(3) Solange die Beklagte einen tatsächlichen Eigentumsübergang – wie und wo-

durch auch immer – nicht substantiiert vorträgt (oder gar beweist), hat der Klä-ger seinerseits seiner Darlegungs- und Beweislast bereits genügt, indem er nur vorträgt, der Kulturbund habe sein Eigentum an Aufbau 1945 nie verloren.

(3.1) Der Kläger hat jedoch über diesen bloßen Vortrag des nicht verlorenen Eigen-

tums hinaus substantiiert und beweisbewehrt darauf hingewiesen, dass die Vereinbarungen über die Gewinnabführungen (vom 28. Dezember 1962, An-lage K 27, vom 28. Januar 1962, vom 13. Dezember 1963, Anlage K 28, vom 27. Februar 1964, Anlage K 29) ebenso wie auch die Verwaltungsvereinba-rung vom 18. April 1984 (Anlage K 33) nur in Durchführung des Profilie-rungsbeschlusses vom 31. Juli 1962 erfolgten. In diesem Beschluss aber ist das Eigentum am Aufbau-Verlag eindeutig dem Kulturbund zugewiesen, was ins-besondere auch das Berufungsgericht noch so anerkennt (BU 20 Abs. 2) Hier-an konnten und sollten, wie die Vereinbarung vom 28. Dezember 1962 – „die Eigentumsverhältnisse bleiben unberührt“ – ebenfalls explizit deutlich macht (Anlage K 27, auch insoweit noch BU 20 Abs. 2), die folgenden Vereinbarun-gen über die Abführung der Gewinne weder tatsächlich noch rechtlich etwas ändern.

(3.2) Ebenso wenig erklärt die Beklagte, wann und wodurch – wie doch aber angeb-

lich nachgewiesen – der Verlag aus vermeintlichem Volkseigentum nach der Umtragung in 1955 in Parteieigentum übergegangen sein soll, aus dem die SED/PDS ihn dann 1990 wieder zurück in Volkseigentum übertragen haben will, damit die Treuhand den vermeintlichen Aufbau 1945 an die Investoren-gruppe um die BFL hätte verkaufen können. Hierzu meint die Beklagte unter anderem lapidar, in der Vereinbarung vom 19. April 1984 zwischen der SED und dem Ministerium für Kultur werde festgestellt, dass es sich beim Aufbau-Verlag um einen „parteieigenen“ Verlag handele (BerErw v. 15.5.2012, S. 22 Abs. 2, GA VIII 1896). Wie und wann der Verlag (von etwaigem Volkseigen-tum) in Parteieigentum gelangt sein soll, bleibt ein Geheimnis, das auch im weiteren Vortrag der Beklagten nicht gelüftet wird. Die Beklagte übergeht auch den Tatbestandsberichtigungsbeschluss des OLG Frankfurt vom 5. Oktober

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

75

2006 (Anlage K 4), in dem richtiggestellt wurde, dass die Bezeichnung in der Vereinbarung vom 19. April 1984 „Aufbau-Verlag / Rütten & Loening“ laute-te, woraus sich eine Eigentumsberühmung der SED in Bezug auf Rütten & Loening ergeben haben mag, nicht aber in Bezug auf den Aufbau-Verlag. Auch das Berufungsgericht ist über diesen Berichtigungsbeschluss hinweggegangen.

Ausführungen der Beklagten dazu, dass in der Vereinbarung nicht vom Auf-

bau-Verlag, sondern von Aufbau-Verlag / Rütten & Loening die Rede ist, fer-ner dazu, dass auch diese Vereinbarung in Ausführung des Beschlusses des Politbüros vom 31. Juli 1962 geschlossen wurde, sucht man jedoch vergebens.

Auch insoweit erweist sich die Behauptung der Beklagten, die Verlage hätten

in Parteieigentum gestanden, als substanzlos und durch nichts belegt. Die blo-ße Berühmung einer Eigentümerstellung genügt für die substantiierte Darle-gung eines Eigentumsüberganges nicht; schon gar nicht, nachdem die SED/PDS zwischenzeitlich mehrfach (wie der Kläger nachgewiesen hat, An-lage K 70 [Erklärung zur BARoV-Liste 1992], K 173 [Erklärung des Partei-vorstands]) und unter treuhänderischer Verwaltung durch die Beklagte stehend selber klargestellt hat, dass sich der Verlag niemals in ihrem Eigentum befun-den hat und auch die Beklagte dies selbst und mit Hinweis auf die Feststellun-gen des Unabhängigen Kommission bestätigt hat (Anlage K 76).

(3.3) Auch den Ausführungen der Beklagten, aus der Vereinbarung vom 19. April

1984 ergebe sich, dass der Aufbau-Verlag als parteieigen angesehen und ent-sprechend bezeichnet wurde (Ss. v. 15.5.2012, S. 24/25, GA VIII 1898, 1899), lässt sich substantiierter Vortrag dazu, wann und durch wen und durch wel-chen Rechtsakt der Aufbau-Verlag in das Eigentum der Partei gelangt sein soll, nicht entnehmen. Auf die Übergehung des Tatbestandsberichtigungsbe-schlusses des OLG Frankfurt vom 5. Oktober 2006 (Anlage K 4) wurde bereits hingewiesen. Auch in der Vereinbarung vom 19. April 1984 wurde jedenfalls der Aufbau-Verlag gerade nicht als parteieigen angesehen.

Unabhängig davon ist es ohnehin nicht entscheidend, ob die Verlage als par-

teieigen (allenfalls zeitweise Anfang 1990) angesehen worden sein mögen, sondern ob diese „Ansehung“ den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenhei-ten entspricht, da es sich andernfalls um eine bloße Eigentumsberühmung handelt, die indes keine Rechtsposition zu begründen vermag (zutreffend Er-klärung des Parteivorstands vom 10.4.1995, Anlage K 173, GA III 698/699:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

76

„Hierbei [scil: Aufführung des Aufbau-Verlages als parteieigen in der Verein-barung vom 18.4.1984] handelt es sich jedoch lediglich um eine methodische Zusammenfassung, die nicht als Ausdruck eines veränderten Eigentumsstatus zu werten ist.“ Zuvor bereits BARoV-Liste 1992, die indes von der Beklagten nicht vorgelegt und hinsichtlich derer der entsprechende Antrag nach §§ 142, 421 ZPO von dem Berufungsgericht nicht beschieden worden ist).

(3.4) Soweit das Berufungsgericht meint, aus dem Vertragsgesetz von 1982 ein

Indiz und/oder einen Anlass für die Vereinigung aller Fonds eines verschmol-zenen Verlages bei der SED ableiten zu können, übergeht es wiederum entge-gen Art. 103 GG einschlägigen Kernvortrag des Klägers.

Dass auch in dem Rechenschaftsbericht des Ministeriums für Kultur und der

Bilanz per 31. Dezember 1982 die Fonds des Kulturbundes in unveränderter Höhe separat von denen der SED und anderen Organisationen ausgewiesen wurden (vgl. Anlagen K 143 und K 144) zeigt, dass auch mit Inkrafttreten des Vertragsgesetzes am 1. Juli 1982, vgl. § 119, die organisationseigenen Fonds nicht in Parteieigentum übergegangen sind. Ohnehin ist hierzu – vom Beru-fungsgericht übergangen – vorgetragen, dass den gesellschaftlichen Organisa-tionen ihr verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum auch nach dem Ver-tragsgesetz nicht streitig gemacht wurde.

Auch in dem Schreiben des Zentralkomitees der SED vom 12. Mai 1983 (vgl.

Anlage B 6) ist rund ein Jahr später noch von der Verwaltung der “… partei - und organisationseigenen Verlage …“ die Rede, wobei auf die Verwaltungs-vereinbarung vom 28. Dezember 1962 – “Die Eigentumsverhältnisse bleiben unverändert“, vgl. Anlage K 27 – Bezug genommen wurde. Dass der Aufbau Verlag jährlich gegenüber dem Kulturbund Rechenschaft abgelegt hat und an diesen die Gewinnabführungen erfolgt sind, ist sogar noch bis 1987 bzw. 1988 dokumentiert (vgl. Ss. v. 6.6.2013, S. 42 ff, GA VIII 2079 und Ss. v. 4.10.2010, S. 28 ff, GA III 579 ff).

Im übrigen belegt auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar

1997 (II ZR 25 / 96, ZIP 1997, 656 ff), dass es in der DDR auch nach Inkraft-treten des Vertragsgesetzes bis zur Wende durchaus noch gemeinschaftliche Fonds gab. Auf all dies geht das Oberlandesgericht Frankfurt am Main jedoch nicht mit einem Wort ein.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

77

Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht als Argument, warum eine Übertragung aller Fonds auf die SED und nicht auf den Kulturbund als Eigen-tümer des – eine Verschmelzung unterstellt – aufnehmenden Vermögensträ-gers und größten der drei Verlage sinnvoll gewesen sein soll, auf den Tausch-vertrag vom 27. Juli1966 (vgl. BU S. 24) und den hierdurch vermeintlich her-beigeführten Übergang des Betriebsgrundstücks in Parteivermögen verweist. Dabei lässt es neben den vorstehenden Gesichtspunkten völlig außer acht, dass, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2012, S. 40 ff. (GA VIII 1961 ff), im Einzelnen ausgeführt und belegt hat, durch den besagten Tauschvertrag Grundstücke aus Volkseigentum nicht nur in Parteieigentum sondern auch in Organisationseigentum überführt worden sind, wie auch die UK mit Schreiben vom 4. Oktober 1995 (Anlage K 93) bestätigt hat. Im Übri-gen hat Herr Molinari, der zuständige Abteilungsleiter der Beklagten, im Früh-jahr 1992 bestätigt, dass es sich bei den Grundstücken nicht um Parteieigen-tum gehandelt hat.

Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts war der Aufbau-Verlag

(nicht die SED) im Grundbuch nicht als „Eigentümer/Rechtsträger von Volks-eigentum“ eingetragen, sondern schlicht als Eigentümer, was bedeutet, dass die Feststellung von Herrn Molinari sich nicht nur auf das Grundstück, son-dern auch auf den Verlag bezieht.

(3.5) Für den Verlag Rütten & Loening gilt in Bezug auf den angeblichen Übergang

in Volkseigentum nichts anderes. Wegen der Nichtigkeit des Zwangsverkaufs im Jahre 1936 war das Eigentum am Verlag Rütten & Loening ohnehin bei den Altgesellschaftern verblieben. Ab dem 3. Oktober 1945 wurde der Verlag jedoch zwangsverwaltet. Die Enteignung zu Lasten des Herrn Dr. Hachfeld ging ins Leere, da dieser nicht Eigentümer des Verlages geworden war. Die 1952 neu gegründete Rütten & Loening GmbH wurde (am 25. Oktober 1954) bei Löschung aus dem HRB in das HRC eingetragen, was indes, wie darge-legt, nur eine Gleichstellung mit volkseigenen Betrieben und eine Umwand-lung in einen OEB bedeuten konnte, nicht aber den Übergang in Volks- oder Parteieigentum. Der Aufbau-Verlag und Rütten & Loening bildeten sodann mit Wirkung zum 1. Januar 1964 bei Wahrung ihrer rechtlichen, wirtschaftli-chen und funktionellen Selbständigkeit bei Aufrechterhaltung ihrer separaten Registereintragungen eine so genannte sozialistische Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Recht der DDR. Beide Betriebe sind ausdrücklich ohne den für volkseigene Betriebe gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Namensbestand-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

78

teil VEB ins HRC eingetragen. Auch insoweit fehlt es an substantiiertem Vor-trag der Beklagten zu einem Eigentumsverlust, während die Beklagte selbst den Vortrag des Klägers zu einem nicht eingetretenen Eigentumsverlust nicht substantiiert bestritten hat.

(3.6) Soweit das Berufungsgericht meint, es sei anhand der Dokumente nicht auszu-

schließen, dass es in Form einer Verschmelzung zu einer staatlichen Reorgani-sation und damit zu einer Änderung der Eigentumszuordnungen gekommen ist, ist dies – wie in Bezug auf den Aufbau-Verlag vorstehend dargelegt – be-reits sachlich unzutreffend und zudem nicht mit den vorgelegten Dokumenten, so man sie vollständig zur Kenntnis nimmt und in seine Erwägungen einstellt, in Einklang zu bringen. Vor allem aber ist für organisationseigenes Vermögen oder Betriebe eine „staatliche Reorganisation in Form einer Verschmelzung“ nach dem Recht der DDR zweifelsfrei ausgeschlossen.

(3.7) Das Berufungsgericht erklärt zudem, die vorgelegten Dokumente gäben die

rechtlichen Verhältnisse an Aufbau 1945 keinesfalls lückenlos wieder, sondern widersprächen sich insoweit, als zwar zunächst von Eigentum des Kulturbun-des die Rede sei, nach der Zusammenfassung des Aufbau-Verlags (1945) mit weiteren Verlagen im Jahr 1964 letzterer nur noch als parteieigener Verlag ausgewiesen sei (BU 21 Abs. 1). Dies ist, wie vorstehend unter Bezugnahme auf die Rechenschaftsberichte des Ministeriums für Kultur und auf die Fest-stellungen des Zentralkomitees der SED vom 12. Mai 1983 dargelegt wurde, grob falsch und zeugt nur davon, dass es den Kernvortrag des Klägers und selbst von der Beklagten vorgelegte Dokumente (vgl. Anlage B 6) nicht zur Kenntnis nimmt, wenn sie für den Kläger günstig sind.

Nicht nur hier „irrt“ das Berufungsgericht ganz offensichtlich. Denn nach dem

substantiierten und beweisbewehrten Vortrag des Klägers zum Eigentumser-werb des Kulturbundes und der Dokumentation des Fortbestandes dieses Ei-gentums insbesondere durch die Rechenschaftsberichte des Ministeriums für Kultur in Verbindung mit der fortgesetzten Gewinnabführung ist davon auszu-gehen, dass der Kulturbund die Inhaberschaft am (OEB) Aufbau-Verlag nicht an die SED verloren hat und dass auch der Verlag Rütten & Loening weder in Partei- noch in Volkseigentum stand.

Es hätte der Beklagten oblegen, ihre dagegen substanzlosen Behauptungen (als

Bestreiten des beim Kulturbund verbliebenen Eigentums am Aufbau-Verlag)

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

79

für einen Eigentumsverlust zu substantiieren. Daher muss der Vortrag des Klägers dazu, dass das Eigentum bei dem Kulturbund verbliebenen sei, als zu-gestanden angesehen werden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es wäre Sache der Beklag-ten gewesen, die ihr günstige Tatsache substantiiert darzulegen und zu bewei-sen, dass Aufbau 1945 bzw. der OEB Aufbau Verlag irgendwann zwischen 1955 (nach dem Berufungsgericht: 1963) und 1989 in Volks- oder Parteieigen-tum übertragen wurde. Dies hat sie nicht nachgewiesen. Sie kann es auch nicht, da es – wie zwischenzeitlich historisch eindeutig belegt sein dürfte – nicht den Tatsachen entspricht, nachdem selbst die PDS seit langem nicht mehr davon ausgeht, dass Aufbau 1945 in ihrem Eigentum gestanden hätte (unter treuhänderischer Verwaltung gerade durch die Beklagte stehend und damit mit ihrer Zustimmung nach § 20 b Abs. 1 PartG DDR zur BARoV-Liste 1992 erklärt; zudem und immer noch unter treuhänderischer Verwaltung der Beklagten stehend: Erklärung des Parteivorstands vom 10. April 1995, Anlage K 173).

Zu einem Eigentumsverlust der Gesellschafter der Rütten & Loening GmbH

gibt es weder von der Beklagten, noch vom Berufungsgericht irgendwelche Ausführungen. Der Vortrag des Klägers zur fehlenden Verfügungsbefugnis der Beklagte über Rütten & Loening ist jedoch schon aufgrund des Junktims ebenso streitentscheidend wie der Vortrag zum Aufbau-Verlag. Das Beru-fungsgericht hat insofern bezüglich Rütten und Loening sein Urteil nicht nur falsch oder willkürlich, sondern gar nicht begründet.

Der Kläger verweist vollkommen nachvollziehbar darauf, dass in der seit

zwanzig Jahren geführten Auseinandersetzung der hier streitenden Parteien von der mit allen erforderlichen exekutiven und personellen Möglichkeiten ausgestatteten Beklagten weder ein auch nur ansatzweise beweiskräftiges – und auch authentisches – Dokument, noch ein Zeuge eines solchen Übertra-gungsaktes präsentiert wurde. Für eine solche Übertragung des Eigentums am Aufbau-Verlag vom Kulturbund auf die SED habe zudem nicht ein einziger wirtschaftlicher, politischer oder sonstiger Anlass oder Grund bestanden und sei von der Beklagten dementsprechend auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Danach sei die Vorstellung, dass die Übertragung des bekannten und bedeutenden Aufbau-Verlag ohne wenigsten interne Dokumentation in den Gremien des Kulturbundes, der immerhin mehr als 200.000 Mitglieder hatte, und erst recht ohne interne Dokumentation im überaus bürokratisierten Partei-apparat der SED und weiter auch ohne Dokumentation in den zuständigen Ab-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

80

teilungen der beteiligten Ministerien einfach so „geschehen“ sein soll, schlicht nicht nachvollziehbar, so dass die entsprechende Würdigung des Berufungsge-richts weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar und damit willkürlich ist und auf eine unzulässige direkte oder indirekte Beeinflussung des Gerichts durch die hinter der Beklagten stehenden staatlichen Organe hinweist.

f) Nochmals (zusammenfassend): Die hier zu Grunde zu legende Beweislastver-

teilung mag man als Folge einer allgemeinen sachenrechtlichen Kontinuitäts-vermutung bzw. der Rechtsfortdauervermutung ansehen oder aber dem aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleitenden Grundsatz entnehmen, nach dem der Kläger nicht jeden denkbaren Eigentumsverlust widerlegen muss, sondern nur einen solchen, der substantiiert dargetan ist, woran es hier freilich fehlt. In jedem Fall aber verkennt das Berufungsgericht im Ergebnis die Darlegungs- und Beweislast und verletzt damit auch insoweit den An-spruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Beru-fungsgericht hat insbesondere nicht erkannt, dass der Kläger mit seinem Vor-trag zur Kontinuitätsvermutung auch darauf verwiesen hat, dass die Beklagte substantiiert hätte vortragen müssen, wie sie die Geschäftsanteile zweier – nun auf einmal nicht mehr verschmolzener – GmbHs i.A. wirksam an die Investo-rengruppe habe übertragen können, weil der Aufbau Verlag 1945 – wie nicht – im Jahr 1990 in Volkseigentum gestanden hätte. Hierzu hätte die Beklagte je-denfalls ansatzweise einen konkreten Übertragungsvorgang vom Kulturbund in Partei- oder Volkseigentum substantiiert darlegen müssen. Das aber hat die Beklagte nicht getan; die eigenständigen Erwägungen des Berufungsgerichts („staatliche Reorganisation in Form einer Verschmelzung“) unterliegen zulas-sungsrelevanten symptomatischen Rechtsfehlern, sind mit dem Tatsachenstoff nicht in Einklang zu bringen und beruhen ersichtlich auf einer nur unvollstän-digen Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vorbringen. Abgesehen da-von, dass die Zulassung der Revision bereits deshalb – wie dargelegt – zur Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO geboten war, weil das Berufungsgericht unter Verkennung der Beweislast zu Lasten des Klägers entschieden und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, Art. 103 Abs. 1 GG, hätte die Revision auch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO, zu-gelassen werden müssen. Hiernach hätte der vorliegende Sachverhalt dem Bundesgerichtshof die Gelegenheit gegeben, die Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs vom 29. September 1989 (V ZR 326/87, NJW 1990, 392 f) und ihm nachfolgend des OLG Düsseldorf (Urt. v. 6.6.1991, 6 U 150/90, doku-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

81

mentiert in juris) sowie vom 12. November 2010 (V ZR 181/09, NJW 2011, 1279) dahin klarstellend fortzuentwickeln (BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/ 02, WM 2003, 987/988, Beschl. v. 25.3.2003 - VI ZR 355/02, S. 4 f., EBE/BGH 2003, BGH-Ls. 504/03), dass auch bei einer Übertragung von Ge-schäftsanteilen und Betriebsvermögen der Kläger nicht alle denkbaren, son-dern nur die sich aus dem Vortrag des Beklagten konkret ergebenden Übertra-gungsmöglichkeiten, die die Veräußerungsbefugnis des Beklagten erst be-gründet haben sollen, widerlegen muss, um darzutun, dass er nicht Rechts- und Vermögensnachfolger werden konnte.

g) Schließlich hat das Berufungsgericht, das auf BU 15 Abs. 1 explizit darauf

verweist, dass es sich in Bezug auf die Frage der Rechts- und Vermögensnach-folge um einen Indizienbeweis handele, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG die im Falle eines solchen Indizienbeweises stets er-forderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau unterlassen (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2006 – IV ZR 21/05, NJW-RR 2007, 312 ff, Tz. 11 und 17). Dann aber drängt sich auf, dass dies sachfremde Gründe hat.

aa) Eine solche Würdigung hätte eben gerade berücksichtigen müssen, dass der

Kläger mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 (S. 37/38, GA III 588/589) nach §§ 142, 421 ZPO beantragt hat, der Beklagten die Vorlage der BARoV-Liste vom 22. Dezember 1992 aufzugeben, in der sich die SED/PDS nicht mehr des Eigentums an Aufbau 1945 berühmt (so Vermerk vom 10.2.1993, S. 2 Abs. 2, Anlage K 70).

bb) Der Kläger hat zudem beantragt (Ss. v. 29.12.2009, S. 124/125, GA I

123/124), der Beklagten die Vorlage der „anliegenden Vereinbarung“ (Anlage K 71, Vermerk v. 29.12.1992) aufzugeben, auf die Herr Lange Bezug genom-men hat und die nicht Gegenstand der Akte war, die die Beklagte und die UK in dem Verfahren des Kulturbundes vor dem Verwaltungsgericht Berlin vorge-legt haben. Auch dieses Dokument wäre zweifellos für die vollständige Be-wertung des Sachverhaltes relevant gewesen. Dort ist hinsichtlich der Äuße-rung von Herrn Lange vermerkt:

„Herr Lange legte dar, dass es sich beim Aufbau Verlag um einen OEB des Kulturbundes gehandelt habe. Er nimmt dabei auf die an-liegende Vereinbarung Bezug.“

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

82

cc) Es ist in beiden Fällen nicht erkennbar, dass das Gericht trotz Vorliegens der Voraussetzungen einer Anordnung nach § 142 ZPO die Notwendigkeit der Ausübung seines Ermessens auch nur erkannt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2007, XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 ff, Tz. 21). Das aber verletzt den Kläger in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG; es ist nicht auszuschließen, dass der Inhalt der BARoV-Liste wie auch der von Herrn Lange in Bezug genommenen Vereinbarung geeignet gewesen wären, die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen.

h) Vorstehende aufgezeigten Verstöße gegen die Verfahrensgrundrechte des

Klägers, die darauf beruhen, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klä-gers in seinem Kern nicht, jedenfalls aber nicht vollständig zur Kenntnis ge-nommen und – in Teilen auch nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar – er-wogen hat, (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG), weiterhin auf einer Ver-kennung des Indizienbeweises Art. 103 Abs. 1 GG) und auf einer ermessens-fehlerhaften Nichtbescheidung der Vorlageantrags in Bezug auf die BARoV-Liste (ebenfalls Art. 103 Abs. 1 GG bzw. Art. 3 GG) beruhen, führen dazu, dass die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, nach der der Kläger nicht bewiesen habe, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH nicht Rechts- und Vermögensnachfolgerin des Aufbau-Verlages 1945 (oder eines OEB Aufbau Verlag) geworden ist, vom Bundesgerichtshof nach der Zurück-verweisung durch das Bundesverfassungsgericht in vollem Umfang überprüft werden muss.

aa) Hierzu ist seitens des Klägers vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der

Kulturbund am 30. März 1946 sämtliche Geschäftsanteile am Aufbau-Verlag hielt. Weiter ist auch das fortbestehende Organisationseigentum am Aufbau-Verlag nach der Umwandlung 1955 dargelegt und insbesondere ausgeführt worden, dass im „Statut für den Aufbau-Verlag, Verlag des Deutschen Kultur-bundes“ vom 10. Januar 1961 (Anlage K 25) das Eigentum zu Gunsten des Kulturbundes festgestellt ist. Der Kläger hat weiter unter Bezugnahme auf den Profilierungsbeschluss des Politbüros vom 31. Juli 1962, die hierzu ergange-nen Verwaltungsvereinbarungen und Abkommen dargelegt, dass der Aufbau-Verlag 1945 auch weiterhin als Eigentum des Kulturbundes behandelt wurde (insbesondere Profilierungsbeschluss v. 31.7.1962, Anlage K 26; Vereinba-rung v. 28.12.1962, Anlage K 27; Vereinbarung vom 13.12.1963, Anlage K 28; Schlussbilanz unprofilierter Aufbau-Verlag und Eröffnungsbilanz profi-lierter Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, Anlagen K 29 und K 30; Abkom-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

83

men zwischen Ministerium für Kultur und Kulturbund v. Februar/Juni 1964 als Ersatz der Vereinbarung v. 28.2.1963, Anlagen K 31 und K 33; Rechen-schaftsberichte und Bilanzen ab dem Jahr 1964; Schreiben der Abteilung Fi-nanzverwaltung/Parteibetriebe des Zentralkomitees der SED v. 12.5.1983; Durchführungsbeschluss v. 18./19.4.1984, bei Beibehaltung der Gewinnabfüh-rung an den Kulturbund bis 1989).

bb) Der Kläger hat weiter vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die

SED/PDS, die sich für einen ohnehin nur sehr kurzen Zeitraum (und dies noch während der Wirren unmittelbar nach der Wende 1989) des Eigentums be-rühmt hat, selbst bereits 1992 (BARoV-Liste) und nachfolgend erneut 1995 (Erklärung des Parteivorstands, Anlage K 173) erklärt hat, dass der Verlag nicht im Parteieigentum stand und vielmehr der Kulturbund Inhaber von Auf-bau 1945 bzw. einem OEB Aufbau-Verlag geblieben ist.

cc) Nachdem sich das Berufungsgericht mit vorstehenden Dokumenten und dem

Vortrag des Klägers hierzu nicht vollständig auseinandergesetzt hat und die Auslassung ausgerechnet denjenigen Tatsachenstoff betreffen, der die Ansicht des Klägers stützt, erweist sich seine Würdigung als völlig unvollständig, da-mit willkürlich. Eine isolierte Prüfung der einzelnen Umstände genügt nicht, vielmehr ist stets eine Gesamtbetrachtung anzustellen (BGH, Urt. v. 2.3.1999, VI ZR 175/98, NJW 1999, 2273/2274). Eine solche Gesamtbetrachtung führt vorliegend nur zu dem Ergebnis, dass der Kläger die fehlende Rechts- und Vermögensnachfolge bewiesen hat.

dd) Angesichts der bisherigen willkürlichen Handhabung durch das Berufungsge-

richt wird angeregt, im Falle des Verweises an den Tatrichter den Rechtsstreit an einen anderen, nicht vorbefassten Senat zu verweisen.

3. Im Übrigen hätte die Beklagte den Käufern auch dann die vertragsgegenständ-

lichen Geschäftsanteile und das Vermögen der Verlage nicht übertragen kön-nen, wenn die SED/PDS tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt das Eigentum an Aufbau 1945 oder dem OEB Aufbau Verlag erlangt hätte. Sie hat es näm-lich im März/April 1990 nicht wirksam in Volkseigentum überführt. Bereits dies hat zur Konsequenz, dass mangels Anwendbarkeit des TreuhG eine Um-wandlung nach §§ 1, 11 TreuhG nicht erfolgte und es sich bei den unter HRB 35 991 und HRB 37 765 in das Handelsregister beim AG Charlottenburg ein-getragenen Gesellschaften eindeutig um Scheingesellschaften handelte, wes-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

84

wegen erst die vermeintlichen Nachgründungsmaßnahmen nach 19 TreuhG vom Februar/August 1992 eine fehlerhafte Gesellschaft begründeten.

Diesen Sachverhalt, der Kernvortrag des Klägers war, erfasst das Berufungs-

gericht nicht ansatzweise, weshalb dieses den Kläger erneut in seinem grund-rechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch in diesem Punkte zudem als objektiv willkürlich (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG):

a) Die Treuhand übernahm im Zuge der Privatisierungsbestrebungen des DDR-

Vermögens zum einen als Eigentümerin nach TreuhG die Verantwortung für die Privatisierung der volkseigenen Betriebe (Treuhandanstalt, Branchendirek-torate Privatisierung; § 1 TreuhG). Zum anderen übernahm sie als treuhände-risch gebundene Verwalterin fremden Vermögens (Treuhand, Direktorat Son-dervermögen) nach ParteiG DDR die treuhänderische Verwaltung des Vermö-gens der Parteien (SED) und der Massenorganisationen (Kulturbund, vgl. An-lage K 7).

b) Das TreuhG findet nach § 1 TreuhG nur Anwendung auf „volkseigenes“ Ver-

mögen, auf partei- und organisationseigene Betriebe hingegen nicht (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 6.4.1993, 1 W 1590/92, ZIP 1993, 872/873 f), da das Eigen-tum der SED ebenso wie das der gesellschaftlichen Organisation Kulturbund gemeinsames Eigentum ihrer jeweiligen Mitglieder ist. Eigentum des Kultur-bundes oder der SED konnte die Beklagte also nicht wirksam privatisieren. Auch soweit man unzutreffend nicht den Kulturbund, sondern die Partei als Inhaberin an Aufbau 1945 oder Eigentümerin des OEB Aufbau Verlag anse-hen wollte, hätte eine Übertragung von Gegenständen des Parteivermögens an die Käufer nach § 20b Abs. 1 PartG DDR (in der Fassung vom 31.5.1990, in Kraft getreten am 1. Juni 1990) nur durch die Beklagte Direktorat Sonderver-mögen nach PartG DDR in Verbindung mit den Maßgaben dazu, gegebenen-falls im Ergebnis einer rechtskräftigen Einziehungsverfügung und nur mit Zu-stimmung des Vorsitzenden der Unabhängigen Kommission erfolgen können. Diese lag nicht vor. Vor allem wären in diesem Fall schon keine Kapitalgesell-schaften nach dem TreuhG entstanden, wie sie Gegenstand der Verträge vom 18. und 27. September 1991 sowie vom 24. November 1992 waren.

aa) Hierzu ist vorgetragen, die UK sei zutreffend davon ausgegangen, dass die

Übergabe / Übernahme vom 14. März/2. April 1990 aufgrund des dort abge-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

85

gebenen neuen Angebots der SED (Anlage K 35, S. 2, Erklärung Dr. Pelikan) unwirksam war und sie dies der Beklagten im Schreiben vom 6. September 1991 (Anlage K 46) im Einzelnen dargelegt hat. Der Kläger hat beweisbe-wehrt vorgetragen, dass die Übertragung in Volkseigentum unwirksam war (vgl. Bezugnahme auf Anlage K 46, zutreffend der Vermerk Hingst: Unwirk-samkeit, weil Abgabe eines neuen [abändernden] Angebots statt Annahme der Vereinbarung; zudem Vorlage Anlage K 173: Erklärung des Parteivorstands, sowie Anlage BK 72, Schr. MfK v. 18.4.1990, vgl. Ss. v. 17.1.2014, S. 13 ff, GA IX 2225 ff).

bb) Das Berufungsgericht meint auf BU 25/26, dass die Überführung in Volksei-

gentum nicht wegen einer einseitig erklärten Bedingung der SED/PDS un-wirksam bzw. wegen eines „offenen Dissenses“ gemäß § 64 Abs. 4 ZGB, § 150 Abs. 2 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Das Gericht bezieht sich dabei erklärtermaßen auf höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der § 150 Abs. 2 BGB nicht eingreife, wenn die Auslegung ergebe, dass der Annehmende not-falls auch mit den angebotenen Bedingungen einverstanden sei (BU 25 Abs. 3). So liege der vorliegende Sachverhalt, da die Erklärung des Parteivorstandes der SED/PDS zum Übernahme-/Übergabeprotokoll „erkennbar nicht als Wil-lenserklärung im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB gedacht gewesen“ und so auch nicht verstanden worden sei (BU 25 Abs. 4): Die Erklärung habe nur so ver-standen werden können, dass zwar eine Ergänzung vorgeschlagen wurde, die SED/PDS aber bei einem Beharren auf dem ursprünglichen Angebot dieses in der ursprünglichen Form auf jeden Fall annehmen und nicht auf ihrem Vor-schlag beharren würde (BU 26 Abs. 1). Auch die UK habe das Protokoll nicht wegen der zusätzlichen Erklärung für unwirksam erachtet (BU 26 Abs. 2).

cc) Auch mit diesen Ausführungen verstößt das Berufungsgerichts gegen Art. 103

Abs. 1 GG. (1) Zunächst hat nicht einmal die Beklagte selbst vorgetragen, dass es sich bei der

Erklärung des Parteivorstandes der SED/PDS zum Übergabe-/Übernahmeprotokoll vom 14. März / 2. April 1990 (Anlage K 35), wonach die Verlage Aufbau-Verlag Berlin und Weimar sowie Rütten & Loening Ber-lin zu einem Zeitwert von 16.987 Millionen Mark in Volkseigentum überführt werden sollten, um eine bereits uneingeschränkte Annahme verbunden mit ei-nem zusätzlichen Antrag handeln soll, den „zustande gekommenen Vertrag“ zu erweitern oder einzuschränken. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt et-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

86

was Derartiges behauptet (was insbesondere auf S. 16 des Ss. v. 6.6.2014, IX 2437 Abs. 3 deutlich wird). Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung auf ein solches Verständnis auch nicht hingewiesen. Die Ausführungen erwei-sen sich danach als evidenter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

(2) Darauf kommt es aber nicht einmal maßgeblich an. Das Berufungsgericht

behandelt die Rechtsfrage allein unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 150 Abs. 2 BGB. Hinsichtlich des Vertrages vom 14. März /. 2 April 1990 hätte das Berufungsgericht aber allein § 64 Abs. 4 ZVG zur Anwendung brin-gen dürfen: Nach Art. 8 des Einigungsvertrages trat mit dem Wirksamwerden des Beitritts in dem Gebiet der ehemaligen DDR (vgl. Art. 3 EV) Bundesrecht in Kraft, soweit durch den Einigungsvertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt wurde. Nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet B Ab-schnitte II in Verbindung mit Art. 232 EGBGB § 1 blieb für ein Schuldver-hältnis, das wie hier vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstanden war, das bisherige DDR-Recht maßgebend. Damit also beurteilt sich die Wirksamkeit von Verträgen nach ZGB, soweit – wie hier – unter anderem ein Dissens in Rede steht, also nach §§ 63, 64 ZGB (vgl. BGH, Urt. v. 22. 6.1993 - IV ZR 302/92, BGHZ 123, 69, juris-Tz. 7; Ellenberger, in: Palandt-Archiv Teil II, EG 232 § 1 Rn. 2, 5a; abgerufen am 6.10.2014 unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/Palandt/PalArch_Teil_II_2014_73A.pdf#page=18).

(2.1) Nach § 64 Abs. 4 ZGB galt die Annahme eines Angebotes mit Erweiterungen,

Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als neues Angebot, wenn nicht die Erweiterungen oder Einschränkungen oder sonstigen Zusätze als unwe-sentlich anzusehen waren (vgl. Kommentar zum ZGB der DDR, § 64 Ziff. 4 Anlage NZBB 9). Da die Zusatzerklärung vom 2. April 1990 – abweichend von dem Text des Protokolls, wonach gerade keine Werterstattung erfolgen sollte – vorsah, dass im Falle der Weiterveräußerung ein achtstelliger Kauf-preis zu zahlen war, ist dies hier auszuschließen. Die Zusatzerklärung ist von Herrn Dr. Pelikan in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des Parteivor-stands unterzeichnet worden. Wesentlicher Erklärungsinhalt ist der Verweis auf den Beschluss des Präsidiums des Parteivorstands, wonach die Verlage eben nicht entgeltfrei übergeben, sondern verkauft bzw. übertragen werden sollten (Anlage K 35). Nach § 60 Nr. 4 ZGB gehörte der Preis auch in der DDR zu den Vereinbarungen, die typischerweise „für Art und Zweck der Be-ziehung erforderlich sind“, so dass eine Einigung hierüber zu den essentialia

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

87

negotii gehörte. Göhring/Posch vertraten in ihrem Lehrbuch Zivilrecht (1981, Anlage NZBB

10) die Auffassung, dass bei einer „Annahme, die nicht völlig dem Angebot entspricht, sondern ihm gegenüber Erweiterungen, Einschränkungen oder son-stige Änderungen enthält“ ein neues Angebot vorliegt.

Das Berufungsgericht bezieht sich indes auf Rechtsprechung des Bundesge-

richtshofs zum Bundesrecht, nach der es (entgegen dem vorzitierten Verständ-nis zu § 64 ZGB) im Rahmen § 150 Abs. 2 BGB zwar ohne Bedeutung sei, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Änderungen handelt (unter Ver-weis auf Borg, in: Staudinger, BGB, 1996, § 150, Rn. 8; Kramer, in: Münch-Komm, BGB, 3. Aufl., § 150 Rn. 3). Allerdings liege nach dieser Rechtspre-chung zu § 150 Abs. 2 BGB eine Annahme und keine modifizierende Annah-me vor, wenn der Annehmende für den Vertragspartner erkennbar zwar Er-gänzungen vorschlägt, aber klar zum Ausdruck bringt, dass er bei einem Be-harren des Antragenden auf dem ursprünglichen Angebot dieses Angebot in der ursprünglichen Form auf jeden Fall annimmt und nicht auf seinen Ände-rungsvorschlägen beharrt. Es handele sich dann um eine uneingeschränkte Annahme verbunden mit einem Ergänzungs- oder Änderungsangebot. Ob eine derartige Erklärung des Annehmenden so zu verstehen sei, sei im Wege der Auslegung zu ermitteln (BGH, Urt. v. 18.10.2000 – XII ZR 179/98, NJW 2000, 221 ff, juris-Tz. 18).

(2.2) Anwendung und Auslegung des beim Beitritt ausgelaufenen Rechts der DDR

ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten (vgl. BVerwG. Beschl. v. 29.5.2012 – 3 B 90/11, dokumentiert in juris), was auch der Kläger nicht verkennt. Allerdings ist diese Rechtsanwendung vorliegend völlig rechtsfeh-lerhaft und nicht ansatzweise nachvollziehbar, da das Berufungsgericht es vollständig unterlassen hat, das DDR-Recht überhaupt auch nur zu ermitteln und damit ein willkürlicher Fehler in der Überzeugungsbildung vorliegt, der vorliegend auch entscheidungserheblich ist:

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei der Auslegung und Anwendung

des danach hier einschlägigen Zivilgesetzbuchs der DDR die Rechtspraxis der DDR maßgeblich ist, das fortgeltende Recht also auch so anzuwenden ist, wie es von den Gerichten der DDR angewendet worden wäre, soweit dies nicht mit dem Grundgesetz unvereinbar wäre (BGH Urt. v. 22.06.1993 - VI ZR 302 /

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

88

92, BGHZ 123, 65, juris-Tz. 8 f). Ausweislich vorzitierter Fundstellen kannte das DDR-Recht zwar eine Ein-

schränkung des Anwendungsbereichs des § 64 ZGB, sofern er sich um unwe-sentliche oder schlicht konkretisierende Änderungen handelte, die aber vorlie-gend nicht angenommen werden kann (eine Übergabe ohne Werterstattung mit allen Rechten und Pflichten ist schlicht etwas anderes als ein Forderung nach einem Kaufpreis in Höhe von 16.987 Millionen Mark, wenn der Verkauf an einen Dritten erfolgt bzw. die Fremdbeteiligung 49% übersteigt). Ob das DDR-Recht auch die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwic-kelte Auslegungsausnahme (uneingeschränkte Annahme verbunden mit einem Ergänzungs- oder Änderungsangebot) kannte, hat das Berufungsgericht nicht ermittelt, so dass seine Würdigung auf diesem Verfahrensfehler beruht.

(2.3) Wollte man meinen, dass auch nach dem Rechtsverständnis der DDR eine

Auslegung in Betracht kommt, wie sie das Berufungsgericht zu Grunde legt (uneingeschränkte Annahme verbunden mit einem Ergänzungs- oder Ände-rungsangebot), beruht diese Auslegung ihrerseits auf einem Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte.

(2.3.1) Das Berufungsgericht meint, die zusätzliche Erklärung sei nach den Unter-

schriften auf dem Protokoll und auf einem gesonderten Blatt aufgeführt, in dem unterschriebenen Protokoll sei eine Übertragung ohne Wertausgleich vor-gesehen und durch die Unterschriften als bindend akzeptiert worden. Daraus folge, dass aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers, also des Ministeriums für Kultur, nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Überführung nur dann zustande kommen soll, wenn die von der SED/PDS vorgeschlagene Änderung akzeptiert werde (BU 25/26). Auch aus den Gesamtumständen (Wirtschaftsführung mit Wirkung zum 31.1.1990 beendet, kulturpolitische Gesichtspunkte) sei anzunehmen, dass die SED/PDS nicht auf ihrem Änderungsvorschlag beharren wollte (BU 26 Abs. 1). Mit diesen Ausführungen, die dem Wortlaut und der tatsächlichen Ausfer-tigung des vorliegenden Dokuments und den Denkgesetzen widersprechen, verletzt das Berufungsgericht jedenfalls Art. 103 Abs. 1 GG, seine Würdigung ist unvollständig, widersprüchlich und ohne sachlichen oder rechtlichen Grund einseitig zu Lasten des Klägers, so dass auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht kommt.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

89

(2.3.2) Das Gericht geht insoweit bereits von einem unzutreffenden Sachverhalt aus,

da sich die Zusatzerklärung – ausweislich des Zusatzes „b.w.“ am unteren En-de des ursprünglichen Textes – nicht auf einem zusätzlichen Blatt befand, sondern auf der Rückseite des Protokolls angebracht worden war, so dass es den auf dem von ihm unterstellten unzutreffenden Sachverhalt aufbauenden Schlussfolgerungen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bereits an einer Basis mangelt. Bereits in der Vorlage des Herrn Höpke für das Präsidium des Parteivorstandes der SED/PDS (Anlage B 9, S. 2 Abs. 4 bis 4 Abs. 2, hierzu BU 26 Abs. 1) war erklärt worden, für die Partei „käme nur ein Verkauf in Volkseigentum in Frage.“ (Hervorhebung vom Unterzeichner). In der Zusatz-erklärung mit der Kaufpreisforderung ist dann auf den entsprechenden Be-schluss des Präsidiums des Vorstands der PDS Bezug genommen worden. Herr Dr. Pelikan hatte keine Vollmacht, auf diese Forderung der PDS in Höhe von 16.987.000 Mark zu verzichten, schon weil dies den „prinzipiellen Stand-punkten (der PDS) zur Eigentumsfrage“ nicht entsprochen hätte, da sie be-kanntlich damals das gesamte zusammengeraffte Vermögen der SED für sich beanspruchte. Das Ministerium für Kultur hat diese Forderung und damit die Übergabe des Verlages zu diesen Bedingungen zurückgewiesen, so dass es zur Übertragung der Verlage in Volkseigentum auch aus diesen Gründen nicht ge-kommen ist. Die Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts beruhen klar er-sichtlich auf der Übergehung des klägerischen Vortrags zu den vorgelegten Dokumenten und ihres Wortlauts und der Ausblendung der damaligen histori-schen Ereignisse.

Im Übrigen hat auch die UK in ihrem Schreiben vom 6. September 1991 (K

73) nichts dazu ausgeführt, dass das Auslegungsergebnis des Berufungsge-richts stützen würde. Dabei fällt zunächst auf, dass das Berufungsgericht ge-gen den klaren Inhalt und Wortlaut der Anlage K 73 meint, die UK habe das Übergabeprotokoll in ihrem Schreiben vom 6. September 1991 nicht für un-wirksam gehalten. Wörtlich heißt es dort auf Seite 2 Absatz 2: „Vorbehaltlich weiterer tatsächlicher Erkenntnisse gehe ich daher davon aus, dass die Über-führungen der 8 Verlage auf der Grundlage der Übergabe- /Übernahme-Protokolle vom 27. März / 2. April 1990 unwirksam sind, so dass sich die be-treffenden Verlage noch im Eigentum der PDS befinden.“

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

90

(2.3.3) Dafür, dass die Überführung wirksam erfolgte, wäre die Beklagte darlegungs-

und beweisbelastet und müsste, nach dem Maßstab, den das Berufungsgericht jedenfalls bei dem Kläger anlegt, insoweit beweisfällig geblieben sein, da es an Vortrag und Beweis dazu fehlt, dass es sich bei der Zusatzerklärung (fällig-keitsbedingte Kaufpreisklausel) um eine uneingeschränkte Annahme verbun-den mit einem Ergänzungs- oder Änderungsangebot handelte. Das Berufungs-gericht meint wohl, dass aufgrund des Vermerks der UK vom 22. Oktober 1991 von einer Meinungsänderung bei der UK ausgegangen werden könne (vgl. BU 26 Abs. 2). Insofern erweist sich die berufungsgerichtliche Würdi-gung ein weiteres Mal als unvollständig, da sie zu Ungunsten des Klägers nicht in ihre Überlegungen einbezieht, dass die UK mit Vermerk vom 10. Fe-bruar 1993 (Anlage K 70) – und abweichend von dem Vermerk vom 22. Ok-tober 1991 – auf ihre Vorbehalte gegen das Übergabe-/Übernahme-protokoll wieder Bezug genommen hat.

(2.3.4) Weiter liegen die Ausführungen des Berufungsgerichts schon deshalb neben

der Sache, weil die UK seinerzeit (vgl. Vermerk vom 22.10.1991, Anlage B 21) erklärtermaßen und fälschlich davon ausging, dass das Eigentum an den Verlagen bereits vor Anfertigung des Protokolls am 1. Januar 1990 überge-gangen sei, während die Übereignung tatsächlich erst durch das Protokoll er-folgen sollte (schon insoweit kann der Vermerk vom 22.10.1991 nicht im Sin-ne des Berufungsgerichts verstanden werden, da die UK einen falschen Über-gangszeitpunkt zu Grunde legte). Darüber hinaus war eine von dem schuld-rechtlichen Vertrag unabhängige abstrakte Übereignung vorliegend schon deswegen a priori ausgeschlossen, weil in der DDR das Abstraktionsprinzip abgeschafft worden war (die Übereignung konnte danach in vorliegendem Fall nur mit dem Vertragsschluss erfolgen, dieser war aber eben unwirksam; vgl. § 26 ZGB).

(2.4) Da vorliegend § 64 Abs. 4 ZGB zur Anwendung gelangt, kommt es auf die

Regelungen in § 64 Abs. 3 und 2 ZGB nicht an; wollte man dies anders sehen, wäre das Ministerium für Kultur nach Übergabe des Angebots vom 14. März 1990 nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 64 Abs. 2 ZVG (also ab 28. März 1990 und damit jedenfalls am 2. April 1990) nicht mehr an das Angebot ge-bunden gewesen. Auch dies hat das Berufungsgericht, das sich schlicht über-haupt nicht wie geboten mit der Frage der Anwendung des § 64 ZGB befasst

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

91

hat, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG nicht ge-prüft. Auch der Fristablauf stünde aber der Wirksamkeit des Vertragsschlusses und damit der wirksamen Überführung des Verlages in Volkseigentum entge-gen, zumal aus dem Datum der (Zusatz-)Erklärung der SED für das Ministeri-ums für Kultur sofort ersichtlich war, dass diese ihm nicht nur nach Fristablauf zuging, sondern bereits nach Fristablauf abgegeben worden war, so dass auch ein Zustandekommen des Vertrages nach § 64 Abs. 3 ZGB ausschied. Ohne-hin hat das Ministerium für Kultur die Erklärungen der SED/PDS vom 2. April 1990 als neues Angebot verstanden und ausdrücklich zurückgewiesen, wie sich aus dessen Schreiben vom 18. April 1990 ergibt (vgl. Anlage BK 72); je-denfalls aber hätte es der Beklagten oblegen darzutun und zu beweisen, dass das Angebot fristgemäß angenommen wurde.

c) Dies zu Grunde gelegt ist davon auszugehen, dass die Verlage im April 1990

noch – im Fall des Aufbau Verlages zu Argumentationszwecken unterstellt: wenn nicht im Eigentum des Kulturbundes – im Eigentum der Partei standen. Eine Übertragung in Volkseigentum zu einem späteren Zeitpunkt hätte (nach Inkrafttreten des ParteiG DDR) den Bestimmungen von § 20b Abs. 1 PartG DDR in Verbindung mit der Maßgaberegelung d dazu unterlegen, darüber hin-aus der Zustimmung der UK bedurft und hätte dann auch bis spätestens zum Stichtag 1. Juli 1990 vollzogen sein müssen, §§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 2 TreuhG. Eine spätere Übertragung von (angeblichem) Partei- in Volkseigentum konnte, selbst wenn sie den Voraussetzungen des PartG DDR entsprochen hätte, zur Entstehung von Kapitalgesellschaften im Aufbau nach TreuhG nicht mehr füh-ren und ist im übrigen nicht vorgetragen, noch hätte eine solche den Anforde-rungen an das jedenfalls dann bestehende Zustimmungserfordernis durch die UK genügt. Eben dieses Zustimmungserfordernis hat das Direktorat Sonder-vermögen zutreffend – unterstellt, nicht der Kulturbund wäre Eigentümerin – laut Vermerk vom 5. Mai 1991 (Anlage K 44) der Beklagten mitgeteilt (Ver-merk UK Anlage K 70, S. 2 Abs. 6).

d) Darüber hinaus ist weiter fraglich, ob die Übertragung in Volkseigentum vom

März/April 1990 ihrerseits bereits der Zustimmung durch die UK nach § 20b Abs. 1 PartG DDR bedurft hätte, worauf der Kläger zentral hingewiesen hatte, aber das Berufungsgericht nicht eingeht. Das Berufungsgericht trifft daher auch insoweit der Vorwurf aus Art. 103 Abs. 1 GG:

aa) Zwar war § 20b PartG zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten (dies

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

92

erst am 1. Juni 1990); gleichwohl aber wäre das Vermögen, das am 7. Oktober 1989 bestanden hatte (und zu diesem Zeitpunkt bei unterstellter Unwirksam-keit der Übertragung vom März/April 1990 und bei unterstelltem Eigentums-verlust des Kulturbundes noch Parteivermögen gewesen wäre, da die Überga-be zwar rückwirkend, aber jedenfalls nicht vor dem 1. Januar 1990 erfolgt war) nach § 20b Abs. 2, Abs. 3 PartG DDR unter treuhänderische Verwaltung der Unabhängigen Kommission gestellt gewesen.

bb) Der Kläger hat vorgetragen, dass Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844, so

sie sich im Parteieigentum befunden hätten, nicht dem TreuhG, sondern dem ParteiG DDR unterstanden. Ein Feststellungsverfahren der UK ist nicht durchgeführt worden (Ss. v. 29.12.2009, S. 69, GA I 69). Die UK hat ihre Zu-stimmung nicht erteilt. Damit aber wären – bei unterstellt fehlendem Eigentum des Kulturbundes – sowohl die Übergabe / Übernahme in Volkseigentum als auch die Übertragung auf die Käufer selbst dann unwirksam gewesen, wenn diese sich (wie nicht) auf die Verlage selbst und nicht auf vermeintliche Antei-le an Kapitalgesellschaften i.A. bezogen hätten, die tatsächlich nicht existier-ten (Ss. v. 29.12.2009, S. 71/72, GA I 71/72). Auch diesen Vortrag hat das Be-rufungsgericht in Verkennung der Rechtslage unter Verletzung des klägeri-schen Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen, Art. 103 Abs. 1 GG.

4. Die vorstehend dargestellten Grundrechtsverletzungen (Art. 103 Abs. 1 GG,

Art. 3 Abs. 1, Verletzung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs) sind sämtlich entscheidungserheblich, da das Berufungsgericht – wie nachfolgend darzulegen sein wird – gleichfalls unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte die Anwendung der §§ 306, 307 BGB a.F., Ansprüche wegen vor- bzw. nach-vertraglicher Aufklärungs-, Hinweis- und Treuepflichtverletzungen, sowie Ansprüche aus § 826 BGB bzw. § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG sowie eine Formnichtigkeit der Verträge gemäß § 15 GmbHG wegen ver-meintlicher Heilung durch Abtretung verneint.

Für die nachfolgenden Ausführungen ist danach von Folgendem auszugehen:

Standen die Verlage nicht in Volkseigentum, sondern entweder in Eigentum des Kulturbundes oder der SED/PDS oder - im Falle Rütten & Loening - der früheren Gesellschafter, war die Beklagte weder nach § 1 Abs. 4 TreuhG In-haberin der Anteile an den vertragsgegenständlichen Kapitalgesellschaften i.A. noch Eigentümer der Verlage geworden, da das TreuhG auf organisationseige-nen Betriebe keine Anwendung findet (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 6.4.1993, 1

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

93

W 1590/92, ZIP 1993, 872/873 f). Vor allem handelte es sich bei den im No-vember 1990 als Aufbau-Verlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau (HRB 35 991, Anlage K 36) und der im Mai 1991 als Rütten & Loe-ning, Berlin Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau (HRB 37 765, Anlage K 163) eingetragenen Gesellschaften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um Scheingesellschaften (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1999, VIII ZR 158/98, BGHZ 141, 1 ff, juris-Tz. 29; Beschl. v. 16.10.2006, II ZB 32/05, NJW-RR 2007, 259 ff, 15, keine konstitutive Wirkung der Eintragung einer Eintragung der Gesellschaft als „im Aufbau“: in dem dortigen Verfahren erfolgten sodann Nachgründungsmaßnahmen im Sinne des § 19 TreuhG durch die Treuhand selbst und erst dann wurde diese (nach Nachgründung) fehler-hafte Gesellschaft durch die Treuhand veräußert und übertragen, so dass sich die Frage danach, ob eine Scheingesellschaft verkauft wurde, dort nicht stell-te).

III. Objektiv willkürlich war es über die vorstehenden Ausführungen zu der ent-

scheidungserheblichen und unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte erfolg-ten Würdigung des Berufungsgerichts zur fehlenden Rechts- und Vermögens-nachfolge hinaus, dass das Berufungsgericht bei seinen Feststellungen zu §§ 306, 307 BGB a.F. in Verbindung mit § 139 BGB die erforderliche Ausle-gung der als einheitlich zu betrachtenden Verträge schlicht unterlassen hat. Je-denfalls aber hätte der Bundesgerichtshof insoweit zwingend die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulassen müssen, weshalb dem Kläger erneut sein Anspruch auf Justizgewährung ungerechtfertigt entzogen wurde.

1. Nach den vorstehenden Darlegungen ist dabei nachfolgend davon auszugehen,

dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH nicht Rechts- und Vermögens-nachfolgerin von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 geworden ist. Der Kläger hat sich in Bezug auf die von ihm begehrte Feststellung von Schadens-ersatzsatzsprüchen unter anderem darauf berufen, dass der Geschäftsanteils-kauf- und -abtretungsvertrag vom 18. September 1991, der Beitritts- und Än-derungsvertrag zu diesem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 27. September 1991 und die Vereinbarung vom 23./24. November 1992 nach § 306 BGB a.F. unwirksam seien und er daher zum Schadensersatz nach § 307

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

94

BGB a.F. berechtigt sei. 2. Das Berufungsgericht geht dabei zu Unrecht davon aus, dass die Verträge aus

September 1991 und November 1992 nicht nach § 306 BGB a. F. unwirksam sind. Vertragsgegenstand sollten vermeintlich nach § 1 Abs. 4, 11 Abs. 2 TreuhG umgewandelte Gesellschaften im Aufbau sein; da auf die zur Um-wandlung vorgesehenen Vermögensträger Aufbau-Verlag und Rütten & Loe-ning Verlag das TreuhG aber nicht anwendbar war und daher nach der ver-meintlichen Umwandlung und vor den Nachgründungsmaßnahmen vom Au-gust 1992 nur Scheingesellschaften existierten, ohne mit dem Vermögen der Verlage ausgestattet zu sein, und weder die Beklagte noch irgendein Dritter aufgrund der in § 20b Abs. 2 PartG DDR genannten Frist (7. Oktober 1989) hieran etwas ändern konnte, stellt sich der Vertrag als auf eine von vornherein objektiv unmögliche Leistung gerichtet dar. Nach Ablauf des gesetzlichen Stichtages 1. Juli 1990 (bis dahin kein Volkseigentum entstanden, damit waren die Umwandlungsvoraussetzungen nicht eingetreten) und wegen des über den 2. Oktober 1990 fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes (vgl. BGH, II ZR 124/10, II ZR 182/07, II ZR 213/06; Volkseigentum und Organisations-eigentum waren als Eigentumskategorien untergegangen) und wegen des fort-bestehenden Eigentums der Gesellschafter von Rütten & Loening konnten die Vertragsgegenstände (Kapitalgesellschaften i. A.) im Zeitpunkt des Abschlus-ses der Verträge vom September 1991 und November 1992 nicht (mehr) ent-stehen und von niemandem (mehr) übertragen werden. Das Berufungsgericht führt weiter aus: „Schadensersatzpflichtig ist derjenige Vertragspartner, der bei Vertragsschluss die Unmöglichkeit der Leistung im Sinne des § 306 BGB a. F. kennt oder kennen muss, d. h. aufgrund von Fahrlässigkeit nicht kennt (vgl. § 122 Abs. 2 BGB a. F.).

a) Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass § 306 BGB a.F. von

§ 437 BGB a.F. verdrängt wird, wenn das Bestehen des Rechts zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv möglich war (zur Anwendbarkeit des § 437 BGB a.F. auf den Unternehmenskauf vgl. BGH, Urt. v. 7.1.1970 – I ZR 99/68, NJW 1970, 556). § 306 BGB a.F. gilt hingegen, wenn der Bestand oder die Entstehung des Rechts zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aus rechtlichen Gründen unmöglich war (vgl. Putzo, in: Palandt, BGB, 59. Aufl., 2000, § 437 Rn. 1 mit Verweis auf RG 90, 240/244, Urt. v. 16.5.1917, V 30/17).

b) Das Berufungsgericht meint, § 306 BGB a. F. sei grundsätzlich auf den Er-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

95

werb von Mitgliedschaftsrechten an Gesellschaften mit beschränkter Haftung als eines sonstigen Rechts im Sinne des § 437 Abs. 1 BGB a. F. nicht anwend-bar und weicht damit von der hierzu seit mehr als hundert Jahren geltenden gesicherten Rechtsprechung ab, ohne hierfür auch nur eine Rechtsgrundlage heranzuziehen. Das aber ist schlicht willkürlich. Die Regelung in § 306 BGB a. F.: „Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig“, gilt für die von Anfang an aus Rechtsgründen entstandene objektive Unmöglich-keit der Übertragung eines Rechts und wird durch § 437 BGB a. F. nur dann verdrängt, wenn die fraglichen Rechte aus tatsächlichen Gründen nicht oder mangelhaft entstanden sind, eine Erfüllung aber grundsätzlich rechtlich und tatsächlich möglich wäre. Dass aus Rechtsgründen nicht existente Geschäfts-anteile wie die verkauften Anteile an den Gesellschaften im Aufbau ihrer Art nach entstehen und übertragen hätten werden können, wenn die Verlage durch die Übergabe-/Übernahmevereinbarung im März 1990 wirksam in Volksei-gentum überführt worden wären (BU 27 Abs. 6) ist eine Binsenweisheit (ähn-lich wie die Erklärung, ein Vertrag ist wirksam, wenn er aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht unwirksam ist), die nicht ausreicht, die Anwendung des § 306 BGB a. F. auszuschließen.

Die Ausführungen auch auf BU 27 f belegen nicht nur die juristische, sondern

auch die intellektuelle Unredlichkeit des Berufungsgerichts, das kein noch so fadenscheiniges Argument scheut, um die Klage irgendwie abzuweisen:

Die offensichtliche Tautologie, „diese Geschäftsanteile hätten ihrer Art nach

entstehen können, wenn die Verlage wirksam in Volkseigentum überführt worden waren“, besagt nur, dass die Geschäftsanteile entstanden wären, wenn kein tatsächliches (kein Volkseigentum) und in der Folge auch kein rechtliches Hindernis (rechtliche Unmöglichkeit der Umwandlung nach dem Treuhandge-setz zum Stichtag des 1. Juli 1990) vorgelegen hätte. In diesem Falle wäre aber der Vertrag erfüllt gewesen und es wäre deshalb nicht zum Rechtsstreit ge-kommen. Die Geschäftsanteile sind aber nicht entstanden und konnten aus mehreren Rechtsgründen ab dem 1. Juli 1990 und damit bis zum Vertrags-schluss oder auch danach nicht mehr entstehen. Damit ist, wie das Berufungs-gericht selbst darlegt, die vertraglich vereinbarte „Leistung von Anfang an unmöglich“ (BU 27) und folglich § 306 BGB a. F. anzuwenden.

Wenn das Berufungsgericht darauf abstellt, dass von der Anwendung des

§ 306 BGB a. F. nur solche Rechte betroffen sein können, die „ihrer Art nach“

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

96

– aus Rechtsgründen – gar nicht entstehen können, muss es sich die Frage ge-fallen lassen, welche „Art“ von Rechten das sein könnten, auf deren objektiv unmögliche Übertragung hin gelten soll. In § 307 Abs. 1 BGB a. F. ist gere-gelt: „Schadensersatzpflichtig ist derjenige Vertragspartner, der bei Schließung des Vertrages die Unmöglichkeit der Leistung i. S. d. § 306 BGB a. F. kennt oder kennen muß“, d. h. infolge von Fahrlässigkeit nicht kennt (vgl. § 122 Abs. 2 BGB a. F.). (BU, ebenda). Bei der Übertragung von Rechten, die noch nicht einmal „ihrer Art nach“ entstehen können – man denkt hier an das ius primae noctis oder an Teufelsaustreibungen –, ist jedoch anzunehmen, dass sie zugleich erkennbar rechts- und sittenwidrig oder unsinnig sind und sich beide Vertragspartner fahrlässig verhalten haben, weil die Unmöglichkeit der Lei-stung für beide offensichtlich war, so dass es einen Anspruch aus § 307 BGB nie geben könnte, wenn die Anwendbarkeit des § 306 BGB a. F. auf solche Rechte beschränkt wäre.

Dagegen ist gerade für die im vorliegenden Streitfall eingetretene Konstellati-

on, in der es sich um Geschäftsanteile handelt, die „ihrer Art nach“ entstehen konnten, aber – wie die Beklagte wusste oder wissen musste – im konkreten Fall aus Rechtsgründen nicht entstanden waren und auch nicht entstehen konn-ten, der Schutz der §§ 306, 307 BGB a. F. vorgesehen. Während der über hun-dert Jahre dauernden Geltung dieser Normen waren schon deshalb in der Rechtsprechung seit dem Reichsgericht nur solche Rechteübertragungen da-von betroffen, die sich auf die Übertragung von Rechten bezogen, die „ihrer Art nach“ als Geschäftsanteil, Hypothek, Urheber- oder Patentrecht grundsätz-lich hätten entstehen können, aber wegen fehlender, entfallener oder entgegen-stehender Rechtsgrundlage aus Rechtsgründen nicht entstanden waren und auch nicht mehr entstehen können.

So liegt es hier. aa) Der Vertrag vom 18. September 1991 war nicht darauf gerichtet, den Käufern

irgendwelche Anteile an Kapitalgesellschaften i. A., sondern die Geschäftsan-teile an der beim Amtsgericht Charlottenburg unter HRB 35 991 eingetragenen Aufbau-Verlag, GmbH im Aufbau und der unter HRB 37 765 eingetragenen Rütten & Loening, Berlin GmbH im Aufbau, jeweils entstanden durch Um-wandlung der ehemaligen VEB Aufbau Verlag und VEB Rütten & Loening zu übertragen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

97

bb) Wie unter IV. dargelegt, konnten der Aufbau Verlag und Rütten & Loening nicht aus VEBen umgewandelt werden, da sie über den 7. Oktober 1989 und den 1. Juli 1990 und den 2. Oktober 1990 hinaus entweder im Eigentum des Kulturbundes bzw. der Altgesellschafter oder (jedenfalls [noch]) im Parteiei-gentum standen. Insoweit ist zur Vermeidung von Wiederholungen insbeson-dere auf die obigen Ausführungen zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte meint, die SED hätte den OEB Aufbau-Verlag und den OEB Rütten & Loening durch die Übergabe-/Übernahmevereinbarung vom März / April 1990 in Volkseigentum überführt (Ss. v. 11.5.2009, S. 32/33 oben, GA II 32/33).

cc) Dies vorausgesetzt war eine Übertragung der Geschäftsanteile entgegen der

Annahme des Berufungsgerichts im September 1991 hier aus rechtlichen Gründen unmöglich, so dass § 306 BGB a. F. Anwendung findet. Die gegen-teilige Annahme verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG:

(1) Die Beklagte konnte den Käufern aus rechtlichen Gründen die Geschäftsantei-

le an den vertragsgegenständlichen Kapitalgesellschaften i.A. nicht übertragen, da diese nicht entstanden waren und sie selbst demgemäß auch nicht nach §§ 1, 11 TreuhG Inhaberin der Anteile geworden war, sondern es sich bei den in das Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragenen Gesell-schaftern nur um Scheingesellschaften handelte. Zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Käufer hätte auch die SED – unterstellt, sie wäre je deren Eigentümer gewesen – die Verlage nicht mehr in Volkseigentum übertragen können, wenn dies bisher noch nicht erfolgt war; dies gilt ebenfalls aus rechtlichen Gründen, nämlich wegen § 20b Abs. 1 PartG DDR, §§ 1 Abs. 4, 11 Abs. 2 TreuhG. Und schließlich ist ebenfalls aus rechtlichen Gründen zweifelhaft, ob die SED die Verlage mit einer (ohnehin ja aber unwirksamen) Übertragung im März / April 1990 zum 1. Januar 1990 in Volkseigentum überführen konnte, so dass die Beklagte hierüber in Form von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.A. nach dem TreuhG hätte nach §§ 1, 11 TreuhG frei hätte verfügen können, wenn zu-gleich das Vermögen der SED, wie es am 7. Oktober 1989 bestand (dann ja noch mit dem angeblich der SED gehörenden Aufbau-Verlag), unter treuhän-derischer Verwaltung der UK stand, § 20b Abs. 2, Abs. 3 PartG DDR (vgl. ebenfalls zuvor IV., § 20b Abs. 1 / § 20b Abs. 2 und 3 PartG DDR; im Übri-gen jedenfalls rechtliche Unwirksamkeit der Übergabe / Übernahme nach § 64 ZVG, vgl. IV.).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

98

(2) Dass solche Anteile an Kapitalgesellschaften i.A., die aus irgendwelchen an-deren tatsächlich früher im Volkseigentum befindlichen Unternehmen entstan-den waren, zu diesem Zeitpunkt existierten und übertragen werden konnten, reicht nicht aus, um die Anwendbarkeit der §§ 306,307 BGB a.F. im vorlie-genden Fall auszuschließen. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 306 BGB a.F. anstelle des § 437 BGB a.F. ist vielmehr, dass dies in Bezug auf die konkret vertragsgegenständlichen Gesellschaftsanteile aus Rechtsgründen ausgeschlossen war, weil diese mangels Anwendbarkeit des Treuhandgesetzes auf die Verlage nicht entstanden waren und auch nicht entstehen konnten.

(2.1) Die Rechtsprechung hat die Nichtigkeit von Verträgen über den Kauf von

Rechten wiederholt in den Fällen bejaht, in denen Rechte der verkauften Art grundsätzlich existieren konnten und lediglich die Entstehung des verkauften Rechts im konkreten Fall aus Rechtsgründen ausgeschlossen war. Entschei-dend dürfte dabei nämlich insgesamt allein darauf abzustellen sein, ob es nur dem Verkäufer oder auch jedem anderen unmöglich gewesen wäre, zum Zeit-punkt des Vertragsschlusses oder auch danach das konkret verkaufte Recht zu generieren. So liegt es hier, nachdem die Beklagte aus Rechtsgründen nicht in der Lage war, die nicht existierenden Geschäftsanteile an Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 als Kapitalgesellschaften i.A. zu übertragen, weil de-ren Entstehung wegen der Unanwendbarkeit des Treuhandgesetzes auf diese nicht in Volkseigentum befindlichen Verlage von vornherein ausgeschlossen war. Dies (Übertragung von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 als Ka-pitalgesellschaften i.A.) konnte demzufolge auch kein anderer bewirken; ins-besondere nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, als der Stichtag des Treuhandgesetzes bereits abgelaufen war und ohnehin kein Volkseigentum mehr existierte.

(2.2) Soweit das Berufungsgericht also im Ergebnis die Ansicht vertritt, dass bei

einem Geschäftsanteilsverkauf § 306 BGB a.F. nur dann eingreife, wenn Rechte der fraglichen Art überhaupt nicht existieren, während § 437 BGB a.F. gelte, wenn es um den Verkauf eines an sich möglichen, nur im konkreten Fall nicht existierenden Rechts gehe, erweist sich vor dem Hintergrund der Ent-scheidungen zu vergleichbaren Sachverhalten als in einer Weise rechtsfehler-haft, das dies nicht mehr nachvollzogen werden kann (vgl. RGZ 51, 92/94, Urt. v. 15.3.1902 – I 392/01 [Nichtigkeit eines Lizenzvertrages, soweit die Li-zenz sich auf einen Zeitraum bezog, in dem das fragliche Patent bereits ausge-laufen war]; RGZ 52, 417/422 f, Urt. v. 8.11.1902 – I 124/02 [Nichtigkeit ei-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

99

nes Aktienübertragungsvertrages, weil diese zum Zeitpunkt des Vertrags-schlusses noch nicht errichtet waren und deren Errichtung in der Zukunft we-gen eines zwischenzeitlich durchgeführten Kapitalerhöhungsbeschlusses aus-geschlossen war]; RGZ 68, 292/293 f, Urt. v. 8.4.1908 – I 323/07 [Verkauf ei-nes Gebrauchsmusters, dem bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Schutzbedürftigkeit fehlte]; in diesem Sinne auch RG, Urt. v. 3.4.1909 – V 375/08; Das Recht 1909, Nr. 1667; RG, Urt. v. 29.5.1918 – V 24/18, Das Recht 1918, Nr. 1126 [nichtiger Vertrag über die Abtretung einer Hypothek, weil diese zu dem Zeitpunkt, zu dem der Käufer das bereits länger zurücklie-gende Angebot des Verkäufers annahm, in der zwischenzeitlich durchgeführ-ten Zwangsversteigerung bereits ausgefallen war, so dass dem Käufer die ver-tragsgegenständliche Hypothek nicht mehr verschafft werden konnte]; ande-rerseits jedoch Klarstellung in RGZ 78, 10/12 f, Urt. v. 18.11.1911 – I 79/11 [ein Lizenzvertrag sei dann nicht nach § 306 BGB nichtig, wenn Patente später für nichtig erklärt werden, weil das für nichtig erklärte Patent in der Zeit bis zum Eintritt des Nichtigkeitsurteils bestanden und somit dem Käufer fakti-schen Schutz verschafft habe; 306 BGB greife aber demgegenüber dann, wenn ein Patent mit dem vereinbarten Schutzumfang, wie irrtümlich angenommen, nicht möglich sei, weil dessen vermeintlicher Gegenstand tatsächlich stets ge-meinfrei gewesen sei]; anknüpfend hieran haben etwa BGH, Urt. v. 28.9.1976 – X ZR 22/75, NJW 1977, 104 f und BGH, Urt. v. 27.6.1991 – I ZR 7/90, NJW 1992, 232/ 233 f die Nichtigkeit nach § 306 BGB verneint; vgl. zu weite-ren unterschiedlichen Ergebnissen in RGZ 80, 311/316, Urt. v. 2.11.192 – V 283/12; RGZ 92, 73/76 f, Urt. v. 19.1.1918 – V 243/17; RGZ 128, 241/245 f, Urt. v. 30.4.1930 – V 84/29; RGZ 163, 1/7 f., Urt. v. 11.7.1939 – I 4/39; BGH, Urt. v. 2.12.1958 – VIII ZR 167/58, WM 1959, 328/330; BGH, I ZR 51/58, Urt. v. 22.5.1959, GRUR 1960, 44).

(2.3) Auch wenn es sich bei der Regelung des § 306 BGB a.F. um seit längerem

ausgelaufenes Recht handelt, hätte der Bundesgerichtshof insoweit die Revisi-on zulassen müssen, weil der vorliegende Sachverhalt Anlass zur Klarstellung geboten hat, dass für die Anwendbarkeit des § 306 BGB a.F. anstelle des § 437 BGB a.F. maßgebend ist, dass die Übertragung in Bezug auf die konkret vertragsgegenständlichen Gesellschaftsanteile aus Rechtsgründen ausge-schlossen war, weil diese mangels Anwendbarkeit des Treuhandgesetzes auf die Verlage nicht entstanden waren und auch nicht entstehen konnten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine solche höchstrichterliche Entscheidung kann nach wie vor für die Zukunft richtungsweisend sein, weil noch längst nicht alle

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

100

Rechtsstreitigkeiten aus Privatisierungen durch die Treuhand rechtskräftig ab-geschlossen sind, die Frage der Anwendbarkeit des § 306 BGB a. F. nicht nur in diesen Verfahren, sondern auch sonst noch bei Verträgen über Rechte in ei-ner erheblichen Anzahl von Fällen eine Rolle spielen kann und die Frage daher jedenfalls derzeit und noch weiterhin von Bedeutung ist (vgl. hierzu BGH, Be-schl. v. 27.3.2003 – V ZR 291/02, WM 2003, 987).

c) Auch die Vereinbarung vom 24. November 1992 war damit aber entgegen

BU 28 Abs. 3 auf eine im Sinne des § 306 BGB a.F. objektiv unmögliche Lei-stung gerichtet. Auf Seite 5 Abs. 2 dieser Vereinbarung ist geregelt, dass der wesentliche Zweck des Vertrages zwischen den Parteien darauf gerichtet war, die Geschäftsanteilskaufverträge als auch den Grundstückskaufvertrag zu Gunsten der Treuhandanstalt durchzuführen und zu gewährleisten. Zur Ver-heimlichung der Formnichtigkeit der Verträge vom 18. und vom 27. Septem-ber 1991 und um die überschuldeten Verlage an die Käufer loszuwerden, wur-de unter Ziffer 9 die Abtretung der vermeintlichen Gesellschaftsanteile noch-mals wiederholt, wobei die Beklagte – ohne dies dem Kläger zu offenbaren – davon ausging, dass die früheren Verträge aus Formgründen nichtig waren und sie beabsichtigte, durch die erneute Abtretung – von allerdings aus Rechts-gründen nicht entstandenen Geschäftsanteilen – diesen Mangel der nur für sie günstigen Verträge unbemerkt vom Kläger zu heilen.

aa) In dem Vertrag vom 18. September 1991 hat die Beklagte unter anderem er-

klärt, dass der Aufbau-Verlag und Rütten & Loening, also die vermeintlich aus den Verlagen entstandenen Kapitalgesellschaften im Aufbau, bestimmte Ver-lagsrechte halten. Die Beklagte hat nach Ziffer 6 Abs. 4 des Vertrages vom 18. September 1991 die Haftung dafür übernommen, Inhaber des verkauften Ge-schäftsanteils zu sein. Die Käufer haben sich unter Ziffer 7.2 des Vertrages vom 18. September 1991 verpflichtet, Maßnahmen des als Anlage 3 beigefüg-ten Sanierungskonzeptes vorzunehmen. In diesem heißt es unter anderem:

„Der Verlag muß sich am internationalen Lizenzgeschäft beteili-gen: Er darf nicht nur offensiv Lizenzen verkaufen, er muß auch Lizenzen einkaufen, und, sofern Bestseller programmiert werden sollen, sich an Lizenzangeboten beteiligen.“ (Seite 3 Mitte)

„Finanzierungsquellen durch Verkauf von nicht betriebsnotwendi-gen Vermögens sind nicht vorhanden, also muß man sich auf den Gewinn aus der Buchproduktion und einer offensiven Lizenzpoli-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

101

tik konzentrieren.“ (Seite 4 unten) bb) Für die Beklagte war es objektiv unmöglich, die gegenseitigen Pflichten aus

den Verträgen vom September 1991 zu erfüllen, wozu sie sich aber in der Ver-einbarung vom 24. November 1992 verpflichtet hatte. Die Beklagte konnte sich nicht dazu verpflichten, den Vertrag durchzuführen, da sie bereits nicht in der Lage gewesen war, nicht existierende Gesellschaftsanteile sowie Dritten gehörende Verlagsrechte wirksam zu übertragen.

3. Danach waren die Verträge aus dem September 1991 und November 1992 auf

eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet, was die Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 307 BGB a.F. zur Folge hat. Nachdem das Berufungsge-richt insoweit keine Feststellungen trifft, ist zu Gunsten des Klägers sein dies-bezüglicher Vortrag zu unterstellen, nach dem die Beklagte Kenntnis von den die Unmöglichkeit im Sinne des § 306 BGB a.F. begründenden Umständen hatte und daher nach § 307 BGB a.F. zum Ersatz des negativen Interesses ver-pflichtet ist.

IV. Soweit das Berufungsgericht auf BU 28 Abs. 4 bis 38 Abs. 2 Ansprüche we-

gen Aufklärungs-, Hinweis- und Treuepflichtverletzungen verneint, verletzt das Gericht wiederholt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Bundesgerichtshof entzieht dem Kläger überdies ohne Rechtfertigung dessen Anspruch auf Justizgewährung, in dem es insoweit die Revision nicht zugelassen hat, obwohl sich das Berufungsurteil als eindeutig symptomatisch rechtsfehlerhaft in seiner Annahme erweist, ein kausaler Ver-mögensschaden wäre in Bezug auf Aufklärungspflichtverletzungen hinsicht-lich des Verdachts fortbestehenden Parteieigentums „allenfalls dann anzuneh-men, wenn sich die PDS fortbestehender Rechte berühmt oder Ansprüche ge-genüber dem Kläger bzw. den Käufern geltend gemacht hätte (gegen BU 29 Abs. 4).

1. Das Berufungsgericht unterscheidet zwischen

– Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen hinsichtlich des Vertrages aus dem Jahr 1991 und dort weiter zwischen dem Vorwurf, die Beklagte sei von

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

102

fortbestehendem Eigentum der SED/PDS ausgegangen und dem Vorwurf, die Beklagte habe es für zunehmend wahrscheinlich gehalten, dass der Kul-turbund noch Eigentümer des Verlages gewesen sei (BU 29 Abs. 3 bis 32 Abs. 1), sowie

– Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen hinsichtlich des Vertrages aus

dem Jahr 1992 (BU 32 Abs. 2 bis 34 Abs. 2) und

– Nachvertraglichen Aufklärungs- und Treuepflichtverletzungen (BU 34 Abs. 3 bis 38 Abs. 2),

ehe es Ansprüche aus § 826 BGB (BU 38 Abs. 4 bis 39 Abs. 4) und aus § 839

Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG (BU 39 Abs. 5 bis 40 Abs. 4,) verneint. Auch für die folgenden Ausführungen ist nach den bisheri-gen Darlegungen davon auszugehen, dass die Aufbau Liquidationsgesellschaft mbH nicht Rechts- und Vermögensnachfolgerin von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 geworden ist.

2. Insoweit ist das Bundesverfassungsgericht zunächst auf den Stand zu bringen,

was insoweit vorgetragen wurde: Der Kläger stützt seine Ansprüche auf Scha-densersatz jedenfalls im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte zunächst frühzeitig von über den 1. Juli 1990 hinaus fortbestehendem Eigentum der SED/PDS ausgegangen ist und zudem von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass das Eigentum am Aufbau Verlag nach wie vor beim Kulturbund liegen könnte. Auf diese Annahme (Eigentum PDS/SED) bzw. diesen Verdacht (Ei-gentum Kulturbund) und die insgesamt schwerwiegenden Zweifel habe die Beklagte die Käufer hinweisen oder zumindest die nur ihr bzw. der Unabhän-gigen Kommission zugänglichen Anknüpfungstatsachen offenlegen müssen, da in beiden Fällen nicht von einer wirksamen Übertragung und Abtretung des Geschäftsanteile ausgegangen werden konnte und sich daher die Frage nach den rechtlichen Weiterungen der fehlgeschlagenen Übertragung gestellt hätte. Die Beklagte meint dagegen im Wesentlichen, über vorläufige Ergebnisse hät-ten der Kläger und die Käufer nicht unterrichtet werden müssen.

a) Für die Frage der Aufklärungspflichtigkeit der bei der Beklagten und der UK

gewonnenen Erkenntnisse spielt dabei zunächst keine Rolle, ob diese von Par-teieigentum oder Eigentum des Kulturbundes ausging(en). Solange die Be-klagte daran zweifelte, ob sich die Verlage zum Stichtag 1. Juli 1990 in Volks-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

103

eigentum befunden hatten, hätte sie hierauf hinweisen müssen, da die Voraus-setzungen einer Umwandlung nach TreuhG damit in keinem Fall vorlagen. Der Kläger macht damit sowohl Ansprüche aus culpa in contrahendo wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Hinweispflichten geltend, als auch (vorsorglich) jedenfalls die Verletzung solcher nachvertraglichen Aufklärungs- und Treuepflichten. Das Verschweigen von Tatsachen begrün-det eine Haftung des Verkäufers, wenn der Käufer redlicher Weise unter Be-rücksichtigung der Verkehrsanschauung Aufklärung erwarten durfte; über ent-scheidungserhebliche Umstände hat der Verkäufer zu informieren, wesentliche Mängel der Kaufsache darf er nicht verschweigen und in Bezug auf besonders schwerwiegende Mängel muss er bereits einen dahingehend nur bestehenden Verdacht offenbaren (zu Letzterem BGH, Urt. v. 7.2.2003 - V ZR 25/02, NJW-RR 2003, 772/773, juris-Tz. 7 mwN zur Aufklärungspflicht eines schweren Verdachtes).

Hier hätte die Beklagte

– auf die konkreten Hinweise Ende 1990 / Anfang 1991 seitens des Bevoll-mächtigten des Kulturbundes, Herrn Dr. Glücksmanns, auf das Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag,

– auf die Ansicht der UK, dass der Aufbau Verlag noch in Parteieigentum

stand (so Ansicht im Oktober 1991) oder nie in Parteieigentum gestanden hatte (so Ansicht im Zuge der weiteren Nachforschungen ab dem 25. Juli 1991 [Anlage K 47] bis Dezember 1992) bzw. die dem zugrunde liegenden Ermittlungsergebnisse, die nur der UK und der Beklagten zugänglich waren und

– auf die Erkenntnisse der Beklagten in Vorbereitung der formellen Aufgabe

der Eigentumsberühmung durch die seinerzeit unter treuhänderischer Ver-waltung durch die Beklagte stehende SED/PDS am 22. Dezember 1992

hinweisen müssen, da (dadurch belegt) in beiden Fällen Zweifel daran auf-

kommen mussten, dass Aufbau 1945 in Volkseigentum gestanden hatte. Sol-che Bedenken oder zumindest die dem zugrunde liegenden Sachverhaltsinfor-mationen sind jedenfalls dann hinweispflichtig, wenn ein Informationsgefälle zwischen den Parteien besteht (vgl. Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 311 Rn. 107 mit Beispielen in Rn. 108 bis 111). Dies war hier der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

104

Fall, da die Ermittlungsergebnisse der Unabhängigen Kommission und die Er-kenntnisse der Beklagten den Käufern nicht zugänglich waren, insbesondere von diesen den Käufern und dem Kläger auch später nicht zugänglich gemacht wurden. Auch Bedenken gegen die Durchführbarkeit der und Gefahren für die Vertragsdurchführung sind aber aufklärungspflichtig (vgl. Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 311 Rn. 112 bis 115).

b) Die Beklagte hat nach Ansicht des Klägers ihre Zweifel an der Eigentümer-

stellung von SED/PDS im Zeitpunkt der angeblichen Überführung des Aufbau 1945 in Volkseigentum sowie die ihr insoweit in Zusammenarbeit mit der UK bekannt gewordenen Tatsachen, die für ein bei dem Kulturbund verbliebenes Eigentum an dem Aufbau Verlag 1945 sprachen, wiederholt verheimlicht, nämlich insbesondere

– gegenüber der Investorengruppe um die BFL und gegenüber dem Kläger als

Alleingesellschafter der BFL in Zusammenhang mit den bevorstehenden Vertragsabschlüssen vom 18. September und 27. September 1991,

– gegenüber den Vorgenannten bei den Vertragsabschlüssen und Beurkun-dungen in Berlin am 18. September 1991 und Frankfurt am 27. September 1991,

– gegenüber den Vorgenannten anlässlich der Übergabe der Verlage und der zeitgleich stattfindenden Durchsuchungen am 7. Oktober 1991,

– gegenüber den Vorgenannten in Zusammenhang mit den Gesprächen und Erklärungen zwischen dem 7. und 11. Oktober 1991, also bevor der Vor-stand der Beklagen den Verträgen vom 18. und 27. September 1991 seine Zustimmung erteilte,

– gegenüber den Vorgenannten in Zusammenhang mit der Übersendung der Zustimmungserklärung des Vorstands der Beklagten vom 11. Oktober 1991 (Erklärung vom 1. Oktober 1991, Versendung am 16. Oktober 1991, Zu-gang am 17. Oktober 1991),

– gegenüber den Gesellschaftern der Aufbau-Verlags GmbH nach den Verträ-gen vom September 1991 und vor den Vereinbarungen vom November 1992,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

105

– gegenüber den Gesellschaftern der Aufbau-Verlags GmbH und insbesonde-

re auch gegenüber dem Kläger bei Abschluss und Beurkundung der Verein-barung vom 24. November 1992,

– gegenüber den Gesellschaftern der Aufbau-Verlags GmbH nach den Ver-einbarungen vom November 1992,

– in Zusammenhang mit dem Auskunfts- und Hilfeersuchen der Aufbau-Verlags GmbH vom 29. Dezember 1993 (in Zusammenhang mit dem Rechtsstreit um die Rechte am Werk Carl von Ossietzky, LG Hamburg 243 O 624/93),

– sowie in den nach der telefonischen Mitteilung von Herrn Berger am 28. September 1994 (Anlage K 77: „vermögensleere Hülle“) geführten Ge-sprächen und im nachfolgenden Zivilverfahren sowie dem Verwaltungsver-fahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Kulturbundes.

Die Beklagte hat dem Kläger bzw. den Käufern insbesondere die Ereignisse

zwischen dem 7. und 11. Oktober 1991 sowie weiter überhaupt verheimlicht, dass umfassende Nachforschungen in Bezug auf die Eigentumslage eingeleitet wurden. Die Beklagte hat weiter nicht über das Schreiben der UK vom 6. September 1991 sowie die Mitteilungen des Direktorats Sondervermögen vom 5. Mai 1991 und vom 29. Oktober 1991 informiert, wonach die Verlage der treuhänderischen Verwaltung durch das Direktorat Sondervermögen unter-stehen (Anlagen K 46, K 44 und K 52). Auch die Erklärung der ja gerade unter treuhänderischen Verwaltung durch die Beklagte stehenden SED/PDS zur BARoV-Liste 1992 hat die Beklagte nicht bekannt gegeben. Das gleiche gilt für die konkreten Darlegungen zum Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag durch dessen Bevollmächtigten Ende 1990 / Anfang 1991. Schließlich hat die Beklagte die Erkenntnisse und weiteren Veranlassungen der Beklagten und der UK nach dem Abschlussvermerk der UK vom 10. Februar 1993 (An-lagen K 70 bis 73, Ss. v. 29.12.2009, S. 122 ff, GA I 121 ff) verheimlicht.

c) Die Beklagte hat zudem insbesondere auch in Zusammenhang mit dem

Auskunfts- und Hilfeersuchen vom 29. Dezember 1993 (Prozess um die Rech-te am Werk Carl von Ossietzky, LG Hamburg 243 O 624/93, Anlage K 74) keine Hinweise auf die zwischenzeitlich von der UK und der Treuhand ermit-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

106

telten Sachverhaltsinformationen und die auf dieser Grundlage vertretene Rechtsauffassung erteilt. Im Gegenteil hat sie vollkommen gegensätzlich zu dem Inhalt des Vermerks vom 11. Februar 1994 (Anlage K 75) über das Er-gebnis der Besprechung vom 9. Februar 1994 berichtet.

Nämlich intern:

„Es wurde dargelegt, dass der Aufbau Verlag ein organisations-eigener Betrieb im Eigentum des Kulturbundes gewesen sei und nicht im Eigentum der SED gestanden habe. (...) Ich habe klargestellt, dass die Wirksamkeit der Veräußerung des Aufbau Verlages nicht in Frage gestellt werden solle, sondern nur intern zwischen der Unabhängigen Kommission und der Treuhandanstalt entschieden werden müsse, ob aus der Veräußerung des Aufbau Verlages ein positiver Kaufpreis erzielt werden konnte, welcher dann dem Sondervermögen abgeführt werden müsse. (...) Es be-stand Einigkeit darüber, dass dies zur Folge habe, dass die Auf-bau Verlag GmbH, deren Geschäftsanteile veräußert wurden, ei-ne vermögenslose Hülle darstellt, da sie nicht gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG bzw. gem. § 7 Umwandlungs-VO Rechtsnachfolgerin in das Vermögen des OEB Aufbau Verlag werden konnte. (...)“ (An-lage K 75, S. 1, Besprechung Treuhand / UK, Vermerk vom 11.2.1994) (Hervorhebungen durch den Unterzeichner).

Dagegen nach außen gegenüber dem Aufbau Verlag 1990 und dem Kläger:

„Nach den Feststellungen der Unabhängigen Kommission stand der Aufbau-Verlag nicht im Eigentum der SED… Die Tatsache, dass sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhältnissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte, ändert nichts daran, dass es sich bereits im März 1990 nicht um Partei- sondern offensichtlich um Volkseigentum handelte.“ (Anlage K 76, Schreiben Treuhand an Aufbau-Verlag ebenfalls vom 11.2.1994) (Hervorhebungen durch den Unterzeichner).

Mit diesem Schreiben hat die Beklagte die bei der Aufbau-Verlag GmbH und

dem Kläger zunächst entstandenen Zweifel ausgeräumt und diese veranlasst, sich im Rahmen des Ossietzky-Verfahrens vor dem Landgericht Hamburg wi-derklagend ihrer Inhaberschaft am Vermögen des Aufbau-Verlages zu berüh-men.

d) Schließlich hat die Beklagte zur Entkräftung des Gutachtens von Herr Rechts-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

107

anwalt Schrader ein – angeblich – unabhängiges Rechtsgutachten vorgelegt, das ihre Auffassung stützte, dessen Ergebnis allerdings nach der Ansicht des Klägers nicht etwa von dem beauftragten – renommierten – Gutachter erstellt wurde, sondern wesentlich von der Beklagten selbst verfasst worden sei, nach-dem das ursprünglich erstellte Gutachten von Herrn Dr. Hohmann den Stand-punkt der Beklagten nicht gestützt habe (Ss. v. 29.12.2009, S. 144 bis 150, GA I 143 bis 149).

e) Weiter hat die UK nach der Darlegung des Klägers unter dem 9. Oktober 1995

(Anlage K 97) als Reaktion auf die Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 6. Oktober 1995 (Anlage K 95) und der Beklagten selbst vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 96) einen Vermerk verfasst, der die Brisanz der aktenkundigen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der UK in den Vorjahren als „sekretariatsinterne Rechtsmeinung“ und „unzutreffende Wür-digung des Abkommens vom 13. Dezember 1963“ relativieren sollte. Die Be-klagte hat diesen Vermerk in dem Verfahren vor dem Kammergericht (14 U 856/96, Urt. v. 5.5.1998, Anlage K 100) vorgelegt; das Kammergericht hat seine Entscheidung hierauf gestützt (Anlage K 100, S. 16 Abs. 1).

f) Zeitgleich haben die Behörden im Parallelkomplex zur Feststellung des Eigen-

tümers des Grundstücks Französische Straße 33 mit dem als Anlage K 92 vor-gelegten Vermerk der UK vom 4. Oktober 1995 versucht, eine ihnen günstige-re Aktenlage zu schaffen (Gesprächsnotiz UK Herr Berger: „Habe Herrn Heimburger auf Prozessrisiko Lunkewitz ./. BVS hingewiesen. Habe mit ihm vereinbart, dass ich nur zur Frage 1.) Stellung nehme (Eigentumserwerb 66) und die weiteren Fragen reine Rechtsfragen außerhalb der Zuständigkeit der UK sind. 1.) Herr Bennewitz z.K. 2.) Zum Vorgang BE 4/10“).

3. Das Berufungsgericht meint auf BU 29 Abs. 3 bis 32 Abs. 1, hinsichtlich des

Vertragsschlusses im Jahr 1991 könne der Kläger Ansprüche aus culpa in con-trahendo nicht geltend machen, weil

– es hinsichtlich des Vorwurfs, die Beklagte sei von fortbestehendem Eigen-

tum der SED/PDS ausgegangen bereits am Eintritt eines kausalen Schadens fehle, nachdem die Partei sich später keiner Rechte an dem Aufbau-Verlag berühmt habe und keine Ansprüche gegen die Käufer bzw. den Kläger gel-tend gemacht habe; aus den Anlagen K 44 (Aktenvermerk vom 5.5.1991 von Herrn Dr. Achim Schneider für die Treuhandanstalt dazu, dass die

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

108

Kaufpreisklausel für ungültig erklärt werden müsse), Anlage K 45 (Schrei-ben der UK vom 13.8.1991, Bedenken gegen die Wirksamkeit der Überfüh-rung in Volkseigentum), Anlage K 46 (Schreiben der UK vom 6.9.1991, Er-neute Ausführungen zur Unwirksamkeit unter Bezugnahme auf 64 ZGB) und Anlage K 52 (Schreiben der Treuhandanstalt vom 29.10.1991, ebenfalls zur Unwirksamkeit) könne der Kläger daher „nichts für sich herleiten“ (BU 29 Abs. 4 am Ende);

– der Kläger hinsichtlich des Vorwurfs, die Beklagte habe es für zunehmend wahrscheinlich gehalten, dass sich der Verlag in fortbestehendem Eigentum des Kulturbundes befunden habe, eine Aufklärungspflichtverletzung „nicht ansatzweise dargetan habe“ und es hierfür auf der Grundlage der herange-zogenen Dokumente keine hinreichenden Anhaltspunkte gebe (BU 29 Abs. 5 bis 31 Abs. 1, wobei sich das Berufungsgericht explizit zu Anlagen K 47 [Nachforschungsauftrag v. 25.7.1991], Anlage K 48 [Nachfrage vom 14.8.1991], Anlage K 53 [Aktennotiz vom 7.10.1991], Anlage K 46 [Schr. v. 6.9.1991]), Anlage K 52 [Schr. v. 29.10.1991], Anlage K 54 [Schr. v. 9.10.1991], Anlage B 21 [Vermerk v. 22.10.1991]) äußert,

– das klägerische Vorbringen, die UK habe der Beklagten anlässlich der Ge-spräche vom 9. Oktober 1991 ihr Wissen und die hohe Wahrscheinlichkeit des fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes am Aufbau-Verlag mitge-teilt, reine Spekulation und der Zeugenbeweis daher als prozessual unzuläs-sige Ausforschung nicht zu erheben sei (BU 32 Abs. 2) und

– der bloße Umstand, dass der Kulturbund bis Ende des Jahres 1989 jährliche Zahlungen erhalten habe, eine systemimmanente staatliche Finanzierungs-anordnung darstelle, die die Eigentumszuweisung an die SED nicht in Frage stelle (BU 31 Abs. 3 bis 32 Abs. 1).

4. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind freilich in einer Art und Wei-

se rechtsfehlerhaft, dass der Bundesgerichtshof deswegen auf die entsprechen-den Rügen (NZBB 87 unten ff.) zwingend die Revision hätte zulassen müssen. Dass er dies nicht getan hat, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, weshalb es den allgemeinen Justizgewährungsanspruch des Klägers verletzt und dabei zu-sätzlich Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

Zulassungsrelevant rechtsfehlerhaft sind die Ausführungen aus folgenden

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

109

Gründen: a) Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne aus den Anlagen K 44, K 45, K

46 und K 52 nichts für sich herleiten (BU 29 Abs. 4) und führt in anderem Zu-sammenhang auf BU 20 Abs. 2 unter Bezugnahme auf Anlage K 46 aus, dass die UK (Schreiben vom 6.9.1991) zu dem „vorläufigen“ Ergebnis gelangt war, dass die Verlage noch im Eigentum der Partei stünden. Das Wissen der UK ist der Beklagten zuzurechnen (was das Gericht in anderem Zusammen-hang auf BU 34 Abs. 7 offenlässt). Danach ist also auch nach dem Verständnis des Berufungsgerichts grundsätzlich davon auszugehen, dass die Beklagte – wie von dem Kläger vorgetragen – im fraglichen Zeitpunkt vor Abschluss der Verträge vom 18./27. September 1991 davon ausging, dass das Eigentum der SED/PDS fortbestand.

aa) Wenn das Berufungsgericht nun meint, ein Anspruch aus einer insoweit unter-

lassenen Aufklärung scheitere bereits am fehlenden Eintritt eines kausalen Vermögensschadens, da sich die PDS zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. nachfolgend keiner Rechte am Aufbau-Verlag berühmt und keine An-sprüche gegen den Kläger oder die Käufer geltend gemacht habe, beruht diese Auffassung eindeutig auf zulassungsrelevanten Rechtsfehlern.

bb) Der Kläger macht vorliegend Schadensersatzansprüche aus eigenem und abge-

tretenem Recht des Kulturbundes geltend. Der Schaden liegt in Bezug auf An-sprüche des Kulturbundes unter anderen darin, dass die Beklagte ihre Pflichten aus dem Treuhandverhältnis dadurch verletzt hat, dass sie dem Kulturbund Besitz und Eigentum am Aufbau-Verlag vorenthalten und das Branchendirek-torat Privatisierungen nicht von dem Vertragsschluss mit den Käufern und der Verlagsübergabe an die Käufer abgehalten hat. Zudem hat die Beklagte den Kulturbund dauerhaft über die Eigentumslage getäuscht.

Der (noch nicht bezifferbare) Schaden des Klägers ergibt sich unter anderem

in vergeblichem Aufwand für die Finanzierung des Verlages. Zudem stehen dem Kläger Ausgleichsansprüche wegen der Verletzung der Verlags- und Firmenrechte des Aufbau-Verlags zu.

cc) Das Berufungsgericht meint, die geltend gemachte Aufklärungspflichtverlet-

zung führe nicht zu einem Vermögensschaden, da die PDS keine Ansprüche gegen den Kläger oder die Käufer geltend gemacht habe und die PDS sich

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

110

keiner Rechte an dem Aufbau-Verlag berühmt habe. (1) Sofern im Wege der culpa in contrahendo die Rückabwicklung eines nachteil-

haften Vertrages begehrt wird, setzt dies einen Vermögensschaden voraus. Dieser tritt nicht automatisch mit der Eingehung des Vertrages ein, sondern bedingt, dass der Vertragsschluss für den Betroffenen unter Berücksichtigung der für die Schadensfeststellung allgemein anerkannten Grundsätze wirtschaft-lich nachteilig gewesen ist (BGH, Urt. v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302 ff, LS 1 und 2). Ob ein Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich grund-sätzlich nach der so genannten Differenzhypothese, also nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögens-lage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (BGH, Urt. v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302 ff, juris-Tz. 25 mwN). Auf den kon-kreten Fall bezogen bedeutet dies, dass die Gesamtvermögenslage, wie sie sich nach Abschluss der auf den Erwerb der Verlage Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 gerichteten Verträge darstellt, mit der Vermögenslage zu ver-gleichen ist, wie sie sich ohne diese Verträge entwickelt hätte. Zu einem Scha-den kommt man infolgedessen dann, wenn bei diesem Vergleich ein rechneri-sches Minus verbleibt, wenn also der Vertragsschluss wirtschaftlich nachteilig gewesen ist. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die erworbene Sache den Kaufpreis nicht wert ist oder wenn trotz Werthaltigkeit des Kaufgegen-standes die mit dem Vertrag verbundenen Verpflichtungen und sonstigen Nachteile durch die Vorteile nicht ausgeglichen werden (BGH, Urt. v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302 ff, juris-Tz. 25 mwN).

(2) Der Kläger hat vorgetragen, dass die Käufer Scheingesellschaften erworben

haben, aus denen infolge der vermeintlichen Nachgründungsmaßnahmen leere Hüllen in Form von fehlerhaften Gesellschaften wurden, die nachfolgend unter permanenter Verletzung von Urheber-, Markenrechten und Lizenzen als ver-meintlicher Aufbau-Verlag tätig waren, aber bereits in dem Ossietzky-Verfahren erstmals mit der Tatsache und vor allem dem Rechtsproblem kon-frontiert wurden, nicht Inhaber der Rechte und des Vermögens an Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 zu sein. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26. September 1997 (V ZR 29/96, NJW 1998, 302 ff, juris-Tz. 28) auch ausgesprochen, dass dann, wenn jemand durch ein haftungsbe-gründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wird, den er sonst nicht geschlossen hätte, er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Lei-stung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden kann,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

111

dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Insoweit bestehe eine Vergleichbarkeit zur strafrechtlichen Bewertung solcher Konstellationen im Rahmen des Betrugstatbestandes. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setze allerdings voraus, dass die durch den unerwünsch-ten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unver-nünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht. Die Ansicht des Berufungsgericht, das stark simplifizierend einen kausalen Vermögensschaden verneint, beruht danach auf einem voll-kommen symptomatisch rechtsfehlerhaften Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Es stellt allein darauf ab, ob die PDS Ansprüche ge-gen die Käufer geltend gemacht hat bzw. sich bestehender Rechte berühmt, was in Bezug auf Rütten & Loening ja durchaus der Fall war, vom Berufungs-gericht aber trotz des Junktims schlicht – unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Kernvortrag) – übergangen wird. Richtig wäre es gewesen, auf die Ver-kehrsanschauung abzustellen und auf die Frage, ob bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände der Vertrag über den Erwerb einer (Schein-)Gesellschaft durch den keine gesicherte Rechtsposition an dem ihr vermeint-lich gehörenden Verlag erlangt werden konnte unvernünftig, den Vermögens-interessen nicht angemessen und damit nachteilig ist, zumal die Beklagte oh-nehin außerstande war, den Käufern die Verlage, deren Erwerb mit den Ver-trägen angestrebt worden war, auf anderem Wege tatsächlich zu verschaffen. Dass dieser Vertragsschluss unvernünftig in Anbetracht der zweifelhaften Rechtesituation war, ist unbestreitbar und durch den weiteren Verlauf der Er-eignisse eindrücklich belegt. Damit beruht das Berufungsurteil auf einem ent-scheidungserheblichen zulassungsrelevanten symptomatischen Rechtsfehler und einer erneuten Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Ge-hör, so dass es der Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedurft hätte.

Unabhängig davon schloss der Umstand, dass die SED/PDS später keine

Rechte in Bezug auf den Aufbau-Verlag – bei Rütten & Loening war dies oh-nehin anders – geltend machte, einen Schaden des Klägers und der Käufer schon deshalb nicht aus, weil infolge der Nichtexistenz der vertragsgegen-ständlichen Gesellschaftsanteile eine Heilung der Formnichtigkeit der Verträ-ge gem. § 15 GmbHG wegen Nichtbeurkundung der Anlagen, die das Ober-landesgericht Frankfurt am Main in anderem Zusammenhang rechtsfehlerhaft

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

112

unterstellt, nicht in Betracht kam, so dass alle Verträge auch wegen der Unan-wendbarkeit des TreuhG auf die nicht volkseigenen Verlage letztlich form-nichtig blieben. Das Berufungsgericht übergeht zudem, dass die PDS deshalb keine Rechte geltend gemacht hatte, weil sie selbst längst erkannt und auch der Beklagten und anschließend auch dem Vermögensamt mitgeteilt hatte, dass sie nie Eigentümerin des Aufbau-Verlages gewesen war und ihn daher nicht wirk-sam in Volkseigentum übertragen konnte, weshalb eine Aufbau-Verlag GmbH i. A. zum 1. Juli 1990 und erst recht später nicht entstehen konnte, was die Be-klagte jedoch dem Kläger systematisch verheimlichte. Dagegen machte aber, wie detailliert und beweisbewehrt vorgetragen, der Kulturbund e. V., nachdem er seinen Irrtum hinsichtlich der vermeintlichen Enteignung durch die Eintra-gung in das Register C der volkseigenen Wirtschaft erkannt hatte, durchaus seine fortbestehenden Rechte geltend, was schon daraus erhellt, dass er sie und auch die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an den Kläger verkauf-te.

Der Vermögensschaden des Klägers besteht jedoch unabhängig davon bereits

darin, dass die Aufbau-Verlag GmbH i. A. mangels Verfügungsmacht der SED i. V. m. der nur der Beklagten bekannten Unwirksamkeit des Übernah-me/Übergabeprotokolls nie entstanden und folglich auch nicht Rechtsnachfol-ger des Aufbau-Verlages der DDR war, er aber auf Veranlassung der Beklag-ten den Kaufpreis an die Beklagte zahlte und dann über lange Jahre die BFL-Beteiligungsgesellschaft finanzierte, die wiederum die vermögenslosen GmbHen mit Gesellschafterdarlehen ausstattete. Wie von Herrn Direktor Dre-her von der Beklagten angedroht, führte dies zu einer jahrelangen Unsicherheit über die Eigentumsverhältnisse, die im Grunde noch heute von der Beklagten – wider besseres Wissen – aufrechterhalten wird.

(3) Dass das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangt, der

Vertrag habe nicht zu einem kausalen Vermögensschaden geführt, lässt sich im Weiteren letztlich nur damit erklären, dass es den Rechtsgedanken der so genannten Entwehrungshaftung des § 440 Abs. 2 BGB a.F. zur Anwendung bringt. Diese Regelung (ohnehin mit Geltung nur für bewegliche Sachen) ist aber auf einen Anspruch aus culpa in contrahendo schlicht nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2011 – V ZR 394/99, NJW 2001, 2875 ff). Alles andere ist rechtlich unvertretbar.

cc) Hinsichtlich des Vorwurfs von Aufklärungs- und Hinweispflichtverletzungen,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

113

weil die Beklagte von fortbestehendem Eigentum der SED/PDS ausgegangen ist, hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Vermögensschaden verneint. Das Berufungsurteil beruht nämlich auch insoweit auf Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Berufungsgericht meint, der Kläger könne aus den Anlagen K 44 bis K 46 und K 52 nichts herleiten, und erweist sich zudem in seinem Verständnis eines kausalen Vermögensschadens bei Ansprüchen aus culpa in contrahendo als symptomatisch rechtsfehlerhaft, weshalb der Bundes-gerichtshof die Revision hätte zulassen müssen und den klägerischen An-spruch auf Justizgewährung widerrechtlich entzieht.

dd) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht, wäre es nicht von ei-

nem falschen Verständnis zum kausalen Vermögensschaden ausgegangen, den Vortrag des Klägers zu Grunde gelegt hätte, dass die Beklagte seit Mai 1991 davon ausging, die SED/PDS habe ihr (behauptetes) Eigentum an Aufbau 1945 nicht wirksam in Volkseigentum überführt und der Aufbau-Verlag habe daher vor einem etwaigen Verkauf von der UK freigegeben werden müssen. Auch die UK ist nach dem Vortrag des Klägers im September 1991 davon ausgegangen, dass sich die Verlage noch im Eigentum der PDS befänden.

ee) Dann aber wären die Verlage nicht nach §§ 1, 11 TreuhG auf die Beklagte

übergegangen, da das nichtstaatliche Eigentum dem Anwendungsbereich des TreuhG entzogen war. Dies konnte nach dem 1. Juli 1990 auch nicht mehr nachgeholt werden. Zustimmungen nach § 20b PartG DDR wurden nicht er-teilt. Das förmliche Feststellungsverfahren der UK – Zustimmung durch Ertei-lung des Einvernehmens – war nicht durchgeführt worden. Die Zustimmung der Treuhandanstalt – Direktorat Sondervermögen – nach § 20 b (1) PartG-DDR wurde ebenfalls nicht erteilt, zumal diese über den Aufbau-Verlag ohne-hin nur hätte verfügen dürfen, wenn dieser in rechtsstaatswidriger Weise er-worben worden wäre, worüber es keine Informationen gab. Danach hätte die Beklagte gewusst bzw. hätte ihr klar sein müssen, dass eine Privatisierung von Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844 bzw. deren Rechtsnachfolgern nach TreuhG nicht möglich sein würde. Hierüber freilich hätte sie die Käufer (und damit auch den Kläger) aufklären müssen.

b) Das Berufungsgericht meint auf BU 29 Abs. 5 bis 31 Abs. 1, der Kläger habe

eine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich des Vorwurfs, die Beklagte ha-be es für zunehmend wahrscheinlich gehalten, dass der Verlag in fortbeste-hendem Eigentum des Kulturbundes stand, nicht ansatzweise nachvollziehbar

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

114

dargetan. Für eine derartige Annahme bestünden auf der Grundlage der von ihm herangezogenen Dokumente keine hinreichenden Anhaltspunkte (BU 29 Abs. 5, 20 Abs. 1). Aber auch damit verletzt das Berufungsgericht das rechtli-che Gehör des Klägers:

aa) Der Kläger hat vorgetragen, dass sich aus dem ersten Nachforschungsauftrag

der UK vom 25. Juli 1991 (Anlage K 47) über die Nachfrage vom 14. August 1991 (Anlage K 48) und aus den zwischen dem 7. und 11. Oktober 1991 ge-führten Gespräche zwischen UK und Treuhandanstalt mit der Vereinbarung, nochmals weitere Nachforschungen anzustellen (wozu die Beklagte der UK umfassende Unterlagen übergab, Anlagen K 53 bis K 56; Ss. v. 29.12.2009, S. 72 ff, GA I 72 ff sowie Beweisangebot Zeugnis Molinari, von Laer, Hingst auf S. 73 Mitte, S. 76 Mitte, BU 31 Abs. 2), die Annahme seitens der Beklagten bzw. dieser zurechenbar seitens der UK ergab, dass das Eigentum an dem Ver-lag beim Kulturbund fortbestand. Als Ergebnis der Nachforschungen habe als-dann ab Dezember 1992, spätestens ab März 1993 bei der UK festgestanden, dass das Eigentum des Kulturbundes am Aufbau-Verlag fortbestanden habe (Anlagen K 68 bis K 71, sowie insbesondere Abschlussvermerk vom 10. Fe-bruar 1993, Anlage K 70). Die unter treuhänderischer Verwaltung der Beklag-ten (!) stehende SED/PDS hat jedenfalls bereits 1992 zur BARoV-Liste er-klärt, Ansprüche auf den Aufbau-Verlag nicht erheben zu können (Anlage K 70). Der Kläger hat ausgeführt, dass sich die Beklagte und die UK in Bezug auf die Fragestellungen zur Eigentumsproblematik ständig abgestimmt und gegenseitig informiert haben (Ss. v. 29.12.2009, S. 72 ff, GA I 72 ff sowie Beweisangebot Zeugnis Molinari, von Laer, Hingst auf S. 73 Mitte, S. 76 Mit-te, BU 31 Abs. 2). Dies gilt in besonderem Maße für die Gespräche zwischen UK und der Beklagten Anfang Oktober 1991 und die hierzu dokumentierten Erkenntnisse zwischen 7. und 22. Oktober 1991 (Anlagen K 53, K 54, K 55, K 43 und B 21), nämlich:

– Am 7. Oktober 1991 vereinbarte die Beklagte demnach mit der UK, dass die

Veräußerung nunmehr unter den Vorbehalt der Zustimmung der UK gestellt und dass die Beklagte der UK umfassende Unterlagen über den Aufbau Ver-lag zur Verfügung stellen werde (Anlage K 53; ebenfalls am 7. Oktober 1991 erfolgte im Übrigen die Übergabe der Verlage an die Käufer und die Hausdurchsuchung dort).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

115

– Am 9. Oktober 1991 bat die Beklagte durch Herrn Molinari die UK unter Hinweis auf weitere Gespräche mit den Herren Hingst und von Laer formell um Zustimmung zu den Verträgen vom September 1991 (Anlage K 54). Damit gesteht die Beklagte ihre fehlende Verfügungsbefugnis über die Ver-lage ein.

– Am 10. Oktober 1991 fertigte Herr Hingst einen Aktenvermerk (Anlage K 55), der eine Rücksprache bei den Wirtschaftsprüfern von Arthur Andersen, Frau Schröder belegt (hierzu auch Anlage B 21, S. 6 Abs. 3 „Auch Arthur Andersen vermag den entscheidenden Teil seiner pauschalen Ausführungen [...] weder im Bericht selbst noch auf Nachfrage bei [vom 10. Oktober 1991 / Frau Schröder] durch konkrete Umstände zu ergänzen, die über die Exi-stenz des Übernahme-/Übergabeprotokolls und die eigene Einschätzung der Partei [...] hinausgehen.“). Diese hatte ergeben, dass die Annahme, Aufbau Verlag sei Parteieigentum gewesen, allein auf der Existenz des Überfüh-rungsprotokolls beruhe und – wohl – auf entsprechenden mündlichen Äuße-rungen der Herren Würzberger und Pelikan. Weiter ist vermerkt, dass man bei den Herren noch einmal gezielt nachfragen wolle.

– Gleichzeitig weist Herr Hingst auf die Restitutionsansprüche des Kultur-

bunds hin (wegen vermeintlicher Enteignung durch Registereintragung), die nahelegen, dass der Kulturbund noch immer Eigentümer des Aufbau-Verlages sein könnte.

– All dies geschah vor Zugang der Erteilung der Zustimmungserklärung des Vorstands der Beklagten am 17. Oktober 1991 bei dem beurkundenden No-tar.

bb) Das Berufungsgericht erwähnt auf BU 30 Abs. 2, 31 Abs. 1 zwar durchaus die

einschlägigen vorgelegten Dokumente; es tut dies allerdings mit einer ent-scheidungserheblichen Auslassung: Es findet sich kein Wort zu Anlage K 55, dem Vermerk von Herrn Hingst, der erstmals die entlarvende Formulierung enthält: „Die Annahme, Aufbau Verlag sei Parteieigentum gewesen, beruht al-lein auf der Existenz der Überführungsprotokolle“, woraus sich ergibt, dass al-le anderen von der Beklagten der UK vorgelegten Dokumente „auch zur Ent-wicklung der Verlage selbst“ das Eigentum der SED zumindest nicht bestätig-ten und zudem den Beginn der weiteren Nachforschungen hinsichtlich eines fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes (auch durch Einschaltung der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

116

Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen / Frau Schröder) markiert. (1) Das Berufungsgericht bezieht damit gerade denjenigen Vermerk nicht in seine

Würdigung ein, der dem Befund (keine Aufklärungspflicht, weil ein entspre-chender Verdacht nicht bestand) entgegenstehen würde. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat und nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BGHZ 154, 288/300 mwN; zuletzt etwa Beschl. v. 24.5.2007 – V ZR 251/06, dokumentiert in juris, Tz. 3 m.w.N.). Wird also – wie hier – Art. 103 Abs. 1 GG gerügt, das Gericht habe Parteivorbringen übergangen, müssen besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Diese besonderen Umstände liegen hier aber ersichtlich darin begründet, dass das Berufungsgericht bei seiner Argumentation ausgerechnet ein Dokument übergeht, das sich mit seiner Auffassung nicht vereinbaren ließe und insbe-sondere der Behauptung auf BU 30 Abs. 1 entgegensteht, für die Annahme des Klägers bestünde auf Grundlage der von diesem herangezogenen Dokumente kein hinreichender Anhaltspunkt: Das ist nur dann richtig, wenn man die An-lage K 55 und ihren weiteren „Werdegang“ in den Vermerken vom 22. Okto-ber 1991 (B 21) und vor allem vom 29. Dezember 1992 (Anlage K 71) aus-blendet. Ab dem 10. Oktober 1991 „ermittelte“ die UK, ob der Aufbau Verlag tatsächlich (je) in Parteieigentum gestanden hat; diese Ermittlungstätigkeit hat die Beklagte nicht offenbart. Da nicht auszuschließen ist, dass die berufungs-gerichtliche Würdigung abweichend und damit zu Gunsten des Klägers ausge-fallen wäre, wenn das Gericht auch Inhalt und Initialwirkung des Vermerks vom 10. Oktober 1991 (Anlage K 55) zur Kenntnis genommen und erwogen hätte, beruht das Urteil auf dieser Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.

(2) Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Frage der Kenntnisse der Beklagten

und der UK im streitgegenständlichen Zeitraum, abgeleitet aus den dokumen-tierten Vermerken, um einen Indizienbeweis handelt. Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich auch darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzel-nen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Das Revisionsgericht hat seine Würdigung jedoch daraufhin zu überprüfen, ob es den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urt. v.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

117

22.1.1991 – VI ZR 97/90, VersR 1991, 566; BGH, Urt. v. 22.11.2006 – IV ZR 21/05, NJW-RR 2007, 312 ff, Tz. 11 und 18). Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen. Daran fehlt es hier, nachdem das Gericht die für und gegen eine Kenntnis der Beklagten bzw. der UK im streitgegenständli-chen Zeitraum sprechenden Indizien nicht in ihrer Gesamtheit würdigt und abwägt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung beruht letztlich nur auf der Prüfung einzelner Umstände und genügt den Anforderun-gen an die Würdigung im Rahmen eines Indizienbeweises nicht ansatzweise. Die offensichtlichen Auslassungen von Indizien, welche die Argumentation des Berufungsgerichts zu Fall gebracht hätten, belegt dabei überdies, dass das Berufungsgericht hier sachfremde Erwägungen angestellt hat (zusätzliche Rü-ge aus Art. 3 Abs. 1 GG).

c) Damit liegt aber auch in der berufungsgerichtliche Würdigung auf BU 31

Abs. 2 ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, wobei die Behauptung, es sei dem Beweisangebot Zeugnis der Herren Molinari, Hingst und Laer nicht nachzugehen, weil dies auf eine prozessual unzulässige Ausfor-schung hinausliefe, nicht nachvollziehbar und allein aus dem fehlenden Aus-einandersetzung mit Anlage K 55 (Vermerk vom 10.10.1991) zu erklären ist.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht davon ausgegan-

gen werden, dass bei der Beklagten und der UK seinerzeit nur von vorherigem Volkseigentum ausgegangen und eine Eigentümerstellung des Kulturbundes überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Es lässt sich zwar nicht bestreiten, dass die Vermerke vom 25. Juli 1991 (Anlage K 47) und vom 14. August 1991 (Anlage K 48) isoliert betrachtet nicht ausdrücklich erkennen lassen mögen, dass die Beklagte oder die UK davon ausgingen, der Aufbau Verlag habe bis zur Wiedervereinigung im Eigentum des Kulturbundes gestanden (wobei das Berufungsgericht übergeht, dass diese Nachforschungen von dem nicht für das Parteieigentum, sondern das Eigentum anderer gesellschaftlicher Organisatio-nen zuständigen Referat PV1 im Sekretariat der UK veranlasst wurden und der dort für den Kulturbund zuständige Herr Berger stets einbezogen wurde, vgl. Ss. v. 11.4.2014, S. 8 ff, GA IX 2311 ff). Gleichwohl erkannte die UK – und teilte in diesen Vermerken der Beklagten mit – dass der Kulturbund ursprüng-licher Eigentümer des Aufbau-Verlages war, die Gewinne erhalten hatte und eine eventuelle Eigentumsübertragung an die SED oder das Volkseigentum je-denfalls nicht dokumentiert oder sonst bekannt war. Da die Überprüfung sol-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

118

cher Eigentumsentwicklungen die Kernaufgabe der UK war, musste sie diese Unklarheiten durch weitere Nachforschungen auszuräumen und ihre Erkennt-nisse der Beklagten mitzuteilen, was sie auch getan hat. Aus der im Indikativ gehaltenen Formulierung im zweiten Nachforschungsauftrag ist ersichtlich, dass die UK bis dahin ermittelt hatte, dass die Verlagsgewinne dem Kultur-bund zugeflossen waren. Dies sprach vor dem Hintergrund der Anfang 1991 von Herrn Dr. Glücksmann an die Beklagte übermittelten Informationen, die zum Teil die Antworten auf die Nachforschungsaufträge insbesondere in Be-zug auf die Gewinnabführungen an den Kulturbund vorwegnahmen (vgl. Ss. v. 11.4.2014, S. 14 bis 16, GA IX 2317 bis 2319), die vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main aber ebenfalls völlig außer Acht gelassen werden, für des-sen fortbestehendes Eigentum. Die bloße Frage nach Gewinnausschüttungen an den Kulturbund impliziert jedenfalls das Bewusstsein, dass der Kulturbund zumindest zeitweise Eigentümer des Aufbau-Verlages gewesen ist.

bb) Das Berufungsgericht nimmt aber den von dem Kläger vorgelegten Vermerk

Anlage K 55 und den hierzu gehaltenen Vortrag auch in diesem Zusammen-hang nicht zur Kenntnis und verstößt damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Aus diesem Vermerk vom 10. Oktober 1991 zusammen mit dem Vermerk vom 7. Oktober 1991 (Anlage K 53) wird deutlich, dass die UK weitere Nachfor-schungen über die Eigentumslage für notwendig erachtete und die Beklagte ihr dazu umfassend Unterlagen über die Entwicklung der Verlage zur Verfügung stellen sollte. Nach ihrer Auffassung war also gerade auch nicht geklärt, ob der Aufbau Verlag in Parteieigentum gestanden hatte; auch der Vermerk vom 22. Oktober 1991 (Anlage B 21) enthält auf Seite 7 Mitte unter Ziffer 2 Vorschlä-ge für weitere Ermittlungen in Bezug auf die Parteizugehörigkeit des Verlages (deren Ergebnis sich schließlich recht eindrucksvoll in dem Vermerk vom 29.12.1993, Anlage K 71 findet, wobei das Berufungsgericht insoweit auch den Vorlageantrag des Klägers zu der „anliegenden Vereinbarung“ mit Herrn Lange, §§ 142, 421 ZPO geflissentlich übergeht).

cc) Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe weder eine ausreichende Tatsa-

chengrundlage für die Annahme positiven Wissens der Beklagten vom fortbe-stehenden Eigentum des Kulturbundes dargetan noch hinreichende Anhalts-punkte dafür aufgezeigt, dass sich den zuständigen Mitarbeitern der Gedanke fortbestehenden Eigentums hätte aufdrängen müssen. Das klägerische Vor-bringen stelle reine Spekulation dar, so dass dem Beweisangebot Zeugnis der Herren Molinari, Hingst und Laer als unzulässiger Ausforschung nicht nach-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

119

zugehen sei. (1) Der Kläger hat dargetan, dass die Beklagte aufgrund der ihr von Herrn

Dr. Glücksmann bereits Ende 1990 / Anfang 1991 übermittelten Informationen in Verbindung mit dem vorliegenden Restitutionsantrag des Kulturbundes we-gen „Enteignung durch Registereintragung“, (was für eine Fachbehörde ohne weiteres als Irrtum erkennbar war und auch sofort erkannt wurde) und der Ge-spräche mit der UK von der bestehenden Wahrscheinlichkeit fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes ausgehen musste. Damit bestanden erhebliche Gefahren hinsichtlich der Durchführbarkeit des Vertrages; solche Bedenken sind aufklärungspflichtig (vgl. Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 5. Aufl. § 311 Rn. 112 bis 115). Der Kläger hat sich dabei insbesondere auch auf Anlage K 55 gestützt, aus der sich die Zweifel der UK und ihre Nachforschungstätig-keit ersehen lassen, die schließlich durch die späteren Vermerke vom 22. Ok-tober 1991 und vom 29. Dezember 1992 belegt werden.

(2) Dem Klägervortrag ist also klar die Behauptung zu entnehmen, die Beklagte

habe spätestens durch die Gespräche mit Herrn Dr. Glücksmann und der UK Kenntnis davon gehabt, dass auch ein fortbestehendes Eigentum des Kultur-bundes wahrscheinlich war und diese Information nicht an den Kläger und die Käufer weitergeleitet, obgleich der Vertragszweck in diesem Fall massiv ge-fährdet war. Damit wird die entscheidungserhebliche Tatsache – Aufklärungs-pflichtverletzung – unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags ge-macht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10 – BGHZ 193, 159 Rn. 39). Ledig-lich dann, wenn ein unzulässiger Ausforschungsbeweis vorliegt, also eine Pro-zesspartei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt, darf die beantragte Vernehmung des Anlegers unterbleiben (vgl. BGH, aaO, Rn. 40).

(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger eine solche Be-

hauptung "ins Blaue hinein" nicht aufgestellt. Der Kläger hat behauptet, dass zwischen den Herren Molinari, Hingst und Laer spätestens im Oktober 1991 die Wahrscheinlichkeit fortbestehenden Eigentums des Kulturbundes themati-siert und so ernst genommen wurde, dass weitere Nachforschungen erfolgen

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

120

sollten und auch eingeleitet wurden. Bereits dies genügt als ausreichender An-haltspunkte dafür, dass eine Aufklärungspflichtverletzung durch die Nichtin-formation des Klägers und der Käufer vorlag. Allemal muss eine unzulässige Ausforschung verneint werden, wenn man die von dem Kläger herangezogene Anlage K 55 (Vermerk vom 10.10.1991) berücksichtigt, die sein Vorbringen stützt. Das Berufungsgericht war daher eindeutig verpflichtet, die Herren Mo-linari, Hingst und Laer als Direktbeweis zu vernehmen. Dadurch, dass es dies nicht getan hat, verletzt es Art. 103 Abs. 1 GG.

dd) Insoweit gilt zusätzlich, dass das Berufungsgericht auch diese Indizien (Anla-

ge K 55 und in ihrer Folge das Ergebnis der Nachforschungen, insbesondere auch die Äußerung Anlage K 71) nicht in seine Erwägungen einbezogen hat, noch findet sich gar eine Gesamtschau der vorgetragenen Indizien. Die vom Berufungsgericht vorgenommene, letztlich auf die Prüfung einzelner Umstän-de beschränkte Beweiswürdigung, die zudem sämtlich nur Dokumente betrifft, die das Gericht gezielt einseitig zu Gunsten der Beklagten würdigt, genügt nicht ansatzweise den Anforderungen an Art. 103 Abs. 1 GG im Rahmen eines Indizienbeweises.

d) Wenn das Berufungsgericht schließlich meint, ein positives Wissen der Be-

klagten oder ein Fürmöglichhalten fortbestehenden Eigentums des Kulturbun-des aufgrund der bis 1989 erfolgten jährlichen Zahlungen sei nicht anzuneh-men, da die systemimmanente staatliche Finanzierungsanordnung die Eigen-tumszuweisung zur SED nicht in Frage stelle (BU 31 Abs. 3, 32 Abs. 1), über-geht das Gericht die Ausführungen des Klägers zu den Hintergründen der pau-schalierten Gewinnzuweisungen seit 1971, die seit damals auf eigenen Wunsch des Kulturbundes vom Ministerium für Kultur bzw. der Hauptverwal-tung Verlag aus den aufgelaufenen Gewinnen veranlasst wurden und deren abweichenden Behandlung von sonstigen Zahlungen des Ministeriums der Fi-nanzen. (hierzu Ss. v. 29.8.2013, S. 40 ff, GA VIII 2077 ff, Anlage BK 40 bis BK 48). Der Kläger hat dargelegt, dass es sich hierbei gerade nicht um staatli-che Zuweisungen handelte, da staatliche Zuweisungen (über das Ministerium der Finanzen) und Gewinnabführungen (der HV Verlage) jeweils separat ge-zahlt und verbucht wurden (vgl. Ss. v. 29.8.2013, S. 44, 45, GA VIII 2081, 2082). Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts erfolgen unter Ver-stoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, da mit ihnen Kernvortrag des Klägers über-gangen wird.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

121

4. Das Berufungsgericht meint auf BU 32 Abs. 2 bis 34 Abs. 2, hinsichtlich des Vertragsschlusses im Jahr 1992 könne der Kläger, der auf Verlangen der Be-klagten Vertragspartei wurde und die persönliche Haftung für die Erfüllung der Verträge vom 18. September 1991, 27. September 1991 und vom 23./24. November 1992 durch die Fortsetzung ihrer Verlagstätigkeit übernehmen musste, Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht geltend machen, weil es auch insoweit an kausalen Pflichtverletzungen für einen etwaigen Schaden des Klägers fehle und auch insoweit Aufklärungspflichtverletzungen der Beklag-ten nicht festzustellen seien. In Bezug auf die Verfahrensgrundrechte des Klä-gers verletzende Ansicht des Berufungsgerichts dazu, dass es an schadenskau-salen Pflichtverletzungen fehle, sei auf vorstehende Ausführungen unter C. IV. 3. verwiesen.

Im Übrigen ist dem Berufungsgericht aber erneut der Vorwurf aus Art. 103

Abs. 1 und Art 3 Abs. 1 GG zu machen, da es bei seinen Ausführungen auf BU 33 Abs. 2 übergeht, dass die Freistellungvereinbarung vom 24. Juni 1992 (Anlage K 64), auf die es sich hier maßgeblich stützt, durch den Vertrag vom 24. November 1992 (Anlage K 10, Nr. 10) wieder aufgehoben wurde, so dass in Bezug auf Ansprüche von Autoren gerade keine Freistellung erfolgte (gegen BU 33 Abs. 2, Art. 103 Abs. 1 GG, vollkommen unvollständige Würdigung des Tatsachenstoffes). Darüber hinaus übergeht das Berufungsgericht in die-sem Zusammenhang, dass die im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungs-ausschlussklauseln der Geltendmachung von Ansprüchen durch die Käufer gemäß § 443 BGB a.F. nicht entgegengestanden hätten, wenn die Käufer von der Bösgläubigkeit bzw. Arglist der Beklagten gewusst hätten. Tatsächlich gingen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, an die Verträge von September 1991 gebunden zu sein, und haben sich deshalb auf die Konditionen des Ver-gleichs eingelassen.

a) Die Beklagte hat den Investoren und dem Kläger, der dem Vertrag vom

24. November 1992 beitreten und die Haftung übernehmen musste, vor Ab-schluss der Vereinbarung vom 24. November 1992 verschwiegen, dass die UK und sie sich nicht sicher waren, ob der Aufbau Verlag 1945 je im Volkseigen-tum gestanden hat. Unweigerlich wäre dadurch die Frage aufgeworfen gewe-sen, ob und wie sich dies auf die Verträge von 1991 auswirken würde. Stand der Aufbau Verlag 1945 am 1. Juli 1990 in Volkseigentum, wären diese Ver-träge (abgesehen von den verschwiegenen formalen Mängeln) wirksam; wenn aber nicht von Volkseigentum, sondern fortbestehendem Eigentum des Kul-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

122

turbundes oder der SED auszugehen war, wäre die Aufbau-Verlag GmbH nicht Rechts- und Vermögensnachfolgerin der Verlage geworden und handelte es sich bei den in das Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg einge-tragenen Gesellschaften um Scheingesellschaften, die insbesondere auch nicht Vermögensträger der Verlage waren bzw. auch nur hätten sein können. Die Investoren und der Kläger dagegen hatten in zeitlichem Zusammenhang mit der Vereinbarung vom November 1992 keine Zweifel daran, dass die Verlage Volkseigentum und damit nach dem Vorschriften des TreuhG wirksam an sie selbst übertragen worden waren. Sie konnten derartige Zweifel auch nicht entwickeln, weil ihnen die Erkenntnisse der Beklagten und die wesentlichen Ermittlungsergebnisse der UK verheimlicht wurden. Dass dem Kläger und den Käufern seinerzeit auch nur das Übergabe- / Übernahmeprotokoll vom 14. März/2. April 1990 und insbesondere die (Zusatz-)Erklärung der SED/PDS hierzu (Anlage K 35) bekannt war, ist nicht festgestellt. Dies war auch nicht der Fall.

b) Das Berufungsgericht hat damit unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG Vor-

trag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und überdies verkannt, dass die Würdigung im Rahmen eines Indizienbeweises eine zusammenfassende Wür-digung und Gesamtschau erkennen lassen muss, woran es vorliegend aber er-neut vollkommen fehlt. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf die Vereinba-rung vom 24. November 1992 darüber hinaus verkannt, dass nicht nur positive Kenntnisse von einem Mangel zu offenbaren sind, sondern bei besonders schwerwiegenden Mängeln (und das Fehlen der Verfügungsbefugnis in Bezug auf das Unternehmen, das hätte übertragen werden sollen, stellt ersichtlich ei-nen solch schweren Mangel dar, ebenso die Erkenntnis, dass das, was man verkaufen wollte, nicht existiert und man nicht nach § 1 Abs. 4 TreuG Inhaber der zu übertragenden, aber nicht existierenden Gesellschaftsanteile werden konnte) bereits ein solcher Verdacht aufklärungspflichtig ist. Den Verkäufer trifft eine allgemeine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung sind und de-ren Mitteilung er nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urt. v. 20.10.2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64 mwN; Urt. v. 16.12.2009, VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858/859, Tz. 15). Eine solche Offen-barungspflicht trifft den Verkäufer aber auch dann, wenn sich der Verdacht nicht auf einen Mangel des (wie hier nun) vermeintlich übertragenen Unter-nehmens bezieht, sondern darauf, dass der Verkäufer nicht über die Rechts-macht verfügte, dasjenige Unternehmen (hier in Form von Geschäftsanteilen)

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

123

zu übertragen, das die Käufer erwerben wollten, sondern stattdessen – wie die UK annahm und der Beklagten auch mitteilte – später nur eine leere, vermö-genslose Hülle entstehen kann oder bereits entstanden war, da die Rechte und das Vermögen des vertragsgegenständlichen Unternehmens einem Dritten ge-hören. Dann aber hätte der Bundesgerichtshof insoweit die Revision zur Fort-bildung des Rechts zulassen müssen, um seine bisherige Rechtsprechung klar-zustellen, dass eine Offenbarungspflicht sich auch auf die von ihr selbst be-zweifelte Rechtsmacht einer Vertragspartei bezieht.

c) Vorstehend dargelegte Fehler des Berufungsurteils sind entscheidungserheb-

lich. Der Kläger hat nämlich mehrfach beweisbewehrt vorgetragen, dass – hät-ten er und die Investoren am 24. November 1992 über den gleichen Informati-onsstand wie die Beklagte verfügen können – die Vereinbarung vom 24. No-vember 1992 nicht geschlossen und die Fortführung der Verlage angesichts der tatsächlichen Risikolage verweigert worden wäre(n).

d) Die Beklagte haftet darüber hinaus jedenfalls deshalb auf Schadensersatz, weil

sie die Käufer und den Kläger nicht über den wahren Hintergrund der erneuten Übertragung der Geschäftsanteile in dem Vertrag vom 23./24. November 1992 aufklärte. Bei seinen Ausführungen zur Relevanz der Formnichtigkeit auf BU 33 Abs. 3 verkennt das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, dass eine Sittenwidrigkeit von Seiten der Käufer tatsächlich nicht geltend gemacht worden war, sondern dies von der Beklagten als Grund für eine Neu-beurkundung nur vorgespiegelt wurde, wie der Kläger ausdrücklich vorgetra-gen hat. Entsprechendes gilt für seinen Vortrag, dass man im Hinblick auf die damalige Ertragslage der Gesellschaft und ihre unzureichende Kapitalausstat-tung zu einem Neuabschluss des Vertrages nicht bereit gewesen wäre, wenn man Zweifel an dessen Wirksamkeit gehabt hätte, was auch die Beklagte zu Recht erkannte, in den vom Kläger in diesem Verfahren vorgelegten Doku-menten ausführlich darlegte und gerade deshalb die wahren Hintergründe der erneuten Abtretung verheimlichte, weil sie befürchtete, der Kläger würde sich darauf berufen. Man kann wohl durchaus getrost davon ausgehen, dass die Beklagte, wenn es sich bei den Verlagen um profitable und werthaltige Gold-gruben gehandelt hätte, auf Grund der nur von ihr erkannten Nichtigkeit der Verträge andere Entscheidungen getroffen und sich ihrerseits auf die Nichtig-keit berufen hätte.

aa) Die Beklagte war zu der Überzeugung gelangt, dass die Verträge vom Sep-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

124

tember 1991 formnichtig waren und – sollte dieser Umstand zu Tage treten – die Treuhandanstalt als Gesellschafter des überschuldeten Verlages dastehen würde (Vermerk v. 20.11.1992, Anlage K 67, S. 3 unten bis 4 Abs. 1). Es galt nach Ansicht der Beklagte zu verhindern, dass die Nichtigkeit in den zu erwar-tenden Gerichtsverfahren zu Tage treten würde (Anlage K 67, S. 4 Abs. 3). Danach sollte eine vergleichsweise Regelung neben anderem auch die Mög-lichkeit bieten, „im Wege des Abschlusses einer notariellen Vereinbarung die Nichtigkeit des Unternehmenskaufvertrages sowie die sonstigen formellen und materiellen Mängel des Grundstückskaufvertrages zu beseitigen.“ (Anlage K 67, S. 4 unten, 5 Abs. 1).

bb) Der Kläger hat hierzu zunächst mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009 (S. 96

ff, GA I 96 ff) vorgetragen, dass die Beklagte das Erfordernis des nochmaligen Verkauf der Anteile damit erklärte, dass Teile der Käufer die Verträge vom September 1991 für sittenwidrig halten würden. Dies wurde als Hintergrund in das Vertragswerk aufgenommen (Anlage K 10, S. 5 Abs. 4), ließ sich jedoch am 23./24. November 1992 nicht verifizieren, da Herr Lunkewitz als einziger der Käufervertreter anwesend war (S. 103, GA I 103). Diese Erklärung traf in-des nicht zu, wie sich später herausstellte (Ss. v. 29.12.2009, S. 103, GA I 103). Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die Käufer und er selbst den Vertrag vom 23./24. November 1992 deshalb abgeschlossen haben, weil sie auf die seitens der Beklagten gelieferte Erklärung für das vermeintliche Erfor-dernis der Wiederholung des Verkaufs der Geschäftsanteile vertraut hätten (u.a. Ss. v. 12.1.2012, S. 96, GA VII 1719). Der Zweck dieser Erklärung habe indes allein darin gelegen, den Kläger und die Käufer über die wahren Tatsa-chen, darunter die Formnichtigkeit der im September 1991 geschlossenen Ver-träge zu täuschen (Ss. v. 12.1.2012, S. 86, GA VII 1709). Der Kläger hat zu dieser aktiven Täuschung über den Hintergrund der angeblich notwendigen neuerlichen Übertragung beweisbewehrten Vortrag gehalten, den die Beklagte nicht, allenfalls aber pauschal bestritten hat.

cc) Entgegen den Ausführungen auf BU 33 Abs. 3 liegt auf der Hand, dass der

Kläger und die Investoren, hätte man ihnen keinen Grund dafür genannt, dass die Anteile noch einmal übertragen werden müssten, nicht ohne weiteres einen Vertrag über die nochmalige Übertragung abgeschlossen, sondern nachfragt bzw. eigene Überprüfungen angestellt hätten, warum diese neuerliche Über-tragung notwendig sein könnte. Alles andere verstößt gegen Denkgesetze. Ins-besondere und anders als die Beklagte Glauben machen will, hätten die im

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

125

Wege des Vergleiches zu bereinigenden Streitpunkte der Parteien (Plusaufla-gen, Grundstück Französische Straße, unzureichende Kapitalausstattung der Gesellschaften) auch ohne eine nochmalige Übertragung der Anteile in der Vereinbarung vom 24. November 1992 geregelt werden können. Allein der nur von der Beklagten erkannte Formmangel ließ sich ohne eine nochmalige Übertragung nicht aus der Welt schaffen.

dd) Erneut nimmt das Berufungsgericht damit entscheidungserheblichen Vortrag

des Klägers nicht zur Kenntnis und verletzt so seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen. Dies ist hier in Bezug auf den klägerischen Vortrag zu einer aktiven Täuschung der Käufer durch die Beklagte über den Hintergrund der erneuten Anteilsübertragung der Fall, da es sich um erhebliches und substantiiertes Vorbringen des Klägers handelte (vgl. BVerfGE 86, 133/145 f; BGH, Beschl. v. 6.3.2009 - II ZR 117/08, NJW 2009, 2139 Tz. 2, 5 f). Diesen Kern nimmt das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis, wenn es in eklatantem Widerspruch zu dem von ihm übergangenen Klägervor-trag unterstellt, es könne ausgeschlossen werden, dass ein bloßer Formmangel den Kläger und die Käufer vom Vertragsabschluss würde abgehalten haben. Im Gegenteil wäre den Käufern wegen der desolaten Situation der Verlage damals jeder Anlass recht gewesen, um sich von den Verträgen zu lösen. Auch insoweit liegt also eine vorvertragliche Pflichtverletzung der Beklagten vor, die Ansprüche des Klägers zu begründen vermag. Dies hat das Berufungsge-richt unter Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verkannt.

5. Das Berufungsgericht meint sodann auf BU 34 Abs. 3 bis 38 Abs. 2, die Be-

klagte habe keine nachvertraglichen Pflichten verletzt. Dabei differenziert das Berufungsgericht nach

– Nachvertraglichen Aufklärungs- und Offenbarungspflichten (BU 34 Abs. 6

bis 36 Abs. 2), wobei das Berufungsgericht offenlässt, ob der Beklagten Wissen der UK zugerechnet werden könne (BU 34 Abs. 7/35 Abs. 1) und sodann meint, die Erkenntnisse der UK seien ausweislich der Anlage K 72

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

126

(Vermerk vom 10.3.1993) und Anlage K 73 (Vermerk vom 21.6.1993) nur „vorläufiger“ Natur gewesen und weiter ausführt, die Beklagte habe hin-sichtlich des Gesprächs vom 9. Februar 1994 (Anlage K 75, Vermerk vom selben Tag) den Kläger schon deshalb nicht über den Inhalt informieren müssen, weil sie keinen Anlass hatte anzunehmen, dass der Bestand des Vertrages nachträglich durch Dritte gefährdet werden würde (BU 35 Abs. 4/36 Abs. 1), gleiches gelte für den Vermerk vom 17. März 1994 (Anlage K 34) und

– Nachwirkenden Treuepflichten (BU 36 Abs. 3 bis 38 Abs. 2), die die Be-klagte gleichfalls nicht verletzt habe (hierzu Schr. v. 11.2.1994 [Einschät-zungsprärogative], BU 36 Abs. 4, 37 Abs. 1, Gutachtensdiskrepanzen Prof. Schlink / Dr. Hohmann, BU 37 Abs. 2 und 3, Vermerk vom 9. Oktober 1995, BU 37 Abs. 4, Kopie des Tauschvertrages, BU 38 Abs. 1, Zusam-menwirken Beklagte und UK im Verwaltungsverfahren, BU 38 Abs. 2).

Auch verstößt das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Mir, dem Un-terzeichner, ist dabei durchaus bewusst, dass die Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts in Bezug auf Gehörsverletzungen durch die Tatrichter – zu Recht – restriktiv ist. Ich meine gleichwohl, dass in dem vorliegendem Rechts-streit – wie insgesamt in den Verfahren rund um den Aufbau-Verlag – eine höchst selektive Würdigung der Dokumente durch die Gerichte wahrzunehmen ist, vor allem aber auch eine rechtlich nicht nachvollziehbare Weigerung, an-gebotene Zeugenbeweise zu erheben. Erneut ist damit festzustellen, dass auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu nachträglichen Aufklärungs-, Hinweis- und Treuepflichtverletzungen auf Verletzungen von Art. 103 Abs. 1 GG und gar des Art. 3 Abs. 1 GG beruhen:

a) Das Berufungsgericht postuliert, die Frage der Wissenszurechnung UK / Treu-

hand könne offenbleiben (BU 34 Abs. 7, 35 Abs. 1), so dass im Grundsatz für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde davon auszugehen ist, dass eine Zurechnung erfolgt (vgl. insbes. Ss. v. 13.12.2012, S. 69/70, GA VIII 1988/1989; Ss. v. 12.1.2012, S. 56 f, GA VII 1679 f). Denn der Kläger hat zu einer Zurechnung der bei der UK etwa früher als bei der Beklagten bestehen-den Kenntnisse und Rechtsansichten vorgetragen:

aa) Die UK habe ihre rechtliche Grundlage in der „Verordnung über die Einrich-

tung und das Verfahren der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

127

Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (nachfolgend: PVKV; Ss. v. 29.12.2009, S. 18, GA I 18).

(1) § 10 PVKV lautet:

„(1) Das Sekretariat unterrichtet die Treuhandanstalt darüber, wel-che Parteien und ihnen verbundene Organisationen, juristische Personen und Massenorganisationen in den Anwendungsbereich der §§ 20a und 20b des Parteiengesetzes der Deutschen Demokra-tischen Republik vom 21. Februar 1990 (...) fallen und welche Vermögenswerte unter treuhänderischer Verwaltung stehen. (2) In den Tätigkeitsbereichen, in denen Entscheidungen der Treu-handanstalt im Einvernehmen mit der Kommission zu ergehen ha-ben, kann die Kommission mit der Treuhandanstalt vereinbaren, welche Behörde die notwendigen Ermittlungen anstellt und einen Entscheidungsvorschlag erarbeitet. Die jeweilige Verantwortlich-keit wird hiervon nicht berührt.“

Ergänzend hat der Kläger „die Grundsätze über die Zusammenarbeit zwischen

Treuhandanstalt und unabhängiger Kommission vom 23. Juli 1992 (vgl. Anla-ge BK 33) vorgelegt, die das Stattfinden einer institutionellen Zusammenarbeit bestätigen (vgl. Ss. v. 6.6. 2013, S. 23 ff, GA VIII 2060).

(2) Der Kläger hat ausgeführt, dass am 25. Juli 1991 ein Nachforschungsauftrag

erging (Anlage K 47), der darauf schließen lasse, dass bei der UK sehr frühzei-tig die Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag in Bezug auf einen Eigen-tumsübergang vom Kulturbund auf die SED oder in Volkseigentum sehr kri-tisch gesehen wurden und sie daher die Beklagte und die für sie bei der Priva-tisierung tätigen Wirtschaftsprüfer um Antworten ersuchte (Ss. v. 29.12.2009, S. 60, GA I 60; weitere Nachfrage unter dem 14.8.1991, Anlage K 48). Eine Klärung konnte zunächst nicht herbeigeführt werden (Antwortvermerk „n.b.“ [nicht bekannt] auf Anlage K 48).

(3) Der Kläger hat zudem vorgetragen und nachgewiesen, dass die UK und die

Beklagte anschließend in enger Abstimmung insbesondere darüber Auskunft zu erlangen suchten, in wessen Eigentum Aufbau 1945 übergegangen war. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass sich die Beklagte und die UK in Bezug auf die Fragestellungen zur Eigentumsproblematik ständig abgestimmt und gegen-seitig informiert haben (Ss. v. 29.12.2009, S. 72 ff, GA I 72 ff). Dies gilt in

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

128

besonderem Maße, wie zuvor bereits dargelegt, für die Gespräche zwischen UK und der Beklagten Anfang Oktober 1991 und die hierzu dokumentierten Erkenntnisse zwischen 7. und 22. Oktober 1991 (Anlagen K 53, 54, 55, K 43 und B 21).

(4) Der Kläger hat weiter darauf hingewiesen, dass sich auch fiskalisch handelnde

Körperschaften des öffentlichen Rechts wie juristische Personen das Handeln und Wissen der vertretungsbefugten Organwalter zurechnen lassen müssten (Ss. v. 29.12.2009, S. 194, GA I 193). Nach dieser Maßgabe sei das Verhalten der UK, die von Gesetzes wegen ihr Handeln und ihre Entscheidungen mit der Beklagten abzustimmen hatte, der Beklagten zuzurechnen (Ss. v. 29.12.2009, S. 194, GA I 193).

bb) § 166 BGB ist nach herrschender Ansicht nicht auf die rechtsgeschäftliche

Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich analog auch auf den vergleichba-ren Tatbestand der „Wissensvertretung“ (BGH, Urt. v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104/106 mwN). Allerdings muss sich der Geschäftsherr eines solchen Wissensvertreters wie eines Vertreters bedienen, während bei einer nur internen Beratung (hierzu BGH, Urt. v. 18.1.1974 – I ZR 17/73, WM 1973, 312/313, wo darauf abstellt wird, ob die Hilfsperson als für den Ge-schäftsherrn handelnd in Erscheinung getreten ist, unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 23.10.1963, V ZR 256/62, WM 1964, 94/97) eine sinngemäße Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB ausscheidet (BGH, Urt. v. 24.1.1992, aaO). Der Bundesgerichtshof hat zwar in seiner Entscheidung vom 24. Januar 1992 (V ZR 262/90, BGHZ 117, 104/107 f) ausgeführt, dass ein ämterüber-greifender Informationsaustausch zum Schutz des privaten Rechtsverkehrs grundsätzlich nicht notwendig sei (BGH, aaO, BGHZ 117, 104/108). Wolle man den Aspekt berücksichtigen, dass sich eine organisationsbedingte Wis-sensaufspaltung nicht zu Lasten des Geschäftspartners auswirken dürfe, so greife dies nur für die nach außen in Erscheinung tretende Funktionseinheit, da nur diese dem Verhandlungspartner als Einheit gegenübertrete. Der Bundesge-richtshof stellt sodann aber zutreffend fest, dass es in entsprechender Anwen-dung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wissenszurechnung im Verhältnis verschiedener Bankfilialen (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.1989 – III ZR 277/87, NJW 1989, 2881/2882 [Zurechnung bei identischem Vorhaben, Kenntnis des engen Zusammenhangs und naheliegender und möglicher Infor-mationsaustausch]) geboten sein kann, das Aktenwissen eines an dem konkre-ten Rechtsgeschäft nicht beteiligten Amtes der Gemeinde dann zuzurechnen,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

129

wenn der sachliche Zusammenhang der in den verschiedenen Ämtern angefal-lenen Vorgänge bekannt und ein Informationsaustausch daher möglich und naheliegend war. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 30. Juni 2011 (IX ZR 155/08, NJW 2011, 2791, Anlage K 221, Rn. 16 f und 19 ff) weiter konkretisiert und klargestellt, dass eine Behörde, die bei ihrer Zusammenarbeit mit einer anderen Behörde deren Wissen ausnutzt, mit dieser faktisch eine aufgabenbezogene Handlungseinheit bildet und sich deren Wis-sen zurechnen lassen muss (vgl. Ss. v. 21.9.2011, S. 1 ff, GA VI 1473 ff). Zwischen der Beklagten Direktorat Sondervermögen und der UK bestand nicht nur eine faktische, sondern eine gesetzlich angeordnete Handlungsein-heit.

cc) Nach diesen Grundsätzen der (entsprechenden) Wissenszurechnung nach

§ 166 BGB kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kenntnisse und Rechtsauffassungen der UK der Beklagten zuzurechnen sind. Aus § 10 Abs. 1 und Abs. 2 PVKV ergibt sich, wie die Zusammenarbeit von Treuhand und UK gesetzlich geregelt ist. Gerade die Regelung des § 10 Abs. 2 PVKV muss da-bei vor dem Hintergrund gesehen werden, dass bei der vermögens- bzw. ei-gentumsfeststellenden Tätigkeit der UK und ihres Sekretariats zwangsläufig zahlreiche Erkenntnisse dazu anfallen, ob es einen früheren Berechtigten gibt bzw. ob die Institution Vermögensteile nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen erworben hat. Aus § 20b Abs. 1 und 2 PartG (in der Fassung vom 31. Mai 1990) ergibt sich sodann das Einvernehmenserfordernis. Nach § 5 Abs. 3 PVKV ist es der Treuhandanstalt zudem gestattet, an den nichtöffentli-chen Sitzungen der UK teilzunehmen. Auch dies belegt das Faktum einer kon-tinuierlichen Zusammenarbeit, die es rechtfertigt, § 166 BGB entsprechend zur Anwendung zu bringen. Damit ist zudem auch ersichtlich, dass die UK nicht nur intern tätig geworden ist, sondern eigenverantwortliche Aufgaben wahrzu-nehmen hatte und dies durch die PVKV auch nach außen erkennbar war. Wei-ter ist dies im Übrigen durch den Umstand nachgewiesen, dass die UK im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin, VG 26 A 191.95, als notwen-dig Beigeladene erschienen ist, vgl. § 65 Abs. 2 VwGO. Vorliegend waren die Vorgänge nachweislich bei der Beklagten und der UK bekannt, ein Austausch war naheliegend, möglich, gesetzlich vorgesehen und fand – wie in reichem Maße dokumentiert – auch tatsächlich kontinuierlich statt. Der Kläger hat zu-dem mit Schriftsatz vom 6. Juni 2013 (S. 23 ff, GA VIII 2060 ff) umfassend zur Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der UK vorgetragen und sich dabei auf die Anlage BK 33 und die „Dokumentation Treuhandanstalt 1990

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

130

bis 1994“, Band 9 Seite 153 bis 159 (hierzu Ss. v. 6.6.2013, S. 12/13, GA VIII 2049/2050) bezogen; diese belegen tatsächlich und rechtlich eindeutig eine Zurechenbarkeit der Kenntnisse. Darüber hinaus hat der Kläger dargelegt, dass die Beklagte nach dem Handbuch Privatisierung die Eigentumslage an den zu verkaufenden Vermögenswerten im Vorfeld umfassend zu prüfen hatte (Ss. v. 6.6.2013, S. 20 ff, GA VIII 2057 ff, S. 31 ff, GA VIII 2068 ff).

b) Dazu, was die Beklagte nachvertraglich wusste und nicht offenbarte, bzw.

welche Treuepflichtverletzungen der Beklagten vorzuwerfen sind, hat der Kläger wie folgt vorgetragen:

aa) Am 5. Mai 1991 sei die Beklagte davon ausgegangen, dass für die Übertra-

gung des Aufbau-Verlages die Zustimmung der Beklagten Direktorat Sonder-vermögen sowie der UK notwendig war (Anlage K 44), womit zugleich Zwei-fel an dem Vorliegen der gesetzlichen Umwandlungsvoraussetzungen bestan-den. Einer solchen Zustimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Verlage im Volkseigentum gestanden hätten. Am 6. September 1991 habe die UK nach Prüfung der Rechtslage und unter Bezugnahme auf §§ 64 Abs. 4, 65 Satz 1 ZGB fortbestehendes Parteieigentum festgestellt (Anlage K 46, S. 2 Abs. 2). Am 9. Oktober 1991 erging entsprechend der telefonischen Absprache vom 7. Oktober 1991 (Anlage K 53) und nachdem die UK im Schreiben vom 6. Sep-tember 1991 (Anlage K 46) im Einzelnen dargelegt hatte, weshalb sie die Überführung der Verlage in Volkseigentum im März/April 1990 für unwirk-sam hielt, ein formelles Zustimmungsersuchen der Beklagten an die UK (An-lage K 54). Auch hier gilt, dass die Zustimmung der UK dann nicht erforder-lich war, wenn der Aufbau Verlag ein volkseigener Betrieb gewesen wäre. Umgekehrt ging die Zustimmung ins Leere, wenn die Umwandlungsvoraus-setzungen nach TreuhG nicht vorlagen. Wenn seinerzeit aus Sicht der Behör-den tatsächlich klar gewesen wäre, dass die Verlage tatsächlich der Privatisie-rung nach dem TreuhG unterlagen, hätte es eines weiteren Zusammenwirkens zwischen ihnen überhaupt nicht mehr bedurft, die Unabhängige Kommission hätte mit dem Vorgang schlicht nichts mehr zu tun gehabt.

bb) Dazu hat der Kläger vorgetragen, aus dem Vermerk vom 10. Oktober 1991

(Anlage K 55) zusammen mit dem Vermerk vom 07.10.1991 (Anlage K 53) werde deutlich, dass die UK weitere Nachforschungen über die Eigentumslage für notwendig erachtete und die Beklagte ihr dazu umfassend Unterlagen über die Entwicklung der Verlage zur Verfügung stellen sollte. Nach ihrer Auffas-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

131

sung war also gerade auch nicht geklärt, ob der Aufbau Verlag in Parteieigen-tum gestanden hatte; auch der Vermerk vom 22. Oktober 1991 (Anlage B 21) enthält auf Seite 7 Mitte unter Ziffer 2 Vorschläge für weitere Ermittlungen in Bezug auf die Parteizugehörigkeit des Verlages, denen in der Folgezeit auch nachgegangen worden sei.

cc) Aus dem Vermerk vom 29. Dezember 1992 (Anlage K 71) ergebe sich

schließlich, dass die Befragungen von Frau Smalla und Herrn Lange durch die UK bereits am 15. Dezember bzw. 14. Dezember 1992 erfolgten. Abzustellen wäre insoweit also nicht auf den 29. Dezember 1992 sondern bereits auf den 14./15. Dezember 1992 für die positive Kenntnis der UK.

(1) Bereits aus der Einvernahme in Ausführung der Absprachen zwischen der UK

und der Beklagten in der Woche zwischen dem 7. und 11. Oktober 1991 ergibt sich, dass die UK im Vorfeld der Befragungen davon ausgegangen sein muss, dass Zweifel nicht nur am Eigentum der SED und der Übertragung des Verla-ges in Volkseigentum bestehen, da sich der Vermerk über die Einvernahmen auf nichts anderes als die Frage bezieht, ob der Kulturbund etwa Eigentümer von Aufbau 1945 sein könnte. Es wäre denkgesetzwidrig und ersichtlich le-bensfremd anzunehmen (§ 286 ZPO), die Befragten hätten ohne entsprechende Fragestellungen am 14. und 15. Dezember 1992 von sich aus und zur völligen Überraschung der UK erstmals das Eigentum der Partei am Aufbau Verlag 1945 in Zweifel gezogen. Dies wird insbesondere daraus deutlich, dass die UK bereits im Vermerk vom 22. Oktober 1991 (Anlage B 21) ausgeführt hatte, dass sich die SED (möglicherweise) nur als Eigentümerin geriere (S. 6 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, S. 7 Abs. 1). Die Antworten auf die bereits dort formulierten Fragen stellen die Entscheidungsgrundlage für den Vermerk vom 29. Dezem-ber 1992 (Anlage K 71) dar, in dem das Eigentum des Kulturbundes festge-stellt wird (in Verbindung mit Anlage B 21, S. 7).

(2) In dem Vermerk vom 29. Dezember 1992 (Anlage K 71) heißt es zudem in

Bezug auf die Ausführungen Arno Langes:

„Im Ergebnis ebenso äußerte sich beiläufig am 14.12.1992 Arno Lange, der zu diesem Zeitpunkt das Archiv der Zentrag verwaltete und den Eindruck hervorragender Kennerschaft zur Geschichte und Verknüpfung der Verlage vermittelte. Lange hat auch eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass sich die Partei gleich-wohl mit der Übergabe des Verlags in Volkseigentum als Eigen-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

132

tümerin geriert hat. Ich werde Lange noch bitten, seine Darstellung schriftlich zusammenzufassen.“ Und handschriftlich ergänzt durch Herrn Hings: „Herr Lange legt dar, dass es sich beim Aufbau Ver-lag um einen OEB des Kulturbundes gehandelt habe. Er nimmt da-für auf die anliegende Vereinbarung Bezug.“

dd) Unberücksichtigt lässt das Berufungsgericht schließlich – wie bereits dargelegt

– das Beweisangebot des Klägers unter anderem mit Schriftsatz vom 29. De-zember 2009 (S. 76, GA I 76). Der Kläger benennt zum Beweis dafür, dass die UK der Beklagten ihr Wissen um die hohe Wahrscheinlichkeit des fortbeste-henden Eigentums des Kulturbunds am Aufbau-Verlag und die gerade deswe-gen erteilten Nachforschungsaufträge mitgeteilt hat, zumal die Unabhängige Kommission zeitgleich am 10.10.1991 den dritten Nachforschungsauftrag er-teilte, in dem, wie dargelegt, hervorgehoben war, dass „... allein ...“ die Exi-stenz des Übernahme-/Übergabeprotokolls vom 14.03./02.04.1990 für das Ei-gentum der SED/PDS am Aufbau-Verlag sprach, die Herren Molinari, Hingst und von Laer als Zeugen. Diesem Beweisangebot hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. Der zugrunde liegende Vortrag des Klägers erfolgte vor dem Hintergrund der damaligen Gespräche zwischen der Beklagten und der UK und damit offensichtlich nicht „ins Blaue“ hinein. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen und erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung zu berücksichtigen. Bei einem Indi-zienbeweis ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache die ernstliche Möglichkeit des logischen Rückschlusses auf den zu beweisenden Tatbestand bietet und der Tatrichter sich mit dem Beweisantrag in seiner Entscheidung überhaupt nicht auseinandersetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2011, V ZR 22/11, dokumentiert in juris, Tz. 10). So liegt es hier.

ee) Nach Ansicht des Klägers ist also davon auszugehen, dass die UK und damit

zurechenbar entsprechend § 166 BGB die Beklagte nur drei Wochen nach Ab-schluss der Vereinbarung vom 24. November 1992, nämlich in den Befragun-gen vom 14. und 15. Dezember 1992, spätestens positive Kenntnis davon er-langte, dass nicht die SED, sondern der Kulturbund Eigentümer von Aufbau 1945 war. Knapp einen Monat nach dem Vergleich gab nämlich die seinerzeit unter der treuhänderischen Verwaltung der Beklagten stehende SED/PDS im Rahmen der BARoV-Liste formell ihre Eigentumsberühmung in Bezug auf den Aufbau Verlag auf (vgl. Anlage K 70, S. 2). Auch in Bezug auf die BA-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

133

RoV-Liste ignoriert das Berufungsgericht den klägerischen Antrag nach §§ 142, 421 ZPO, was eine eigenständige Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG darstellt:

(1) Nach Ansicht und Vortrag des Klägers hat die UK wie folgt zusammengefasst,

was dies darüber hinaus bedeutete (Anlage K 70, Vermerk vom 10. Februar 1993, Herr Hingst): Aufgrund der Ermittlungen lasse sich feststellen, dass der Aufbau Verlag und der Verlage Rütten & Loening „kein Parteivermögen war“, sondern zum Vermögen des Kulturbundes gehörte (S. 2 Abs. 3). Sodann:

„Gegebenenfalls wären auch die Nachfolgeakte materiell angreif-bar, die Umwandlung in eine GmbH i.G. (sic) wegen fehlenden Volkseigentums, die Veräußerung der GmbH an Lunkewitz wegen fehlenden Einvernehmens der UK. Möglicherweise helfen diese Überlegungen der THA, der laut Presseberichten (vgl. Spiegelaus-zug 3 / 1993 S. 93) bei der Veräußerung ein kostspieliger Fehler unterlaufen sein soll.“

Nachfolgend stimmte sich die UK in Gesprächen mit der Beklagten über die

Erkenntnisse nochmals ab und stellte sowohl gegenüber dem Direktorat Priva-tisierung am 10. März 1993 (Anlage K 72) als auch gegenüber dem Direktorat Sondervermögen am 21. Juni 1993 (Anlage K 18), jeweils mit Übergabe ihrer abschließenden Feststellungen vom 10. Februar 1993 (Anlage K 73), offiziell fest, dass der Aufbau Verlag 1945 wegen fortbestehenden Eigentums des Kul-turbundes dem PartG DDR unterfallen und der Kauferlös zu gemeinnützigen Zwecken im Beitrittsgebiet, insbesondere zur wirtschaftlichen Umstrukturie-rung, zu verwenden sei.

(2) Dass die Beklagte diese Problematik intern abhandeln wollte, wird über die

Schreiben vom 29. Oktober 1991 (Anlage K 52), vom 10. März 1993 (Anlage K 72), und vom 21. Juni 1993 (Anlage K 73) hinaus in einer erstaunlich un-verblümten Art und Weise in dem Vermerk vom 11. Februar 1994 über eine Besprechung von UK und Treuhand am 9. Februar 1994 (Anlage K 75) ausge-drückt:

„Ich (scil: Herr Berger) habe klargestellt, daß die Wirksamkeit der Veräußerung des Aufbau Verlages nicht in Frage gestellt werden solle, sondern nur intern zwischen der Unabhängigen Kommission

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

134

und der Treuhandanstalt entschieden werden müsse, ob aus der Veräußerung ein positiver Kaufpreis erzielt werden konnte, wel-cher dem Sondervermögen abgeführt werden müsse. Hierbei wur-de auch besprochen, welche Auswirkungen es für die Wirksamkeit der Veräußerung des Aufbau Verlages hat, dass sich dieser als or-ganisationseigener Betrieb nicht im Eigentum der SED befand, sondern im Eigentum des Kulturbundes. Es bestand Einigkeit dar-über, dass dies zur Folge hat, dass die Aufbau Verlag GmbH, de-ren Geschäftsanteile veräußert wurden, eine vermögenslose Hülle darstellt, da sie nicht gemäß § 11 Abs. 2 TreuhG bzw. gem. § 7 Umwandlungs-VO Rechtsnachfolgerin in das Vermögen der OEB Aufbau Verlag werden konnte.“ (Herv. nur hier)

Entlarvender konnte die Beklagte ihre Position und ihr Verständnis der Wah-

rung (auch) nachwirkender Vertragspflichten nicht dokumentieren. ff) Die Aufbau-Verlag GmbH hat die Beklagte im Dezember 1993 um vorsorgli-

che Abtretung etwa treuhänderisch verwalteter Rechte ersucht, nachdem in dem Ossietzky-Verfahren vor dem Landgericht Hamburg ihre Parteifähigkeit angezweifelt worden war (Anlage K 74). Die Beklagte beantwortete diese An-frage durch eben jenen Herrn Schmidt, der auch an der Besprechung am 9. Fe-bruar 1994 teilgenommen hatte mit Schreiben vom 11. Februar 1994 dahin, dass eine Abgabe weiterer Erklärungen nicht notwendig sei. Das muss verblüf-fen. Am 9. Februar 1994 waren UK und Beklagte nämlich noch davon ausge-gangen, dass Aufbau 1945 im Eigentum des Kulturbundes gestanden hatte und man den Käufern eine vermögenslose Hülle verkauft hatte (Anlage K 75). Gleichwohl schreibt die Beklagte zwei Tage nach dieser Übereinkunft an die BFL (Anlage K 76):

„Nach den Feststellungen des Unabhängigen Kommission stand der Aufbau-Verlag nicht im Eigentum der SED. (....). Die Tatsa-che, daß sich die PDS entgegen den tatsächlichen Rechtsverhält-nissen als Eigentümerin des Aufbau-Verlages gerierte, ändert nichts daran, daß es sich bereits im März 1990 nicht um Partei- sondern offensichtlich um Volkseigentum handelte. (...) Im Übrigen ist die Treuhandanstalt nach dem derzeitigen Kennt-nisstand ihren Verpflichtungen aus den Verträgen vom 18. Sep-tember und 27. September 1991 nachgekommen und hält daher ei-ne Abgabe weiterer Erklärungen nicht für erforderlich.“

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

135

gg) Schließlich, so der klägerische Vortrag, habe die Beklagte zur Entkräftung des Gutachtens von Herr Rechtsanwalt Schrader (Anlage K 79) ein angeblich un-abhängiges Rechtsgutachten vorgelegt, dass ihre Auffassung stützte, dessen Ergebnis allerdings nicht etwa von dem beauftragten – renommierten – Gut-achter „unabhängig“ ermittelt wurde, sondern wesentlich von der Beklagten selbst verfasst worden sei, nachdem das ursprünglich erstellte Gutachten den Standpunkt der Beklagten nicht gestützt habe (Ss. v. 29.12.2009, S. 144 ff, GA I 144 ff). Der Mitarbeiter Dr. Hohmann hatte nämlich zunächst folgendes fest-gestellt (Anschreiben v. 13.12.1994, Anlage K 87):

„hiermit übersende ich Ihnen den angekündigten Vermerk. Leider kann ich Ihnen nichts Positives mitteilen. (...) Ich denke, dass die THA, wenn sie weiterhin darauf beharren sollte, auf verlorenem Posten steht. Deshalb habe ich auch Abstand davon genommen, Herrn Prof. Dr. Schlink von mir aus einzuschalten. Es bleibt Ihnen nach wie vor die Möglichkeit, ihn unabhängig von mir um ein Gutachten zu bitten.“

Das „Gesamtergebnis“ seiner Begutachtung gibt Herr Hohmann in seinem

Vermerk wie folgt an (Anlage K 88):

„Der Aufbau-Verlag konnte nicht nach dem TreuhG umgewandelt und privatisiert werden, da er sich nicht im Volkseigentum befand. (...) Dazu ist zu bemerken, daß dem nicht dadurch entgegengetre-ten werden kann, daß behauptet wird, der Verlag sei doch volksei-gen gewesen. Diese Behauptung lässt sich nach allem, was an tat-sächlichem Material gegenwärtig vorliegt, rechtlich nicht halten.“

Trotz dieser klaren Ausführungen seines Mitarbeiters Hohmann wurde schon

im Januar 1995 ein von Herrn Professor Schlink unterzeichnetes Gutachten vorgelegt, das zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt, wonach der Aufbau-Verlag Eigentum des Volkes gewesen sei. Für dieses Gutachten, das „von mir unter Mitarbeit von Herrn Dr. B. Hohmann erstellt[e]“ wurde, stellte Herr Prof. Dr. Schlink 30.000 DM zzgl. MWSt. in Rechnung (Anlage K 89). Der Kläger hat vorgetragen, dass das Gutachten nicht von Herrn Prof. Dr. Schlink, sondern von der Beklagten selbst verfasst wurde und sich zum Beweis dieses Vortrags auf das Zeugnis von Herrn Prof. Dr. Schlink, Herrn Dr. Bernd Hoh-mann und Herrn Lothert sowie das als Anlage K 90 vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 1995 an Herrn Dr. Bernd Hohmann berufen, in dem es heißt:

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

136

„Ich möchte nochmals betonen, daß ich keinerlei Kritik an dem Gutachten, das unter unserer Mitarbeit entstanden ist, zum Aus-druck bringen wollte; im Gegenteil, nach meiner Meinung war die bisherige Zusammenarbeit sehr konstruktiv und harmonisch.“ (Un-terstreichung nicht im Original)

Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die UK unter dem 9. Oktober 1995

(Anlage K 97) als Reaktion auf die Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 6. Oktober 1995 (Anlage K 95) und der Beklagten selbst vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 97) einen Vermerk verfasst habe, der die Brisanz der aktenkundigen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der UK in den Vorjahren als „sekretariatsinterne Rechtsmeinung“ und „unzutreffende Wür-digung des Abkommens vom 13. Dezember 1963“ relativieren sollte. Zur Ver-deutlichung sei wiedergegeben, was die damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten an diese schrieben (Anlage K 95, Schr. v. 6.10.1995):

„Sehr geehrte Herren, nunmehr liegt mir die Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt Schrader vor, mit der dieser Aktenauszüge aus dem Registerge-richt vorgelegt hat, die vermutlich aus den Verwaltungsvorgängen stammen, die von der Unabhängigen Kommission in dem Verfah-ren um die Zustimmung zur Veräußerung der Geschäftsanteile dem Verwaltungsgericht vorgelegt wurden. Nach diesen Vermer-ken hat die Unabhängige Kommission, und zwar insbesondere die Herren Kunzmann (?), Hingst und Berger, in den Jahren 1991 bis 1993 eigene Ermittlungen zum Schicksal des Aufbau-Verlages durchgeführt und hierzu u.a. Mitarbeiter des Aufbau-Verlages be-fragt. Das Ergebnis dieser „Recherchen“ sowie deren Vorlage im jetzigen Verfahren wird uns mit Sicherheit entgegengehalten wer-den. Angesichts dessen erlaube ich mir – wie bereits mit Herrn Beime-sche in Bezug auf das landgerichtliche Verfahren erörtert – die An-frage, ob nicht die Möglichkeit besteht, eine Stellungnahme der Unabhängigen Kommission zu erhalten, aus der sich ergibt, dass die damaligen Erkenntnisse nur vorläufige waren, oder die die nun vorgelegten Aktenauszüge in sonstiger Weise relativieren.“

Die Beklagte hat daraufhin unter dem 9. Oktober 1995 (Anlage K 96) ein

Schreiben verfasst, in der die Prozessbevollmächtigten gebeten wurden, des-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

137

wegen mit der UK Kontakt aufzunehmen und dabei vor allem darauf abzustel-len, dass Herr Berger eine „Privatmeinung“ vertreten habe. Folgsam hat Herr Berger dann noch am selben Tag und mithin ohne jegliche weitere Ermittlun-gen ebenfalls unter dem 9. Oktober 1995 den als Anlage K 97 vorgelegten Vermerk verfasst („sekretariatsinterne Rechtsauffassung“). Der Kläger hat Herrn Berger zum Beweis dafür angeboten, dass die Meinungsäußerungen der UK, wie in den vorangegangenen Vermerken niedergelegt, keine „unkontrol-lierten Einzelaktionen“ waren (Ss. v. 29.12.2009, S. 168, GA I 167 Beweisan-gebot Zeugnis Berger).

ii) Der Kläger hat weiterhin vorgetragen, dass die Behörden im Parallelkomplex

zur Feststellung des Eigentümers des Grundstücks Französische Straße 33 mit dem als Anlage K 92 vorgelegten Vermerk der UK vom 4. Oktober 1995 ver-suchten, eine ihnen günstigere Aktenlage zu schaffen (Gesprächsnotiz UK Herr Berger: „Habe Herrn Heimburger auf Prozessrisiko Lunkewitz ./. BVS hingewiesen. Habe mit ihm vereinbart, dass ich nur zur Frage 1.) Stellung nehme (Eigentumserwerb 66) und die weiteren Fragen reine Rechtsfragen au-ßerhalb der Zuständigkeit der UK sind. 1.) Herr Bennewitz z.K. 2.) Zum Vor-gang BE 4/10“).

c) Diesen umfassenden Streitstoff hat das Berufungsgericht auf BU 34 bis 38

„verwertet“, ohne dass dies das Prädikat Würdigung verdient und gelangt zu dem Ergebnis, dass

– die Vermerke vom 29. Dezember 1992 (Anlage K 71), vom 10. Februar

1992 (Anlage K 70), vom 10. März 1993 (Anlage K 72) und vom 21. Juni 1993 (Anlage K 73) nur um eine vorläufige rechtliche Bewertung darstellten (BU 34/35),

– die Beklagte schon deshalb nicht über den Inhalt des Gesprächs vom 9. Fe-bruar 1994 informieren musste, da sie keinen Anlass hatte anzunehmen, der Bestand des Vertrages könne durch die Intervention Dritter gefährdet wer-den (BU 35 /36), gleiches gelte für den Vermerk vom 17. März 1994 (BU 36),

– die Beklagte eine Einschätzungsprärogative zu der Frage eventuell notwen-diger Heilungsmaßnahmen gehabt habe und ihre Rechtsauffassung, es habe

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

138

keinerlei weiterer Abtretungserklärungen bedurft (Anlage K 76), sei zumin-dest vertretbar gewesen (BU 36/37) und

– das weitere Vorbringen des Klägers ([un]abhängiges Gutachten Schlink, Vermerk vom 9.10.1995, Kopie Tauschvertrag, enges Zusammenwirken Beklagte und UK) sei nicht nachvollziehbar, haltlos und entbehre jeder sachlichen Grundlage.

d) Auch in dieser Hinsicht bleibt das Berufungsgericht seiner Linie treu und ver-

letzt mit seiner interessengeleiteten, selektiven Würdigung des Tatsachenstof-fes den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.

aa) Die Ausführungen dazu, es habe sich um eine vorläufige Auffassung der UK

gehandelt, sind schon insoweit inhaltsleer, als auch über eine vorläufige Auf-fassung als Anknüpfungstatsache für eine massive Gefährdung des Vertrages und seiner Wirksamkeit und für die Folgen eines andauernden Fortführens der Verlagstätigkeit hätte informiert werden müssen, da nur dann die Käufer zu einer eigenen rechtlichen Prüfung in der Lage gewesen wären.

(1) Aus dem Vermerk vom 10. Februar 1992 (Anlage K 70) ergibt sich dabei mit

aller Deutlichkeit nicht nur der Wissensvorsprung der Beklagten, sondern auch deren Erkenntnis in Bezug auf die Relevanz der Information („Gegebenenfalls wären auch die Nachfolgeakte materiell angreifbar, die Umwandlung in eine GmbH i.G. wegen fehlenden Volkseigentums, die Veräußerung der GmbH an Lunkewitz wegen fehlenden Einvernehmens der UK. Möglicherweise helfen diese Überlegungen der THA, der laut Presseberichten (vgl. Spiegelauszug 3 / 1993 S. 93) bei der Veräußerung ein kostspieliger Fehler unterlaufen sein soll.“). Darüber hinaus verletzt das Berufungsgericht auch hier Art. 103 Abs. 1 GG, da der Kläger explizit auch zur BARoV-Liste vorgetragen und insoweit die Vorlage nach §§ 142, 421 ZPO beantragt hat, womit sich das Berufungsge-richt ermessensfehlerhaft nicht auseinandersetzt (Anlage K 70, Vermerk vom 10.2.1993, Ss. v. 4.10.2010, S. 37/38, GA III 588/589, nicht beschieden, Ss. v. 29.12.2009, S. 122/123, GA I 121/122). Gleiches gilt für die Vereinbarung mit Arno Lange (Vermerk v. 29.12.1992, Anlage K 71). Der Kläger hat auf Seite 124/125 seines Schriftsatzes vom 29. Dezember 2009 (GA I 123/124) bean-tragt, der Beklagten aufzugeben, die „anliegende Vereinbarung“ (vgl. Vermerk vom 29.12.1992, S. 2), auf die Herr Lange Bezug genommen hat, nach §§ 142, 421 ZPO vorzulegen. Hierzu äußert sich das Berufungsgericht mit keinem

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

139

Wort. Zwar ist die Handhabung des durch § 142 ZPO eingeräumten Ermessens der Prüfung weitgehend entzogen; anhand der Urteilsgründe ist aber zu über-prüfen, ob der Tatrichter von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch ge-macht hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2007, XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 ff, Tz. 21). Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass das Gericht trotz Vorliegens der Voraussetzungen einer Anordnung nach § 142 ZPO die Notwendigkeit der Ausübung seines Ermessens auch nur erkannt hätte. Auch insoweit wurde das rechtliche Gehör des Klägers also nicht gewahrt.

(2) Im Übrigen würdigt das Berufungsgericht aber selbst die herangezogenen

Dokumente nur auszugsweise und interessengeleitet: Das Gericht meint, die Bewertung sei im Konjunktiv erfolgt, was in einigen Teilbereichen zutrifft. Die maßgebliche Erkenntnis aber, etwa im Schreiben vom 10. Februar 1993 (Anlage K 73) lautet im Indikativ Präsens: „Es ist nach derzeitigem Ermitt-lungsstand davon auszugehen, dass der Aufbau Verlag am 7. Oktober 1989 nicht zum Parteivermögen, sondern zum Vermögen des Kulturbundes gehört hat.“ (S. 2 Abs. 2, Anlage K 73, sowie bereits Seite 1: „Aufgrund weiterer Er-mittlungen lässt sich nunmehr die Feststellung anschließen, dass der Verlag auch zum 7. Oktober 1989 kein Parteivermögen war.“). Konjunktivisch for-muliert sind allein die rechtlichen Weiterungen, die sich aus dieser Feststel-lung ergeben könnten. Aufklärungspflichtig war aber bereits die Feststellung als solche. Auch diese selektive Würdigung des Berufungsgerichts verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

bb) Nicht ansatzweise nachvollziehbar ist die berufungsgerichtliche Ansicht auf

BU 35 Abs. 4, die Beklagte habe den Kläger über die internen Erkenntnisse dazu, dass von fortbestehende Eigentum des Kulturbundes ausgegangen wur-de, nicht informieren müssen. Das Berufungsgericht verstößt insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG:

(1) Das Gericht meint, es bedurfte es keiner Aufklärung, weil man (also die Be-

klagte und die UK) die Wirksamkeit der Veräußerung im Außenverhältnis nicht in Frage stellen wollte und somit nicht zu besorgen war, dass der Be-stand des Vertrages durch die Intervention Dritter gefährdet würde. Immerhin standen seinerzeit sowohl die SED/PDS als auch der Kulturbund noch unter der treuhänderischen Verwaltung der Beklagten, Direktorat Sondervermögen.

(1.1) Die Beklagte durfte danach nach Ansicht des Berufungsgerichts also meinen,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

140

dass, wenn man die Fehler nur für sich behielte, schon nichts passieren würde und alles seinen ruhigen Gang gehen würde. Dass dem nicht so war, ist bereits anhand des Ossietzky-Verfahrens eindrücklich belegt. Im Übrigen war genau diese Risikoentscheidung (Gefährdung des Vertrages durch Intervention Drit-ter) eine Entscheidung, die allein die Käufer zu treffen hatten, nicht aber die Beklagte, die UK oder sonst irgendjemand. Das Berufungsgericht legt jeden-falls nicht dar, woraus sich eine etwaige Befugnis der Beklagten und/oder der UK ableiten soll, aus eigener Machtvollkommenheit zu entscheiden, dass aus der Unfähigkeit der Beklagten, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen und den Käufern die vertragsgegenständlichen Gesellschaftsanteile oder zumindest die Verlagsrechte zu verschaffen, keine Konsequenzen folgen sollen, obwohl es tatsächlich nicht in der Macht der Behörden lag, diesen Mangel zu heilen.

(1.2) Das Berufungsgericht scheint zu meinen, dass allein der Kulturbund eine „Ge-

fahr“ für den Bestand des Verlages habe darstellen könne; dieser aber habe ja unter dem 19. Januar 1991 (Anlage B 17) die Zustimmung zum Verkauf er-klärt und unter dem 30. September 1991 (Anlage B 16) ausdrücklich durch Erklärung seines Bundesvorstandes das Einverständnis erklärt (so BU 36 Abs. 1). Es ist klägerseits vorgetragen worden, dass der Kulturbund selbst der Über-tragung nur zugestimmt hatte, weil man auch ihn Glauben gemacht hatte, ge-rade nicht mehr selbst Eigentümer zu sein, sondern nur Restitutionsansprüche zu haben (Ss. v. 29.12.2009, S. 158 ff, GA I 157 ff). Man musste also in Anbe-tracht der unklaren Lage gerade in Bezug auf den Kulturbund von einer „tic-kenden Zeitbombe“ ausgehen, da er fristgemäß einen Restitutionsantrag ge-stellt hatte. Dieser Antrag ist bezeichnender Weise bis heute nicht beschieden, wahrscheinlich weil das Vermögensamt dem Kulturbund mitteilen müsste, dass dieser Antrag zurückzuweisen ist, weil der Kulturbund sein Eigentum am Aufbau-Verlag nicht verloren hat (weder in 1955 durch die Eintragung in HRC, noch irgendwann später durch eine – enteignende bzw. enteignungsähn-liche – „staatliche Reorganisation in Form einer Verschmelzung“). Ohne den Verkauf des Verlages im Jahre 1995 hätte der Kulturbund aber zeitnah auf der Bescheidung seines Antrags bestanden und spätestens dann die Wahrheit er-fahren. Vor diesem Hintergrund war selbstverständlich auch bei der Beklagten zu befürchten, dass der Kulturbund seine Erklärungen – wie geschehen (vgl. Ss. v. 29.12.2009, S. 161, GA I 160, Anlage K 102) – anfechten konnte. Dass der Kulturbund nachfolgend seine Eigentumsrechte auch gegen den Kläger geltend machte, ergibt sich bereits daraus, dass er die Eigentumsrechte und die Schadenersatzansprüche gegen die Aufbau-Verlag GmbH und die Beklagte an

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

141

den Kläger verkaufte und übertrug. (2) Warum dem Kläger darüber hinaus auch der Inhalt des Vermerks der UK vom

17. März 1994 (Anlage K 34) nicht habe bekanntgegeben werden müssen (so BU 36 Abs. 2), erhellt dagegen nicht. In diesem Vermerk ist auf Seite 3 ab-schließend vermerkt, als Ergebnis sei festzuhalten, dass der Aufbau Verlag nach seiner Löschung im Handelsregister B und Eintragung im Register C als Verlag des Kulturbundes behandelt wurde. Dementsprechend habe der Kultur-bund bis 1989 einschließlich pauschalierte Gewinnabführungen vom Ministe-rium für Kultur erhalten. Es gebe keine Hinweise auf eine Übertragung des Aufbau Verlages in Volkseigentum. Dem Unterzeichner ist beim besten Wil-len nicht nachvollziehbar, warum dieses Ermittlungsergebnis den Käufern und dem Kläger nicht mitgeteilt wurde und warum das Berufungsgericht meint, man dürfe diese Information verschweigen, da man sie ohnehin nicht nach au-ßen dringen lassen wollte und so nicht mit einer Intervention Dritter zu rech-nen sei. Eine solche „Ich sag nichts“-Mentalität ist erkennbar gerade Grund und Ursache aller Rechtsstreitigkeiten rund um den Aufbau-Verlag.

(3) Auch hier gilt es, sich die Rechtsprechung vor Augen zu führen, soweit sie die

(auch nachwirkende) Offenbarungspflicht betrifft: Es sind diejenigen Grund-sätze anzuwenden, die für die Zeit nach der Abwicklung (BGH, Urt. v. 14.12.194 – I ZR 65/53, BGHZ 16, 4/10; BGH, Urt. v. 25.6.1973 – II ZR 26/72, BGHZ 61, 176/179) oder nach dem Scheitern eines Vertrages (BGH, Urt. v. 3.10.1962 – VIII ZR 34/62, NJW 1962, 2198) aufgestellt worden sind und zu einer Schadensersatzpflicht führen können. Sie lauten dahin, dass auch in diesem Stadium nach Treu und Glauben im Rahmen des Zumutbaren noch gewisse "nachvertragliche" Handlungs- und Unterlassungspflichten bestehen können, damit dem Vertragspartner nicht unverhältnismäßige Schäden aus dem Vertragsabschluss erwachsen oder der Vertragszweck nachträglich weder vereitelt noch gefährdet wird. Diese Pflichten unterscheiden sich in der recht-lichen Behandlung nicht von sonstigen Nebenleistungspflichten (Ernst, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 280 Rn. 110). Dabei gilt, dass eine Par-tei, die sich nach speziellen Gegebenheiten erkundigt oder sonst zeigt, dass ihr bestimmte Umstände besonders wichtig sind oder sie sich insoweit auf den Vertragspartner verlässt, erst recht wahrheitsgemäß aufzuklären ist oder gege-benenfalls auf die Unvollständigkeit der Aufklärung deutlich genug hinzuwei-sen ist (vgl. Roth/Bachmann, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 241 Rn. 155).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

142

Genau so stellt sich aber die vorliegende Sachverhaltskonstellation dar: (3.1) Die Geschäftsführer des Verlages wandten sich im Auftrag des Klägers vor

dem Hintergrund der Ossietzky-Verfahren, in denen die Parteifähigkeit des Verlages angezweifelt wurde, mit Schreiben vom 29. Dezember 1993 (Anlage K 74) und unter Bezugnahme auf die unsichere und gefährdete Rechtsposition des Verlages an die Beklagte und baten höchstvorsorglich um die Abtretung etwa noch treuhänderisch von der Beklagten verwalteter Rechte.

(3.2) In Anlage K 20 (Vermerk der UK vom 11.2.1994 zu der Besprechung vom

9.2.1994 hinsichtlich des Schreibens der Geschäftsführer des Verlages vom 29.12.1993) wird klar und deutlich niedergelegt, dass der Aufbau Verlag ein organisationseigener Betrieb im Eigentum des Kulturbundes gewesen sei und nicht im Eigentum der SED stand. Weiter wurde explizit besprochen, welche Auswirkungen es für die Wirksamkeit der Veräußerung hat, dass der Verlag im Eigentum des Kulturbundes stand. Wörtlich heißt es: „Es bestand Einigkeit darüber, dass dies zur Folge hat, dass die Aufbau Verlag GmbH, deren Gesell-schaftsanteile veräußert wurden, eine vermögenslose Hülle darstellt...“. Nach Ansicht der UK sei es daher für das weitere Vorgehen sinnvoll, die Vermö-gensgegenstände des OEB Aufbau Verlag an die Aufbau Verlag GmbH hilfs-weise abzutreten bzw. zu übertragen. Insoweit bestünde aber eine Entschei-dungsprärogative der Treuhandanstalt Direktorat Vertragsmanagement.

(3.3) Trotz allem antwortet die Beklagte der Geschäftsführung des Aufbau-Verlags

mit Schreiben vom 11. Februar 1994 (Anlage K 76) mit der unzutreffenden Behauptung, dass zwar die SED nicht Eigentümerin des Verlages gewesen sei, dieser aber bereits im März 1990 nicht Partei- sondern Volkseigentum gewe-sen sei (dies, obwohl zwei Tage zuvor besprochen worden war, dass der Ver-lag im Eigentum des Kulturbundes gestanden habe). Die Beklagte führt weiter aus, dass sie nach derzeitigen Kenntnisstand ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 18./27. September 1991 nachgekommen sei (dies, obwohl tat-sächlich zwischen ihr und der UK Einigkeit darüber bestand, dass es sich bei den übertragenen Anteilen um eine vermögenslose Hülle gehandelt habe).

(3.4) Die Beklagte hat auf die Nachfrage danach gerade nicht wahrheitsgemäß ge-

antwortet und darüber hinaus auf die Unvollständigkeit ihrer Äußerung nicht hingewiesen und damit ihre Aufklärungspflicht verletzt. Diese wirkte auch

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

143

noch nach, da sie mit dieser Äußerung den Vertragszweck auch nachträglich noch gefährdete und zudem, statt dem Spuk beizeiten ein Ende zu setzen, un-verhältnismäßige Schäden erwachsen ließ.

(4) Nach allem unterliegt die Würdigung des Berufungsgerichts nicht nur dem

Willkürvorwurf, da schlicht weder rechtlich noch tatsächlich zu begründen ist, dass eine Informationspflicht über vertragszweck- und vermögensgefährdende Umstände verneint werden kann, wenn man meint, durch das Verheimlichen der Information werde sich das Risiko der Vertragszwecks- und Vermögens-gefährdung nicht realisieren (Art. 3 Abs. 1 GG, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Darüber hinaus stellt das Berufungsgericht den Rechtssatz auf, dass der Verkäufer eine Nachfrage des Käufers unrichtig, jedenfalls unvollständig beantworten darf, ohne auf die Unvollständigkeit hinzuweisen. Die Geschäfts-führer legen die Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Verlages dar und bitten um vorsorgliche Abtretung, dieser erteilt die Beklagte eine Absage unter Hin-weis darauf, nach derzeitigen Kenntnisstand ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 18./27. September 1991 nachgekommen zu sein. Das ist eine vor-sätzlich unrichtige und unvollständige Auskunft. Es gilt aber der Grundsatz, dass sobald der Käufer Fragen stellt, der Verkäufer diese wahrheitsgemäß be-antworten muss oder aber die Antwort zu verweigern hat, tertium non datur. Auch diese Pflicht wirkt nach, denn wer dem anderen Teil Informationen gibt, muss redlich vorgehen, so dass er sich schadensersatzpflichtig macht, wenn die von ihm gegebenen Informationen nicht zutreffen (BGH, Urt. v. 26.10.1987 – VIII ZR 230/87, NJW-RR 1989, 211 ff, juris-Tz. 17). Und wer durch sein Verhalten in dem anderen Teil den Eindruck erweckt, der Ab-schluss oder die Durchführung eines Vertrages sei unproblematisch, muss die-sen Irrtum des anderen Teils, wenn er ihn erkennt oder auch nur erkennen kann, aufklären (Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 311 Rn. 79). Danach ist das Berufungsurteil nicht nur unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergangen, sondern zugleich als eindeutig symptomatisch rechtsfeh-lerhaft im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO. Da das Berufungs-urteil auf iuris veröffentlicht ist und die Vorgänge um den Aufbau-Verlag auf eine durchaus große, auch öffentliche Neugierde treffen, ist eine Nachah-mungs- und Wiederholungsgefahr zu besorgen, weshalb der Bundesgerichts-hof die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hätte zuzu-lassen müssen. Da es dies nicht ansatzweise nachvollziehbar nicht getan hat, hat es damit dem Kläger seinen Anspruch auf Justizgewährung entzogen.

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

144

cc) „Ein Recht zur Lüge gibt es (angeblich) nur in der Liebe und bei Grabreden, nicht jedoch im Privatrechtsverkehr“ (Emmerich, in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 311 Rn. 70). Dieser Satz ist den weiteren Ausführungen des Be-rufungsgerichts auf BU 36 Abs. 4 entgegenzuhalten. Letztlich ist nicht erheb-lich, ob die Rechtsansicht der Beklagten als vertretbar angesehen werden kann, sondern nur erheblich, wer über die Frage, ob das Risiko überhaupt eingegan-gen werden soll, zu entscheiden hat. Das ist vorliegend aber nicht die Beklagte als Verkäuferin, sondern es sind dies der Kläger und die Investoren bzw. Ge-sellschafter und Geschäftsführer der Aufbau-Verlag GmbH und der Kultur-bund eV, dem die Beklagte entgegen ihrer gesetzlichen Pflichten als dessen treuhänderische Verwalterin das rechtsstaatlich erworbene Vermögen rechts-widrig entzogen hat. Es spielt auch keine Rolle, was die Berliner Gerichte – ausgehend von einem unvollständigen Sachverhalt – meinten. Entscheidend ist, dass die Beklagte als Spezialbehörde des Bundes mit besonderer Fachkun-de intern von etwas anderem ausging und dies nicht mitteilte. Dies im Übrigen auch schon deshalb, weil in der Rechtsprechung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ohnehin anerkannt ist, dass die rechtliche Fehlbeurteilung einer bundesunmittelbaren Spezialbehörde mit Sonder-Know-how auch durch spätere gleichlautende Gerichtsentscheidungen nicht exkulpiert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28.6.1971 - III ZR 111/68, NJW 1971, 1699/1701 f.). Dies umso weniger, wenn die besagten Gerichte – wie hier insbesondere das Kam-mergericht – ihrer Beurteilung einen völlig unvollständigen Sachverhalt zu-grunde gelegt haben (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206/3207; Urt. v. 2.6.2005 - III ZR 306/04, NJW 2005, 3495/3497, wie es der Kläger hier im Einzelnen dargetan und belegt hat (vgl. Anlage BK 26, Ss. v. 6.6.2013, S. 7 ff, GA VIII 2044).

dd) Auch die weiteren Ausführungen auf BU 37/38 beruhen auf durchgreifenden

Gehörsverletzungen: Der Kläger hat zu dem Gutachten Prof. Dr. Schlink und den gutachterlichen Vermerken Herrn Dr. Hohmanns umfassend und substan-tiiert vorgetragen, so dass wohl schwerlich behauptet werden kann, die Aus-führungen des Klägers hierzu seien „nicht ansatzweise nachvollziehbar“ (so aber BU 37 Abs. 3). Auch ein Lehrstuhlinhaber und renommierter Buchautor ist nicht per se sakrosankt. Aus den vorgelegten Dokumenten ergibt sich, dass Herr Dr. Hohmann eine andere schlüssige Ansicht vertrat, als später in dem vorgelegten Gutachten vertreten wurde; vor allem aber, und das ist die Ziel-richtung des klägerischen Vortrags, ergibt sich aus den Unterlagen, dass das angeblich unabhängige Gutachten unter Mitarbeit der Beklagten entstanden

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

145

ist. Der Kläger hat sich zum Beweis dieses Vortrags auf das Zeugnis von Herrn Prof. Dr. Schlink, Herrn Dr. Bernd Hohmann und Herrn Lothert sowie das als Anlage K 90 vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 12. Oktober 1995 an Herrn Dr. Bernd Hohmann berufen, in dem es heißt:

„Ich möchte nochmals betonen, daß ich keinerlei Kritik an dem Gutachten, das unter unserer Mitarbeit entstanden ist, zum Aus-druck bringen wollte; im Gegenteil, nach meiner Meinung war die bisherige Zusammenarbeit sehr konstruktiv und harmonisch.“ (Un-terstreichung nicht im Original)

Darüber hinaus hat der Kläger noch weitere Dokumente eingereicht, die bele-

gen, dass Professor Schlink bzw. Dr. Hohmann auch später noch in die Erstel-lung der von der Beklagten in den folgenden Rechtsstreiten eingereichten Schriftsätze eingebunden waren (Anlage BK 99), so dass von deren Unabhän-gigkeit schwerlich ausgegangen werden kann.

Für den Unterzeichner ist damit durchaus und nicht nur ansatzweise nachvoll-

ziehbar dargetan, dass der Kläger Zweifel daran äußert, dass es sich um ein unabhängiges Gutachten handelte und auch insoweit eine Treuepflichtverlet-zung geltend macht, als er auch hier nicht über die internen Vorgänge, die ja zuvörderst den Verlag betrafen, informiert wurde. Mit anderen Worten: Der seitens des Berufungsgerichts vermisste Ansatz liegt in einem neuerlich über-gangenen Dokument, nämlich den Anlagen K 90 und BK 99. Auch den Kern des Tatsachenstoffes (Gutachten von der Beklagten und nicht von einem un-abhängigen Gutachter erstellt, zudem noch unter Beeinflussung des Ergebnis-ses) hat das Berufungsgericht nicht erwogen, sondern sich allein auf die Aus-einandersetzung des Tatsachenvortrages zu dem Vermerk Dr. Hohmann be-schränkt (Anlage K 88, 89). Insoweit führt das Gericht im Übrigen nicht ein-mal ansatzweise aus, inwiefern die rechtliche Bewertung von Herrn Dr. Hoh-mann „ersichtlich unvollständig“ gewesen und er von „falschen Prämissen“ ausgegangen sei. Auch aufgrund dieser neuerlich zu Lasten des Klägers er-folgten selektiven Auswahl aus den (zugegeben: zahlreichen) Dokumenten ist von einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG auszugehen. Das Berufungsur-teil beruht auf dieser Gehörsverletzung: Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht, hätte es auch das Schreiben vom 12. Oktober 1995 (Anlage 90) und vom 20. Oktober 1995 (Anlage BK 99) zur Kenntnis genommen, die Vorgän-ge um das Gutachten Schlink abweichend beurteilt und eine Treuepflichtver-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

146

letzung angenommen hätte. ee) Ähnlich stellt sich die Situation dar, soweit das Berufungsgericht meint, die

Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die UK zur Anfertigung des Ver-merks vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 97) gebracht, sei haltlos (BU 37 Abs. 4). Warum diese Behauptung „haltlos“ sein soll, erläutert das Gericht nicht und verzichtet auch auf eine Auseinandersetzung mit den hierzu vorgelegten Unterlagen und dem insoweit gehaltenen Vortrag zu dessen Genese. Die UK hat unter dem 9. Oktober 1995 (Anlage K 97) einen Vermerk verfasst, der die Brisanz der aktenkundigen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der UK in den Vorjahren als „sekretariatsinterne Rechtsmeinung“ und „unzutref-fende Würdigung des Abkommens vom 13. Dezember 1963“ verringern sollte. Dieser Vermerk wurde unmittelbar als Reaktion auf die Schreiben der Pro-zessbevollmächtigten der Beklagten vom 6. Oktober 1995 (Anlage K 95) und der Beklagten selbst vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 96) verfasst. Zur Ver-deutlichung sei nochmals wiedergegeben, was die damaligen Prozessbevoll-mächtigten der Beklagten an diese schrieben (Anlage K 95, Schr. v. 6.10.1995):

„Sehr geehrte Herren, nunmehr liegt mir die Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt Schrader vor, mit der dieser Aktenauszüge aus dem Registerge-richt vorgelegt hat, die vermutlich aus den Verwaltungsvorgängen stammen, die von der Unabhängigen Kommission in dem Verfah-ren um die Zustimmung zur Veräußerung der Geschäftsanteile dem Verwaltungsgericht vorgelegt wurden. Nach diesen Vermer-ken hat die Unabhängige Kommission, und zwar insbesondere die Herren Kunzmann (?), Hingst und Berger, in den Jahren 1991 bis 1993 eigene Ermittlungen zum Schicksal des Aufbau-Verlages durchgeführt und hierzu u.a. Mitarbeiter des Aufbau-Verlages be-fragt. Das Ergebnis dieser „Recherchen“ sowie deren Vorlage im jetzigen Verfahren wird uns mit Sicherheit entgegengehalten wer-den. Angesichts dessen erlaube ich mir – wie bereits mit Herrn Beime-sche in Bezug auf das landgerichtliche Verfahren erörtert – die An-frage, ob nicht die Möglichkeit besteht, eine Stellungnahme der Unabhängigen Kommission zu erhalten, aus der sich ergibt, dass die damaligen Erkenntnisse nur vorläufige waren, oder die die nun vorgelegten Aktenauszüge in sonstiger Weise relativieren.“

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

147

Die Beklagte hat daraufhin unter dem 9. Oktober 1995 (Anlage K 96) ein

Schreiben verfasst, in dem die Prozessbevollmächtigten gebeten wurden, des-wegen mit der UK Kontakt aufzunehmen und dabei vor allem darauf abzustel-len, dass Herr Berger eine „Privatmeinung“ vertreten habe. Folgsam hat Herr Berger offensichtlich ohne jegliche weitere Überprüfung ebenfalls unter dem 9. Oktober 1995 den als Anlage K 97 vorgelegten von seinen früheren Fest-stellungen diametral abweichenden Vermerk verfasst („sekretariatsinterne Rechtsauffassung“). Der Kläger hat Herrn Berger zum Beweis dafür angebo-ten, dass die Meinungsäußerungen der UK, wie in den vorangegangenen Ver-merken niedergelegt, keine „unkontrollierten Einzelaktionen“ waren (Ss. v. 29.12.2009, S. 168, GA I 167 Beweisangebot Zeugnis Berger).

Auch hier ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie das Gericht zu der An-

sicht gelangt, der Vorwurf sei haltlos und entbehre jeglicher sachlichen Grund-lage: Eine solche Ansicht kann nur vertreten werden, wenn man die Befassung mit den Dokumenten Anlage K 95 bis K 97 völlig verweigert, so dass auch in-soweit die Gehörsverletzung auf der Hand liegt. Zeitgleich haben die Behör-den im Parallelkomplex zur Feststellung des Eigentümers des Grundstücks Französische Straße 33 mit dem als Anlage K 92 vorgelegten Vermerk der UK vom 4. Oktober 1995 versucht, eine ihnen günstigere Aktenlage zu schaffen (Gesprächsnotiz UK Herr Berger: „Habe Herrn Heimburger auf Prozessrisiko Lunkewitz ./. BVS hingewiesen. Habe mit ihm vereinbart, dass ich nur zur Frage 1.) Stellung nehme (Eigentumserwerb 66) und die weiteren Fragen rei-ne Rechtsfragen außerhalb der Zuständigkeit der UK sind. 1.) Herr Bennewitz z.K. 2.) Zum Vorgang BE 4/10“.; gegen BU 38 Abs. 1).

V. Das Berufungsgericht und der Bundesgerichtshof verletzen den Kläger weiter

in seinen Verfahrensgrundrechten (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, all-gemeiner Justizgewährungsanspruch), soweit das Berufungsgericht auf BU 38 Abs. 3 bis BU 39 Abs. 4 Ansprüche aus § 826 BGB und auf BU 39 Abs. 5 bis 40 Abs. 4 Ansprüche aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG verneint.

1. Soweit es um Ansprüche aus § 826 BGB geht, meint das Berufungsgericht, die

Beklagte habe schon keine nachvertraglichen Pflichten verletzt, erst recht aber

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

148

könne nicht angenommen werden, dass sie in sittlich anstößiger Weise Interes-sen des Klägers zugunsten ihrer eigenen Interessen missachtet habe und es da-bei zumindest billigend in Kauf nahm, dass hierdurch eine Schädigung eintre-ten werde (BU 39 Abs. 3). Der Kulturbund habe einem Verkauf des Verlages zugestimmt und Restitutionsansprüche angemeldet und die SED/PDS habe die Verlage mit Protokoll vom 14.3./2.4.1990 (Anlage K 35) in Volkseigentum überführt. Damit seien aus Sicht der Beklagten die Rechte der möglichen Alt-eigentümer gewahrt gewesen und es habe kein Grund zu der Annahme bestan-den, dass ihr Handeln möglicherweise einen Schaden herbeiführen könne. Die Beklagte hatte bereits vor dem Verkauf der Verlage festgestellt, dass die Resti-tutionsansprüche des Kulturbundes – wenn auch nur mangels Enteignung – nicht bestanden. Sie hat danach vorsätzlich und in Schädigungsabsicht die Vermögensinteressen des von ihr treuhänderisch verwalteten Kulturbunds ver-letzt, indem sie das ihm tatsächlich unverändert zustehende Eigentum am Auf-bau-Verlag nicht sicherte, sondern den Verlag unberechtigt an Dritte übergab und diese Umstände dem Kulturbund verheimlichte.

a) Entgegen dieser Ausführungen stehen dem Kläger auch Ansprüche aus § 826

BGB zu. Wie dargelegt, hat die Beklagte vorsätzlich nicht über die bei ihr nachweislich vorhandenen Zweifel und Kenntnisse aufgeklärt und darüber hinaus durch aktive Täuschung zu der neuerlichen Übertragung der Anteile in dem Vertrag vom 24. November 1992 veranlasst. Ihr Handeln erfolgte späte-stens ab dem 9. Februar 1994 (Anlage K 75, Vermerk vom 11.2.1994 zu der Besprechung vom 9.2.1994) nachweislich ausschließlich vor dem Hintergrund, die Frage der Wirksamkeit als Internum zwischen der Beklagten und der UK zu behandeln und allein zwischen den Behörden auszumachen, wohin der er-zielte Kauferlös fließen sollte (im Übrigen sprechen für eine noch frühere Kenntnis und Intention der Beklagten deren Schreiben vom 29. Oktober 1991 [Anlage K 52], die Feststellungen der UK im Dezember 1992 [Anlage K 71] und Februar 1993 [Anlage K 70] sowie die Schreiben der UK vom 10. März 1992 [Anlage K 72] und 21. Juni 1993 [Anlage K 73] und der als Anlage NZBB 8 vorgelegte Auszug aus dem Handbuch DDR des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen, 2. Aufl. 1979, S. 1132, dessen Inhalt zwischen den Parteien – soweit ersichtlich – unstreitig ist). Zwar bestand Einigkeit zwi-schen Treuhand und UK darüber, dass die Aufbau-Verlag GmbH nur eine vermögenslose leere Hülle darstellte, gleichwohl teilte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 1994 mit, dass sie ihren Verpflichtungen aus den Verträgen vom 18. und 27. September 1991 – wie indes nicht – nachgekom-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

149

men sei. Damit ist nicht nur vorgetragen und nachgewiesen, dass die Beklagte ihre Kenntnisse ebenso wie die in Bezug auf die Plusauflagen und die Form-nichtigkeit der Verträge (vgl. hierzu insbesondere die Anlagen K 66 und K 67) vorsätzlich verheimlichte, sondern auch, dass sie dies in sittenwidriger Schä-digungsabsicht tat.

b) Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist vorliegend dadurch belegt, dass die Be-

klagte die vereinnahmten Gelder sichern, sich der Problematik der Plusaufla-gen und den sonstigen Existenzgefährdungen des Verlages entziehen sowie die Schadensersatzansprüche der Käufer vereiteln und die Aufbau-Verlag GmbH weiterhin im Unklaren lassen wollte, anstatt insbesondere ihre nachwirkenden vertraglichen Aufklärungspflichten zu erfüllen ([Vermerk Hohmann, abwei-chender Inhalt „unabhängiges“ Gutachten Schlink],; [Relativierung der Akten-vermerke als „sekretariatsinterne Rechtsauffassung“] auf Veranlassung der Prozessbevollmächtigten und der Beklagten]; Versuch, Veräußerung des Auf-bau Verlages 1945 und des Verlagsvermögens vom Kulturbund am Lunkewitz zu verhindern und Einsicht in die dort getroffene Ergänzungsvereinbarung vom 28.2.1995 zu erhalten, indem nunmehr behauptet wurde [Anlage K 112], der Aufbau-Verlag habe zweifellos zum Altvermögen [!] des Kulturbundes ge-hört, so dass es der Zustimmung der Treuhandanstalt zur Veräußerung bedür-fe; zur Kenntnis der Plusauflagen-Problematik zudem Ss. v. 29.12.2009, S. 62 ff, GA I 62 ff; statt den zu den Komplexen Gutachten und Relativierung der Aktenvermerke gehaltenen Vortrag substantiiert zu bestreiten, hat die Beklagte im Wesentlichen und der Substanz der Vorwürfe unangemessen versucht, die-sen Vortrag als bloße „Verschwörungstheorie“ bzw. als „haltlose Vorwürfe“ zu disqualifizieren).

c) Die Verneinung des Anspruchs aus § 826 BGB verstößt nach allem gegen

Art. 103 Abs. 1 GG: aa) Der Vermerk vom 11. Februar 1994 (Anlage K 74) verdeutlicht zum einen den

Kenntnisstand der Beklagten im Februar 1994, zum anderen auch ihr erklärtes Ziel, die Aufbau-Verlag GmbH, die Investoren und den Kläger ebenso wie den Kulturbund an diesen Kenntnissen nicht teilhaben zu lassen (Internum) und die erzielten Erlöse für sich zu behalten, ohne sich andererseits darum zu be-mühen, den Käufern die ihnen gebührende Rechtsstellung zu verschaffen und dem Kulturbund das ihm zustehende Vermögen zu sichern. Dies lässt sich schlicht nicht rechtfertigen, nachdem die Treuhand und die UK als Behörden

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

150

wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen hatten; indem sie dies wissentlich nicht taten, müssen sie sich den berechtigten Vorwurf einer vorsätzlich und sittenwidrigen, da allein von fiskalischen Erwägungen geleiteten, Schädigung der Aufbau-Verlag GmbH, der Investoren und des Klägers und auch des Kul-turbundes gefallen lassen. Das verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die beson-deren Umständen, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass das Beru-fungsgericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat, liegen darin begründet, dass dieses wie zuvor dargelegt, die entscheidenden Dokumente und den hierzu gehaltenen Vortrag nicht bzw. nur selektiv würdigt. Tatsäch-lich war die Beklagte gerade in Anbetracht des mit dem Vermerk vom 11. Fe-bruar 1994 dokumentierten Gesprächsinhaltes vom 9. Februar 1994 zu einem Hinweis verpflichtet.

bb) Aber auch soweit der Kläger dargelegt hat, dass die Beklagte sowohl das ver-

meintlich „unabhängige“ Gutachten Schlink als auch den Vermerk vom 11. Februar 1994 (Anlage K 75) in den Rechtsstreiten mit den Käufern bei Gerich-ten vorgelegt hat (vgl. Anlage K 100, S. 16 Abs. 1, Urt. v. 5.5.1998 – 14 U 856/96), ohne den Hintergrund des Zustandekommens offen zu legen, belegt dies den klägerseits erhobenen Vorwurf des Vorsatzes und der Sittenwidrig-keit.

cc) Schließlich hätte das Berufungsgericht in seine Erwägungen mit einstellen

müssen, dass die Käufer und der Kläger der neuerlichen Übertragung der Ge-schäftsanteile in der Vereinbarung vom 24. November 1992 (seitens der Be-klagten mit der Intention, den erkannten Formfehler der Verträge aus dem September 1992 zu heilen, vgl. Anlage K 67, S. 4 unten, 5 Abs. 1) nur zuge-stimmt haben, weil die Beklagte behauptete, Teile der Käufer hätte die Sitten-widrigkeit dieser Verträge behauptet. Auf die bisherigen Ausführungen darf ich zur Vermeidung von Wiederholungen und Längen verweisen. Auch hier sind die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderlichen subjektiven Merk-male evident und hat das Berufungsgericht auch diesen Vortrag unter Verlet-zung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Beklagte fürchtete, der Kläger könne sich in den dräuenden Rechtsstreitigkeiten auf die Nichtig-keit der Verträge vom September 1991 berufen und die Beklagte deshalb nach ihrer Einschätzung dringend darauf angewiesen war, die Geschäftsanteile ein weiteres Mal zu übertragen (hierzu Anlage K 66, Vermerk der Beklagten v. 20.1.1993, S. 2 unter Ziff. 6: „In den nachfolgenden Verhandlungen war die

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

151

THA in einer schlechten Verhandlungsposition, da sie inzwischen die Nichtig-keit der Verträge erkannt hatte und befürchtete, Lunkewitz würde sich auf die-se Nichtigkeit berufen. (...) Der unter 6. skizzierte Vergleich wurde (...) notari-ell beurkundet, wodurch auch die Nichtigkeit der vorherigen Verträge geheilt wurde.“). Auch den Inhalt dieses Vermerks stellt das Berufungsgericht in sei-ne Erwägungen nicht ein (Art. 103 Abs. 1 GG).

dd) Entgegen BU 40 Abs. 3 wusste die Beklagte bei Vertragsschluss auch durch-

aus, dass sich ihre Inhaberschaft an den Verlagen und deren Privatisierungsfä-higkeit gemäß TreuhandG keineswegs bereits aus der Eintragung in HRC er-gab, weil dort auch OEBe eingetragen werden konnten (vgl. hierzu Anlage B 21, S. 6 Abs. 2 f), zumal beide Verlage im HRC ohne den für volkseigene Be-triebe zwingend gesetzlich vorgeschriebenen Namensbestandteil „VEB“ ein-getragen waren.

2. Die Beklagte haftet in Ansehung vorstehender Ausführungen auch nach § 839

BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, was das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundrechte des Klägers verkennt.

a) Unabhängig davon, ob die Beklagte bei der Privatisierung nicht in Ausübung

eines öffentlichen Amtes gehandelt hat, sondern in den flexiblen Formen des Privatrechtes, hat sie jedenfalls in Zusammenhang mit dem Auskunftsersuchen des Klägers vom 29. Dezember 1993 und ihrem Antwortschreiben vom 11. Februar 1994 (Anlage K 76) ersichtlich in Ausübung ihres öffentlichen Amtes gehandelt und eine drittbezogene Amtspflicht, nämlich die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Informationserteilung verletzt (vgl. BGH, Senatsurt. v. 5.5.1994, III ZR 28/93, NJW 1994, 2087/2090, juris-Tz. 43). Diese Amts-pflicht hat sie, wie der Vermerk vom 11. Februar 1994 über die Besprechung vom 9. Februar (Anlage K 75) eindrücklich zeigt, vorsätzlich verletzt. Die Amtspflicht zur richtigen, klaren und vollständigen Auskunftserteilung be-stand dabei vorliegend auch gegenüber der Aufbau-Verlag GmbH und dem Kläger, da die Auskunft gerade von diesem beantragt (Anlage K 74) und in ih-rem und seinem Interesse erteilt wurde. Danach ist der hieraus entstandene Schaden, der auch noch nach der Amtspflichtverletzung vom 11. Februar 1994 entstanden ist, von der Beklagten zu ersetzen. Das Berufungsgericht setzt sich mit diesem Aspekt des geltend gemachten Amtshaftungsanspruch und dem Tatsachenvortrag des Klägers hierzu auf BU 40 nicht auseinander; erneut hat es den insoweit gehaltenen klägerischen Tatsachenkernvortrag nicht zur

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

152

Kenntnis genommen, sondern sich allein auf die Vorwürfe in Zusammenhang mit der fehlgeschlagenen Privatisierung bezogen. Dies aber ist „ein anderes Paar Schuhe“. Aus BU 40 Abs. 4 folgt nichts Anderes daraus, dass sich nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Nebenpflichten eines Ver-tragsverhältnisses allein nach Privatrecht zu beurteilen sind, wenn die Haupt-leistungspflichten sich nach diesem beurteilen. Vorliegend handelt es sich um einen deliktischen Vorwurf in Zusammenhang mit nachwirkendem Verhalten der Beklagten, so dass der Sachverhalt schlicht nicht vergleichbar ist. Das Be-rufungsgericht verletzt somit Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

b) Das Bundesgerichtshof hätte in dem Zusammenhang aber auch für den Kläger

die Revision zulassen müssen, die für den Kläger Erfolg gehabt hätte, da ihm hierauf die geltend gemachten Amtshaftungsansprüche zuerkannt hätten wer-den müssen. Dann aber hat der Bundesgerichtshof ihm ohne Rechtfertigung den allgemeinen Justizgewährungsanspruch schuldig gemacht.

Mit der Revision hätte die Ansicht des Berufungsgerichts korrigiert werden

müssen, dass der Vorgang der Erfassung der den §§ 1 Abs. 4, 11 TreuhG un-terliegenden Wirtschaftseinheiten untrennbar mit dem Privatisierungsauftrag verknüpft und daher dem privaten Rechts zuzuordnen sei (BU 40 Abs. 3):

aa) Dies kann jedenfalls dann nicht zutreffen, wenn – wie vorliegend – die beklag-

te Treuhandanstalt nachweislich Zweifel daran hatte, dass die umzuwandelnde Gesellschaft in Volkseigentum stand und nicht der treuhänderischen Verwal-tung nach dem PartG DDR zu unterwerfen war. Hier ergeben sich Überprü-fungspflichten, die sich gerade nicht aus dem Privatisierungsauftrag, sondern den sich aus §§ 20a und 20b PartG DDR ergebenden Pflichten ableiten. Der vorliegende Sachverhalt hätte dem Bundesgerichtshof danach Anlass zur Fort-bildung des Rechts, nämlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Senatsurteil vom 11. März 2005 (III ZR 90/03, BGHZ 158, 253 ff, juris-Tz. 19) gegeben. Es wird klar auszusprechen sein, dass die Treuhandanstalt, wenn sie Zweifel daran hatte oder haben musste, ob eine Vermögensübertragung nach TreuhG oder eine Vermögensverwaltung auf Grundlage der §§ 20a oder 20b PartG DDR zu erfolgen hatte, in Ausübung ihres öffentlichen Amtes ent-sprechende Feststellungen treffen musste. Sind diese Feststellungen (wie vor-liegend) unterblieben oder falsch, so findet § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG Anwendung (gegen BU 40). Die Einordnung dieser Prüfung als hoheitlich oder nicht hoheitliches Handeln kann nicht davon abhängen, zu

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

153

welchem Ergebnis die Beklagte hierbei laut ihrer Erklärungen nach außen ge-langt ist. Bei konsequenter Anwendung der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung wäre die Prüfung der Eigentumsverhältnisse selbst dann als privat-rechtlich zu qualifizieren, wenn letztlich festgestellt wird, dass es sich um ei-nen der zwangsweisen, treuhänderischen und damit hoheitlichen Verwaltung unterliegenden Gegenstand in Organisationseigentum handelt, nur weil zeit-weise eine Privatisierung nach dem TreuhG im Raum stand bzw. im An-schluss daran wider besseren Wissens praktiziert wurde.

bb) Darüber hinaus ist nicht bereits deshalb eine Amtspflichtverletzung auszu-

schließen, weil die Zielrichtung des Handelns der Beklagten subjektiv auf eine Privatisierung gerichtet gewesen sein mag; richtigerweise hätte sie allerdings gar nicht von einer Privatisierung nach TreuhG, sondern einem Fall aus dem Anwendungsbereich des PartG DDR ausgehen müssen. Die Beklagte nahm 1991 fortbestehendes Parteieigentum sowie eine hohe Wahrscheinlichkeit fortbestehenden Organisationseigentums des Kulturbundes am Aufbau-Verlag an. Bereits in der falschen Wahl der Handlungsform liegt eine – auch schuld-hafte, da für die Beklagte bei sorgfältiger Prüfung erkennbare – Amtspflicht-verletzung. Auch deshalb hätte demnach die Revision zur Fortbildung des Rechts gelassen werden müssen. Eine etwa bestehende Amtspflicht wäre je-denfalls gegenüber den Käufern und dem Kläger drittwirkend.

cc) Aus abgetretenem Recht des Kulturbunds hat der Käufer Anspruch auf Scha-

densersatz wegen vorsätzlicher Amtspflichtverletzung. Alle die vom Kläger vorgetragenen Erkenntnisse zum Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag hätte die Beklagte unverzüglich dem von ihr treuhänderisch verwalte-ten Kulturbund offenbaren und dessen Vermögen sichern müssen.

VI. Das Berufungsgericht verneint auf BU 40 Abs. 5 bis 43 Abs. 1 Ansprüche in

Bezug auf die Anträge zu A II 1 und 2 /Rütten & Loening). Soweit es dies in der Annahme tut, es sei nicht ausgeschlossen, dass die im Handelsregister un-ter der Bezeichnung Rütten & Loening GmbH eingetragene Gesellschaft nicht Rechts- und Vermögensnachfolger der 1952 Berlin-Ost gegründeten Rütten & Loening GmbH geworden sei, gelten die obigen Ausführungen unter C. II. entsprechend (gegen BU 41 Abs. 1 bis Abs. 3). Dass die Volk & Welt GmbH

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

154

in Parteieigentum stand, ändert nichts an ihrem und dem Miteigentum ihrer Mitgesellschafter bei Rütten & Loening, ebenso wenig an etwa fortbestehen-den Rechten der ursprünglichen Eigentümer bzw. deren Erben. Soweit das Be-rufungsgericht auch insoweit Aufklärungs-, Hinweis- und Treuepflichtverlet-zungen verneint, gelten die Ausführungen unter C. IV. entsprechend (gegen BU 41 Abs. 3):

1. Der Kläger hat zur Eigentumslage in Bezug auf den Verlag Rütten & Loening

1844 insbesondere mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 (S. 41 ff, GA III 592 ff) sowie mit seiner Berufungsbegründung vom 12. Januar 2012 (S. 50 ff, GA VII 1673 ff) vorgetragen. Danach stand der Verlag nicht in Volkseigentum, sondern im Eigentum der Gründungsgesellschafter der Rütten & Loening GmbH nach dem Gesellschaftsvertrag vom 24. März 1952 (Anlage K 165). Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass wegen der Nichtigkeit des Zwangsverkaufs im Jahre 1936 die ursprünglichen Gesellschafter der Rütten & Loening OHG ihre Eigentumsrechte an dem Verlag nicht verloren haben und das Verlagsvermögen seit dem 3. Oktober 1945 aufgrund eines Befehls der russischen Militärverwaltung zwangsverwaltet wurde. Damit aber konnte Rütten & Loening 1990 nicht Rechts- und Vermögensnachfolgerin von Rütten & Loening 1844 werden, da die Beklagte die Geschäftsanteile weder verkau-fen noch abtreten konnte, nachdem die Voraussetzungen der §§ 1, 11 TreuhG nicht vorlagen. Die Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsverträge sind im Sinne einer Junktimklausel (Ziff. 9.2 des Vertrages vom 18. September 1991) miteinander verbunden. Schon aufgrund dieser Junktimklausel ist die Situation Rütten & Loening von Relevanz für den bei dem Kläger eingetretenen Ver-mögensschaden (gegen BU 41 Abs. 5 bis 21 Abs. 2).

2. Soweit das Berufungsgericht auf BU 42 Abs. 3, 43 Abs. 1 zum Urteil des

Bundesgerichtshofs vom 16. März 2012 (V ZR 279/10, Anlage BK 64, GA IX 2173 ff, NJW 2012, 1796 ff) ausführt, dieses sei im Streitfall nicht anwendbar, da für einen aus Eigentum abgeleiteten dinglichen Anspruch der Erben auf Herausgabe verschollener beweglicher oder unbeweglicher Sachen im Streit-fall nichts ersichtlich sei, übergeht das Berufungsgericht entgegen Art. 103 Abs. 1 GG die den zu einer Liquidationsgesellschaft verbundenen Alteigentü-mern bzw. ihren Erben zustehenden Verlagsrechte insbesondere an der Firma Rütten & Loening und einzelnen Büchern (gegen BU 43 Abs. 1). Das Beru-fungsgericht legt nicht dar, weshalb die Grundsätze des Urteils vom 16. März 2012 auf derartige Rechte nicht anwendbar sein sollen. Insoweit hätte der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

155

Bundesgerichts daher die Revision zulassen müssen.

VII. Das Berufungsgericht führt auf BU 43 bis BU 46 Abs. 1 aus, dass das Landge-

richt zu Recht die Unbegründetheit des Feststellungsantrags unter A III (Nich-tigkeit) angenommen habe.

1. Die Verträge vom 18.9./27.9.1991 und 23./24.11.1992 seien nicht nach § 306

BGB a.F. nichtig (BU 43 Abs. 3) und auch nicht aus sonstigen Gründen (BU 43 Abs. 5 [Beklagte nicht als unzuständige Behörde], BU 43 Abs. 6 bis 44 Abs. 1 [keine Nichtigkeit wegen Fehlens einer innerbehördlichen Zustim-mung], BU 44 Abs. 2 [keine Nichtigkeit wegen fehlender Zustimmung der UK], BU 44 Abs. 3 bis 46 Abs. 3 [keine Nichtigkeit nach §§ 123 Abs. 1 142 Abs. 1 BGB], BU 46 Abs. 4 bis 5 [keine Nichtigkeit wegen Beurkundungs-mängeln] und BU 46 Abs. 6 bis 47 Abs. 1 [keine Nichtigkeit wegen etwaiger Beurkundungsmängel aufgrund Heilung]).

2. Auch mit diesen Ausführungen werden Verfahrensgrundrechte des Klägers

verletzt: a) Die Feststellungsklage ist danach bereits insoweit und entgegen der Ansicht

des Berufungsgerichts begründet, als die Vereinbarung, wie unter C. III. aus-geführt, nach § 306 BGB a.F., § 139 BGB nichtig ist. Auf die dortigen Aus-führungen darf ich zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen. Die dort geltend gemachte Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Klägers gilt auch hier.

b) Das Feststellungsbegehren ist darüber hinaus auch begründet, soweit der Klä-

ger die Nichtigkeit auf § 142 Abs. 1 BGB und eine arglistige Täuschung durch die Beklagte über die Plusauflagen Problematik und die auf deren Verschwei-gen zurückgehenden Anfechtungserklärungen der BFL und des Klägers stützt (gegen BU 44 Abs. 3 ff, Anfechtung vom 26.6.2007, Anlage K 60). Das Beru-fungsgericht meint, der Vortrag des Klägers sei nicht nachvollziehbar und stütze sich allein auf den Vermerk der Polizei vom 2. Oktober 1991 (Anlage K 49, BU 44 Abs. 4). Diesem indes sei nicht zu entnehmen, über welche Kennt-nisse der Plusauflagen Problematik die Beklagte verfügt haben solle (BU 45

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

156

Abs. 1). Dem Vorlageantrag mit Schriftsatz vom 6. Juni 2013 sei nicht nach-zukommen, da dieser auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufe (BU 46 Abs. 2). Mit dieser Würdigung übergeht das Berufungsgericht zum einen den klägerischen Vortrag zur Funktion der Stabsstelle, zum anderen übergeht es, dass die SED/PDS zum Zeitpunkt der Durchsuchung unter der treuhänderi-schen Verwaltung der Beklagten stand.

Damit aber verletzt das Berufungsgericht das rechtliche Gehör des Klägers

(Rüge aus Art. 103 Abs. 1 GG) und auch Art. 3 Abs. 1 GG: aa) Der Kläger hat nicht nur vorgetragen, dass Herr Dr. Richter den Ermittlungs-

behörden mitgeteilt habe, der Aufbau-Verlag stehe unmittelbar vor dem Ver-kauf und es drohe Beweismittelverlust, was impliziert, dass er von dem Ge-genstand der Ermittlungen zumindest in groben Zügen gewusst haben muss, weil er solche Prognosen anderenfalls gar nicht hätte anstellen können. Der Kläger hat darüber hinaus vorgetragen, dass die Treuhand, nämlich Herr Dr. Richter als Leiter der Stabsstelle „Besondere Aufgaben“, die sich gerade mit Regierungskriminalität beschäftigte, bereits unmittelbar nach dem Auffinden des Schreibens vom 28. November 1989 (aus dem sich die Problematik der Plusauflagen (dort: Auflagenerhöhungen seit Mitte der 60er Jahre, die nicht Gegenstand der Lizenzverträge mit Partnern im NSW waren und Abführung der zusätzlichen Gewinne [nicht gezahlte Lizenzgebühren] für die Partei; An-lage K 49), also unmittelbar nach dem 20./28. August 1991 (Durchsuchungs-maßnahmen in dem Büro des Finanzverwalters der PDS, Dr. Pelikan, zu einem Zeitpunkt, als die SED/PDS unter der treuhänderischen Verwaltung durch die Beklagte stand) von den Ermittlungsbehörden informiert wurde (Ss. v. 29.12.2009, S. 63, GA I 63, Beweis Zeugnis Dr. Richter, Ss. v. 6.6.2013, S. 25 ff, GA VIII 2062 ff). Der Kläger hat darüber hinaus die besondere Funktion – Direktorat Recht, Leiter der Stabsstelle für Besondere Aufgaben – dargelegt, die Herr Dr. Richter bei der Beklagten ausübte, ferner dessen enge Zusam-menarbeit mit den Ermittlungsbehörden (Ss. v. 29.12.2009, S. 66, GA I 66 vgl. auch Anlage NZBB 11: „Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 565/566: Zusammenstellung der Sachgebiete der Stabsstelle Tabelle 6, Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden als Aufgabe der Leitung der Stabsstelle, § 291 ZPO, sowie Ss. v. 6.6.2013, S. 25 ff, GA VIII 2062 ff). Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die Beklagte intern Schadensberech-nungen erstellt, die bei etwa 30 Millionen DM lagen (Ss. v. 29.12.2009, S. 64, GA I 64) und auch diese internen Berechnungen nicht, insbesondere nicht vor

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

157

Abschluss der Verträge vom September 1991, oder auch nur später vor dem 24. November 1992 an die Käufer weitergab. Selbst nach Bekanntwerden der Plusauflagen-Problematik für die Käufer infolge der Durchsuchungen vom 7. Oktober 1991 gingen diese zunächst nur von Schäden in geringer Höhe aus. Erst im Laufe des Jahres 1992 erhöhten sich die Schadenserwartungen auf ca. 8 Millionen DM ohne Zinsen (Ss. v. 29.12.2009, S. 97 Mitte, GA I 97 Mitte, Anlage K 63).

bb) Vor diesem Hintergrund erfolgte der Vortrag des Klägers über die Bösgläu-

bigkeit der Beklagten seit Ende August 1991 nach Maßgabe der vom Bundes-gerichtshofs in seinem Beschluss vom 2. April 2009 (V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236, Tz. 11) aufgestellten Grundsätze keinesfalls ins Blaue hinein. Auch diese Grundsätze hat das Berufungsgericht (unabhängig von seinen feh-lerhaften Ausführungen dazu, dass eine Vorlageanordnung einer unzulässigen Ausforschung gleichkäme) verkannt und dem Kläger hiermit sein rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG versagt. Zugleich stellt das Berufungsgericht den impliziten Rechtssatz auf, dass ein substantiierter Beweisantrag zur Ver-nehmung eines Zeugen voraussetze, dass sich der Beweisführer darüber äu-ßert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeu-gen gestellten Behauptungen hat (BU 45 Abs. 1). Das Gegenteil ist der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 ff, Rn. 44). Das Berufungsurteil beruht damit innerhalb eines Gehörsverstoßes zugleich auf ei-nem symptomatischen Rechtsfehler, der die Zulassung der Revision zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich gemacht hätte.

cc) Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die Beklagte ihm und den übrigen

Käufern gegenüber stets behauptete, von der Plusauflagen-Problematik erst durch die Durchsuchung vom 7. Oktober 1991 Kenntnis erlangt zu haben (hierzu insbesondere Anlage K 60, S. 8 Abs. 2). Dies war nachweislich falsch (Anlage K 60, S. 8 Abs. 3). Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass – hätte die Beklagte die Plusauflagen-Problematik vor Abschluss der Verträge vom Sep-tember 1991 bekannt gemacht – der Aufbau-Verlag unverkäuflich gewesen wäre und nach Lage der Dinge davon auszugehen war, dass der Verlag unter der Last der Aufdeckung zusammenbrechen würde. Dies wäre dann unter der politischen und ökonomischen Verantwortung der Beklagten erfolgt, was es aus deren Sicht unbedingt zu verhindern galt.

dd) Der Kläger hat danach beweisbewehrt (Ss. v. 29.12.2009, S. 63, GA I 63,

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

158

Beweis Zeugnis Dr. Richter) vorgetragen, dass die Beklagte früher als behaup-tet Kenntnis von der Problematik der Plusauflagen an sich hatte und dass der Verlag nicht an die Käufer hätte veräußert werden können, wenn sie diese Kenntnis offenbart hätte, selbst wenn die rechtliche Möglichkeit bestanden hätte. Er hat weiter vorgetragen, dass die Beklagte die Aufklärung nur deshalb unterließ, um den Verlag verkaufen zu können (vgl. hierzu auch: Anlage K 54, Zustimmungsersuchen Molinari; eilbedürftig, da „das nächstbeste Gebot um 4 Mio schlechter als das Ihnen vorliegende ist, monatlich weitere Verluste über 500.000 DM drohen und sich die Situation aufgrund der zur Zeit laufenden Frankfurter Buchmesse sowie der kurz zuvor durchgeführten gerichtlichen Hausdurchsuchungen bei mehreren Verlagen zugespitzt“ habe).

ee) Die Beklagte hat diesen Vortrag letztlich lediglich pauschal bestritten (vgl. Ss.

v. 14.3.2011, S. 10 Abs. 2: „Die Behauptung wird durch nichts belegt und ist daher zu bestreiten.“ [die Beklagte meint nachfolgend – wie dargelegt zu Un-recht – etwaige Kenntnisse von Herrn Dr. Richter seien der Beklagten ohnehin nicht zuzurechnen], GA IV 877; Ss. v. 15.5.2012, S. 35 Abs. 4, GA VIII 1909). Damit genügt sie bereits nicht den Anforderungen der (abgestuften) Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines Vorganges, der sich in ihrer ei-genen Sphäre abgespielt hat, so dass nach Ansicht des Klägers sein Vortrag als zugestanden zu behandeln wäre. Jedenfalls aber hätte das Berufungsgericht mit Vorstehendem zum einen den angebotenen Beweis Zeugnis Dr. Richter erheben, im weiteren auch die Vorlageanordnung ergehen lassen und schließ-lich erkennen müssen, dass für eine Anfechtung wegen Arglist bereits der Vortrag des Klägers ausgereicht hätte, „dass“ die Beklagte zu diesem frühen Zeitpunkt Kenntnis von der Plusauflagen-Problematik hatte und diese – trotz der erkannten Auswirkungen auf die Verkäuflichkeit der Verlage – hierüber nicht aufklärte (vgl. zur hinreichenden Substantiierung eines Beweisangebotes BGH, Urt. v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 ff, Rn. 43/44: „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die ge-setzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben. Hierbei ist es grundsätzlich unerheblich, wie wahrscheinlich das Vorbringen ist. Erfüllt das Parteivorbringen diese Anforderungen, können grundsätzlich weitere Einzel-heiten oder Erläuterungen nicht gefordert werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeu-gen nach weiteren Einzelheiten zu befragen. Ein substantiierter Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen setzt somit nicht voraus, dass sich der Beweis-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

159

führer darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen hat.“). Erneut liegt die Verlet-zung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör auf der Hand, Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht behält seine Linie bei, bei den dem Grunde nach zur Bejahung des Anspruchs des Klägers geeigneten Ausführungen, die-se nicht, nicht vollständig oder falsch zur Kenntnis zu nehmen, was – nachdem sich diese Haltung durch das gesamte Urteil zieht – im Übrigen einen selb-ständigen Willkürverstoß nach Art. 3 Abs. 1 GG begründet.

Die vom Berufungsgericht vermisste Relevanz der Bösgläubigkeit der Beklag-

ten in Bezug auf die Plusauflagen für das Zustandekommen des Vertrages vom 24. November 1992 ergibt sich im Übrigen zwanglos aus § 443 BGB a.F. So-fern die Käufer und der Kläger davon seinerzeit gewusst hätten, wäre ihnen klar gewesen, dass die in dem Vertrag vom 18. September 1991 enthaltenen Gewährleistungsausschlüsse unwirksam und sie nicht an diese gebunden wa-ren, wie sie es seinerzeit annahmen.

3. Nachdem bereits aus den vorstehenden Ausführungen heraus der Feststel-

lungsantrag zu Nr. A. III. zulässig und begründet ist, darf ich der Vollständig-keit halber darauf verweisen, dass auch die weiter vorgetragene Nichtigkeits-gründe (Formmangel, arglistiges Verschweigen des eigentlichen Zwecks beim Abschluss der Vereinbarung vom 24. November 1992, Beurkundungsmängel) von dem Kläger zutreffend dargestellt und vom Berufungsgericht auf BU 44 ff fehlerhaft verneint wurden (hierzu etwa Ss. v. 12.1.2012, S. 62 ff. GA VII 1685 ff, S. 82 ff, GA VII 1705 ff; Ss. v. 13.12.2012, S. 72 ff, GA VIII 1991 ff). Besonders eklatant, ja gerade zu willkürlich ist dies der Fall, wenn das Be-rufungsgericht im Widerspruch zu seiner Aussage, die Klage sei auch unbe-gründet, wenn man unterstelle, dass die Aufbau-Verlag GmbH i.L. nicht Rechts- und Vermögensnachfolger des Aufbau-Verlages (1945) geworden sei (BU 27 Abs. 1), die Formnichtigkeit der Verträge vom September 1991 und vom 24. November 1992 gem. § 15 GmbHG trotz unterbliebener Verlesung der Anlagen allein mit der Begründung verneint, der Beurkundungsmangel sei durch wirksame Abtretung geheilt (BU 46 f), obwohl es die vertragsgegen-ständlichen Gesellschaftsanteile an einer GmbH i.A. nach TreuhG in diesem Fall gar nicht geben konnte. Entsprechendes gilt für die vom Berufungsgericht verneinte Unzuständigkeit der Beklagten, Direktorat Privatisierung (BU 43), es sei denn, man ließe die Absicht zur Privatisierung eines Gegenstandes zu Begründung der Zuständigkeit ausreichen, auch wenn auf diesen das TreuhG

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

160

tatsächlich nicht anwendbar ist. Dass ist offensichtlich für niemanden nach-vollziehbar und verletzt Art. 3 Abs. 1 GG. Hierzu sei noch ergänzt, dass jeden-falls der Vergleichsvertrag vom 24. November 1992 darüber hinaus nach §§ 138, 779 BGB nichtig ist, da die Beklagte den Kläger (selbst wenn sie ihn nicht wegen des Grundsatzes der offenen Verständigung auf die Formunwirk-samkeit der Verträge aus dem September 1991 hätte hinweisen müssen, Nachweis hierzu Habersack, in: MünchKomm, 5. Aufl., BGB, § 779 Rn. 58 mwN) jedenfalls nicht über den wahren Anlass für die angeblich erforderliche nochmalige Übertragung der Geschäftsanteile hätte täuschen dürfen.

VIII. 1. Soweit das Berufungsgericht auf BU 47 Abs. 3 bis 48 Abs. 1 Ansprüche des

(Klägers als Rechtsnachfolger des) Kulturbundes verneint, sei hinsichtlich der Ausführungen auf BU 47 Abs. 5 (es könne nicht festgestellt werden, dass die Treuhandanstalt nicht alleinige Inhaberin sämtlicher Geschäftsanteile der „Aufbau Verlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbau“ gewesen sei), auf die Ausführungen unter II. verwiesen.

2. Soweit das Berufungsgericht weiter auf BU 47 Abs. 6, 48 Abs. 1 meint, etwai-

ge Schadensersatzansprüche würde an einem fehlenden Verschulden der Be-klagten scheitern, die davon ausgehen habe dürfen, dass die Rechte des Kul-turbundes auf Grund der angemeldeten Restitutionsansprüche gewahrt seien und es sich hierbei um eine vertretbare Rechtsauffassung gehandelt habe, übergeht das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die der Beklagten seinerzeit vorliegenden Indizien in Bezug auf die Eigentumssi-tuation, insbesondere die von Herrn Dr. Glücksmann übermittelten Informa-tionen (hierzu Ss. v. 23.1.2014, S. 10 Abs. 1, GA IX 2313, S. 14 bis 17, GA IX 2317 bis 2320 unter Bezugnahme auch auf Anlagen K 59, BK 88, BK 89 und BK 90. Erhellend insbesondere: Anlage BK 89, GA IX 2359, Schreiben des jahrzehntelangen Leiters der Arbeitsgruppe Haushalt/Finanzen des Kulturbun-des vom 21.2.1991 an die Beklagte, Dr. Glücksmann zu seiner Tätigkeit für den Kulturbund bis zur Wende: „In dieser Zeit war die Vorstellung stets, dass der Aufbau Verlag Eigentum des Kulturbundes sei. (...)“ und die Bitte der Klä-rung der Eigentumsverhältnisse durch die zuständigen Stellen. Das Schreiben endet mit den Worten: „Ich möchte gern den zuständigen Herrn Ihres Bereichs sprechen, da ich sicher noch weitere Einzelheiten darstellen kann und aus der

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

161

Sicht des Kulturbundes unbedingt jeder Verkauf vor Klärung der Eigentums-verhältnisse unterbleiben muss.“ Als Antwort erhält Herr Dr. Glücksmann un-ter dem 8. März 1991 durch die Treuhandanstalt, dort Herrn Greuner, die fol-gende Antwort: „Die Treuhandanstalt muss sich auf den Standpunkt stellen, dass die Gründung des Aufbau Verlags als GmbH i.A. rechtens ist. Eine Rückgabe an den Kulturbund ist ein Thema, mit dem ich mich nicht zu befas-sen habe.“). Auch insoweit beruht das Berufungsurteil demnach auf zulas-sungsrelevanten Gehörsverletzungen und jedenfalls das Bundesverfassungsge-richt hat sich mit diesem Vorwurf der massiven Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch die Gerichte zu befassen. Dies im Übrigen auch schon deshalb, weil in der Rechtsprechung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ohnehin anerkannt ist, dass die rechtliche Fehlbeurteilung einer bundesunmit-telbaren Spezialbehörde mit Sonder-Know-how auch durch spätere gleichlau-tende Gerichtsentscheidungen nicht exkulpiert wird (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1971 - III ZR 111/68, NJW 1971, 1699/1701 f). Dies wiederum umso weniger, wenn die besagten Gerichte – wie hier insbesondere das Kammerge-richt – ihrer Beurteilung einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt haben (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1990 – IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206/3207; Urt. v. 2.6.2005 - III ZR 306/04, NJW 2005, 3495/3497), wie es der Kläger hier im Einzelnen dargetan und belegt hat (vgl. Anlage BK 26, Ss. v. 6.6.2013, S. 7 ff., GA VIII 2044 ff).

IX. Das Berufungsgericht hat offengelassen (BU 47 Abs. 2), ob bzw. inwieweit

die Abgeltungsklausel in Ziffer 16 des Vergleichsvertrages vom 23./24. No-vember 1992 (Anlage K 10) etwaigen Schadensersatzansprüchen entgegen-stünde, so dass insoweit für die Zwecke der Verfassungsbeschwerde vom Vor-trag des Klägers und damit davon auszugehen ist, dass die Abgeltungsklausel den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegensteht (Ss. v. 13.12.2012, S. 117 f mwN, GA VIII 2035 f mwN; Ss. v. 14.2.2011, S. 95 ff, GA IV 1012 ff, Ss. v. 9.5.2011, S. 30 ff, GA V 1243 ff). Gleiches gilt für die Frage der Aktiv-legitimation (BU 48 Abs. 2, hierzu etwa Ss. v. 13.12.2012, S. 101 ff, GA VIII 2019; Ss. v. 9.5.2011, S. 21/22, GA V 1234/1235; Ss. v. 14.3.2011, S. 73 ff, GA IV 990 ff) und die Frage der Verjährung (BU 48 Abs. 2, hierzu Ss. v. 13.12.2012, S. 118/119, GA VIII 2036/2037; Ss. v. 9.5.2011, S. 32/33, GA V 1245/1246; Ss. v. 14.3.2011, S. 97 ff, GA IV 1014 ff).

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

162

X. Zusammenfassend beruht das Berufungsurteil ganz wesentlich auf entschei-

dungserheblichen Gehörsverletzungen hinsichtlich (unter anderem) folgender Dokumente

– die von Herrn Dr. Glücksmann Anfang 1991 an die Beklagte übermittelten

Informationen (Anlage BK 89),

– Arbeitsrichtlinie Nr. 3 des stellvertretenden Verlagsdirektors vom 6.1.1964 (Anlage BK 73),

– Erklärung der SED/PDS zur BARoV-Liste vom 22. Dezember 1992 (Hin-weis in Anlage K 70, Antrag nach §§ 142, 421 ZPO, Ss. v. 4.10.2010, S. 37/38, GA III 588/589, Ss. v. 29.12.2009, S. 122/123, GA I 121/122),

– Die Rechenschaftsberichte des Ministeriums für Kultur über die Verwaltung der Verlage samt Bilanzen (Anlagen K 135 bis K 144), die das Berufungs-gericht nur selektiv würdigt,

– Die Feststellungen des ZK der SED vom 12.5.1983,

– Erklärung des Parteivorstands der PDS vom 10. April 1995 (Anlage K 173, GA III 698/699), dass der Aufbau-Verlag nicht zum Eigentum der SED ge-hörte,

– DDR Handbuch des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen (2. Aufl. 1979, S. 1132, Ss. v. 29.12.2009, S. 54/55, GA I 54/55, Anlage NZBB 8),

– Vermerk vom 10. Oktober 1991 (Anlage K 55),

– Vermerk vom 22. Oktober 1991 (Anlage B 21), mit dem sich das Beru-fungsgericht nur sehr selektiv auseinandersetzt (vgl. insbes. auch Ss. v. 4.10.2010, S. 75 bis 60, GA III 608 bis 611),

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

163

– Vermerk vom 29. Dezember 1992 (Anlage K 71), insbesondere hinsichtlich der Ausführungen Arno Langes und des diesbezüglichen Vorlageantrags nach §§ 142, 421 ZPO (Ss. v. 29.12.2009, S. 124/125, GA I 123/124)

– Schreiben des Herrn Lothert an Dr. Bernd Hohmann (Anlage K 90), und insbesondere auch hinsichtlich dieser Beweisangebote

– Vernehmung des Zeugen Herrn Dr. Richter, Leiter der Stabsstelle „Beson-dere Aufgaben“ des Direktorat Recht zur Plusauflagen-Problematik (unter anderem Ss. v. 29.12.2009, S. 62 ff, GA I 62 ff),

– Vernehmung des Zeugen Regierungsrat Berger zum Zustandekommen des Vermerks vom 9. Oktober 1995 (Anlage K 97, Ss. v. 29.12.2009, S. 168, GA I 168 [„unkontrollierte Einzelaktion“, „sekretariatsinterne Rechtsauffas-sung“]),

– Vernehmung des Zeugen Herrn Lothert zum Zustandekommen des Gutach-tens Prof. Schlink in Abweichung zu dem Vermerk Dr. Hohmann (Ss. v. 29.12.2009, S. 149 f, GA I 148 f),

– Vernehmung der Zeugen Molinari, von Laer, Hingst über den Inhalt der Ge-spräche zwischen dem 7. und 11. Oktober 1991 (Ss. v. 29.12.2009, S. 72 ff, GA I 72 ff, BU 31 Abs. 2),

wobei das Berufungsurteil insbesondere auch die Rechtsprechung des

XI. Zivilsenats vom 8. Mai 2012 (XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39, [Ausforschung, Behauptung ins Blaue]) und vom 26. Juni 2007 (XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 ff, Tz. 21 [Ermessen hinsichtlich §§ 142, 421 ZPO]) in einer Weise verkennt, dass der Bundesgerichtshof auf die entsprechenden Rü-gen des Klägers die Revision hätte zulassen müssen.

Flankiert werden diese verfassungsrechtlich relevanten Verstöße von zahlrei-

chen weiteren zulassungsrelevanten Rechtsfehlern des Berufungsgerichts (et-wa zur Frage der Darlegungs- und Beweislast [Rechts- und Vermögensnach-folge Aufbau 1945 und Rütten & Loening 1844] und zur Reichweite der all-gemeinen Rechtsfortdauervermutung, Anwendbarkeit der §§ 306, 307 BGB a.F., Verneinung eines möglichen kausalen Vermögensschadens hinsichtlich

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

164

der Ansprüche aus culpa in contrahendo und weitere), wegen der der Bundes-gerichtshof die Revision hätte zulassen müssen und das Berufungsurteil hätte aufheben müssen.

Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich mit seinem Bemühen, bei den

dem Grunde nach zur Bejahung des Anspruchs des Klägers geeigneten Aus-führungen, diese nicht, nicht vollständig oder völlig falsch oder verdreht zur Kenntnis zu nehmen, insgesamt als willkürlich und gesetzesfremd,

was einen selbständigen Willkürverstoß nach Art. 3 Abs. 1 GG be-gründet.

Die außergewöhnliche Anzahl, Breite und Tiefe der offensichtlichen Verfah-

rensfehler zeigen letztlich vor allem eines, nämlich dass die Fachgerichte in der Absicht den Fiskus vor berechtigten Ansprüchen zu schützen hier in will-kürlicher Weise nach „Begründungen“ gesucht haben, um die klar vorsätzli-chen Handlungen der Treuhandanstalt nicht sanktionieren zu müssen. Diese „Begründungen“ sind jedoch mit Recht, Gesetz und Logik nicht zu vereinba-ren, sondern durchsichtig und interessengeleitet willkürlich. Es ist dem Kläger daher nicht zu verdenken, wenn er den Richtern der Fachgerichtsbarkeit auch in der Öffentlichkeit vorhält, insgeheim nur fiskalische Interessen verfolgt zu haben.

Das Bundesverfassungsgericht, das frei von solchen Erwägungen ist, wird hier einschreiten müssen.

D. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) ist in

erster Linie und zuförderst zur Durchsetzung der Rechte des Klägers auch ge-boten; die Verfassungsbeschwerde ist indes auch wegen grundsätzlicher ver-fassungsrechtlicher Bedeutung anzunehmen. Sie ist schon deswegen zur Ent-scheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVer-fGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b GG). Dies liegt hier insbesondere daran, dass die aufgezeigten Grundrechtsverstöße sowohl für die Rechtsordnung allgemein als auch für die Beschwerdeführerin von besonde-rem Gewicht sind. Da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen auch bereits – wie dargelegt (C. I.) – entschieden sind und die Verfassungsbe-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

165

schwerde – wie ausgeführt – offensichtlich begründet ist, kann auch die Kammer selbst der Verfassungsbeschwerde stattgeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung immer dann, wenn sie auf

eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung der durch ein Grundrecht gewährleisteten Schut-zes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschütz-ten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt (grundle-gend BVerfGE 90, 22).

b) Gewichtig sind die gerügten Grundrechtsverletzungen hier v. a. deshalb, weil

die Massivität der Verstöße des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wie des Bundesgerichtshofs, wie sie hier dargelegt sind, eindrücklich eine durch-weg nachlässige Auffassung von der Handhabung von Verfahrensrechten be-legt. Dies gilt umso mehr, als das Berufungsgericht ersichtlich bemüht ist, eine jede Beweisaufnahme zu vermeiden.

aa) Letzteres muss verblüffen, wenn man den Rechtsstreit auf seine Grundparame-

ter zurückführt (dazu schon oben unter A. II. 5.). Diese sind nämlich durchaus übersichtlich. Hiernach hat nämlich

– ein Verkäufer ein Recht (hier: vermeintliche Geschäftsanteile) verkauft, das

aus Rechtsgründen nicht existieren und das er deshalb auch nicht übereig-nen konnte;

– wobei insoweit zahlreiche Umstände dafür sprechen, dass der Verkäufer

zumindest (ernstliche) Zweifel darüber hatte, ob er Inhaber des Rechts (hier: der vermeintliches Geschäftsanteile bzw. des Unternehmens) ist, wenn er nicht gar wusste, dass er über keinerlei Rechtsmacht verfügt (letzteres ist hier gar unstreitig, nachdem die Treuhandanstalt jedenfalls davon ausge-gangen ist, dass das Recht bei der SED/PDS oder beim Kulturbund lag [TreuhG daher nicht anwendbar]);

– hinzu tritt, dass weitere Umstände darauf hindeuten, dass das vermeintliche

Recht (hier: die vermeintlichen Geschäftsanteile) schnellstmöglich verkauft

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

166

werden musste, da dieses mit einem empfindlichen Mangel behaftet war, weswegen es sonst unverkäuflich gewesen wäre;

– der Mangel drohte indes allgemein bekannt zu werden, was möglicherweise

zu einem erheblichen Ansehensverlust aber auch finanziellen Verlust des Verkäufers geführt hätte;

– dabei belegen die Umstände weiter, dass der Verkäufer bewusst die Un-

kenntnis des Käufers von diesem Mangel ausgenutzt hat;

– hinzu tritt weiter, dass der Verkäufer später die Umstände zu verschleiern versucht hat (wofür weitere Umstände sprechen);

– dazu auch noch in Kenntnis, dass die Käufer (hier: eine Investorengruppe)

fürderhin erhebliche Beträge in das nur vermeintlich erworbenen Recht ste-cken wird, die verloren wären, wenn herauskäme, dass diese das Recht gar nicht erworben hat;

– schließlich noch in Kenntnis des Umstands, dass die Käufer durch die ver-

tragsübliche Nutzung des (vermeintlich) erworbenen Rechts Rechte eines anderen auf Dauer kontinuierlich verletzen wird.

Es handelt sich damit eigentlich um eine fast typische Kaufvertragssituation,

in welcher der Verkäufer der – nach Vortrag des Klägers – „Böse“ (sprich: Arglistige) ist. Wäre indes in einer x-beliebigen Kaufvertragssituation wie der soeben umrissenen vergleichbarer substantiierter Sachvortrag getätigt worden, wie hier, wären zweifellos auch die angebotenen Beweise erhoben und gege-benenfalls strafrechtliche Schritte gegen Mitarbeiter der Beklagten und auch wegen ihres Vortragsverhaltens eingeleitet worden.

bb) Hier ist der Verkäufer freilich der Staat in Gestalt der Treuhandanstalt. Dabei

untersteht die Beklagte, die heute nur noch als Abwicklungsgebilde ohne eige-nes Personal besteht, dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Fi-nanzen. Es ist also letztlich das BMF, das im hiesigen Verfahren (materiell) für den geltend gemachten Schaden einzutreten hätte, und hier versucht, die Makellosigkeit der Treuhandanstalt bei der Durchführung ihrer Aufgaben zur Überwindung der deutschen Teilung mit allen Mitteln auch der direkten und indirekten Einflussnahme zu verteidigen. Dies, obwohl substantiierter, be-

Siegmann & Kollegen Verfassungsbeschwerde des Herrn Lunkewitz zum Komplex Aufbauverlag vom 28. November 2016

167

weisbewehrter Vortrag dazu angebracht worden war, dass die Treuhandanstalt bei dem Verkauf des bedeutendsten Literaturverlages der DDR gerade keine weiße Weste hatte, sondern geradezu kriminell gehandelt hat.

Dann aber befremdet es, wenn die Gerichte dem Kern des Sachvortrags aus

dem Wege zu gehen versuchen. Die Erfahrungen der deutschen Geschichte haben gelehrt, dass die Gerichte

gerade bei Vorwürfen gegen den Staat die Verfahren besonders genau und transparent führen und den Eindruck vermeiden sollten, durch – wie hier – wi-dersprüchliche, gesetzeswidrige, unlogische, tatsachenwidrige oder nur schlicht willkürliche Urteile staatlichen Fiskalinteressen den Vorrang vor dem grundgesetzlichen Schutz des Bürgers zu geben.

Es wäre ein leichtes gewesen, auch die substantiiert erhobenen Vorwürfe zu

den Kenntnissen und Täuschungshandlungen der Beklagten in dem vorliegen-den Verfahren zu klären. Wenn sie sich nicht hätten beweisen lassen, hätte der Kläger damit leben müssen; im umgekehrten Fall hätte die (ehemalige) Treu-handanstalt damit leben müssen, dass nunmehr nachgewiesen ist, dass nicht nur in einzelnen Bereichen ihres „Betriebes“ manches nicht mit rechten Din-gen zugegangen ist, wie es in anderem Zusammenhang angesichts der Er-kenntnisse verschiedener parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ohnehin schon offenbar ist, sondern dass Verstöße gegen das geltende Recht auch von der Behördenspitze selbst ausgingen, gerade eben auch in den politisch brisan-ten Fällen der Zwangsverwaltung des Vermögens der SED/PDS und des Kul-turbundes und der gescheiterten Privatisierung der streitgegenständlichen Ver-lage.

Jedenfalls hätte der Rechtsstaat mit dem einen oder anderen so umrissenen

Ergebnis leben können; er kann indes nicht damit leben, wenn bei der ange-strebten Aufklärung – wie hier – rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze wohl allein aus fiskalischen Gründen auf der Strecke bleiben, denn es ist nicht die Aufgabe einer unabhängigen Justiz, vor den Fehlern der Verwaltung die Au-gen zu verschließen.

Abschließend sei nochmals an das von der FAZ (2. April 2008, Anlage

NZBB 3) wiedergegebene und in der Sache zutreffende Zitat des Klägers erin-nert,