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Terhart · Didaktik

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Terhart · Didaktik

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Ewald Terhart

DidaktikEine Einführung

Reclam

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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 186232009 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenDruck und Bindung: Canon Deutschland Business Services GmbH,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenPrinted in Germany 2017

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK undRECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken

der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-018623-7

www.reclam.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Teil IGrundlagen des Lehrens und Lernens

1. Einleitung: Übersicht und Ziel . . . . . . . . . . . 13

2. Einige kurze begriffliche Vorklärungen . . . . . . 16

3. Zur Geschichte des organisierten Lehrens undLernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.1 Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.2 Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.3 Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4. Lehren und Lernen – zwischen Psychologieund Didaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.1 Erkenntnisse über das Lernen – Vorgaben fürdas Lehren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.2 Kognitive Wende und das neue Menschenbild . . 334.3 Konstruktivistisches Lernverständnis und

Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.4 Erkenntnisse über das Lernen – Bedeutung für

die didaktische Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . 384.5 Welches Lernen wollen wir eigentlich? . . . . . . 42

5. Neue Lernkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 465.1 Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung 475.2 Elemente Neuer Lernkulturen . . . . . . . . . . . 535.3 Prozesse informellen Lernens . . . . . . . . . . . 65

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6. Gute Lehrer = besserer Unterricht?Konzepte und Befunde empirischer Forschung 71

6.1 Der gute Lehrer – ein Phantom? . . . . . . . . . 716.2 Das Prozess-Produkt-Paradigma . . . . . . . . . 776.3 Das Experten-Paradigma . . . . . . . . . . . . . 796.4 Lehrerkompetenz und ihr Beitrag zum

Lernen der Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.5 Lehrerkompetenz: Nicht nur Unterrichten . . . 826.6 Berufsbiographie, Belastungen und ihre

Bewältigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

7. Der Beitrag der Neurowissenschaften zuLehren und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

7.1 Die Aktualität der Neurodidaktik . . . . . . . . 897.2 Welche Geschichte hat das Thema?. . . . . . . . 917.3 Was erklärt das hohe Interesse der Lehrerschaft? 95

Teil IIDidaktische Theorien und Modelle

1. Einleitung: Übersicht und Ziel . . . . . . . . . . 99

2. Was ist Unterricht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022.1 Zentrale Kennzeichen von Unterricht . . . . . . 1022.2 Ansatzpunkte für unterrichtsbezogenes Denken 107

2.2.1 Die Inhalte: Von der Bildungstheorie zuden Bildungsstandards . . . . . . . . . . . 107

2.2.2 Das Lernen: Von Herbart zur kognitivenUnterrichtspsychologie . . . . . . . . . . . 111

2.2.3 Die Erziehung: Von der Schulzucht zumsozialen Lernen . . . . . . . . . . . . . . . 117

2.2.4 Die Grenzen: Von der Unterrichtsanstaltzur Offenen Schule . . . . . . . . . . . . . 122

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3. Modelle der Allgemeinen Didaktik . . . . . . . . 1273.1 Metaphern, Modelle, Theorien . . . . . . . . . . 1273.2 Traditionelle Modelle . . . . . . . . . . . . . . . 133

3.2.1 Bildungstheoretische Didaktik . . . . . . . 1343.2.2 Lehrtheoretische Didaktik . . . . . . . . . 1373.2.3 Kommunikative Didaktik. . . . . . . . . . 140

3.3 Neuere Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1443.3.1 Konstruktivistische Didaktik . . . . . . . . 1443.3.2 Bildungsgangdidaktik . . . . . . . . . . . . 1473.3.3 Neurodidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . 152

3.4 Allgemeine Didaktik und empirischeUnterrichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . 156

4. Unterrichtsmethoden: Konzepte,Entwicklungen, Forschung . . . . . . . . . . . . 161

4.1 Was sind Unterrichtsmethoden? . . . . . . . . . 1614.2 Zur Methodenpraxis im Unterricht: Realitäten . 1644.3 Theoriegeschichte der Unterrichtsmethode:

Ideen und Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1704.4 Dimensionen der Definition von Unterrichts-

methode: Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . 1754.5 Empirische Forschung zu Unterrichtsmethoden:

Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

5. Wie geht es weiter mit der Allgemeinen Didaktik? 1915.1 Zur Lage der Allgemeinen Didaktik . . . . . . . 1915.2 Erbschaftsanwärter – und solche, die es sein

möchten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1945.2.1 Fachdidaktische Lehr-Lern-Forschung . . 1955.2.2 Bildungsstandards . . . . . . . . . . . . . . 1985.2.3 Bildungsgangforschung . . . . . . . . . . . 201

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203Liste der Abbildungen und graphischen

Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

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Vorwort

Auf dem Feld der Didaktik kann man schnell des Gutenzu viel tun. Dies gilt zunächst einmal aufgrund von Erfah-rungen im Alltag. Ein allzu belehrender Ton im Gespräch,eine allzu suggestiv aufbereitete Ausstellung, eine allzuaufdringlich angelegte Werbekampagne: man spürt dieAbsicht – und ist verstimmt. Der genannte Vorbehalt giltjedoch auch für solche Kontexte, in denen Didaktik not-wendigerweise und zu Recht zum Zuge kommt: in denKontexten von Lehren und Lernen, von Schule und Un-terricht, von Bildung und Ausbildung. Auch hier er-schwert manchmal eine übermäßige didaktische Auf- undZubereitung der zu vermittelnden bzw. anzueignendenInhalte und Aufgaben den Lernprozess bzw. senkt ihn aufein unverantwortlich niedriges Niveau ab.

Ein Zuviel an Didaktik wäre dann gegeben, wenn dieLerngegenstände allzu stark vereinfacht und vereindeu-tigt werden, bis sie in ihrem Sachanspruch schließlichvöllig verschwinden. Diese Gefahr droht, wenn der Lern-prozess zu stark und einlinig vorstrukturiert wird oderwenn aus Gründen der didaktischen Unterstützung undHilfe jede eigenständige und widerständige Erfahrungs-möglichkeit der Schüler vorsorglich beiseite geräumtwird. Eine solche Didaktik nimmt dem Lernenden allesab – im doppelten Sinn. Aber es gibt auch ein didakti-sches Zuwenig: Wenn alle Lern-Sachen Ansichtssachesind und jedes Lernen als ein Prozess individueller undinteraktiver Konstruktion betrachtet wird, wenn allesNeue selbstständig und selbsttätig eigenaktiv erschlossenwerden soll, wenn jedes Lernen ein individuelles Navi-gieren durch Informationsreservoirs wird, wobei das Er-gebnis nur noch berichtet werden kann, es aber nichtmehr bewertet werden darf – dann löst sich die didak-tische Aufgabe in das Spiel vielfältiger, beliebiger Kon-

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struktionen auf. In diesem Fall ist jeder sein eigener Di-daktiker.

Wie bei vielen praktisch-pädagogischen Fragen, so liegtdas Problem der Didaktik in der richtigen Dosierung: Esmuss eine situations-, adressaten- und aufgabenspezifischeBalance zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig anHilfe und Unterstützung, Anleitung und Führung gefun-den werden. Als Lehrender diese Balance finden und hal-ten zu können, ist gar nicht so leicht. Und wie groß derAnteil von wirklichen Naturtalenten am insgesamt mitLehren beschäftigten Personal im Bildungswesen ist, wagtwohlweislich niemand genau zu beziffern.

Didaktisch kompetent handeln zu können will also ge-lernt sein und kann auch zu einem sehr großen Teil erlerntwerden. Angehende Lehrer gehen mit einem im Studiumsowie im Referendariat erworbenen Rüstzeug in die Be-rufspraxis – und lernen vor diesem Hintergrund dann ausanschaulich-praktischer Erfahrung. Auf der Basis eigenerErfahrung kann ein angehender Lehrer sicherlich die aller-notwendigsten beruflichen Fähigkeiten erwerben. Überdieses funktionale Minimum hinaus lassen sich beruflicheErfahrung und Kompetenz jedoch nur dann in Richtungauf anspruchsvollere Fähigkeitsniveaus steigern, wenn siedenkend und urteilend verarbeitet und auf diese Weisezum Ausgangspunkt für weitere, neue Erfahrung gemachtwerden. Das aber gelingt nur, wenn folgende Vorausset-zungen gegeben sind: Es muss ein Hintergrund, es müssenBegriffe, Denkwerkzeuge und Urteilskategorien zur Ver-fügung stehen, mit denen man die eigene didaktische Pra-xis, das eigene lehrende, unterrichtende Handeln und Ent-scheiden reflektieren kann, um in einen solchen Prozessder produktiven Verarbeitung von beruflicher Erfahrungeintreten zu können.

Diesen Hintergrund kann die Allgemeine Didaktik dar-stellen. Sie wird dieser Aufgabe aber nur gerecht, wenn siein ihrem Grundduktus selbst so geartet ist, dass sie die

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Vorwort 11

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Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Handlungs-praxis weder in ein Zuwenig noch in ein Zuviel an Didak-tik abgleiten lässt. Um derartige Verengungen möglichstgar nicht erst aufkommen zu lassen, empfiehlt es sich, mitgeeigneten begrifflichen Mitteln die notwendige Reflexionauf die eigene didaktische Praxis vorzubereiten, zu unter-stützen und zu begleiten. Die Vermittlung der Fähigkeitzu didaktischem Denken braucht also letztendlich selbsteine Didaktik.

Die folgende Einführung in die Didaktik, die auf Studi-enmaterial zurückgeht, das für die Fernuniversität Hagenerstellt wurde, zielt darauf ab, eine Übersicht über grund-legende Dimensionen und Problemstellungen des didakti-schen Denkens und Handelns bereitzustellen. Der Textsetzt keine Erfahrungen mit erziehungswissenschaftlicherLiteratur voraus. Er will angehende, aber vielleicht aucherfahrene Lehrer zu didaktischer Reflexion anregen.

Münster, Juni 2008 Ewald Terhart

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Teil I

Grundlagen des Lehrens und Lernens

1. Einleitung: Übersicht und Ziel

Lehren und Lernen – zwei Dinge, die schon vom Klangihrer Bezeichnungen her eng zusammengehören. Wenn esjedoch um die beiden Sachverhalte und ihr Verhältnis zuein-ander geht, dann spielt der Wortklang natürlich keine Rolle.Die analogen englischen Bezeichnungen teaching und learn-ing ähneln sich klanglich keineswegs. Aber auch von derSache her scheinen Lehren und Lernen im alltäglichenSprachgebrauch und auf den ersten Blick eng zusammenzu-gehören: Lehren zielt darauf ab, dass der oder die Belehr-te(n) etwas lernen; Lernen geht vielleicht besonders gut,wenn es angeleitet ist, wenn es also einen Lehrer gibt. Kurz-um: Einer lehrt – und die Belehrten lernen. Insofern wirdauch von unseren Sprachroutinen her immer schon eine sehrenge Verknüpfung zwischen Lehren und Lernen hergestellt.

Natürlich ist das verdächtig. Die eingespielte enge Ver-knüpfung lockert sich in dem Maße, je länger man geson-dert über die beiden Gegenstände Lehren und Lernennachdenkt, und vor allem: je länger man die vermeintlichenge Relation zwischen beiden Sachverhalten überprüft.Was meinen wir eigentlich, wenn wir das Wort »Lehren«benutzen, und was meinen wir bei der Verwendung desWortes »Lernen«? Und wie stark ist die Verknüpfung zwi-schen den beiden so bezeichneten Sachverhalten wirklich,und zwar gesondert betrachtet auf der Ebene der Worteund auf der Ebene der Dinge, die wir damit bezeichnen.

Lehren fällt als eine bewusste, zielgerichtete Tätigkeitzunächst einmal in den Bereich der Kompetenz von Leh-

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14 Grundlagen des Lehrens und Lernens

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rern. Sofern diese Lehrer in Bildungsinstitutionen und mitpädagogischer Intention Lehren als Berufsarbeit ausüben,fällt die theoretische und empirische Beschäftigung mitderen Tätigkeit in den Bereich der Pädagogik bzw. Erzie-hungswissenschaft. Lehren und Unterrichten sind Gegen-stand der Schulpädagogik, der Allgemeinen Didaktik undUnterrichtsforschung. Bei Lernen hat man es demgegen-über mit einem anders gearteten Sachverhalt zu tun:Lernen geschieht immer! Anders formuliert: Lernen istein ständig ablaufendes Grundelement der menschlichenExistenz und des menschlichen (Selbst-)Erlebens – auchwenn unser Alltagswissen das Wort »Lernen« für solcheSituationen reserviert, in denen wir uns bewusst und kon-zentriert etwas Neues aneignen. Lernen ist jedoch eine dergeistigen Grundfunktionen des Menschen.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Lernen fällt zu-nächst einmal in den Bereich der Psychologie. Bemer-kenswerterweise gehört die Beschäftigung mit Lernen zurAllgemeinen Psychologie, die sich mit Grundlagen dergeistigen Prozesse des Menschen befasst. Die Beschäfti-gung mit dem Organisieren von Lernen – also dem Leh-ren und Unterrichten – fällt dagegen in den Bereich derPädagogischen Psychologie und dort in den der Unter-richtspsychologie. Innerhalb der Erziehungswissenschaftfällt die Beschäftigung mit Lehren und Lernen – wieschon erwähnt – in den Bereich der Schulpädagogik, derAllgemeinen Didaktik und Unterrichtsforschung. DieUnterrichtspsychologie und die Allgemeine Didaktik ha-ben also einen sehr ähnlichen Gegenstandsbereich, gehendiesen jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, in unter-schiedlicher Weise an. Jedenfalls wird man bei der nähe-ren Befassung mit Lehren und Lernen letztlich immerauch über das Verhältnis von psychologischen Erkennt-nissen und pädagogischen Konzeptionen, allgemeiner:von Psychologie einerseits und Pädagogik bzw. Didaktikandererseits sprechen müssen.

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So gesehen ist das Verhältnis von Lernen und Lehren et-was asymmetrisch: Wir lernen ununterbrochen, aber wirlehren nicht ununterbrochen, und glücklicherweise werdenwir auch nicht permanent belehrt. Darüber hinaus ist un-mittelbar einsichtig, dass nicht jedes Lehren auch tatsächlichzum Lernen auf Seiten der Belehrten führt. Wäre diesgrundsätzlich und immer so, wäre Lehrerarbeit viel leichter!

Ziel des ersten Teils dieser Einführung in Themen undProbleme der Didaktik ist es, in die Grundlagen von Leh-ren und Lernen und in deren Beziehung zueinander ein-zuführen.

• Zu diesem Zweck werden zunächst einige begrifflicheVorklärungen unternommen. Dies ist notwendig, dennbeim Denken werden Begriffe benutzt, und diese Be-griffe müssen möglichst klar sein, damit man klarerdenken kann.

• Im Anschluss wird in Form einer Skizze eine Übersichtüber die historische Entwicklung des institutionalisier-ten Lehrens und Lernens in Schulen vermittelt.

• Im dritten Kapitel geht es um unterschiedliche Vorstel-lungen von Lernen und deren Bedeutung für das Leh-ren, also um den Versuch, bestimmte Lernprozesse aus-zulösen und dadurch auch vorgestellte Lernergebnissezu erzielen.

• Zunehmend befreit sich das Lernen von speziell dafürvorgesehen Institutionen und Professionen: nicht-orga-nisiertes, informelles, eigenständiges Lernen in neuenLernkulturen wird in dem Maße wichtiger, wie lebens-langes Lernen an Bedeutung gewinnt.

• Das fünfte Kapitel wendet sich stärker der lehrendenTätigkeit des Lehrers, seinen Kompetenzen und Wir-kungen zu. Was ist guter Unterricht, was ist ein guterLehrer, wie wirkt sich seine Kompetenz auf das Lernender Schüler aus, wie kommt man als Lehrer selbst mitseinem Beruf zurecht?

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• Das abschließende Kapitel wendet sich wieder ehergrundsätzlichen Fragen zu: Die modernen Neurowis-senschaften erzeugen immer mehr Erkenntnisse überunser Gehirn. Was bedeutet es, wenn man diese neuro-wissenschaftlichen Erkenntnisse in einen pädagogisch-didaktischen Kontext bringt?

Gleich an dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Die er-folgreiche Durcharbeitung von Einführungen, Fachbü-chern und Spezialdarstellungen zur Didaktik vermitteltnicht die praktische Fähigkeit zum Unterrichten. DieseFähigkeit kann immer nur in konkreten Klassenzimmernerlernt werden und nicht durch das Studium von Texten.Sofern es im Folgenden gelingt, in didaktisches Denkeneinzuführen und das Nachdenken über Lehren und Ler-nen, über deren Voraussetzungen, Formen und Folgen an-zuregen und weiterzuentwickeln, hat diese Darstellung ih-ren Zweck erfüllt.

2. Einige kurze begriffliche Vorklärungen

»Lehren ist Lernenmachen« schreibt Willmann (1889, S.188). Nimmt man dies wörtlich, vollzieht er damit eine indreifacher Hinsicht optimistische Einschätzung des Bei-trags von Lehren für das Lernen:

• als ob nämlich Lehren immer Lernen bewirkt, also nieerfolglos sein kann,

• als ob allein Lehren das Lernen macht, also nichts ande-res zu Lernen führen könnte, und

• als ob Lehren schließlich das Lernen macht, also in ei-nem mechanischen Sinn Lernen erzeugt.

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Das ist sicherlich so nicht der Fall, und Willmann siehtdas sehr wohl. Vielmehr sind alle drei Unterstellungen zuproblematisieren: Häufig wird gelehrt, ohne dass über-haupt (oder das Intendierte) gelernt wird. Weiter: Lernenkann natürlich auch stattfinden, ohne dass es durch Leh-ren angeleitet oder begleitet wird. Schließlich: Die Verbin-dung zwischen Lehren und Lernen ist nicht kausal-me-chanischer Art, denn Lernen ist immer auch Eigenaktivi-tät desjenigen, der lernt.

In diese Überlegungen gehen aber bereits starke Annah-men über tatsächliche oder vermutete Realitäten des Leh-rens und Lernens ein. Bevor man Argumente, Erfahrungenund Einsichten zu den Realitäten des Lehrens und Lernensaustauscht, sollte man sich klar darüber werden, welcheImplikationen in den dabei verwendeten Begriffen »Leh-ren« und »Lernen« sowie in der Verbindung zwischen die-sen Begriffen stecken. Begriffsanalyse mit dem doppeltenZiel (a) der Aufdeckung solcher häufig nicht mitbedachterImplikationen und (b) der damit dann verbundenen Präzi-sierung des Begriffsgebrauchs sind das hauptsächliche Ar-beitsfeld der analytischen Philosophie der Erziehung.

Die sprachanalytische Erziehungsphilosophie mit ihrerKonzentration auf die Analyse und Kritik der im Redenüber Erziehung und Unterricht verwendeten Begriffe un-terscheidet in diesem Zusammenhang einen Erfolgsbegriffdes Lehrens von einem Absichtsbegriff (vgl. Terhart 1977;ausführlich Oelkers 1985, S. 158ff.).

• Unter Zugrundelegung des Erfolgsbegriffs wird einerAktivität nur dann die Bezeichnung »Lehren« zuge-sprochen, wenn auch gelernt wird, Erfolg also eingetre-ten ist. Bleibt dieser aus, hat dann eben per definitionemkein Lehren stattgefunden. Hier wird also auf begriffli-cher Ebene ein überaus enges, inklusives Verhältniszwischen Lehren und Lernen behauptet. So gesehen,beinhaltet die Verwendung des Begriffs »Lehren« im-

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mer schon das Vorliegen der Tatsache Lernen. Die Fra-ge ist dann natürlich, wie man diejenigen Aktivitäten ei-nes Lehrers im Unterricht bezeichnet, die nicht zumLernen geführt haben. Das wäre dann pure Kommuni-kation und Interaktion – oder bestenfalls ein Lehrver-such. Im Grunde ließe sich eine Aktivität des Lehrersimmer erst nach der Feststellung ihres Erfolges im Ler-nen der Schüler als Lehren qualifizieren. Damit aberentsteht die Aufgabe, »Erfolg« näher zu bestimmen:Wie schnell muss er eingetreten sein? Ist es ein Erfolg,wenn ein anderes als das durch die Lehre angestrebteLernen eingetreten ist? Und schließlich: Was ist zu tun,wenn einige Schüler gelernt haben, andere nicht. Einund dieselbe Tätigkeit des Lehrers wäre dann Lehrenund zugleich Nicht-Lehren!

• Der Absichtsbegriff von Lehren dagegen bindet die Ver-wendung des Begriffs »Lehren« nicht an den Erfolg imLernen, sondern an das Vorliegen der Absicht, durchLehren bei anderen Lernen auszulösen, zu unterstützen,zu befördern etc. Damit können auch diejenigen Akti-vitäten des Lehrers als Lehren bezeichnet werden, diekein oder ein anderes als das angestrebte Lernen zurFolge hatten. Der Absichtsbegriff des Lehrens erhebtdarüber hinaus nicht den Anspruch exklusiver Determi-nation: Die Absicht des Lehrens ist vielleicht nur durchMitwirkung anderer Faktoren realisiert worden. Undschließlich: Es wird kein mechanisches Determinations-verhältnis zwischen Lehren und Lernen behauptet.Umgekehrt wird aber auch nicht davon ausgegangen,dass Lehren und Lernen völlig losgelöst voneinandersind. Oelkers (1985, S. 231f.) fasst diese Position fol-gendermaßen zusammen: »Man kann unterrichten,ohne dass Lernen stattfindet, und man kann lernen,ohne unterrichtet zu werden. Das Ziel des Unterrich-tens ist es, ein bestimmtes (!) Lernen zu ermöglichen.Aber die Aktivitäten des Unterrichtens sind mit diesem

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Ziel situativ wie prozessual nur kontingent verbunden.Dabei mildern subjektive Wahrscheinlichkeitsannahmendiese Kontingenz, aber heben sie faktisch nicht auf.«Oder anders: »Man kann lehren, ohne Erfolg zu haben,aber man kann nicht lehren, ohne es zu intendieren«(ebd., S. 211).

Eine Analogie mag diese Unterscheidungen noch einmalverdeutlichen (vgl. Smith 1977): Wie sieht es eigentlich mitdem Verhältnis der Begriffe »Verkaufen« und »Kaufen«aus? Ein Verkaufen kann es nur geben, wenn es zugleichjemanden gibt, der kauft. Umgekehrt kann es einen Kaufnur geben, wenn zugleich das Gegenstück – »Verkaufen« –stattfindet. (Analog: Wenn A den/die B heiratet, heiratet Bauch A.) So gesehen haben wir es bei der Relation der Be-griffe »kaufen/verkaufen« mit einer sehr engen Verknüp-fung zu tun – so, wie es beim Erfolgsbegriff des Lehrensder Fall ist. Und lässt sich auch ein Absichtsbegriff desVerkaufens finden? Gedanklich ja, denn ein Verkäufer ver-kauft ja nicht ununterbrochen während der Arbeitszeit. Erwartet darauf, dass ein Kauf zustande kommt, er bereitetalles vor, er versucht, einen Kunden zum Kauf zu bewegenetc. Dieses Handeln wäre dann – streng genommen – nicht»verkaufen« (im Sinne von erfolgreichem Vollzug), son-dern »verkäufern«: ein Handeln, dass mit der Absicht undals Versuch vollzogen wird, zu einer tatsächlichen Ver-kauf-/Kauf-Situation zu kommen.

Wozu führen diese zunächst etwas sterilen, vielleichtauch etwas wortklauberisch erscheinenden Überlegungen?

• Erst unter Zugrundelegung des Absichtsbegriffs vonLehren kann man das Verhältnis von Lehren und Ler-nen als eine sinnvolle Problemstellung ansehen und un-tersuchen, denn beim Erfolgsbegriff sind Lehren undLernen per definitionem nahtlos verklammert. Es kanndann nichts mehr dazwischen liegen.

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• Ebenfalls nur unter Zugrundelegung des Absichtsbe-griffs wird die Rede von Unterricht und Lehren als Be-dingungen für Lernprozesse verständlich, denn Bedin-gungen müssen begrifflich von dem getrennt sein, wassie bedingen.

• Weiterhin ist nur der Absichtsbegriff des Lehrens kom-patibel mit einem Verständnis von Lernen als aktivemAneignungsprozess des Lernenden selbst. Wenn näm-lich von dessen Aktivität und Eigendynamik, und imKlassenunterricht sogar von vielen verschiedenen Ei-gendynamiken auszugehen ist, kann Lehren de facto nieüber seinen Erfolg, das Lernen verfügen – und diesbringt nur der Absichtsbegriff zum Ausdruck.

• Und schließlich: Es muss zwischen verschiedenen Lern-arten oder Lernqualitäten unterschieden werden, für diedann jeweils das Lehren als Bedingungskonstellationnicht nur anders aussieht, sondern sich eben auch an-ders auswirkt.

Speziell diese letzte Differenzierung innerhalb der Real-prozesse von Lehren und Lernen macht deutlich, dass Be-griffsanalysen trotz aller Verfeinerung doch noch zu grobansetzen, wenn sie sich lediglich global mit »Lehren« und»Lernen« sowie deren Verhältnis zueinander beschäftigen.In der Wirklichkeit selbst existieren viele Formen vonLehren und ebenso auch viele Formen, Ebenen und Ver-läufe des Lernens.

Entsprechend ihrer Aufgabenstellung bleiben analyti-sche Bemühungen immer an die Ebene der Begriffe ge-knüpft und machen auf die Implikationen des Begriffsge-brauchs aufmerksam. Den mit diesen Begriffen belegtenSachverhalten begegnet man nach dem Durchlauf durchsolche Analysen mit einer viel differenzierteren Wahrneh-mung und vor allem: mit viel mehr Vorsicht. In diesemSinn ist der Wert analytischer Begriffsexplikation für dasDenken über Lehren, Lernen und Unterricht hoch anzu-

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setzen. Über die Ebene der Wirklichkeit, über die Sachenselbst, ihre empirisch-materiale Beschaffenheit etc. vermö-gen Begriffsanalysen selbstverständlich keine Auskunft zugeben. Interessiert man sich für den sachlichen Beitragvon Unterricht und Lehren für das Lernen bzw. das Errei-chen bestimmter Lernqualitäten, so ist man auf die Lern-und Unterrichtspsychologie sowie auf die Instrumenteund Befunde empirischer Lehr-Lern-Forschung verwie-sen. Aber noch einmal: Erst analytische Klarheit und em-pirische Fundierung zusammen vermögen das Erkenntnis-potential empirisch-analytischer Erziehungswissenschaftzu entfalten.

3. Zur Geschichte des organisiertenLehrens und Lernens

Die historische Entstehung des organisierten Lehrens undLernens (in Form eines Unterrichtswesens) ist eng an dieEntstehung und Etablierung des Schulwesens sowie an dieparallel laufende Verberuflichung der Unterrichtstätigkeitgeknüpft. Insofern ist jede Geschichte des organisiertenLehrens und Lernens eng mit der Geschichte der Schuleund des Lehrerberufs verwoben. Eine umfassende Ge-schichte des Unterrichtens liegt in der erziehungswis-senschaftlichen Literatur nicht vor; wohl aber existierenzahlreiche, mehr oder weniger breit angelegte Studien zueinzelnen historischen Abschnitten, regionalen Besonder-heiten sowie zu Aspekten und Problemen der Geschichtedes Unterrichtens und der Lehrerarbeit in einzelnen Schul-formen und -fächern. Eine solche Geschichte zu schreibenist auch deshalb schwierig, weil ein Bild vom tatsächlichenGeschehen in den Klassenzimmern nur noch anhand vonmehr oder weniger indirekten Quellen und Indizien(nach)gezeichnet werden kann. – Im Folgenden halte ich

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mich an die sicherlich grobe und problematische, aber füreine erste Orientierung immer noch brauchbare traditio-nelle Einteilung in Antike (1000 v. Chr. – 500 n. Chr.), Mit-telalter (500–1500) und Neuzeit (ab 1500).

3.1 Antike

Organisierte Unterrichtstätigkeit ist im europäischenRaum bereits seit der Antike bekannt. Die Antike bildetalso nicht nur den Ursprungsbereich für europäische Phi-losophie und Bildungstheorie, sondern ebenso auch fürdie Entstehung eines Schul- und Unterrichtswesens. DieTätigkeit eines Schullehrers in einer Stadt des antikenGriechenland kann man allerdings bei weitem nicht mitder heutigen Situation vergleichen: Das Unterrichten wareine Art privates Gewerbe, die soziale Stellung der Schul-lehrer sehr niedrig, ihr Verdienst gering, ihre Methodennicht selten – für heutige Verhältnisse – brutal und dazunoch vergleichsweise erfolglos. Um die (damals) notwen-digen Kulturtechniken zu erlernen, bezahlten die Elternauf der Elementarschulebene (7.–14. Lebensjahr) verschie-dene Sport-, Musik- und Schreiblehrer. Erziehungsaufga-ben im weiteren Sinn wurden den verschiedenen ›Kinder-trainern‹ aber nicht übertragen. Diese übernahm die Fami-lie selbst bzw. der von ihr angestellte »Paidagogos«, derKnabenführer, der dieser Aufgabe auch in einem kontrol-lierenden, beaufsichtigenden Sinn nachkam.

Ein Schullehrer – Sammelbezeichnung: »Didaskalos« –vermittelte elementare Kenntnisse und Fertigkeiten alsVorbereitung auf die später ansetzende, eigentliche Bil-dung und Erziehung in der Jugend- und Erwachsenen-phase. Die Kindheit war noch nicht als ein anspruchsvol-ler pädagogischer Raum entdeckt; irgendeine Vorstellungüber die besondere Psychologie des Kindes belastete dieLehrer noch nicht. Der »Unterricht« fand ganz im Sinne

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eines einfachen Vormachens – Nachmachens statt: »DerLehrer versteht es nicht, dem Kind den Zugang zum Wis-sen zu erleichtern. Er erhebt sich nicht über die passiveBelehrung. Die antike Schule ist der Typ jener ›rezeptivenSchule‹, die bei den heutigen Pädagogen verschmäht wird.Da die Überlieferung […] die Ordnung des aufzunehmen-den Wissens festgelegt hat, erschöpft sich die Bemühungdes Lehrers darin, wiederzukäuen und abzuwarten, bisder Geist des Kindes die hemmende Schwierigkeit über-wunden hat. Um über das, was er als Ungelehrigkeit be-trachtet, zu siegen, bleibt ihm nur ein Mittel, und er ver-fehlt nicht, von ihm Gebrauch zu machen: körperlicheZüchtigung« (Marrou 1977, S. 304).

In der Höheren Schule (14.–18. Lebensjahr), die vonsehr viel weniger Heranwachsenden besucht wurde, än-derten sich die Formen des Unterrichtens nicht sonder-lich. Wohl aber wurde auf inhaltlicher Ebene der Grund-stein für den »Lehrplan des Abendlandes« (Dolch 1959)gelegt, d. h. für die Sieben Freien Künste (eher formal undgrundlegend: Grammatik, Rhetorik, Dialektik; eher mate-rial: Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik/Musik-theorie) sowie für ein Bildungsideal, welches sich amBegriff des Allgemeinen, der Zweckfreiheit und des Indi-viduellen orientierte. Es war ein sprachlich-literarisch-äs-thetisch bestimmtes Ideal, das sich auf die Selbstverfeine-rung des Einzelnen als letzten Bezugspunkt richtete. Eswar zugleich ein ebenso aristokratisches wie traditionsver-haftetes Bildungsideal, welches am Kanon der Klassikerfesthielt und allen Erwägungen in Richtung auf eine ge-sellschaftliche Aktualität oder berufliche Nützlichkeit vonBildung (im Sinne von Ausbildung, Qualifizierung für Be-rufe) eine Absage erteilte. Auch die spätere inhaltliche undsoziale Trennung zwischen »niederer« (bloß praktischer,nützlicher berufsbezogener) und »höherer« (sprachlich-literarischer, wissenschaftlicher, zweckfreier) Bildung istin gewisser Weise hier bereits vorprogrammiert.

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Für den Unterricht heißt dies: Er ist an Sprachlichkeitund Schriftlichkeit (und damit: an Intellekt) gebunden, hateinen definierten Kanon von Inhalten und ist auf die Tra-dierung des Klassischen gerichtet, dem sich die Individua-lität der einzelnen Schüler zu beugen hat. Die allgemeineErziehungs- und Bildungsvorstellung hat den Einzelnenund seinen Anspruch auf Allseitigkeit im Blick und (noch)nicht den umgekehrten Anspruch der Allgemeinheit aufspezialisierte Nützlichkeit des Einzelnen. Das Bildungs-problem wurde eben noch nicht als ein Schul- oder garUnterrichtsproblem angesehen, sondern als eine Aufgabeder lebenslangen Selbstveredelung. Dies erklärt vielleichtden großen Unterschied zwischen den philosophisch ent-wickelten hohen Ansprüchen an »Bildung« einerseits undden daran gemessen deutlich bescheideneren Realitätendes Lehrens und Lernens in Schulen und Klassenräumenandererseits – ein Element im Grundmuster abendländi-scher Bildungstradition, das bis heute Bestand hat.

3.2 Mittelalter

Mit dem Ende der antiken Welt und der Ausbreitung desChristentums wurde die Kirche zur einzigen Institution, inder das Erbe der antiken Tradition in modifizierter Formaufbewahrt und weitergeführt wurde. Das ganze Mittel-alter über bis weit in die Neuzeit hinein waren Bildungs-und Schulangelegenheiten, waren organisiertes Lehren undLernen Kirchenbelange. In den Dom- und Klosterschulenwurde der Nachwuchs für den Klerikerstand ausgebildet;die Bildungs- und Lebenswege der Laien verliefen andersund schlossen heutige elementare Kulturtechniken (Schrei-ben, Lesen) und somit institutionalisierten Unterrichtnicht mit ein. Der Unterricht in den genannten klerikalenSchulen verlief weitgehend mechanisch als ein Aufnehmenund Nachvollziehen unbezweifelbarer Inhalte. Selbststän-

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dige Durchdringung und Befragung, gar Hinterfragung deskanonisierten Lehrgutes war undenkbar, hätte es doch denBeginn einer möglichen Abweichung, einer Häresie mar-kiert.

In Gestalt der deutschen Schreib- und Leseschulen, diein den größeren Städten im Hochmittelalter gegründetwurden, entstanden dann allerdings weltliche Konkur-renzunternehmen zu den kirchlichen Schulen. »Konkur-renz-«, weil sie sich in ihren Inhalten vom klassischenKanon lösten und auch beruflich nützliche Kenntnissevermittelten; »-unternehmen« insofern, als die Schulmeis-ter, die diese Schulen führten, auf privatwirtschaftlicherBasis und mit städtischer Lizenz arbeiteten. Schulehaltenwar ein durch Zünfte geregeltes Handwerk, das Unter-richten vergleichsweise kunstlos und immer noch unpsy-chologisch. Es existierte (zunächst) keine Einteilung der»Kundschaft« (also der Unterrichteten) nach Alter oderFähigkeiten; eine allgemeine Schulpflicht existierte eben-falls noch nicht. Verfügte ein Schulmeister über Gesellen,konnte er mehrere »Haufen« von Schülern bilden. Gleich-wohl wandte sich der Lehrer im Unterricht immer einzel-nen Schülern zu; Frontalunterricht vor altershomogenenGruppen ist eine Erfindung der frühen Neuzeit. Bedingtdurch diese Schulen wurde zumindest in den großen Städ-ten ein beachtliches Maß an Lesefähigkeit erreicht; dieSituation im ländlich-bäuerlichen Bereich war demgegen-über auch weiterhin durch das vollständige Fehlen organi-sierter Unterrichtung gekennzeichnet. Die Tradierung desWissens, der Fertigkeiten und der moralisch-sittlichen Re-gulative des Handelns erfolgte innerhalb des jeweiligenStandes bzw. innerhalb der jeweiligen Herkunftsfamiliedurch das Zusammenleben der Generationen und schlossfür die allergrößten Teile der Bevölkerung Lese-, Schreib-und Rechenfähigkeit, von weitergehenden Bildungsan-sprüchen ganz zu schweigen, (noch) nicht mit ein.