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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 2. JAHRGANG. Nr. 22 28. MAI I923 0BERSICHTEN. 0BER DEN STOFFWECHSEL IM FIEBER. ~xTon Prof, E. GRAFE, Dixektor der Medizinischen Universit~tspoliklinik zu Rostock. Die Anschauungen fiber den Fieberstoffwechsel haben im Laufe der letzten Jahrzehnte manche Wandlungen erfahren. Die Yerhandlungen des Kongresses ffir inhere Medizin aus den Jahren 1882, 1885, 1896 und 1913 in denen in periodischer Wiederkehr das Fieberthema zur Diskussion stand, spiegeln sie deutlich wider. Sie zeigen auch gleichzeitig, wie aus den jeweiligen theoretischen Vorstellungen sofort praktische Konsequenzen gezogen wurden. Tats/kchlich steht und f~llt die sogenannte Behandlung des Fiebers mi• der Auffassung vom Wesen und der Bedeutung dieses Vorganges. Wenn aucla in vielen Punkten noch manche Divergenzen der Ansichten vorhanden sind, so w/ichst doch mit den Jahren die Summe dessert, was wir als gesieherten Besitz der For- schung betrachten dfirfen. Von ibm solt in dieser kurzen Ubersicht in erster LiMe die Rede sein. Ein besonderer Fortschritt ist dadurch gegeben, dab eine bestimmte Theorie vom Wesen des Fiebers sich nun ganz allgemein durchgesetzt hat, und damit das feste Fundament geschaffen wurde, auf dem die weiteren Vorstellungen sich aufbanen konnten. LIEBER~EISTERS alte Definition hat auf tier ganzen LiMe den Sieg davongetragen. Sie lautet in der sch/irferen und exakteren yon H. H. MEYER und KRE~L vorgeschlagenen Formulierung: ,,Fieber ist der Ausdruck einer gesteigerten Erregung und Erregbarkeit sowie einer h6heren Tonuslage der w/irme- regulierenden Zentralapparate". Wenn FR6KLICK neuer- dings yon einer reizbaren Schw/iche des ~AT~rmezentrums spricht, so kommt das im wesentlichen auf das gleiche hinaus. H~lt man sich streng an diese Definition, so ergibt sich als klare Konsequenz, dab die Temperatursteigerung als solche f fir das Fieber nicht alas Entscheidende ist, obwohl sie in Laienkreisen und auch vielfacb heute bei &rzten noch damit identifiziert wird. Einfache Temperatursteigerungen kommen auch bei ganz gesunden Menschen welt hgufiger vor, als gew6hnlich angenommen und yon ihnen empffmden wird. Meist genfigt eine starke, etwas lgnger dauernde k6rper- liehe Anstrengung, wie z.B. eine ]~ergbesteigung oder ein Marsch in Sonnenhitze oder ein heiBes Bad, um die K6rper- temperatur fiber die normale H6he yon 37 ~ axillar hinaus- zutreiben. Die Ursache daf/ir ist nicht eine krankhafte Ver- /inderung der im Gehirn, insbesondere im Tuber cinereum liegenden temperaturregulierenden Apparate, sondern die Uberschreitung der physiologischen Grenzen ihrer Leistungs- f~higkeit. Es kommt infolge ungenfigender W/irmeabgabe zu einer W~rmestauung im K6rper, die selbst bei intaktesten Zentralapparaten sich notwendig in einer Uberw/irmung 5r, gern mug. Des weiteren folgt arts der geschilderten Auifas- sung vom Wesen des Fiebers, dab alle die zahlreichen Pr0zesse, die z. ]3. beim Fieber des Menschen zu der krankhaften Ver- 5nderung des Temperaturzentrums sicb hinzugesellen, wie Immunitgtsvorggnge, Vergnderungen anderer Gehirnzentren, St6rungen der psychischen Sph/ire nsw., mit dem Fieber an sich nichts zu tun haben. Sie stellen nur die koordinierten 2\uBerungen der Einwirkung der gleichen Noxe an anderen Stellen des K6rpers, insbesondere des Zentralnervensystems, dar. Mit dieser reinlichen Trennung ist fiir viele Fragen der Fieberforsehung mancherlei gewonnen worden (FREIJ~D), der Fieberbegriff ist so viel ldarer herausgearbeitet worden. Dieser Vorteil ist allerdings in mancher ]3eziehung mehr ein begrifflicher und theoretisclaer, denn gerade bei den Fieber- formen, die uns vor allem interessieren, ngmlich dem infek- IQinische Wocl~enscl~rift~ 2. Jahrg. ti6sen Fieber des Menschen, l~Bt sich die Wirkung des Pro- zesses isoliert nur selten studieren. Daffir eignen sich vor allem das W~rmesticbfieber sowie die spgrlichen F~ille yon rein zentralem Fieber sonst. Wollen wir aber erfahren, wie der Stoffwechsel beim Fieber des Menschen sich gestaltet, so ist der Untersuchung nur der Gesamteffekt Mler Wirkungen, welche die fiebermachende Noxe im K6rper aust6st, zug/~nglich, und wir mfissen ver- suchen, im Einzelfalle ihn zu analysieren und no weit es m6glich ist, die Partialkomponenten zu isolieren. Dadurch muB die Klarheit der Resultate und die Eindeutigkeit ihrer Auslegung leiden, nnd das ist auch die Quelle so mancher Divergenzen der Auffassungen, die noch auf diesem Gebiete bestehen. Die erste Frage, welche die Betrachtung des Fieberstoff- wechsels aufwirft, betrifft die lnt6nsitiit der Verbrennungen. Die alten Arzte bis in das graue Altertum hinein, wclches das Fieber schon kannte, zweifelten im allgemeinen nicht daran, dab der Stoffwechsel im Fieber erh6ht ist. I-Ieute, wo wit vor allem dutch RI3BNER wissen, dab es neben der Regu- lation der W/irmebildung (der sog. chemischen Form) auch eine solche der W/~rmeabgabe (die sog. physikalische Form) gibt, erscheint diese Annahme nicht mehr so selbstverst/ind- lich, denn theoretisch ist eine Steigerung der K6rpertemperatur sowohl dutch Erh6hung der WSxmebildung bei gleichbleiben- der W/~rmeabgabe wie durch eine Einschr~nknng der W~rme- abgabe bei gleichbleibender W/irmebildung denkbar. Nur durch exakte Bestimmungen des Gesamtstoffwechsels war deshalb eine Entscheidung zu treffen. Die ersten grund- legenden Arbeiten yon v. LEYDEN und LIEBERMEISTER, die alierdings nur die Kolalens/~nreproduktion untersucbten, fiihrten 5bereinstimmend zu dem Ergebnis, dab eine Steige- rung der Verbrennungen im Fieber vorliegt. Sie betrug in diesen Versuchen 2o--5o % nnd ging nur im Schfittelfrost fiber diese Zahlen hinaus. Die Bedeutung dieser Zunahme der W~rmeproduktion wurde aber falsch gewertet, indem das Fieber als Folgeerscheinung aUfgefaBt wurde, analog der Temperaturerh6hung infolge intensiver Muskelarbeit. Da- gegen wandte sich mit Recht SENATOR, abet er verfiel seiner- seits wieder, gestfitzt anf Tierversuche, die ihre Beweiskraft heute zum groBen Teil verloren haben, in den Fehler, eine nennenswerte Steigerung des Umsatzes im Fieber fiber- haupt zu leugnen und das Wesen des Fieberstoffwechsels im wesentlichen in einer Verschiebung der prozentuaten ]3e- teiligung des verbrannten K6rpermaterials zu sehen. Erst Versuche yon ]~AY, •EBELTHAU, ]6~REHL n n d ~/~ATTHES, SO- wie STs und anderen bei Tieren und yon KRAUS und zahlreichen spgteren Untersuchern beim Menschen stellten die Sachlage wieder her, so dab heute nicht mehr daran gezweifelt werden kann, dab das Fieber sowohl bei Tieren wie beim Menschen in der Regel mit einer Mehrung der Oxydationsprozesse einhergeht. Strittig ist nur noch, ob das immer der Fall sein muB. Die t3ean*wortung dieser Frage ist dadurch sehr erschwert, dab das Fieber nicht der einzige Faktor ist, der das Verhalten des Stoffweehsels der- artiger Kranker bellerrscht. Vor allem bei 1/~ngerem Bestehen und der dadurch meist bedingten Reduktion des KrMte, und Ern/ihrungszustandes tritt der EinfluB der Unterernfih- rung immer stgrker in die Erscheinung, und dieser wirkt entgegengesetzt wie das Fieber, nfimlich im Sinne einer Stoffwechseldepression. Aul3erdem sehen wir, daB, wie so vielfach im Organismus, bei lXngerer Dauer des Reizes die Reaktionsst/irke auch im 1/inger dauernden Fieber langsam abnimmt. Dutch diese Momente kommt es, dab schlieBlich am Ende sehr langer Infektionskrankheiten (z. B. Tuber- kulose) Stoffwechselsteigerungen nicht mehr sicher faBbar 67

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 2. J A H R G A N G . Nr. 22 28. M A I I923

0BERSICHTEN. 0 B E R DEN STOFFWECHSEL IM FIEBER.

~xTon

Prof, E. GRAFE, Dixektor der Medizinischen Universit~tspoliklinik zu Rostock.

Die Anschauungen fiber den Fieberstoffwechsel haben im Laufe der letzten Jahrzehnte manche Wandlungen erfahren. Die Yerhandlungen des Kongresses f fir inhere Medizin aus den Jahren 1882, 1885, 1896 und 1913 in denen in periodischer Wiederkehr das Fieberthema zur Diskussion stand, spiegeln sie deutlich wider. Sie zeigen auch gleichzeitig, wie aus den jeweiligen theoretischen Vorstellungen sofort praktische Konsequenzen gezogen wurden. Tats/kchlich steht und f~llt die sogenannte Behandlung des Fiebers mi• der Auffassung vom Wesen und der Bedeutung dieses Vorganges.

Wenn aucla in vielen Punkten noch manche Divergenzen der Ansichten vorhanden sind, so w/ichst doch mit den Jahren die Summe dessert, was wir als gesieherten Besitz der For- schung betrachten dfirfen. Von ibm solt in dieser kurzen Ubersicht in erster LiMe die Rede sein.

Ein besonderer Fortschritt ist dadurch gegeben, dab eine b e s t i m m t e Theorie vom Wesen des Fiebers sich nun ganz allgemein durchgesetzt hat, und damit das feste Fundament geschaffen wurde, auf dem die weiteren Vorstellungen sich aufbanen konnten. LIEBER~EISTERS alte Definition hat auf tier ganzen LiMe den Sieg davongetragen. Sie lautet in der sch/irferen und exakteren yon H. H. MEYER und KRE~L vorgeschlagenen Formulierung:

,,Fieber ist der Ausdruck einer gesteigerten Erregung und Erregbarkeit sowie einer h6heren Tonuslage der w/irme- regulierenden Zentralapparate". Wenn FR6KLICK neuer- dings yon einer reizbaren Schw/iche des ~AT~rmezentrums spricht, so kommt das im wesentlichen auf das gleiche hinaus. H~lt man sich streng an diese Definition, so ergibt sich als klare Konsequenz, dab die Temperatursteigerung als solche f fir das Fieber nicht alas Entscheidende ist, obwohl sie in Laienkreisen und auch vielfacb heute bei &rzten noch damit identifiziert wird. Einfache Temperatursteigerungen kommen auch bei ganz gesunden Menschen welt hgufiger vor, als gew6hnlich angenommen und yon ihnen empffmden wird. Meist genfigt eine starke, etwas lgnger dauernde k6rper- liehe Anstrengung, wie z .B. eine ]~ergbesteigung oder ein Marsch in Sonnenhitze oder ein heiBes Bad, um die K6rper- temperatur fiber die normale H6he yon 37 ~ axillar hinaus- zutreiben. Die Ursache daf/ir ist nicht eine krankhafte Ver- /inderung der im Gehirn, insbesondere im Tuber cinereum liegenden temperaturregulierenden Apparate, sondern die Uberschreitung der physiologischen Grenzen ihrer Leistungs- f~higkeit. Es kommt infolge ungenfigender W/irmeabgabe zu einer W~rmestauung im K6rper, die selbst bei intaktesten Zentralapparaten sich notwendig in einer Uberw/irmung 5r, gern mug. Des weiteren folgt arts der geschilderten Auifas- sung vom Wesen des Fiebers, dab alle die zahlreichen Pr0zesse, die z. ]3. beim Fieber des Menschen zu der krankhaften Ver- 5nderung des Temperaturzentrums sicb hinzugesellen, wie Immunitgtsvorggnge, Vergnderungen anderer Gehirnzentren, St6rungen der psychischen Sph/ire nsw., mit dem Fieber an sich nichts zu tun haben. Sie stellen nur die koordinierten 2\uBerungen der Einwirkung der gleichen Noxe an anderen Stellen des K6rpers, insbesondere des Zentralnervensystems, dar. Mit dieser reinlichen Trennung ist fiir viele Fragen der Fieberforsehung mancherlei gewonnen worden (FREIJ~D), der Fieberbegriff ist so viel ldarer herausgearbeitet worden. Dieser Vorteil ist allerdings in mancher ]3eziehung mehr ein begrifflicher und theoretisclaer, denn gerade bei den Fieber- formen, die uns vor allem interessieren, ngmlich dem infek-

IQinische Wocl~enscl~rift~ 2. Jahrg.

ti6sen Fieber des Menschen, l~Bt sich die Wirkung des Pro- zesses isoliert nur selten studieren. Daffir eignen sich vor allem das W~rmesticbfieber sowie die spgrlichen F~ille yon rein zentralem Fieber sonst.

Wollen wir aber erfahren, wie der Stoffwechsel beim Fieber des Menschen sich gestaltet, so ist der Untersuchung nur der Gesamteffekt Mler Wirkungen, welche die fiebermachende Noxe im K6rper aust6st, zug/~nglich, und wir mfissen ver- suchen, im Einzelfalle ihn zu analysieren und no weit es m6glich ist, die Part ialkomponenten zu isolieren. Dadurch muB die Klarheit der Resultate und die Eindeutigkeit ihrer Auslegung leiden, nnd das ist auch die Quelle so mancher Divergenzen der Auffassungen, die noch auf diesem Gebiete bestehen.

Die erste Frage, welche die Betrachtung des Fieberstoff- wechsels aufwirft, betrifft die lnt6nsitiit der Verbrennungen. Die alten Arzte bis in das graue Altertum hinein, wclches das Fieber schon kannte, zweifelten im allgemeinen nicht daran, dab der Stoffwechsel im Fieber erh6ht ist. I-Ieute, wo wit vor allem dutch RI3BNER wissen, dab es neben der Regu- lation der W/irmebildung (der sog. chemischen Form) auch eine solche der W/~rmeabgabe (die sog. physikalische Form) gibt, erscheint diese Annahme nicht mehr so selbstverst/ind- lich, denn theoretisch ist eine Steigerung der K6rpertemperatur sowohl dutch Erh6hung der WSxmebildung bei gleichbleiben- der W/~rmeabgabe wie durch eine Einschr~nknng der W~rme- abgabe bei gleichbleibender W/irmebildung denkbar. Nur durch exakte Bestimmungen des Gesamtstoffwechsels war deshalb eine Entscheidung zu treffen. Die ersten grund- legenden Arbeiten yon v. LEYDEN und LIEBERMEISTER, die alierdings nur die Kolalens/~nreproduktion untersucbten, fiihrten 5bereinstimmend zu dem Ergebnis, dab eine Steige- rung der Verbrennungen im Fieber vorliegt. Sie betrug in diesen Versuchen 2o--5o % nnd ging nur im Schfittelfrost fiber diese Zahlen hinaus. Die Bedeutung dieser Zunahme der W~rmeproduktion wurde aber falsch gewertet, indem das Fieber als Folgeerscheinung aUfgefaBt wurde, a n a l o g der Temperaturerh6hung infolge intensiver Muskelarbeit. Da- gegen wandte sich mit Recht SENATOR, abet er verfiel seiner- seits wieder, gestfitzt anf Tierversuche, die ihre Beweiskraft heute zum groBen Teil verloren haben, in den Fehler, eine nennenswerte Steigerung des Umsatzes im Fieber fiber- haupt zu leugnen und das Wesen des Fieberstoffwechsels im wesentlichen in einer Verschiebung der prozentuaten ]3e- teiligung des verbrannten K6rpermaterials zu sehen. Erst Versuche y o n ]~AY, •EBELTHAU, ]6~REHL n n d ~/~ATTHES, SO- wie STs und anderen bei Tieren und yon KRAUS und zahlreichen spgteren Untersuchern beim Menschen stellten die Sachlage wieder her, so dab heute nicht mehr daran gezweifelt werden kann, dab das Fieber sowohl bei Tieren wie beim Menschen in der Regel mit einer Mehrung der Oxydationsprozesse einhergeht. Strittig ist nur noch, ob das immer der Fall sein muB. Die t3ean*wortung dieser Frage ist dadurch sehr erschwert, dab das Fieber nicht der einzige Faktor ist, der das Verhalten des Stoffweehsels der- artiger Kranker bellerrscht. Vor allem bei 1/~ngerem Bestehen und der dadurch meis t bedingten Reduktion des KrMte, und Ern/ihrungszustandes t r i t t der EinfluB der Unterernfih- rung immer stgrker in die Erscheinung, und dieser wirkt entgegengesetzt wie das Fieber, nfimlich im Sinne einer Stoffwechseldepression. Aul3erdem sehen wir, daB, wie so vielfach im Organismus, bei lXngerer Dauer des Reizes die Reaktionsst/irke auch im 1/inger dauernden Fieber langsam abnimmt. Dutch diese Momente kommt es, dab schlieBlich am Ende sehr langer Infektionskrankheiten (z. B. Tuber- kulose) Stoffwechselsteigerungen nicht mehr sicher faBbar

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werden. Viel klarer u n d eindeutiger l{egen die Verh/iltnisse bei akut einsetzendem Fieber, wie in den ersten Wochen sch~erer Infektionskrankheiten. Hier wird eine Steigerung wohl nie vermil3t, und die gan z vereinzelten Beobachtungen, aus denen das Gegenteil abgeteitet wurde, sind meines Er- achtens so wenig fiberzeugend und eindentig oder, wie beim Anaphylatoxinfieber (R. HIRSCI~), so besonders geartet, dal3 sie gegenfiber dem fiberw/iltigenden experimentellen und klinischen Material mit entgegengesetztem Resultate nicht entscheidend in Betracht k o m m e n .

Nachdem fr/iher ein strenger Parallelismus zwischen Er- h6hung d e r Temperatur und Steigerung der Verbrennungen vielfach abgelehnt wurde, spreehen neuere, sehr exakte amerikanische Versnche, vor a l l en yon DU BOlS, an einem sehr groBen, gleichartig untersuchten Material (i37 meist lang- fristige Versuche) doeh. daffir, dab wenigstens fiir frische, fieberhafte Infekte in der Regel die Stoffwechselh6he eine Funkt ion der K6rpertemperatur ist. Sie folgt dabei in 8 2 ~ aller Versuche der van ' t Hoffschen Regel (R-G-T- Regel), naeh der die Geschwindigkeit der meisten chemischen Reaktioneu bei diner Temperaturerh6hnng u m IO ~ an- nghernd verdoppelt bis verdreifacht wird. ~u das Ge- setz i m allgemeinen fiir den tierischen Organismus gilt, ist noch str i t t ig. : W/ihrend KANITZ u .a . ihm eine seNr weit- gehende Giiltigkeit einr/iumen, steht z .B. KROGH fiir die meis ten Tierarten auf dem entgegengesetzten Standpunkt . Fflr die vorliegende Frage und das relativ schmale Temperatnr: intervall yon 37--41 o scheint m i r aber dutch die amerika- nischen Versnche der Beweis der Gfiltigkeit erbracht zu sein.

W4e und wo kommt diese vermehrte W~irmebildung zustande? Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, da wir im in- t ak ten Organismus so schwer an die Hauptquellen der W~rme- bildung herankommem Nur durch vergleichende isolierte Untersnchungen der einzelnen Organe, z. ]3. mit der Barcroft- sehen Blutgasmethode, w/ire diese Frage klar zu entscheiden. Aber solche UnterSuchnngen fehlen bisher noch. So hat man sieh durch Feststeliung der W/irmetopographie (vergleichende Messung de r Temperatur yon Orgarmn und deren Venen- blur) Anhaltspunkte zn gewinnen versucht. Dabei wurde eine Temperaturzunahme vor allem in den Muskeln und den grol3en Unterleibsdrfisen, insbesondere der Leber, festgestellt. Das sind ja auch die Organsysteme, die normalerweise den Haupt- anteil a n der W/irmebildung haben. Die Zunahme yon Herz- und Atemfrequenz reicht zur Erklgrung keinesfalls aus, denn selbst eine Verdoppelung der Arbeit dieser Organe, die im Fieber selten vorliegt, wiirde nur eine Erh6hung des Gesamt- stoffwechsels um h6chstens.8 % verst/indlieh machen. Wahr- scheinlich beteiligen sich fast alle Organe an der Mehrproduk- tion yon Wgrme im Fieber, etwa gem/iB d e n Anteil, den sie normalerweise am Umsatz haben. Der gesamte vitale Tonus ist eben im Fieber gesteigert, nu t einzelne auBersekreto- rische. Driisen m~chen vielleieht davon eine Ausnahme. Wie diese Reizwil"kung zustande kommt, 1/iBt sich noch nicht sicher sagen.. Der Zug der Zeit, insbesondere Versuche yon 5{AXSFELD und seinen Mitarbeitern, legten den Gedanken nahe, aueh hier tier Schilddrfise eine entscheidende Rolle zuzu- weisen. ])as ist aber nicht angS~ngig, denn die Stoffwechsel- steigerung im Fieber f~llt beim thyreoektomierten Hunde genau so groB aus wie beim Tiere mit Schilddriise (GRAFE und. v. REI)WlTZ). Auch gir eine besondere Bedentung a n - derer Inkretdriisen (etw~ Nebenniere) liegen keine sicheren Anhaltspunkte vor. So bleibt ffir den Angriffspunkt die alte Alternative: ZeI~tralnervensystem oder periphere Erfotgs- organe, ida auch bei dem rein zentral bedingten Fieber, wie z. B, beim W/irmestieh, eine Stoffwechselsteigerung in /ihn- tichem, wenn vielleicht nicht framer so hohem AnsmaBe wie beim infekti6sen Fieber des Menschen resnltiert, so ist es yon vor.nherein sehr wahrscheinlich, dab wenigstens der Hanpt- sache nach der Impuls zu vermehrter Arbeitsleistung den Organen ant nerv6sen Bahnen zufiieBt. Die Tatsache, dab bei den gleichen Infektionerl nach Ausschaltung der nerv6sen Zentralapparate. durch Halsmarkdurchtrennung jeder sichere EinfluB a n t die GesamtwXrmebildung ausbleibt (FREUIqD undGt~FE)~ scheint das mit S icherheit zu beweisen.

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: Auger der ~7/irmebildung zeigt auch die Wgirmeabgabe im Fieber Abweichungen yon der Norm. Das beweist schon die Fieberr6te und die abnorme Sch,~TeiBbildung. Die Ver-

. ~nderungen- s ind aber nicht gleichartig, sondern richten sich nach den verschiedenen Stadien des Fiebers. In den Hauptztigen war das frfiher schon bekannt, im Einzelnen haben es erst neuere calorimetrische Untersuchnngen ameri- kanischer Forscher, vor a l l en yon Du BOlS nnd seinen Mit- arbeitern, bei der Malaria festgestellt. Im Ansfieg, am stgrk- sten ausgesprochen im Schfittelfrost ist die Abgabe ver- mindert. Da oft gleichzeitig Muskelkontraktionen einsetzen, die erst recht die Oxydationen in .die H6he t re iben kann man hier noch am ehesten yon einer W/ir'mestauung ~im Fieber sprechen. Ant der H6he der febrilen Temperatursteigerung wird die W/irmeabgabe gr6Ber, z. T. dnrch W/irmestrahlung, vor allem aber dutch vermehrte ~Tasserverdunstung (vgt. vor a l l en SCEwENKENBECIIER) bis zur ausgesproehenen Schweil3bildung. Am stgrksten n immt diese Vermehrung zu, wenn es bei gleichzeitiger Minderung der W/irmebildung zum Abfalt des Fiebers kommt. Die Raschheit und StRrke dieses Prozesses scheint dabei im wesentlichen y o n dem Verhalten der W/irmeabgabe best immt zu sein.

Mit welchen NdhrstoJ/en wird der erh6hte Fieberstoff- wechsel bestri t ten ? Die Quellen, die da znr Verffigung stehen, sind im wesentlichen die gleichen wie beim Gesunden. Es fragt sich nur, ob da quanti tat ive Verschiebungen gegenflber der Norm vorkommen. Von entscheidender Bedeutung ist natfirlich znn~chst die Menge nnd Art der Nahrungszufuhr sowie der Ern/ihrnngszustand des fiebernden Organismus. In den meisten F/illen, in denen man nicht entsprechend den Forderungen der heutigen Fieberdigtetik eine ganz besondere Sorgfalt auf eine m6glichst ansreichende Nahrungsaufnahme verwendet, wird infolge des Appetitmangels die Ern/ihrung insuffizient, und es kommt demgemgB zur Unterernfihrung. Diese ist aber dadurch charakterisiert, dab das Fet t ganz vorwiegend f/ir die Ene~gieproduktion herangezogen wird. So ist es auch, wie wir hente im Gegensatz zu /ilteren An- schauungen mit roller Sicherheit wissen, beim Fieber des Menschen und der groBen Versnchstiere, wiihrend bei klei- neren Tieren auch der Unterern~hrungsstoffwechsel anderen Gesetzen folgt.

Eine Sonderstellung nehmen der Kohlenhydrat- mad EiweiB- stoffwechsel ein. Das yon der Norm abweichende Verhalten des ersteren N/~hrmateriales kommt darin zum Ausdruck , dab der Olykogengehal~ des fiebernden Organismus besonders rasch und stark dahinschmilzt, was unter anderem auch in der meist vorhandenen Erh6hnng des Blutzuckers in die Erscheinung tritt . Wenigstens gilt das f/Jr die Leber, wghrend das Muskelglykogen entsprechend der Sonderstellung, die es vielfach im Kohlenhydrathaushalt des iK6rpers einnimmt, kaum davon betroffen wird. Vielerlei spricht daffir, dab die Entleerung der Glykogendepots der I,eber durch bes0nderen Nervenreiz yon den w~rmeregutierenden Apparaten aus er- folgt.

Besonders kompliziert liegen die Verh/iltnisse ffir den NiweiflstojJwechsel, weil hier die Anzahl der Faktoren, die ihn beeinfiussen, besonders groB ist. Als ein besonderes Charak- teristicum des Eiweil3stoffwechsels im Fieber gilt seit VOGEL n i t Recht seine erhebliche Zunahme gegeniiber der Norm. Besonders stark ist sie bei akuten Infekten sehr gut ern/ihrter, viel eiweiBkonsumierender Menschen, wghrend bei langdauern- den Infektionen stark kaehektisch gewordener Kranker seibst bei hohem Fieber die Differenzen gegenfiber der Norm sehr klein ansfallen k6nnen. So klar und eindeutig die Steigerung als solche ist, so umstr i t ten ist n0ch in manchen Punkten die Genese, wenn auch bier einer Ann/iherung der abweichenden Auffassungen unverkennbar ist.

Die Divergenz der Ansichten finder darin ihren Grund, dab die EiweiBeinschmelzung im Fieber keine einheitliehe Ursache hat. Folgende Faktoren kommen als nlehr oder weniger stark beeinflussende Momente in Betracht: Unter- ernghrung, rascher Glykogenschwnnd, die Temperatur~ erh6hung als solche, die Schgdigungen der chemischen Wgrme- regulation, bes0ndere toxisehe Einfliisse auf das EiweiB der

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K6rperzelien, ferner in besonders gelagerten F/illen die Resorption entzfindIicher Ergiisse.

DaB Hunger und Untererni~hrung, die bet Fiebernden leider immer noch eine so groBe Rolle spieler und erst recht in Tier- Versuchen sehr schwer zu iiberwiliden sind, den EiweiB- bestand des Organismus deletgr beeinflussen, ist eine be- kannte Tatsache. Die N-Bilanz des K6rPers ist im allgemeinen ein sehr feiner Indicator dafiir, ob die Nahrung ausreichend is t . Ffir den Fiebernden ist diese Forderung natiirlich erst erfiillt, wenn auch der Stoffwechselsteigerung in genfigender Weise Rechnung getragen wird, was in vielen ~lteren Versuchen vers~Lumt wurde. Daraus ergibt sich, dab auch ffir das Fieber der EiweiBstoffwechsel nicht isoliert, sondern nur im Zu- sammenhang mit dem Gesamtstoffwechsel richtig beurteilt werden kalin, e ine Forderung, die zuerst RUBNER ffir die Be- wertung tier quant i ta t iven Verh/iltnisse des EiweiBstoff- wechsels aufgestellt und zwingend begriindet hat. Sie gilt soweit, als das EiweiB iiir dynamische Zwecke verwandt wird, w/ihrend ein meist sehr kleiner Tell (ca. 4--IO%), der besonderen biologischen Aufgaben dient, davon nicht be- troffen wird.

Ulitersucht man aber die Beteiligung des Eiweit3es am Gesamtstoffwechsel Fiebernder im t tungerzustand in lang- fristigen Versuchen, so erhglt man in der RegeI mit niedrigen und mittelhohen Temperaturen die gleichen Werte (I 5 -- 2o %) wie im unkomplizierten Hunger. In diesen F/~llen stellt sich auch hinsichtlich des EiweiBes der Fieberstoffwechsel als ein quant i ta t iv gesteigerter Hungerstoffwechsel dar (GRAPE). Bet h6heren Fiebern um 4 ~ ~ herum nnd besonders schweren Infektionen gehen abet die Prozentzahleli bis 3o% hinauf, ein Beweis, dab hier der Faktor der Unterern~hrung zur Er- kl/irung nicht mehr ausreicht. Diesen Standpunkt habe ich schon in meiner ersten Fieberarbei t vertreten, was ich bet dieser Gelegenheit, um MiBverstgndnisse zu beseitigen, aus- drticklich hervorheben m6chte, da manche Referenten meiner Arbeiten es so darstellen, aIs ob ich ganz allgemeili die N-Ver- luste im Fieber nur durch Unterern~hrung zu erkl~ren suchte. Auch damals habe ich schon auf die Bedeutung der chemischen W~rmeregulation ffir den EiweiBstoffwechsel im Fieber hingewiesen.

Versucht man, wie es zuerst BAUER, ]~UNSTLE, I~LEM- PERER U . a . in letzter Zeit SH2~FPER und COLEN[AN, sowie ROLLAIVD taten, durch Steigerung der Nahrungszufuhr die negative N-Bilanz in ein Gleiehgewicht umzuwandeln, so geht das zur Not bet Temperaturen unter 39 ~ mit Mengen, die dem Nahrungsbedarf ann~hernd elitsprechen. Bet h6he- ren Temperatureli ist aber, wenigstens bet akuten schweren Infektionen, eine weft gr6Bere Calorienzufuhr (bis Ioo Cal. pro kg) notwendig. Auch das weist a u f Besonderheiteli solcher F~lle hiE.

Die besonders wichtigen Untersuchungen des N-Minimums sind, wenn sie wirklich beweiskr~ftig seial solleli und alle Eigentfimlichkeiten des Fieberstoffwechsels ausreichend be- rficksiehtigen, vor allem beim 3/ienschen so schwierig, dab yon dieser Seite bet den widersprechenden Resultaten (GRAPE, KOCHER, McCANN, Du BOlS und seine Mitarbeiter) noch keilie befriedigelide K1/~rung gekommen ist.

DaB der rapide Olytcogensehwund der Leber im Fieber den EiweiBumsatz alterieren muB, ist bet den engeli Beziehungen zwischen Koh lenhydra t -und Proteinstoffwechsel selbstver- stagndlich, und vor allem yon MAY lind seinen Schfilern nach- drficklich hervorgehoben. Ganz ghnlich liegen die Verh/ilt- nisse bet der Phosphorvergiftung , bet der die oft enorme Eiweigeinschmelznng dutch groBe Kohlenhydratgabeli ganz oder fast ganz zum Verschwinden gebracht werden kann (RETTIG). Entscheidend ffir die Wirkung auf den EiweiB- umsatz ist nicht der Glykogenschwnnd als solcher, sondern das Organ, in dem er stattfilidet. Auch bet intensiver Muskel- arbeit wird viel Glykogen verbraucht, aber das geschieht hier in den l~iuskeln, wo im Bedarfsfalle in loco die zur Muskel- arbeit notwendigen Kohlenhydrate aus anderen Quellen ge- bildet werden k6nnen, wghrend das groBe Gtykogenreservoir des K6rpers, n/imlich die Leber, normal funktioliiert. Der

EiweiBumsatz bleibt daher, sofern nicht starke Dyspn6e oder Unterernghrung eintreten, unver/~ndert.

Die Sch~idigung im Fieber hat dagegen gerade den Kohlen- hydratbestand der Leber zumHauptangriffspunkt, deshalb muB hier dutch den raschen Schwund der Hauptglykogenquelle, die nur langsam sich regenerieren kann und daher immer yon neuem versiegen muB, die Wirkung auf den EiweiBumsatz ganz anders ausfallen. Wenn somit an der grogen Bedeutung des Leberglykogenschwundes meines Erachtens kaum mehr ernstlich gezweifelt werden dart, so fehlen doch vorl/iufig noch alle qnant i ta t iven Angaben iiber den EinfluB dieses Faktors auf den febrilen Eiweil3umsatz.

Weiterhin k~me die ErhShung der K6rperwiirme als solche in Frage. Sie ist nur dm'ch Uberhitzungsversuche an Tiereli oder Menschen zu bean twor t en . Seit IBARTELS und NAUNYN sind viele Experimente in dieser Richtung angestellt, aber bis in die neueste Zeit hiliein (GRAHAM und POIJLTON) blieben die Resultate widersprechend, auch bet anscheinend ganz ein- wandfreier Versuchsanordnung. So 1/~Bt sich vorlgufig wohl nur soviel sagen; dab niedrige TemperatUren in der Regel ohne sicheren EinfluB auf den EiweiBumsatz sind, dab bet h6heren vor allem bet Tiereli, aber auch beim Menschen aus- gesprochene Steigerungen resultieren k6nnen, dab das abet, so weft jedenfalls k/irzer dauernde Versuche in Betracht kommen, nicht gesetzmggig der Pal! zu sein braucht.

W~hrend die bisherigen Einfliisse auf den Eiweigumsatz schon seit Jahrzehnten studiert und diskutiert wurden, sind erst in neue ren Untersuchungen die Folgen der zentralen St5rungen der ehemischen Wdrmeregulation ]i~r de~ E~weifl- umsatz vermutet und aufgedeckt worden (GRAPE, FREmVD und GRAPE, ISENSCH~ID, FREVNI) U.a.). Schaltet man ngm- lich die chemische W~irmeregulation durch IIalsmarkdurch- t rennung am 5. oder 6. Segment aus, so steigt der EiweiB- umsatz bet ann~hernd gleich groBer oder etwas vermehrter Gesamtw/irmeproduktion auf das doppelte oder dreifache der Werte vor dem Eingriffe an. FREUND und GRAPE haben aus diesen ihren Beobachtungen auf die Existenz besonderer im Halsmark verlaufenden Bahnen iiir die Regula t ion des Eiweigumsatzes in den Organen geschlossen. Aufhebung der chemischen W~rmeregulation durch Pharmaca wirkt in der gleichen Weise (FREUND). Durch weitere Untersuchungen konlite wahrscheinlich gemacht werden, dab diese Bahnen zur Leber ffihren und mancherlei spricht dafiir, d a b sie kranialw/irts voli einem allerdings noch hypothetischen, abet durch mancherlei Beobaehtungen fast zwingend gefordertem EiweiBzentrum ihren Ursprung nehmen. Infiziert man Tiere (Hunde oder groBe Kaninchen), bei denen diese Regu- lationsbahnen uliterbrocheli sind, mit einem t6dlich wirkenden Virus (Bac. suipestifer, Naganatrypanosomen u s w . ) , so bleibt jede sichere ~nderung yon K6rpertemperatur, Gesamt- stoffwechsel und EiweiBumsatz aus, obwohl die Tiere zur gleichen Zeit starben, wie die typisch erkrankten Kontrolleli and wie diese die Erreger in Massen im Blute enthielten. Daraus muB man schlielaen, dab wenigstens bet den genannten Infekten die delet/ire Beeinflussung des EiweiBstoffwechsels auf zentral nerv6sem Wege zustande kommt. Wenn im Fieber die chemische W~Lrmeregulation auch nicht zerst6rt oder vollkommen ausgeschaltet ist , so ist sie d0ch immerh in so schwer ver/~ndert, dab es sehr gut m6glich ist, dab die Wir- kung auf den EiweiBumsatz in einer prinzipiell gleichen Weise, wenn aueh quant i ta t iv meist in viel geringerem MaBe zur Geltung kommt. Schon jede sehr erhebliche Anspannung der chemischen W/irmeregulation bis an die Grenzen ihrer

Leistungsf/ihigkeit fiihrt beim Tier zu ether Steigerung'des EiweiBumsatzes, wie besonders Versuche nach Ansschaltung der physikalischen Regulierung zeigen (FREUND und GRAPE). Denkbar wgre auch, dab die Anomalieli der EiweiBregulations 7 apparate der Sch~digung des W~rmezentrums nicht sub- ordiniert, sondern koordiniert sind, doch fehlt daffir vorl/iufig noch jeder sichere Anhaltspunkt. WeIche Vorstellungeli man sich auch im einzelnen aui diesem neueli, schwierigen Gebiete machen will, jedenfalls scheint soviel festzustehen; :dab die St6ruligen zentra!er Regulafionsapparate ffir den Stoff- wechsel eine seth- wesenttiche Rolle bet dem Zusfandekommen

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des febrilen Eiweigzerfalls bet schweren Infektionen spielen. Je nach der St/irke der Sch/idigung, ffir die wohl meist, wenn auch gewif3 nicht notwendig, die H6he der Temperatur- steigerung einen Gradmesser abgibt, kann der EinflnB auf den N-Umsa• verschieden stark ausfallen, und es besteht zu- n~chst kein Gegengrund, selbst sehr starke N-EinbuBen auf diese Weise zu erkl/iren.

Damit kommen wir zu der wichtigen Frage, ob die bisher geschilderten Faktoren alle Anomalien des Eiweigumsatzes erklSxen oder ob es notwendig ist, nocla auBerdem besondere unbelc~nnte Sch~digungen, die am Protoplasma der Zelle primfi.r ihren Angriffspunkt baben, anzunehmen. Die ersten Untersucher glaubten fiir die neue Tatsache der gewaltigen I-tarnstoffausscheidungen im Fieber, die in ihren Beobach- tnngen infolge der ganz unzweckmfiBigen Ern/ihrung der damaligen Zeit ganz besonders groBe Dimensionen erreichten, die Annahme eines derartigen toxlschen Faktors machen zu miissen. So ents tand die Lehre yore toxogenen EiweiB- zerfall im Fieber, die NAUN~N begriindete und sp/iter vor allem v. NOORD~N, MOLLEn, KREHL und KRAus welter aus- gestalteten. Es ist bier nieht der Ort auf die interessante Diskussion u~d Geschichte dieses Problems n/iher einzugehen. Es ist das um so weniger n6tig, als mit der wachsenden Er- kenntnis der Bedentnng des Zentralnervensystems ffir den EiweiBstoffweehsel in die Diskussion ein neues Moment hineingekommen ist, das ihr notwendig eine andere Richtung gibt. Die entscheidende Frage laurel h eute, gibt es Fieber- arten, bet denen die EiweiBeinschmelzungen so grbB sind, dab auch Sch~idigungen der zentralen Regulationsapparate fiir den EiweiBstoffwechsel nicht zur Erkl/irung ausreichen, so dab die delet~re Einwirkung an der Zelle primer erfolgen muB. Diese letztere Vorsteltung ist allen Theorien des toxo- genen EiweiBzerfalls gemeinsam, so verschieden sie auch sonst gehaKen sind. Diese Frage kann fiir den Menschen flberhaupt nicht direkt, sondern la6ehstens dutch Analogie- schliisse a u s Beobachtungen bet Tieren beantwortet werden. Denn n u r bet diesen lassen sich durch Ausschaltung der IRe- gulationsapparate Mare u schaifen. Ein paripherer toxiscker AugriK ist nu t dann erwiesen, wenn nach Ausschaltung der chemischen W~rmeregulation bzw. der GeL tungsbahnen fiir die Steuerung des tgiweiBumsatzes in den Zellen eine sonst wirksame Infektion den EiweiBumsatz in die I-I6he treibt. Untersucht ist bisher nur der Einflng yon 13ac. suipestifer und Naganotrypanosomen. ]3ei grogen Kaninchen und Hunden ergibt sich dabei, wie schon oben erw~hnt, keine sichere Steigerung der N-Ausfuhr (FR~v:~D und GRAFE), wghrend bet Meinen Tieren Zunahmen auf- t reten k6nnen (IszNSC~M~), doch stellen sie sich hier, wie RUBNI~R zuerst zeigte, im Hunger auch 0hne sonstige Eingriffe ein. Bet diesen Infekten liegt also kein toxogener EiweiB- zerfall vor. Wie andere sieh verhalten, wissen wit vorl/~ufig n0ch nicht. Die M6glichkeit, dab andere Infektionen anders wirken, besteht, zumal ISENSCI-IMtD zeigen konnte, daf$ Oifte, wie Tetrahydro-/%Naphtylamin u n d Salicylate, vielleicht auch Cocain und Coffein, Stoffwechselsteigerungen nnd Fieber auch bet Tieren ohne chemische W/~rmeregulation hervorrufen k6nnen. Auch ffir das Adrenalin gilt das. Wie sich allerdings bet dieser Versuchsanordnung der EiweiBumsatz verh~lt, ist noch nicht geniigend untersucht. Beim Adrenalin w i r d e r eingeschr~nkt (FRXUND u n d GRA~], E i n Beweis ist also ~/uch bier vorl/h~fig noch nicht erbracht. Wir sehen aber nun e inen klaren Weg vor uns, die alte Frage nach der Existenz eines toxogenen EiweiBzerfalls im Fieber Ifir jede einzelne In- fektion wenigstens beim Tiere einwandfrei zu entscheiden. Die Arbeit hat hier erst begonnen, fiir die meisten Infektionen bleibt es vorl/iufig bM einem non liquet. Sicher scheint mir nut" das eine, dab ein toxogener EiweiBzeriali bet der Genese des febrilen EiweiBzerfalls keinesfalls die groBe nnd ausschlag- gebende Rolle spielt, die ihm friiher vielfach zugewiesen wurde.

Wenn in d e n bisherigen Ausfiihrungen vom Gesamt- eiweiBumsatz gesprochen wnrde, so wurde er beurteilt nach der N-Bilanz. Das ist streng genommen nicht richtig, denn fiir den giwelgumsatz im gew6hnlichen Sinne gibt nns die Harnstdffausfuhr einen genaueren Anhalt, worauf kiirzlich

VON MOLLER in seiner Leydenvorlesung wieder nachdrficklich hingewiesen hat. Im Fieberharn entfallen aber nnr ca. 80% des Gesamt-N- ant Harnstoff, etwa 2o% auf andere N-hMtige K6rper, deren StoffwechseI zum groBen Tell eigenen Gesetzen folgt, wie der Purin-, Kreatinin- und Ammoniakum- satz. Die Purine sind uns ein wichtiger Indicator ffir die Frage des Kernzerfalles, Kreatin bzw. Kreat inin ffir die Vor- ggnge im Muskel, spez. wohl den Kohlenhydratstoffwechsel in diesen Organen, und Ammoniak ffir die Sgnreverh~ltnisse. Es ist Mar, dab mit Steigerungen des Gesamteiweigumsatzes sich in tier Regel anch Znnahmen der Purin- und Kreatinin- ausscheidung kombinierei1. Nur wenn die prozentuale Betei- ligung an der Gesamt-N-Ausscheidung erheblich gr6Ber ist, als in der Norm, k6nnen besondere St6rungen in den betreffen- den Partialgebieten yon besonderer biologischer ]3edeutung gefolgert werden. Es scheint, dab in manchen F~llen relativ starke Steigerungen yon Kreatinin, vor allem aber Harn- s~ure vorkommen, doch sind die Beobachtnngen noch zu sp~r- lich und zu wenig eindeutig und beri~cksichtigen meist das Ern~ihrungsmoment zu wenig. Gerade hier wgren Versuche auf dem Minimum mit Kohlenhydratfiberschwemmung yon groBem Interesse.

Von qual~tativen Ver(inderungen des EiweifistoJjwechsels set das Auftreten yon Albumosen und Diazok6rpern er- w~hnt, die je nach der Art der InfektionsMankheit eine ver- schiedene Zusammensetzung haben k6nnen (HxRMANNS). Die Mengen dieser Substanzen sind aber so klein, dab sie gegenflber den anderen EiweiBabbauprodukten fiberhaupt nicht in Betracht kommen.

Auch der Ahbau der Fette kann im Fieber leiden, indem _4cetonk.iSrper in kleinen Mengen auftreten. Mit dem Fieber Ms solchem hat das aber nichts zu tun, sondern es handelt sich da, wenigstens soweit Erwachsene in I3etracht kommen -- vielleicht liegen in den ersten Lebensjahren noch ]3esonder- heiten vor -- nur um die Folge yon Unterern~hrung. ]3ei zweckm~Big Ern/iI%rten treten diese Stoffe hie aui. '"

Gibt es nun noch a~clere Anomatien des YieberstoMwechsels yon nennenswertem lJmfange? Eine Zeitlang semen es so. Von zahlreichen Forschern wurden mit den verschiedensten Methoden in kurzdauernden Respirationsversuchen lu

des respiratorischen Quotienten (CO2t unterhalb o,7I 7, der \o~ /

Zahl bet ausschlieglicher Fet tverbrennung, die in der Norm als tieister Weft erreicht wird, gefunden. Es wurde daraus auf eine unvoltst~ndige Verbrennung der Nahrungsstoffe geschlossen, und well derartige Substanzen im Harne nicht zu Iinden waren, wurde die Annahme gemacht, dab im K6rper des Fiebernden ein O=-reicher K6rper nnbekannter Art sich anhgufe, der in der ersten Zeit der Rekonvaleszenz wieder zur Verbrennung kgme (I~OLLY). IIente ha% diese Frage aber nut noch historisches Interesse, da langfristige Versuche stets normale respiratorische Quotienten ergeben haben (BENE- DICT Lll~d CARP~ENTER, G1KKFE, DU BOIS 11, a.) . W e n n wi t y o n manchen, technisch nicht einwandfreien Beobachtungen ab- sehen, so sind die abnorm niedrigen Quotienten in den kurz- fristigen Versuchen in der Regel wohl dutch voriibergehende Kohlens~ureretentionen entstanden, die bet l~ngerer Unter: suchungsdauer sich wieder ausgleichen.

Nach all.edem kann es heute keinem Zweifel mehr unter- tiegen, dab tier respira/erische Stoffwecksel keine AnomMien qualita• Art erkennen lgBt. Diese Ansicht hat KRAVS, zeitweise fast isoliert damit stehend, irnmer vertreten.

Zum Schhsse sei noch der Einwirlsung der Nahrung au] den Gesamtstoffwechsd kurz gedacht, da hier eine theoretisch wie praktisch gleich bedentsame Frage vorliegt. Als Haupt- grund dafiir, daft Fiebernde Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindureh mangel~a~t und ungen/igend ern~hrt wnrden, findet man immer wieder die Angabe, dab reichliches Essen den Stoif- wechsel und damit das Fieber erh6he nnd dadurch vim mehr Schaden wie Nutzen stifle, g rs t in neuerer Zeit haben COLEMAN und ou BoIs in sehr sorgfgltigen calorimetrischen Untersuchungen dies alte Dogma auf seine Richtigkeit hin untersucht. Dabei ergab sich die iiberraschende Feststellung, dab der Fiebernde auf die auigenommene Nahrung nieht nur

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m i t keiner sts sondern sogar einer z. T. erheblich ge- ringeren Steigeruug seiner Verbrennungen reagiert als cler Gesunde. 13ei Kohlenhydraten fehlt sie sogar fast v611ig. Das Fieber wurde gar nicht sicher beeinfluBt. Damit ist auch yon dieser Seite her der falsehen Fieberdi~tetik, die heute framer noch besonders unter der /ilteren Nrztegenerati0n xdele An- h~nger besitzt, eine uralte Stflt~ze entzogen worden.

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Bezihgiich ~ aller Detailfragen, Belege und Literaturangaben sei verwiesen auf die beiden neuesten mefiographischen Darst~llUngen fiber das Fieber von:

H. FI~EI~n, Uber Ws und Fieber. Ergebn. d . ~nn. Med. u. Kinderheilk. 22, 79. 1922. - - E. GRAFE, Pathologische Physiol0gie des GesamtStoff- und Kraftwechsels bei der Ern~hrung des Menschen, Kapitel: Der Stoffwechsel im Fieber. Ergebn. d. Physiol. 2I, II. Abt. 1923 (ira Erscheinen begriffen).

ORIGINALIEN. ORGANISCHE ERKRANKUNGEN DES ZENTRAL- NERVENSYSTEMS UND IHRE BEZI-EHUNGEN ZU

VORAUSGEGANGENER OPERATIVER ENTFERNUNG ENDOKRINER DROSEN.

V o n

Professor A. WESTPHAL, Direktor der Provinzial-Heilanstalt sowie der Psychiatrischen und Nervenklinik

~ia Bonn.

~Vohl wenige krankhafte Zusts werden heute in der Pathologie mit gr6Berem Interesse verfolgt, w i e die auf St6rungen der Funkt ion innersekretorischer Drfisen zuriick- zufiihrenden somatischen und psychischen Ver~inderungen. Experimentelle Forschung und ktinische Untersuehungen Wetteifern miteinander in dem Bes~eben, Licht in diese noch vielfach unklaren und dunkeln, offenbar ungemein komplizierten Zusammenhs zu bringen. Bei dieser Lage der Dinge sei es mir gest~attet, einige Beobachtungen mitzu- teilen, die neben bekannteren Symptomenkomplexen, be- st immte Krankheitserscheinungen aufweisen, die, wenn anch ihre kausalen Zusammenh~inge mit endokrinen St6rungen noch nicht nach allen Richtungen geklgrt sind, doch eine Auregung' bieten, den betreffenden Symptomen in Zukunft die Aufmerksamkeit zuzuwenden, da die Frage ihrer Ent- s tehung nicht nur theoretisch wichtig, sondern auch von praktischer Bedeutung ist.

i. Fall*). 44 jRhr. Frau Schl., frfiher stets gesund, you guter Intelligenz und heiterem Temperament. Keine epileptischen Ante- zedentien. Im 30. Lebensjahr Totalexstirpation des Uterus und der Ovarien, wegen ,,Gebs Im AnschluB an die Operation zu gleicher Zeit mit dem Zessieren der Menses, Auf- treten yon geh~Luften epileptischen Anf~llen, 25--35 in einer \Voche, die in unregelm~iBigen Intervallen bis heute andauern, iNach den Anf~llen mitunter Ds Zunehmende Ged~chtnis- abnahme, erschwerte Auffassung, stumpfes, teilnahmloses Wesen, unterbrochen dutch pl6tzliche Erregungszust'~nde. Seit der Opera- tion viel Kopfschmerzeu und grebes Hitzegeffihl. Allm~hlich zu- nehmende starke Adipositas. Nach einem epileptischen Anfall vor einigen Jahren Gefflhl yon Schw~che und Steifigkeit im linken Arm und Bein, welche sich allra~ihlich zu einer L~ihmung steigerten.

Befund: Verd6st aussehende Frau. Gesicht etwas gedunsen, Doppelkinn, fiberall starke Fettpolster,:insbesondere an den Mammae, der Bauch- und Ges~Bgegend exzessiv entwickelt. Schilddrfise nicht sicher palpabel. Keine Menses. Haare, Z~hne, N~gel o. ]3. Typisch epileptische Anf~lle. Gedankenablauf langsam und schwer- f~llig. Deutlicher Intelligenzdefekt. Ausgesprochene Merkfiihig- keitsst6rungen. Gesteigerte Reizbarkeit mit Neigung zu mo- torischen ]~ntladungen. Spas$ische linksseitige Hemiparese, grebe Kraft nnd Bewegungsf~thigkeit eingeschr~tnkt. Unersch6pflicher FuB nnd Patellarklonus 1., Babinski 1. + . Nervensystem im f~brigen ohne Befund. Augenhintergrund normal. WaR. im Blut - - (mehrmalige Untersuchung), kein erhShter Blutdruck, keine nachweisbare Arteriosklerose, keiu Herz- oder Nierenleiden. Darreichung yon Ovarialtabletten ohne Erfolg,

Dieser Tall ist bemerkenswert durch die Entwieklung einer Epilepsie in Verbindung mit den Erscheinungen der Dystrophia adiposo-genitalis naeh Kastration einer frfiher gesunden Frau. Die akuten und ehronisehen Ver~nderungen dieser symptomatisehen Epilepsie entsprechen v611ig den bei der , ,genuinen" Epilepsie zu beobaehtenden St6rungen. Se~n besonderes Gelgrdige erh~ilt dgn 2'al~ dutch die Komblna~ion mit einer im Verlau] des Leidens altmdihlich au]getretenen *) Fall I und 2 sind yon mir in der Sitzung des Psychiatrischen Vcreins der Rhein- provinz ( I9 .Novembcr :921) inYerb~ndung mi t arideren FSlien yon Dystrophia adiposo- genitalis vorgestelIt worden (Ref. Zeitschr. f. Psych. Bd. 78). �9

apastiachen Hemiparese. Wenden wir uns der Pathogenese dieser Symptome zu. Die menschlich e Pathologie bietet bis- her nur wenig Belege ffir die Entstehung yon Epilepsie nach Kastration. Tierexperimente yon H . und J. FIscHER:) zeigen, dab kastrierte Tier e krampff~higer als normale sind. FISCHER und LXYSER (1. c.) heben hervor, dab es durch Kastration und Eunuchoidismus, durch Menstruation, Gravi- dits und Klimakterium, sowie durch Erschfitterungen des Gleichge~dchts ira Stoffwechsel, zu symptomatischcn Kr~mpfen kommen kSnne. Die dutch zahh'eiche Tatsachen gesichel-te Feststellung, dab zwischen den einzelnen innersekretorischen Drfisen gesetzm~Bige Wechselbeziehungen (Korrelationen) bestehen, so dab durch die Erkrankung einer Driise aueh die anderen in ihrer Funkt i0n gestSrt werden (FISCHER), t r i t t a u e h : i n der Sy~nptomatologie unseres Falles zutage und bringt die Krankheitserscheinungen dem Versts n~iher. Mit der Aufhebung der Funkt ion der Ovarien haben sich hypophys~ire Ver~nderungeu entwickelt, auf welche die Erscheinungen der Dystrophia adip0so-genitalis hinweisen. Der Zusammenhang der Hyppphyse nnd der Keimdrfise t r i t t nach SCHOLLER 2) deutlich in der Vergr6Berung der Hypophyse nach Kastration hervor. Nach diesem Autor geh6ren epileptische Anf~ille zu den h~ufigeren Symptomen der Dystr0phia adiposo-genitalis, apoplektische Insulte, was fiir unseren Fa l l bemerkenswert ist, zu den selteneren Vor- komlnnissen. Ich konnte unter den flint won mir (1. c.) vor kurzem demonstrierten F~illen yon Dystrophia adip0so- genitalis Pyramidenbahnsymptome in vier F~tllen nachweisen, ein Befund, welcher darauf hinweist, dab hier wahrscheinlich n~ihere Beziehungen bestehen, deren Grundlage noch nicht feststeht. Vielleicht kornmen Druckwirkungen auf die Hirn- schenkel Iiir das Zustandekommen der Erscheinungen in Betracht (SCHOLLER). Ob die Annahme einer durch St6rungen der Drfisen mit innerer Sekretion bedingten Toxinwirkung, welche fiir die Erkl~rung tier epileptischen Anf~lle in erster Linie in Frage kommt, auch fiir die Deutung der Pyramiden- bahnsympt0me, vielleicht auf dem Wege eines durch die Gift~drkung geschadigten Gefs zu Recht besteht, mflssen weitere Erfahrungen lehren. Von besonderem In- teresse ffir die sich bier ergebenden Fragen sind Beobaeh- tun gen yon HANs CIJRSCttMANN 3) und mir 4) fiber die in der Schwangerschaft auftretenden, nach der Entb indung wieder verschwindenden, mitunter yon hemiparetischen Erschei- nungen begleiteten Anfiille corticaler und ,,genuiner" Epi- lepsie, welche in Verbindung mit anderen Erfahrungen darauf hinweisen, dab sich unter bestimmten, noch nicht ns be- kannten Bedingungen, unter denen vielleicht das yon SEITZ 5} betonte ungew6hnlich starke Wachstum der Hypophyse w/ihrend der Schwangerschaft eine Rolle spielt, ,,Gravidit/its- toxine" entwiekeln k6nnen. Der vorfibergehende Charakter dieser St6rungen muB im Gegensatz zu den Dauersymptomen nach Kastration, wie sie uns in der vorliegenden und in der folgenden Beobaehtung entgegentreten, besonders hervor- gehoben werden. Der Gedanke liegt nahe, diesen IJnterschied damit zu begriinden, dab wit es bei der Schwangerschaft mit einer Hemmung, bei der Kastration mit einer dauernden Aufhebung der innersekretorisehen Ts des Ovars zu tun haben, ohne dab auf Grund des vorliegenden spSxlichen Tatsachenmaterials sichere Schl/isse in dieser Hinsicht mSg- lich s/nd.

2. Tall, Frau K., 63 Jahre ait. Keine Ge})urten. Eine Sehwester yon ihr frfiher wegen. Struma operiert, sell an tterzbeschwerden