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A US D EM PA THOL 0 GISCH- ANA TOMISCHEN INSTITUT DES REICHSHOSPITALS, KRISTIANIA (NOR WEGEN). (PROFESSOR DR. FRANCIS HARBIXZ) UNTERSUCHUNGEN UBER DIE LEBENSDAUER DER TRANSFUNDIERTEN ROTEN BLUTKORPERCHEN BEIM MENSCHEN VON FREDRIK JERVELL t (Emgegangen be1 der Redaktiori am 14. Nouemb. 1924). EINLEITUNG Bis vor wenigen Jahren war es eine offene Frage, in welchem Ausmassr der therapeutische Effekt von Blut- transfusionen bedingt . war von der Fahigkeit der transfun- dierten Blutkorpcrchen, in dem frcmden Organismus wei- ter zu leben und zii funktionieren. Der unmittellbam thera- peutische Effekt ausreichend grosser Bluttransfusionen sprach dafur, dass die transfundiertlen Blutkorpwchen je- denfalls einige Zeit weiter im Blut des Empfangers lebten. Die rasch eintrletende Vermehrung der Zahl der rotm Blut- korperchen nach der Transfusion deutele auch darauf hin, dass dies der Fall war. Die Annahme lag jedoch nahe, dass die gunstige Wir- kung der Bluttransfusionen einer stimulierenden Wirkung auf die haematopoetischen Organe zu verdanken war, hervorgerufm durch die Abbauprodukte der destruierten Blutkorperchen, neben der pein mechanischen Wirkung in- folge lder Vermehrung der Blutmasse beii der Infusion. (Crile, Archibald, Kimpton u. a.). Die Frage ist von einer Reihe von Forschern studiert worden, teils durch Tierversuche, teils (lurch systematische Blutuntersuchungen am Melnnscben. 11'

UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE LEBENSDAUER DER TRANSFUNDIERTEN ROTEN BLUTKÖRPERCHEN BEIM MENSCHEN

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A US D EM P A THOL 0 GISCH- ANA TOMISCHEN INSTITUT DES REICHSHOSPITALS, KRISTIANIA (NOR WEGEN). (PROFESSOR

DR. FRANCIS HARBIXZ)

UNTERSUCHUNGEN UBER DIE LEBENSDAUER DER TRANSFUNDIERTEN ROTEN BLUTKORPERCHEN BEIM

MENSCHEN VON

FREDRIK JERVELL t (Emgegangen be1 der Redaktiori a m 14. Nouemb. 1924).

EINLEITUNG

Bis vor wenigen Jahren war es eine offene Frage, in welchem Ausmassr der therapeutische Effekt von Blut- transfusionen bedingt . war von der Fahigkeit der transfun- dierten Blutkorpcrchen, in dem frcmden Organismus wei- ter zu leben und zii funktionieren. Der unmittellbam thera- peutische Effekt ausreichend grosser Bluttransfusionen sprach dafur, dass die transfundiertlen Blutkorpwchen je- denfalls einige Zeit weiter im Blut des Empfangers lebten. Die rasch eintrletende Vermehrung der Zahl der r o t m Blut- korperchen nach der Transfusion deutele auch darauf hin, dass dies der Fall war.

Die Annahme lag jedoch nahe, dass die gunstige Wir- kung der Bluttransfusionen einer stimulierenden Wirkung auf die haematopoetischen Organe zu verdanken war, hervorgerufm durch die Abbauprodukte der destruierten Blutkorperchen, neben der pein mechanischen Wirkung in- folge lder Vermehrung der Blutmasse beii der Infusion. ( C r i l e , A r c h i b a l d , K i m p t o n u. a.).

Die Frage ist von einer Reihe von Forschern studiert worden, teils durch Tierversuche, teils (lurch systematische Blutuntersuchungen am Melnnscben.

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In der Mitte des vorigen Jahrhunderts versuchten h l a r- f e l s , h 4 o l e s c h o t t und B r o w n - S e q u a r d (cit. nach A s h b y), die Lebensdauer der transfundicrten Blutkorperchen zu bestimmen, indem sie Blnt von Tieren mit kernhaltigeni roten Blutkorperchen - Vogeln und Froschen - Tieren injicierten, die keine kernhaltigen Blutk5rperchen hatten. Danach beachteten sie die transfundierten kernhnltigen Blut- korperchen, bis sie aus dem Blute des Tieres, dcm sie trans- fundierl worden waren, wieder verschwanden.

Da es sich jedoch bei diesen Experimenten um Trans- fusion von artfremdem Blute handelte, liessen sicli die Er- gebnisse nicht fur den Menschen verwenden. 'W o r m-hl ii 11 e r (1875) benutzlc Hunde, bei denen er

durch Transfusion Plethora hervorrief. 2 -3 Tage narh tier Transfusion fand er, dass die Erythrocytcnzahl der ursprung- lichen Anzahl Blutkdrperchen plus den transfundierlzn cnl- sprach. Einige Tage spiiter begann die Zahl der Blulkorper- chen abzunehmen, indem die transfundierten Blutkbrper- chen allmahlich zu Grunde gingen, bis sie nach einer Woche verschwunden waren.

€1 u n t e r machte intraperitoneale Blutinfusionen an Tie- ren und nahm dann Blutziihlungcn vor. Er beobachtete dabei einc Sleigerung der Anzahl der Blutkiirperchen in den ersten 2-3 Tagen, danach ein allmiihliches .4bneh- men, bis die Norm am 14. bis 16. Tag, je nach der Menga injicierten Blutcs, erreicht war.

v o n 0 t t vermiet die Plethora, indem er den Tiercn eine gewisse Mcnge Blul zur Ader liess und danach eine ent- sprechende Menge lransfundierte. E r beobachtetc ein schritt- weises Fallen der Anzahl der Blutkorperchen, die ihr Mi- nimum am 19, bis Q2. Tag erreichte. Darauf kam es zii einer Vermehrung der Anzahl, die 2 Wochen spliter den Normalwcrt erreichte. Hicraus versuchle er, die ungefahre Lebensdauer der transfundierten Blutkorperchen abzuleitcn.

Von anderen experimentellen Unlersuchungen konnen die Versuchc von T o d d & W h i t c (1909-1919) genannt werden.

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Mit isohaemolytischen Sera konnten sie bei Rindern die transfundierten Blutkorperchen differenzieren und so ihre Lebensdauer bestimmen.

R o u s & T u r n e r bewahrten Kaninchenblulkorparchen in vitro 14 Tage lang ,auf. Mit diesen substituierten sie das Blut an Versuchskaninchen, ohne davon schadliche Fol- gen zu sehlen. Hieraus konnte der Schluss gezogen werden, dass die Blutkorperch'en noch lebensfiihig waren.

Von anderen Mlethoden stei genannt die Injektion von vitalgefarbten roten Blutkorperchen. Diese lassen sich von des Empfgngers eigenen differenzieren und ihre Lzbens- dauer konnte dadurch bestimmt werden. Gegen diese Me- thode 'kan jedoch eingewandt werden, dass der benutzte Farbstoff mehr oder weniger die Lebensfahigkeit der Blut- korperchen herabsetzen kann, weshalb dieses Vorgehen kei- ne brauchbaren Resultatc zu geben im Stande ist

Eine Diffeuenzierung der Blutkorperchen des Blutspen- ders und Empfangers unter dem Mikroskop ist in gewissen Fallen moglich.

I n g e b r i g t s e n beobaclitete so im gefarbten Blulprapa- rate nach einer direkten Bluttransfusion bei einem htark- anaemischen Kind zahlreiche grosse, stark gefiirbte haemo- globinreiche Blutkorperchen neben kleineren, blasseren Blut- korperchen, die zum Teil Poikilocytose aufwiesen. Der Schluss lag nahe, dass die grossen, stark gefiirbten Blutkor- perchen die des Blutspendrrs (des Vaters) waren, die andern die eigenen des Empfangers. Jecloch durfte eine derartige Diffkrenzierung im Verlaufe eines liingeren Zeitraumes' schwierig, urn nicht zu sagen unmoglich fallen, so dass man also keine Aussicht hat, die Lebensdauer der transfundier- ten Blutkorperchen auf diese Art und Weise zu bestimmen.

Systematische Blutziihlungen nach Bluttransfusionen beim Menschen, mil gleichzeitiger Bestimmung des Rilirubinge- haltes des Blutes und der Urobilinausscheidung im Harn konnen unzweifelhaft Anhaltspunkte fur die Beurteilung der Llebensdauler der transfundierten Blutkorperchen geben

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(S c h e e 1 & B a n g). Abrr sichere Resultate kann man selbst- verstandlich von dicser Methodie nicht erwarten.

Ini Jahre 1919 veroffentlichte W. Ashby eine Methode zur Bes timmung der Lebensdauer der transfundiertcn Blut- korperchen beim Menschen, auf den Umstand gegrundet dass Blut von einer Blutgruppe ohne Gefahr auf ein In- dividuum einer anderen Gruppe transfundiert werden konn- te, wenn die transfundierten Blutkorperchen nicht vom Se- rum des Empfangers agglutiniert wurden. Nach der Trans- fusion konnten dann die transfundi'erten Blutkorperchen voa den eigenen Blutkorperchen des Empfangers durch Diffe- rentialagglutination differenziert werden, indem man hierzu ein Serum bcnutzte, dass die Blutkorpercheln des Emp- fangers agglutinier te, aber nicht die transfundierten l31u t- korperchen.

Bei Zahlung der niclitagglutiniierten Blutkorperchen gleicli nach lder Transfusion fand sich einle mehr oder weniger ausgesprocheee Steigerung. Diese S teigerung trat nicht auf, wenn Blut der gleichen Gruppe, wie das des Patienten, transfundierl wurde. Wahuend d w Transfusion zeigtc diet Zahl der nichtagglulinierten Blutkorperchlen eine schritt- weise Steigerung, entsprecheind der Menge des trnnshndier- ten Blutes.

Urn die Lebensdauer der transfundierten Blutkorperchen zu bestimmen, wandte Ashby ein Vorgehen, das in den Hauptzugen folgendlermassen ist:

Man wahlt ein Serum, das die Blutkorperchen des Pa- tienten agglutiniert, dagegen nicht die des Spenders.

Vor der Transfusion wird Blut vom Patienten in eine Mischpipetle fur weisse Blutkorperchen his zum Teils trichc 0,5 gesaugt, und darauf Serum, versetzt mit Natriumcitral (4,4 o/o Losung im Verhaltnis 20 : 1) bis zum Teilstrirhe 11.

Nacli Mischung von Blutkorperchen und Serum in der Pipette wird deren Inhalt in ein kleinels Reagen5glas gebla- sen, das zugekorkt und 40 Minuten lang in den Thermostat

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(37") gestellt wird, w o k i es alle 10 Minuten geschiittelt wird, worauf es die Nacht iibier in den Eisschrank kommt.

Nach erneutem Umschutteln wird ein Tropfen der Mi- schung in eine Zahlkammer fur rote Blutkorperchen getan, und die nicht agglutiniertlen Rlutkiirperchen in 160 Feldern gezahlt.

In einem zweiten Praparate wird die gleiche Anzahl Fel- der gezahlt. Dei- Durchschnitt der gefundenen Zahlen nicht agglutinierter Blutkorperchen in den beideln Praparaten wird

mit - multipliciert, wodurch man die Anzahl pro mm3

Blut erhalt. Auf die gleiche Weise zahlt man in Blutproben des;

Patienten von Zeit zu Zeit n a c h der Transfusion die nicht agglutinierten Blutkorperchen, unter Benutzung des gleichen Serums.

Als Ausdruck fur das zu Grunde Gehen der transfnndier- Len Blutkorperchen sinkt jetzt die Zahl der nicht aggluti- nierten Blutkdrperchen nach und nach bis zu einem ge- wissen Minimum.

Ein kleiner Teil der eigenen Blutkorperchen dcs Patien- ten wird namlich nicht agglutiniert werden. Ihre Anzahl wird $iir die verschiledenen Sera von 0,3 bis 3,4 010 der Erythrocytenzahl variieren.

Dieser Wert ist, wie oben besprochen, bestimml mit dem gewahlten Serum v o r der Transfusion.

Wenn die Zahl der nicht agglutinierten Blutkorperchen dies Minimum erreicht hat, sind die transfundierten Blut- korperchen, praktisch genommen, zu Grunde gegangen.

In einer spatteren Veroffentlichung dles gleichen Jahres war diese Art und Wleise des Vorgehlens ctwas abgeandert, indem die Mischung im Thermostat unter Schiitteln 40 Mi- nuten stand und darauf in Zimmerkmperatur 15-30 Minuten.

1920 veroffentlichte T a k e o T o r i i (Japan) eine identi- sche Methodle, die er benutzte, um die Lebensdauer transfun- dierter roter Blutkorperchen h i Kaninchlen zu untersuchen.

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H o t z teilte 1921 (in der Mittelrheinischen Chirurgenver- einigung) einige Faille niit, bei denen die Lebensdauer nach Ashbys Methode untersucht worden war.

Ungefahr gleichzcitig mil Ashbys Vleroffentlichung sei- ner Untersuchungen hatte ich - unabhangig von &4shby - eine analoges Vorgehen zur Differenzierling transfundierter Blutkorperchen h i einem Patienlen mit pernicioser Anaeniie benutzt. Der Fall (Fall I), der zusammen mit C. M i i l l e r veroffentlichl wurdc, hestatigte in allem Ashbys Unter- suchungen.

Beim weiteren Studiuni der Lebensdauer der transfuntlier- ten Blutkorperchen wurde die Methode einer systemati- schen Untersuchung unterwor€en, blesonders mit Rucksicht auf die Faktoren, die sich bei der Differentialagglutinatibn geltend machen.

Diese muss man sowcit moglich beriicksichtigen, wenn man annahernd einen zahlenmaissigen Ausdruck fur die Men- ge der transfundierten Blutkorpzrchen erhalten will.

Im Folgenden solllen die wichtigsten dieser Faktorcn besprochen wlerden, sowie einige andere Verhaltnisse, die von Bedeutung fur unsere Untersuchungen sind, namlich:

a. Die Konstanz (Stabilitat) der Blutgrupgen. b. Gruppenbestimmung Fchlerquellen. Pseudoagglulina-

c. Praparation des Serums, tlas zur Differentialaggluti-

d. Einfluss dor Temperatur auf die Agglutination e. Einfluss der Salzkonzentration auf die Agglutination. f. Einfluss des Agglutininliters und der Serummenge auf

die Agglutination. g. Einfluss des Schuttelns auf die Zahl der nichtaggluti-

nierten Blutkorperchen. h. Differentialagglutination in vitro mit bekannten Blul-

mischungen. i. Verdunnungsgrad bei der Zahluag nichtagglutinierter

Blutkorperchen,

tion.

nation verwendet werden soll.

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j. Mittelfehler bsei der Zihlung nichtagglutinierter Blut- korperchen.

DIFFERENTIALAGGLUTINATION IN VITRO, NEBST VERSCHIEDENEN SIE BEEINFLUSSENDEN FAKTOREN.

a. Konstanz (Stabilitat) der Blutgruppen. Die Frage nach dier Konstanz der Blutgruppen ist in

den letztlen Jahren aktuell gewordm, da man vereinzelt die bisher iibliche Auffassung hat erschiittern wollen, dass die Blutgruppen konstante, unveranderliche Eigenschaften bei den Neinzelnen Individuen bedeuten.

Wie man verstlehen wird, ware eine Bestimniung der Lebensdaufer transfundierter Blutkorperchen auf Grund einer Differentialagglutination unmoglich, wenn die Blut- gruppen veranderlich wiren. Wiirde z. B. ein Patient in der Zeit nach einer Transfusion seine Blutgruppe von I11 zu I (inagglutinabel!) verandern, so wiirde dies ja die An- zahl nichtagglutinierbarer Blutkorperchen verniehren und jaden Versuch einer Differentialagglutination illusorisch ma- chen.

Man stellt bekanntlich nach den Untwsuchungen von L a n d s t e i n e r , D e c a s t e l l o & S t u r l i , J a n s k y , H e k - t o e n , v o n D u n g e r n & H i r s c h f e l d , M o s s , O t t e n - b e r g und anderen 4 Blutgruppenl) auf.

Das gegenseitige Varhalten dieser Blutgruppen ist nach Janskys Nomenklaturz) folgendes :

1) Die Blutgruppen und ihre verschiedenen Anwendungen sind aus- fiihrlich in einer neulich erschienenen Monographie von L a t t e s besprochen : La individualeta del sangue. Messina 1923.

Recommendation that the J a n s k y classification be adopted for universal use. Journ. Americ. Med. Assoc. 76. 130. 1921,

2) Is o h e m a g g lu t i n a t i o n:

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Gruppe I IGruppe I1 IGruppeIII ~~~ . It- ~.

Struktur (Agglutinogen) keine A B Agglutinin a und b b a

Blutkorperchen Gruppe I. werden von keinem Serum

irgend einer Gruppe agglutiniert. Gruppe 11. werden vorn Serum von

Gruppe I und 111 agglutiniert. Gruppe Ill. werden vorn Serum von

Gruppe I und I1 agglutiniert. Gruppe IV. werden vom Serum von

Gruppe I, 11 und 111 agglutiniert.

Gruppe IV

kein A + B

Serum Agglutiniert Blutkorperchen in Grup-

Agglutiniert Blutkorperchen in Grup-

Agglutiniert ElutkBrperchen in Grup-

Agglutiniert keine Blutkorperchen

pe 11, 111 und IV.

pe 111 und IV.

pe 11 und IV.

irgend einer Gruppe.

Dieses Verhaltnis zwischen den Gruppen beruht auf dem Vorhandensein zweier verschiedener Iso-agglutinine im Mlenschenblut (Landsteiner, Ilecastello SL Sturli, von Dun- gern & Hirschfeld u. m.) Enlsprcchend diesen beiden Ag- glutininen - a und b - gibl es zwci verschiedene agglfi- tinogene Faktoren (Reoeptoren, ,,biocheniische Strukturen") - A und B.

Das Verhgltnis zwischen den Agglutininen und den Struk- turen in den einzelnen Blutgruppen geht aus folgendem Schema hervor :

Da\ Vorhandensein bczw. das Fehlen dieser Strukturen in den einzelnen Gruppen bilden fur das Individuum cha- rakterislische, biologischc Faktoren, die nacli deln Mendel- schen Gesetzen vererbbar sind, indem A und 'B dominie- rende Eigenschaften sind, das Fehlen der gleichein Fakto- rrn eine recessive Eigenschaft. (0 t t e n b c r g & E p s t e i n. v o n D u n g e r n & I - I i r s c h f c l d , M i n o u in'.

Die durch diese Eigenschaften charakterisierten Blut gruppen sind unveranderlich, ein Individuum kann nicht von der einen Gruppe zu einer anderen ubergehen.

E d e n und D i e m c r haben jcedoch behauptet, dass die Blutgruppen durch Einwirkung von Medikamenten, Ront-

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genbehandlung, Narkose, elektrischen Stroni etc. verandeTt werdeii konnen. Diese eigenlumlichc Beobachlung ist aber von antlern Forschern niclit bckriiftigt worden (K. M e y e r cUr H. Z i s k o v e n , P. Mino) .

Nach diesen Forsclmern is1 es wahrscheinlich, dass die beobachlelen Veranderungen in den AgglutinationsverhAlt- nissen auf Verwechslung mil Pseudoagglutination beruhen, d. h. Bildung von ,,Geldrollen".

Die von V o r s c h ii t z aufgeslellte 5. Gruppe beruht nach Mino cbenfalls auf Verwechslung echter Agglutination niit Pseudoagglutination.

'Wir haben bei wiederholten Untersuchungcn sowohl ge- sunder wie kranker Individuen ni'emals irgendwelche Ver- anderung 'in den ,,Strukturcn.' der Blutkorperchcn oder der Gruppc nachweisen konnen, dass m. a. W. die durch die Agglutinabilitat dcr Blutkorpcrchen bestimnite Gruppe eines Individuums von einer Gruppe zu einer anderen iiber- gegangen wa1.e.

Fur die Agglutinine muss man jedoch das Vorlianden- sein von Varationen zugeben. Nach H e k t o c n kiinnen die Agglutinine bei demselben Individuum quantitative Veran- derungen durchmacken bezw. gelegentlich ganz mangeln. Ein ahnliches Verlialtcn beobachteteln wir bei einem Patien- ten der Gruppe I1 (Agglutinin b), dessen Blut wahrend ei- nes mehrmonntlichen Krankenhausaubenthaltes wegen einer indifferentlen Krankheit (rheumatismus chronicus) als ,,Stan- dard" verwendet wurde. Ohne nacliweisbare Ursache schwand das Agglutinin nach nnd nach.

Bei einer spateren Untersuchung war das Agglutinin wieder vorhanden.

Dies Verhalten scheint jedocli seltlten vorzukommen, und man darf wohl die Agglulinine beim Erwachsenen als zieai- lich konslanten Gruppenfaklor betrachten. (Die Verhallnis- se bei Kindern sollen spater besprochcn werden).

Auf Grund eigenler und fremder Erfahrungen b e t r a c h- t e n w i r d i e d u r c h d i e B l u t s t r u k t u r e n c h a r a k -

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tter i s i e r t le n B 1 u t g r u p p e n a 1 s u n v e r a n d e r l i c h e E i g e n s c h a f t e n.

Die Isoagglutinine dagegen konnen quantitativ bei dem- selben Individuum Variationten zeigen, ohne dass eihe nach- weisbare Ursacbe vorzuliegen braucht.

b. Gruppenbestiintnung. Fehlerquellen. Pseudoagglutination. Einu notwendige Bedingung fur die Diffurentialagglutinati-

on ist eine korrekte Bestimmung der Strukturen [Griippe) der Blutkorperchen.

Am leichtesten und sichersten wird die Gruppenbestim- mung auf folgende Art und Weise ausgefuhrt:

Von den zu untersuchenden Individuen resp. Patient und Blutspender werden mit einer Capillarpipette - nach Punktion des Ohres - ca. 20 cmm Blut entnommsn und in 0,s ccm Natriumcitratlosung (1 O/O in 0,9 o/o Salzwasser) aufgeschwemmt. Hierdurch erhalt man eine fur die Agglu- tinationsproben passende 4-5 proz. Blutkorperchensuspan- sion.

Eine Platinose dieser Suspension wird auf einem Deck- glaschen mit einlem kleinen Tropfen Standardserum Gr. I1 gemischt. Gleicherweise mischt man eine Platinose Blut- korperchen mit Standardserum Gr. 111.

Die Praparate wlerden mikroskopisch (ca. 80 malige Ver- grosserung) im ,,hiingendlen Tkopfen" untersucht, nachdem sie 5-10 Minuten bei Zimmsrtemperaratur gestanden haben, wobei man vor der Untersuchung den Objekttrager et- was in verschiedenen Richtungen hin- und h,ebewegt. Hier- bei werden die Blutkbrperchen miteinander in Berahrung gebracht werden und die Agglutination wird d-eutlicher wer- den und schnellw eintreten. Bei diescm Vorgellen wird man es erueichen, auch die schwachste Agglutination her- vorzuruf en.

Mit Hilfe der beiden Standardsera werden die Blutgrup- pen resp. Blutstrukturien nach folgendem Schema bestimmt:

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Gruppe

Blutktjrperchen Serum

Struktur Gruppe I1 Gruppe 111

-

+ -

+

Selbst bei Verwendung kontrollilertar, stark agglutinicren- der Standardsera kann man bei der Gruppenbestimmnng hier und d:, Individuen findten, die sich schwierig eliner be- stimmten Gruppe zuteilen lassen, weil die Blutk6rperchea schwach oder undeutlich von dem einen oder anderen Stan- dardeerum agglutiniert werden. Man findet z. B. 'ein Individuum, dessen Blutkorper-

chen schwach von Serum Gr. I11 agglutiniert werden. Bei Untersuchung des Slerums dieses Individuums findel man Agglutinin b. Das betreffiende Individuum sollte demnach der Gruppe I1 (A) angehoren,

Auf Grund der schwachen Agglutination gegenuber Se- rum I1 kan jedoch eine Differentialagglutination nach Blut- transfusion bei diesem Individuum nicht vorgenommen werden, falls man nicht ein Serum Gr. I11 finden sollte, das die Blutkorperchten stark agglutinierte.

Man muss auch eine andere Fehlerquelle bei der Grup- penbestimmung vor Augen haben, namentlich wenn man frischo Sera anwlendet, namlich das Zusammenkleben der Blutkorperchen in Form von ,,Geldrollen". Verwechslung hiermit wird gewohnlich durch Bleobachtung der einzelnen Konglomerate viermieden. In den ,,Geldrollen" sind die Blut- korperchen rsegelmassig Sleite an Seite geordnet; bei der echten Hamagglutination liegen dire Blutkorperchen in dichten Haufen ohne regelmassige Anordnung zusammen.

Diese wohlbekannte Erscheinung, die auszuschliessen auch fur die Differentialagglutination von grosser Bedeu-

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tung ist, da sie fehlerhafte Wferte fur die niclitagglutinierten Blutkorperchen geben kann, sol1 im Folgender etwas ge- nailer besprochen werden.

IWic von F B h r a u s nachgewiesen, isl die Rildung von ,,Geldrollen", die die Senkungsgelschwindigkeit der roten Blutkorperchen im Plasma bedingt. Diesle Ersclieinung ist hauptsachlich vom Globulingehalt der Suspensionsfliissig- keit abhangig.

Je grosser die Globulinmenge, desto ausgesprochener ist die Bildung von Geldrollen (Pseudoagglutinationl)). Am st5rk- sten ist die Pslcudoagglutination ini frischen Plasma ausge- sprochen, besonders bei Frauen wahrend der Graviditiit, und bei Patienten mit bestimmten Krankheiten - beson- clers bei septischen Krankheiten (W i 1 t s h i r e), und bei Tu- berkulose (W e s t e r g r e n).

Am wenigsten ausgcsprochen is1 die Pseiudoagglutination im Serum namentlich, wenn e.; einige Zeit lang aitfbewahrli worden ist.

Erwiirmung auf eine Temperatur zwischen 30' und 48" setzt die Fiihiglieit des Serums, Pseudoagglutinalion hervor- zurufen, herab (Fihraus).

In mit O,Z5 O/O 'Trikresol konservierter Serum fdas aus- serdem mit 1 O/O Natriumcitrat zum Gebrauch bei der Dif- ferentialagglutination versetzt war) haben wir Pseudoagglu- tination nicht gesehen.

I, a t t e s hat gefunden, das die Pseudoagglutinalion ;ius- bleibt, wenn das Serum mil physiologischer Kochsalzlo- sung im Verhaltnis 1 : 2 verdunnt wird. Ausnahmsweiss ist einr. Verdiinnung 1 : 4 niitig. Diese Yerdunnung ist ohne nennenswerten Einfluss auf die Isoagglutinine, die beim Menschen Titcr von 1 : 10 bis I : 300 aufweisen.

Die Psentloagglutination kanri nach Lattes weiter von der echter, Agglutination unterschieden werden durch die

1) ,,Pseudoagglutination" in dieser Verbindung entspricht der van FA h r a u s benutzten Bezeichnung ,,Agglutination".

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specifische Fahigkeit der Blutkorperchen, Isoagglutinine ZLI adsorbieren (Decastello & Sturli u. a,).

Lattes hat schlieslich die interessante Tatsache nachge- wiesen, dass rote Blutkiirperchen, die in lecithinhaltigen Losungen suspendiert sind, ilire typische bikonkave Form und gleichzeitig ihre Fiihigkei 1 zur Bildung von Geldrollen verlienen.

Eine andere Ursache fur Pseudoagglutination in weite- ster Bedeutung ist die Bildung nichtspezifischer aggluti- nierender Stoffe im Serum, - eiine Erscheinung, die nichts mil ,,GeldrollenbildungbL gemein hat. Die gebildeten B ~ u tk6r- perchenkonglomerate haben keine Geldrollenform. - was iibrigens nicht immer bei der e b m besprochenen Pseudo- agglutination der Fall is1 -, sondern gleichen ganz der gewohnlichen Agglutination.

Diese Erscheinung haben wir einigel Male in Serum be- obachtet, das cinige Zeit lang aufbewahrt wordcn W R ~ . Offenbar haben die Serumeiwcissstoffe wahrend cler AuI- bewahrung gcwissc physikalisch-chemische Vc~riintlerung durch langsame Dekomposilion durchgemacht, was die ag- glutinierendie Eigenschaft herrorgelrufen hat. Die gebildetcn pseudoagglutinierenden Sloffe zeigen keine spezifische Ad- sorption gegeniiber Blutkiirperchen. Ein analages Agglulina- tionsphanomen ist nach Eintrocknung von Serum beob- achtet worden ( K l o m e r , K a r s n e r & K o e c k e r t ) .

Die Anwesenheil sogenannler pseudoagglutinierander Stof- fe, ebenso Pseudoagglutination ublerhaupt, kann leicht nach- gewiesen werden durch Untersuchung dcs Serums gegenfiber Blutkorperchen der Gr. I (Laths). Diesc werden bekannt- lich nicht von Isoagglutininen agglutiniert. Geschieht Ag- glutination solcher Blutkorperchten, so kann sie nicht auf Isoagglutinin beruhen (die Verhaltnisse nach Bluttransfu- sionen ausgenommfen - siehe spater), sondern es muss Pseudoagglutination der einen oder anderen Art vorliegen.

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c. Praparation des Serums, das zur Differentialagglutination uerivendet werdeii soll.

Das Serum, das zur Differentialagglutination verwendet werden soll, muss den Blutkorperchen des Empfangers ge- geniiber stark agglutinierend sein, da es gilt, die Znhl nicht- agglutinierter Blutkorperchen, die beim Schuttcln usw. frei- gemacht werdlen, so niedrig wie moglich zu bekommen. Das Serum soll deshalb am besten einen Titer von 1 : 50 oder daruber bei Untersuchung gegenuber den Blutkorperchen des Empfiingers h a h n .

Soweit moglich, soll man dasselbe Serum fur samt- liche Differentialagglutinationen bei demselben Patienten he- nutzen. 1)er Wlert f u r die nichtagglutinierten Blutkdrperchen, den man vor der Transfusion hei Agglutination dar Blutkor- perchen des Patienten mit dem betreffenden Slerum erhall, wird dann als Grundwert benutzt zur Beurteilung der Zahl der nicht agglutinierten Blutkorperchen nach der Translu- sion. Dic Voraussetzung zur Benutzung de3selbea Serums ist jedoch, dass es sich ausreichend lange halten kann, ohne seine agglutinierende Fahiglteit nennenswert zu verlierzn.

Wir versuchten zuerst, Serum stJeril ohne jeden Zusatz aufzubewahren, aber da zeigte 8s sich, dass das Serum olt unklar und teilweise zersetz und zur Diffelrentialagglutinati- on unbrauchbar wurde. Wir gingen darum uber, Iolgendes Vorgehen anzuwenden :

Das sterile Slerum wird abpipettiert und in sterile Kolben uherfiihrt, wo ihm 1 O/O Nalriumcitratlosung zugesetzt wird (1120 Volumen einler 20 O/O Losung).

Danach setzt man tropfenweise unter Schiitteln l , / l O Vo- lumen eincer 2,5 O/O filtrierlen Losung von Kresol (oder Tri- kresol) in phys’lologischer Kochsalzlosung hinzu, indem man so weit moglich Niederschlage von Serum-Eiweiss (bezw. Globulinen zusammen mit dlen Agglutininen) vermeidet. Die Losung wird unter aseptischen Kautelen durch mehrere Lagen Gaze in Centrifugenglaser filtriert und danach 1traI- tig centrifugiert, bis das Serum ganz frei von Blutkorper-

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chen ist. Das klare Serum wird in 1-2 ccm Glasampullen pipettiert, die zugeschmolzen und im Eisschrank aufhe- wahrt werden.

Es is1 von Wichtigkeit, zu kontrollicr:n, dass das Serum keine rotfen Blutkiirpercben enthalt, da diese sich wie nicht- agglutinable vcrhalten und damit felilerhafte Werte bci der Differentialagglutination lgeben wiirden.

Bei einer derartigen Behandlung haben wir selten eine Verringerung des Agglutinintiters des Serums gcsehen. Be- wirkt jedoch die Kresollosung bei zu schndlen Zusetzen Niederschlage von Serum'eiweiss (Globuline), so wird die agglutinierende Fahigkeit bedeutend geschwacht, indem die Agglutinine gleichzeitig ausgefallt werden. Davon kann man sich uberzeugen, wenn man den Niederschlag in physio- logischer Kochsalzlosung wascht und auflos t . Die Auflosung gibl dann einc spezifische Isoagglutination von roten Blut- korperchen.

Der Citralzusatz schwiicht die agglutinierende FBhigkeit des Serums nicht.

Diese Behandlung des Serums hat auch noch aus einem anderen Grunde Bedeutung. Wenn das Serum frisch oder im Verlaufe der ersten 24 bis 48 Stunden nach der Blutent- nahme vcrwendet wird, kann es infolgr des anwesenden Komplements haemolylisch wirken, wenn es glcichzeitig isohaemolytischen Amboceplor anthalt.

In diesem Falle ware das Serum unbrauchbar zur Diffe- rentialagglutination.

Das Kresol sowie die zugesetzte Menge Natriumcitrat sind in den allermeisten Fallen ausreichend, um das Kom- plement zu destruieren (T h j 6 t i a), weshalb das Serum so- fort ohne weitere Inaktivierung gebraucht werden kann.

d. Der Einfluss der Temperatur auf die Agglutination. Die mikroskopische Agglutination - wie z. B. bei Grup-

penbestimmung - nimmt man gewohnlich b d Zimmer- temperatur vor. Die makroskopische Agglutination, urn die

12

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es sich bei der Differentialagglutination handelt, lassen da- gegen viele Untersucher im Thermostaten bei 37 vor sicli geheri und setzen danach die Mischung die Nacht iiber in den Eisschrank.

So benutztc Ashby dies Vorgehen bei d'er Differentialag- glutination. Jedoch beobachtete Ashby, dass die Zahl cler nichtagglutinierten Blutkorpcrchen in den Mischungen zu- nahm, wenn sie einige Zeit lang in Zimmlertemperatur stan- den, bevor die Zahlung der nichtagglutinierten Rlutkbrper- chen vorgenommen wurde.

Dies stimmt gut mit unseuen eigenen Erfahrungen iiber- ein. In einler fruheren Arbeit habe ich, in Obereinstimmung mit Landsteiner gezeigt, dass die Isoagglutinine von den roten Blutkorperchen leichter bei niedriger Temperatur (im Eisschrank bei 8') adsorbiert werden, als bei hohercr Tem- peratur, wie im Thermostat bei 37".

Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass die bei niedri- ger Temperatur adsorbierten Isoagglutinine bei hohen Tem- peraturen wieder teilweise frei wurden. Die wieder frelige- machten Agglutinine konnten in desto grosserer Menge nach- gewiesen werden, je hoherer Temperatur die Mischungen, bis zu 55 ausgesetzt wurden, bei welcher Temperatur die Agglutinine teilweise zerstort wurden.

In nachstehcnder Tabelle is1 d n e Versuchsreihe wieder- gegelren, die das Freiwerden des Agglutinins bei noheren Temperaturen zeigt:

Gewaschene Blutkorperchen, die mil Agglutinin im Ober- schuss von Serum bei 8 " gesiittigt worden waren, wurden in kalteri Salzwasser (4 ") gewaschen, bis alles Agglutinin ails der Suspensionsflussigkeit verschwunden war. Der Nie- derschlag von Blutkdrperchen wurde darauf im 10-fachen Volumen kalten Salzwasser aufgeschwemml und auf 7 Rohr- chen, 1 ccni in jedem, verteilt. Diese wurden 1/2 Stunde lang hei bezw. 8 " ) 18", 25", 37") 45", 55" und 62" stehen gc- lassen.

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Bevor die Glasler den betrieffenden Temp’eraturen ausge- setzt wurden, wurde kontrolliert, dass sich kein Agglutinin in der Suspensionsflussigk~eit befand. Bei den hoheren Tem- peraturen fand sich das Agglutinin in der Flussigkeit frei- gemacht, wie die Tabelle zeigt:

Nach l/&iindigern Stehen bei

Aui Grund dieser Untersuchungrn fanden wir es ratio- nell, die Blutkorperchen-Serummischungen nach sorgfalti- gem Schiitteln dipekt in den Eisschrank zu stellen, worin sie 1h bis 1 Stunde lang standen. In der Regel trat maximale Agglutination im Lauf der erstcn halben Stunde dn . L5n- gerer Aufenhalt irn Eisschrank hatte, soweit wir feslstellen konnten, keinen Einfluss auf den Agglutinationsgrad l ~ ~ z w . auf die Zahl nichtagglutinierter Blutkorperchen.

Die Mischungen blieben, wiel von Ashby angegeblen, im Eisschrank direkt m i * Vornahme der Zahlung der nichtag- glutinierten Blutkdrperchen stehen.

e. Der Einfluss der Salzkonzentration auf die Agglutination. Bei den gewiihnlichen Agglutinationsversuchen arbeitet

man mil isotonischen oder annahernd isotonischen Liisun- gen, wodurch man in der Regel gute Agglutination d w Blut- korperchen lerreicht, vorausgesetzt, dass das Serum einen ausreichend hohen Titer hat. Viermehrt man die Salzkon- zentration etwas, z. B. durch Zusatz von Nntriuinchlorid oder Natriumcitrat, so haben wir gesehen, dass die Aggluti- nation starker wird, was sich in einer geringeren Zahl nichtagglutinierter Blutkorperchen pro cmm ausdriickt. Un- ten wird eine Versuchsreihe angefuhrt, die mit verschiede-

12*

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tration 12 St. -_

ner Salzkonzentration und bei verschiedener Temperatur vorgenommen wurdle.

Es werden 2 Reihen Glaser mit einem stark agglutinie- renden Slerum (Titer 1 :SO) aufgestellt, von dem nur 0,l ccm <pro Glas angewandt wird, um soweit moglich die Salzwirkung des Serums auszuschalten. Von gewaschenen Blutkdrperchen werden in jedes Glas 0,05 ccm einer 5 O/O

Suspension abgemlessen. Chlornatriumlosung bis 1 ccm in steigender Konzentration von 0,5 bis 5 O/O. Also:

Seruni 0,l ccni in 1,O ccm Flussigkeit (Serumverdun- nung 1 : 10).

Blutkorperchen 0,05 ccm leiner 5 O/O Suspension in 1,0 ccrn (schliessliche Suspension 0,25 yo).

Salzkonzentration 0,5 O/O, 1,O O/o, 1,5 o/o, 2,0 010 usw. Die eine Reihe Glaser wird in den Thermostaten gestellt,

die andere Reihe in den Eisschrank, und die Agglutination nach 11/~ und 12 Stunden abgelesen. Aus d e r Tabelle geht hervor, dass d i e A g g l u t i n a t i o n bei 8 " starker ist, als bei B7", und dass sie a m s t a r k s t e n i s 1 b e i S a l z - k o n z e n t r a t i o n 1,0--2,5 O/O.

.. l'/Z St. I 12 St.

Serum- Verdiin-

nung

1 : 10 ,, ,, 9,

, ,, 9 ,

,, 9

, 1

4,o o/o - schw. 4,5 Oio - schw. 590 o/o - Spur

Blutkorp. sus-

pension

- Spur - Spur - schw.

Bei Differentialagglutination kann man also, ohne Ver- mehrung der Zahl der nichtagglutiniertm Blutkorperchen

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zu riskieren, die Salzkonzentration ziemlich erhohen. Bine massige Vermehrung den Salzkonzentration, so wie bei Zu- satz von 1 O/O Natriumcitrat zum Serum, wie oben be- sprochen, sollte sogar rationell sein. . -vT .-., _-. ,

f. Der Einfruss des Agglutininfiters und der Serutnmenge auf die Aggluiination.

Bei Agglutination roler Blutkbrperchen durch oin be- stimmtes Serum ist die Anzahl nichtagglutinierter Blutkor- perchen. wie fruher erwahnt, ein Ausdruck fiir den Agglu- tinationsgrad. Durch Zahlung der nichtagglutinierten Blut- korperchen pro cmm erhalt man cincn zahlenmiissigen AUS- druck fur ihn. Der Agglutinationsgi-ad ist in erster Linie voni Agglutinintiter des betreffenden Serums abhangig, be- stimmt gegenuber den betreffenden Blutkbrperchen, sowie vom Mengenverhaltnis zwischen Serum und Blutkorperchen.

Bei der Differentialagglutination gilt es, wie verstandlich, einen moglichst grossen Agglutinationsgrad zu erreichen, m. a. W. : leine moglichst geringe Anzahl nichtagglutinierter eigener Blutkorperchen des Patienten. Die Anzahl der ei- genen Blutkorperchen des Patilenten, die notwendig bei der Differentialagglutination freigemacht werden, z. B. aurch das Schiitteln, bestimmt man vor der Transfusion, und der gefundene Wert wird, wie fruher erwahnt, als Basis fiir die Beurteilung der Vermehrung der nichtagglutinierten Blut- korperchen nach der Transfusion benutzt.

Ashby bestimmte diese Zahl vor der Transfusion diirch Mischungen von Blutkorperchen und Serum im Verhiiltnis 1.22, abgemessen in Mischpipetten fur weisse Blutkorper- chen. Ashby fand fiir die nichtagglutinierten Blutkorperchen Werte, dile zwischen 0,3 und 3,4 O/O der Erythrocytenzahl des betreffenden Patienten variierten.

Das von Ashby angegebene Veirhaltnis zwischen Blutkor- perchen und Serum - 1 : 22 - haben auch wir fur passelnd bei Verwendung von Sera mit hohelm Titer, I :60 und daru-

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ber, gefunden. Man muss jedoch bedenken, dass die Zahl nich tagglutinierter Blutkorperchen beim Patienten v o r der Transfusion bestimmt wird, zu einer Zeit, wenn der Patient in der Regel eine niedrige Erythrocytenzahl hat. Wenn nun die Erythrocytenzahl nach der Transfusion infolge Regene- ration von Blutkorperchen steigt, z. B im Verlaufe cines Monats auf normale Werte, dann ist es nicht sicher, dass das Verhaltnis 1 : 22 Ianger passt.

Bei nicht besonders hohem Serumtiter riskiert man, eine zu hohe Zahl nichtagglutinierter Blutk~rperchcn zii finden. In solchem Fall konnte man glauben, dass transfundierte Blutkorperchen immler noch vorhanden sind, wahrend sie in Wirklichkeit viellteicht zu Grunde gegangen sind. TJm hier- iiber klar zu werden, muss man Kontrollversuche mit im Verhaltnis zur Blutmenge grossercr Serummenge anstellen.

Es 'ist jedoch am zweckmassigstfen, auch aus anderen Grfinden, die spater besprochen werden sollen, sofort einc Serummenge anzuwenden, die eine maximale Agglutination der eigenen Blutkorperchen des Patienten sichzrt, selhst wenn dessien Blutkorperchenzahl nach der Transfusion ziir

Norm steigt. Wir haben versucht, fein Verhiiltnis zwischen Serum und

Blut zu finden, das in allen Fallen anwendbar ist, und ha- ben in dieser Absicht ein Tcil Versuche mit Serum vcrschie- denen Titers, gemischt mit Blut verschiedener Rlenge, vor- genommen.

In diesen Mischungen wurde dann die %ah1 delr niclitag- glutinierten Blutkorperchen bestimmt.

Bei diesen Versuchen gingen wir folgendermaassen vor: Es wurde ein Standardblut von einem lndividuum der

Gruppe I11 verwendet. Das Blut wurde in Natriumcitrat aufgefangen. Dic Zahl der roten Blutkdrperchen pro cmm war 5,600,000. Mit Mischpipctten fur weisse Blutkdrper- chen wurde das Standardblut mit Serum in folgenden Ver- haltnissen gemischt :

O , l / l l , 0,2/11, 0,3/11,

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Verwendet wurden verschiedene, unverdbnte Sera der Gruppe I1 rnit Titer gegenuber deim betr. Standardblut von bezw. 1 : l Z , 1 :20, 1 :50, 1 :loo. Blutkorperchen und Se- rum wurden in der Pipette gut gemischt, worauf d w Inhalt in kleine Hamolyseglaser geblasein wurde, die gut rnit Gum- mipfropfen verschlossen wurden, um Verdampfen der Flus- sigkeit zu verhindern. Die Glaser kamen 1 Stunde in den Eis- schrank (ca. 8 ") und wurden darauf gleichmassig eine Mi- nute lang geschuttelt, wobei einte kleine Glasperle in das Glas getan wurde. Mit einer Pipette wurde ein kleinerTrop- fen der Mischung in eine Thoma-Zleiss'sche Ziihlkammer fur rote Blutkorperchen iiberfuhrt.

Die Anzahl nichtagglutinierler Blutkorperchen wurde in 200-400 'kleinen Feldern nach der Anzahl von Zellen ge- zahlt. Die Anzahl der nichtagglutinierten Blutkorperchen pro cmm wurde dann berechnet aus der Durchschnitts- zahl gezahlter Zellcn in zwei verschicdenen Kammern.

DarauP wurden dic Glaser zentrifugiert und das Serum anf restierendes Agglutinin hin untersucht.

Das Ergebnis ist aus nachstehender Tabells crsichtlich. Wie man sieht, gibt Serum mit Titer 1: 12 eine grosse

Zahl nichtagglutinierter Blutkorperchen, die schon im Ver- haltnis 0,4/11 unzahlig sind.

Mit Agglutinintiter 1 : 20 wrrclen die nichtagglutinierten Blutkorperchen im Verhaltnis 0,7/11 nicht mehr zahlbar rnit Titer 1:50 erst im Vierhaltnis 2/11.

Serum rnit dem hochsten Titer l/lOO zeigt in alleln Ver- haltnissen von O , l / l l bis 1/11 fast die gleiche Anzahl nicht- agglutinierter Blutkorperchen, und diese Werte liegen be- deutend unter den Werten fur die iibrigen Sera, durchschnitt- lich 49,200, d. h. 0,s "/o der Erythrocytenzahl im Stan- dardblut (5,600,000).

Die Untersuehung auf uberschussiges Agglutinin nach dem Zentrifugieren gab folgendes Resultat:

In den Versuchlen mit Agglutinintiter 1 : 12 war ailes Ag- glutinin beim Verhaltnis 0,4/11 adsorbiert, mit Titer I : 20

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beim Verhaltnis 0,6/11, mit Titer I : 50 erst heim Verhalt- nis 2/11.

Bei Agglutinintiter I : 100 war beim Verhdltnis 2/11 noch reichlicli Agglutinin im Serum.

Agglutination von BlutkSrperchen Gr. Ill mit Serum Gr. I1 in verschie- denen Verhaltnissen und rnit verschiedenen Titern. Die Zahlen geben die Anzahl nichtagglutinierter BlutkBrperchen an. Blutkorperchenzahl : 5,600,000.

B l u t - k B r p e r-

c h e n Serum

0,ljll 0,211 1 0,3/11 0,4/1 I

0,5/11 0,6/11

0,711 1

0,8/11 0,9/11

111 1 2/11

Titer 1 : 12

368,000 490,000 750,000

co *)

--

Titer 1 : 20

48,000 63,000 121,000 147,000

149,000 410,000**)

OJ *)

Titer 1 : 50

~~~ -~

50,000 76,000 69,300 106,000

136,800 132,000

137,000

139,000 03 *)

Tiler 1~ I : Bemerkungen

49,000

48,500 5 1,300

49,200

50,000 48,200 48,100 185,000"**)

*) Alles Aggluti- nin adsorbiert

**). Spur Agglu- tinin zuriick

") Alles Aggluti- nin adsorbiert

*) Alles Aggluti- nin adsorbiert

***) Reichlich Agglut. zuriick

Diese Versuche zeigen, dass man bei Anwendung von Se- rum mil niedrigeni Titer (1 : 12) cine gross? Anzahl nicht- agglutinierter Blutkbrperchen erhalt, im Versuch Minimum 6 O/o, selbst wenn man Serum in grossen Uberschuss hrauchl. Serum mil hiiherem Titer (1 :20 und dariib'er) gibt eine kleine Zahl nichtagglutinierter Blutkorperchen - ca. 1 O/o

-, wenn das Verhaltnis zwisclicn Serum und rolen Bliit- kbrperchen, bei normaler Erythrocytenzahl, O , l / l l ist. Wird

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die Zahl dcr Blutkorperchen im Verhaltnis zum Serum ver- mehrt, so steigt die Zahl der nicht ngglutinierten Blutkiir- perchen regelmiissig, nusgenonimen fiir Serum mit sehr ho- hem Agglulininliter (1 : lm), wo die Zahl der nicht ngglu- tinierteri Zellen fur alle Verhaltnisse unter 1/11 uni 0,s O/O liegt.

Adsorptionversuchc zeigten, dass die Zahl nichlaggluli- nierler Zellen von der vorhandenen Mengc Agglutinin in den Mischungen abhangt. Je grosserer Oberschuss von Aggluti- nin, desto kleinere Zahl nichtagglutinierter Zellcn.

g. Der Eirzfluss des Schiittelns auf die Zahl tier nichl- agg 1 u t in ierte n Bl u fk6rperchen.

Rei den im vorigen Ahschnitte angefuhrten Versuchen wurde 1 Minute langes Schutteln mit der Hand angewcn- det. Es sei sogleich zugegeben, dass die Zeil, in der die Mi- schungen mit der Hand geschbttelt wurden, kein vcrldssli- ches Mass f u r tlcn Grad dcs SchBtlelns ist, aber cine ande- re Arl stand uns nicht zur Verfugung. Jedocli sind fast alle Versuche von ein und derselbcn Person auf, soweit mciglich, dieselhe Art und Weise vorgenommen, indeni die Gldstr, in denen eine Glasperlc war, mil schnellcn Bewegun- gen vor und zuruck gefuhrt wurdlen.

Die Versuche werden deshalb doch in gewisscin Grade zum Vergleiche benutz t werden konncn, besondcrs, wenn das verwendete Serum einen holien Titer hal. Die Versu- che ergaben, wie ersiclitlich, bei diescn Sera verhaltnis- miissig gleichmassige Zahlcn fiir die nichtagglutinierten Blutkbrperchen.

Da jedoch ein gleichniassiges Schutteln eline bestimmte Zeit lang fur gewohnlich nicht nioglich sein diirtte, schien es berechtigt, zu untersuchen, welchen Einfluss ein v e r- 1 a n g e r t e s Schutteln hei Verwendung verschiedcner Ag-

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glutininliter auf die Anzahl nichtagglutinirrter Blutkorper- chen haben konnte.

Zuerst wurden Versiiche niit Serum von Titer 1 : 50 und 1 : 100 und Blutkorperchen im Verhaltnis 0,2/11 ange5tellt. Es wurden Parallelv~ersuche rnit 1 und 2 Minuten langem Scliutleln gemacht. Die fur die nichtagglutinierten Blutkor- perchen gefundenen Zahlen waren jedoch zu klein urn cinen Vergleich vorn'ehmen zu konnen. Aber eine nennenswerte Vermehrung lder Anzahl schien nach 2 Minuten langeni Schiitteln nicht eingetretlen zu sein. Wir versuchten dar- auf ein anderes Vorgehen, das den Verhaltnissen hei der Dif- ferentialagglutination in vitro nahler kam. Wir untersuchteln die Anzalil nichtagglutinicrler Blutkorperchen in Mischun- gen von Blut zweier verschiedener Gruppen, I untl ITJ. Dadurcli konnte cine niogliche Einwirkung der nichtaggluti- nabeln Blutkiirperchcn (Gr. I) auf die Agglutination der agglutinabeln (Gr. 111) ebenfalls in Betracht gezogeln wer- den. Es ware j a denkhar, dass eins grosse Mcnge nichtag- glutinabler Zellfen (bezw. transfundi'erter Rlutkorperchen) die Agglutination rerringcrn und dadurch die hnzahl nicht- agglutinierler Blutkiirpcrchen beim Schiitteln vermehren konnte.

Das I3lul von dem einen Individuum (Gr. I) mthiell 5,500,000 rote Blutkorperchen pro cmm, das Blut des an- deren (Gr. IIJ) 5,600,000. Uile durchschnittliche Anzahl in den Miscliungen war 5,500,000.

Das Rlut wurde rnit Kapillarpipetten in den Verhaltnis- sen gernischl, wie die Tabelle sie zeigt. Darauf wurde den Mischungen agglutinicuendes Serum Gr. 11, Tiler 1 : 50, im Verhiiltnis l / l O l zugcse tzt (mit Mischpipetten fiir rote Rlut- kbrperchrn), oder irn Verhaltnis 0,2/11, wo die Anzahl nichtagglutinierter Rlutkorperchen klein war. Darauf stehen lassen im Eisschrank (8") 1 Stunde lang. SchWeln 1 bezw. 2 Minuten. Ziihlung der nich tagglutinierten Blutkorperchen wie fruher beschrieben.

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~ ~~~ ~

614,000 1,280,000 1,460,000

Die Ergehnissle sind aus folgender Tabellc ersichtlich:

14,000 70,000 40,000

ii Anzahl nichtagglutinierter Blut- B1 0 p kiirperchen nach dern Schiitteln Unterschied I--

1,996,000

Gr. I : Gr. I11

1 : 9 1 : 4 1 : 3 1 : 2 1 : l

~~~ ~ ~- ~~

36,000:

1 Minute

628,000 1,210,000 1,420,000 1,960,000 2,880,000

Wie man sieht, ist die Zahl der nichtagglutinierten Zel- len nach 2 Minuten Schutteln durchgehend etwas griisser, als nach 1 Minuten Schutteln. Da jedoch die Differenz zwischen beiden Zahlungen innerhalb der Fehlcrgrenzen hei der Differentialagglutination (2 4 O/O) liegt, kann aen Zah- len kein entscheidendels Gewicht beigelegt werden.

Nacli Asliby wurde 10 Minuten langes Schutteln in der Schiittelmaschinc die Zahl der nichtagglutinierten Zcllen nur um 1-2 O/O ider Gesamtzahl vermehren. Er nimmt an, dass dies mehr auf der Erhohung der Temperatur als auf dem Schutteln selbst beruht.

Infolgc der geringen Differenzen in den oben angeCiihrlen Versuchen kann auch nicht entschieden werden, wie weit die Menge nichtagglutinabler Zellen in der Mischung (Gr. I) eineii Einfluss auf die Agglutination bezw. auf die .\nzahl nichtagglutinierter Blutkorperchen hat. Jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass dies der Fall sei.

Auf lGrund der angefuhrten Vessuche hetrachtcn wir 1 Minute langes Schutteln der Mischungen bei Ililferential- agglutination fur zwecltsnibssig. Ein etwas langeres Schut- teln scheint die Zahl der nichtagglutinierten Blutkorperchen nicht merkhar zu vermehren, sobald die Agglutination bei niedriger Tenipwatur (ca. 8' ) vorgenommen wird und man

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agglutinierendes Serum in ausreichendcm i‘lberschusse ver- wcndetl).

h. Differentialagglutination in uitro mit bekannten Blutm ischungen.

Urn z u unlersuchen, in welchem Ausmasse die Anzahl der nichtagglutinierten Zellen ein quantitativer Ausdruck fur die nichlagglutinabeln Blutkorperchen ist, haben wir Di€- ferentialagglutinalion in vitro mit Mischungen von Blu t zweier verschiedener Gruppen, bezw. Gr. I und Gr. 111, in bekannten Vlerhgltnissen vorgenommen.

Die Diffe~enlialagglutination ist auf die ubliche Art und Weisc. nach 1 Stunde Stehen im Eisschrank vorgenommen word en.

In der ersten Ver\uchsreihe is1 Serum Gr. I1 mit Titer 1 : 50 angewandt worden. Die Blutmiscliungen sind diesel- h n , wic sie in ‘Clem im vorigen Abschnitt besprochenen Versuch benutzt wurden.

I n den1 zweibcn Versuch is1 Serum Gr. I1 mit Titer 1 : 100 verwendet worden.

Das Blul derselben beiden Individuen ist hier in andereii Verhallnissen - wile aus der T a k l l e ersichllich - mil Mischpipc~llcn fur weisse Blulkbrperchen gemischt. Tech- nil< im ubrigen wic im vorigen Vwsuche. Die durchschnitt- liche Gesamtzahl Rlutkorperchen pro cmm ist in allen

1) Nach Abschluss dieser Untersuchungen hat Is a a c s eine Arbeit iiber Agglutination und Hamolyse unter verschiedenen Bedingungen vertiffentlicht. Als Mass fur den Agglutinationsgrad benutzte er die Zahl der agglutinierten Zellen ausgedruckt in Procent der Gesamtzahl.

Er fand, dass sowohl Agglutination wie Hamolyse schneller bei hoherer Temperatur eintraten. Es bestand ein geringer Unterschied im Agglutinations- grad, wenn die Blutkorperchen in Citratsalzwasser oder in Serum suspendiert waren, und es bestand praktisch genommen kein Unterschied bei der Ag- glutination der Zellen in sauren oder alkalischen Suspensionen.

Ebenso hat kiirzlich G r i c e-J o n e s im Journal of Pathology and Bacteriology, 1924, 27. 11 1-1 15 Untersuchungen iiber die quantitative Beurteilung von Isohaemagglutination veroffentlicht (cit. nach I s a a c s).

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Alischungen 5,500,000. Diese Zahl ist als Grundlage benu tzt fur die Berechnung der Anzahl Blutkdrperchen von Gr. I, welchc Zahl zum Vergleich in den Tabellen aufgefiihrt ist.

- B x n m

k6t::ihen 1 1 Gesamtzahl I Blutkgpeyhen Gr. I : Or. Ill

I1 I 1 : 9 1 : 4 1 :3 1 : 2 1 : l

5,500,000 -

550,000

1,375,000 1,833,000 2,750,000

1,110,000

Gefundene Zahl Blutkorperchen

Gr. I

628,000

1,490,000 1,960,000 2,880,000

1,210,000

Differenz

78,000

1 15,000 127,000 130,000

1 10,000

-- Rlut- / I I Berechnete Zahl I Gefundene Zahl I

Gesamtzahl Blutkorperchen Blutkorperchen Gr. I : Gr. I11 I Gr. I I Gr. 1

O,l/ll

1 ,op1

0,Zill 0,511 1

2,011 f 5,O; I 1

5,500,000 -

50,000

250,000 500,000

2,500,000

100,000

1,000,000

88,000 159,000 337,000 628,000

1,116,000 2,650,000

38,000 59,000 87,000

128,000 116,000 150,000

Wie man sieht, sind in beiden Versuchsreihen die gefnn- denen Zahlen nichtagg1utinierLer Zellen grosser, als die be- rechnete Zahl Blutkorperchen der Gruppe I. Dies war nach dem friiher Erwahnten zu erwarten, da ein Teil der agglu- tinabeln Blutkorperchen (in casu Gr. 111) bei der Differen- tialagglutination als nichtagglutinierle Zellen erscheinen wird.

Jedoch ist zu bemerken, dass dife Differenz zwischen der gefundenlen Anzahl nichtagglutinierter Blutkorperchen und der benechnetcen Zahl delr Gr. I11 nicht besonders gross ist Die Zahl der nichtagglutinierten Zellen wird demnach an- nahernd die Zahl der nichtagglutinabeln Rlutkijrperchen (Gr. I) in der Mischung angeben

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i. Verdiinnungsgrad bei der Zf ihlung nichtagglulinierter Blu tkorperchen .

Wic crwahnt, benutzle Ashby beii der Differentialaggluti- nation Blutkorperchen uncl Serum im Verhaltnis 1/22 (0,<5/11). Dies Verhaltnis fanden wir nicht zweckmassig, da die Men- ge der Blutkorperchen in den Mischungen haufig zu gross im Verhaltnis zum Serum war. Dile Anzahl nichtagglutini- erter Zellen zeigte infolgedessen zu hohe Werte.

Selbsl wenn Serum in ausreichend grossem Oberschusse verwendet wurde, (eventuell durch Banu tziing besondcrs hoheii Agglutinintiters, war dies Verhaltnis unzweckmiissig. Die Zellenzahl war namlich oft so gross, dass Zahlung ohno Verdunnung nicht moglich war.

Beim Erproben verschiedener Verdiinnungsflussiglteiten fantl Ashby, dass Salzwasser tlic Anzahl nichlagglu tinierter Zcllen in unverhallnismiissig liohen Grade rermehrle.

Dies stimmt. gut iiberein mit den frillier angefiihrten Versuchert uber den Einfluss des Agglutinintiters auf die Zahl nichtagglutinierter Zellen. Das beste ,,Verdunnrings- mitlcl", fantl Ashby, war das agglutinierende Seruq. eben- falls in irhereinstimniung mit unseren Versuchen.

Jedoch ist der Verdunnungsprocess an uncl fiir sich cinr Fehleryuelle, die man vermeiden soll. Wir hahen darum gana davon Abstand genommen, die Mischungen xu verdiin- nen, indem wir von vorne herein Blutkorpeschen und Se- rum in einem Verhgltnis mischten, das einen passenden ifherschuss von Serum gab, wiihrend gleichzeitig die Mi- schungen eine fiir die Zahlung passendc Anzahl niclilagglu- tinierter Zellen pro cmm enthielten.

\War die ungefilire Anzahl nichtaggluliniercndes Zellen unbekannt, so wurden mchrere Proben mi t vesschiedenem Verdunnungsgrad genommen und die passende Mischung zur Differentialagglutinalion rerwendci.

Gewiihnlich wurde das Verhaltnis 0,2/11 oder 2/101 be- nulzt. Bei dem Iletzten Mischungsverhaltnis, das genauere

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Werte gibt, wurden Mischpipetten fur rote Blutkorperchen venvendlet.

Nachdem das Blut bis Zuni Teilstriche 1 aufgesagt war, wurde eine kleine Menge Luft hineingelassen und dann wieder das Blut bis Tleilstrich 1 aufgesaugt, indem der kleine Zwischenraum mil Luft die Grenze zwischen den beiden Saulen markierte.

Wenn die Zahl nichtagglutinierter Zellen gross war, z. B 1-2,000,OOC und daruber, wurde: ebenfalls Mischpipetten fur rote Blutkorperchen genommen, Verdunnungsverhalt- nis 0,5/101 oder l / l O l .

j . Miltelfehler bei Zahluny nichlagglulinier ler Blulkorperchen. Man konnte erwarten, dass eine Methode, die auf der

Zahlung der nichtagglutinierten Blutkbrperchen in einer Mi- schung mil agglutinierten aufgebaut ist, ziemlich ungenau wiire.

Jedoch haben wir bei Doppelzahlungen - linter Beach- tung der oben angegebenen Vorschriften bezuglich Tempe- ratur, Agglutininliter des Serums, Verhdltnis zwischcn Se- rum und Blutkorperchen usw. - den Eindruck erhalten. dass die Werte nicht vie1 mehr von einander abweichen, als bei gewohnlichen Blutzahlungen.

Urn einen Ausdruck fur den Mi t t e l f e h l e r bei der Zahlung der nichtagglutinierten Blutkcirperchen zu eshal- ten - wobei wir ganz von den verschiedenen Fehlerquel- len absehen, die bei Differentialagglutination nach Bluttrans- fusioneii auftreten - haben wir Differentialagglutination in einer Standardblutmischung aus Blut von Gruppe I bezw. Gruppe I11 im Verhaltnis 1 : 9 (vergl. S 181) vorgenommen,

Das Blut wurde mit Serum Gr. 11, Titer 1 : 50 im Ver- haltnis 0,2/11 gemischl. Die Mischung kam 1 Stunde in den Eisschrank, wurde ca. 1 Minute geschutlelt, worauf Zahlung der nichtagglulinicrten Blutkorperchen vorgenom- men wurde. Es wurden 10 Zahlungen gemacht, zu denen

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dieselbc , Zahlkammer benutzt wurde. Zwischen jeder Zah- lung stand die Mischung ini Eisschrank, bis die nachste Zahlung vorgenonimen werden konnte.

Der Millelfehler wurdc berechn'el nach der Formel: v r + dZ2 + d32. . . , . . . dI: ___- 11 = + -

n - 1 wobei u der Mittelfehler ist, dl, d,, d,. . . . . . . dn die Dif-

ferenz der einzelnen Zalilungen yon dem arithmetischen Mittel der Serie, und n dic Zahl der Zahlungrnl).

Die 10 Zahlungen gaben folgendes Ergebnis:

Zahlung Nr.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

10.

Zahl nichtagglutinierter

Zellen in 200 Felder ~.

600 545 590 615 618 570 595 620 605 598

Abweichung von der Mittelzahl

$ 5 - 50

5 -

+ 20 + 23 - 25

0 + 25 + 10 + 3

Quadrat der Abweichungen

~~ -~

25 2500

25 400 529 625

0 625 100

9

Sa 5956

Mittelzahl 595

4838

4838.. - + 23,2 Mittelfehler: 2 - - - Mittelfehler in Procenten der Mittelzahl: 2 3,9 O l 0

Der gcfundene Mittclfehler ist also in runder Zahl 4 O/o,

eine ,Zahl die etwas holier ist, als die, welche man ge-

1) Siehe M e u 1 e n g r a c h t & G r a m : Hamatologische Technik.

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wiihnlich bei Zahlung roter Blutkorpeschen findet (2-3 yo), aber niedriger als bei Zahlung weisser Blutkorperchen (ca. 8 O/O\ ( B r a n d t).

Rechnet man nun mit 2 oder 3 ma1 dem Mittelfehler nacli beiden Seiten, so werden die Fehlergrenzen doch ziemlich weit, allein fur ' die Z a h 1 u n g der nichtaggluti- niertten Blutkorperchen. Hierzu kommen die ubrigen Feh- lerquellen bei Differentialagglutination nach Bluttransfusi- onen.

Nun ist es jedoch nicht die Absicht bei unseren Un- tersuchungen, die Zahl der transfundierten Blutkorperchen genau zu bestimmen: dies w5re uberhaupt nicht moglich. Es ist fur unser Ziel ausreichend, bei der Differentialag- glu tination annahernd die Anzahl nichtagglutinierter Blut- korperchen zu bestimmen. Wie weit sich diese verwen- den lasssen, urn die Lebensdauer der transfundierten Rlut- korperchen zu bestimmen, sol1 im Folgenden besprocheln werden. (Schluss folgt).

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