33
Vergleich mit Deutschland In Deutschland drei anerkannte Richtungen Verhaltenstherapie (VT) Psychoanalyse (PA) tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TFP) Gesprächspsychotherapie (nach Rogers) anerkannt, jedoch nicht von Kasse bezahlt Autogenes Training, Jacobsonsche Muskelrelaxation und Hypnose im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung Stationär auch Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie und systemische Familientherapie als Kassenleistung Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

  • Upload
    hanhi

  • View
    215

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Vergleich mit Deutschland

• In Deutschland drei anerkannte Richtungen – Verhaltenstherapie (VT)

– Psychoanalyse (PA)

– tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TFP)

• Gesprächspsychotherapie (nach Rogers) anerkannt, jedoch nicht

von Kasse bezahlt

• Autogenes Training, Jacobsonsche Muskelrelaxation und Hypnose im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung

• Stationär auch Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie und systemische Familientherapie als Kassenleistung

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 2: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Überwindung der Schulenvielfalt

• Methodenvielfalt � eklektizistische und integrative Ansätze (z.B. Dynamische Gruppenpsychotherapie, Gestalttheoretische Psychotherapie, Integrative Gestalttherapie, Integrative Therapie, NLP)

� Überwindung der Schulenvielfalt und -grenzen

• Ruf nach empirisch-wissenschaftlicher Absicherung von Theorien und Wirksamkeit der Behandlung in letzten Jahrzehnten lauter geworden

� Metatheorien von Psychotherapie

(z.B. Orlinsky & Howard, 1987; Orlinsky et al., 2004; Grawe, 1995, 1999, 2005; Grawe et al., 1994)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 3: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Überwindung der Schulenvielfalt

Grawe (1995)

traditionelle Psychotherapieschulen = „Psychotherapeutische

Theorien 1. Generation“

– Theorien ermöglichten Schaffung einer reichhaltigen empirischen Faktenbasis

– Feststellung von Fakten aber mit Erklärung und Interpretation vermischt

– Erklärungskraft der einzelnen Theorien nimmt mit Akkumulation empirischer Ergebnisse ab

� „Psychotherapeutische Theorien 2. Generation“ (� n-ter

Generation)

– Neue Theorien (post hoc) anhand der neuesten empirischen Datenlage

– Lösen Ursprungstheorien in dem Maße ab, in dem sie Gesamtheit der Fakten besser erklären können

� Suche nach unifying theory für Erklärung und Behandlung

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 4: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidence-Based Practice& ESTs

Page 5: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Hintergrund

• Wirksamkeit (und Risiko) psychologischer Behandlung aus wissenschaftlicher, gesundheitspolitischer und ethischer

Perspektive eminent wichtig

• Relevante Fragestellungen betreffen (vgl. Westmeyer, 2000)

– Wirksamkeit selbst (Warum überhaupt wirksam? Wirkfaktoren [allgemein/spezifisch]? Wirksame Elemente einer Intervention? Bei welchen Störungen und Störungsprozessen? Empirisch gestützte Indikationen?)

– Anwendung (Effektivität im Versorgungsalltag? Patienten-zufriedenheit, Akzeptanz von Behandlern? Richtlinien für die Praxis?)

– Wissenschaftliche Basis/Methode (Verschiedene Verfahren durch gemeinsame Basis begründbar [� Meta-Theorien]? Welche Strategie/Methode der empirischen Fundierung von Interventionen?)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 6: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidenzbasierung psychologischer Interventionen

• Wirksamkeitsforschung seit 1950ern, Meta-Analysen seit 1970ern

• Ab 1993:– APA Task Force on Psychological Intervention Guidelines

– APA Division 12 (Clinical Psychology) Task Force on Promotion and

Dissemination of Psychological Procedures

• Richtlinien für Evidenzbasierung psychologischer Interventionen

� Empirically Supported Therapies (ESTs)

� Interventionen identifizieren, die nachweislich

(störungsspezifisch) wirksam sind

• Vereinheitlichung/Schaffung von Standards durch Initiativen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 7: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

• 2005: Gründung der APA Task Force on Evidence-Based Practice

„Evidence-based practice in psychology (EBPP) is the integration of the best available research with clinical expertise in the context of patient characteristics, culture, and preferences.“

(APA Task Force on Evidence-Based Practice, 2006)

• EBPP– ist patientenorientiert

– dient der Verbreitung wirksamer Behandlungen

– wendet empirisch untersuchte Prinzipien in Diagnostik, Fall-konzeption, in Fragen der therapeutischen Beziehung und in der Intervention an

• EBPP verwandt mit EBM (Evidence Based Medicine) – was ist EBM?

Evidence-Based Practice in Psychology (EBPP)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 8: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidence Based Medicine

„Evidence based medicine is the conscientious, explicit, and judicious use

of current best evidence in making decisions about the care of individual

patients.“ (Sackett et al, 1996)

• EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

diagnostischer Tests und Interventionen im Rahmen von Prävention, Behandlung und Rehabilitation

• Entwicklung der EBM reicht zumindest bis in 1950er zurück (Ansätze des systematischen medical decision making)

• Programmatische Verbreitung der EBM im englischsprachigen Raum ab 1980ern/90ern (1995 erste deutschsprachige Publikation)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 9: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidence Based Medicine

Paradigmenwechsel

• Vorhandene empirische Evidenz soll Kliniker in Entscheidungen unterstützen (� Schließen der Kluft zwischen Forschung und Praxis)

• Unsystematisch gesammelte klinische Erfahrung soll durch Empirieergänzt werden

• Betrifft Bewertung von– Prognosen

– Diagnostischen Tests

– Wirksamkeit von Behandlungen

� macht systematische und rigorose Forschung notwendig und dass der Kliniker Forschungsergebnisse kennt

� Ausgangspunkt in der EBM ist immer der Patient

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 10: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidence Based Medicine

Anwendung der EBM geht in Stufen voran

1. Formulierung einer fokussierten Frage zu einer klinischen Problemstellung

- PICO (Patient population, Intervention, Comparison [if any], Outcome)

2. Durchführen einer Literatursuche

- mithilfe relevanter Suchbegriffe, die der Fragestellung entsprechen- in Sekundärliteratur (Guidelines, Summaries, Systematic Reviews, etc.)- in Primärliteratur

3. Kritische Beurteilung der gefundenen Literatur- Qualität- Generalisierbarkeit- interne/externe Validität, etc.

4. Entscheidung treffen

5. Evaluation (z.B. Fallbesprechung in einem Journal Club)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 11: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid

Grad der Evidenz-basierung nimmt zu; Anzahl publizierter Arbeiten nimmt ab

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 12: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid

In der Psychologie eher

- anekdotische oder illustrative Fallbeschreibung

- Kasuistik

- qualitative Studie

Erfahrungsberichte mit klinischer Relevanz

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 13: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid

Systematische (quasi-) experimentelle Einzelfallforschung

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 14: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid

Kohortenstudie

prospektiver Vergleich ohneRandomisierung (quasi-experimentell)

Fall-Kontroll-Studie

(retrospektiver) Vergleich von Fällen mit passenden Kontrollen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 15: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Fälle

interessierendes Charakteristikum +

Kontrollen

interessierendes Charakteristikum –

Risikofaktoren, die Gruppen voneinander trennen?

(Einmal-) Erhebung

Zeit

Fall-Kontroll-Studie

Fälle

Risikofaktor/ Intervention +

Kontrollen

Risikofaktor/ Intervention –

Prätest

Kohortenstudie

Posttest

Zeit

Fälle

Risikofaktor/ Intervention +

Kontrollen

Risikofaktor/ Intervention –

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 16: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid Experimentelles Design

� Randomisierte Zuteilung zu Untersuchungsbedingungen

� Anwendung von Verblindungs-techniken

Minimiert Störvariablen, ermöglicht Kausalaussagen (hohe interne Validität)

„gold standard“ in Medizin

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 17: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Fälle

interessierende Intervention

Kontrollen

keine/andere Intervention

Prätest Posttest

Zeit

Fälle

Interessierende Intervention

Kontrollen

keine/andere Intervention

Patienten

������

��

����

�Randomisierung

Randomisierte kontrollierte Studie

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 18: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid

(Narrative) Zusammenfassung relevanter Studien zu einer gegebenen Forschungsfrage

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 19: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Quellen der Evidenz

Evidence Pyramid Mathematisch-statistische Zusammenfassung relevanter Studien zu einer gegebenen Forschungsfrage

� Aggregation und Synthese von Forschungsergebnissen

� Überprüfung der Generalisierbarkeit

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 20: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidenzgrade

Evidenzgrad Evidenzbasis Beurteilung

Ia Meta-Analyse(n) über mehrere RCTs (I) Wirksam

Ib ≥ 2 RCTs von unterschiedlichen Forschergruppen

IIa ein RCT (II) Möglicherweise wirksam

IIb Serie von gut angelegten quasi-experimentellen Studien (Kohorten-, Fall-Kontroll-, experimentelle Einzelfallstudien)

III nicht-experimentelle oder deskriptive Studien (Ein-Gruppen-Prä-Post-Vergleiche, etc.)

(III) Bislang ohne ausreichende Wirknachweise

IV unsystematische Einzelfallstudien, Kasuistiken, Konsensuskonferenzen, klinische Erfahrung

Quelle: Reimer et al, 2008 (in Anlehnung an Chambless & Hollon, 1998; ärztl. Zentralstelle Qualitätssicherung, 2003)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 21: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Evidence Based Medicine

• EBM-Links im Web

www.cebm.net (Oxford Centre for Evidence-Based Medicine, UK)

www.nice.org.uk (National Institute for Health and Clinical Excellence, UK)

www.nrepp.samhsa.gov (Substance Abuse and Mental Health Services Administration, USA)

www.iqwig.de (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, DE)

www.euro.who.int/HEN?language=German (Health Evidence Network, WHO)

• Informationen zu evidenzbasierten Treatments und Behandlungs-Guidelines (auch im Psy-Bereich)

• Bekannte(ste) Datenbank: www.thecochranelibrary.com

• Strukturierte Zusammenfassungen, Reviews & Meta-Analysen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 22: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Empirically Supported Therapies

• Initiative der APA Division 12 zu ESTs war Auftakt für Kontroverse in der scientific community

• Chambless et al. (1996, 1998)– Kriterien für Evidenzbasierung

– Listen evidenzbasierter Interventionen

• Aktuelle Fassung (research-supported psychological treatments)www.psychology.sunysb.edu/eklonsky-/division12/index.html

• Aktualisierte Kriterien, vergrößerte Listen

• Zum Verständnis der Kriterien müssen Begriffe effectiveness und efficacy unterschieden werden

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 23: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Efficacy vs. Effectiveness

Effectiveness

= Wirksamkeit unter naturalistischen Bedingungen in der klinischen Anwendung (= Praxisbewährung)

Grundlage: Kohortenstudien, quasi-experimentelle (naturalistische) Studien

Ausmaß an Veränderungen, die in der klinischen Anwendung beobachtet werden können

Externe Validität hoch

Efficacy

= Wirksamkeit einer Behandlung unter idealen, kontrollierten Bedingungen

Grundlage: RCT, experimentelle Einzelfallforschung

Ausmaß an Veränderungen, die kausal auf Behandlung zurückgeführt werden können

Interne Validität hoch

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 24: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

ESTs: Kriterien

Well-Established Treatments („strong evidence“) (vgl. Chambless et al., 1998)

I. ≥ 2 RCTs, die Wirksamkeit (efficacy) gemäß Bedingung A oder B belegen:

A. (Statistisch signifikante) Überlegenheit gegenüber einem medikamentösen bzw.psychologischen Placebo oder gegenüber einer anderen Behandlungsmethode.

B. Äquivalenz zu einer bereits etablierten Behandlungsmethode unter Berücksichtigung ausreichender Stichprobengrößen (� Power).

ODER

II. Eine große experimentelle Fallserie (N > 9), die Wirksamkeit (efficacy) belegt. Die Bedingungen A und B müssen erfüllt sein:

A. Das Vorhandensein eines guten experimentellen Designs.

B. Der Vergleich mit einer anderen Behandlungsmethode (siehe I/A).

WEITERE KRITERIEN FÜR I UND II:

III. Es müssen Behandlungsmanuale vorliegen.

IV. Die Patienten müssen klar spezifiziert sein (� Inklusions-, Exklusionskriterien).

V. Die Studien müssen von ≥ 2 unabhängigen Forschergruppen durchgeführt worden sein.

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 25: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

ESTs: Kriterien

Probable Efficacious Treatments („modest evidence“) (vgl. Chambless et al., 1998)

I. 2 RCTs, die (statistisch signifikante) Überlegenheit gegenüber einer Wartelisten-Kontrollgruppe zeigen.

ODER

II. ≥ 1 RCT, das die Kriterien I/A oder I/B, III und IV erfüllt, nicht aber Kriterium V.

ODER

III. Eine kleinere experimentelle Fallserie (N ≥ 3), die ansonsten jener eines Well-Established Treatments entspricht.

• Experimentelle Designs nötig (vgl. „gold standard“ in Medizin)

• Wirksamkeit = efficacy

• Behandlungen müssen manualisiert sein

• Müssen störungsspezifisch untersucht werden

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 26: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Kritik an ESTs (Forts. 22.03.)

Überblick zu Kontroverse und Kritikpunkten z.B. in Herbert (2003), Westen et al. (2004); aktuell zu ESTs und RCTs: Beutler (2009)

Kriterien

• RCTs als „gold standard“ � Reihe von bedeutsamen Konsequenzen

• Qualitative Mindeststandards von Studien nicht klar definiert

• Studien, die Wirksamkeit in Frage stellen, werden nicht berücksichtigt („counting only hits“; auf aktueller Liste geändert � „controversial“; systematischer Einsatz von Meta-Analysen fehlt bislang)

• Wartelisten-Kontrollgruppen: Placebos haben i.A. größeren Effekt als nichts zu tun � Placebo = EST ?

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 27: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

Kritik an ESTs

Informationswert der Liste

• Keine Entscheidungshilfe, welches Treatment (bei mehreren konkurrierenden) im Einzelfall angewendet werden sollte

• Keine Information zu Unterschieden ähnlicher Treatments

• Treatment nicht auf Liste � Empirisch widerlegt? Empirisch (noch) nicht untersucht?

� Ruf nach Listen nachweislich schädlicher Treatmentsz.B. Norcross, Koocher & Garofalo (2006), Lilienfeld (2007)

� Notwendigkeit der Aggregation (auch widersprüchlicher) Ergebnisse durch Meta-Analysen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 28: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

RCTs als „gold standard“ ?

Vorteile

� Aussagen über kausale Wirksamkeit (efficacy)

� Standardisierung � Behandlungsmanuale

Nachteile

� Standardisierung � Behandlungsmanuale(Manualisierung ≠ Manualisierung; Intervention oder Prinzipien? � interne Validität kann trotz Standardisierung beeinträchtigt sein; Grad an Standardisierung kann zwischen Treatments unterschiedlich sein)

� Minimierung v. Störvariablen � kurze Treatments (<20 Sitzungen)(Angemessen gegenüber Veränderbarkeit behandelter Störungen?)

� Minimierung v. Störvariablen � homogene Samples(Ein- und Ausschlusskriterien � künstlich „reine“ Samples, unrealistisch unter natürlichen Bedingungen; wie im Behandlungsalltag mit komorbiden Störungenumgehen?)

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 29: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

RCTs als „gold standard“ ?

Nachteile (Forts.)

� Wirkmechanismen nicht/kaum analysierbar, wenn Treatment im Ganzen untersucht wird(Welche der angewandten Interventionen sind die eigentlich wirksamen ?)

Zusammenfassend

� Standardisierung der Behandlung (Manual) für hohe interne Validität notwendig aber möglicherweise nicht ausreichend

� Ausschalten von Störvariablen (Länge des Treatments, Ein-/ Ausschlusskriterien) vermindert möglicherweise externe Validität

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 30: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

• ESTs stellen nur einen Teilaspekt von EBPP dar

• EBPP betont, dass Forschungsdesign von Forschungsfrage abhängig ist � RCT ≠ the best available research für alle Fragen

• Efficacy nur ein Aspekt von Evaluation (vgl. Perrez & Baumann, 2005)

– Finanzielle Effizienz (cost effectiveness, cost benefit)

– Patienten-Zufriedenheit (= Qualitätsindikator, Behandlungsziel, Bedingung für Compliance)

– Praxisbewährung (effectiveness)

– Ethische Angemessenheit

• EBPP betont zudem Forschungs- und Integrationsbedarf von Wissen in Praxis

ESTs und EBPP

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 31: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

• Behandlung u.a.– Praxisbewährung wirksamer Interventionen (effectiveness)

– Outcome bei Kombination mit Psychopharmaka

– Patient × Treatment-Wechselwirkungen

– Wirksamkeit bei unterrepräsentierten und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, Kindern, Jugendlichen und Älteren

– Differenzierung spezifischer und unspezifischer Wirkfaktoren

– Zugang und Gebrauch von Behandlungsangeboten, finanzielle Effizienz

• Klinische Expertise u.a.– Entwicklung gut normierter Tests für Diagnostik und Verlaufskontrolle

– Steigerung von Reliabilität, Validität und klinischem Nutzen von Diagnosen

– Erfolgreiches Decision-Making, Auswirkungen auf Behandlungseffekt

EBPP: Forschungsfragen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 32: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

• Patientencharakteristika u.a.– Auswirkung auf Behandlungserfolg in der Praxis

– Prospektive Untersuchung von Interventionen, die auf bestimmte Charakteristika abgestimmt wurden; Vergleich mit anderen Behandlungen

– Auswirkungen (impliziter) Stereotypien von Patienten und Behandlern auf Outcome

– Möglichkeiten, wie z.B. kulturspezifische Informationen Behandlernzugänglich gemacht werden können

– Maßnahmen zur Erhöhung der Rollenkompetenz von Behandlern angesichts heterogener Patientencharakteristika

– Decision-Making angesichts heterogener Patientencharakteristika

• Meta-analytische Reviews in Themenheft: Journal of Clinical

Psychology: In Session, 67 (2), 2011

EBPP: Forschungsfragen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011

Page 33: Vergleich mit Deutschland - Persönliche CMS: Homeppcms.univie.ac.at/uploads/media/Evidence_based_practice.pdf · • EBM bedient sich im Bereich der Medizin empirisch abgesicherter

EBPP: best available research

Forschungsdesign Anwendungsmöglichkeit

Kasuistiken, Fallstudien Hypothesengenerierung

Qualitative Forschung Subjektive Erfahrungsberichte, z.B. von Behandlung(en)

Experimentelle Einzelfallforschung Nachweis kausaler Bedingungsgefüge auf individueller Ebene

Public health research, Versorgungsforschung

Zugänglichkeit zu, Gebrauch und Akzeptanz von Behandlungsangeboten

Prozess-Outcome-Studien Identifikation von Wirkmechanismen

Praxisforschung, naturalistische Studien

Effectiveness, ökologische Validität von Behandlungen

RCTs Efficacy, Nachweis kausaler Bedingungsgefüge auf Gruppenebene

Meta-Analyse Systematische Aggregation bestehender Daten, Berechnung mittlerer Effektgrößen, Testung spezifizierter Hypothesen

Dr. Ulrich Tran, VO Psychologische Interventionen, SS 2011