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(Aus der Tuberkuloseab~eilung der s~/~dtlschen Krankenanstalt KSnigsberg, Pr. [Leiter Prof. Dr. H. Scholz].)

Uber die Senkungsgesehwindigkeit der roten BlutkSrperchen bei der Lungentuberkulose.

Von

Dr. L. Alterthum.

(Eingegangen am 3. A~zril 1923.)

Bei der noch unentschiedenen Frage der diagnostisehen und prognostisehen Bedeutung der Senkungsprobe fiir die Lungentuberkulose seien die auf unserer Abteflung im Laufe der letzten 8 lgonate vorgenommenen diesbez/iglichen Untersuchungen hier mitgeteilt.

Wit wandten die Methode yon Westergren an, d. h. wir bestimmten im Citratblut die H6he der PIasmaschieht in gegebenen Zeiten, wobei wir neben dem Eins~undenwert stets das Senkungsmittelresultat (S.M.R.) nach Katz 1) fest- stellten. Im ~ Gegensatz zu dieser NIethode steht die yon Linzenmeler, weleher die Senkungszeit bei bestimmter Plasmah6he mil]t. Gegen die Brauehbarkeit der yon uns benutzten !Kethode sind besonders yon seiten der Kieler Klinilr zahl- reiche Einw~nde erhoben worden. So fordert z. B. Horvat (gynakologische Klinik, Kiel) yon einer brauehbaren Methode: Einfachheit, klinisch hinreiehende Exakt .

he i t , Halldlichkeit der Apparatur, Bflligkeit und weist naeh, dab diese Voraus- setzungen fiir die Westergrensehe Methode weniger zutreffen als fiir die yon Linzenmeier. Wir kormten uns yon der Stiehhaltigkeit seiner Beweisffihrung nieh~/iberzeugem So behauptet er, dab die Exakthei t durch die Westergrensche Methode nieht gewahrleistet wird; denn die Exakthei t sei u. a. abh~ngig yon Weite ur~d Form der Senkungsr6hrchen; es sei aber techniseh sehr sehwer, zylin. drisehe Glasr6hrehen mit vollst~ndig gleiehem liehten Durehmesser auf der ganzen L~ialge (30 em nach Westergren) herzustellen. Gleieh Haselhorst k6nnen aber aueh wir auf Grund zahlreicher Beobaehtungen als Gegenbeweis anfiihren, dab das gleiehe Blu$, in gleieher Verdfirmung in 5 Pipet ten naeh Westergren aufgestellt, fast gleiche Senkungswerte ergab. Ebenso haben wit uns din'oh entspreehende Versuehe davoff fiberffihrt, dab bei den yon uns benutzten 3 mm weiten R6hrehen C~pillarkrafte nieht st6rend eingreifen, wie dies Linzenmeler behauptet. Dem Naehtefl einer mehrstiindigen, zuweilen Tag und Naeht dauernden Beobaehtung, wie die IAnzenmeiersche Methode sie erfordert, scheinen uns ebenso wie Hasel- horst keine Vorteile gegen~berzustehen. Bei der AI~stellung der Probe an 25 Ge-

b a - b ~ 1) Betriig$ der 1-Stundenwert a und der 2-Stundenwert b, so ist: S.M.R. -- 2

512 L. Alterthum :

sunden (Kollegen und Krankenpflegepersonal) far, den wir die yon Katz an- gegebenen Normalwerte (obere Grenze: 12 m m Einstundenwert).

!

Stadium (nach Turban-Gerhardt): Tbc.? ] L Klinische Zeichen yon AktivitKt: O--~ ] 0 [ ]~ ?

Teml3eratur: N I F N { N N

4 - - 6 4 - - 1 2

7--12 - - - - 1

�9 . 13--17 3 a ~ 18--25 5

' 26---37 4

g 5 1 - - 7 0

71--89 9 0 - - 1 2 0

Durchschnittl. Sedimentierung I ] in mm pro Stunde: 48 3 29 7

F = febril.

3 - - - -

1 1

19

II.

-k I + + ?

-} 5 , : - - - -

7 1 1 3 - - 3 5 4 - - - 2 ' 8 - -

29 47 50110

III.

I I+I ++

bl

2 ~ 2 ~

1 - - ~ 1 3 4 2 ~-

5 3 6 4 10 7

7 [ 9 !

23 63 76 76 1

M ~-- minimal. N ~ normal. S ~ subfebril.

Unser Material umfaBb 159 F/~lle, 89 m~tnnliche, 70 weibliche, bei denen fast samtlich in mehrtagigen resp. mehrw6ehigen Abstanden die Senkungs. geschwir~digkeit bes t immt wurde. Unsere Resultate haben wir in obenstehender Tabelle naeh Westergrezt registriert und wollen nun zu folgenden Punkten Stellung nehmen:

Erstens: Fiihrt jede akt ive Lungentuberkulose zu einer Senkungsbeschleu- rrigung ? Diese Frage glauben wir auf Grund unserer Befunde bejahen zu diirfen. Wie aus der Tabelle hervorgeht, wiesen y o n 122 F/~llerL yon kliniseh sicherer mardfester Lungentuberkulose 121 eine beschlennigte Senkung auf. Der eine ,,Versager" war ein Fall yon i~uBerster Kachexie, der wenige Tage nach An- stellung der Probe ad exituln kam. Dal] aber bei kaehektischen Tuberkulose- f/~llen eine Verminderung der Sedimentierung auftrit t , ist bereits von Westergren und Katz nachgewiesen. Unsere Resultate s t immen demnach fiberein mit dener~ der beiden eberL genannten Autoren sowie denen yon Frisch und Starlinger u. a., stehen aber im Gegensatz zu den kiirzlich yon Moral ver6ffentlichten. Moral berichtet yon 2 ]?i~Ilen yon begirmender Lungentuberkulose, die normale Senkungs- werte aufwiesen, und bei denen das Vorhandensein anderer attf die Senkungs- geschwindigkeit hemmend eiawirkender F~ktore~x ausgeschlossen werden konnte. Wir diirfen die Z~hl unserer 121 Fi~lle allerdings nicht den 2 genannLen gegeniiber- stellen, da es sieh bei uns, wie die Tabelle zeigt, fiberwiegend um solche yon vorgescta'ittener Tuberkulose handelte, l~ur 12 Falle begianender Tuberkulose (1. Stadium) waren darunter. Da es doeh aber nur darauf ankommen kann, bei bogimlenden, noch unklaren F/~llen ein neues und zuverl/~ssiges Aktivit/~ts- diagnosticum zu fir~den, so erscheinen weitere Naehpriifungen hier noch erforder- lich zu einer endgiiltigen Kli~rung der Frage. Besonders notwendig erscheint uns die Beobachtung soleher FMle auf l/~ngere Zeit hinaus, eine Forderung, die wir durchzufiihren im Begriff siad.

~ber d. Senkungsgeschwindigkeit d. roten Blutksrperchen beid. Lungentuberkulose. 513

Die Annahme, dab die Senkungsprobe einen feineren Indicator ffir die Aktivit~t eines Lungenprozesses darstellt a]s die KSrperw~irme (Frisch und Starlinger), halten wir nicht ffir erwiesen. Zwar zeigten, wie aus der Tabelle hervorgeht, 50% unserer F~lle yon aktiver Lungentuberkulose normale resp. annahernd normale Temperaturen. Man muB aber zur Entscheidung dieser Frage noch berficksichtigen, dab Senkungsbeschleunigung bei physiologischen und pathologischen Prozessen weir h~ufiger angetroffen wird als Fieber, und daB die Lungentuberkulose nur einen kleinen Prozentsatz derjenigen Zustande dar- stellt, die mit Senkungsbeschleunigung einhergehen. Demnach scheint es uns, dab der Senkungsprobe als Aktivit~tsdiagnosticum keine grSBere Bedeutung zukommt als der Feststellung der K6rperwarme.

Zweitens suchten wit die Frage zu beantworten: Ist die Senkungsprobe zu verwerten ffir die Differentialdiagnose zwischen Lungentuberkulose und anderen Lungenkrankheiten ? Unsere diesbeziigliehen Ergebnisse lassen uns diese Frage verneinen. Katz behauptet, dab er in 2 Fallen yon chron~scher Bronchitis dutch den Befund einer erhShten Senkungsgeschwindigkeit zur Annahme einer chro- r~sehen Phtise gebracht wurde, die sich spaterhin klinisch bestatigte. VCir beobachteten dagegen mehrere Falle yon Bronchitis, zum Teil fiber mehrere ~r hinaus, bei denen wir dauernd eine beschleunig~e Senkung fanden, ohne daB klinisch irgendwelche Anzeichen ffir das Bestehen einer Tuberkulose vor- handen waren. Wit sahen als Ursache ffir diese Senkungsbeschleunigung lediglich das Vorhandenseia eines entzfindliehen Prozesses an. Welcher Natur diese Entzfindung war, haben wit aus der Feststellung der Scnkungszahl nieht abzu- leiten gewagt; fiihrt doeh, wie wir uns wiederholt fiberzeugen l~onnten, jede Entzfindung zu einer besehleunJgten Senkung. Ebensowenig haben wit in einem Fall yon Bronchitis, bei dem wir ein allmahliches Herabgehen des Senkungswertes his zur Norm festste]]en ]~onnten, geglaubt, aus diesem ]~efund auf die un- sl)ezifische Natur der Bronchitis a bsehlie~en zu dfirfen; denn auch bei einer sicher tuberkulSsen Bronchitis (Tuberkelbaeillen im Auswurf) fanden wit bei fort- gesetzten Untersuchungen allm~hlieh normale Senkungswerte. In diesem Fall war also der normale Weft darauf zurfickzuffihren, da~ die tuberkul6se Ent- zfindung zur Ruhe gekommen, im ersteren Fall darauf, daI3 die unspezifische Entziindung abgeklungen war. Wit glauben daher auf Grund der Tatsaehe, dab sowohl spezifische als aueh unspezifische Bronehitiden erhShte und nicht erh6hte Senkungswerte aufweisen kSnnen, aus der Senkungszah] nur einen SchluB auf einen entzfindlichen oder nicht entzfindlichen Vorgang ziehen zu dfirfen, nicht abm" auf die J~tiologie dieser ]~ntzfindung. Die Methode versagte auch bei der Abgrenzung yon LungenabsceB, -gangran und-geschwulst gegeniiber der Lungentuberkulose. Mit Katz und andercn fanden wit flit nile diese Prozesse eine beschleunigte Senkung, die gegenfibcr der bei der Tuberkulose gefundenen keine charakteristisehen Unterschiede aufwies.

Drittens stellten wir in ~bereinstimmung mit Frisch und Starlinger test, dab die Bestimmung der Senkungszeit auch kein differentialdiagnostisches Kri- terium fiir Lungentuberkulose gegenfiber anderweitigen, nicht in der Lungc lokalisierten Erkrankungen darstellt. Wir beobachteten, wie aus der Tabelle ersichtlich, 14 F~lle mit beschleunigter Senkung bei uuklaren resp. fehler~den

Beitr$ige zur K]inik der Tuberkulose. Bd. 55. 34

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klirdschen Symptomen einer Lungentuberkulose. Bei 5 yon diesen Fallen liel~ sieh im Laufe der Untersuehungszeit ein anderes Leiden als Ursache der Senkungs- beschleunigung feststellen: zweimal eine manifeste Lues, einmal ein Magenkrebs, in zwei weiteren FMlen eine entziindliche Adnexerkrankung. Die restierenden 9 F/~lle mi~ ungekl/~rter Senkungsbeschleunigung, die uns leider nur auf kurze Zeit zur Beobachtung fiberwiesen waren und deren weitere Veffolgung uns bisher nicht gelang, wurden yon uns nur mit Vorsieht hSchstens als tuberkuloseverd~ehtig bewertet. Die Zahl der Krankheiten, die zu einer SenkungsbesehleunJgung f/ihrt, ist zu groB, als dab wit einen Fall lediglieh auf Grund dieses Symptoms zu einem Fall von Lungentuberkulose stempeln dfirfen.

Fiertens kamen wir zu dem Ergebnis, dab die Methode yon Gra]e, der in tier Beobachtung des Senkungswertes nach probatorischen Tuberl~ulininjektionen eine Yerfeinerung der Senkungsprobe hinsiehtlich der Aktivitats- und Differential- diagnose erblickt, uns keine Dienste geleistet hat. Dutch Injektionen yon 0,001 bis 0,1 mg Alttuberkulin, wie Grafe es fordert, konnten wit weder eine Abgren. zung der latenten gegen die manifeste Lm~gentuberkulose, noch eine solche yon Lungentuberkulose gegen anderweitige Krankhei tea vornehmen. V o n 6 Fallen, bei denen wir auf Grund metu'monatiger Beobachtung hSchstens das Bestehen einer latenten Lungentuberkulose anerkennen konnten, haben wir in 3 Fallen nach der Inj ektion yon 0,1 mg Alttuberkulin eine vorfibergehende Beschleunigung, in 1 Falle eine Verlangsamung gesehen und nur in 2 F/~llen blieb der Senkungswert, wie naeh Gra]e ffir alle diese Falle zu erwarten war, unbeeinflultt. Ebenso fanden wir naeh der Injektion yon 0,003 mg bei einer manifesten Lues mit besehleunigter Senkung eine vorfibergehende st/~rkere Beschleunigung, genau wie in mehreren F/~llen yon margfester Lungentuberkulose. Ebensowenig eindeutig waren unsere Resultate, wenn wir zu h6heren Dosen Tuberkulin fibergingen: nach Injektion yon 0,2 mg sahen wir in Ubereinstimmung mit Kate in vielen Fallen eine voriiber- gehende Senkungsbeschleunigung, aber nicht nur, wie dieser, bei F/~llen yon latenter Tuberkulose, Fallen, die zur Latenz neigten und solchen mit station/~ren Spitzenaffekt[onen, sondern aueh zuweilen bei ,,Gesunden" und bei anderweitig Erkrankten. Wit glauben daher aus dem Befund einer Beschleunigung der Senkung n a c h einer probatorischen Tuberkulininjektion keine diagnos ischen Sehlfisse ziehen zu d/irfen, auch nicht auf das bloBe Vorhandensein eines tuberkulSsen Herdes ~berhaupt, wie dies yon Katz gesehieht. Auch die voI1 L6hr und yon Leendertz angestellten und yon uns nachgepriiften Versuche, die Senkungs- gesehwindigkeit dutch parenterale (intramuskul~re und intravenSse) Zufuhr yon unspezifischen EiweiBkSrpern zu beeinflussen, mahnen dutch ihren positiven Ausfall sowohl bei Gesunden als auch bei Kranken zur Vorsieht und zeigen gleiehfalls an, dal~ wir aus dem Auftreten einer Senkungsbeschleunigung naeh einerprobatoriseher~ Tuberkulininjektion nicht die gleichen Schl~sse ziehen d/irfen als aus dem Auftreten einer Herdreaktion.

Die Durchsicht unseres Materials hinsichtlieh der Frage, ob wir die verschie- denen pathologisoh-aimtomischen Formen der Lungentuberkulose auf Grund der beobachteten Senkungswerte differenzieren k6nneu, ergab, dab wir atff diesen Versueh verzichten mfissen. Zu der gleichen ,,Entt~uschung" ist kfirzl':ch die Czernysohe Klitfik gekommea. Wit far, den (vgl. ,,duIchsehnittlicke Sedimen-

Uber d. Senkungsgeschwindigkeit d. roten Blutk51])erchen beid. Lungeatuberkulose. 515

tierung" in der Tabelle), da~ die Senkungswerte nicht nur yon der Intensit~t, sondern aueh yon der Ausdehnung des krankhaften Prozesses abhangig sind, eine Beobachtung, die wit bei Durehsicht der entspreehenden Tabellen bei Westergren und bei Katz best~tigt fanden. Zwar konnten aueh wir, in Uberein- stimmung mit anderen Autoren, bei exsudativen Formen, eeteris paribus, h6here Senkungswerte feststellen als bei cirrho~isehen. Nur erscheint es uns nieht an- g~ngig, eine, wie oben angefiihrt, yon zwei Variabeln, n~mlieh der Intensitat urLd der Extensit~t abh~ngige Gr62e, nur als Funktion der Intensit~t, d. h. der Art des pathologiseh-anatomisehen Prozesses, darzustellen. Unter Berfieksieh- tigung der Tatsache, dal~ wir ,,reine Fhlle" im anatomischen Sinne ~ui]erst selten vor uns haben, dfirfte der Versuch einer solchen Einteflung aueh an praktiseher Bedeutung verlieren.

Bei der Bewertung der Senkungsprobe ffir die Prognose der Lungentuber- kulose stimmen wir der l~Ieinung derjenigen Autoren zu, die aus einer einmaligen Feststellung des Senkungswertes nur den augenblicklichen Zustand des Prozesses beurteilen zu k6nnen glauben. So sagt Moral mit Reeht: ,,Bei beginnender Lungentuberktflose ist die Stellung einer guten Prognose auf Grund einer wenig beschleunigten Senkung nieh~ erlaubt; denn dig Geringffigigkeit des Prozesses ist ja naturgem~B und bereehtigt night zu der Annahme eines gutartigen weiteren Verlaufs." Verwertbar fiir die Prog~osestellung ersehien aueh uns die Probe erst durch Anstellung yon Relhenuntersuchungen in mehrwSchigen Abst~nden, wie sie yon den meister~ Autoren empfohlen werden. Wir fanden bier die in der diesbezfigliehen LReratur niedergelegten Erfahrungen best~tigt. Beginnende F~lle mit stark besehleunigter Senkung zeigten durch ihren weitererL Verlauf die Richtigkeit der auf Grund des hohen Senkungswertes gesteUten infausten Prognose. Ebenso fanden wir in zahlreichen Fallen eine kliniseh nachweisbare Versehleehterung mit einer ErhShung des Senkungswertes einhergehen, einer klinisehea Besserung ging 5fters eine Verlangsamung der Senkung reran resp. ging ihr parallel. Somit glauben aueh wir, mittels dieser Methode fortsehreitende F~lle yon stationaren und solehen, die zur Latenz neigen, unter Mitberfiek- sichtigung des gesamten klinischen Bildes, abgrenzen zu kSnnen.

I~och wenige Worte zu der Frage, ob wir aus der Feststellung des Senkungs- welles irgendwGlehe Riehtlinien ffir die Therapie gewinnen kSnnen. Wit haben solche bisher nieht ableiten kSnnen, halten es aueh auf Grund unserer Erfahrungen fth. verfrfiht, werm nicht verfehlt, wenn Katz ffir die Anlegung eines Pneumo. thorax im wesentlichen nur die F~lle fiir geeignet erklart, deren Senkungswert die obere Grenze des Normalen wenig iibersehreite~. WiE verfiigen fiber 4 F~lle yon kfinstlichem Pneumothorax mit anfangs sehr hohen Senkungswerten, bei denen die Anlegung des Pneumothorax bei Verfolgung bis zu 8 Monaten yon der besten Wirkung auf den Lokal- und Allgemeinbefund gewesen ist. Wir erkennen deshalb die Berfieksichtigung der Senkungszeit bei der Festlegung der Indikation ffir den kfinstliehen Pneumothorax nieht an. ~ber die Festlegung bestimmter Senkungswerte als Voraussetzung ffir eine aussiGhtsreiehe Tuberkulintherapie liegen bisher keine Angaben vor. Westergren ,,seheint es, als ob die Reaktion in der Beurteilung yon Tuberkulinwirkung wertvoll werden kann"; Was die Beziehung yon RSntgentiefenbestrahlung und Senkungswert anlangt, so haben

34*

516 L. Alterthum :

uns unsere diesbezfiglichen Versuche bisher noch keine praktisch verwertbaren Resultate geliefert. Wit fanden bisher mit Leendertz, dal3 keine gesetzma~ige Beeinflussung der Senkungswerte durch RSntgenbestrahlung der tuberkulSsen Lunge besteht . Vielmehr entspraehen auch hier die Senkungswerte dem all- gemeinen Verlauf der Krankheit : In 3 Fallen mit starker Lokal- und Allgemein- reaktio~ beobaehteten wir eine erhebliche Zunahme des Senkungswer~es, wahrend in 3 Fallen ein Erhaltenbleiben der frfiheren Senkungsgeschwindigkeit mit dem Ausbleiben yon Herd- und Allgemeinreaktion zusammenfiel. Weitere ]3eobaeh- tungen sind hier noch erforderlich.

~ber das Wesen der Senkungsreaktion haben wit keine eigenen Unter- suehungen angestellt. Wit verweisen hier auf die Arbeiten von Fahraeus, dem Neuentdecker des Phanomens, sowie auf die vonHSber, Linzenmeier, Starlinger u. a. Nach diesen Autoren wird, was heute wohl ziemlich allgemeine Anerkennung gefunden h~t, die Beschleunigung der Senkung auf eine vermehrte Agglutination resp. eine verminderte Suspensionsstabilit~t der roten BlutkSrperchen zurfick- geffihrt, Diese Verminderung der Stabilitat beruht auf einer Herabsetzung der natfirlichen negativen elektrischen Ladui~g der roten Blutk6rperchen, die dazu ffihrt, daI~ die Attraktionskrafte zwischen den suspendierten Teilehen fiber die elektrisehen Abstol~ungskrafte iiberwiegen, so dab eine Zusammenballung und damit eine beschleunigte Senkung zustande kommt. Diese Entladung wird be- wirkt durch das Auftreten eines ungleichnamig geladenen Eiweii~kSrpers in der Blutfliissigkeit, und zwar fiben die einzelnen Eiweil~fraktionen der Blutflfissigkeit einen dem Gradc nach verschiedenen EinfluB auf die elektrische Entladung und damit auf die Agglutination und die Senkungsgeschwindigkeit aus. Wahrend der Einflul~ des Albumins sehr gering ist, zeigen die G. lobuline und vor allem das Fibrinogen eine stark agglutinierende Wirkung auf die Erythrocyten. Da nun, wie Untersuchungen yon Alder, Starlinger u. a. zeigen, abgesehen yon anderen physiolo- gischen und pathologischen Zustanden, auch bei der Lungentuberkulose eine Ver- mehrung von Globulin resp. Fibrinogen auf Kosten des Albumins im Plasma nach- gewiesen ist, wobei die Globulinvermehrung der Aktivitat des Lungenprozesses an- nahernd parallel geht, so ist damit fib" die empirisch gefundene Beziehtmg zwischen Lungentuberkulose und Suspensionsstabilitat die theoretische Begriindung gegeben.

Zusammen]a~sung. l a. Nach unseren Untersuchungen seheint es, als ob jede aktive Lungen-

tuberkulose zu einer beschleunigten Senkung ftihrt. Weitere Beobaehtungen sind noch erforderlich.

lb. Der Senkungsprobe kommt als Aktivitatsdiagnosticum keine gr6Bere Bedeutung zu als der Feststellung der KSrperw~rme.

2. Die Senkungsprobe konnten wir Ifir die Differentialdiagnose zwischen Lungentuberkulose und anderen Lungenkrankheiten nicht verwerten.

3. In tier Bestimmung der Senkungszeit sahen wir kein differential-diagnosti- sches Kriterinm ffir Lungentuberkulose gegenfiber anderweitigen, nicht in der Lunge lokalisierten Erkrankungen.

4. Die Methode yon Gra/e, dutch probatorisehe Tuberkulininjektionen die Senkungsprobe zu verfeinern, hat uns keine Dienste geleistet.

giber d. Senkungsgeschwindigkeit d. roten Blutktlrperchen bei d. Lungentuberkulose. 517

5. A n H a n d der Senkungswer te gelang esuns nicht , d ie e inzelnen pa~hologisch- ~na tomischen F o r m e n der Lungen tube rku lo se zu differenzieren. ,

6. F i i r d ie l~ 'ognoseste l lung g l a u b e n wir im wesen t l i chen nur d ie R e s u l t a t e fo r t l au fender Un te r suchungen der Senkungsgeschwind igke i t v e r w e r t e n zu dfirfen.

7. Aus der Fes t l egung der Senkungswer t e h a b e n wir b isher ke ine Rich t l in ien fiir d ie The rap i e der Lungen tube rku lo se gewinnen kSnnen.

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