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FELIX KOLTERMANN Fotografie und Konflikt Interviews und Gespräche Felix Koltermann Fotografie und Konflikt Interviews und Gespräche

Fotografie und Konflikt - Interviews und Gespräche

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FELIX KOLTERMANN

Fotografie und KonfliktInterviews und Gespräche

Felix Koltermann

Fotografie und KonfliktInterviews und Gespräche

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Einleitung 7

Hinter den Kulissen (Michael Kamber ) 11

Bilder als Rohstoff (Tom Holert) 19

Ironien des Bildkorpus (W.J.T. Mitchell) 31

Zensur und Selbstzensur (Christoph Bangert) 39

Zwischen Krieg und Frieden (Meinrad Schade) 53

Visuelle Präsenz des Krieges (Kai Wiedenhöfer) 63

Konflikte im Raum (Gregor Sailer) 73

Publikationen der Interviewpartner 83

INhALT

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EINLEITuNg

Wer an den Themenkomplex Fotografie und Konflikt und das Verhältnis der beiden Phänomene denkt, der landet meist allzu schnell beim Begriff der Kriegsfotografie. Dabei gibt es eine Vielfalt gesellschaftlicher, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Konflikte, die sowohl verschiedene visuel-le Zeugnisse hinterlassen als auch ganz unterschiedlich von Fotografen bildnerisch bearbeitet werden und weit über das hinausgehen, was die klassische Kriegsfotografie umfasst. Nur ein kleiner Teil von Fotografen begibt sich aufs Schlachtfeld. Aber dennoch sind es diese Bilder, mit denen wir am meisten konfrontiert sind, weil sie fast täglich in unseren Medien zu sehen sind. Oft steht dabei der Blick auf Gewalt und Opfer von Gewalt zusammen mit einer starken Ereignisfokussierung im Vordergrund.

Die Fotografie ist abgesehen von ihren technischen Voraus-setzungen vor allem ein sozialer Prozess. Fotografie ist men-schengemacht und für das Entstehen eines fotografischen Bil-des sind eine soziale Begegnung und bis zu einem gewissen Grad auch eine Interaktion konstitutiv. Das bedeutet, dass sowohl auf Seiten des Fotografierenden wie auch des Foto-grafierten soziale Prozesse ablaufen. In diesem Buch soll es vor allem um die Person des Fotografen gehen, der mit sei-nen Entscheidungen einen zentralen Einfluss auf die Art und Weise der Interaktion mit den Fotografierten hat. Gleichzeitig beeinflussen die Erfahrungen während der fotografischen Tä-

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tigkeit den Fotografen, lösen Reflektionen und Lernprozesse aus. Viel hängt dabei vor allem von der spezifischen fotografi-schen Schwerpunktsetzung ab.

Darüber hinaus haben Kameratechnik und Bildproduktion vor allem aufgrund der Digitalisierung neue Realitäten ge-schaffen. So können Kameras heute auch autonom agieren, wie es z.B. bei Überwachungskameras oder Bordkameras von Drohnen der Fall ist. Aber nicht nur das, auch die Interpre-tation von Bilddaten kann heute bis zu einem gewissen Grad von einer Software und einem Computer übernommen wer-den. Dennoch gibt es selbst in diesen Fällen immer wieder Schnittstellen zum menschlichen Handeln, sind doch auch bei teilautonomen bildgebenden Verfahren menschliche Entschei-dungen und Bewertungen an vielen Stellen entscheidend.

Die größte Schnittstelle zwischen der Fotografie und Konflik-ten besteht im Denken und Erfassen beider Phänomene als soziale Prozesse. Ebenso wie für die Fotografie sind für so-ziale Konflikte menschliche Handlungs- und Entscheidungs-prozesse konstitutiv. Soziale und politische Konflikte, vor al-lem in ihrer extremen Ausprägungsform als Krieg, sind keine Phänomene, die vom Himmel fallen und als Geißel über die Menschheit kommen. Sie haben Ursachen, Eskalationsphasen und vor allem ganz unterschiedliche Verläufe und meist einen ganz individuellen Charakter. Selbst wenn Konflikte ähnliche Ursachen und Eskalationspotentiale haben, können sie sich völlig unterschiedlich entwickeln.

Für die hier interviewten Fotografen sind soziale und politi-sche Konflikte ein wichtiger Gegenstand ihrer fotografischen und journalistischen Tätigkeit. Aufgrund der Komplexität der Konfliktphänomene sowie der unterschiedlichen persönli-chen Schwerpunktsetzungen der Fotografen unterscheiden

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sich auch die Ansätze ihrer fotografischen Dokumentation. Während einige Fotografen eher eskalierte Phasen und tages-aktuelle Ereignisse in den Fokus ihrer Arbeit stellen, widmen sich andere dem Davor und Danach oder auch den latenten, nicht immer sichtbaren Konfliktformen. Die Darstellung von Konflikten kann darüber hinaus über das Porträtieren von in Konflikten involvierten Personen oder aber über das Aufzei-gen der Konfliktfolgen auf Landschaft und Infrastruktur ge-schehen.

Entstanden sind die hier publizierten Interviews in den Jahren 2014 und 2015 zu einer Zeit, als mein Dissertationsprojekt über die fotojournalistische Produktion in Israel/Palästina langsam in die Abschlussphase überging und ich anfing, mehr und mehr journalistisch zum Thema Fotografie und Konflikt zu arbeiten. Von den Interviews und Gesprächen, die im Rah-men meiner journalistischen Tätigkeit entstanden sind, habe ich diejenigen zusammengestellt, die zum Themenkomplex „Fotografie und Konflikt“ passen. Dieses Buch ist das zweite unter dem Stichwort „Fotografie und Konflikt“. Nach einem ersten Band mit „Texten und Essays“ kommen nun in „Inter-views und Gespräche“ die Akteure selbst zu Wort. Im Buch sind die Interviews chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung geordnet.

Dass in diesem Band letztlich nur Interviews mit männlichen Fotografen versammelt sind, ist keine Absicht, sondern eher dem Zustandekommen der Interviews geschuldet. Darüber hinaus sagt es jedoch auch etwas über das Gewerbe aus, das bis heute von männlichen Fotografen dominiert ist. Umge-kehrt bedeutet dies natürlich nicht, dass mit diesem Fakt eine Beliebigkeit in der Auswahl verbunden wäre. Bezogen auf die Arbeit von Fotojournalistinnen und Fotografinnen in Kriegen sei auf den aufschlussreichen Dokumentarfilm „Kriegsfotogra-

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finnen“ (D 2016, Sigrid Faltin, SWR) verwiesen, der im März 2016 Premiere hatte. Zeitgleich ist die Autobiographie der amerikanischen Fotojournalisten Lynnsey Addario (Jeder Mo-ment ist Ewigkeit – Econ Verlag) erschienen, die in Deutsch-land ein breites Medienecho fand.

Ganz herzlich möchte ich mich an dieser Stelle nochmal bei meinen Interviewpartnern dafür bedanken, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch genommen haben und mir das Vertrauen aus-gesprochen haben, die daraus resultierenden Texte zu veröf-fentlichen und hier in einem Buch gemeinsam zu präsentieren. Das gleiche gilt für Medien wie das Neue Deutschland, Qanta-ra oder die Zeitschrift Wissenschaft&Frieden, in denen bereits Ausschnitte der hier abgedruckten Texte erschienen sind. Ich wünsche ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.

Felix Koltermann – Mai 2016