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ISSN 0035-7812 IM AUFTRAG des Priesterkollegs am Campo Santo Teutonico in Rom und des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft IN VERBINDUNG MIT Wolfgang Bergsdorf, Thomas Brechenmacher, Jutta Dresken-Weiland, Michael Durst, Rudolf Schieffer, Andreas Sohn und Günther Wassilowsky HERAUSGEGEBEN VON Dominik Burkard, Hans-Peter Fischer und Stefan Heid BAND 110, HEFT 1–2 2015 HERDER ROM FREIBURG WIEN

Von den Miniaturen zu den Katakomben. Sante Avanzini, Maler aus Siena

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ISSN 0035-7812

IM AUFTRAG

des Priesterkollegs am Campo Santo Teutonico in Romund des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft

IN VERBINDUNGMIT

Wolfgang Bergsdorf, Thomas Brechenmacher,Jutta Dresken-Weiland, Michael Durst,

Rudolf Schieffer, Andreas Sohn und Günther Wassilowsky

HERAUSGEGEBEN VON

Dominik Burkard, Hans-Peter Fischerund Stefan Heid

BAND 110, HEFT 1–2

2015

HERDER

ROM FREIBURG WIEN

Von den Miniaturen zu den Katakomben.Sante Avanzini, Maler aus Siena*

Von MASSIMILIANO GHILARDI

Abstract: From miniatures to the Catacombs. Sante Avanzini, Painter from Siena – SanteAvanzini (*1580/81 in Siena, †1649 in Rome) who was hitherto only known as copyist ofimages from the catacombs commissioned by Antonio Bosio – in fact often mistaken withGiovanni Angelo Santini (il Toccafondo) – was father of the baroque architect BartolomeoAvanzini.With the help of scattered information from ecclesiastical sources he is portrayed asa personality in his family and professional surrounding in Rome in the first half of the 17thcentury.

Es sind fast 180 Jahre her, seit der Name Sante Avanzini zum erstenMal in denForschungen der Christlichen Archäologie begegnet: Man schrieb das Jahr 1835,als der berühmte französische Kunsthistoriker Jean-Baptiste-Louis-Georges Se-roux d’Agincourt1 ihn in seiner postum erschienen Einführung zur italienischenAusgabe von Jean-Alexis-François Artaud de Montors „Voyage dans les Cata-combes de Rome par un membre de l’Académie de Cortone“ (Paris 1810) er-wähnte, allerdings ohne sich weitere Fragen zur Person zu stellen. D’Agincourtnotierte, er sei in den unterirdischenGängen der römischen Campagna öfters aufAvanzinis Namen gestoßen2. Keine Erwähnung fand der Maler in „Roma sot-terranea cristiana“ von Giovanni Battista de Rossi, und erst Jahrzehnte späterbefasste sich der deutsche Ikonograph Joseph Wilpert3 eingehender mit ihm:Während einer Sitzung der „Società dei cultori della cristiana archeologia inRoma“ am 22. Februar 1891 konnte er verkünden, dass es sich um einen derMaler des berühmten Katakombenforschers Antonio Bosio (1575–1629)4 handleund dass er aus Siena stamme5. Die Entdeckung erfolgte zufällig im Zusammen-

* Abkürzungen: ASR = Archivio di Stato di Roma; ASVR = Archivio Storico del Vicariatodi Roma; ASCMo = Archivio Storico del Comune di Modena;Heid, Dennert = St. Heid,M. Dennert (Hg.), Personenlexikon zur Christlichen Archäologie 1–2 (Regensburg 2012).Ich danke Domenico Rocciolo, Direktor des ASVR, für den unbeschränkten Zugang zumArchiv. Übersetzung des Beitrags aus dem Italienischen von Franziska Dörr.1 M. Ghilardi, Sante Avanzini, in:Heid, Dennert 2, 101 f.; St. Heid, Jean-Baptiste-Louis-Georges Seroux d’Agincourt, in: ebd. 2, 1157 f.2 Viaggio nelle catacombe di Roma di un membro dell’Accademia di Cortona, con note eduna memoria sugli scrittori delle catacombe di G. B. L. G. Seroux D’Agincourt (Milano1835) 15.3 St. Heid (Hg.), Giuseppe Wilpert, archeologo cristiano, Atti del convegno, Roma, 16–19maggio 2007 (Città del Vaticano 2009); ders., Joseph Wilpert, in: Heid, Dennert 2, 1323–1325.4 M. Ghilardi, Le catacombe di Roma dal Medioevo alla Roma sotterranea di AntonioBosio, in: Studi Romani 49 (2001) 27–56. Ferner St. Heid, G. Grande, Antonio Bosio, in:Heid, Dennert 1, 215–219.5 Conferenze di archeologia cristiana, in: Bullettino di Archeologia Cristiana 5,2 (1891) 14 f.Noch kurz zuvor, in Die Katakombengemälde und ihre alten Copien. Eine ikonographische

hangmit der Freilegungmehrerer Gänge innerhalb der Katakombe Santi Pietro eMarcellino inter duas lauros, wo Avanzini seine Unterschrift mehrfach mit Koh-lestift hinterlassen hatte, und schien zu Anfang eher zweitrangig; gleichwohlwarf sie Licht auf Bosios Forschungsmethode6 und auf diverse Protagonistender „Roma sotterranea“ zu Beginn des 17. Jahrhunderts.Sante Avanzini war den Kunsthistorikern lange Zeit unbekannt, nicht zuletzt

wegen eines falschen Hinweises von Giulio Mancini7. Er wurde oft verwechseltmit Giovanni Angelo Santini, genannt „il Toccafondo“8, einem römischenMaler,der einige Jahre denUntergrund der römischenCampagna durchkämmte auf derSuche nach antiken Bildern, um sie als illustratives Begleitmaterial zur „Romasotterranea“ zu reproduzieren. Nach dem, was wir aus Archivdokumenten wis-sen, die zu Wilperts Zeiten noch unbekannt waren, hatten die beiden Künstlerjedoch vollkommen unterschiedliche Lebensläufe und Karrieren: AvanzinisLaufbahn war stetig und auf höherem Niveau, die von Santini viel bescheidenerund unregelmäßig, was auch mit seinem teilweise gesetzeswidrigen Lebensstilzusammenhing.9

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Studie (Freiburg i.Br. 1891), hatte Wilpert keine klare Vorstellung über die Künstlerpersön-lichkeit Avanzinis.6 Hierzu s. S. Ditchfield, Text before Trowel. Antonio Bosio’s Roma sotterranea Revisited,in: R. N. Swanson (Hg.), The Church Retrospective (Woodbridge 1997) 343–360.7 G. Mancini, Considerazioni sulla pittura. Pubblicate per la prima volta da Adriana Ma-rucchi con il commento di Luigi Salerno 1–2 (Roma 1956–1957), hier 1, 288.8 Obwohl den Kunsthistorikern unbekannt, war Santini von nicht geringer Bedeutung fürdie Wiederentdeckung und Vermittlung der frühchristlichen Ikonographie zu Beginn des17. Jh. Eine erste Annäherung bei M.Ghilardi, Dall’inventio del corpo santo, alla costru-zione della reliquia, Giovanni Angelo Santini, detto il Toccafondi, pittore romano, in: StudiRomani 53 (2005) 94–121. Weitere Erkenntnisse siehe ders., Il pittore e le reliquie. GiovanniAngelo Santini e la Roma sotterranea nel primo Seicento, in: Storia dell’Arte 133 (2012) 5–23und ders., Maler und Reliquienjäger. Giovanni Angelo Santini „Toccafondo“ und die Kata-komben Roms im frühen 17. Jahrhundert, in: RQ 107 (2012) 145–162. ferner ders., GiovanniAngelo Santini (il Toccafondo), in:Heid, Dennert 2, 1107f.9 Maler des Vertrauens Cesare Baronios, wie man aus einem interessanten Abschnitt einesManuskripts der Mailänder Biblioteca Ambrosiana schließen möchte (G. 116 inf. – G. 117inf., 92–93), kam Santini vielleicht tatsächlich mittels des Oratoriums in Kontakt mit AntonioBosio, der ihn zur Reproduktion der antiken Katakombenbilder für seine Roma sotterraneaheranzog. Für Bosio nur wenige Jahre tätig, vielleicht nur zwischen 1596 und 1600, wurde ermehrfach verhaftet und verurteilt wegen zahlreicher Reliquiendiebstähle in den KatakombenRoms. Daher ersetzte ihn Bosio durch Avanzini. Santini wurde um 1610 wegen wiederholterSimonie zum Tod verurteilt, aber zu lebenslanger Haft und zu Zwangsarbeit auf den päpst-lichen Galeeren begnadigt. Nach seiner Flucht von der Galeere führte er ein verborgenes undunstetes Leben. Er zog sich vielleicht nach Siena zurück, der Heimat Avanzinis, wie man ausder dichten Korrespondenz zwischen dem Bischof vonNovara Carlo Bascapè – er suchte ihnfür Informationen über einige in seine Diözese gelangte Reliquien – und seine Agenten inItalien (M. Ghilardi, „M’importa assaissimo avere certezza di esse reliquie“. Carlo Bascapèe la polemica sull’autenticità delle reliquie provenienti da Roma, in: Barnabiti Studi 29 [2012]7–24) schließen möchte. Vielleicht kehrte Santini im Zuge einer allgemeinen Amnestie fürTodeskandidaten unter Paul V. nach Rom zurück. Jedenfalls verlieren sich seine Spuren um1623–1624, dem ungefähren Zeitpunkt, als ihn Giulio Mancini erwähnte (oben Anm. 7).

1580 oder 1581 in Siena geboren (nach einemDokument zu urteilen, das schonWilpert vorlag)10, erschien Sante Avanzini schon als sehr junger Mann in derrömischen Kunstszene: Am 29. August 1600 hinterließ er seinen Namen in

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Abb. 1: Namenszug und Bild der hl. Katharina, von Sante Avanzini, Katakombe SantiPietro e Marcellino, Rom

10 J.Wilpert, Le pitture delle catacombe romane (Roma 1903) 163, Anm. 3. Es handelt sichum ein Dokument im Status animarum der römischen Pfarre Santi Maria e Gregorio inVallicella, wonach der Maler Sante 1616 36 Jahre alt und mit der 24-jährigen Porzia DelFiume verheiratet, ferner Vater zweier Kinder war (Bartolomeo, 7 Jahre; Eugenia, 2 Monate):ASR, Parrocchia dei Santi Maria e Gregorio in Vallicella, Status animarum, 1616, fol. 16r:„Isola della Chiesa, Casa della Congregazione dell’Oratorio, Bottega quarta, 2o appartamen-to, 1616 / Santi Avanzino Pittore an. 36 / Porzia del Fiume an. 24 moglie / Bartholomeo an. 7figlio / Eugenia mesi dui. Figlia“. Vor Wilpert, der in der zitierten Anm. sagt, er habe denHinweis von Antonio Valeri (Verf. von: Cenni biografici di Antonio Bosio con documenti

einem Cubiculum der Katakombe Santi Pietro e Marcellino und skizzierte da-neben, quasi als Zeichen patriotischer Verehrung, die hl. Katharina von Siena11(Abb. 1). Als Zeichner Bosios ersetzte er ausgerechnet den vorgenannten Tocca-fondo, als dieser sich erneut vor dem Gesetz zu verantworten hatte12. Die Er-forschung der römischen Katakomben und das Abmalen der dort sichtbarenMalereien wurden zu einem Hauptbetätigungsfeld des Sienesen – wenn auchnicht dem einzigen, wie bis vor kurzem angenommen13. Folgt man der Chrono-logie seiner Unterschriften in den Katakombengängen, stellt man fest, dass erüber drei Jahrzehnte lang – also über Bosios Tod (1629) hinaus – immer wiederfrühchristliche Malereien kopierte: Seine letzte Signatur ist wohl die aus demJahr 1632 in der Domitillakatakombe14.Die Arbeit als Kopist von Katakombenmalereien, von Wilpert so oft kriti-

siert15, war jedoch offenbar nur ein sekundärer Bereich seiner langjährigen

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inediti [Roma 1900]) erhalten, verwies schon F. Gori,Archivio storico artistico archeologicoe letterario della città e provincia di Roma 4 (Roma 1880) 22 auf das Dokument, und diesenHinweis nahm Friedrich Noack in sein berühmtes Schedarium s. v. Sante Avezino auf (heutein der BibliothecaHertziana). In jüngerer Zeit weisen auf das Dokument:Ghilardi,Dall’in-ventio (Anm. 8) 96, Anm. 10; E.De Laurentiis, I codici della Sacrestia Sistina a Toledo.Testo-immagine nei manoscritti liturgici di Urbano VIII, in: Rivista di Storia della Miniatura11 (2007) 301–314, bes. 309, Anm. 62; E. A. Talamo, I codici della Sacrestia Sistina, in: E.DeLaurentiis, E. A. Talamo, Codici della Cappella Sistina. Manoscritti miniati in collezionispagnole (Roma 2010) 4; E.De Laurentiis, Note biografiche dei miniatori e dei copisti diUrbano VIII, in: ebd. 61; R. Vodret (Hg.), Alla ricerca di „Ghiongrat“. Studi sui libri par-rocchiali romani (1600–1630) (Roma 2011) 495; Ghilardi, Il pittore (Anm. 8) 17, Anm. 14.11 „Sancti Auanzino / pittore senese anno / 1600 si ritrouo in / questo loco. Addì 29 / diAgosto / S. Caterina / de Senis“: vgl. J.Wilpert, Le pitture recentemente scoperte nel cimit-ero dei Ss. Pietro e Marcellino, in: Nuovo Bullettino di Archeologia Cristiana 6 (1900) 85–97,bes. 88, Anm. 1. Vgl. ders., Le pitture (Anm. 10) 162 und Taf. 59,1. Vgl. J. G. Deckers u.a.,Die Katakombe „Santi Marcellino e Pietro“. Repertorium derMalereien (Città del Vaticano /Münster 1987), Textband, Beschreibung der Malereien, Nr. 21, 230–232; Tafelband, Taf. 16b.12 Wilpert hingegen meinte, dass die Ablösung Toccafondos durch Avanzini künstlerischeGründe gehabt habe: Bosio habe den Sieneser Maler für zuverlässiger gehalten als dessenrömischen Kollegen (Wilpert, Le pitture [Anm. 10] 163). Dieser Hypothese stimmte auchBosios „Biograph“ Antonio Valeri zu (Valeri,Cenni [Anm. 10] 24). Toccafondo war damalsaber von einer Haft wegen Reliquiendiebstahls in den Galerien der Sebastianuskatakombezurückgekehrt, und Bosio musste ihn zweifellos um seines Ansehens willen ersetzen oderweil Toccafondo der Zugang zu den Katakomben verboten worden war. Vgl. M.Ghilardi,Il Sacrista, il pittore e le reliquie. Una lettera inedita di Angelo Rocca, Praefectus SacrariiApostolici, in: Analecta Augustiniana 76 (2013) 131–150.13 Wo Avanzini überhaupt in Lexika Eingang fand, wird nur seine Kopistentätigkeit in denKatakomben erwähnt; vgl. A.Muñoz, Sante Avanzini, in: U. Thieme, F. Becker (Hg.), All-gemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart 2 (Leipzig1908) 269; E. Bénézit, Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessi-nateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays […] 1 (Paris 1954) 330.14 „Santi Avann / zino / con / Ottauio Pico / – 1632 –“; vgl. J.Wilpert, Zur Geschichte derAlten Copien der Katakombengemaelde, in: RQ 5 (1891) 284–289, bes. 289 und Taf. VI,4.15 Wilpert geißelte mehrfach – etwa auf den Sitzungen der „Società dei cultori della cristianaarcheologia in Roma“ (NBAC 6 [1900] 70, 75 f., 78 f.;Wilpert,Le pitture [Anm. 11] 87–92) –Avanzinis Irrtümer bei seinen Kopien der Katakombenbilder, führte diese aber nicht auf

künstlerischen Laufbahn. In der Tat wird Avanzini in den Einwohnerverzeich-nissen (status animarum) meistens als Miniaturmaler registriert. Er übte dem-nach vor allem diese Tätigkeit aus, unter anderem im Rahmen bedeutenderpäpstlicher Aufträge, für die er künstlerisch wertvolle Werke schuf. Der wich-tigste Beleg für Avanzinis Ansehen am päpstlichen Hof ist das Empfehlungs-schreiben, das der Herzog von Modena und Reggio Emilia, Francesco I. d’Este,am 3. Oktober 1644 – also nur wenige Tage nach der Papstwahl von Innozenz X.– an den Majordomus und Vertrauten des neuen Papstes, Alderano Cybo,schrieb. Darin bat der Herzog, man möge die Aufträge erneuern, die demMaleraus Siena während des vorigen Pontifikats zugesprochen worden waren.16 SanteAvanzini war übrigens der Vater des berühmten Architekten Bartolomeo, der anden Este-Hof gezogen war.

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dessen malerisches Unvermögen, sondern auf den schlechten Erhaltungszustand der Bilderzurück;Wilpert (Anm. 10) 163.16 „Molto presto cominciano a presentarmisi occasioni di ricorrere all’autorità che porta secola nuova carica di V. S. Illustrissima. Sante Avanzino nel Pontificato passato e negli altriprecedenti ancora aveva provvisioni privilegi e patenti di Palazzo, ed era continuamente ado-perato nella sua professione di Pittore. Desidera che nel presente gli vengano continuate lemedesime grazie ed impieghi, e crede che il mio mezzo possa fargliele conseguire dalla genti-lezza di V. S. Illustrissima. Bartolommeo suo figlio che da molt’anni in quà mi serve d’archi-tetto con gran puntualità e sufficienza, mi prega ancor egli a raccomandarglielo, ed io pergratificar l’uno e l’altro, e molto più per dar materia a V. S. Illustrissima di corrispondere allamia confidenza in qualche cosa di suo servigio, volontieri ne ho preso l’assunto. Compiacciasidunque V. S. Illustrissima di favorirlo in quella maniera che sa e che può, e s’assicuri che io siaper sentirgliene particolarissima obligazione, mentre offerendomele con tutto l’animo, leauguro da Dio benedetto il colmo delle prosperità“. Dieses Dokument wurde von FulvioTesti (1593–1646) erstmals bekannt gemacht (Opere scelte del Conte D. Fulvio Testi 2 [Mo-dena 1817] 161) und neu veröffentlicht von Giuseppe Campori (1821–1887) (Gli artisti ita-liani e stranieri negli Stati Estensi. Catalogo storico corredato di documenti inediti [Modena1855] 16). Es fand auch in neuerer Zeit Beachtung: C. Conforti, Roma in Modena, Modenain Roma, in: C. Conforti u.a. (Hg.), Modena 1598. L’invenzione di una capitale (Milano1999) 55–79, bes. 75; F. Federici,Un giovane prelato, Bernini e Borromini. Il primo soggior-no romano di Alderano Cybo, in: Ricerche di Storia dell’Arte 79 [2003] 93–107, hier 100).Aus dem Brief geht u.a. die Rolle Alderano Cybos als Kulturvermittler im Vorfeld des Pon-tifikats Innozenz’ X. hervor. Der Brief findet sich auch bei V. Vandelli, Bartolomeo Avan-zini „Architetto di Sua Altezza Serenissima il Duca di Modena“. Le difficoltà di una biogra-fia, in: S. Casciu u. a. (Hg.), Modena barocca. Opere e artisti alla corte di Francesco I d’Este(1629–1658) (Firenze 2013) 97–115, hier 99. Der Brief des Herzogs von Modena an Cyboreagierte offenbar auf einen Brief des Architekten Bartolomeo Avanzini vom August 1644an den Herzog, in dem er sich für seinen Vater Sante einsetzte, der seit etwa einem Monat,nämlich seit dem Tod des Barberini-Papstes, arbeitslos war: „Io homio padre in Roma, che fala professione del Pittore, et indoritore. Io so che non mancheranno occasione all’AltezzaVostra di mettere in opera persone per similanti affari si come anco di un mio cugino, checrido sia stato impiegato ne servizi delli Altezza Vostra. Desiderano ambedue al par miodesser riconosciuti per servizi attuali dell’Altezza Vostra, e di segnalarsi ne suoi servigi. Ven-gono perciò in persona ad anebire all’Altezza Vostra ogni sua habilità. Io però ad ogni bonfine ho voluto previnirli con la prisente sipplicando l’Altezza Vostra in ogni più riverentemaniera“ (ASCMo, AM, Arti Belle, Architetti, b. 9/1, non vidi, zitiert nach Vandelli[Anm. 16] 98).

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Abb. 2: Biblioteca Pública del Estado de Toledo – Biblioteca de Castilla–La Mancha,Ms. 164, fol. 1r: Pfingsten, gemalt von Sante Avanzini

Ein bedeutendes künstlerisches Zeugnis von Avanzinis Wirken am päpst-lichen Hof ist das beeindruckend schöne Votivmessbuch, das 1637 im päpst-lichen Skriptorium für Urban VIII. entstand und heute zusammen mit zahlrei-chen weiteren Dokumenten aus der Sixtinischen Sakristei in Toledo aufbewahrtwird.17 Avanzini signierte und datierte darin eine Miniatur mit einer Pfingstdar-stellung auf dem Deckblatt des Buches (Abb. 2). Ihm sind wohl auch sechs wei-tere, kleinere Miniaturen mit Initialen zu Beginn jedes Messtexts zuzuschreiben.Einen weiteren Hinweis auf Avanzinis Tätigkeit amHof Urbans VIII. Barberiniist die Zahlungsbestätigung vom 2. November 1640, die Oskar Pollak 1928 fandund veröffentlichte: „scudi 39 baiocchi 60 […] per saldo d’un conto di miniature[…] fatte nel messale della sagrestia detta dell’Assunta“18 („39 Scudi und 60 Gro-schen für Miniaturen im Messbuch der sog. Sakristei der Assumpta“). OhneZweifel lässt sich Avanzini auch ein herausgetrenntes Blatt zuschreiben: Esstammt aus einem handgeschriebenen, illuminierten Messbuch mit demWappenInnozenz’ X., das sich früher in der Sakristei der Sixtinischen Kapelle befandund heute in der British Library in London aufbewahrt wird19. Zwar fehlt aufdem Blatt Avanzinis Unterschrift, aber die Pfingstdarstellung ist mit der in To-ledo identisch. Schließlich trägt auch das Bildchen mit dem Einzug Jesu in Jeru-salem auf demselben Blatt seine Handschrift (Abb. 3).Die Kunstproduktion Avanzinis war also vermutlich recht erheblich und breit

gefächert, jedoch ist davon nur wenig dokumentiert bzw. erhalten. Neben denKopien diverser Katakombenmalereien im Auftrag Antonio Bosios (die mitdenen anderer Kopisten in einem berühmten Codex in der römischen BibliotecaVallicelliana zusammengefasst sind)20, der Kohlenstiftskizze der hl. Katharina inder Katakombe Santi Pietro e Marcellino (Abb. 1) und den Miniaturenkodizesder Sixtinischen Sakristei gehören zum Katalog des Malers aus Siena, der spätes-tens seit 1617 der römischen Künstlervereinigung „Accademia di San Luca“

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17 Die Manuskripte und Kodices, die sich heute in der Kapitelsbibliothek und in der Biblio-teca Pública del Estado de Toledo befinden, stammten aus dem Liturgiebestand der päpst-lichen Sakristei für Zeremonien in der Sixtinischen Kapelle. Sie wurden während der franz.Besatzung Roms 1798 zerstreut, E.De Laurentiis, Il cardinale Lorenzana e i codici liturgicidella Sacrestia Sistina a Toledo, in: Á. Fernández Collado (Hg.), El cardenal Lorenzana,arzobispo de Toledo (Toledo 2004) 265–301; dies., Nuove miniature nei codici della Sacrestiasistina a Toledo, in: E. Parma (Hg.), Perino del Vaga. Prima, durante e dopo (Genova 2004)78–95. ZumMissale für Votivmessen Urbans VIII. (Toledo, Biblioteca Pública del Estado deToledo – Biblioteca de Castilla–LaMancha, Ms. 164) mit der Originalsignatur „B.I.10Missaevotivae &mortuor[um]“ (E. Talamo,Codices cantorum. Miniature e disegni nei codici dellaCappella Sistina [Firenze 1998] 220) s. den von E. De Laurentiis redigierten Katalog in:DeLaurentiis, Talamo (Anm. 10) 262–267.18 Vgl. O. Pollak,Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII. (Wien u. a. 1928) 395, Regest 1449,E.De Laurentiis, Appendice. Pagamenti ai miniatori, in: De Laurentiis, Talamo(Anm. 10) 310.19 London, British Library, Missals of Innocent X, c. 1644, Catalogue of Illuminated Manu-scripts, Additional 18196, fol. 87–89.20 Es handelt sich um das Ms. G 6 der Biblioteca Vallicelliana, das bereits Wilpert genauuntersuchte (Wilpert, Katakombengemälde [Anm. 5] 46–73).

angehörte,21 nur zwei weitere Werke, die ebenfalls seine Signatur in Kohlestifttragen: Es handelt sich um zwei Porträtköpfe, wahrscheinlich einen Mann undeine Frau,22 und einen Engel auf der Laibung eines Cubiculums der KatakombeSanti Pietro e Marcellino23 (Abb. 4).Die gesicherte Kunstproduktion ist also eher spärlich; umso zahlreicher sind

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Abb. 3: British Library,Ms. 18196, fol. 87:Messbuch Innozenz’X., zugeschrieben SanteAvanzini

21 Als Akademiemitglied unterschrieb er 7 Dokumente zwischen Nov. 1617 und Aug. 1633:vgl. ASR, Trenta Notai Capitolini, uff. 15, 1617, pt. IV, vol. 74, fol. 642r (26. Nov. 1617); uff.15, 1624, pt. II, vol. 100, fol. 265v (12. Mai 1624); uff. 15, 1624, pt. IV, vol. 102, fol. 185r(20. Okt. 1624); uff. 15, 1627, pt. IV, vol. 114, fol. 407r (28. Nov. 1627); uff. 15, 1626, pt. II,vol. 108, fol. 896v (29. Juni 1626); uff. 15, 1631, pt. III, vol. 129, fol. 595r (14. Sept. 1631); uff.15, 1633, pt. III, vol. 137, fol. 532r (25. Aug. 1633).22 Joseph Wilpert, der die Avanzinis Zeichnung erstmals veröffentlichte (Wilpert, Zur Ge-schichte [Anm. 14] Taf. VI,1), sah hier zwei männliche Büsten (vgl. Wilpert, Le pitture[Anm. 10] 162); die spätere Forschung folgte ihm unkritisch.23 Deckers u. a. (Anm. 11) 220f., Taf. 11c, 11d.

allerdings die teilweise noch unveröffentlichten biografischen Hinweise überAvanzini und seine Familie in diversen römischen Archiven, insbesondere imHistorischen Archiv des Vikariats Rom.Wilpert besaß davon noch keine Kennt-nis, aber etliche davon wurden in jüngster Zeit – wenn auch mit mancher Unsi-cherheit und einigen Lücken – in einem Band über die im ersten Drittel des17. Jahrhunderts in Rom aktiven Künstler veröffentlicht.24 Die Informationengeben einen kleinen Einblick in die räumlichen25 und sozialen Koordinaten, indenen Avanzini lebte und arbeitete, vor allem jedoch ermöglichen sie eine rechtdetaillierte Rekonstruktion der Entwicklung seiner großen Familie. Am 12. Feb-ruar 1608 heiratete er Porzia Del Fiume in der Basilika Santi Celso e Giuliano26,der Pfarrkirche Porzias, wo auch alle gemeinsamen Kinder getauft wurden. EinJahr später kam Bartolomeo Ludovico zur Welt, der am 12. Februar 160927 ge-

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Abb. 4: Porträtköpfe und Engel, von Sante Avanzini, Katakombe Santi Pietro e Mar-cellino, Rom

24 Vodret (Anm. 10) 495 f.25 Gemeldet in der Pfarre Santi Celso e Giuliano, wohnte Sante in der vom Palazzo Vecchia-relli eingenommenen Isola, also in einer Gegend, die schon seit Beginn des 15. Jh. für ihreKopisten und Miniatoren bekannt war. Das Haus des Malers ist heute nicht mehr auszuma-chen, auch wenn ein Passus aus den Vestigia antiqua viarum publicarum Urbis (17. Jh.), dervon R. Lanciani, Scoperte di antiche strade in Roma nel secolo XVII, in: Bullettino dellaCommissione Archeologica Comunale di Roma (1897) 151–159 veröffentlicht wurde, dasfragliche Gebiet auf den abschüssigen Streckenabschnitt der via dei Coronari direkt hinterdem Palazzo Vecchiarelli in Richtung Piazza Navona, an den Ausläufern des Monte Giorda-no, eingrenzen lässt: Ab Aeliano ponte venientibus ad circum Agonalem via patebat, permontis Iordani radices. Quo in loci in cella vinaria Sancti Avancini pictoris veteris adhuc sub-structionis silices extant, ipsiusque Coronaria sinistrum, et Animae dextrum latus.26 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber matrimoniorum, 1592–1608, fol. 175r.27 Zu ihm siehe die kurze, aber noch gültige Skizze von A.Ghidiglia Quintavalle, Barto-lomeo Luigi Avanzini, in: DBI 4 (1962) 643 f., ferner mit wichtigen neuen ErkenntnissenVandelli (Anm. 16). Dem Autor verdanke ich den dokumentarischen Beweis einiger Auto-graphen im Archivio Storico del Comune di Modena, in denen Avanzini mit „Bartolomeo“oder „Bartolomeo Aloisio“ unterschreibt. Die Ermittlung seines ursprünglichen Namens„Bartolomeo Ludovico“ und seines oben genannten Geburtsdatums, das bis heute unbe-kannt und hypothetisch war, gelang durch die Auffindung des Taufregisters: ASVR, Par-rocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1608–1616, fol. 9r.

tauft wurde und sich zu einem bedeutenden Architekten des Barockzeitaltersentwickeln sollte. Im September 1611 folgte ihm Caterina, getauft am 21. Patenwaren eine nicht näher identifizierte „spanische“Domitilla und Antonio Ferraz-zoli28. Dieser war als Miniaturmaler in Rom aktiv, entstammte jedoch einerMiniatoren- und Malerfamilie aus Maenza.Caterina wurde vermutlich nicht einmal drei Jahre alt, denn in den status

animarum von 1614 taucht sie nicht auf; Sante und Porzia werden hier nur mitdem Erstgeborenen Bartolomeo verzeichnet29. Anfang 1616 erweiterte sich dieFamilie mit der Geburt von Eugenia wieder; sie wurde am 13. Januar, zwei Tagenach ihrer Geburt, getauft30. Am 9. Dezember 1618 brachte Porzia dann Fran-cesco zur Welt, der ebenfalls nur zwei Tage später von den Paten Antonio Gras-sini und Margherita Mancini zur Taufe gebracht wurde31. Margherita war dieFrau des oben genannten Antonio Ferrazzoli, was das solide Geflecht an beruf-lichen und freundschaftlich-familiären Verbindungen zwischen den Mitgliederneiner Zunft belegt32. Kurze Zeit später dokumentieren die status animarum er-neut das Ableben eines Kindes: 1620 registriert der Pfarrer der Kirche SantiMaria e Gregorio in Vallicella, die sich vorübergehend einen Teil des Gebietsund der „Seelen“ von Santi Celso und Giuliano einverleibt hatte, nur Bartolo-meo und Francesco als Kinder von Sante und Porzia33. Carlo Avanzini kam am3. November 1621 zur Welt und wurde am Folgetag getauft34, verstarb aberebenfalls bald.Das sechste Kind des Avanzini-Paars war Anna, die am 4. August 1624 die

Taufe empfing35. Aus den status animarum von 1626–1627 wissen wir außerdem,dass die Eheleute in dieser Zeit auch einen Giovanni bekamen, dem jedoch keinlanges Leben beschieden war36. Danach wird die Dokumentation lückenhaft37.

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28 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1608–1616, fol. 38v.29 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status animarum, 1614, fol. 74v.30 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1608–1616, fol. 88r.31 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1616–1638, fol. 15v.32 Den Beweis dafür, dass Sante selbst in diesen Sozialgeflechten eine aktive Rolle spielte,liefert ein erst jüngst bekannt gemachter Fall (vgl. E. Canepari, Mestiere e spazio urbanonella costruzione dei legami sociali degli immigrati a Roma in età moderna, in A. Arru,F. Ramella [Hg.], L’Italia delle migrazioni interne. Donne, uomini, mobilità in età modernae contemporanea [Roma 2003] 33–76, bes. 53): Zusammen mit Giacinto Soli, aus Fano ge-bürtiger Vergolder an der via di Panico, ist Sante 1627 Trauzeuge bei der Hochzeit des Ver-golders Jacobo Capelli mit Cecilia Gnocchi, Tochter des Cesare, Obstverkäufer („fruttaro-lo“) am Foro Piscario im Rione Sant’Angelo, und der Isabella Tamini. Die betr.Dokumentation findet sich in: ASR, Trenta Notai Capitolini, uff. 13, IV parte 1627.33 ASR, Parrocchia dei Santi Maria e Gregorio in Vallicella, Status animarum, 1620, fol. 313v.34 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1616–1638, fol. 33r.35 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber baptizatorum, 1616–1638, fol. 47v.36 Erfasst im status animarum (ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status anima-rum, 1626–1627, fol. 47r), steht Giovanni jedoch nicht im Liber baptizatorum der PfarreSanti Celso e Giuliano. Zuweilen ließ man sich damals in San Pietro in Vaticano oder in SanGiovanni in Laterano taufen; diese beiden Basiliken durften auch Kandidaten taufen, dienicht zu ihrem Pfarrbezirk gehörten.37 Besonders für die ersten 15 Jahre des 17. Jh. konfus und lückenhaft für die folgenden Jahre

Aus den status animarum von 1629 lässt sich jedoch ableiten, dass der inzwi-schen zwanzigjährige Bartolomeo das Elternhaus verlassen hatte und die Elternmit dem neunjährigen Francesco und der fünfjährigen Anna lebten38. Allerdingstauchen schon 1631 zwei weitere Kinder auf, vermutlich Zwillinge: Bartolomeo(iunior) und Guglielmo39. Für keinen der beiden findet sich ein Hinweis in denTaufbüchern der Pfarrei Santi Celso e Giuliano. Es ist daher anzunehmen, dasssie beide nicht lange lebten. In den status animarum der Pfarrkirche fehlen dieJahre 1632 bis 1635; 1636 ist nur noch von Guglielmo die Rede, und ab 1637leben Sante und Porzia wieder nur mit Francesco und Anna40, die unter großenwirtschaftlichen Schwierigkeiten bis zumTod des Vaters im Elternhaus blieben –ein damals eher unübliches Verhalten.Kurz vor Ostern 1649 wurde Sante ein letztes Mal als Mitglied der Pfarrei

Santi Celso e Giuliano registriert41, denn am 3. April desselben Jahres entschliefer friedlich, versehen mit den Sakramenten der Kirche (receptis omnibus sacra-mentis), im Alter von etwa siebzig Jahren. Beigesetzt wurde er in der KircheSanta Caterina da Siena42 in der Via Giulia, die damals das religiöse und kultu-relle Zentrum aller in Rom ansässigen Sienesen war. Danach scheint sich dieRestfamilie aufgelöst zu haben, denn ab dem Folgejahr treten die Namen seinerWitwe und seiner Kinder nicht mehr in den Gemeindeverzeichnissen von SantiCelso e Giuliano auf. Offenbar zogen sie aufgrund ihrer prekären wirtschaftli-chen Lage in das Gebiet einer anderen Pfarrei.Porzia widerstand Bartolomeos nachdrücklichen Aufforderungen, zu ihm

nach Modena umzuziehen; sie bat ihren Ältesten jedoch um finanzielle Unter-stützung und erhielt, nach zahlreichen Beschwerden, ab 1653 eine Zahlung sei-tens der Camera Ducale von Modena von vier römischen Scudi, die direkt vomGehalt des Architekten abgezogen wurden43. Auch Anna und Francesco, dieeinzigen noch lebenden Geschwister Bartolomeos, nahmen seine finanziellenHilfeleistungen oft in Anspruch. Zunächst bat ihn Anna um Geld zur Zahlungdes Klosters, wo sie eine gute Ausbildung erhalten sollte, und später wandte siesich an ihn mit immer drängenderen Bitten um eine adäquate Mitgift. Nachdem

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ist die Serie der Status animarum der Pfarre Santi Celso e Giuliano im ASVR, auch wegen derzeitweisen Übertragung der Seelsorge auf die Kirche Santi Maria e Gregorio in Vallicella um1616–1624. Es fehlen daher die Jahre 1625, 1628, 1630, 1632–1635, 1639, 1641, 1643, 1644,und 1645.38 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status animarum, 1629, fol. 46r.39 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status animarum, 1631, fol. 18v.40 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status animarum, 1637, fol. 51r; 1638,fol. 40v; 1640, fol. 21r; 1642, fol. 44r; 1646, fol. 34r; 1647, fol. 80v; 1648, fol. 34r; 1649,fol. 82v.41 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Status animarum, 1649, fol. 82v.42 ASVR, Parrocchia dei Santi Celso e Giuliano, Liber mortuorum, 1649, fol. 158v: Die 3Aprilis 1649. Sanctes Avansinus senensis aetatis suae annos 75 circiter receptis omnibus sacra-mentis in comunione Sanctae Romanae Ecclesiae obiit, eius cadaver in Ecclesia S. Catarinaede Senis sepultus est, ex licentia mei Archipresbiteri.43 ASCMo, AM, Arti Belle, Architetti, b. 9/1, Fasz. Bartolomeo Avanzini, Brief vom10. März 1653, non vidi, zitiert nach Vandelli (Anm. 16) 104.

verschiedene EheanbahnungenwegenmangelnderMitgift fehlgeschlagen waren,erhielt Anna von ihrem Bruder den hohen Betrag von 400 Scudi plus ein Darle-hen von 200 Scudi, und so konnte sie endlich am 26. Mai 1652 in der römischenKirche San Lorenzo in Lucina den Proviantmeister des Fürsten Borghese, Al-fonso Marchioni, heiraten44.Auch Francesco brauchte öfters Geld von Bartolomeo, der sich wiederum an

den Herzog von Mantua wandte, um eine Anstellung für seinen Bruder zu er-wirken. Aufgrund der vom römischen Senat beschlossenen Reformen hatteFrancesco nämlich sein Amt als Präsident der „Sanità di Ripa Grande“ verlorenund bekam kein Gehalt mehr. Bartolomeo empfahl ihn also dem Herzog als„außerordentlich kunstfertig im Beruf des Miniaturmalers“45. Der Vorschlagscheiterte jedoch kläglich: Er wurde jedoch von Francesco selbst abgelehnt, dernicht bereit war, Rom und seine kranke Mutter für Modena zu verlassen. Barto-lomeo sah sich also gezwungen, den Kardinal Rinaldo d’Este umHilfe zu bitten,der Francesco schließlich an seinen Hof nahm.Am 30. Juni 1658, zu Lebzeiten der Mutter, starb der noch nicht 50-jährige

Bartolomeo nach einem zweimonatigen Leidensweg mit ständigen Fiebersch-üben und schmerzhaften, doch nutzlosen medizinischenMaßnahmen. Nur etwaein Jahrzehnt überlebte er seinen Vater Sante, jenenMiniaturmaler aus Siena, derseine Fähigkeiten in den Dienst der „Roma sotterranea“ gestellt hatte.

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44 ASVR, Parrocchia di San Lorenzo in Lucina, Liber matrimoniorum, 5, 1642–1660,fol. 159r.45 ASCMo, AM, Arti Belle, Architetti, b. 9/1, Fasz. Bartolomeo Avanzini, Brief vom 12. Ja-nuar 1651: „peritissimo nella professione di metter d’oro […] di far miniature come di fioridal naturale et altre cose […] havendo qualche principio di prospettiva, e quando si mettessesotto questi giovani bolognesi a pigliar la buonamaniera del fare e del tingere crederei che nonfosse poi disutile […] ha poi qualche principio nell’Architettura […]“; non vidi, zitiert nachVandelli (Anm. 16) 104.