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Mikrobielles Wachstum

2019 Kapitel 5 Mikrobielles Wachstummikrobiologie.uni-saarland.de/lehre/2019 Kapitel 5.pdf · Zellwachstum und Zweiteilung! Wachstum in der Mikrobiologie = Zunahme der Zellzahl!!

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Mikrobielles Wachstum!

Zellwachstum und Zweiteilung!Wachstum in der Mikrobiologie = Zunahme der Zellzahl!!Zellen haben begrenzte Lebensdauer, d. h.!

!Erhalt der Population nur durch Wachstum!!bei den meisten Prokaryoten:!

!Vermehrung durch Wachstum einer einzelnen Zelle und!!Zweiteilung

Septum

Zytoplasma (grün) Zellwand (rot)

Zweiteilung!DNA-Replikation!!Verdopplung der Zelllänge !Septumbildung:!inneres Wachstum von !Zellwand & Cytoplasma-!membran!!Teilung!!1 Generation = Zeit, !die 1 Zelle benötigt, !um 2 Zellen zu bilden!abhängig von Nahrung & !genet. Faktoren!

Zellteilung: Fts Proteine!Fts = filamentous temperature-sensitive!beschreibt Eigenschaften von Mutanten in Fts Genen!!Mutanten können sich nicht teilen !Fts Proteine bei allen Prokaryonten, !!Fts Proteine bauen den!

Zellteilung: Fts Proteine!Fts = filamentous temperature-sensitive!beschreibt Eigenschaften von Mutanten in Fts Genen!!Mutanten können sich nicht teilen !Fts Proteine bei allen Prokaryonten, Archaea, auch in !

!Chloroplasten & Mitochondrien!!Fts Proteine bauen den Teilungsapparat der Zelle auf:!

Zellteilung: Fts Proteine!FtsZ bildet Ring um !das Zentrum der Zelle!= Zellteilungsebene!!FtsA bindet an FtsZ,!hydrolysiert ATP, !liefert Energie für Divisom-Zusammenbau!!ZipA verankert FtsZ-Ring!in der Cytoplasmamembran!!FtsI wirkt an Peptidoglycan-!synthese mit (Penicillin target)!!Divisom leitet Synthese neuer Zellwand & Cytoplasmamembran!

Zellteilung!DNA-Replikation vor der Synthese des FtsZ-Rings!Beendigung signalisiert FtsZ assembly!!die beiden Chromosomen werden bei!Zellverlängerung auseinander gezogen FtsK beteiligt!!bei Einschnürung: Depolymerisation von!

! ! !FtsZ!

Zellteilung!bei Einschnürung: Depolymerisation von!

! ! !FtsZ!!löst Wachstum von Zellwand nach !innen aus!!FtsZ Polymerisierung/De- über!GTP Hydrolyse!!Fts Proteine wichtige targets in !klinischer Mikrobiologie!

Peptidoglykansynthese während der Zellteilung!

Peptidoglykaneinbau in der Zellteilungsebene!!A) langer Puls (min - h) ! ! ! B) kurzer Puls (sec)

! ! ! !!

Bisson-Filho et al., Science, 2017

Peptidoglykansynthese während der Zellteilung:!PG-Synthase bewegt sich mit treadmilling FtsZ/FtsA in konzentrischen Ringen!

Bisson-Filho et al., Science, 2017

treadmilling = !wie ein Laufband

Geschwindigkeit!reguliert durch!GTP-Hydrolyse

Peptidoglycansynthese & Zellteilung!wichtig: korrekte Einfügung!neuen Zellwandmaterials!ohne Strukturverlust!!Autolysine bilden kleine!Öffnungen in der Zellwand!am FtsZ-Ring!!neues Material wird hier!einfügt!Verbindung mit altem!Material bildet Wulst!!Fehler in der Verbindung:!Autolyse!

Lipidträgermolekül Bactoprenol!transportiert Peptidoglykan-!Vorläufer an der!Wachstumsstelle über die!Cytoplasmamembran!!dann: enzymatische Spaltung!des vorhandenen Peptidoglykans!und Einbau der neuen Vorläufer!in die Zellwand!

Peptidoglycansynthese!

Verbindung von 2 Muraminsäureresten benachbarter Peptido-!glycanketten!!wird durch Penicillin unterbrochen!!mehrere Penicillinbindeproteine,!Penicillin hemmt deren enzymatische Aktivität!

Peptidoglycansynthese: Transpeptidierung!

Generationszeit: Zeit, die eine Zellpopulation braucht, um sich!! ! zu verdoppeln!! ! !

abhängig von Organismus und Nährmedium, T!(Prokaryoten < Eukaryoten)!E. coli: 20 min, S. cerevisiae: 90 min!!in der Natur i. A. länger!

Wachstum von Bakterienpopulationen!

Exponentielles Wachstum!

tgen = 30min!

Berechnung von !Generationszeiten !im Praktikum!

Wachstum einer Bakterienkultur!Lag-Phase: abhängig vom Inokulum (Alter, Kulturbedingungen)!exponentielle Phase: “gesündester” Zustand!stationäre Phase: Aufbrauchen von Nährstoffen und/oder !

! !Anreicherung von Abfallprodukten stoppt Wachstum!Absterben!

Messung mikrobiellen Wachstums!Zählung am Mikroskop (Phasenkontrast):!!!!!!!!!!!!Vorteil: schnell!Nachteile: lebend/nicht lebend, kleine Zellen schwer zu sehen, !

! !geringe Dichte, bewegliche Zellen!

Messung mikrobiellen Wachstums!Lebendkeimzählung:!!!!!!!!!!!!!

Messung mikrobiellen Wachstums!Lebendkeimzählung +!Verdünnung:!!!Fehlerquellen:!!Nährmedium!Inkubationszeit!Koloniegrösse!!Pipettierfehler!schlechtes Mischen!

Messung mikrobiellen Wachstums!Trübung:!

Messung mikrobiellen Wachstums!Trübung:!

Messung mikrobiellen Wachstums!Trübung =!nur begrenzt!proportional!zur Zellzahl!

Kontinuierliche Kultur: Chemostat!

diskontinuierliche Kultur:!fixes Volumen Kulturmedium!verändert durch metabolische Aktivität der Mikroben geschlossenes System!!kontinuierliche Kultur:!offenes System mit konstantem Volumen!ständig frisches Medium zugesetzt & aufgebrauchtes entzogen!Zellzahl & Nährstoffstatus konstant = stationärer Zustand !

Kontinuierliche Kultur: Chemostat!

kontrolliert !Wachstumsgeschwindigkeit!& Populationsdichte!!!!wichtig:!Verdünnungsgeschwindigkeit!Konz. des wachstumsbegrenzenden!Nährstoffs!

in diskontinuierlicher Kultur beeinflusst Nährstoffkonzentration!die Wachstumsgeschwindigkeit & den Ertrag!!!!!!!!!!!!!!im Chemostat kann Wachstumsgeschwindigkeit über !Verdünnungsgeschwindigkeit geregelt werden & Ertrag über!Anpassung der Nährstoffkonzentration!

Chemostat im Gleichgewicht!Bakterienkonz = konstant, abhängig von Nährstoffkonz.!Wachstumsrate abhängig von Verdünnungsgeschwindigkeit!

Kontinuierliche Kultur: Chemostat!Vorteile/Anwendungen: !!Populationen über lange Zeit (Tage, Wochen) in !

!exponentieller Wachstumsphase!!(z. B. um Enzymaktivitäten zu messen)!

!mikrobielle Ökologie: !

!Nachahmung natürlicher Bedingungen!!Untersuchung mikrobieller Gemeinschaften!

!Anreicherung & Isolierung spezifischer Bakterien aus !

!gemischtem Inokulum!!

!!

Umwelt & Wachstum!Wachstum ist beeinflusst von!

!Temperatur!!pH Wert!!An-/Abwesenheit von H2O!!O2!!Druck!!Strahlung!!!

!!!

TABLE 5.1 Presently known upper temperature limits for growth of living organisms Group

Upper temperature limits (°C)

Animals

Fish and other aquatic vertebratesa 38 Insects 45-50 Ostracods (crustaceans) 49-50 Plants Vascular plants 45 Mosses 50 Eukaryotic microorganisms Protozoa 56 Algae 55-60 Fungi 60-62 Prokaryotes Bacteria Cyanobacteria 70-74 Anoxygenic phototrophs 70-73 Chemoorganotrophic / chemolithotrophic 95 Bacteria Archaea Chemoorganotrophic / chemolithotrophic 113 Archaea

Umwelt & Wachstum: Temperatur!

Umwelt & Wachstum: Temperatur!Kardinaltemperaturen:!min, max, opt!!spezifisch für Organismus!beeinflusst von Nahrung!!Leben möglich zwischen !-2 und 113°C!!einzelner Organismus:!max T-Spektrum 30-40 °C!!Tmax: Denaturierung!Tmin: Membranstarre?!

Umwelt & Wachstum: Temperaturklassen!

Extrem thermophil

Bsp. mesophiler: E. coli, Tmin 8°C, Topt 39°C, Tmax 48°C!Extremophile: an beiden Enden des Spektrums!

Temperaturklassen: !Psychrophile & Psychrotolerante!

der grösste Teil der Erde ist kalt:!Ozeane Durchschnitts T = 5°C, min 1 - 3°C!Antarktis: Dauerfrost, Ozean T = -1.8 - -1.0°C!Arktis & subarktische Regionen; Permafrost!in jeder Form flüssigen Wassers kommen Mikroben vor!(auch in ‘brine channels’ im Eis)!

Psychrophile & Psychrotolerante!

sea ice core, McMurdo Sound!!!!!!!Diatomeen & Grünalgen aus!dem Eis!

Psychrophile & Psychrotolerante!Lake Bonney, Dry Valleys, Antarctica!permanent gefroren!5 m Eisdecke!Wasser 0°C!oxische & anoxische Zonen!!

Psychrophile & Psychrotolerante!niedriges T optimum (< 15°C): !

!psychrophil!!T optimum 20-40°C, !aber Wachstum bei 0°C möglich: !

!psychrotolerant!!!Bsp psychrophil: Schneealgen!

! ! !Sierra Nevada!!

Psychrophile & Psychrotolerante!

psychrotolerante:!häufiger als psychrophile!Wasser & Böden gemässigter Klimazonen!

auch: Milch, Fleisch, Käse aus dem Kühlschrank...!!!

Psychrophile & Psychrotolerante!

Molekulare Anpassungen an die Kälte:!grössere Flexibilität in Enzymen!(Sekundärstruktur, Aminosäure-Zusammensetzung)!

andere Membranzusammensetzung!!Gefrierschutz:!natürlich: Zucker, Peptide, Glycerin, Glycopeptide, !

! !Proteine!im Labor: Kryoprotektion durch DMSO, Glycerin!

Temperaturklassen: !Thermophile & Hyperthermophile!

T opt > 45°C = thermophil!T opt > 80°C = hyperthermophil!!Habitate: !Wüsten, !

! !heisse Quellen, !! !Silagen!

!Bsp: heisse Quelle, Yellowstone!!i.A.: schnelles Wachstum, ! evolutionäre Vielfalt! Bacteria & Archaea!

Temperaturklassen: !Thermophile & Hyperthermophile!

thermale Gradienten entlang heisser Quellen:!besiedelt von verschiedenen mikrobiellen Gemeinschaften!!Prokaryoten können bei !höheren T wachsen als Eu-!!Hyperthermophilste sind !Archaea!!nicht phototrophe können !bei höheren T wachsen als!phototrophe!!

Temperaturklassen: !Thermophile & Hyperthermophile!

Thermophile auch in Heizkesseln, Stromkraftwerken, etc...!!Molekulare Anpassungen an hohe T:!Enzyme stabiler (ionischen Bindungen, hydrophoberer Kern)!Proteinstabilisatoren im Cytoplasma, z.B. Phosphoglycerat!!spezifische Membranlipide (C40 bei Archaea, basieren auf !

! ! ! !Isopren, dadurch Lipidmonoschicht)!!!Anwendung in der Biotechnologie:!z. B. Taq-Polymerase in der Polymerasekettenreaktion!zur DNA-Amplifizierung!

Enyzme aus Thermophilen & Hyperthermophilen!sind bei hohen T noch aktiv!

Umwelt & mikrobielles Wachstum: !pH, Osmolarität, O2!

pH!

innerhalb der Zelle!immer nahe pH 7!!jeder Organismus!hat ein pH Optimum!!i.A. 2-3 Einheiten!!natürlich am !häufigsten pH 5-9!

Mikrobielles Wachstum & pH!

Acidophile: pH Optimum ≤ 5!!obligat Acidophile können bei pH 7 nicht wachsen!!limitierend ist Stabilität der Cytoplasmamembran!

!Alkaliphile: pH Optimum ≥ 9!

!in Natronseen, carbonat-haltigen Böden!!bei Archaea: oft auch halophil!!Energie aus Na+ Gradienten !!(statt oder zusätzlich zur PMF)!

Mikrobielles Wachstum & Osmolarität!alle Organismen brauchen H2O!gelöste Substanzen beeinflussen Verfügbarkeit von H2O!

Mikrobielles Wachstum & Osmolarität!

H2O diffundiert aus Region mit hoher [H2O] in Region !mit niederer [H2O] = Osmose!!i.A. aus der Umgebung in die Zelle = positive H2O-Bilanz!

!!aber: in Umgebung mit geringer Wasseraktivität !

!(wenig H2O oder hohe [gelöster Stoffe]) wird !!Zellen H2O entzogen!

Wachstum & Osmolarität: Halophile!Meerwasser: 3% NaCl ! !Xerophile:!Halophile brauchen Na+ ! !leben in trockenen Habitaten!schwach Halophile 1-6%!gemässigt Halophile 7-15%!!Halotolerante können geringe!Salzkonz. überleben !extrem Halophile: brauchen!15-30% NaCl!!Osmophile: können in !zuckerreichen Habitaten!leben!

Wachstum & Osmolarität: kompatible, gelöste Stoffe!

Aufnahme von H2O aus Medium mit niedriger Wasseraktivität!durch Erhöhung der Konz. ‘kompatibler, gelöster Stoffe’ in!der Zelle, z.B.!!Pumpen anorganischer Ionen in die Zelle!Synthese oder Konzentration organischer gelöster Stoffe!!Bedingung: !keine Hemmung biochemischer Prozesse in der Zelle!!!

Wachstum & Osmolarität!‘kompatible, gelöster Stoffe’: Alkohole, Zuckeralkohole,!

! ! ! ! !aa & Derivate, K+!

Wachstum & Osmolarität!‘kompatible, gelöste Stoffe’:!

Mikrobielles Wachstum & O2!Menschen: obligat aerob!Mikroben sind anders...!!O2 ist schwach löslich in H2O: !

!in der Natur viele Habitate mit wenig oder keinem O2,!!z. B. Sedimente, Moore, feuchte Böden, Darmtrakte von!!Tieren!

Mikroben & O2!

Kulturmethoden Aerobe & Anaerobe!in Flüssigkultur:!!O2 schnell verbraucht, nicht ausreichend Nachschub durch!

!Diffusion; aerobe Kulturen werden geschüttelt oder!!aktiv belüftet!

!Anaerobe: schwierig O2 auszuschliessen (21% in der Luft)!

!Kulturmethode hängt von der O2-Empfindlichkeit des!!Organismus ab!!Test der O2-Empfindlichkeit mit Thioglycat =!!Reduktionsmittel im Medium; !!reduziert O2 im Medium zu H2O, so dass O2 nur an !!der Oberfläche des Mediums zur Verfügung steht;!!ausserdem Redox-Indikator Resazurin:!! !mit O2 rosa, ohne O2 farblos!

Thioglycat-Medium mit Resazurin!a) aerobe!b) anaerobe!c)  fakultativ aerobe!d) mikroaerophile!e) aerotolerante! anaerobe!

Kulturmethoden Anaerobe!Anaerobentopf: gasdicht!

! ! Luft durch H2 + CO2 ersetzt, Rest-O2 wird!! ! katalytisch entfernt!

streng Anaerobe (z.B. Methanogene): auch Hantieren in O2-!!freier Atmosphäre nötig: Anaerobenkammer (H2 oder N2)!

Kulturmethoden Anaerobe!Anaerobentopf: gasdicht!

! ! Luft durch H2 + CO2 ersetzt, Rest-O2 wird!! ! katalytisch entfernt!

streng Anaerobe (z.B. Methanogene): auch Hantieren in O2-!!freier Atmosphäre nötig: Anaerobenkammer (H2 oder N2)!!Medium: Kochen zur O2-Entfernung!! ! + Reduktionsmittel!! ! + Versiegelung unter O2-freiem Gas!

Toxische Formen von O2!

Nebenprodukte der Reduktion von O2 zu H2O!v.a. Superoxid & Hydroxylradikale schädigen alle organischen!

!Bestandteile der Zelle!

Enzyme, die toxische Formen !von O2 zerstören!

in Aeroben/fakultativ Aeroben!

in obligat Anaeroben: kein O2!!

Katalase-Nachweis!

30% H2O2 ! !30% H2O2!! ! !+ Mikroben mit Katalase!! ! ! !O2 Entstehung!

Sie sollten jetzt Folgendes wissen:!

1)  Wie heissen die verschiedenen Wachstums-! phasen in einer geschlossenen Kultur und ! wodurch werden sie verursacht?!!2) Was sind die Kardinaltemperaturen ! für mikrobielles Wachstum und wodurch! werden sie bestimmt?!!3) Wo finden Sie xerophore Organismen?!