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Auf welche Weise rettet die Befruchtung das Leben des Eies? Voa Jacques Loeb. (Aus dem Roekefellcr-Institut, New York.) Eingegangen am 7. Dezember 1910. I~ Das unbefruehtete Ei stirbt in relativ kurzer Zeit, wiihrend der Akt der Entwieklungserregung den Anstog zu einer theoretiseh wenigstens unendlieh dauernden Folge yon Generationen wird. Der Akt der Entwieklungserregung ist also ein lebensverl~tngernder Ein- griff. Ieh habe wiederholt Versuehe und Vermutungen tiber diesen Gegenstand mitgeteilt. Neuere Daten ~ber die Unterdrtiekung der giftigen Wirkungen versehiedener Agentien haben diesen Versuehen eine einwandfreiere Deutung verliehen. Ieh will deshalb kurz meine frtiheren Versuche im Liehte dieser neuen Tatsaehen zusammenstellen. Wenn man die 0varien des Seesterns in Seewasser bringt, so tretea die Eier aus. Dieselben sind im allgemeinen unreif, und sie kSnnen in diesem Zustand nieht dureh den Samen oder dureh the- misehe Mittel zur Entwieklung veranlagt werden. Liigt man sie abet einige Zeit im Seewasser, so werden alle oder ein Teil der- selben allmiihlieh reif, d.h. die Kernmasse wird dutch Ausstol3en der zwei PolkSrperehen vermindert. Wird unmittelbar naeh dem AusstoBen der PolkSrperehen der Same zugesetzt, so entwiekeln sieh die Eier; sic kSnuen aueh unmittelbar naeh dem Ausstogen der Pol- kSrperehen dutch gewisse ehemisehe oder physikalisehe Mittel zur Entwieklung gebraeht werden. An diesen Eiern maehte ieh nun folgende Beobaehtung 1). Werden 2) LOEB, lJber Eireifung, nattirliehen Tod und Verl'Xngerung des Lebens beim unbefruehteten Seesternei ~nd deren Bedeutung ftir die Theorie der Be- fruehtung. PFL~GERS Arehiv. 1902. Bd. 93.

Auf welche Weise rettet die Befruchtung das Leben des Eies?

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Auf welche Weise rettet die Befruchtung das Leben des Eies?

Voa

Jacques Loeb.

(Aus dem Roekefellcr-Institut, New York.)

Eingegangen am 7. Dezember 1910.

I~

Das unbefruehtete Ei stirbt in relativ kurzer Zeit, wiihrend der Akt der Entwieklungserregung den Anstog zu einer theoretiseh wenigstens unendlieh dauernden Folge yon Generationen wird. Der Akt der Entwieklungserregung ist also ein lebensverl~tngernder Ein- griff. Ieh habe wiederholt Versuehe und Vermutungen tiber diesen Gegenstand mitgeteilt. Neuere Daten ~ber die Unterdrtiekung der giftigen Wirkungen versehiedener Agentien haben diesen Versuehen eine einwandfreiere Deutung verliehen. Ieh will deshalb kurz meine frtiheren Versuche im Liehte dieser neuen Tatsaehen zusammenstellen.

Wenn man die 0varien des Seesterns in Seewasser bringt, so tretea die Eier aus. Dieselben sind im allgemeinen unreif, und sie kSnnen in diesem Zustand nieht dureh den Samen oder dureh the- misehe Mittel zur Entwieklung veranlagt werden. Liigt man sie abet einige Zeit im Seewasser, so werden alle oder ein Teil der- selben allmiihlieh reif, d.h. die Kernmasse wird dutch Ausstol3en der zwei PolkSrperehen vermindert. Wird unmittelbar naeh dem AusstoBen der PolkSrperehen der Same zugesetzt, so entwiekeln sieh die Eier; sic kSnuen aueh unmittelbar naeh dem Ausstogen der Pol- kSrperehen dutch gewisse ehemisehe oder physikalisehe Mittel zur Entwieklung gebraeht werden.

An diesen Eiern maehte ieh nun folgende Beobaehtung 1). Werden

2) LOEB, lJber Eireifung, nattirliehen Tod und Verl'Xngerung des Lebens beim unbefruehteten Seesternei ~nd deren Bedeutung ftir die Theorie der Be- fruehtung. PFL~GERS Arehiv. 1902. Bd. 93.

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die Eier nieht unmittelbar nach der Reifung befruchtet oder durch ktinstliche Mittel zur Entwicklung angeregt, so gehen sie bei ge- ntigend hoher Temperatur in 4--6 Stunden zugrunde; der Tod des Eies zeigt sich ~iul]erlich schon in einer Verdunkelung oder Schwar- zung des sonst hellen Eies. Ich fand nun, dab man den Tod des Eies dadurch verhindern kann, dab man ihm den Sauerstoff entzieht, oder dab man die Oxydationen ira Ei dutch Zusatz einer Spur KCN hemmt. Die lebensrettende Wirkung des Sauerstoffmangels li~l~t sich in doppelter Weise zeigen. Die Reifnng des Eies selbst hiingt yon Oxydationen ab. Entzieht man den unreifen Eiern den Sauerstoff, oder hemmt man die Oxydation in denselben durch Cyankalium, so tritt die Reifung der Eier nieht ein. Die Reifung ist also ebenfalls eine Funktion yon Oxydationen. Die Eier eines Weibchens, welche unreif waren, wurden in zwei Gruppen geteilt. Die eine Gruppe blieb in Seewasser in Bertihrung mit Sauerstoff, die andre wurde in sauerstofffreies Seewasser g'ebracht. In der letzteren Gruppe blieben die Eier am Leben. In der ersteren gehen sie in wenigen Stunden zug'runde. Statt die Luft zu verdr~tngen, geniigt es auch, die Eier in grof]er Masse in eine tmten geschlossene Glasr(ihre zu bringen. In dem Falle erhalten die untercn Schichten keinen Sauerstofi', da er yon den obersten Schichten verbraucht wird. Die am Boden lie~ genden Eier reifen nicht und gehen nicht zugu'unde. Dadurch also, dal3 man den unreifen Eiern den Sauerstoff entzieht, verhindert mad die Reifung und den Tod der Eier. Das an sich ware nicht be- fremdend. Aber erstaunlicher ist das folgeude Resultat. Wenn man den Eiern sotbrt naeh der Reifung den Sanerstoff entzieht, so bleiben sie auch am Leben! A.P. MATI~EWS hat diese u wiederholt und dasselbe Resultat erhalten~). Das beweist also, dab der Tod des reifen abet unbefruehteten Eies dutch Oxydationen bedingt ist. Hemmt man diese Oxydationen, so tritt der Tod nicht ein.

Als diese Vcrsuche veriiffentlicht wurden, erreg'ten sie zuerst Widersprueh. Derselbe g'rtindete sich auf Anwendung" des Cyanka- liums in einem Teil der Versuche. Es wurde der Einwand erhoben, dab das Cyankalium nut dazu diene, die Entwicklung der Bakterien zu hemmen. Aber die Autoren, welehe diesen Einwand erhoben, iibersahen, dab Sauerstoffmangel ganz in derselben Weise wirkt, wie der Zusatz yon KC1N', and dab es ganz gleiehgtiltig ist, wie man den Sauerstoffmangel hervorruff, ob man den Sauerstoff durch sorg-

1) ~[ATHEWS, Americ. Journ. Physiology. Vol. 18. p. 89. 1907.

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f~tltig gereinigten Wasserstoff verdrttngt, oder ob man die Eier in ttaufen znsammenbringt, wodurch nur die an der Oberfl~tehe des Haufens liegenden, genUgenden Sauerstoff erhalten. Es ist aber ein leiehtes, die Unrichtigkeit des erwi*hnten Einwandes direkt darzu- legen. Man kann n~tmlich sebr leicht die Eier ohne Bakterieninfek- tion in Flaschen mit sterilisiertem Seewasser bringen. Ich stellte nun folgenden Versucb an. Die Eier eines Seesterns warden in drei Teite ge~eilt. Die eine Partie wurde steril in eine Reihe von Flasehen mit sterilisiertem Seewasser gebraeht, die zweite in gewShnliches Seewasser, die dritte in Seewasser, dem eine groge Menge einer jauehigen Kultur yon Bakterien auf toten Seesterneiern zugesetzt wurde. Es zeigte sieh, daft in allen drei F~llen die reifen Eier mit derselben Gesehwindigkeit starben, was an der Dunkelfarbung and der Triibung des Eiprotoplasmas za erkennen war. DaB die Sterili- sierang tier Eier der ersten Gruppe eine vollst~ndige war, ging daraus hervor, dab dieselben nach 2 Monaten noeh ihre Form be- hielten, w~hrend dig toten Eier in normalem Seewasser in wenigen Tagen spurlos versehwinden, da sic yon Bakterien gefressen werden.

Der Tod der Seesterneier, die nicht befl'uehtet werden, ist also nicht dutch Bakterien bestimmt, sondern durch Oxydationsprozesse im Ei. Tritt kein Spermatozoon in das Ei, oder wird das Ei nicht auf chemischem Wege zur Entwicklung angeregt, so geht es raseh zugrunde. Tritt abet ein Spermatozoon in das Ei, so bleibt es am Leben, obwohl der Eintritt des Spermatozoons eine erhebliche Stei- gerung der Oxydationen herbeifiihrt. Wa~tBUlm ~) fand fur die Eier eines Seeigels in Neapel, dab die Befl'uehtung die Gesehwindigkeit der Oxydationsvorggnge auf das Seehsfache ihres frtiheren Wertes erhebt, wghrend WASTENEYS und ich 2) far die Eier yon A~'bacia in Woods Hole eine Steigerung der Oxydationen anf das Drei- und Vier- fache infolge der Befrnehtung fanden.

Wie kann man es nun erkl~tren, dag die Befruehtung das Leben des Eies rettet? Wir wollen hier die folgende vorl~tufige Annahme maehen. Das unbefruehtete Ei enthi~lt ein Gift oder sonstwie fehler- hafte Stoffkombinationen, welehe bei dem Stattfinden yon Oxyda- tionen den Tod desselben herbeiftihren. Im unbefruehteten aber reifen Ei finden nieht unbetr~tehtliehe Oxydationen statt. Das Sperma-

1} 0. WARBURG, HOPPE-SEYLERs Zeitschr. f. physiol. Chemic. Vol. 66. p. 305.

:) LOEB and WASTENEYS Biochem. Zeitsch. 1910. Bd. 28. S. 340.

1910.

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tozoon bringt nun'unter andern aueh einen Stoff ins El, der dieses Gift oder den fehlerhaften Zustand des Eies beseitigt und dabei bewirkt, dab nun selbst die viel rascheren, durch die Befruchtung bedingten Oxydationen ohne SehRdigung des Eies ablaufen kSnnen.

Vergleicht man nun die Eier verschiedener Tiere, so findet man groBe Untersehiede in bezug auf das geschilderte Verhalten. Die Eier gewisser Anneliden, z.B. Polynoe, gehen ebenfalls raseh zugrunde, wenn sie reifen, ohne zur Entwicklung gezwungen zu werden, wlih- rend die Eier des Seeigels l~tngere Zeit, auch nach der Reifung, am Leben bleiben, ohne aueb nut ihr EntwicklungsvermSgen einzabtiBen 1). Es ist noeh nicht entsehieden, worauf dieser Unterschied beruht. Es ist mbglich, dag bei manchen Eiern die Reifung allein schon zu einer erheblichen Beschleunigung der Oxydation ftihrt~ und dab diese Eier rasch sterben, wenn sic nicht sofort nach der Reifung befruch- tct werden; w~thrend bei den Eiern andrer Tiere diese Steigerung der Oxydationsvorgi~nge unmittelbar nach der Reifung geringer ist~ und dab daher die Eier dieser Tiere nach der l~eifung liinger mn Leben bleiben.

II.

Die Analyse des Vorgangs der Entwieklungserregung durch das Spermatozoon ergab, dab das letztere mindestens zwei Stoffe oder Gruppen yon Stoffen ins Ei Nhrt, welehe der Entwieklungserregung dienen. D e r eine dieser Stoffe bedingt die Membranbildung; der zweite client dazu, den giftigen Stoff oder Bedingungskomplex zu beseitigen, dessen Anwesenheit die Ursaehe ist, dab die Oxydations- vorg~tnge das reife Ei raseh tSten2).

Wie ieh in frtiheren Arbeiten gezeigt habe, ist das wesentliehe der Entwieklungserregung eine Modifikation der Oberfl~ehe des Eies, die in vielen F~tllen znr Membranbildung fUhrt. Ft~hrt man nun die kiinstliehe Membranbildnng beim Seeigelei herbei, so t~tngt es an, sigh zu entwiekeln, aber es geht bald zugrunde. Dieser Zerfall ist eine langsame Cytolyse. WAImU~G hat geflmden, dab die kUnstliehe Membranbildung dieselbe Oxydationssteigerung im Ei herbeiNhrt, wie die Befruehtung 3).

1) LOEB, PFLUGEI~.S Archiv. 1902. Bd, 93. S. 59. 2) LOEB, Die chemische Entwicklungserregung des tierischen Eies. Berlin

1909. (Dort ist auch die Literatur angegeben,) Ferner: DasWesen der forma- tiven Reizung. Berlin :1909.

3) WARBURG, l.C.

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Will man die Eier zur Entwicklung bis zum Pluteus-Stadium bringen, so muB man dieselben nach der Membranbildung noeh einem zweiten Eingriff unterwerfen. Am besten behandelt man dieselben 1/2--1 Stunde mit einer hypertonischen LSsung yon einem bestimmten osmotisehen Druek (z. B. 50 ccm Seewasser + 8 ecru 21/2 m NaC1). Ich stellte die Hypothese auf, dab die Membranbildung die Oxyda- tionen im Ei und damit die Entwieklung anrege, dab abet diese Oxydationen in falsehen Bahnen verlaufen und zum raschen Zerfall des Eies bei Zimmertelnperatur ftihren, well das Ei ein Gift oder einen Bedingungskomplex enthalte, der beim Stattfinden yon Oxyda- tionen zum rasehen Tode des Eies ftihre. Dieser SchluB grUndete sieh auf die Beobachtung, daB, wenn man nach der Membranbildung das Ei in sauerstofffreies Seewasser bringt, oder in Seewasser, dem man etwas Cyankalium zusetzt (das die Oxydationen im Ei verrin- gert), der Zerfall des Eies ausbleibtl). Wenn man die Eier, wenn sie 3 Stunden lang" ohne Sauerstoff gewesen sind, wieder in See- wasser bringt, so kSnnen sie sich sogar normal entwiekeln, ohne dab eine Behandlung mit hypertoniseher LSsung nStig ist. La[~t man die Eier naeh der Hervorrufung der ktinstliehen Membranbil- dung l:~tnger ia sauerstofffreiem Seewasser, so entwickeln sie sieh nicht mehr; aber so lange sie ohne Sauerstoff sind, tritt kein Zer- fall ein.

Wit dtirfen also wohl sehliegen, dab die Entwicklungserregung aus zwei Eingriffen besteht. Der eine ist die Oberfli~ehen~nderung des Eies (Membranbildung)~ welehe die Oxydationsbeschleunigung in den Gang setzt. Der zweite Eingriff besteht in der Beseitigung tines Giftes oder fehlerhaften Bedingungskomplexes, der im unbefruehteten Ei vorhanden ist und der beim Stattfinden yon Oxydationen das Ei raseh tStet. Dieses Gift oder dieser ungUnstige Bedingungskomplex wird durch dis hypertonisehe LSsung oder durch eine 3 Stunden lang w~hrende Behandlung mit Sauerstoffmangel beseitigt.

Ieh konnte nun zeigen, dag aueh das Spermatozoon die Ent- wicklungserregung dutch zwei Agentien bewirkt, die sieh getrennt zur Wirkung bringen lassen. Um das zu zeigen, mUssen wir das Seeigelei nicht mit Spermatozoen der eignen Art, sondern mit art- fremden Spermatozoen befruehten, well die letzteren viel langsamer in das Seeigelei eindringen als die ersteren. Wir benutzen ftir diesen

1) LOEB, Untersuchungen fiber kiinstliche Parthenogenese. Leipzig 1906. S. 483.

Auf welche Weise rettet die Befruchtung das Leben des Eies? 663

Zweck Seesternsamen. In gewShnlichem Seewasser befruchtet dieser Samen die Seeigeleier im allgemeinen nicht, wohl aber gesehieht das in Seewasser, dem eine kleine, aber bestimmte Menge NatIO zuge- setzt ist 1). In dem Falle beobaehtet man, dab im Laufe einer Stunde alle Eier Membranen bilden. Verfolgt man aber die weitere Ent- wieklung der Eier~ so bemerkt man alsbald, dab man zwei Arten yon Eiern vor sieh bat. Die einen benehmen sieh wie alle mit Samen befrnchteten Eier~ d. h. sie furehen und entwickeln sieh bei Zimmer- temperatur. Die andern benehmen sich, wie wenn man nur eine kttnstlichc Membranbildung bei denselben hervorgerufen h~ttte; d.h. sie fangen an, naeh der Spindelbildung langsam an Cytolyse zugrunde zu gehen. Behandelt man sie aber 30--60 Minuten mit der hypertonischen L~sung, so entwickeln sis sich ane zu Larven. Eine eytologische Untersuehung ergab, daft nut in diejenigen Eier, welehe sich yon vornherein entwiekeln, ein Spermatozoon eingedrungen ist; wghrend in diejenigen Eier, welehe nut eine Membran bilden, abet dann anfangen zu zerfallen, kein Spermatozoon eingedrungen ist. Man darf anneh- men, daB, wenn das Spermatozoon partiell in das Ei dl;ingt, ohne dab es ibm gelingt, sieh vollst~ndig in dassetbe einzubohren, es einen Stoff abgibt, tier :~ihnlich wie die Fettsaure die Membranbildung ver- anla[~t; dab diese Membranbildung die Oxydationen und die Entwick- lung in den Gang setzt, dab das Ei aber einen giftigen Stoff oder Bedingungskomplex enth~tlt, der erst beseitigt werden mug, ehe die Oxydationen normal verlaufen kSnnen. Das wird dutch einen zweiten Stoff bewirkt, der im Innern des Spermatozoons liegt, und den das Ei erh~tlt, wenn das Spermatozoon vollst:~tndig in dasselbe eindringt2).

Wir kommen also zum SchluB, dab das Spermatozoon die Ent- wieklungserregung dutch mindestens zwei Stoffe bewirkt; einer, der an der Oberft~ehe des Spermatozoons tiegt, reg~ die Membranbitdung an. Der zweite, im Spermatozoon gelegene, fiihrt zur ZerstSrung des Giftes oder des giftigen Bedingungskomplexes im Ei und fetter dadureh dem Ei das Leben, indem nun die Oxydationsvorg~tnge nicht mehr zur ZerstSrung des Eies fiihren.

III.

Die Physiologie hat meines Wissens bis vor 4 Jahren tiber keine Tatsachen verftigt, welehe zeigen, dab giftige Stoffe oder Bedingungen

:) LOEB, Untersuehungen iiber ktinstliche Parthenogenese. Leipzig 1906. S. 440.

~) LOEB, Das Wesen der formativen Reizung. Berlin 1909.

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nur dann tSten, wenn Sauerstoff zugegen ist, und dab Sauerstoffmangel in solehen Fi~llen das Leben des Eies rettet, wie die Theorie es ver- langt. Ieh habe nun seit 1906, und besonders im letzten Sommer,. derartige Tatsaehen in groBer Zahl gefundenl). Dieser Nachweis kann ftir verschiedene Substanzen erbracht werden. Wir be~innen mit der Wirkung giftiger SalzlSsungen. Da diese Versuche auch ftir die Theorie der Salzwirkungen eine Bedeutung haben, so mUssen wit kurz auf dieselbe eingehen.

K()LLIKER hat die physiologische KoehsalzlSsung in die Physio- logie eingeftihrt; RI~QEn. hat gezeig L dab der Zusatz yon etwas K + C a zu der LSsung dieselbe verbessert, und GAULE verdanken wit die Beobachtung, dab eine Spur Bicarbonat oder Carbonat zur Neutrali- sierung etwas gebildeter Siiure ebenfalls erforderlich ist. Es ist bei- spielsweise jedem gel~tufiff, dab in einer reincn ChlornatriumlSsung das Herz bald zum Stillstand kommt, dab aber beim Zusatz der riehti~en Menge yon Ca uud K die Herzt~tigkeit lange Zeit weiter- gehen kann. Man sehloB daraus, dab Ca und K ftir Systole und Diastole nStig seien, und einige behaupten sogar, dab Ca den Reiz ftir die Systole bilde.

Ganz ahnliche Erfahrungen, wie bei den Geweben, wurden bei den Seetieren gemaeht. Das Seewasser ist im weseutliehen eine RINGERsehe LSsung, nur mit dem Untersehied, dab sein osmotiseher Druek drei- bzw. viermal hSher als die fiir die Durehsptilung yon S:,tugetieren oder Frbsehen geeignete LSsung ist, und dab es auBer Na, Ca, K und Biearbonat einen groBen Prozentsatz yon Magnesium- salzen enthNt.

HE~BSV stellte nun Versuehe an den Eiern des Seeigels an mit Seewasser, aus dem der Reihe naeh je eines der Salze, z. B. Ca oder K oder Mg usw. entfernt war, und fand, dab die Eier sieh in einem solehen Medium nieht entwiekeln und leben konnten; daraus sehlog er daun ebenfalls, dab jedes einzelne dieser Salze ftir das Leben und die Entwieklung des Tieres nStig sei.

Ieh wurde zu einer andern Auffassung der Bedeutun~, der RI~GEI~- sehen LSsung geftihrt, und zwar auf Grund yon Beobaehtungen an den Eiern eines Tieres, das ftir diese Zweeke sehr geeignet ist, nitmlieh yon 2~aozdulus. Die Eier dieses Fisehes entwiekeln sieh in Seewasser. Bringt man sie nun in eine ChlornatriumlSsung yon der

1) LOEB, PFLiJGERS Archiv. Bd. 113. 487. 1906. Bioch. Zeitsch. 2. 103. 1906. 26. 279. 1910. 27. 304. 1910. 29. 80. 1910.

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Konzentration, in tier dieses Salz im Seewasser enthalten ist, so sterben sie in wenigen Stunden. Ftigt man aber etwas K und Ca zn, so entwieke!n sie sich vSllig normal und die Fisehe leben nach dem Ansschltipfen in.dieser LSsung beliebig lange. Darans kSnnte man ebenfalls schliel~en, dab die Tiere in der reinen KoehsalzliJsung deshalb so raseh sterben, weil ihnen das znm Leben nOtige K und Ca fehle. Ieh fand aber, dab die Eier dieser Fische sieh in destilliertem Wasser entwiekeln kSnnen, in dem ihnen alles K nnd Ca aueh fehlt. Die Tiere brauchen also nnr dann Ca und K, wenn Na in hoher Konzentration vorhanden ist. Ieh land n~tmlich ferner~ dab die Eier sieh auch in einer reinen lgaC1-LSsung entwiekeln kOnnen, wenn diese nur hinreiehend stark verdtinnt ist. Aueh die ausgewaehsenen

07t ~n Fische kSnnen in einer 1OO oder 20 und anscheinend auch in einer

~'t 8-ChlornatriumlSsung beliebig lange leben; will man sie aber in

einer ChlornatriumlSsung yon hOherer Konzentration am Leben er- halten, so mul~ man derselben K und Ca zusetzen. Diese Tatsachen werden versti~ndlich unter der Annahme, dab NaC1 in der Konzen- tration, in der es im Seewasser vorhanden ist, giftig ist, und dab KC1 und CaC12 nur dazu dienen~ diese LSsung zu entgiften. In niedriger Konzentration yon IgaC1, in der das Salz ungiftig ist, wird auch der Zusatz yon KC1 und CaC12 unnStig. Diese Anschau- ungen sind seitdem vielfach besti~tigt women, namentlieh dutch die Versuche yon Professor OSTERHOUT an der Harvard University. 0STERHOUT hat n:~tmlieh gezeigt~ daI~ StiBwasserpflanzen~ die beliebig

m lange in destilliertem Wasser leben kOnnen, durch eine 10 NaCl-

LOsung' raseh getStet werden; dab sic in einer solehen LSsung aber lange leben kSnnen, wenn man derselben KC1 und CaCl2 zusetzt, und dab sie beliebig lange leben kSnnen, wenn man sic in Seewasser bringt, das so weir verdtinnt ist, dab die darin enthaltene LSsung

yon NaC1 16 betr~tgt

Wir kommen also zu dem SehluB, dab eine reine Chlornatrium- 15sung yon der Konzentration, in der dieses Salz im Seewasser ent- halten ist, ftir viele, wenn nieht alle, Seetiere giftig ist. Wir kSnnen

1) Eine Zusammenstel lung dieser Versuche habe ich in OPI:)ENIIEI)/IERS Hand- bnch der Biochemie gegeben. II. Bd. I. H~ilite. S. 10~.

Archiv f. Entwicklungsmechanik. XXXI. 43

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die hier an ~ndulus mitgeteilten Versuche nur deshalb nicht an allen Seetieren wiederholen~ weil die meisten derselben keine so betriiehtliehen Erniedrigungen des osmotischen Druckes ~el'tragen kSnnen, wie sie ftir diese Versuche nlitig sind.

Wit maehen nun yon diesen Tatsachen Gebrauch, um zu zeigen, dab auch die Giftwirkungen einer Chlornatriumliisung durch Sauer- stoffentziehung gehemmt werden k(innen. Das Seewasser ist sehr schwaeh alkalisch~ und diese Alkatinitlit oder Konzentration der HO- Ionen, welche an der californisehen Ktiste etwa 10-~N betr~fft~ ist ftir die Entwieklung der Eier des dortigen Seeigels absolut n(itig. Bereitet man neutrales ktinstliches Seewasser~ das alle Salze des Seewassers im riehtigen Verh~tltnis enthi~lt, so kSnnen die Eier sich nicht entwickeln; ftigt man aber eine Spur Bicarbonat oder ~aHO zu, so dab die Konzentration der Hydroxylionen die nStige HShe erreieht, so findet die Entwicklung statt. Was nun die Rolle der HO-Ionen in diesem Falle betrifft~ so babe ich frtiher die Vermutung ausgesproehen, dab sie als Oxydationsbesehleuniger dienen. Wir kSnnen uns vorstellen, dab die HO-Ionen ftir die Wirkung tier Oxy- dationsenzyme oder Oxydasen in ithnlieher Weise n~itig sind, wie das fttr die Wirkung yon Trypsin der Fall ist, d.h. vermutlieh durch Salzbildung.

Bringt man nun die Eier des ealifornischen Seeigels in eine reine m -2-- ChlornatriumlSsung oder eine Misehunff yon N a + K , welehe dureh

Zusatz einer Spur yon NaHO, die zur Entwieklung nStige Alkali- nitiit besitzt, so fangen die Eier an, sieh zu entwiekeln, gehen abet rasch an Cytolyse zugrunde. Bringt man aber die Eier in dieselbe LSsung, tier de r S a u e r s t o f f e n t z o g e n is t , so bleiben sie eine relativ lange Zeit am Leben. Das gleiehe geschieht, wenn man die Oxydationen im Ei dutch eine Spur Cyankalium oder Cyannatrium vermindert 1).

m In einer neutralen ~ - ChlornatriumlSsung gehen die friseh be-

fruehteten Eier yon Strongylocentrohts purpuratus nut sehr langsam zugrunde; wie ieh vermute, deshalb, well hier die Oxydationsvor- giinge zu langsam erfolgen. Ich versuehte vor 4 Jahren, ob es mSg- lich sei, die Giftwirkung" einer n e u t r a l e n ChlornatriumlSsnng auf diese Eier dutch Sauerstoffmang'el zu hemmen, abet es gelang mir

I) LOEB, Biochem. Zeitsch. 1910. Bd. 26. S. 279.

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uie, das Leben des Eies yon Strongyloeentrotus in einer neutralen ChlornatriumlSsung durch UnterdrUckung der Oxydationen zu hemmen,

WA~BU~G verSffentlichte vor einigen Monaten die Beobachtung, dab bei den befruehteten Eiern einer Seeigelart in lqeapel schon eine neutrale ChlornatriumlSsung solche Cytolyse berbeiftihrt, und dab es gelingt, diese Cytolyse dureh Zusatz einer Spur NaC~ zu hemmen~). Ich machte diesen Sommer in Woods Hole die gleiehe Beobaehtung bei den befruebteten Eiern des dortigen Seeigels Arbacia. Die Eier verfallcn in einer neutralen LSsung yon b{aC1 raseh der Cytolyse. Eutzieht man den Eiern aber den Sauerstoff oder verringert man die Oxydationen in denselben dureh Zusatz einer Spin" NaC~, so kann man ihr Leben erheblieh verl~ngern. Warum ftihrt nun bei diesen Eiern schon eine n e u t r a l e CblornatriumlSsung die Cytolyse herbei, wiihrend bei den californischen Seeigeleiern in einer solehen u e u t r a l e n L(isung die Cytolyse nur i~uBerst langsam~ etwa nach 24 Stunden, erfolgt? Die Antwort lautet~ dab die Oxydationsvor- giinge im befruchteten Ei beim californisehen Seeigel eine hShere Konzentration der Hydroxylionen erfordern, n~mlich etwa 10-6N, wiihrend fur die Oxydationen in den Eiern des Seeigels in Woods Hole bereits eine geringere Konzentration der Hydroxylionen, namlich 10 -7 N, genttgt. Es liel~ sich niimlich zeigen, da[~ diese Eier yon Arbacia sich in einer n e u t r a l en LSsung yon NaC1, KC1 and CaCl~ (in dem Verh~tltnis gemischt, in dem diese Salze im Seewasser vor- handen sind) zur sehwimmenden Blastula entwickeln kSnnen.

Diese Tatsachen beweisen, dab in der Tat das befruehtete See- igelei, wenn es in einen abnormen ebemischen Bedingungskomplex gebracht wird, rasch zugrunde geht, und daB es in dem angeftibrteu Beispiele gelingt, den Zerfall dadurch zu hemmen, dab man dem Ei den Sauerstoff entzieht.

Das Gesagte gilt aber nicht nur ftir eine Chlornatrium- l~sung, sondern auch fUr jede beliebi~e LSsung der Alkali- und Erd- alkalimetatte. Um ein BeispieI zu geben sei erwiihnt, dab in einer

m Misehung yon 50 ccm ~ NaCl+l cem 3/s m CaCl~ die befruchteten Eier

von Arbacia in 4 Stunden alle tot waren. Die Eier desselben Weib- chen~, die in die yon Sauerstoff befreite LSsung derselben Zusammen- setzung gebracht wurden, waren nacb 4 Stunden alle intakt und entwiekelten sicb, nachdem sic in Seewasser tibertragen waren, alle

1) WAnBUnG, 1. e. 43*

668 5. Loeb, Auf welche Weise rettet die Befruchtung das Leben des Eies?

zu Pluteen. Selbst die naeh 8 Stunden aus der sauerstofffreien L(i- sang" in Seewasser tibertrageneu Eier entwickeln sieh noeh. Wie Sauerstoffmangel wirkt auch eine Spur Cyannatrium.

Auch die giftige Wirkung yon ZuckerlSsungen, von Alkohol in Seewasser, yon Chloralhydrat a. a. Stoffe konnte dutch Sauerstoff- entziehung oder Zusatz y o n einer Spur Cyannatrium unterdriiekt werden. Da eine ausftihrliche Schilderung dieser Versuche an einer andern Stetle eben ersehienen istl), so brauche ich auf die Einzel- heiten nicht einzugehen. Es wird dutch diese Versuche der Beweis erbraeht, dab in der Tat far gewisse giftige Stoffe oder Stoff- mischunffen die UnterdrUekung der Oxydationen im Ei die Giftwir- kungen hemmt 2).

Wit glauben nach alledem sehlieBen zu dtirfen, dab das unbe- fraehtete reife Ei deshalb raseh stirbt, weil in demselben gewisse Stoffe vorhanden sind, deren Gegenwart den Oxydationen eine gif- tige oder zerstSrende Wirkung verleiht, und dab das Spermatozoon das Leben des Eies dadureh rettet, dab es anBer dem membranbil- denden Stoffe noeh einen zweiten Stoff (oder Gruppe yon Stoffen) ins Ei bringt, welcher den sch~d|ichen Stoff oder Beding'ungskomplex des unbefruehteten Eies beseiti~t oder unsehi~dlich macht~ so dab nunmehr selbst die gesteigerten 0xydationen keinen Schaden mehr anrichten kSnnen. Auf die Analogie dieser Verhiiltnisse mit gewissen Tatsaehen, die bei Anaeroben beobachtet werden~ brauche ich wohl kaum besonders zu verweisen.

~) Bioch. Zeitsch. 1910. Bd. 29. S, 80. 2) Bei den natiirlich parthenogenetischen Eiern findet erstens wohl ,spontan,

eine Anderung der Oberfl~iehenschicht des Eies statt; und zweitens mu~ die Zelle schon einen Stoff enthalten, der sie gegen die sonst sch~dlichen Wirkungen der Oxydation sch~itzt.