2
I214 KLINISCHE %VOCHENSCHRIFT. Ir. JAHRGANG. Nr. z9 I6. JULII93a ORIGINALIEN. BEOBACHTUNGEN LIBER DIE NERVEN DES MENSCHLICHEN NIAGENS UND IHRE VER- ANDERUNGEN BEIM ULCUS CHRONICUM. ~/on Prof, PHILIPP ST(3HR jr. Aus dem Anatomischen Institut Bonn. Zu dem genannten Thema finden sich in der Literatur die Arbeiten yon STOlgRIf, PERMAN, ASKANAZY, ~NTICOLAYSIgN, OKKtgLS, MOGILNITZKY und ORATOR vor, deren Ergebnisse sich in einer be- obachteten Neuritis oder Perineuritis der am Geschwt~rsgrund befindlichen Nerven, sowie in degenerativen Prozessen der dort befindlichen Gangliei~zellen zusammenfassen Iassen. DaB im Ge- schwfirsbereich auch gut erhaltene nerv6se Elemente anzutreffen sind, wird verschiedentlich berichtet. Durch den Verzieht auf die ffir die I)arstellung des peripheren Nervensystems unbedingt not- wendige und ausgezeiehnet bewghrte Bielschowsky-Methode haben die angeffihrten Autoren ihren eigenen Angaben leider yon vorn- herein die n6tige Sicherheit und Grfindlichkeit genommen, da man an den gebrauchlichen H~matoxylin- oder van Gieson-Prgparaten ~ber den normalen oder patholagisehen Zustand des nerv6sen Ge- webes keine verlggliche Aussage tun kann. Daher nennt v. BERG- MANN die analomischen ]Feststellungen t~ber vorkommende nerv/Sse Vergnderungen beim Magenulcus mit IRecht ,,so geringffigig, dab sie nicht einmal der Erwghnung bedt~rfen." Da wir fiber das feinere Verhalten der menschliehen Magen- nerven nur fiber die verhgltnismgBig kurzen Angaben yon BRANDT und L.R. MOLLER verffigen, so set zungchst ein LIberblick fiber die Konstrukfion des normalen, intramuralen Nervenapparates gegeben. Von den bemerkenswerten Arbei- ten yon WOROBIEW und I~ONDRATJEW sehe ich hier ab, da sie nur das Studium der Nervenverhaltnisse im Bereich des makro-mikroskopischen Grenzgebietes zum Ziele haben, wghrend ich eine mikroskopische Analyse der Ieinsten Struk- turen des peripheren Nervensystems versuchen will, soweifi es eben Silbermethode, Optik und Beleuchtung gestatten. Zungchst linden sich in der gesamten Submucosa des Magens eigentfimliche, mit Kernen versehene, verschiedentlich gewundene, syncytiale Leitbahnen, die ich friiher (i93I) nnter dem Namen Plasmastrgnge beschrieben habe. Sie ent- halten in ihrem vakuoligen oder granulierten Protoplasma meist einen oder zwei feine Achsenzylinder, die noch einmal yon ungeheuer feinen, stellenweise netzartig angeordneten NervenfS~serchen begleitet werden. Manchmal sind an mn- schriebener Stelle die Windungen der Plasmastrange derartig eng geh~tuft und miteinander verwiekelt, dab man beinahe meinen k6nnte, in solchen ,,Schlingenterritorien" infolge tier erzielten Oberflgchenvergr613erung der nerv6sen Substanz ein sensibles Gebilde etwa in Form eines Meissnerschen K6rperchens vor sich zu haben. Vielleicht kann man die Bildungen als perzipierende Organe eines nerv6sen, ftir die Regelung der Pylorustg~igkeit bestimmten, innerhalb der Magenwand gelegenen Reflexapparates betrachten. Doch 1M3t sich das ebensowenig beweisen, wie der Versuch sie dem Vagus oder dem Sympathicus zuzuordnen. Eine Herkunft der mittelstarken Achsenzylinder aus den in der Submucosa be- findlichen, unipolaren Ganglienze!len war 6frets mit Sicherheit festzustellen. Die Nervenfaserchen verlaufen niemals nackt im Gewebe, sondern sind immer in ein ,,Hiillgewebe" eingebettet, zu welchem, abgesehen yon dem Plasma der Leitstrs auch Bindegewebszellen, Gef~tBwandzellen oder sogar glatte Muskel- zellen verwendet werden k6nnen. An der/~uBersten Peripherie sind die allerfeinsten Nervenelemente zu. einem ungeheuer ieinmasehigen, wabigen Netz, einem ,,Terminalen Reticulum" miteinander verwoben, das sehr wahrscheinlich wie ein Schleier Zelle ffir Zelle umhfillt oder mit feinsten Ausl/~ufern in das Plasma aller Gewebszellen des Magens hineinversenkt ist. ]3el guter Impr~gnierung scheint jede einzelne Zelle der Magenwand irgendwie mit dem nerv6sen Terminalreticulum in Zusammenhang zu stehen und somit dem EinfluB des Nervensystems zuggngig zu seim An den geflechtartig angeordneten glat~en MuskeKasern der Muscularis mucosae l~Bt sich jene wabige Konstruktion des nerv6sen Terminalnetzes besonders seh6n erkennen. Irn Sarkoplasma der Muskelelemente k6nnen ungeheuer Ieine, yon den Myofibrillen anfgnglich sehr schwer unterscheid- bare Neurofibrillen verlaufen. Eine ,,freie" nerv6se Endigung, selbst im Sinne der yon BOEKE beschriebenen, intraproto- plasmatisch gelegenen Reticulare, kommt woh[ nicht vor und ist auf eine unvollst~ndige Impragnierung zurfickzuffihren. Ob die feinsten Maschen des die Muskelfaserrl umhfillenden terminalen Reticulums noeh spezifische Eigenschaiten des Nervensystems besitzen oder teilweise einem zarten, alveolen- artigen ]3indegewebe oder dem extracellul~ren Protoplasma STVDNmKAS zuzurechnen sind, bleibt zungchst eine offene Frage. ]gin allm~hlicher, kontinuierlicher Obergang der genannten Stukturen ineinander dfinkt mich aul3erordentlich wahrscheinlich. Somit w~re das nerv6se TerminMreticulum in seinem Aufbau als ein {Jbergangsgewebe dem Heldschen ,,Grundnetz" vergleichbar, an dessen Zusammensetzung im Zentralnervensystem sieh nach den Angaben seines Aufors Dendriten und Neuriten der Nervenzellen, sowie die Fortsgtze der GiiazelIen gemeinsam beteiligen. Die Frage, ob bet jenem untrennbar innigen Zusammenhang zwisehen Nervensystem und glatter Mnskulatur ein chemisches Reagens auf die eine oder die andere Oewebsart einwirken kOnne, scheint mir infolge des anatomischen t3efundes an Bedeutung ver- loren zu haben, ja gar nicht entscheidbar zu sein. Ebenso halte ieh es far keineswegs gesichert, dab die Elemente des nerv6sen Terminal- reticulums nach Durchsehneidung der zuftihrenden Nerven eines vegetativ versorgten Organes unter Mien Umst~nden degenerieren mflssen. Ein ~vYeiterleben der feinsten NervenfXserchen ist infolge ihrer syncytialen Konstruktion und ihrer intraprotoplasmatischen Lage aueh ohne die zugeh6rigen Ganglienzellen wohl denkbar, und zahlreiche Durchschneidungsexperimente an Organen mit glatter Muskulatur mit einem scheinbar negativen, Iunktionellen Resultat sprechen zum mindesten nicht gegen eine solche Anschauung. Auch die Capillaren sind in alas nerv6se Terminalreticulum mit eingesponnen, dessert Maschenwerk sie5 ferner in der Wand dimner Venen an jeder Zelle aufs sch6nste beobachten lXBt. Im fibrigen befinden sich die Gef~tBnerven mit den anderen in der Magenwand verlaufenden Nerven in derarfig engem Zusammenhang, dab eine anatomische Feststellung besonderer Vasomotoren far nicht mehr m/Sglich ist. Um die K6rper der Ganglienzellen finder man die feinen Maschen des nerv6sen Terminalreticulums wie einen Schleier ausgebreitet. Man darf sie nut nicht mit den vielfach in der Literatur beschriebenen, ziemlich grobfaserigen, pericellul~ren K6rben verwechseln, ffir deren Deutung als Endigungsform pr~ganglion~rer Fasern somit keinerlei AnlaB besteht, da in einem solchen Falle ihre Fasern ein wesentlich feineres Kaliber besitzen mttl3ten. In der Magenwand kommen im Meissnerschen, wie im Auerbachschen Plexus zwei verschiedene Formen yon Ganglienzellen nach der Einteilung DoaI*ZS vor. Typus I besitzt I oder 2 lange und zahlreiche kurze, mit fibrillgren Verbreiterungen versehene Forts~tze; Typus2 wird dutch I--4 lange, sich bald in das allgemeine nervSse Fasergewirr verlierende Fortsgtze kenntlich. Die Angabe yon PERMAN, wonach infolge einer dichteren Anordnung und st{irkeren GrSBenentwicklung der Ganglien in der Pars pylorica mehr Ganglienzellen vorkommen als an den tibrigen Regionen des Magens, vermag ich zu bestgtigen. Die allmahIiche Gr~Benzunahme der Ganglien an der Kardia lgngs der kleinen Kurvatur bis zum Pylorus wurde am Magen verschiede- ner Laboratoriumssguger yon SCILIABADASCH und IRWIN festgesteltt und die Zahl der Nervenzellen am Pylorus 3--6mal so hoch ge- schgtzt ats am Fundus. Aueh an der kleinen Knrvatnr und an tier Kardia wurde eine st~irkere Anhgnfung der Ganglienzellen yon den beiden Autoren beobachtet. Das zahlenmaBige 1Jberwiegen der Ganglienzellen am lVfagenausgang diirfte vielleieht mit der bier deutlich ausgeprggten, stgrkeren Entwicklung der Muskulatur in Zusammenhang zu bringen seth. v. BERGMAN~ hat die Anschanung entwickelt, dab bet der Pathogenese des Magenulcus einem nerv6sen Faktor, ether

Beobachtungen Über die Nerven des Menschlichen Magens und Ihre Veränderungen Beim Ulcus Chronicum

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Beobachtungen Über die Nerven des Menschlichen Magens und Ihre Veränderungen Beim Ulcus Chronicum

I 2 1 4 K L I N I S C H E % V O C H E N S C H R I F T . Ir. J A H R G A N G . N r . z9 I6. JULII93a

ORIGINALIEN.

BEOBACHTUNGEN LIBER DIE NERVEN DES MENSCHLICHEN NIAGENS UND IHRE VER- ANDERUNGEN BEIM ULCUS CHRONICUM.

~/on

Prof , PHILIPP ST(3HR j r . Aus dem Anatomischen Institut Bonn.

Zu dem genannten Thema finden sich in der Literatur die Arbeiten yon STOlgRIf, PERMAN, ASKANAZY, ~NTICOLAYSIgN, OKKtgLS, MOGILNITZKY und ORATOR vor, deren Ergebnisse sich in einer be- obachteten Neuritis oder Perineuritis der am Geschwt~rsgrund befindlichen Nerven, sowie in degenerativen Prozessen der dort befindlichen Gangliei~zellen zusammenfassen Iassen. DaB im Ge- schwfirsbereich auch gut erhaltene nerv6se Elemente anzutreffen sind, wird verschiedentlich berichtet. Durch den Verzieht auf die ffir die I)arstellung des peripheren Nervensystems unbedingt not- wendige und ausgezeiehnet bewghrte Bielschowsky-Methode haben die angeffihrten Autoren ihren eigenen Angaben leider yon vorn- herein die n6tige Sicherheit und Grfindlichkeit genommen, da man an den gebrauchlichen H~matoxylin- oder van Gieson-Prgparaten ~ber den normalen oder patholagisehen Zustand des nerv6sen Ge- webes keine verlggliche Aussage tun kann. Daher nennt v. BERG- MANN die analomischen ]Feststellungen t~ber vorkommende nerv/Sse Vergnderungen beim Magenulcus mit IRecht ,,so geringffigig, dab sie nicht einmal der Erwghnung bedt~rfen."

Da wir fiber das feinere Verhal ten der menschl iehen Magen- nerven nur fiber die verhgl tn ismgBig kurzen Angaben yon BRANDT und L . R . MOLLER verffigen, so set zungchst ein LIberblick fiber die Kons t rukf ion des normalen, i n t r amura len Nervenappara tes gegeben. Von den bemerkenswer ten Arbei- t en yon WOROBIEW und I~ONDRATJEW sehe ich hier ab, da sie nur das S tud ium der Nervenverha l tn i sse im Bereich des makro-mikroskopischen Grenzgebietes zum Ziele haben, wghrend ich eine mikroskopische Analyse der Ieinsten St ruk- turen des per ipheren Nervensys tems versuchen will, soweifi es eben Si lbermethode, Opt ik und Beleuchtung gesta t ten .

Zungchs t l inden sich in der gesamten Submucosa des Magens eigentfimliche, mi t Kernen versehene, verschiedent l ich gewundene, syncyt ia le Lei tbahnen, die ich fri iher ( i93I) nn te r dem N a m e n P lasmas t rgnge beschrieben habe. Sie ent- ha l t en in ih rem vakuol igen oder granul ier ten P ro top la sma meist einen oder zwei feine Achsenzylinder , die noch e inmal yon ungeheuer feinen, stellenweise ne tzar t ig angeordne ten NervenfS~serchen beglei te t werden. Manchmal sind an mn- schriebener Stelle die Windungen der P lasmas t range derar t ig eng geh~tuft und mi te inander verwiekel t , dab m a n beinahe meinen k6nnte, in solchen ,,Schlingenterritorien" infolge tier erziel ten Oberflgchenvergr613erung der nerv6sen Substanz ein sensibles Gebilde e twa in F o r m eines Meissnerschen K6rperchens vor sich zu haben. Viel leicht kann m a n die Bi ldungen als perzipierende Organe eines nerv6sen, ftir die Regelung der Pylorustg~igkei t bes t immten , innerhalb der Magenwand gelegenen Ref lexappara tes bet rachten. Doch 1M3t sich das ebensowenig beweisen, wie der Versuch sie dem Vagus oder dem Sympath icus zuzuordnen. Eine He rkun f t der mi t t e l s ta rken Achsenzyl inder aus den in der Submucosa be- findlichen, unipolaren Ganglienze!len war 6frets mi t Sicherhei t festzustellen.

Die Nervenfaserchen ver laufen niemals nack t im Gewebe, sondern sind i m m e r in ein , ,Hi i l lgewebe" e ingebet te t , zu welchem, abgesehen yon dem P lasma der Leits trs auch Bindegewebszellen, Gef~tBwandzellen oder sogar gla t te Muskel- zellen ve rwende t werden k6nnen. An der/~uBersten Per ipher ie sind die al lerfeinsten Nervene lemente zu. e inem ungeheuer ie inmasehigen, wabigen Netz , e inem , ,Terminalen Re t i cu lum" mi te inander verwoben, das sehr wahrscheinl ich wie ein Schleier Zelle ffir Zelle umhfi l l t oder mi t fe insten Ausl/~ufern in das P l a sma aller Gewebszellen des Magens h ine inversenkt ist. ]3el guter Impr~gnie rung scheint jede einzelne Zelle der Magenwand i rgendwie m i t dem nerv6sen Termina l re t i cu lum in Z u s a m m e n h a n g zu s tehen und somi t d e m EinfluB des Nervensys tems zuggngig zu seim

An den gef lechtar t ig angeordne ten glat~en MuskeKasern der Muscularis mucosae l~Bt sich jene wabige Kons t ruk t ion des nerv6sen Termina lne tzes besonders seh6n erkennen. Irn Sarkoplasma der Muskele lemente k6nnen ungeheuer Ieine, yon den Myofibr i l len anfgngl ich sehr schwer unterscheid- bare Neurofibr i l len verlaufen. Eine , ,freie" nerv6se Endigung, selbst im Sinne der yon BOEKE beschriebenen, i n t r ap ro to - p lasmat i sch gelegenen Ret iculare , k o m m t woh[ n icht vor und ist auf eine unvol ls t~ndige Impragn ie rung zurfickzuffihren. Ob die feinsten Maschen des die Muskelfaserrl umhfi l lenden t e rmina len Re t i cu lums noeh spezifische E igenscha i t en des Nervensys tems besi tzen oder teilweise e inem zarten, a lveolen- ar t igen ]3indegewebe oder d e m extracel lul~ren P ro top la sma STVDNmKAS zuzurechnen sind, b le ibt zungchst eine offene Frage. ]gin al lm~hlicher, kont inuier l icher Obergang der genann ten S tuk turen ine inander df inkt mich aul3erordentlich wahrscheinl ich. Somi t w~re das nerv6se TerminMre t icu lum in seinem Aufbau als ein {Jbergangsgewebe dem Heldschen , ,Grundne tz" vergleichbar , an dessen Zusammense t zung im Zen t ra lne rvensys t em sieh nach den Angaben seines Aufors Dendr i t en und Neur i ten der Nervenzel len, sowie die For t sg tze der GiiazelIen gemeinsam beteil igen.

Die Frage, ob bet jenem untrennbar innigen Zusammenhang zwisehen Nervensystem und glatter Mnskulatur ein chemisches Reagens auf die eine oder die andere Oewebsart einwirken kOnne, scheint mir infolge des anatomischen t3efundes an Bedeutung ver- loren zu haben, ja gar nicht entscheidbar zu sein. Ebenso halte ieh es far keineswegs gesichert, dab die Elemente des nerv6sen Terminal- reticulums nach Durchsehneidung der zuftihrenden Nerven eines vegetat iv versorgten Organes unter Mien Umst~nden degenerieren mflssen. Ein ~vYeiterleben der feinsten NervenfXserchen ist infolge ihrer syncytialen Konstruktion und ihrer intraprotoplasmatischen Lage aueh ohne die zugeh6rigen Ganglienzellen wohl denkbar, und zahlreiche Durchschneidungsexperimente an Organen mit glatter Muskulatur mit einem scheinbar negativen, Iunktionellen Resultat sprechen zum mindesten nicht gegen eine solche Anschauung.

Auch die Capil laren sind in alas nerv6se Termina l re t i cu lum m i t eingesponnen, dessert Maschenwerk sie5 ferner in der W a n d d imner Venen an jeder Zelle aufs sch6nste beobach ten lXBt. I m fibrigen bef inden sich die Gef~tBnerven m i t den anderen in der Magenwand ver laufenden Nerven in derar f ig engem Zusammenhang , dab eine ana tomische Fes ts te l lung besonderer Vasomotoren f a r nicht mehr m/Sglich ist.

U m die K6rper der Ganglienzel len f inder m a n die feinen Maschen des nerv6sen Termina l re t i cu lums wie einen Schleier ausgebrei tet . Man darf sie nu t n icht m i t den viel fach in der L i t e ra tu r beschriebenen, ziemlich grobfaserigen, pericellul~ren K6rben verwechseln, ffir deren D e u t u n g als End igungs fo rm pr~ganglion~rer Fasern somi t keinerlei AnlaB besteht , da in e inem solchen Falle ihre Fasern ein wesent l ich feineres Kal iber besi tzen mttl3ten. I n der Magenwand k o m m e n im Meissnerschen, wie im Auerbachschen P lexus zwei verschiedene F o r m e n yon Ganglienzel len nach der E in te i lung DoaI*ZS vor. Typus I bes i tz t I oder 2 lange und zahlreiche kurze, m i t f ibr i l lgren Verbre i te rungen versehene F o r t s ~ t z e ; T y p u s 2 wird du tch I - - 4 lange, sich bald in das al lgemeine nervSse Fasergewirr ver l ierende For t sg tze kennt l ich. Die Angabe yon PERMAN, wonach infolge einer d ich te ren Anordnung und st{irkeren GrSBenentwicklung der Gangl ien in der Pars pylor ica mehr Ganglienzel len v o r k o m m e n als an den tibrigen Regionen des Magens, v e r m a g ich zu bestgt igen.

Die allmahIiche Gr~Benzunahme der Ganglien an der Kardia lgngs der kleinen Kurvatur bis zum Pylorus wurde am Magen verschiede- ner Laboratoriumssguger yon SCILIABADASCH und IRWIN festgesteltt und die Zahl der Nervenzellen am Pylorus 3- -6mal so hoch ge- schgtzt ats am Fundus. Aueh an der kleinen Knrvatnr und an tier Kardia wurde eine st~irkere Anhgnfung der Ganglienzellen yon den beiden Autoren beobachtet. Das zahlenmaBige 1Jberwiegen der Ganglienzellen am lVfagenausgang diirfte vielleieht mit der bier deutlich ausgeprggten, stgrkeren Entwicklung der Muskulatur in Zusammenhang zu bringen seth.

v. BERGMAN~ h a t die Anschanung entwickelt , dab bet der Pathogenese des Magenulcus e inem nerv6sen Fak tor , ether

Page 2: Beobachtungen Über die Nerven des Menschlichen Magens und Ihre Veränderungen Beim Ulcus Chronicum

�9 -6. JULI i932 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J A H R G A N G . Nr. 29 I2I 5

,,Disharmonie im vegetativen System" eine bedeutsame Rolle zuzuschreiben set. Bet dem Versuch, jene yon den Iflinikern im vegetativen Nervensystem erkannte St6rung womSglich mikroskopisch zu erfassen, babe ich an 18 resezierten Uleus- m~igen den Auerbachschen und Meissnerschen Plexns nicht nu t im Geschw/irsgebiet, sondern im gesamten Bereich des resezierten Sttickes genau durchmustert. In jedem Falle yon Ulcns chronicum zeigten sich an einer jeweils verschieden groBen Anzahl yon Ganglienzellen mehr oder weniger patho- logische Ver/inderungen. Sie bestanden in Umbildungs- prozessen und Aufhellung des Iiernplasmas, i n Vermehrung und h~iufig randst~indiger Lagerung des Chromatins, in Pyknose und Chromatinzerfall, in zackiger Ver~inderung der Kernmembran, in Deformierung der Kernform sowie in Schwellungs- und Schrumpfungserscheinnngen des ganzen Kernes. SchlieBlich kann eine vSllige Aufl6sung des vielfach stark exzentrisch gelagerten Kernes erfolgen.

Das fibrill~ire Geffige des Zellprotoplasmas erscheint des 6fteren verdichtet, eigentfimlieh verwaschen; verschieden geiormte, yon einem hellen Plasma angeftillte Defektbildungen, ja ganze Vakuolen und fensterartige Bildungen werden be- merkbar, w/ihrend die Oberfl~iche des ZellkSrpers manchmal wie angenagt aussieht. Bet fortschreitendem Aufl6sungs- prozeB wird das Innere der Zelle gelegentlich yon ether einzigen Vakuole dargestellt, w~hrend der pyknotische Kern an die Peripherie gedrtickt ist, oder man finder zerfetzte, manchmal sogar noch gut tingierbare Neuroplasmareste mit kleinen, wahrscheinlich yon der Iiapsel s tammenden I4ernen darin. An den grol3en Forts~itzen der Gangtienzellen konnte ich nur in einem Falle eine abnorme, spindelartige Auftreibung, in einem anderen Falle feinste fibrill~ire, wie kleine Flammen aussehende, zackenartige Bildungen an seiner OberIl~iche beobachten. In den am Geschwtirsgrund befindlichen Ganglien t r i t t hier und dort eine kleinzellige Infil tration zutage; sie kann aber selbst bet Ganglien mit schweren degenerativen Ver~inderungen fehlen.

Im Geschwiirsgrund kommt es u n t e r Umst~nden zum Schwund ganzer Ganglien, deren frfihere Lage dann nut noch aus ether betr~ichtlichen Ansammlung yon Rnndzellen hervorgeht. Wenn sich auch eine grSBere Anh~infung degene- rierter Ganglienzellen im Geschwiirsbereich oder in der NXhe des Geschwtirs h~iufig nicht leugnen l~i~t, so erscheinen doch die degenerierten Ganglienzellen nach ihrer topographischen Ausbreitung und ihrem zahlenm~iBigen Vorkommen gleichsam wahllos im gesamten Auerbachschen und Meissnersehen Plexus verstreut zu sein. Auch bet Ulcus duodeni wurden pathologisch ver~inderte Ganglienzellen in selbst weit ent- legenen Teilen der Magenwand angetroffen.

An den Nervenfasern lassen sich degenerative Ver~nde- rungen sehr selien beobachten und schwer beurteilen. AuBer- halb vom Geschwiirsbereich schienen mir die Achsenzylinder vom st~irksten bis zum allerfeinsten Kaliber des nerv6sen Terminalreticulums mit Silber gut impr/ignierbar nnd v611ig normal zu sein. Nur in einem einzigen Falte konnte ich in einem Auerbachschen Ganglion, das I cm vom Ulcusrand ent- fernt war, sehr starke, kolbige, iibrill~ire Auftreibungen an einem Achsenzylinder bemerken. Selbst im Geschwtirsgrund, innerhalb der nekrotischen Zone, in einem yon Erythrocyten oder Leukocyten infiltrierten Gewebe und im Narbenbereieh gelangen noch feinste, innerhalb ihrer ptasmatischen Leit- bahnen befindliche, normale Achsenzylinder sowie normale, vereinzette Ganglienzellen zu Gesicht. Eine yon verschiedenen Autoren angegebene Neuritis oder Perineuritis der im Ulcus- bereich befindlichen Nerven habe ich ebensowenig wie eine Neurombildung auffinden k6nnen. Innerhalb der oben be- schriebenen Plasmastr~inge kommt es in der nekrotischen Geschwiirszone schlieBlich zu allm~ihlichem Zeriall der feinen Achsenzylinder.

Inmi t t en der in den Geschwtirsbereich einbezogenen, h~iufig hypertrophischen, yon Rundzellen vielfach infiltrierten, glatten Muskutatur zeigen die Achsenzylinder oft eine bedeut- same, auffallende Vermehrung. Die bemerkenswerte Er- scheinung, dab wir bet ether so grol3en Anzahl degenerierter Ganglienzetlen so iiberaus selten pathologisch ver~inderte

Achsenzylinder antreffen, legt den Gedanken nahe, dab die feinsten Nervenf~iserchen infolge ihrer intraprotoplasmatischen Lagerung und ihrer syncytialen Konstruktion entweder sehr langsam, vielleicht auch, selbst nach Zugrundegehen ihrer zugehSrigen Ganglienzellen, gar nicht unbedingt einem dege- nerativen ProzeB verfallen mtissen.

Es l~il3t sich daran denken, der Ifir die Ulcusgenese be- deutungsvollen v. Bergmannschen Theorie in der verstreuten Erkrankung des Ganglienzellapparates der Magenwand gleichsam seinen morphologischen Untergrund zu sichern. Die Ents tehung des Ulcus, der Gef~iBverschluB, die Ero- sion, der Ubergang vom aknten zum chronischen Ulcus, die Gastritis, das Rezidiv, die Konsti tut ion Ulcuskranker und die Ents tehung des Ulcus auf reflektorischem Wege (R0ssLE) wiiren unschwer mit ether prim/iren Erkran- kung des intramuralen Nervensystems in der Magenwand in kausalen Zusammenhang zu bringen. Auch die h~iufige Lokalisation der Ulcera am Pylorus und an der kleinen Kurvatur lieBe sich vielleicht zu der hier beobachteten, be- sonders starken Anh~iufung yon GanglienzeIlen in Beziehung setzen.

Immerh in l~igt sich die wichtige Frage, ob das Ulcus die Degenerationen am Nervenapparat zur Folge hat oder umgekehrt, als sekund~ire Erscheinung des prim~ir ver~inderten Nervensystems zu betrachten ist, niemals allein aus dem mikro- skopischen Bild Ieststellen. Wenn auch wahrscheinlich Ver/inderungen in der Sekretion, Spasmen, gastritische Er- scheinungen als Folgesymptome des erkrankten, alle Zellen der lViagenwand miteinander verknfipfenden nerv6sen Syn- cytiums aufzufassen sind, so darf doch eine kausale Deutung yon Vorg~ngen nicht allein auf das mikroskopische Pr~parat aufgebaut werden. Bet kausaler Fragestellung ist weitere, experimentell-analy~cische Arbeit am Nervenapparat des Magens notwendig. Zu solcher T~itigkeit habe ich einstweilen nur einen morphologischen Baustein zugeftigt, in den ich allerdings die Hoffnung hinein gemeiBelt habe, dab er eine gewisse ]Belastung schon aush~ilt.

L i t e r a t u r : G. v. BE~OMA~N, Ulcus pepticum. Handb. der inneren Medizin 3. Berlin: Julius Springer 1926. -- E. v. REDWlTZ, Die Pathogenese des peptischen Gesehwi~rs des Magens und der oberen Darmabschnitte. Stuttgart 1928. -- PH. ST6HR jr., Mikro- skopische Anatomie des vegetativen Nervensystems. Berlin: Julius Springer 1928 -- Mikroskopische Studien zur Innervation desMagen-Darm-tianals. Z. Zellforschg. I2 (1931 u. 1932).- G. HAU- SE~, Die peptischen Sch~digungen des Magens. Handb. d. path. Anat. 4 (1926).

0BER DIE WIRKUNG DES HYPOPHYSENVORDER- LAPPENS AUF DIE TATIGKEIT DER

SCHILDDROSE*. Yon

Dr. WERNE~ GRAB. Aus dem Pharmakologischen Institut der Universitiit Freiburg i. Br.

Die Rolle der Schilddriise ffir die Regulierung einer Reihe wichtigster Lebens~iuBerungen des Organismus ist auBer- ordentlich bedeutungsvoll. Grundumsatz, Wasserbilanz, Biohle- hydratstoffwechsel, W~irmehaushalt h~ingen in mehr oder minder ansgesprochenem Grade yon ihrer TS~tigkeit mad Leistung ab. Der weittragende Einflul3, der fiir viele Lebensfunktionen yon der Schilddriise ausgeht, macht es notwendigerweise erforderlich, dab im Sinne einer erspriet3- lichen Zusammenarbeit unter den Organen die Schilddriise in ihrer regulierenden Tgtigkeit sich anpagt an alle gegebenen Erfordernisse, sich einffigt in den Ring der zusammenwirken- den Organe und sich auch im besonderen Tall yon fiber- geordneten Einflfissen steuern 1/iBt. Diese Abh~ingigkeit, die also auch iiir die Schilddrfise besteht, erscheint ja eigentlich selbstverst~indlich, wenn man bedenkt, wie innig alle Organe eines lebenden Wesens miteinander verbunden sind, wie eng

* Nach einem Vortrag in der Sitzung der Freiburger 1Viedizinischen Gesellschaft.