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156 Pentsehe Ornitbologisehe GesegsehfL Bericht fiber die Septembersitzung 1906. Verbandelt Berlin, Montag d. 3. Sept. abends 8 Uhr im Architekten-Vereinsbause, Wilhelmstr. 92 I. Anwesend die Herren Deditius, Matschie, Schalow, Selmons, Haase, Grunack, Heck, Reichenow, Heinroth. Als G~ste beteiligten sich die Herren K. u. P. Kothe, Miethket Gerbing u. Frau Heinroth. Vorsitzender Herr Heck, Schriftfilhrer Herr Heinroth. Herr Reichenow bespricht die eingegangene Literatur, geht dabei aufNomenklaturfragen ein und tadelt das neuerdings in dem Eifer, das Priorit&tsgesetz zur Anwendung zu bringen und die &ltesten l~amen ftir die Species auszustGbern, vielfach angewendete Verfahren, zwar altere, aber nicht hinreichend begrtin- dete Namen an die Stelle der bisher gebriiuchlichen zu setzen: ,,So ist yon Hartert der Name ~'ringiZla flammea Linn~ far den bisher aUgemein benutzten Ft. Zinaria L. angewendet und der Verf. sagt: ,,Linnfi selbst kannte den Vogel nicht, sondern beschrieb ihn nach Rudbecks Bilde und nach Klein-His~. Av. Prodr. p. 93 -- wo deutlich der Birkenzeisig beschrieben ist. Die Diagnose in Linn~s Syst. Nat. X, S. 182 lautet: F. fusca, crista flammea. Hab. in Europa. ~ In den beigeftigten Zitaten ,,Fauna sueeica S. 201 und Klein Hist. Av. Prodr. S. 93?' heirst es an der ersten Stelle: ,,F. flammea fusca, crista flammea. Habitat in Norlandia"; w&hrend die zweite Stelle lautet: ,,Linaria s. Luteola nigra. Schwartzer Henffling, non nisi in vertice flavicans." Von diesen drei Diagnosen kann man doch unmSglich sagen, das deutlich der Birkenzeisig beschrieben sei. Die Rudbecksche Abbildung aber, die noch angezogen werden kGnnte, ist nicht mehr vorhanden. Latham Gen. Synopsis IL 1783, 259 T. 47 beschreibt als F. flammea L. anscheinend den stidamerikanischen Purpurkronfink, Coryphospingus cristaius (Gin.), Beseke 1792 (Beytr. VGgel Kurlands S. 79) hingegen das Weibchen yon ~. montifringilZa. Daraus ergibt sich, das schon bei den alten Autoren der Linn~'schen Zeit Zweifel hinsichtlich der Deutung yon F. flammea bestanden haben. Hingegen ist der Name F. linaria seit Linnd stets filr den Birkenzeisig angewendet. Somit erscheint es nicht gerechtfertigt, den Namen Aeanthis linaria durch A. {lammea zu ersetzen." Herr Heinroth berichtet tiber eine ihm durch Herrn Leutnant v. Oertzen aus Joko in Kamerun zugegangene Mit- teilung, wonach dieser dort im Juni einen Hi~olais hippolais

Bericht über die Septembersitzung 1906

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Pentsehe Ornitbologisehe GesegsehfL Bericht fiber die Septembersitzung 1906.

Verbandelt Berlin, Montag d. 3. Sept. abends 8 Uhr im Architekten-Vereinsbause, Wilhelmstr. 92 I.

Anwesend die Herren Ded i t i u s , Mat sch ie , Schalow, Se lmons , Haase, Grunack , Heck, Re ichenow, H e i n r o t h .

Als G~ste beteiligten sich die Herren K. u. P. K o t h e , Mie thket Gerb ing u. F rau H e i n r o t h .

Vorsitzender Herr Heck, Schriftfilhrer Herr He in ro th . Herr Re ichenow bespricht die eingegangene Literatur,

geht dabei aufNomenklaturfragen ein und tadelt das neuerdings in dem Eifer, das Priorit&tsgesetz zur Anwendung zu bringen und die &ltesten l~amen ftir die Species auszustGbern, vielfach angewendete Verfahren, zwar altere, aber nicht hinreichend begrtin- dete Namen an die Stelle der bisher gebriiuchlichen zu setzen: ,,So ist yon Hartert der Name ~'ringiZla flammea Linn~ far den bisher aUgemein benutzten Ft . Zinaria L. angewendet und der V e r f . sagt: ,,Linnfi selbst kannte den Vogel nicht, sondern beschrieb ihn nach Rudbecks Bilde und nach Klein-His~. Av. Prodr. p. 93 - - w o d e u t l i c h der Birkenzeisig beschrieben ist.

Die Diagnose in Linn~s Syst. Nat. X, S. 182 lautet: F. fusca, crista flammea. Hab. in Europa. ~

In den beigeftigten Zitaten ,,Fauna sueeica S. 201 und Klein Hist. Av. Prodr. S. 93?' heirst es an der ersten Stelle:

,,F. flammea fusca, crista flammea. Habitat in Norlandia"; w&hrend die zweite Stelle lautet:

,,Linaria s. Luteola nigra. Schwartzer Henffling, non nisi in vertice flavicans."

Von diesen drei Diagnosen kann man doch unmSglich sagen, das deutlich der Birkenzeisig beschrieben sei. Die Rudbecksche Abbildung aber, die noch angezogen werden kGnnte, ist nicht mehr vorhanden. Latham Gen. Synopsis IL 1783, 259 T. 47 beschreibt als F. flammea L. anscheinend den stidamerikanischen Purpurkronfink, Coryphospingus cristaius (Gin.), Beseke 1792 (Beytr. VGgel Kurlands S. 79) hingegen das Weibchen yon ~. montifringilZa.

Daraus ergibt sich, das schon bei den alten Autoren der Linn~'schen Zeit Zweifel hinsichtlich der Deutung yon F. flammea bestanden haben. Hingegen ist der Name F. linaria seit Linnd stets filr den Birkenzeisig angewendet. Somit erscheint es nicht gerechtfertigt, den Namen Aeanthis linaria durch A. {lammea zu ersetzen."

Herr H e i n r o t h berichtet tiber eine ihm durch Herrn Leutnant v. Oer t zen aus Joko in Kamerun zugegangene Mit- teilung, wonach dieser dort im Juni einen Hi~olais hippolais

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hat singen hSren. Herr R e i c h e n o w erkliirt, dafs diese Art dort bisher noch nicht nachgewiesen sei.

Herr R e i c h e n o w legt darauf eine Elster aus Kiautschou vor, die sich durch blassere innere Armschwingen vor den Ver- wandten auszeichnet, desgleichen den yon [-Iantzsch als Corvus icZandicus beschriebenen Raben, den das tiefe Blauschwarz des Rilckens kennzeichnet.

Herr K.K o the zeigt den von ihm Dryocopus martius reichenowi benannten Schwarzspecht yore Amur: der sehr starke Schnabel unterscheidet ihn yon unserer heimischen Art.

Bezugnehmend auf die VerOffentlichung der ungedruckten Tagebficher des Freiherrn F . H. yon Kittlitz aus den Jahren 1817--24 dutch Herrn Jakob Moyat in Mainz, im laufenden Jahrgang unseres Journals (Juli-l-left S. 359--383), gibt Herr Scha low eine Reihe yon Mitteilungen fiber den Lebensgang des genannten deutschen Naturforschers (vergl. F. Embacher, Lexikon der Reisen und Entdeckungen, Leipzig, 1892 S. 164--I 65) und weist eingehend auf die Bedeutung bin, welche die ornitho- logischen Forschungen und Ver0ffentliehungen yon v. Kittlitz be- anspruchen miissen. Herr Scha low erw~hnt, dafs zwischen dem Genannten und Alexander yon Homeyer enge Beziehungen ge- knfipft wurden, als letzterer als junger Offizier in Mainz garni- sonierte, wohin sich Kittlitz nach dem Abschlurs seiner Weltreisen im Jahre 1849 zuriickgezogen hatte, und wo er auch am 10. April 1874 starb. Von den in der Moyat'schen VerOffentlichung er- wiihnten Abbildungen einzelner Arten diirften e i n i g e - vielleicht mit dem Text des Tagebuches - - in der yon Dr. Ule und Dr. Karl Mtiller begrfindeten Zeitschrift: Die Natur (Halle 1853--55 [7]) wiedergegeben sein. Jedenfalls entsinnt sich tier Vortragende mit Bestimmheit, Abbildungen yon VOgeln und Nestern, yon der Hand yon Kittlitz gezeichnet in der genannten Zeitschrift ge- sehen zu haben.

Von den Ver0ffentlichungen des Freiherrn yon Kittlitz wurden vorgelegt und in Hinblick auf die in denselben enthaltenen or- nithologischen Mitteilungen und Darstellungen besprochen: Denk- wiirdigkeiten einer Reise nach dem russischen Amerika, nach Mikronesien und durch Kamtschatka (2 Bde., Gotha, 1858); ferner, die vom Standpunkte des Bibliophilen vollstKndig als selten zu bezeichnende Ver0ffentlichung: Vegetations-hnsichten yon Kiistenliindern und Inseln des stillen Ozeans aufgenommen auf der Entdeckungsreise der kaiserlichen Russischen Corvette ,,Senjawin" unter Kap!tiin Liitke (34 Kupfertafeln mit Text, 2. Anti. Berlin 1862); und schliefslich: Kupfertafeln zur Naturge- sehiehte tier VOgel. 3 Hefte mit 36 Tafeln (Frankf. a. M. 1832 --lSa~).

Das letztere Buch, gleichfalls ziemlich selten, beansprucht yore Standpunkt des Ornithologen das gr0fste Interesse. Die Abbildungen diirfen noch heute, nach mehr denn 30 Jahren, als

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ausgezeichnet cbarakteristische bezeichnet werden, und wir miissen immer wieder bedauern, dafs Kittlitz nur drei Hefte derselben hat erscheinen lassen. Auf der Tafel 32 des letzgenannten Werkes wird .Fringilla papa v. Kittl. (Fig. 2) ~ ad. abgebildet, welchen Hartert (VSgel der pal, Fauna Heft II, S. 115) als ,,einen der seltensten aller VSgel" bezeichnet. Kittlitz sammelte diesen Karmingimpel auf Boninsima (Denkwiirdigkeiten, 2. Bd. S. 170 und 182) und beschrieb ihn spKter als _Fringilla papa (Mdm. Aead. Imp. St. Pdtersbg. 1830 p. 239 Taf. 15). Der vorstehende Name ist aber synonym mit dem yon Vigors bereits 1828 gege- benen Coecothraustes [erreiros~ris (Zool. Journ. p. 354), gleichfalls beschrieben nach einem Exemplar von Boninsima. Spiiter wurde die Art yon Bonaparte zum Typus einer besonderen Gattung, Chaunoproctus, (Bp. et Schlegel, Monogr. des Loxiens, 1850 p. 31) erhoben. In seinem oben angezogenen Werke gibt Dr. Hartert bei den einzelnen Arten kurze Mitteilungen fiber Lebens- weise, tells nach eigenen Beobachtungen, tells nach Angaben in der Literatur. Da sie bei Chaunoproctz~s [errdrostr~s fehlen, so ist anzunehmen, dars Hartert die Stelle, an der von Kittlitz biologische Mitteilungen tiber die vorgenannte Art gegeben wurden, iibersehen hat. In dem Text zu den Kupfertafeln (Heft 3, S. 24 -,25) sagt der Genannte: ,,Auf Boninsima bewohnte dieser V0gel einzeln und paarweise die Waldstrecken zun~chst dem Meeres- ufer, er ist auch hier nicht hiiufig, hKlt sich gern versteckt, ist aber sehr phlegmatischer Natur und wenig scheu. Gew6hnlich sieht man ihn laufeud am Boden, nur selten h6her auf den B~umen. Seine Lockstimme ist ein einziger, leiser, ~urserst feiner und hoher pfeifender Ton, den er bald l~nger, bald kiirzer, bald einzeln, bald 6fter wiederholt, angibt. In dem starken musku- 18sen Magen und der gerKumigen Speiser6hre fand ich fast nur kleine Frtichte und Baumknospen."

Herr Se lmons legt einige an der Wasserkante Mecklen- burgs gesammelte Singvogelnester vor, bei denen zum lnnen- ausbau und auch seitlich auffallend ~viele weifse (meist Giinse-) Federn: verwendet wurden, selbst bei Arten, die sonst keine Federn verbauen. Der briitende Vogel wird be i einigen dieser Nester geradezu yon Federn ilberwSlbt. Ob diese Bauweise einen Schutz gegen Wind gewiihren soll oder wozu sie sonst dienen kann, wird lebhaft erSrtert. Herr Se lmons wendet sich dann gegen eine im Vorjahre yon Herrn Heck gemachte Mitteilung, wonach dieser in den Alpen d ie ,Schmieden" des Tannenhehers gefunden hatte. Die V6gel sollen die Zirbelzapfen namentlich abgesiigter B~ume bearbeiten. Herr Selmons dagegen hat die Tannenheher und z. T. in ungeheuren Massen die Zirbelntlsse unmittelbar am Zapfen hiingend ausklauben gesehen und erwRlint, dafs in der N~he gar keine geeigneten ,,Schmieden" vorhanden gewesen seien.

Helztroth.