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WALTHER–MEIßNER–INSTITUT 15. Januar 2019 Bayerische Akademie der Wissenschaften Lehrstuhl für Technische Physik E23, Technische Universität München Prof. Dr. Rudolf Gross, Dr. Stephan Geprägs Tel.: +49 (0)89 289 14201 E-mail: [email protected], [email protected] Probeklausur Probeklausur zur Physik der Kondensierten Materie I WS 2018/2019 Aufgabe 1: Zweidimensionales Gitter (11 Punkte) Abbildung 1 zeigt eine zweidimensionale Kristallstruktur, die aus Mo- und S-Atomen mit Radius r Mo = 1, 5 Å und r S = 1 Å sowie den Atommassen m Mo = 96 u und m S = 32 u aufgebaut ist (atomare Masseneinheit u = 1, 660 · 10 -27 kg). 0,318 nm 0,318 nm Mo S Abbildung 1: Zweidimensionale Kristallstruktur einer Mo-S-Verbindung. 1.1 Zeichnen Sie das Punktgitter und geben Sie eine mögliche primitive Gitterzelle mit den zuge- hörigen Basisatomen und primitiven Gittervektoren der Kristallstruktur in Abb. 1 an. Berechnen Sie die Fläche dieser primitiven Einheitszelle. (3 Punkte) 1.2 Welches Bravais-Gitter beschreibt die Translationssymmetrie dieses Punktgitters vollständig? (1 Punkt) 1.3 Geben Sie die chemische Formel und die Flächendichte in g/cm 2 des abgebildeten Material- systems an. (2 Punkte) 1.4 Welche Symmetrieeigenschaften der Punktgruppe haben Punktgitter und Basis (Dreh- und Spiegeloperationen). Stimmen Basis und Punktgitter in ihren Symmetrieeigenschaften überein? (3 Punkte) 1.5 Beschreiben Sie, wie man die Wigner-Seitz-Zelle erhält, und zeichnen Sie diese für das Punkt- gitter der in Abb. 1 gezeigten Kristallstruktur. (2 Punkte) 1

Physik der Kondensierten Materie I - Aufgaben · Aufgabe 2 Ebenen und Richtungen in Kristallen (8 Punkte) 2.1 Wie lauten die Vorschriften zur Bestimmung der Millerschen Indizes (hk‘)

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WALTHER–MEIßNER–INSTITUT 15. Januar 2019Bayerische Akademie der WissenschaftenLehrstuhl für Technische Physik E23, Technische Universität MünchenProf. Dr. Rudolf Gross, Dr. Stephan GeprägsTel.: +49 (0)89 289 14201E-mail: [email protected], [email protected] Probeklausur

Probeklausur zur

Physik der Kondensierten Materie IWS 2018/2019

Aufgabe 1: Zweidimensionales Gitter (11 Punkte)

Abbildung 1 zeigt eine zweidimensionale Kristallstruktur, die aus Mo- und S-Atomen mit RadiusrMo = 1, 5 Å und rS = 1 Å sowie den Atommassen mMo = 96 u und mS = 32 u aufgebaut ist(atomare Masseneinheit u = 1, 660 · 10−27kg).

0,318 nm

0,318 nm

Mo

S

Abbildung 1: Zweidimensionale Kristallstruktur einerMo-S-Verbindung.

1.1 Zeichnen Sie das Punktgitter und geben Sie eine mögliche primitive Gitterzelle mit den zuge-hörigen Basisatomen und primitiven Gittervektoren der Kristallstruktur in Abb. 1 an. BerechnenSie die Fläche dieser primitiven Einheitszelle. (3 Punkte)

1.2 Welches Bravais-Gitter beschreibt die Translationssymmetrie dieses Punktgitters vollständig?(1 Punkt)

1.3 Geben Sie die chemische Formel und die Flächendichte in g/cm2 des abgebildeten Material-systems an. (2 Punkte)

1.4 Welche Symmetrieeigenschaften der Punktgruppe haben Punktgitter und Basis (Dreh- undSpiegeloperationen). Stimmen Basis und Punktgitter in ihren Symmetrieeigenschaften überein? (3Punkte)

1.5 Beschreiben Sie, wie man die Wigner-Seitz-Zelle erhält, und zeichnen Sie diese für das Punkt-gitter der in Abb. 1 gezeigten Kristallstruktur. (2 Punkte)

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Aufgabe 2 Ebenen und Richtungen in Kristallen (8 Punkte)

2.1 Wie lauten die Vorschriften zur Bestimmung der Millerschen Indizes (hk`) zur Bezeichnungvon Richtungen und Ebenen in Kristallen? (2 Punkte)

2.2 Abbildung 2(a)-(f) zeigt Ebenen in einem kubischen Kristall (blau eingefärbt). Geben Sie dieMillerschen Indizes (hk`) zu diesen Ebenen an. (3 Punkte)

(a) (b) (c)

(d) (e) (f)a a a

a a a

b b b

b b b

c c c

c c c

blau

gelb

rot

grün

a1

a2

a3 -a1

-a2

-a3

c(g)

Abbildung 2: Ebenen in einem (a)-(f) kubischen und (g) hexagonalen Kristall.

2.3 Für Kristalle mit hexagonalem Kristallgitter verwendet man üblicherweise 4 Kristallachsena1, a2, a3 und c (siehe Abb. 2(g)) und deshalb auch 4 Millersche Indizes (hki`) zur Bezeichnung vonEbenen. Geben Sie die 4 Millerschen Indizes (hki`) zu den vier in Abb. 2(g) gezeigten Ebenen (rot,grün, blau, gelb) an. Sind die 4 Indizes unabhängig voneinander. Falls nein, welche Beziehungenbestehen zwischen ihnen? (3 Punkte)

Aufgabe 3: Reziprokes Gitter (14 Punkte)

3.1 Wir gehen von einem Bravais-Gitter R = n1a1 + n2a2 + n3a3 aus, wobei n1, n2 und n3 ganzeZahlen und a1, a2 und a3 die primitiven Gittervektoren sind. Geben Sie das dazu reziproke Gitteran. Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Gittervektoren R und den reziproken Gitter-vektoren G? Wie hängen die elementaren Gittervektoren b1, b2 und b3 des reziproken Gitters mita1, a2 und a3 zusammen? (3 Punkte)

3.2 Was versteht man unter der 1. Brillouin-Zone? Wie lautet die Konstruktionsvorschrift für dieBrillouin-Zonen 1. und höherer Ordnung? Welche Bedingung erfüllen Wellenvektoren, die aufdem Rand der Brillouin-Zonen liegen? Konstruieren Sie die 1. und 2. Brillouin-Zone eines ebenen,zweidimensionalen, rechteckigen Gitters mit Gitterkonstanten a1 < a2. (4 Punkte)

3.3 Wir betrachten ein kubisch flächenzentriertes Gitter mit Gitterkonstante a. Zeigen Sie, dass dasdazu reziproke Gitter ebenfalls eine kubische Symmetrie besitzt. (4 Punkte)

3.4 Bestimmen Sie den Abstand von zwei benachbarten (110) Gitterebenen in einem einfach kubi-schen Gitter mit Gitterkonstante a. Vergleichen Sie diesen Abstand mit der Länge des reziprokenGittervektors G110 = [110]. Welche Orientierung besitzt G110 relativ zur der Gitterebene (110)? (3Punkte)

2

Aufgabe 4: Strukturanalyse – Strukturfaktor (10 Punkte)

4.1 Beschreiben Sie das Laue- und das Debye-Scherrer-Verfahren. (2 Punkte)

4.2 Wie lautet die von Laue-Bedingung? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Bragg-und der von Laue-Bedingung? (3 Punkte)

4.3 Berechnen Sie den Strukturfaktor für ein kubisch-flächenzentriertes Gitter. Gehen Sie dabeivom allgemeinen Ausdruck SG = ∑j f je−ıG·rj für den Strukturfaktor aus, wobei G = hb1 + kb2 +`b3 ein reziproker Gittervektor und rj die Positionen und f j die Atomformfaktoren der Basisatomesind. (3 Punkte)

4.4 Begründen Sie, warum der (100)-Röntgen-Reflex eines kubisch-flächenzentriertes Gitters ver-schwindet. (1 Punkt)

4.5 Diskutieren Sie qualitativ die Änderung des Strukturfaktors beim Übergang von einemkubisch-flächenzentrierten Kristalls mit einatomiger Basis zu einem Kristall mit Diamantstruktur.(1 Punkt)

Aufgabe 5: Bindungstypen (4 Punkte)

Welche Bindungstypen dominieren in den festen Phasen folgender Materialien: Quarz, Natrium,Neon, Diamant, Platin, Graphit, Silizium, Natriumchlorid?

Aufgabe 6: Ionische Bindung (10 Punkte)

Für die ionische Bindung ist die potentielle Energie pro Ionenpaar gegeben durch

U(R) = −αq2

4πε0R+ ZNNλe−R/ρ ,

wobei R der Abstand zum nächsten Nachbarn, q die Ladung der Ionen, α die Madelung-Konstanteund ZNN die Zahl der nächsten Nachbaratome ist. Die Parameter λ und ρ sind empirische Kon-stanten.

6.1 Diskutieren Sie die physikalische Ursache der attraktiven und repulsiven Wechselwirkung inU(R). (2 Punkte)

6.2 Skizzieren Sie den Verlauf des Potentials U(R) und der Kraft F(R) . (3 Punkte)

6.3 Zeigen Sie, dass für den Gleichgewichtsabstand R0 die Beziehung

R20 = ρα

q2

4πε0ZNNλeR0/ρ

gilt und berechnen Sie damit die zugehörige Bindungsenergie pro Ionenpaar U(R0) als Funktionvon α, ZNN , λ und ρ. (3 Punkte)

6.4 Für LiF beträgt α = 1.7476, R0 = 2.014 Å und U(R0) = −10.70 eV. Benutzen Sie diese Werte,um den Parameter ρ für LiF zu berechnen. Interpretieren Sie den Wert von ρ. Benutzen Sie hierfürε0 = 8, 854 · 10−12 As/Vm, e = 1, 602 · 10−19 As, 1 eV = 1, 602 · 10−19 J, 1 Å= 10−10 m. (2 Punkte)

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Aufgabe 7 Elastische Eigenschaften (6 Punkte)

7.1 Wie ist die Spannung σ definiert, welche Einheit besitzt sie? Wie viele unabhängige Kompo-nenten besitzt der Spannungstensor für einen dreidimensionalen Festkörper? Begründen Sie ihreAntwort. Was verstehen wir unter Normalspannung und Schubspannung, wie viele Normal- undSchubspannungskomponenten gibt es? (3 Punkte)

7.2 Welcher allgemeine Zusammenhang besteht zwischen den Komponenten des Spannungs- undDehnungstensors in linearer Näherung (Hookescher Bereich)? (1 Punkt)

7.3 Wie viele Komponenten besitzt der Elastizitätstensor im allgemeinen Fall für einen dreidimen-sionalen Festkörper? Auf wie viele unabhängige Komponenten kann diese Zahl aufgrund vonallgemeinen Symmetrieüberlegungen für eine beliebige Kristallsymmetrie reduziert werden? Wieviele unabhängige Komponenten verbleiben schließlich für einen kubischen Kristall? (2 Punkte)

Aufgabe 8 Gitterschwingungen (14 Punkte)

Betrachten Sie eine lineare monoatomare Kette aus äquidistanten Atomen der Masse M im Ab-stand a, die um ihre Gleichgewichtslage kleine Schwingungen ausführen können (longitudina-le Polarisation, harmonische Näherung). Eine Wechselwirkung bestehe ausschließlich zwischennächsten Nachbarn und sei durch die Federkonstante C charakterisiert. Die Position des n-tenAtoms sei durch xn(t) = na + un(t) beschrieben. (Angabe: cos x ' 1− 1

2 x2)

8.1 Zeigen Sie, dass die Auslenkung un(t) des n-ten Atoms der Differentialgleichung

Md2un(t)

dt2 = −C [2un(t)− un+1(t)− un−1(t)]

genügt. (1 Punkt)

8.2 Lösen Sie diese Gleichung mit dem Ansatz un(t) = u0(t)eıqna und leiten Sie eine Dispersions-relation zwischen Frequenz ω und der Wellenzahl q ab. (2 Punkte)

8.3 Skizzieren Sie den Verlauf ω(q). (2 Punkte)

8.4 Diskutieren Sie den langwelligen Limes qa � 1. Welche Steigung hat die Dispersionsrelationdort? Zeigen Sie, dass sich aus der obigen Differentialgleichung die Schall-Wellengleichung

∂2u(x, t)∂t2 − v2

s∂2u(x, t)

∂x2 = 0

ergibt, wenn man zur Kontinuumsbeschreibung un±1(t) = u(x ± a, t) übergeht. Entwickeln Siehierzu den Ausdruck für die Auslenkung der Atome aus ihrer Ruhelage in eine Taylor-Reihe umdie Gleichgewichtsposition. (4 Punkte)

8.5 Diskutieren Sie den Grenzfall q→ π/a. Welche Steigung hat die Dispersion dort? (2 Punkte)

8.6 Betrachten Sie nun eine lineare Kette mit alternierenden Atomen der Masse M1 und M2 (M1 >M2) verknüpft über die Kopplungskonstante C und skizzieren Sie nun die Dispersionsrelationω(q). (3 Punkte)

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Aufgabe 9: Spezifische Wärme (11 Punkte)

Die spezifische Wärmekapazität eines dreidimensionalen Kristallgitters bei konstantem Volumen,cV , ist gegeben durch

cV =CV

V=

1V ∑

q,r

∂Thωr(q)

ehωr(q)

kBT − 1.

Hierbei ist r die Zahl der Phononenzweige. (Angaben: ex ' 1 + x + 12 x2 + 1

6 x3 bzw. 1a+bx+cx2+... '

1a

[1− b

a x +(

b2

a2 − ca

)x2],∫ ∞

0 dx[x2/(ex − 1)] ' 2, 404 bzw.∫ ∞

0 dx[x/(ex − 1)] = π2/6)

9.1 Was besagt die Debyesche Näherung? (1 Punkt)

9.2 Wie hängt die phononische Zustandsdichte D(ω) im Debye-Modell bei kleinen Energien imdrei- und zweidimensionalen Fall von ω ab? Begründen Sie Ihre Antwort. (2 Punkte)

9.3 Berechnen Sie die Debye-Wellenzahl qD, die Debye-Frequenz ωD und die Debye-TemperaturΘD für Silber. Silber hat eine fcc-Kristallstruktur mit Gitterkonstante a = 4, 09 Å und eine mittlereSchallgeschwindigkeit vs = 2600 m/s (Angaben: h = 1, 054 · 10−34 J s, kB = 1, 381× 10−23 J/K). (3Punkte)

9.4 Wir betrachten nun einen eindimensionalen Kristall, in dem die Bewegung der Atome nur ineiner Dimension stattfindet. Berechnen Sie den Hochtemperaturlimes (hωr(q)� kBT) von cV . Wiehängt cV(T) in diesem eindimensionalen Kristall bei tiefen Temperaturen von T ab? Was bedeutet“tiefe Temperatur” in diesem Zusammenhang? (5 Punkte)

Aufgabe 10: Fermi-Wellenvektor, Fermi-Energie und Zustandsdichteeines freien Elektronengases (9 Punkte)

3He besitzt einen Kernspin I = 1/2 und ist deshalb ein Fermion. Aufgrund der durch die kleineAtommasse verursachten großen Nullpunktsfluktuationen wird 3He selbst bei T = 0 und Nor-maldruck nicht fest. Es bildet eine Fermi-Flüssigkeit mit einer Dichte von ρ = 0, 08 g/cm3.(Angaben: h = 1, 054× 10−34 Js, kB = 1, 381× 10−23 J/K, Elektronenmasse m = 9, 109× 10−31 kg,Masse eines 3He-Atoms: m3He = 3, 016 · u, atomare Masseneinheit u = 1, 660× 10−27 kg, Elektro-nendichte von Kupfer n = 8, 45× 1028 m−3)

10.1 Berechnen Sie die Fermi-Energie EF, Fermi-Temperatur TF und die Fermi-GeschwindigkeitvF. Betrachten Sie hierfür zuerst 3He als ideales Fermi-Gas. Die endliche Wechselwirkung der He-Atome können sie dann durch eine effektive Masse m∗ = 2, 8 ·m3He berücksichtigen.Vergleichen Sie diese Werte mit denjenigen, die typischerweise für Elektronengase in Metallen(z.B. Kupfer) erhalten werden. Wieso stellt flüssiges 3He ein ideales Modellsystem für das Studi-um von Fermi-Gasen dar, welche Vorteile bestehen gegenüber Elektronengasen in Metallen? (5Punkte)

10.2 Berechnen Sie die Zustandsdichte bei der Fermi-Energie D(EF) und mit Hilfe von

U ' U(T = 0) + (kBT)2 π2

6D(EF)

die spezifische Wärmekapazität von flüssigem 3He für T � TF. Berücksichtigen Sie dabei dieTatsache, dass die effektive Masse der 3He-Atome in der Flüssigkeit etwa 2.8-mal so groß ist wiediejenige der freien Atome. Vergleichen Sie den für T = 20 mK erhaltenen Wert mit dem vonKupfer. (4 Punkte)

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