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362 F.G.v. Stockert: ~ber Seitendifferenzen des Pulses und Blutdruckes bei Paresen linden sich im Schrifttum eine Reihe yon Mitteilungen, die im wesentlichen eine BlutdruckerhShung bis zu 20 mm auf der paretischen SeRe fest- stellen. Auch wir haben bei 10 Paresen in 6 F/illen eine Differenz bis 15 mm gefunden. Zur Technik der Messungen muB noch betont werden, dab es notwendig erseheint, die Messung vSllig gleichzeitig an beiden Armen vorzunehmen. Dies 1/LSt sich dureh eine geeignete Methodik, die wir demn/~chst beschreiben werden, erreichen. Erw/~hnt mul3 zum Schlul3 noch werden, dab wir bei zahlreichen Kontrolluntersuchungen an Gesunden mit dieser Methode keine Differenzen des Blutdruekes und des Pulses feststellen konnten. Psychische Stiirungen nach Hirnoperationen. Von F. G. v. Stockert, Halle-Wfirzburg. Eine Untersuchung der psychischen St5rungen nach Hirnoperationen bedarf zun~chst einer Aufteilung in drei Fragestellungen, wobei nahe- liegenderweise gewisse l~berschneidungen nicht zu vermeiden sind. In erster Linie handelt es sich um die Frage, inwieweit eine Hirnopera~ion durch die ErSffnung der Sch~delkapsel und die dadurch gesetzte intrakranielle Druckver~nderung mit den, durch ein stumpfes Sch~deltrauma gesetzten Sch~digungen vergleichbar ist, wenn auch eine Prallung der Gehirnsubstanz oder ein brfisker Flfissigkeitsstol3 innerhalb der Ventrikel nicht in Frage kommt. Als zweite Problemstellung sollen uns die im Anschlu[3 an eine Hirnoperation auftretenden psychotischen Reaktionen zu besch/~ftigen haben und endlich bedarf noch die ~berlegung eine besondere Berfick- sichtigung, wieweit lokalisatorische Momente beim Eingriff ffir die Form gewisser psychischer StSrungen verantwortlich zu machen sind. Was die erste Frage anbelangt, so wollen wir yon dem Syndrom der Commotio cerebri unseren Ausgang nehmen, das durch BewuStlosigkeit, retrograde Amnesie und Pulsverlangsamung charakterisiert zu werden pflegt. Mit Rficksicht darauf, da$ im allgemeinen Hirnoperationen in Lokalan/~sthesie ausgeffihrt zu werden pflegen, gelingt es ohne weiteres auch w/ihrend des Eingriffs, soweit dies den Gang der Operationen nicht stSrt, sich mit den Kranken in Kontakt zu setzen. Tats~ehlich zeigt sich, dab die Patienten aueh w/~hrend des ganzen Eingriffs fiber ihr Befinden Auskunft zu geben vermSgen und ofb spontan Wfinsche, sei es fiber ~nderung der Lage oder /ihnliches /~ul3ern.

Psychische Störungen nach Hirnoperationen

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362 F.G.v. Stockert:

~ber Seitendifferenzen des Pulses und Blutdruckes bei Paresen linden sich im Schrifttum eine Reihe yon Mitteilungen, die im wesentlichen eine BlutdruckerhShung bis zu 20 mm auf der paretischen SeRe fest- stellen. Auch wir haben bei 10 Paresen in 6 F/illen eine Differenz bis 15 mm gefunden. Zur Technik der Messungen muB noch betont werden, dab es notwendig erseheint, die Messung vSllig gleichzeitig an beiden Armen vorzunehmen. Dies 1/LSt sich dureh eine geeignete Methodik, die wir demn/~chst beschreiben werden, erreichen. Erw/~hnt mul3 zum Schlul3 noch werden, dab wir bei zahlreichen Kontrolluntersuchungen an Gesunden mit dieser Methode keine Differenzen des Blutdruekes und des Pulses feststellen konnten.

Psychische Stiirungen nach Hirnoperationen. Von

F. G. v. Stockert, Halle-Wfirzburg.

Eine Untersuchung der psychischen St5rungen nach Hirnoperationen bedarf zun~chst einer Aufteilung in drei Fragestellungen, wobei nahe- liegenderweise gewisse l~berschneidungen nicht zu vermeiden sind. In erster Linie handelt es sich um die Frage, inwieweit eine Hirnopera~ion durch die ErSffnung der Sch~delkapsel und die dadurch gesetzte intrakranielle Druckver~nderung mit den, durch ein stumpfes Sch~deltrauma gesetzten Sch~digungen vergleichbar ist, wenn auch eine Prallung der Gehirnsubstanz oder ein brfisker Flfissigkeitsstol3 innerhalb der Ventrikel nicht in Frage kommt. Als zweite Problemstellung sollen uns die im Anschlu[3 an eine Hirnoperation auftretenden psychotischen Reaktionen zu besch/~ftigen haben und endlich bedarf noch die ~berlegung eine besondere Berfick- sichtigung, wieweit lokalisatorische Momente beim Eingriff ffir die Form gewisser psychischer StSrungen verantwortlich zu machen sind.

Was die erste Frage anbelangt, so wollen wir yon dem Syndrom der Commotio cerebri unseren Ausgang nehmen, das durch BewuStlosigkeit, retrograde Amnesie und Pulsverlangsamung charakterisiert zu werden pflegt. Mit Rficksicht darauf, da$ im allgemeinen Hirnoperationen in Lokalan/~sthesie ausgeffihrt zu werden pflegen, gelingt es ohne weiteres auch w/ihrend des Eingriffs, soweit dies den Gang der Operationen nicht stSrt, sich mit den Kranken in Kontakt zu setzen. Tats~ehlich zeigt sich, dab die Patienten aueh w/~hrend des ganzen Eingriffs fiber ihr Befinden Auskunft zu geben vermSgen und ofb spontan Wfinsche, sei es fiber ~nderung der Lage oder /ihnliches /~ul3ern.

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Zuweilen kommt es auch zu einem auffallenden Rededrang, der, wie Bostroem 1 bereits einmal hervorgehoben hat, von einer mit der Situation in Widerspruch stehenden Euphorie begleitet sein kann. Die Kranken machen z. B. durchaus schnoddrige Bemerkungen fiber das knackende Ger/~usch der Knochenzange oder ein Kranker schlug dem Operateur vor, i_hm ein neues Gehirn einzusetzen, falls das alte nichts tauge usw. Es mul3 dabei jetzt schon hervorgehoben werden, dab es sich in dem yon Bostroem 1 erw~hnten und einem yon Prof. TSnn i s operierten Fall um einen linksseitigen Parietaltumor und bei einem yon Prof. Stieda

in Halle operierten Patienten - - den ich auch zu beobachten Gelegenheit hatte - - um ein Gliom im Bereich der linken vorderen Zentralwindung handelte.

Bereits am Tage nach der Operation und in den folgenden Tagen verm6gen die Kranken fiber den Verlauf des Eingriffs, soweit sie ihn verfolgen konnten, fibersichtlich Auskunft zu geben. Es sei aber ebenfalls hier sehon auf die Ausnahmen hingewiesen. - - So sieht man h~ufig bei Eingriffen, die ein Absaugen des Liquors um Platz zu gewinnen erforder- lich machen, so dab das Gehirn maximal vorw~rts oder rfickwitrts sinkt, dab der Patient teilnahmslos und schwer ansprechbar wurde. Dieses Ereignis tr i t t besonders bei Operationen in der hinteren Sch~delgrube in Bauchlage oder bei einer Freilegung der Chiasmagegend in Rficken- lage ein. Es macht sich dabei eine Schls bemerkbar, die meist wieder verschwindet, wenn die Lage des Kranken ge~ndert wird oder sobald der Operateur den abgesaugten Liquor durch eine entsprechende Menge physiologischer KochsalzlSsung ersetzt. Es ist anzunehmen, dab es unter diesen Bedingungen zu einer Reizung yon Mittel- und Zwischen- hirnanteilen kommt, die den Schlafsteuerungszentren angehSren. Diese Kranken berichten dann aueh nachher, daI] sie sich noch deutlich an die Vorbereitungen zur Operation und an den Beginn des Eingriffs, z .B. an das Geritusch des Bohrens erinnern, dann fehle ihnen aber jede Erinnerung, zuweilen bis zum 3.--4. Tage nach der Operation.

Was nun die zweite Frage der postoperativen psychischen St6rungen anbelangt, sei gleich jetzt vorweggenommen, dal~ wir hier eine Reihe von Zustandsbildern zu sehen Gelegenheit haben, die uns Bonhoe//er o

als exogene Reaktionsformen yon den endogenen Psych0sen abzutrennen gelehrt hat.

Kleis t a, dem wir eine Monographie fiber postoperative Psychosen, nach Eingriffen die nicht das Gehirn betrafen, verdanken, konnte bei 8 seiner 10 F~lle feststellen, dab die psychotischen Reaktionen nach einem Intervall yon 2--14 Tagen nach dem Eingriff aufgetreten waren. Auch bei diesen Kranken handelt es sich in 9 F~llen um Psychosen yon

1 Bostroem: Dtsch. Z. Nervenheilk. 109 (1929). Bonhoe/#r: Die symptomatisehen Psychosen. Leipzig u. Wien: Deuttrich 1910.

3 Kleist: Postoperative Psychosen. Berlin: Julius Springer 1916.

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exogenem Reaktionstypus. Nur 1 Fall, bei dem sieh im Gegensatz zu den fibrigen rasch abklingenden Seelenst6rungen die psyehotische Reaktion auf 10 Wochen erstreckte, zeigte das Bild einer verworrenen Manie, nach Kleists Nomenklatur eine hyperkinetische Motiliti~ts- psychose. Es scheint erforderlich, diese Ergebnisse der Kleistsehen Untersuchung der Schilderung unserer Beobachtung voranzustellen, denn es handelt sich ja auch in unseren FMlen unabh/~ngig davon, dab hier die Operationen das Gehirn betrafen, um einem schweren, mehrere Stunden in Anspruch nehmenden Eingriff an Kranken, bei denen sieh bereits Monate bis viele Jahre eine Geschwulst entwickelt hatte. Wenn wir daher trotzdem diese psychotischen Reaktionen bei Gehirnoperierten besonders herausstellen, so geschieht dies deshalb, weil wir hier gewisse Gesetzm/~Bigkeiten feststellen kSnnten, die uns eine gesonderte Behand- lung unseres Material als berechtigt erscheinen lassen.

Freilich erweist sich die Intensit/~t der psychischen StSrungen weit- gehend yon dem histologischen Charakter und dem Sitz des Tumors abh/~ngig. H/~lt man sich an die Systematik, die Liebermeister ftir fieber- hafte Erkrankungen aufgestellt hatte und die von Bonhoe]/er prinzipiell fibernommen wurde, so bieten wohl die meisten Kranken in der post- operativen Phase Zeichen des ersten Stadiums dieses exogenen Zustands- bildes eine ,,organisehe BewuBtseinsstSrung". Die Kranken zeigen mehr oder weniger deutliche psychomotorische Verlangsamung, die yon einer AuffassungsstSrung, die als Schwebesinnlichkeit in Erscheinung tritt, begleitet wird. Es zeigt sich dabei auch eine gewisse StSrung der Wort- findung und Formulierung, die als amnestische Aphasie in verdiinntester Form angesprochen werden kann. Andererseits tritt auch eine leiehte Perseverationstendenz im Gedankenablauf zutage, die sich besonders in der gleichfSrmigen ~ul3erung derselben Wfinsche/~uBert. Im allgemeinen pflegt dieses Zustandsbild, das bereits am Tag der Operation selbst nachzuweisen ist, langsam zuzunehmen, um am 3.--4. Tag seinen HShe- punkt zu erreichen und dann wieder abzuklingen. Man kann mit einer gewissen Vorsicht sagen, dal3 diese Zeichen der organisehen Bewuf~t- seinstrfibung nach Meningiomen der Hirnoberfl/~che am undeutlichsten in Erscheinung treten und nach Entfernung yon Gliomen einen st/irkeren Grad zu erreichen pflegen. In solchen F/~llen kann die BewuBtseins- trfibung unmittelbar in das dritte Stadium der exogenen Zustandsbilder fibergehen, das durch eine Sehwererweckbarkeit der Kranken gekenn- zeiehnet ist. Die BewuBtseinstrfibung nimmt zu, es kommt zu einer motorischen Erregung mit amorphen Bewegungen und sprachlicher Reihenbildung, die Benommenheit wird endlich tiefer und geht schlieB- lich in ein Koma fiber, wobei der Patient unter den Erscheinungen einer Hyperthermie ad exitum kommt. Es handelt sich in solchen F/~llen fast immer um Tumoren, die in die Stammganglien eingewachsen waren; die Obduktion ergab dann eine kollaterale Schwellung des Hirnstamms.

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Von den Zust~nden organischer BewuBtseinstrfibung bestehen flie- Bende ~berg~nge zu solchen deliranter Verwirrtheit, die sich bis zu schweren halluzinatorischen Erregungszust~nden steigern k5nnen. In unserem Material von 400 histologisch best~tigten Hirngeschwiilsten wurden 7 F~lle von halluzinatorischen Psychosen beobachtet, wobei nicht in Abrede gestellt werden kann, dab in einer Reihe yon F~llen leichte hypnagoge Halluzinationen unberiicksichtigt blieben. Den yon uns beobachteten Fs war ein ziemlich schlagartiger Beginn am dritten Tage nach der Operation gemeinsam, also mit dem Zeitpunkt, wo die physiologischen Gewebsreaktionen, Arachnoiditis, lokales 0dem und Hirnschwellung ihren HShepunkt erreichen. Bei 2 Kranken beschr~nkten sich die halluzinatorischen Reaktionen auf die dritte und vierte Nacht, wobei sich die Patienten beruhigten, sobald Licht gemacht wurde. Inhaltlich zeigten die Sinnest~uschungen, die im wesentlichen optischer Natur waren, in beiden F~llen deutliche Beziehungen zur Situation insofern, als sie die Furcht vor der Operation zum Ausdruck brachten. Eine 42js Patientin, die wegen eines rechtsseitigen parietalen Glioms operiert worden war, sah 2 Gestalten, die einen Korb vor ihr Bert stellten um sie hineinzustecken, wobei sie wul~te, dab vor dem Fenster ein Metzgerwagen steht, auf dem sie zum Verwursten gebracht werden soll. Ein anderer Kranker, bei. dem ein Medulloblastom des Kleinhirns entfernt wurde, sah eine schwarze Gestalt im Zimmer, die er fiir den Tod hielt und verlangte, dab sofort ein Priester komme, seine Beichte zu hSren, obwohl er wenige Tage zuvor tatsachlich gebeichtet hatte.

In einem Fall von operiertem Lindau-Tumor des Kleinhirns bestand ein schwerer ~ngstlicher, halluzinatorischer Verwirrtheitszustand mit Sinnesti~uschungen auf allen Sinnesgebieten. Die Patientin glaubte sich in einem brennenden Haus eingeschlossen, hSrte die prasselnden Balken einstfirzen, glaubte Brandgeruch wahrzunehmen und die Stimme ihres Vaters zu hSren. In ihrer Erregung konnte sie nur mit Mfihe gehindert werden, zum Fenster herauszuspringen. Am n~chsten Tag waren die Sinnest~uschungen vSllig verschwunden, wurden aber erst nach Tagen als krankhaft erkannt.

In 2 Fs schienen uns die Sinnesti~uschungen weitgehend durch den Sitz des Tumors bedingt und zwar handelt es sich bei einem Kranken um ein Medulloblastom des Kleinhirns. Am dritten Tage nach der Totalexstirpation der Geschwulst klagte er plStzlich fiber Bewegungs- halluzinationen. Er glaubte immer wieder, dab sein Bert nicht nur so gedreht wurde, dab bald das Kopfende und FuBende wechselten, sondern er behauptete plStzlich, das Bert wfirde in der Liingsachse so gedreht, dab die Beine des Bettes gegen die Decke gerichtet ws und er zur Erde zu fallen ffirchtete. Eine Drehtendenz nach einer be- sonderen Richtung konnte aber niemals nachgewiesen werden. Diese

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ttalluzinationen dauerten etwa 2 Tage, w~hrend der Patient eine auf- fallend heitere Stimmungslage zeigte, so da6 er stets zum Witzeln ge- neigt war.

Bei einem einzigen Kranken traten bereits am Tag naeh der Operation selbst ]ebhafte optische Halluzinationen auf. Die Halluzinationen sind teils ungeformt und werden a]s Pulverstaub, der fiber die Wand herunter- l~uft, beschrieben, teils gestaltet als Miinner mit grauen Kitteln. Er ist dabei desorientiert, verlangt ins Bert gebracht zu werden, w~hrend er sich auf einem Autositz zu befinden glaubt. Es handelt sich in diesem Fall um ein cystisches Gliom des rechten Oceipitallappens, das bei der Operation in toto entfernt wurde. Obwohl ein hemianopischer Charakter der Halluzinationen nicht nachgewiesen werden konnte, liegt die Ver- mutung nahe, dab die L/~sion der Sehzentren for die nur am Operations- tag vorhandenen Sinnestituschungen verantwortlich zu machen war.

Sucht man eine Ursache, warum gerade in diesen F/illen halluzina- torische Zustandsbilder aufgetreten sind, so muB vor allem darauf hin- gewiesen werden, da6 in keinem der 7 F~lle eine erbliche Belastung mit endo- oder exogenen Psychosen nachgewiesen werden konnte. Es mul~ auch betont werden, da6 die Halluzinosen stets in 1--3 Tagen abgeklungen waren, wenn auch der Eintri t t der vSlligen Krankheitseinsicht noch mehrere Tage in Anspruch nahm. Die Tatsache, da6 in 6 von 7 Fiillen die psychotischen StSrungen auf der HShe der entzfindlichen Reaktion auftraten, spricht fiir den Zusammenhang der psychichen Bilder mit der reaktiven biologischen Reaktion nach dem Eingriff. Bemerkenswert scheint uns aber auch die Tatsache, dal3 es sich in 5 der 7 F~lle um Kleinhirngeschwiilste handelte, bei denen bereits l~ngere Zeit ein erheb- licher Hydrocephalus occlusus die Zirkulation und LiquorstrSmung des Gehirns gestSrt hat, so da2 hier ein bereits in dieser Weise gesch~digtes Gehirn einer neuen sch~digenden Noxe ausgesetzt war. Auch C a i r n s 1

berichtet fiber eine psychotische Reaktion im AnschluB an eine Operation wegen Hydrocephalus. Sowohl der zuletzt von mir erwi~hnte Kranke, der 9j~hrige Knabe mit dem eystischen Gliom des Occipitallappens, wies eine betriichtliche hydrocephale Erweiterung des Ventrikelsystems auf und auch bei der Kranken mit dem Gliom des rechten Parietallappens konnte im Ventrikulogramm eine deutliche Erweiterung der Ventrikel nachgewiesen werden.

Wie bereits ausgeffihrt, handelte es sich bei 7 Fi~llen mit transi- torischen psychischen St6rungen im Sinne des exogenen Reaktionstypus um Patienten ohne jede erbliche Belastung mit psyehischen Erkran- kungen. Es sei nun noch ein Patient erwiihnt, dessen Zustandsbild vSllig yon den bisher geschilderten abweicht und bei dem sich die Dauer der psyehotischen Reaktion auf viele Monate erstreckte.

1 Cairns: Dtsch. Z. Nervenheilk. 188.

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Der 21j~hrige Kranke, der yon seiten der mtitterlichen ~amilie mit Suiciden und Epilepsie belastet war, litt selbst seit 2 Jahren an Anfi~llen und zeigte bereits in dieser Zeit eine Charakterver~nderung. 3 Tage naeh der Entfernung eines 144 g sehweren Meningioms der Sagittalfurehe erkrankte er an einem psyehotischen Zustandsbild mit hoehgradiger psychomotoriseher Erregung. Seine spraehlichen Dukten entsprachen einer Ideenflueht mit assozialen Reim und Reihenbildung, die grobe Besehimpfungen beinhalteten. Der Patient muBte in die Nervenklinik verlegt werden, wo sein manisehes Zustandsbild yon vortibergehenden ttemmungs- zust~nden abgelSst wurde. Wir halten mit Rtieksicht auf die erbliche Belastung die psyehotische StSrung, die im Verlauf eines halben Jahres abklang, ftir eine verworrene Manie im Sinne yon Bostroem, wobei wir in ~bereinstimmung mit diesem Autor ein Zusammentreffen exogener und endogener Faktoren fiir die Entstehung der psychotisehen Reaktion verantwortlieh machten. Es muB noch besonders hervorgehoben werden, dab die anf~ngliehen Erregungszust~nde dutch ausgiebige Lumbalpunktionen giinstig beeinfluBt werden konnten.

Endlich seien in diesem Zusammenhang mit gewisser Zuriickhaltung noch 2 Patienten angefiihrt, die innerhalb eines halben Jahres nach einer Tumoroperation (in dem einen Fall handelte es sich um ein Kleinhirn- gliom, im anderen um ein Gliom des rechten Temporallappens) mit Depres- sionszust~nden reagierten, so dab der eine Kranke in einer Heilanstalt untergebracht werden muBte. In beiden F~tllen handelte es sieh um Patienten, die mit melancholischen Zust~nden in der Heredit~t belastet waren. Die Frage, ob die depressive Phase bei unseren Kranken mit dem Trauma der Hirnoperation in Zusammenhang steht, wiirden wir solange verneinen, als nicht eine Zahl gleicher Beobachtungen des Zu- sammentreffens von depressiven Reaktionen nach Hirnoperationen bei entsprechender Veranlagung best~tigen sollten. In dem erw~hnten Fall der verworrenen Manie kSnnen wohl die reaktiven Vorg~nge im Gehirn im AnschluB an die Hirnoperation als auslSsendes Moment nicht abge- lehnt werden, selbst wenn die eharakterologisehen Veriinderungen vor der Operation und die Antriebsschws die noch zu Hause beobachtet wurde, beriicksichtigt wird. Man muB eben bedenken, dab bei den Kranken ein ungewShnlich groBer Tumor sieh mehrere Jahre lang ent- wickelt hat und zu einer betrs Kompression der Hemisph~ren fiihrte, so dab neben der psychotischen Reaktion auch eine durch die unmittelbare Hirnsch~digung bedingte StSrung naehzuweisen war.

AbschlieBend sei noch kurz die Frage erSrtert, wieweit gewisse psychische StSrungen unmittelbar v o n d e r Lokalisation eines Eingriffs abh~ngig sein kSnnen. Es wurde schon eingangs erwi~hnt, daB bei operativen Eingriffen an der Sch~delbasis insofern hypothalamische Zentren im Verlauf der Operation unmittelbar oder indirekt durch kollaterale Hirnschwellung gereizt wurden, die Kranken fiir die Zeit w~hrend der oder unmittelbar nach der Operation eine Amnesie aufwiesen. In vereinzelten F~llen befinden diese sich noch mehrere Tage in einem somnulenten Zustand, ~us dem sie, wie bereits v. Economo fiir die akuten Encephalitiden hervorgehoben hat, besonders leicht erweckbar sind.

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W~hrend die meisten Kranken bereits nach 3--4 Tagen v611ig lucid sind, entwickelt sich in diesem Stadium der Schlummersucht bei manchen Kranken fiber ein bis zu vielen Wochen anhaltende Korsako//sches Zustandsbild. Ein Patient im Alter yon 57 Jahren, der bereits eine deutliche periphere Arteriosklerose mit Hypertonie aufwies, bot im AnschluB an die Entfernung eines Adenoms des Hypophysenvorder- lappens ebenfalls ein schweres Korsako//-Syndrom mit 5rtlicher und zeitlicher Desorientierung und hochgradiger Merkf~higkeitsst6rung, wobei er sieh jeder Zeit zu Konfabulationen anregen lieB. Hier dauerte die Rfickbildung der psychischen StSrung, wobei auch am Ende die retrograde Amnesie wieder aufgehellt war fiber 3 Monate. Dieser Patient konnte bald nach seiner Entlassung seinen Beruf als Versicherungsbeamter wieder aufnehmen.

Ein i~hnliches Zustandsbild konnte man bei einem 56ji~hrigen Mann beobachten, das aber nur 5 Tage anhielt.

Es ist vielleicht bemerkenswert, dab es sich in beiden F~tllen um Kranke handelte, die bereits kSrperlich deutliche Abnfitzungserschei- nungen aufwiesen, withrend bei den Kranken jfingerer Altersstufen Reaktionen dieser Art niemals beobachtet werden konnten, so dab wir vielleicht ein vorgeschrittenes Alter in diesen Fallen als pr~disponierendes Moment ffir postoperative Zustandsbilder dieser Art annehmen kSnnten. Hervorzuheben scheint uns aber auch hier die gfinstige Prognose bezfig- lich dieser Zustandsbilder.

Eine Kranke mit 41 Jahren, die wegen eines Adenoms des Hypophysenvorder- lappens operiert worden war, zeigte sich in den ersten 2 Wochen 6rtlich und zeitlich v611ig desorientiert, sie schrieb ihrem bereits vor 3 Jahren verstorbenen Mann vorwurfsvolle Karten, dab er sie nicht in der Klinik besuche usw. Abends wurde sie unruhig, verliel3 ihr Bett, um Wasser zu holen, drehte die Wasserleitung auf und legte sich dann im Nebenzimmer in ein gerade leeres M~nnerbett. 2 Monate nach ihrer Entlassung aus der Klinik stellte sie sich zur Nachuntersuchung vor, wobei sie keinerlei groben Ausf~lle im Sinne eines Korsakoffs mehr zeigte. Es ergab sich auch, dab die Kranke zu Hause wieder ihren Haushalt erledigte, ein Kind versorgte und gleichzeitig auch eine Aufwartestelle versah.

In diesem Fall kann ffir die Entstehung des Korsako]]-Zustands aber nicht der Eingriff in der Gegend der hypothalamischen Zentren allein verantwortlich gemacht werden, da zur Freilegung der Hypophyse erhebliehe Teile der 2. und 3. Stirnwindung rechts entfernt werden muBten und auBerdem ein vereitertes H~matom entleert wurde. Auf letzteres sei besonders hingewiesen, da Ho//1 vor kurzem ebenfalls Nach- blutungen nach Hirnoperationen ffir BewuBtseinsst6rungen verantwort- lich machte.

Wir glauben feststellen zu k6nnen, dab wir w~hrend der Operationen und in unmittelbarem AnschluI3 an diese keinerlei Erscheinungen be- obachten k6nnen, die dem Kommotions- und Kontusionssyndrom nach

1 Ho/] u. Sch6nbauer: Fortschr. Neur. 7 (1935).

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Zur tIistopathologie der Gro~hirngliome. 369

stumpfen Schs entsprechen. Die postoperativen Reak- tionen sind als exogene Zustandsbilder im Sinne yon Bonhoe//er aufzu- fassen. Es scheint, dab ein l~ngeres Bestehen eines erheblichen Hydro- cephalus vor dem Eingriff in der reaktiv sterilentziindlichen Phase des postoperativen Verlaufes h~ufiger zu halluzinatorischen Zust~nden Ver- anlassung bietet. Eine hereditgre Belastung aus dem manisch.depressiven Formenkreis vermag zuweilen - - ebenso wie sonst bei Psyehosen infolge yon Hirntumoren - - Form und Verlauf zu beeinflussen. Naeh Opera- tionen im Hypothalamusgebiet kommt kS zuweilen zu Sehlafsucht und amnestischen Symptomenbildern, die sich bei in Riickbildung begriffenen Gehirnen bis zu viele Wochen dauernden Korsako//-Zust~nden steigern kSnnen, letzten Endes aber eine gfinstige Prognose aufweisen.

Aus diesen sp~rlichen Andeutungen kann bereits entnommen werden, dab die Verfolgung des postoperativen Zustandsbildes nach Eingriffen am Gehirn uns ein gewisses Licht auf die Genese exogener Psychosen und auf die Probleme der Lokalisation psychische StSrungen werfen kann. Die mitgeteilten Beobachtungen verfolgen nur den Zweck, das Augenmerk auf diese Fragen zu lenken und den Ausbau dieser Probleme anzuregen.

(Aus dem Neuropathologischen Laboratorium [Prof. Dr. Schaltenbrand] der Medi- zinischen und Nervenklinik und der neurochirurgischen Abteilung [Prof. Dr. T6nnisJ

des Luitpoldkrankenhauses Wfirzburg.)

Zur Histopathologie der GroBhirngliome in den ersten beiden Lebensjahrzehnten ~.

V o n

I(laus Joachim Ziilch, Wtirzburg.

Mit 3 Textabbildungen.

Die Anregung zu der folgenden Untersuchung ging von einer Be- obachtung yon Prof. Tgnnis aus, dem eine Hi~ufung in der Lokalisation der kindlichen I-Iemisph~rengliome in der Gegend des Gyr . supra- marginalis und angularis, kurz in der ,,Dreil~nderecke" yon Parietal-, Occipital- und Temporallappen auffiel. Um diese fiir die neuroehirurgische Indikationsstellung und Lokalisationsfrage wichtige Beobachtung weiter zu verfolgen, versuchten wir festzustellen, ob dieser Vorliebe der kind- lichen GroBhirngliome fiir eine bestimmte Lokalisation auch eine

1 Die Untersuchung wurde mit Unterstiitzung der Rockefellerstlftung durch- geffihrt.

Z. f. d. g. N e u r . u . P s y c h . 158 (Kongr . -Bcr . ) . 24