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(Aus dem Physiologischen Institut der Tierarztliehen Hochschule Berlin. Direktor: Prof. M. Cremer.) Reizversuche mit der bewegten Kathode am Nerv-Muskelpriiparat*. Von Hans Fleischhacker, wissenschaftl. Assistent a. d. Psychiatr. u. Nervenklinik der Universit~it Frankfurt a. M. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 3. August 1927.) Nach der Stromtheorie der Erregungsleitung wird der Nervenimpuls in Gestalt der Aktionsstromwelle mit der ihr eigentfimlichen Fort- pflanzungsgeschwindigkeit fiber den Nerven dahingetragen. Zur Prfifung dieser Theorie, auf Grund deren Cremer eine Formel ffir die Gesehwindig- keit der Erregungsleitung im Nerven entwickelte 1, hat Cremer das Prinzip der bewegten Kathode vorgeschlagen z. Es besteht darin, dab eine Kathode mit einer der Aktionsstromgeschwindigkeit/~hnlichen Ge- schwindigkeit am Nerven vorbeigeffihrt wird. Cremer selbst hat in seiner ersten Mitteilung fiber dieses Verfahren bereits dargelegt, welche Auf- schlfisse es zu ermSglichen scheint. In den vorliegenden Versuchen wurde die bewegte Kathode zur Reizung des Nerven verwandt. Als einfachstes Verfahren wurde das mechanische in Form des fallenden Pendels benutzt, obschon selbst- verst~ndlich auch andere MSglichkeiten bestehen (z. B. Helmholtzpendel, Pupinkabel). Die Versuche, die bereits im Jahre 1924 begonnen wurden, konnten aus ~uBeren Grfinden nur mit Unterbrechungen fortgesetzt und mul~ten im Anfang dieses Jahres abgebrochen werden. Infolgedessen sei zu- n~chst fiber vorl~ufige Resultate, die naeh langen Vorversuchen mit verschiedenen Anordnungen gewonnen wurden, in Kfirze beriehtet. Als l~eizobjekt diente das Nerv-Muskelpr~parat des Frosehes. Es wurde derart in einer aus Paraffin gefertigten rechteckigen, mit Ringer- * Anmerkung: Der fiir die Schuster-Festschrift (Zeitschr. f. d. ges. Neuroh u. Psychiatrie II0, H. 2) bestimmte Beitrag lief zu spat bei der Redaktion ein, kann daher erst jetzt verSffentlicht werden.

Reizversuche mit der bewegten Kathode am Nerv-Muskelpräparat

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(Aus dem Physiologischen Institut der Tierarztliehen Hochschule Berlin. Direktor: Prof. M. Cremer.)

Reizversuche mit der bewegten Kathode am Nerv-Muskelpriiparat*.

Von Hans Fleischhacker,

wissenschaftl. Assistent a. d. Psych ia t r . u. Nervenk l in ik der Universit~it Frankfurt a. M.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 3. August 1927.)

Nach der Stromtheorie der Erregungsleitung wird der Nervenimpuls in Gestalt der Aktionsstromwelle mit der ihr eigentfimlichen Fort- pflanzungsgeschwindigkeit fiber den Nerven dahingetragen. Zur Prfifung dieser Theorie, auf Grund deren Cremer eine Formel ffir die Gesehwindig- keit der Erregungsleitung im Nerven entwickelte 1, hat Cremer das Prinzip der bewegten Kathode vorgeschlagen z. Es besteht darin, dab eine Kathode mit einer der Aktionsstromgeschwindigkeit/~hnlichen Ge- schwindigkeit am Nerven vorbeigeffihrt wird. Cremer selbst hat in seiner ersten Mitteilung fiber dieses Verfahren bereits dargelegt, welche Auf- schlfisse es zu ermSglichen scheint.

In den vorliegenden Versuchen wurde die bewegte Kathode zur Reizung des Nerven verwandt. Als einfachstes Verfahren wurde das mechanische in Form des fallenden Pendels benutzt, obschon selbst- verst~ndlich auch andere MSglichkeiten bestehen (z. B. Helmholtzpendel, Pupinkabel).

Die Versuche, die bereits im Jahre 1924 begonnen wurden, konnten aus ~uBeren Grfinden nur mit Unterbrechungen fortgesetzt und mul~ten im Anfang dieses Jahres abgebrochen werden. Infolgedessen sei zu- n~chst fiber vorl~ufige Resultate, die naeh langen Vorversuchen mit verschiedenen Anordnungen gewonnen wurden, in Kfirze beriehtet.

Als l~eizobjekt diente das Nerv-Muskelpr~parat des Frosehes. Es wurde derart in einer aus Paraffin gefertigten rechteckigen, mit Ringer-

* Anmerkung: Der fiir die Schuster-Festschrift (Zeitschr. f. d. ges. Neuroh u. Psychiatrie II0, H. 2) bestimmte Beitrag lief zu spat bei der Redaktion ein, kann daher erst jetzt verSffentlicht werden.

H. Fleischhacker: Reizversuche mit der bewegten Kathode. 51

15sung gefiillten Rinne untergebracht, dal] der Nerv auf einer Strecke yon etwa 3--4 cm der einen L~ngswand der Rinne anlag, w~hrend das Muskelende des Nerven mit dem Gastrocnemius einerseits und das Beckenende des Nerven andererseits, durch schmale seitliche Kan~le hindurchgefiihrt, rechtwinklig abgebogen in passenden Vertiefungen des Paraffinblocks sich befanden (vgl. Abb. 1). Der Strom trat dureh eine Silberelektrode, die in der dem proximalen Beckenende n~heren Quer- seite der Rinne angebracht war, in die RingerlSsung ein (Anode ~ A) und verliel~ die Fliissigkeit durch einen an dem Pendel (P) befindlichen

(

W

Abb. 1. P - - Pendel; Oe-- ~f fnungskontak t ; B - - B a t t e r i e (100 Volt); W = Kohlerheosta t (bis 250 000 Ohm); A = Anode; K = Kathode; N = Nerv; M = l~Iuskel; § = Fa l l r i eh tung

des Pendels; R = Rinne~

Silberdraht (Kathode = K). Bei hangendem Pendel (Ruhestellung) be- land sich die Spitze des Silberdrahtes kurz vor der distalen Umbiegung des Nerven, so dai~ der Strom die gerade Nervenstrecke in ganzer L~nge durchfloI3. In dem Stromkreis war ein 0ffnungskontakt (Oe) derart angebracht, dal~ er von dem fallenden Pendel dicht hinter der Ruhestellung, aber noch vor der distalen Umbiegung des Nerven auf- geschlagen wurde. Das Pendel konnte aus verschiedenen fixen HShen- lagen fallen gelassen werden und schlug mit dem Silberdraht in der L~tngsrichtung durch die F]iissigkeitsrinne. Auf diese Weise wurde dio Kathode mit verschiedener Geschwindigkeit an dem Nerven vorbei- gefiihrt. Zur VergrSl~erung oder Verringerung der Stromst~rke (bzw. Spannung) entsprechend den jeweiligen Erfordernissen des Versuchs,

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52 H. Fleischhacker :

sowie um den Strom trotz der wachsenden L~nge der durchflossenen Flfissigkeitssi~ule ann~hernd konstant zu halten, wurde eine Batterie von 100 Volt und ein regulierbarer Kohlerheostat von hohem Wider. stand (bis zu etwa 250 000 t)) benutzt. Das Gefi~lle der Reizspannung betrug 50--80 Millivolt pro cm in der L~ngsrichtung der durch: strSmten Fliissigkeit bei ruhender Elektrode (einfache Beobaehtung der minimalen Muskelzuckung).

Bei bewegter Elektrode wachsen die zur Schwellenreizung ben5tigten Spannungen mit der Geschwindigkeit. Bildet man den Quotienten aus der erforderlichen Millivoltzahl und der angewandten Geschwindigkeit, so zeigt sich, dal~ die Kurve fiir MV/v oberhalb einer Gesehwindigkeit

.vTMv I' I: ] :]

50 0 200 300 ~100 500 800 Cm/Se~ ~ ~)

Abb. 2. Gestricheltc Kur~-c: Schwellenreizspannung in Millivolt. Punktiertc Kurve: Quotient aus Schwellenreizspannung in Millivolt durch Geschwin- digkeit in cm/Sek. Zwei verschiedenc Versuchc bei

Zimmertempcratur.

yon etwa 500 cm/Sek, sieh asymptotisch einem Grenzwert yon 0,1 n~hert (Abb. 2). (Die bisherigen Versuehe genfigen jedoch nicht, den Grenzwert festzulegen, sondern weisen nur die Riqhtung, in der das end- giiltige Ergebnis zu suchen sein wird.)

Diese Angaben beziehen sich auf eine 1924 und 1925 benutzte tiefere und breitere Rinne und eine Pendelgeschwindigkeit bis zu ca. 12 m/Sek, sowie auf eine 1926 gebrauchte sehmAlere und

flaehere Rinne und eine Pendelgesehwindigkeit bis zu ca. 8 m/Sek. Das geschilderte Verhalten l~[3t sich nach den letzten Versuchen besonders gut bei dauernder Abkfihlung des Nerven auf 4 -7 o C in sehmaler flacher Rinne demonstrieren: infolge Verlangsamung der Erregungsleitung kann unter diesen UmstAnden die Pendelgeschwindig- keit ohne Schwierigkeit der Geschwindigkeit der NegativitAtswelle gleichgemacht werden. 1Jbrigens gelang es auch mit einem besonders konstruierten Pendel, hShere Geschwindigkeiten (bis zu etwa 18 m/Sek.) zu erzielen, doch ist dann ein st~rkeres Spritzen der Fliissigkeit nicht mehr zu vermeiden und die Beobachtung der Muskelzuckung erschwert (mit Hilfe eines Fernrohrs konnte die Verschiebung eines Reflexes bei der Kontraktion beobachtet werden).

Fiihrt man das Pendel sehr langsam am Nerven vcrbei, so erh~lt man rail StrSmen, die bei ruhender und bei relativ schnell bewegter Kathode eine sichere Zuckung ergeben, keine Zuckung des Muskels. Dieses Ph~t- nomen wurde auch bei ziemlich starken StrSmen beobachtet, wenn die Kathode mit geniigender Langsamkeit am Nerven vorbeibewegt wurde.

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Die Mitteilung eines grSl~eren Zahlenmaterials und die theoretische Auswertung der Befunde, besonders auch fiir das sog. Kernhfillenverh~lt- nis des Nerven, soll einer spi~teren Mitteilung nach weiterem Ausbau der Versuche vorbehalten bleiben.

Herrn Professor Cremer, der mir aul~er dem Thema stets seinen Rat und die Mittel des Institutes zur Verfiigung stellte, und dem immer hilfsbereiten Herrn Dr. Rosenberg mSchte ich auch an dieser Stelle noch einmal danken.

Literaturverzeichnis.

1 Cremer, M., Ber. fiber d. ges. Physiol. 2, 166. 1920; Beltr. z. Physiol. 2, 31. 1922; Proc. of the XI. intemat. Physiol. Congress, Edinbourgh 1923. - - 2 Cremer, M. Beitr. z. Physiol. 2, 119. 1923.