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14.03.2018 1 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Risikofaktoren und Resilienz Prof. Dr. Thomas Bliesener 30. Deutscher Jugendgerichtstag „Herein-, heraus-, heran-, - junge Menschen wachsen lassen“ 14.-17. September 2017 in Berlin Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Übersicht - Definition des Resilienzbegriffs - Kompensation von Risiko- durch Schutzfaktoren - Resilienz und Desisting - Empirisch wirksame Schutzfaktoren - Resilienzorientierte Prävention

Risikofaktoren und Resilienz - DVJJ · 14.03.2018 2 Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Resilienz ist ein theoretisches Konstrukt, das zwei weiteren theoretischen

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Kriminologisches

Forschungsinstitut

Niedersachsen e.V.

Risikofaktoren und Resilienz

Prof. Dr. Thomas Bliesener

30. Deutscher Jugendgerichtstag

„Herein-, heraus-, heran-, - junge Menschen wachsen lassen“

14.-17. September 2017 in Berlin

Kriminologisches

Forschungsinstitut

Niedersachsen e.V.

Übersicht

- Definition des Resilienzbegriffs

- Kompensation von Risiko- durch Schutzfaktoren

- Resilienz und Desisting

- Empirisch wirksame Schutzfaktoren

- Resilienzorientierte Prävention

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Resilienz ist ein theoretisches Konstrukt, das zwei weiteren theoretischen Dimensionen übergeordnet ist:

- der positiven Anpassung bzw. Entwicklung und - den bedeutsam widrigen Umständen.

Resilienz ist nicht direkt beobachtbar, sondern nur aus den zugrundeliegenden dimensionalen Konstrukten ableitbar.

Grundannahme: Die Wirkung der auf das Individuum wirkenden kriminogenen oder Risikofaktoren kann durch Schutzfaktoren aufgehoben oder reduziert werden.

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Resilienz = das Phänomen oder der Prozess einer positiven Anpassung unter widrigen Lebensumständen (Luthar 2006; Luthar/Cicchetti et. al. 2000)

Widrige Umstände sind - aus kriminologischer Perspektive -gleichzusetzen mit dem Vorliegen von kriminogenen oder Risikofaktoren, die nachweislich – i.d.R. heißt das, statistisch – die Entstehung und Aufrechterhaltung kriminellen Verhaltens begünstigen.

⇒ Resilienz meint die „Widerständigkeit“ gegenüber kriminologisch bedeutsamen Risikofaktoren

Allerdings: Resilienz keine aktive Widerstandskraft des Individuums oder gar bewusste Entscheidung des Einzelnen gegenüber Verlockungen.

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Resilienz wird als dynamische Eigenschaft verstanden, d.h., Resilienz wird nicht als absolutes und stabiles Merkmal einer Person (Trait) betrachtet, sondern Resilienz bezieht sich auf eine gegenwärtige Widerständigkeit gegenüber einer aktuellen Risikobelastung und deren spezifischen erwartbaren Auswirkungen (Garmezy 1985).

� Vulnerabilität bezeichnet dagegen eine besondere Ansprechbarkeit auf einzelne Risiken oder eine komplexere Risikobelastung.

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Risiko-faktoren

Schutz-faktoren

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Genetische und

biologische

Faktoren

Familiäre

Disharmonie,

Erzieh.-defizite

Multi-Problem-

Milieu

Problemat.

Partner-

beziehungen

Problem. Selbst.

bild, deviante

Einstellungen

Ablehnung

durch

Gleichaltrige

Verzerrte Ver-

arbeitung soz.

Informationen

Kogn. Defizite,

Aufmerksam-

keitsprobleme

Bindungs-

defizite

Schwieriges

Temperament,

Impulsivität

Probleme

in der

Schule

Persistentantisozialer

Lebensstil

Probleme in

Arbeit und

Beruf

Weitergabe an die nächste Generation

Manifestationen der Antisozialität:

KindheitJugend Junges

Erwachsenenalter

Offen-aggressive oder verdeckte Störungen des Sozialverhaltens,Autoritätsprobleme (z.B. Aggression,Lügen, Stehlen, Wutausbrüche)

Erhebliche Delinquenz und Gewalt,

frühe offizielle Straffälligkeit, Syndromdes Problemverhaltens (z.B. Substanz-missbrauch, Risikoverhalten)

Aggression,Kriminalität,antisoziale

Persönlichkeit

Anschluss an

deviante

Peergruppen

Konsum

Gewalthaltiger

Medien

Kumulatives Risikomodell

Risikofaktoren der Entwicklung eines antisozialen Verhaltensstils(Lösel & Bliesener 2003)

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Bisher offene Fragen:

Inwieweit können Risiken in einem Lebensbereich durch Schutzfaktoren in einem anderen Bereich kompensiert werden?

Gibt es spezifische Kompensationen einzelner Risikofaktoren durch einzelne Schutzfaktoren?

Gibt es Schwellenwerte?

Wie verhalten sich Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsverlauf?

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Prävalenz von Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsverlauf auf der Basis von Jugendamtsakten (Riesner 2014)

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Bisher offene Fragen:

Inwieweit können Risiken in einem Lebensbereich durch Schutzfaktoren in einem anderen Bereich kompensiert werden?

Gibt es spezifische Kompensationen einzelner Risikofaktoren durch einzelne Schutzfaktoren?

Gibt es Schwellenwerte?

Wie verhalten sich Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsverlauf?

Welcher Art sind die kompensatorischen Prozesse?

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Modellannahmen zur Wirkung von Schutzfaktoren (Herrenkohl et al., 2012; Luthar et

al., 2000):

- Direkt protektive oder promotive Faktoren

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Normab-weichung

hoch

niedrig

niedrig hoch

Risikobelastung

liegt nicht vor

Protektiver Faktor

liegt vor

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Modellannahmen zur Wirkung von Schutzfaktoren (Herrenkohl et al., 2012; Luthar et

al., 2000):

- Direkt protektive oder promotive Faktoren

- Risikobasierte, abpuffernde oder interaktiv-protektive Faktoren

- risikoneutralisierend

Kriminologisches

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Normab-weichung

hoch

niedrig

niedrig hoch

Risikobelastung

liegt nicht vor

Protektiver Faktor

liegt vor

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Kriminologisches

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Modellannahmen zur Wirkung von Schutzfaktoren (Herrenkohl et al., 2012; Luthar et

al., 2000):

- Direkt protektive oder promotive Faktoren

- Risikobasierte, abpuffernde oder interaktiv-protektive Faktoren

- risikoneutralisierend

- risikomindernd

Kriminologisches

Forschungsinstitut

Niedersachsen e.V.

Normab-weichung

hoch

niedrig

niedrig hoch

Risikobelastung

liegt nicht vor

Protektiver Faktor

liegt vor

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Modellannahmen zur Wirkung von Schutzfaktoren (Herrenkohl et al., 2012; Luthar et

al., 2000):

- Direkt protektive oder promotive Faktoren

- Risikobasierte, abpuffernde oder interaktiv-protektive Faktoren

- risikoneutralisierend

- risikomindernd

- risikoumkehrend

Kriminologisches

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Normab-weichung

hoch

niedrig

niedrig hoch

Risikobelastung

liegt nicht vor

Protektiver Faktor

liegt vor

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Kriminologisches

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Normab-weichung

hoch

niedrig

niedrig hoch

Risikobelastung

liegt nicht vor

Protektiver Faktor

liegt vor

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Die Wirkungsweise von Schutzfaktoren ist jedoch keine spezifische

Merkmalseigenschaft.

Sie variiert in Abhängigkeit

- von den betrachteten Variablen (Criss et al. 2002; Luthar et al. 2000)

- vom betrachteten Altersbereich (Jolliffe et al. 2016)

- vom Kontext (Zolkoski/Bullock 2012).

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Bisher offene Fragen:

Inwieweit können Risiken in einem Lebensbereich durch Schutzfaktoren in einem anderen Bereich kompensiert werden?

Gibt es spezifische Kompensationen einzelner Risikofaktoren durch einzelne Schutzfaktoren?

Gibt es Schwellenwerte?

Wie verhalten sich Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsverlauf?

Welcher Art sind die kompensatorischen Prozesse?

Gibt es kumulative Effekte auch bei Schutzfaktoren?

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Kumulative Effekte von Schutzfaktoren wurden bisher nur vereinzelt nachgewiesen (z.B. Stoddard et al., 2012)

Es lassen sich aber positive Wirkungskaskaden finden:

Positives Erziehungsverhalten der Eltern => Fähigkeit der Selbstregulation

=> Sozialkompetenz=> Selbstwert=> soziale Beziehungen=> Verantwortungsübernahme

(Lewin-Bizan et al., 2010)

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Neuere Studien legen nahe, dass weniger das quantitative Verhältnis der Risiko- und Schutzfaktoren bedeutsam ist,

sondern einerseits die Zahl und Breite der belasteten Funktions- und Lebensbereiche,

Risiko-faktoren

Schutz-faktoren

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als auch die zeitliche Passung des Vorliegens von Risiko- und Schutzfaktoren(Dubow et al., 2016)

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Resilienz und Desisting

Die entwicklungsorientierte Kriminologie versucht das dynamische Zusammenwirken von Risiko- und Schutzfaktoren sowie den Einfluss von Veränderungsprozessen und Lebensereignissen auf Entwicklungsverläufe kriminellen Handelns zu beleuchten (Farrington 2003).

Im Vordergrund dieser Analyse stehen sogenannte Entwicklungspfade (Trajektorien), die unterschiedliche prototypische Verläufe und Muster der kriminellen Aktivität abbilden (Nagin &Tremblay 2005; Sampson & Laub 2003, 2005).

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Resilienz und Desisting

Für die Resilienzforschung sind solche Verläufe bedeutsam, bei denen es nach einer Phase hoher krimineller Aktivität zu einer mehr oder minder spontanen Erholung kommt (Krohn et al. 2014; Reingle et al. 2013).

Dieses als „desisting“ bezeichnete Phänomen findet sich als eine typische Verlaufsform delinquenten Handelns in zahlreichen längsschnittlichen Studien (Bliesener 2012).

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Dissoziales Verhalten

Alter

Trajektorien nach Samson & Laub (2003)

Gruppe

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Desisting bzw. die Veränderung eines dauerhaften delinquenten Verhaltensstils lässt sich i.d.R. mit substantiellen Veränderungen der Zahl und Struktur von Risiko-und/oder Schutzfaktoren („turning points“ Rutter 1996) durch normative und nicht-normative Veränderungen in der Lebenswelt (z.B. Aufnahme einer festen Beschäftigung, Heirat bzw. feste Partnerschaft mit Haushaltsgründung und eventueller Elternschaft, Militärdienst etc.) in Verbindung bringen.

Viele dieser lebensweltlichen Veränderungen gehen mit einer stärkeren Strukturierung des Alltags einher, sind durch eine zunehmende Bindung an normkonforme Personen sowie zugleich Ablösung von devianten Peergruppen und die Übernahme von Verantwortung gekennzeichnet.

Sie sich in der Regel günstig auf den Selbstwert und die subjektiv empfundene Zugehörigkeit und gesellschaftliche Teilhabe aus (Bliesener 2012).

Einige der normativen Veränderungen bergen zudem die Gefahr des Statusverlustes bei fortgesetzter Kriminalität (z.B. Ausbildungs-/Arbeitsplatz, Partnerschaft; Blokland & Nieuwbeerta 2005).

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Empirisch wirksame Schutzfaktoren

Personale Schutzfaktoren oder Ressourcen:

- Soziale Kompetenz, insbes. Empathiefähigkeit, emotionale Ausdrucksfähigkeit

und die Fähigkeit zur Lösung sozialer Probleme (White/Moffitt et al. 1989).

- Planungs- und Entscheidungsverhalten, Intelligenz (Ttofi et al. 2016).

- Positive selbstbezogene Kognitionen (Selbstwertgefühl), internale

Kontrollüberzeugung (Krohn et al. 2014).

- Bildungsaspiration (Krohn et al. 2014).

- Robuste Neurobiologie, Toleranz für negative Affekte und eine gute

Emotionsregulation (Newsome et al. 2016; Raine et al. 1995).

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Empirisch wirksame Schutzfaktoren

Personale Schutzfaktoren oder Ressourcen:

- Positive Bewältigungserfahrungen (Werner& Smith 1992).

- Schüchternheit im Umgang mit anderen (Steinberg et al. 2017).

- Einfaches Temperament (Cowen et al. 1990; Werner & Smith 1982).

- Glaube oder eine (spirituelle) Überzeugung von Sinnhaftigkeit und Struktur im

Leben (Baldwin et al. 1990; Dubow et al. 2016; Jolliffe et al. 2016).

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Empirisch wirksame Schutzfaktoren

Soziale Schutzfaktoren oder Ressourcen:

- Emotionale Bindung an eine zuverlässige Person (Jenkins & Smith 1990)

- Soziale Unterstützung durch normkonforme Personen (Tess et al. 2015)

- Autoritativer Erziehungsstil (Baumrind 1991)

- Angemessene Beaufsichtigung (Supervison) durch die Eltern (Jolliffe et al. 2016;

Osofsky &Dewana 2000)

- Bekräftigung für angemessenes Verhalten (Kramer-Kuhn & Farrell 2016)

- Erlebte Wertschätzung einer Begabung oder eines Hobbys (Masten et al. 1999)

- Gemeinsame Wertesysteme in Familie und Nahraum (Garbarino et al. 1997)

- Hinreichende materielle Versorgung (Benzies & Mychasiuk 2009)

- Positive Einstellung zur Schule und positive Bindung an Lehrkraft (Jolliffe et al. 2016)

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Der Wirkmechanismus bzw. die wirkbedeutsamen Prozesse der verschiedenen

Schutzfaktoren sind noch weitgehend unklar.

Fergusson und Horwood (2003) haben vermutet, dass Schutzfaktoren die

Reaktionsschwelle des Individuums auf Belastungen anheben, indem sie

- die innerpsychische Reagibilität reduzieren oder

- das Individuum vor weiteren Konfrontationen mit Belastungen

schützen.

Die aufgeführten Schutzfaktoren stellen wichtige Ansatzpunkte für präventive

Maßnahmen dar.

Insbesondere die sozialen Ressourcen lassen sich prinzipiell günstig beeinflussen.

Mit gewissen Einschränkungen gilt dies aber auch für die personalen Ressourcen.

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Resilienzorientierte Prävention

Grundgedanke: Risikobehaftete werden durch die Vermittlung von Schutzfaktoren vor dem direkten Einfluss der Risiken geschützt oder in ihrem Umgang mit den Risiken gestärkt (Fergus & Zimmerman 2005)

Die resilienzorientierten Präventionen setzen sowohl auf der individuellen Ebene als auch im sozialen Umfeld an (Familie, Schule und Nachbarschaft).

Individuelle Ebene: Speziell konzipierte soziale, kognitiv-behaviorale Trainingsprogramme zur Vermittlung sozialer Kompetenzen zur Lösung interpersoneller Probleme, Empathiefähigkeit, Emotionsregulation und die soziale Perspektivenübernahme. In der Regel in der Gleichaltrigengruppe, mit strukturiertem Ablauf von Übungen und Rollenspielen. Ambulant und intramural (z.B. Reasoning & Rehabilitation-

Programm; Lipsey & Landenberger 2006; Tong & Farrington 2006).

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Resilienzorientierte Prävention

Soziale Ebene: Zum einen werden Eltern werden als zentrale Sozialisationsagenten fokussiert. Elterntrainings mit verschiedenen psychoedukativen Maßnahmen vermitteln wirksam grundlegendes Erziehungswissen, zentrale Erziehungskompetenzen und positive Erziehungspraktiken (Beelmann 2007).

Zum anderen werden Schule und Gemeinde als Sozialisationskontext genutzt, um effektiv soziale Kompetenzen und soziale Problemlösefertigkeiten zu vermitteln (Alford & Derzon, 2011; Gill, 2016).

Für Hoch-Risiko-Gruppen ergibt sich eine günstigere Wirkungsbilanz, wenn neben dem Elterntraining zusätzliche Elemente wie individuelle Hausbesuche und strukturierte schulische Fördermaßnahmen erfolgen (Conduct Problems

Prevention Research Group, 2011).

Der präventive Effekt korrespondiert mit der Intensität und Dauer der Maßnahme (Farrington et al., 2017).

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Fazit

Zahlreiche systematische Reviews über hunderte von Evaluationsstudien zeigen, dass entwicklungs- oder resilienzorientierte Prävention wirksam ist.

Trotz überzeugender Wirksamkeitsnachweise sind die einzelnen Wirkmechanismen und die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Risiko- und Schutzfaktoren und ihren Kontexten noch nicht hinreichend geklärt.