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Stiirungen des Ohr-Augenapparates nach Kopfverletzungen ~. Von It. Beyer, Berlin. (Eingegangen am 23. Juli 1940.) Vor einiger Zeit habe ich auf AugenbewegstSrungen naeh Kopfpret- hngen aufmerksam gemacht, die sich bei Kontrolle der Augen und beim Fahnden auf Spontan-Ny. bemerkbar maehen, besonders aber bei Aus- 16sung des experimentellen Ny. in Erscheinung treten und auf StSrungen im zentralen Tell des Gleichgewichtsapparates hindeuten. Trotzdem die schweren Formen dieser StSrungen einer aufmerksamen Beobachtung nlcht entgehen kSnnen und obgleich Prof. Stier und ich diese, in unserem grol3en Gutachtenmaterial, wie sehon frfiher erw~hnt, in etwa 9--10% der F~lle feststellen konnten, sind Berichte, die unsere Beobachtungen bests bis jetzt nur ganz vereinzel~ erfolgt. In den Gutachten fiber Leute, die uns spi~ter zugewiesen wurden und bei denen wit noch sichere Reste der BewegungsstSrungen bei der Nachpr'tifung fan4en, war dann wohl zu erkennen, dal~ diese yon anderen Gutachtern zwar gesehen, aber falsch gedeutet wurden. So war z. B. in einem Gutachten notiert, ,,merkwfirdig war der wolff unbewul~te Versuch dutch Konvergenz den :Ny., sobald er experimentell ausgelSst wurde, zu unterdriieken", oder es wurde vermerkt, dal~ ,,ein Auge w~hrend des Ny. selbsti~ndig Bewe- gungen zur Mitre ausffihrte". Da meine frfihere Abhandlung ~" unsere Beobachtungen als Vortrag and dementspreehend in gedri~ngter Kfirze wiedergibt, die Ertahrungen in den letzten Jahren reicher geworden sind, halte ich es ffir efforderlich, noehmals darauf hinzuweisen. Schon aus der Anamnese ergibt sich h~ufig wie fffiher beschrieben, dal3 irgendwelche AugenstSrungen vorliegen mfissen, da durchaus nicht selten nach dem Unfall Klagen fiber Doppeltsehen ges werden. Da dieses aber vielfach nach kurzer Bauer verschwindet und bei der tiblichen Augenuntersuchung keine wirkliche Motilits auff~llt, wird kaum eine Notiz darfiber gefiihrt. Anders jedoch, falls eine periphere oder zentrale L~hmung eines oder mehrerer Muskehf vorliegt, zu deren Beurteilung dann der Augenarzt herangezogen wird und sie ebenfalls begutaehtet. Charakteristisch fiir eine solche sind z.B. die Angaben einer Patientin, die bei einem Autozusammenstol~ dutch Schlag gegen die Windschutzscheibe eine Stirn- und Augenlidverletzung mit Brillen- hi~matom erli~ten hatte. Aul~er Schwindel bei linker Seitenlage mit 1 Herrn Prof. Zange zum 60. Geburtstag. 2 Beyer, H.: Z. tIals- usw. Heilk. 41, 281.

Störungen des Ohr-Augenapparates nach Kopfverletzungen

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Page 1: Störungen des Ohr-Augenapparates nach Kopfverletzungen

Stiirungen des Ohr-Augenapparates nach Kopfverletzungen ~.

Von It. Beyer, Berlin.

(Eingegangen am 23. Juli 1940.)

Vor einiger Zeit habe ich auf AugenbewegstSrungen naeh Kopfpret- hngen aufmerksam gemacht, die sich bei Kontrolle der Augen und beim Fahnden auf Spontan-Ny. bemerkbar maehen, besonders aber bei Aus- 16sung des experimentellen Ny. in Erscheinung treten und auf StSrungen im zentralen Tell des Gleichgewichtsapparates hindeuten. Trotzdem die schweren Formen dieser StSrungen einer aufmerksamen Beobachtung nlcht entgehen kSnnen und obgleich Prof. Stier und ich diese, in unserem grol3en Gutachtenmaterial, wie sehon frfiher erw~hnt, in etwa 9--10% der F~lle feststellen konnten, sind Berichte, die unsere Beobachtungen bests bis jetzt nur ganz vereinzel~ erfolgt. In den Gutachten fiber Leute, die uns spi~ter zugewiesen wurden und bei denen wit noch sichere Reste der BewegungsstSrungen bei der Nachpr'tifung fan4en, war dann wohl zu erkennen, dal~ diese yon anderen Gutachtern zwar gesehen, aber falsch gedeutet wurden. So war z. B. in einem Gutachten notiert, ,,merkwfirdig war der wolff unbewul~te Versuch dutch Konvergenz den :Ny., sobald er experimentell ausgelSst wurde, zu unterdriieken", oder es wurde vermerkt, dal~ ,,ein Auge w~hrend des Ny. selbsti~ndig Bewe- gungen zur Mitre ausffihrte".

Da meine frfihere Abhandlung ~" unsere Beobachtungen als Vortrag and dementspreehend in gedri~ngter Kfirze wiedergibt, die Ertahrungen in den letzten Jahren reicher geworden sind, halte ich es ffir efforderlich, noehmals darauf hinzuweisen.

Schon aus der Anamnese ergibt sich h~ufig wie fffiher beschrieben, dal3 irgendwelche AugenstSrungen vorliegen mfissen, da durchaus nicht selten nach dem Unfall Klagen fiber Doppeltsehen ges werden. Da dieses aber vielfach nach kurzer Bauer verschwindet und bei der tiblichen Augenuntersuchung keine wirkliche Motilits auff~llt, wird kaum eine Notiz darfiber gefiihrt. Anders jedoch, falls eine periphere oder zentrale L~hmung eines oder mehrerer Muskehf vorliegt, zu deren Beurteilung dann der Augenarzt herangezogen wird und sie ebenfalls begutaehtet. Charakteristisch fiir eine solche sind z.B. die Angaben einer Patientin, die bei einem Autozusammenstol~ dutch Schlag gegen die Windschutzscheibe eine Stirn- und Augenlidverletzung mit Brillen- hi~matom erli~ten hatte. Aul~er Schwindel bei linker Seitenlage mit

1 Herrn Prof. Zange zum 60. Geburtstag. 2 Beyer, H.: Z. tIals- usw. Heilk. 41, 281.

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Geffihl des Fallens nach links bestand Doppeltsehen beim Blick nach links, das als hSchst unangenehm bezeichnet wurde. Beim Lesen muB~e das linke Auge zugehalten werden, da es bei der Fixation nach auBen abwieh.

Besteht dasDoppeltsehen aber nicht mehr, so deuten einzelneAngaben auf doch noeh vorhandene StSrungen hin, die sich besonders bei iiul]eren Reizen sehr bemerkbar machen, dal] z: B. der Anbliek des hellen Liehtes der Bogenlampen oder einer beweglichen Lichtreklame zu pl6tzliehen, hSchst unangenehmen Empfindungen ffihren kann. Es wird dabei mi~- unter angegeben, dal] die Lampen im Dunkeln mehrfach erschienen oder schief sttinden. Ebenso sind die LesestSrungen zu bewerten mit Weg- schwimmen oder Auf- und ~iedergehen der Zeflen oder v611ig Durehein- anderlaufen der Buehstaben, was besonders beim Masehinensehreiben s~6rend is~. Falls bei der Arbelt Messungen anzus~ellen sind, entstehen grebe Schw~erigkeiten bei Beobachtungen yon feinen Linien. Auch wird fiber Sehattensehen geklag% wobei ein Geffihl entsteh~, als wenn der Boder~ unter den Ffil3en wegrutsehen wollte.

In gleicher Weise zeigen sich StSrungen bei sehnellem Seitwdirtsbtick, wie z.B. beim ~berqueren yon Seitenstral~en beim Autofahren. Aueh kann beim Hoch- und Seitw~trtsbliek nach der Verkehrsampel Sehwindel erfolgen und die St6rung so unangenehm sein, dab der Fahrer anhaltert mul3, his der Anfall vorfiber ist. Best~ht dabei noch L~berempfindliehkeiC gegen helles Licht, ist es unm6glich, abends zu fahren, da dutch die Blendung entgegenkommender Autos sofort Sehwindel mit Benommen- heir einsetz~.

In einem Fall wurde pl6tzliches Doppeltsehen nach m/~Bigem Alkohol- genus einige Zeit naeh dem Unfall bemerkt, das ffir 12 Stunden anhielt, darm verschwand und sieh spater nut als Versehwommensehen bemerk- bar maehte.

Es ist aueh berichtet, dab Angeh6rige ein vorfibergehendes Sehielen bemerkt haben, das abet dem Betreffenden gar nieht zum BewuBtsein gekommen ist.

Bei Unfallverletzten, namentlich solehen, die I~rellungen der S~irn, des ScMideldaches oder des Hinterkop[es erlitten haben, ist daher in jedem Fall bei Aufnahme der Vorgeschiehte v0m Ohrenarzt an solche St6rungen zu denken und auch danach zu fahnden, da die Patienten. yon selbst dariiber meist nieSts beriehten. Es passiert daher durehaus nicht selten, dab sie fiber das bei dem experimentellen Ny. nun in Erscheinung tretende Doppeltsehen erstaunt sind, dann abet beriehten, dal] sie/~hnliehes aueh kurz nach dem Unfall bemerkt h~tten.

Um solehe latenten Stfrungen aufzufinden, haben wir daher bei allen Kopfverletzten, bei denen diese in Bebrach$ kommen, vet der Priifung des Gleichgewichtsapparates eine Kontrolle der Augenbewegungen vor- genommen, indem wir den Zeigefinger auf 1/~--3/4 m Entfernung in allen

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Blickrichtungen fixieren lassen, und zwar nach Art der Sp(ih- und Fiih. ~'ungsbewegung, wobei die Fixation nicht zu lange und der Wechsel yon rechts naeh links nicht zu schnell erfolgen daft, da aueh in normalen F~llen dabei mitunter Ny. beobachtet wird (UHenorde 1). Um einen etwaigen Einstellungs- oder Endstellungs-'Ny. zu vermeiden, daft die Fixation nicht zu seharf seitw~rts erfolgen. Es ist auch angezeigt, eine solche Priifung nieht allein im Sitzen, sondern auch im Stehen vorzunehmen, da hierbei Sehwindel oder F~llneigung sehnell zutage tritt. Die Priifung mu] sich auf die Beobachtung beider Augen erstrecken und den Bewegungen der Bulbi folgen, da sonst die langsamere Einstellung des behinderten Auges fibersehen wird. Deutlicher wird gewShnlich das Zuriickbleiben eines Bulbus bei liingerer Fixation, wobei dann aueh sofort Schwindel und 6frets aueh schon Fallneigung zur Seite des abweichenden Auges eintritt. Es ist ratsam, die Kontrolle der Augenbewegungen mehrfaeh auszufiihren und dabei auch nach rechts oder links oben bticken zu lassen, da die ]angsamere Bewegung dabei deutlieher wird.

Die Beleuchtung der Augen, haupts/~chlieh der Skleren, geschieht mit dem Stirnspiegel bei mattem Licht, wobei man, bei genauer Kon- trolle der Skleralgef/~13e, selbst kleinste Abweiehungen zu erkennen ver- mag. Das ist notwendig, da wir mSglichst die Bewegung jedes Auges einzeln veffolgen miissen. 0fters markiert sich aueh die Bewegungs- stSrung dutch eine gewisse Bulbusunruhe, bei der ein schnelles Hin- und Hergehen zu erkennen ist oder sieh ein Auge nicht in Fixationsstellung einstellt. Je naeh dem Grade der Abweichung eines Bulbus wird der fixierte Finger am oberen Teil verdickt, mit Schattenbfldung verschwom- men oder doppelt gesehen. Dieses geschieht in einer Reihe yon Fs fiir die N/~he, bei anderen wieder bei Fixation auf weitere Entfernung. Die Fahndung auf Spontan-Ny. erfol~ beim Bliek geradeaus, rechts oder links seitw~rts, dann unter der Convexbrille und ira verdunkelten Zimmer unter der Leuchtbrille. Zu beachten ist, da$ bei Leuten mit Spontan-Ny. bei langer Seitenfixation mitunter beim Bliek geradeaus ein Ny. zur Gegenseite erfolgen kann (de Kley~ 2).

Es ist yon Frenzel a nachdriicklich darauf aufmerksam gemacht worden, dab die Kontrolle mit der Leuchtbrille zum Erkennen eines bestehenden Spontan-Ny. unerl~Blich ist, dem durchaus zugestimmt werden muB.

Bei AugenbewegungsstSrungen wird die Beobachtung oft durch st/~ndiges Blinzeln gestSrt, das unter der Leuchtbrille infolge Biendung besonders heftig wird, weswegen mehrfache Priifung dabei erforderlieh wird. Sind latente StSrungen vorhanden, so werden sic gewShnlieh unter tier Convex- oder Leueh~brille manifest, indem nun das betreffende Auge

x UHenorde: Passow-Schaefers Beitr. 18, 37. - - ~ de Kleyn: Prec. Acad. Wetensch. AmstorcI. 41, 552. ~ ~ Frenzel: Z. H~ls- usw. Heilk. Verh.-Ber. 44, 347--358.

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beim Seitw/irtsblick langsam, mitunter aueh ruekweise naeh innen zuriiek- federt, was mehrfach gesehehen kann. Ist die Bewegungsst6rung starker, so verharrt das Auge nach dem Zuriiekweiehen naeh innen nun in Median- stellung oder steht im inneren Augenwinkel. Meistens ist die Benommen- heir und das Sehwindelgefiihl hierbei schon rech~ betr/~chtlich.

Lageprii[ung. Da die Augenbewegungsst6rungen bei diesen Kontroll- untersuchungen fehlen k6nnen, abet bei der Lageprii]ung auftreten, isg diese in jedem Falle auszufiihren und dabei /iuBerst sorgsam auf die Bulbusbewegungen zu achten. Das geschieht zuniiehst unter der Leucht- brille, und zwar in allen Lagen, d. h. in Kopfriiekenlage, Kopfseitenlage reehts oder links, und naeh Aufsitzen in Seitenlage rechts oder links und in Kopfh~ngelage (SeiJerth 1). Die Fixation zur Feststellung des Doppelt- sehens muB dann bei gut~r Beleuehtung erfolgen, am besten, indem man sieh hinter den liegenden Patienten stellt und beim Seitw~irtsblick oder Hochblick nach dem zu fixierenden Finger die AugenkontroUe ausiibt. Als sehr empfindliche Lage hat sich die Kopfh~ngelage erwiesen, bei der man den Kopf des Patienten in Riiekenlage naeh hinten neigen und den Bliek naeh den verschiedenen Riehtungen bewegen l&gt.

Der fixierte Finger erseheint dabei je nach der Dauer und dem Mag der Abweichung undeutlieh, mit schattenhaftem Rand und dadureh im oberen Teil gew6hnlich verbreitert oder auch doppelt. Je naeh der Art der St6rung zeigt sieh Doppeltsehen, das spontan zuniiehst nieht vorhanden ist, abet beim Bliek naeh einer bestimmten Seite 6fters, ohne dal~ dabei Sehwindel erfolgt oder Ny., auftritt. Es kann auch das Doppelt- sehen in allen Lagen und stets beim Seitw~irtsblielc entstehen, ohne dag deutliehe objektive Zeiehen yon St6rungen der Bulbusbewegungen zu erkennen sind. Meistens ist aber als Grund fiir das Doppeltsehen ein Zuriidcweichen eines Auges naeh innen, und zwar nur bei einer bestimmten Lage des Kopfes oder in Seitenlage z. B. reehts und nut bei einer bestimm- ten Bliekriehtung z. B. naeh links als einmaliges oder mehrfaehes momen- tanes Zuriiekfedern, abet aueh Abweiehen und Stehenbleiben des Bulbus zu sehen.

Wie beim richtungswechselnden Ny. (Sei/erth) erfolgt aber aueh das Zurfickweichen des der Lage entgegengesetzten Bulbus z. It. in rechter Seitenlage des linken Bulbus beim BIick nach l~nks und umgekehrt. Nieht selten zeigt sich dabei ein feinschl&giger, lebhafter Ny., der 6fters aueh eine deutliehe rotatorisehe Komponente aufweist, wobei dann gew6hn- lich eine Zunahme der Abweichung bis zur Mittellinie oder sogar bis zum inneren Augenwinkel zu erkennen is~. Dieser Ny. sehliigt meistens in beiden Augen, abet auch in einem Auge st/~rker als im anderen und nimmt mitunter den Charakter einer Zitterbewegung an. Tritt bei Lage- priifung in einer bestimmten Lage die Abweiehung eines Auges beim Seit- ws und Doppeltsehen auf, so kann beim Seitws zur anderen

1 Sei/erth: Arch. Ohr- usw. Heilk. 143, 52.

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Seite auch Ny. vorhanden sein, ohne dab aber Doppeltsehen bemerkt wird. Im Gegensatz zu dem bei spontanem Doppeltsehen oft einsetzen- dem Sehwindelgefiihl ist dieser bei Einnahme der verschiedenen Lagen meistens gering oder fehlt vSllig, wird aber angegeben, falls das Doppelt- sehen auch mit Lagenystagmus verbunden ist.

Bei mehffaehen in gr6Beren Zeitabschnitten vorgenommenen Unter- suchungen lieB sich auch festsf~llen, daft die. Reaktion insofern weehselt, als sie zuerst in einer Lage, sp/~ter aber in der Gegenlage in Erschei- nung tritt.

St/~rkerer Schwindel erfolgt dann gew6hnlich beim Aufrichten aus der liegenden SteUung oder nach langerem B/icken und ist auch objektiv daran zu erkermen, dab der Betreffende nach hinten/ibersinkt, mit den H ~ d e n Stiitze sueht und bei FuBaugenschluB starke Fallneigung zeigt. Die vasomotorischen Erseheinungen sind dabei sehr verschieden, gering oder erheblieh mit GesichtsrSte und SchweiBausbruch, Pulsbeschleunigung und Angstgefiihl, mitunter aber aueh umgekehrt mit B1/~sse und Pulsver- langsamung.

Drehprobe: Die Grahesche Drehschwachreizpri~/ung 1 brachte keine brauchbaren Resultate, da die Abtastung in diesen F/~llen auf besondere Schwierigkeit stieB. Das liegt daran, dab neben den wenigen Zuekungen mit langsamerer Bulbusbewegung beim erschwerten Seitw/~rtsblick oder mit Zurfickweiehen eines Auges zu rechnen ist und die langsamen Devia- tionen ganz besonders schwer fiihlbar sind. Da Wiederholungen den Wert der Methode beeintr/~chtigen, wurde, deshalb sp/~ter auf ihre Ausfibung verzichtet.

Die Priifung der Drehaktion auf dem Drehstuhl wurde nach der alten Bdrdnyschen Methode ausgefiihrt und dabei die Augenbewegungen des waagerechten Nachnystagmus in der Optimalstellung beobachtet. Die Augen blieben w/ihrend der Drehung geschlossen und nach dem Anhalten wurde sofort die Art der einsetzenden Fixation des auf etwa 3/4 m seitw/irts gehaltenen Fingers kontrolliert. Bestand schon spontanes Doppeltsehen, sei es f~r n/~here oder weitere Entfernung, so wurde der Finger in der Richtung und Weite gehalten, in der noch Einfachsehen bestand. Neben der Kontrolle der Schlagart und Intensit/~t des Nachnystagmus sowie seiner Dauer mfissen etwaige StSrungen bei der Fixation seharf beobaehtet werden. AuBerdem liegt die Bedeutung darin, wie das Bild des fixierten Fingers dem Patienten erscheint. Es konnte daher bei diesen Pr/ifungen weder die Bartelssehe Convexbrille noch die Frenzelsehe Leuehtbrflle ver- wandt werden. Um die feinen Aussehl/ige der Bulben genau zu verfolgen, war eine ausgiebige Beleuehtung ohne B1endung erforderlich, d.h. es verbot sieh aueh die Beleuehtung mit dem Stirnspiegel. Als beste Lieht- quelle bew/s sieh das Tageslicht eines hellen Fensters, an das der Drehstuhl mSglichst nahe gestellt wurde.

1 Hirn und Ohr. Leipzig: Georg Thieme 1932.

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Da die D auer des Nachnystagmus im Mittelwert mit 20--45 Sek. zu rechnen, mithin sehr kurz ist, und da mehrfache Prfifungen m6glichst zu vermeiden sind, wurde dem Patienten vorher genau erkl~r~, wie er sich w~hrend der Drehung und naeh dem Stoppen des Drehstuhls zu ver- halten hat. Am besten reagierten die Leute auf einen gewissen Kom- mandoton: ,,Augen auf, Finger!" d.h. Seitws auf den vor- gehaltenen Finger. Dabei war aber folgendes zu beachten: Ffir die Seit- w~rtsfixation muB nach der Drehung auch vom Normalen oft ein gewisses Ma~ yon Innervation aufgebracht werden, die Augen suchen zuni~chst mi~ 3--4 Bewegungen das zu ~ixierende Objekt zu erfassen und nach der festen Fixation begirmt ers~ der regul~re Nystagmusrhythmus. Besteht eine I~mervationsschw~che in beiden oder in einem Auge, so markiert sich diese nach der Drehung beim Seitws darin, dal3 verschieden lange dauernde Augenbewegungen effolgen, ehe die feste F'~ation ein- setz~. Ws dieser Bewegungen wurde beim Sehen ein Hin- und Her- gehen oder auch Wackeln des Fingers angegeben. Es l~Bt sich mitunter schwer beur~eilen, wann die Bewegungen in die Ny.-Zuckungen iibergehen, weshalb die Dauer der Ausschl~ge im ganzen vom Stoppen u n d dem entsprechenden Seitenblick bis zum Ende des sich~baren My. gez~hl~ wurden. Die genauesten Resultate; die bei sp~teren Nachuntersuchungen iiberprtif~ wurden, ergaben sich, we.nn eine Hfifsperson die Stoppuhr nach dem Zuruf ,,Augen auf, Finger" und nach dem Kommando ,,Augen zu" stoppte.

Die Beobachtung der Augen mu$ sich nun nicht aUein auf die Form und Intensit~it der Ny.-Schlgge erstrecken, sondern muB auch yon einem zum anderen Auge wandernd die Art der Fixation fes*stellen. Dazu ist eine gewisse (~bung erforderlich, die aber nach hgufigen Untersuchungen bald erworben wird. DaB die feste Fixation bei besonders Nerv6sen vor- iibergehend nachlgBt, ist erkl~rlich, doch handel$ es slch dabei nut um ein momen~anes Zurfickgehen der Augen, dem sofort wieder die erforder- liche Einstellung folgt. Wenn jedoch dieses Zurfickweichen hi~ufiger ge- schieh$ und ls dauert, ist mit einer Innervationssehwi~che zu reehnen und die Angabe der Patienten lauten darm fiber ,,Undeutlichsehen" des Fingers. DaB es sich hierbei um einen pathologischen Vorgang handelt, geh$ daraus hervor, dab Untersehiede in der Hi~ufigkeit und Dauer des schnellen Zurfickweichens beim rechten oder linken Sei~w~rtsblick zu erkennen sind. Deutlieher ~ r d es, werm diese Bewegungen einen regel- m~Bigen Charakter zeigen, wie es der Fall ist, wema beim Seitwgrtsblick naeh der einen Richtung schon spontan oder bei der Lagepriifung Doppelt- sehen angegeben wurde. Hierbei erscheint der fixierte Finger mit Schatten- bfldung oder mit Verbreiterung, besonders am oberen Ende, dem ers~en Gliede.

~Ms ns Grad zeigte sich nun eine wirkliche Abweichung eine8 Auges nach innen, wobei der Bulbus bis zur Mittellinie zuriickfedert, sich

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wieder in Fixationsstellung stellt, wobei dann Doppeltsehen en~steht. Eine solehe Abweichung is~ zu erwarten, wenn das Doppeltsehen schon spontan ~orhanden is~ und sich bei der Lageprtifung verst/irkt. Bemerkenswert war in solehen Fi~llen, dab beim Naehnystagmus die Ausschl/~ge beim abweichenden Auge liinffer anhielten als im anderen. Es kam auch vor, daB nur tiber ersehwerten Blick und Flimmern vor den Augen, abet nicht tiber Doppeltsehen geklagt wurde und sich bei Kontrolle der Augen- bewegungen oder bei der Lagepriifung auch StSrungen nachweisen lieBen, nach Drehung jedoch die latente Innervationsschw/iehe eines Auges sich darin offenbarte, dab nach mehrfachen irregul/iren Augenbewegungen beim Seitw/irtsbliek nun ein Auge nach innen abwich und/iuBerst heftige Ausschls mit rotatorischer Komponente aufwies.

Falls Klagen tiber Doppeltsehen beim Blick nach rechts wie nach links ge/iuflert werden, spontan bei Seitenfixation, mangelnde Fixation und bei Ausschaltung des Blickes alternierendes Abweiehen der Augen zu erkennen ist, wird dann nach Drehung das gleiche Bild erhalten, und zwar stets ein Abweichen des naeh auBen stehenden Auges mit starker Inten- sit/it oder 1/~ngerer Dauer des Nachnystagmus in diesem Auge und mit voriibergehender Abweiehuldg bei 1/ingerer Fixation.

Falls schon lebhafter, leicht rotatorischer Spon~an-~y. nach einer Seite, verbunden mi~ Doppeltsehen besteht und dieses sich in gleieher Weise und Richtung bei der Lagepriifung /iuBert, wird gewShnlich naeh Drehung und Calorisation beim Blick nach der betreffenden Seite ein ~uBerst grober Ny. beobachtet. Der fixierte Finger erseheint dann zuerst als verwaschene dunkle Masse, bis er nach allm~hlichem Abklingen der heftigen Bewegungen wieder richtig gesehen wird.

Die Kombination yon Spontan-Ny. und Doppeltsehen nach einer Seite 1/iBt bei weiteren Prtifungen eine Art yon krampfartigen Bewegungen des nach auBen gewandten Auges erkennen, indem es sich unter der Convex- oder Leuehtbrille in den inneren Augenwinkel stellt. Dieses wiederholt sich in gleieher Weise bei der Lageprtifung, vor allem in Kopf- h/ingelage. Hierbei geht dann der sonst langsame Spontan-Ny. in eine =~rt yon Tremor, einen Zitternystagmus tiber, der ganz besonders ausgepr/igt nach Drehung, aber auch nach Kaltspiilung zu sehen ist.

Falls im anderen Auge gleiehfalls Innervationsschw/iche, aber in ge- ringerem Grade vorliegt, dokumentiert sich diese 6fters darin, dab es nun nach Drehung und Calorisation, wahrend das andere Auge im inneren Augenwinkel steht, die Innervation zur Seite nicht aufbringt und in Mittelstellung stehenbleibt.

Es wurde auch, allerdings selten, beobachtet, daB, falls unter der Convexbrflie oder der Leuchtbrflle oder in verschiedenenen Lagen leiehte rotatorische Bewegungen in beiden Augen auftraten, nun naeh Drehung hochgradige, vSllig ungeordnete Bewegungen in beiden Augen mit Ausfall

A r e h i v f. Ohren-, Nasen- u. l~ehlkopfhei lkunde. Bd. 149. 15

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der raschenKomponente sowie gleichmiifliges iJ[teresZuriickweichen erfolgte, wobei die Fixation unmSglich wird und die AuBenwelt vSllig durcheinander und verschwommen erscheint. In einzelnen F~llen gesellte sich zu diesen ungeordneten Bewegungen noch ein Zitternystagmu~ in beiden Augen.

Es HeB sich ferner beobachten, daB bei bestehendem rotatorischen S~ontan.Ny. und Abweichen eines Auges bei bestimmtem Seitw~rtsblick nun nach Drehung schon in Mittelstellung ein s heftiger Ny. ein- trat, w/~hrenddessen dieses Auge nach innen zuriickwich, mit Pausen schlug oder auch stehenbIieb, w/~l~end der Ny. im anderen Auge im Rhythmus weiterschlug. Die Kontrolle seiner Dauer l~$t sieh am besten derart ausfiihren, da$ man nach Zudeeken des heftig sehlagenden Auges den l~y.-Rhythmus des andern Auges allein beobachtet. Diese auffallende Reaktion erfolgte aber nur.nach einer bestimmten Drehung, w~hrend nach Drehung der Gegenseite nur geringffi~ge Unregelm/~Bigkeiten im Ny. zu sehen waren.

Ganz besonders schwierig wird die Bewertung der Befunde, wenn sich zu den wirklich bestehenden StSrungen noch eine seelische Auf- pfropfung in Gestalt des Konvergenzspasmus hinzugesellt. Man muB an diese 19sychogene Reaktion denken, wenn die Konvergenzstellung der Augen schon bei Nahfixation oder beim Vorsetzen der Convex- oder Leuchtbrille oder bei ruhiger Kopfriickenlage erfolgt oder ungeordnet mal in dieser, real in jener Lagestellung einsetzt. Sie erscheint dann naturgem/~l~ auch nach Drehung und Calorisation und kann hierbei mit dem Pendelzittern in einem oder m beiden Augen kombiniert sein, deren Unterscheidtmg vom Zitternystagmu's sehwierig wird. Letzterer zeigt aber in seiner Form eine Art yon zittriger Vibration, w/~hrend die Aus- schls beim Pendelzittern ausgiebiger und langsamer sind.

Der Verlauf des 2u nach Drehung war hinsichtlieh Form, Intensit/~t und Dauer sehr verschieden. Trotz Doppeltsehen und deut- lichem Abweichen eines Auges spontan und bei Lage war auf Drehung 5fters keine oder nut geringfiigige Seitendifferenz in tier Dauer sowie auch in der Art des bTachny, zu erkennen. Bestand aber beim Doppeltsehen auch Spontan-Iqy. nach einer Seite, so maehte sich dieser bei dem gleieh- gerichteten Seitenblick naeh entsprechender Drehung insofern bemerkbar, als nun zun/s mehr oder minder he/tige irreguIdre Augenbewegungen einsetzten und darm erst der rhythmische Ny. folgte. Da nach Drehung der Gegenseite und Seitenblick der Nachny. reg~l/~r war und die Dauer zwischen beiden Seiten keine wesentliche Differenz zeigte, wurde also der regul~re Nachny. durch die Fixierbewegungen iiberlagert.

Sp~tere Nachpriifungen ergaben, dab in F/~llen mit Doppeltsehen, Spontan-Ny. nach beiden Seiten, sowie alternierender Abweiehung der Augen, der bei der ersten Pr'~ung nut unwesentlich differierende Ny. nach Drehung und Calorisation im Verlauf yon 2--3 Jahren vSllig /ehlte, w/~hrend die Abweichung eines oder beider Augen noch in geringem

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Grade, und zwar dann nur bei AuslSsung des experimentellen Ny. zu erkennen war.

Die nach Drehungen beobachteten Erscheinungen in den Augen- bewegungen waren auf Kaltspi~lung ebenfalls vorhanden, gew6hnlich aber in abgeschw~chtemMaBe. Lag jedoch eine einseitige St6rung vor, so blieb die Reaktion in gleicher St/~rke auf Kaltsp/ilung oder HeiBsp/ilung be- stehen. ])as betraf sowohl das Abweichen eines Auges nach innen oder Stehenbleiben in Mittelstellung, wie die 1/ingere Dauer oder grSBere Intensit/~t des Ny. in einem Auge.

Besonders auffallend war der einseitige Ausfalt auf Drehung oder Calorisation, bei sonst erh~.ltener, wenig abweichender Dreh- oder Spill- reaktion der anderen Seite. So fanden sich F/file, in denen der Nachny. nur nach Rechtsdrehung oder nur nach IAnkssp/ilung fehlte, w~hrend die anderen Priiflmgen nur unwesentliche Differenzen boten. Eine n~here Korrelation zwischen Ausfall des experimentellen Ny. und Ar~ der Augen- abweichungen waren nieh~ zu erkennen, da die fehlende Reaktion sowohl auf der Seite des Spontan-Ny. oder der Richtung des Doppeltsehens, als auf der Gegenseite in Erscheinung trat.

Behn Zeigeversuch wurde auf sTontanes Abweichen, dann auf die Reak- tion nach Prfifung des Lageschwindels und ferner nach Drehung und Calorisation gepriift, und zwar mit mehffachen Proben, sowie beidtgindig (Gi~ttlch 1), da die Abweichung h/~ufig erst nach einiger Zeit deutlieh wird, abet auch unter Grahescher Kautele am Arm des fehlerhaften Zeigens. _4Jle nicht sicheren Ergebnisse wurden als ,,unbes~immt" bezeichne~ und nicht bewertet, dagegen die bei den Priifungen sich im gleichen Sinne wiederholenden beriicksichtigt. Es ist wichtig, mit dem Kranken den Versuch einzu/iben, ihn dabei mit dem Riicken anlehnen und zun~chst mit jedem Arm einzeln, dann mit beiden Armen zeigen zu lassen und ihm zu erkl/~ren, worauf es ankommt. Wenn kein einwandfreies Resultat zu erzielen war oder Behinderung in einem Arm bestand, wurde auf die Probe verzichtet. H~ufig fand sich Fehlen der t~eaktion im Arm der gereizten Seite, und zwar haupts~ehlich in allen jenen F/fllen, in denen sich aus dem Aus- fall des experimentellen Ny. hinsichtlich Form, Intensit~t und Dauer des Iqachny. nach Drehung, Latenzzeit und Dauer sowie Schlagart des Ny. nach Calorisation, Sehliisse auf zentrale StSrungen ziehen liel]en. Erwies sich eine Seite auf Drehung oder calorischen Reiz als unerregbar, so fehlte meistens beim Zeigeversuch auf dieser SeRe such das Reaktions. zeigen und bei beiderseitigem Verlust das Vorbeizeigen in beiden Armen, worin nach Gii~ich ein Symptom retrolabyrinths Sch/~digung zu sehen ist. Oft fehlte aueh die Armabweichung an der SeRe der AugenstSrung, und zwar sowohl nach Drehung wie nach Spiilung.

Sehr verschieden lauteten die Berichte fiber das spontan oder bei der experimentellen Pr/ifung auftretende Schwindelge]iihl, wie die

1 C~tt~ch: z. Neur. 16~. 15"

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unangenehme Empfindung beim erschwerten Seitenblick mit Steigerung bis zum Schwindel bei plStzlicher Kopfdrehung und Fallneigung zur Seite der AugenstSrung, ferner Hinzukommen yon optokinetischem Schwindel sowie Einsetzen vasomotorischer Erscheinungen. So machten dabei Patienten den Eindruck vSlliger Benommenheit, reagierten nicht auf Anruf und neigten sich stark zur gereizten Seite. Erst nach einigen Se- kunden waren sie dann imstande, die Fixation des Fingers auszuffihren, zugleich meldeten sich die bekannten Erscheinungen, Gesichtsr6te, Schwefllsekretion, beschleunigte Atmung und Pulsbeschleunigtmg oder umgekehrt starke B1/~sse, Pulsverlangsamung und ~belkeit . Einzelne Patienten hat ten laut Anamnese heftige Magen-Darmst6rungen mit plstz- lich einsetzenden Durchf/~llen, die sich medikamentSs nicht beeinflussen liel3en. W~hrend die Mehrzahl der Patienten ihre Drehemp/indung in der bekannten Weise des ,,Gehobenwerdens, Versinkens oder des Schaukel- gefiihls" charakteris~erten, gaben einzelne an eine eigenartige Empfin- dung des Drehens in der Ellipse oder in elner Wellenbewegun9, der Neigung des Stuhles zur Dreheeite, das Geffihl des Wegrutschens des Stuhles zu haben. H/~ufig bestand auch das Gefiihl einer langdauernden Nachdrehung bei offenen Augen, ohne dalt noch Augenbewegungsst6rungen vor- handen waren. Auff/~llig war auch nach der Drehung Augentrginen, und zwar gewShnlich des Auges der BewegungsstSrung mad spontan vor- handenes oder st/~rker bei Lichtreizung und bei der experimentellen Priifung zunehmendes starkes Augenzwinkern, das die Bulbusbeobachtung hochgradig erschwerte.

Zur Erl/~uterung der in ihrer Manni~altigkeit wechselnden und ver- wirrenden Erscheinungen m6gen einige Krankenblat ter dienen, in denen aber nur die charakteristischen Zeichen der StSrungen des Ohr-Augen- apparates wledergegeben werden.

1. Frau IV[. Autounfall mit Stirnverletzung, retrograde Amnesie, beim Aufl'iehten und Stehen Drehsehwindel, besonders beim Bliek naeh links, dabei aueh Doppelt- sehen. Spater unangenehmes Gefiihl beim Blick nach links, beim Lesen ver- schwimmen die Zeilen und Buehstaben.

Kontrolle der Augenbewegungen: Starker rotatoriseher Spontan-Ny. nach links mit voriibergehendem Doppeltsehen. Zunahme unter der Convex- oder Leuchtbrille sowie bei Zagepr~/ung, dabei aber auch einzelne Ny.-Sehlage beim Blick nach rechts, verbunden mit Schwindelgefiihl. Drehprobe ~.: Hochgradige irregul/~re Augenbewe- gungen mit Zuriiekweichen beider Augen, starker des linken, Ny.-Klonus, Finger gar nicht, dann sehr stark verbreitert gesehen, Sehwindel mit ~-belkeit. Drehprobe L. : Einzelne unregelmaBige Augenbewegungen, dann lebhafter Ny., Bauer ktirzer als naeh Rechtsdrehung. Kaltsl~dung: Rechts und links keine FixationsstSrung, r des My. in Form, Latenzzeit, Bauer geringe Differenz.

2. Z., 45 Jahre. Verletzung des Kopfes dureh herabfallendes Eisenstfick mi~ nachfolgender lange dauerader Bewulltlosigkeit. Drehschwindel im Bert und beim Aufrichten, sp/~ter Sehwarzwerden vor Augen, bei langerem Bliek naeh reehts oder links mit Sehwindel bis zum Umfallen, dazu Flimmern beim Lesen und Schreiben, sowie Doppeltsehen.

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St6rungen des Ohr-Augenapparates naeh Kopfverle~zungen. 229

Kontrolle der Augenbewegungen: Seitenblick nach rechts oder links Doppeltsehen auf nahe Entfemung, das auf wei~ere verschwindet. Kein Spontan~-Ny. Leucht- brille: Blick nach links oben feiner Ny. mit Schwindel. Lagelrri~/ung: In allen Lagen Doppeltsehen beim Blick nach rechts oder links bei Nahfixation. Drehlyrobe R.: Ersehwerte Fixation naeh links mit Doppeltsehen, irregul~rer Ny. mit starken Einzel- zuckungen, die im linken Auge lSnger schlagen als im rechten. Drehprobe Z.: Fixa- tion naeh reehts leichter, aber Doppeltsehen mit voriibergehendem Zuriiekweichen des rechten Auges nach innen. Naehnystagmus: Seitendifferenz, nach Li.-Drehung l~nger als nach Rechtsdrehung. Kalts~ilu,ng R.: Zunachst keine FixationsstSrung, dann Zuriiekweichen des llnke~ Auges nach irmen mit Doppeltsehen und nach Linkss~lung und Blick nach rechts Zuriiekweichen des rechten Auges mit Doppelt- sehen. ~bereinstimmung des ~y. in Form, Latenzzeit und Dauer. Zeigever~ch: Naeh beiden Proben Fehlen der Re.aktion im Arm der gereizten Seite, wen_ig Sehwindel.

3. Z., 38 Jahre. Schwerer Sturz auf Hinterkopf, BewuBtlosigkeit, Erbreehen, dann starker Drehsehwindel bei Kopfdrehung und Doppeltsehen. Sparer bei schneller l~echb~drehung des Kopfes Erbmchen, 5fters Durchfall Unsicherhei~ beim Gehen mit Geffihl des Fallens. Liegen au~ der rechten Seite umn6glich, da sofor~ Drehgefiihl. Beim Bliek naeh der Verkehrsampel sofort Sehwindel und Benommenheit, beim Sehreek heftiges Herzklopfen. Beim Autofahren und Blicl~ nach rechts Sehwindel und Undeutlichsehen, weswegen Anhalten.

Kontrolle dsr A~jenbewegungen: Seitw~rtsbliek naeh rechts: Bulbusbewegung mi~ Verschwommensehen und Schwindel. Kein Spontan-Ny., nach Kopfschiitteln Andeutung. Leuchtbrille: Blick nach rechts oder reehts oben Zitterbewegung im rechten Auge mit l~y.-~hnlichen Schl~gen. Zagepri~']ung: Kopfseiten- oder Seiten- lags r.echts: Seitw~rtsbliek rechts unregelm~i~ige Bulbusbewegungen, ]~belkeit; Kopfseiten- oder Seitenlage links: Seitwfirtsblick reehts rotatorisehe Bewegungen in belden Augen und beim Aufrichten weicht rechtes Auge naeh innen ab, Ver- schwommensehen, Fallneigung nach hinten. Kop]hgngelage: Blick nach reehts starke Augenbewegungen, Schwindel, ~belkeit. Drehl~robe 1~.: Sehwaehreiz wegen heftigem Schwindel und ~belkeit, wie beim spontanen Sehwindel. Hoehgradige irregtfl~re Augenbewegungen nach beiden Seiten, Finger v61lig unklar. Drehprobe L.: Das- selbe sowie Zuriickweichen beider Augen nach links, Au6enwel~ versehwommen. ~bereinstimmung des Naehny. in Form, Intensit~b und Dauer. Kaltspi~lung R. und L.: Keine St6rnng bei Fixation, Ubereinstimmung des My. in Form, Latenzzeit und Dauer, kein Sehwindel. Nach Drehung beim Zeigeversuch kein Abweiehen, naeh Spiilung Zeigeversuch typisch.

4. M. Sehwerer Autounfall mit langer Bewul]tlosigkeit, Erbrechen und Dreh- schwindel mit Umfallen. l~2immern und Doppeltsehen, helle Beleuchtung bewirkt Benommenheit. Liegen im Bert auf linker Seite unm~glich, dabei ~e lke i t und Er- breehen. Lesen nur voriibergehend m5glich. Im Dunkeln erscheinen die Lampen mehrfach.

Kontrolle der Augenbewegungen : Beim Seitw~rtsbliek naeh reehts oder links Spontan-Ny., der im linken Auge starker und rotatorisch schl~gt mit Abweichen naeh innen unter der Leuchtbrille. I~gepri~]ung: Derselbe Befund mit Doppelt- sehen, hochgradiger Schwindel, Fallneigung naeh vorne, Gesiehtsbl~sse. Drehprobe R.: Sehr lebhafter Naehny., linkes Auge weicht nach innen ab, bleibt stehen. Doppelt- sehen, sehl~gt dann wieder. Dauer 40 Sek. Dreh~robe L.: Mittelsehl~giger Naehny., rechtes Auge weieht naeh innen ab, bleibt stehen, linkes Auge sehl~g~ irony, weiter, Doppeltsehen. Dauer 22 Sek. Kaltsl~lung: Derselbe Befund wie nach Drehnng. Hochgradiger Schwindel mit starker Vasomotorik.

5. R. Schwerer Sturz auf ttinterkopf, 4 Stunden bewu~tlos, Facialisparese links, Doppeltsehen beam Blivk nach links mit starkem Drehschwindel, sp~ter auch opto- klnetiseher Sehwinde|.

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Kontrolle der Augenbewegungen: Seitw~rtsblick nach links Doppeltsehen und teiehter Spon~an-h~y. Leuehtbrille: Seitw'~rtsbliek naeh reehts geht linIces Auge, Seit- wiixtsblick nach links rechtes Auge in den inneren Augenwinkel. Lageyri~/ung: In allen Lagen beim Blick nach l~nk.~ Doppeltsehen unter der Leuchtbrille Zitternystag- mus im linken Auge. KopJhgngelage: Staxkes Doppeltsehen beim Bliek naeh linl~s, linkes Auge geht weir naeh innen zuriiek. Sehr starker Schwindel, Gesiehtsrbte, DrehTrobe R.: Zuriiekweiehen des linken Auges naeh innen, Doppeltsehen, kurzer Nactmy. Drehprobe 15.: o.B. Kaltspi~lung .R.: Sehr starker rotatoriseher Iqy., llnlces Auge nach innen zuriick, Doppeltsehen, Linksspiilung o.B. Sehr starker Schwindel nach Rechtsdrehung eder Spiilung.

6. R., 38 Jahre. Sturz yore Wagen, lange bewuBtlos, ~Tbelkeit, sparer Dreh- sehwindel mit mehrfaehem Umfallen un4 heftigem Kopfdruck bei Kopfdrehungen oder Biicken. Sehen sehleeht, Lesen unm(~g.l~eh.

.Kontrolle do" Augenbewegungen: Beim Bliek geradeaus l~y.-Zuekungen im linken Auge, Zunahme beim Seitw~rtsblick nach links mit starker Ztmahme unter der ConvexbriIle and besonders bei der Lagepr4tung , bier in reehter Kopfseitenlage und Blick naeh Hnks sehr starker Ny. im linken Auge, das im ~ui3erstenAugenwinkel steht. Bei l~ixatlon stets Undeu$lich- u~d Doppeltsehen: starker Sehwindel und: Benommen- heir. Drehprobe R.: Seitw~rtsbliek, heftige rotatorisehe Bewegungen im linken Auge, reehtes Auge sehl~gt im l~y. mit mehrfachem Zuriiekweiehen, Doppeltsehen. /)feb- probe 15.: HefCiger STy. im rechten Auge starker als im linken, mehrfaches Zurfiek- weiehen beider Augen. Doppeltsehen. Keine Seitendifferenz in Dauer des Naetmy. KaltsTi~lung B.: Ny.-Klonus ira llnken Auge, unregelm~Biger Ny. im reehten Auge. Undeutliehes Sehen. Kaltspi~lunq JS.: Feinsehlagiger l~y. in beiden Augen, dazm Ny,- Zunahme im rechten Auge mit mehffaehem Zuriiekweiehen, Versehwommensehen. ~y. nimmt im linken Auge ab, sehl~gt in Pausen, h6rt auf, schlagt im reehter~ weiter such beim Bliek geradeaus. Sehwerer Schwindel, keine Vasomotorik.

7. R. Sturz yore Rad dutch Anfahren yon Motorrad, starke Kopfverletzung rechte Kopfseite, lange bewv~tlos. Sehwindel mit Ohnmachtsanf~llen bei Kopf- drehungen und Biieken sowie Bliek nach oben; Lesen nut kurze Zeit m6glich.

Kontrolle der Augenbewegunqen: Blick naeh reehts Unruhe in beiden Augen, starker im rechten mit Zitterbewegung. Undeutlichsehen. Blick nach links o.B., starker Zitternystagmus naeh Kopfschiitteln mad Zunahme unter der Zeuchtbrille mit starkem Schwindelgefiihl. Zagesrri~/ung: Derselbe Befund, aber such leichter Zitterny. im linken Auge. Flimmem trod Versehwommensehen: Starker Sehwindel mir Druek an rechter Stirnseite. Drehprobe R.: Seitw~rtsblick, hoehgradiges Zittern in beiden Augen, starker im linken. Verschwommensehen, vereinzelte I~aclmy:- Zuekungen. Dauer 20 Sek. Drehprobe 15.: Hochgradiges Zittern in beiden Augen, starker im rechten mit Zuriickweichen und DOpl~ltsehen. Dauer des N~chny. 40 Sek. Sehwindelgefiihl. KaltsT4lung R.: Starker l~y. in beiden Augen bei Mittel- stellung der Augen mit Zunahme beim Seitenbliek and Zuriickweiehen des linken Auges. Undeutlichsehen. Dauer der Zitterbewegungen 117 Sek. Starker Schwindel. KaltsT4lung 15.: Seitw~rtsblick o. B., nur leichte Zitterbewegungen im rechten Auge, feinsehli~giger 5Ty. Dauer 90 Sek. Wenig Sehwindel.

8. T., 45 Ja-hre. Absturz mit Flugzeug, lange bew~tlos, Scheitel- und Stirn- verletzung. Erheblieher Drehsehwindel mit vasomotorisehen Reizerscheinungen. Optokinetischer Sehwindel. Kein Dolrpelt~ehen.

Kontrolle der Au~enbeweguneje~: Spontan-~y. angedeutet. 15a~el~ri$/ung: Lin~e Seitenlag e deutlieher l~y. nach reehts mit starkem Sehwindelgefiihl. JDreh,probe: Sehr herabgesetzte Erregbarkei~ bds. Ebenso auf Kalts1~Iung.

Unterxuchung naeh einem Jahr: Convex- oder LeuehtbriUe: Seitw~rtsblick naeh links plStzliehes Abweichen des linken Auges naeh innen. Starker Sehwindel mit ~belkeit. ZageTri~]ung: Rechte Seitenlage und Bliek naeh links pl6tzliches Ab- weiehen des linken Auges mit Pendelnystagmus. Linke Seitenlage und Blick nach

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rechts Abweichen des rechten Auges nach innen, keine Klagen i~ber Dol~peltaehen. DrehTrobe: Kurzer Nachny. nach Rechts- oder T,inl~areizung, mit gleichzeitige Abweichen der Augen wie bei der Lagepriifung. Kalts1~lung: ~MJnimale Reaktion nach Rechts- oder Linksreizung.

Untersuchung nach 2 Jahren: Ausgepr~gter optokinetischer Schwindel mit Ge- fiihl yon Augenverdrehung. Beim Lesen und Schreiben SchwindelanfMle.

Kontrolle der Augenbewegungen: Auf ~ahfixation pl6tzlicher Konvergenzkramp/ mit Schwindel, noch starker unter der Leuchtbrille mit Gesichtsr6te, SchweiBaus- bruch und Benommenheit. Zage~/ung: In allen Lagen beim Blick zur Gegenseite pen delnder Zitternystagmus. im guBerenAuge mit Zuriickweichen nach innen. Star- ker Schwindel and Vasomotorik. Drehyrobe R.: Zitternystagmus, llnl~es Auge geht langsam nach innen zuriick, rechtes steht im inneren Augenwinkel. Drehprobe JL.: Das gleiche Bild aber umgekehrt. KeineAngabe iiberDoppeltsehen. KaltsIa~lung: R. und L. der gleiche Befund in abgeschwgchtem MaBe. Hochgradiger Schwindel mit Schwei~ausbruch.

NachTr~/ung nach Z Jahren: Sehr erhebliche Zunahme des Konvergenzkramp]es bei Seitenfixation, Nahfixation und Ausschaltung des Blickes sowie nach JDrehun9 und Kaltpra/ung. Seelische Aufpropfung des Konvergenzspasmus auf vorhandene zentrale St6rung.

~berblieken wir n0ch elnmal alle Befunde dieser traumatischen Schgdigungen des optovestibulgren Apparates. Diese dokumentieren sieh in den bekannten Erscheinungen, dem Spontan- und Lage-b;y., der Abweichung in Form, Intensitgt und Bauer ties experimentellen Ny. und in den begleitenden vas0motorischen Reizerscheinungen. Die Augen- bewegungsst6rungen ergeben Doppeltsehen naeh dem Unfall und wieder Auftreten desselben bei der Prfifung des Gleichgewiehtsapparates, er- sehwerten Seitenblick, Zuriickweiehen eines Auges bei Seitenfixation unter der Convex- oder Leuchtbrflle sowie stark behinderte Fixation oder alternierende Abweichung der Augen beim Seitenblick nach Dreh- oder thermischer Reizung.

In der Mehrzahl der F~lle wurden also St6rungen des Gleichgewichts- apparates gefunden, wie sie nach Kopftraumen aufzutreten pflegen. So wurde Spontan-Ny. beobaehtet, der vereinzelt bei Beobaehtung mit der Leuchtbrille in einem Auge allein zu sehen war. Deutlicher zeigte sieh meistens der Spontan-Ny. bei Lageweehsel mit ~berwiegen behn Bliek zur Seite der Blickschw~che oder bei Einnahme dieser Seitenlage und bei Kopfhgngelage. Aueh konnte ein vorher nicht beobachteter latenter Ny. dureh die Reizung nach der Dreh- oder calorischen Probe aktiviert werden. Der richtungswechselnde Lage-Ny. mit J~nderung der Sehlag- richtung bei Lagewechsel (Sei/erth) war verhs h~ufig. Ferner fanden sich Untersehiede in der Form und Intensitgt des experimentellen Dreh- und calorisehen Ny. sowie Verschiedenheiten seiner Bauer, die sich auch: in l~ngerem Schlagen des Ny. in einem Auge oder einseitigem Fehlen zeigte. Bedeutend war auch 6frets der Untersehied zwisehen der langsamen und schnellen Phase, indem erstere unregelmgBig ausfiet oder fehlte, 'letztere langsamer als iiblich schlug, wobei zugleich aueh Pausen zwisehen den einzelnen Zuckungen einsetzten. In die Augen fallend war

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auch oft die Formdi]]erenz, wenn z. B. nach Drehung oder Spiilung der experimentelle Ny. nach einer Seite in regul~rer Weise erfolgte, w~hrend nach der Gegenseite neben der aul]erordentlichen Frequenz sich die stark ausgepr/~gte rotatorische Komponente bemerkbar machte. In einzelnen F~llen kam es dabei zu hochgradigem heftigem rollenden Ny. zum Ny.- Klonus (zYeumann). Demgegenfiber botder Zitterny. ein v611ig anderes Bfld, der aueh wieder einseitig, aber oft schon unter der Convex- oder der Leuehtb~lle in' Erscheinung trat, oder alternierend effolgte und auf mlnimale Ausschl/~ge oder auf fiberm/~Bige Innervation zuriickzufiihren sein dfirfte. V6Uiger Ausfall der Dreh- oder calorischen Reaktion sind in der tYIehrzahl auf das Trauma zu beziehen, wenngleieh auch konsti- tutionelle Anlagen dabei mit in Erw/~gung zu ziehen sind. DaB es sich hierbei um retrolabyrinth~re St~rungen handelt, steht nach den allgemeinen Erfahrungen auBer Zweifel. Ffir die Beurteilung der Frage der Lokalisation ist nun welter die Art der Motalit~tsst6rungen der Augen wesentlich.

~ber die Ny.-Formen bei ~geri~herer Abducensl~ihmung geben uns die Untersuchungen yon Aubaret 1 Auskunft. Nach seinen Befunden entsteht dabei eine St6rung desjenigen 1~y., dessen rasche Phase der Wirkungs- richtung des gel~hmten ~Iuskels entspricht, d. h. bei linksseitiger Abducens- l~hmung bleibt der postrotatorische Ny. am rechten Auge normal, ist am llnken jedoch zun/~chs~ sehr sehwach oder fehlt, es besteht somi~ ein rnonokuliirer Ny. J~hnliches konnten wit in unseren F~llen auch beob- achten, wenn z. B. der Ny. in einem Auge schlug, w/~hrend das andere zur MittelsteUung ging und stehen blieb. Im Gegensatz zu den peripheren L/~hmungen waren aber hierbei die willkiirlichen Bewegungen des betreffen- den Auges vSllig unbehindert.

Ban]anin ~ sah nach Trauma, und zwar nach Schlag gegen die linke Parietalgegend auch eine/~hnliche StSrung. Es bestand auBer Schwindel Doppeltsehen, eine charakteristische St6rung des Spontan-Ny., wobei das rechte Auge beim Blick nach rechts den iiblichen horizontalen l~y. hatte, dagegen beim Brick nach links nur eine geringe Bewegung nach links aus- fiihrte, und zwar ohne ivy. Im linken Auge war beim Blick nach rechts nur ein leichtes Zittern und geringe rotatorisehe Bewegung zu erkennen. DaB es sich hierbei um eine zentrale Sch~digung handelt, wird durch gleiehe Beobachtung bei Tumoren trod vor allem bei multipler Sklerose erw/ihnt. Ffir letztere ist eine neuerliche Beobachtung yon Knapp ~ besonders charakteristisch. Bei dcm Patienten trat bei seitlicher Blickrichtung nut auf dem temporal gerichteten Auge ein horizontaler Ny. auf, w/~hrend der andere Bulbus kaum fiber die Mittellinie hinausging und nur feinste horizontale rotatorische Zuckungen zeigte. Beim Blick nach oben ent- s tand in beiden Augen ein vertikaler Ny. Diese Art yon StSrung wurde

1 Aubaret: Bull. Soc. Ophtalm. Paris 5, 376. -- 2 Ban]anin: Med. Pregl. (serb. kr0at. ) 1927. Ref. Z. Hals- usw. I-Ieilk. 12, 337. -- 3 Knapp: Hals-Iqasen-Ohren- arzt 31, 16.

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St6rungen des Ohr-Augenapparates nach Kopfver!etzungen. 233

yon Antoni 1 ns beschrieben und als supranukle~ires Syndrom der inter- nukl~ren Unterbrechung des hinteren Z~ingsbi2ndels bezeichnet.

Vergleichen wit hiermit unsere Feststellungen der BewegungsstSrungen, so sind diese als ,,weniger ausgeprs aufzufassen, wenn z. B. das nach auBen gewandte Augo beidor Seitenfixation zur Mittollage zuriickwoicht oder diose Abwoichung alternierend im reohton odor linken Auge offolgt, fernor wenn der Ny. in einem Auge mit st~rkerer Intensit~t odor l~tngerer Dauer schl~tgt als im anderen, odor schlieBlich vSlliger Ausfall des Ny. zur SeRe des Doppeltsehens sowio ~ndorungen in der langsamen odor schnellen Phase des experimentellen Ny. bestehen und bei Ausfall der raschen Komponente v611ig irregul~re Bewegungen des Augapfels erfolgen. Zur Kl~rung dieser teflweise verwirrenden Befunde sind die yon Ohm 2 bei dor multiTlen Sklerose gefundene Beobachtung des vestibul~ren Drohny. und des Blickrichtungsny. wertvoll. Nach ihm laufon im vestibul~ren Kernapparat, dem supranukle~ren Blickzentrum die vestibuls opti- schen und willkiirlichen Erregungen zusammen, wobei sich die beidon Kerno gegenseitig beeinflussen. Es fiihrt eine Sch~digung des linken Vestibularkerns zur Sehwachung der Linksrucke und Verst~rkung der Rechtaruoke, zur St6rung des Linksbliokes und zum Ny. beim Reehts. bliek, Sch~digung beider Kerne, dos s odor der Subst. reti. cularis beeintrs aUe Blickbewegungen. Sohs der inter- nukles Verbindung fiihrt zu Steigerung jeder Art yon Ny. beim Seiten- blick. Naoh Jung und Mittermaier 3 finden sich boider supranukle~ren Z4ision, im Hirnstamm in der oralon Substantia reticularls Blickrich~ungs- Ny. und St6rung oder Fehlen des optokinetischenlffy, bei erhaltenem oder gesteigertem labyrinth~rem Ny. und bei Herden der caudalen Subst. reticular, und des hinteren L~ngsbiindels ein blickparetischer Ny. ver- bunden mit StSrung des optokinetischen und labyrinth~ren Ny. nach der Herdseite.

Betreffs des SchwindeIs bemerkt Leidler ~, dab dioser am st~rksten ist, wenn die Wurzelfasern des Vostibularis und die zum hinteren L~ngsbiindel ziehenden Bogenfasern betroffen werden.

Nach GiZttich 5 sind fiir Erkrankungen des Hirnstamms charakte- ristisch, die Dissoziation, d.h. das verschiedene Verhalten beider Augen, Ausfall 4or schnellen Phase des Ny., regelwidriger 1fly., odor Stillstand der Bulbi sowie nach einiger Zeit vollkommener Ausfall der vesti- bul~ron Erregbarkeit.

Es ist demnach in Beriicksichtigung all dieser mit unseren Beobach- tungen iibereinstimmendon Erw~gungen gegeben, die Lokalisation dieser traumatischen StSrungen im Hirnatamm zu suchen.

1 Antoni: orb. Psyehiatr. 4~ (1927). -- ~- Ohm: Dtsch. Z. ~N~ervenheilk. 1~8, 43. -- 3 Jung u. Mittermaier: Arch. Ohr- usw. Heilk. 146, 4 1 0 . - 4 Zeidler: Prac~. Otbl. etc. 2, 86. -- s Gi~ttich: a. a. O.

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L~:~4 I-I. Beyer: StOrungen des 0hr-Augenapparates nach Kopfverletzungcn.

Auch einzelne auffallende Erscheinungen bei unseren Kranken deuten auf die zentrale Sch~digung hin. So z. B. die starke Kopfneigung auf Drehreiz, die Unterberger 1 bei Erkrankung der Sta,mmganglien mehrfach gesehen hut. Fiir L&sion im System der supravestibul&renKerne sprechen auch ferner Beobachtungen, die Gurewitsch ~ nach Seh~deltraumen be- ~chrieben hat und die er als okulostatisehes Ph~nom bezeichnet. Dahin gehSrt die Fallneigung des Patienten beim Versuch der Konvergenz oder beim Blick nach oben un4 die Seitw&rtsneigung bei Seitenblick, ver- bunden mit Unbehagen, ~belkeit und vegetativen Symptomen. Oft wurde yon ibm aueh LesestSrung dabei gesehen.

Dazu kommt, dal3 au~erdem in diesen Fgllen yon neurologischer Seite nicht selten Glykosurie, Vermehrung des Blutzuckers und der Urinmenge bis zum Diabetes insip., Verlust der Potenz (Stier) und Abmagerung gefunden wurde, demnach Symptome, die einwandfrei auf dau Zwischenhlrn, also den vorderen Absehnitt desHirnstammes hinweisen .und die in gleieher Weise bei Tumoren und Blutungen gefuuden und be- schrieben wurden. Ebenso sind aueh die objektiv erkennbaren vaso- motorischen St6rungen zu bewerten, die besonders nach den experimen- teUen Prfi~unge~ des Gleichgewiehtsapparates auftreten und als Fort- ]eitung des Reizes yon den Vestibularkernen auf den Vaguskern und die benaehbarten vasomotorischen Zentren anzusehen sind. Nach Stier ~ sind fiir die Formabweiehungen des experimentellen Ny. als Ursache St6rungen im vasomotorischen Apparat anzunehmen und Sei/erth fiihrt die Sehlagriehtungs~nderungen des yon uns h~ufig gefundenen richtungs- wechselnden 2~y. ebenfalls auf Drucksehwankungen und Zirkulations- st6rungen zurfiek. Hierfiir spricht auch unsere Erfahrung, claB wit in nur wenigen besonders schweren F~llen dieser posttraumatischen Augen- bewegungsstSrungen einen konstanten oder in der Intensit~t weehselnden Befund erheben konnten, w~hrend in der l~ehrzahl der F~lle eine fort- schreitende Besserung bis zum v611igen Ausgleich, allerdings meistens nach l~ngerer Zeit, gefunden wurde.

Es kommen somit fiir die yon uns beobachteten St6rungen, wie Stier auseinandersetzt, zentral bedingte Seh~digungen des Blutumlauis im Hirnstamm in Betracht, eine Auffassung, die den Ausffihrungen yon Kretschmer 4 entspricht, der dutch die Kopfprellung eine cerebrale Gef/~l~- schwi~che, Dekompensation der Hirnge]gfle, mit Neigung zur Erschlaffung sowie abnorme Durchl/~ssigkeit annimmt, infolge deren umschriebene vasomotorische StSrungen mit weehselnden Spasmen und Dilatationen der Gef/~lle oder mit Blutaustritten in dem Hirnstamm zwischen den Deiterssehen oder den Augenmuskelkernen entstehen,

Unterberger: Z. Hals- usw. Heilk. 38 u. 42. - - ~ Gurewitsch: Nervopract. 7, fi--10, 11. - - 3 Stier: Arch. f. Psychiatr. 196, 3. - - Dtsch. reed. Wschr. 19~ I, 5. - - Z. ~rztl. Fortbildg 1989, 11. - - Mschr. UnfaUheilk. 42, I~r 10. - - 4 Kretsch~mer: Dtsch. reed. Wschr. 1982II, 1782.