16
Aus der Universitatsklinil( ffir H~ls-, Nasen- und Ohrenkranke Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. O. KAgLER t)" Tierexperimentelle Untersuehung fiber Ver~inderungen des 0hres naeh Luftdrueksehwankungen. Von OTTO E. I~IECKER. Mit 8 Textabbildungen. (F,ingegangen am 14. Juli 1947.) Der ad/~quate Reiz fiir das Ohr ist die periodisehe Schwankung des atmosph/~rischen Drueks. Naturgem/~$ sind die Amplituden im physio- logischen Bereich aufterordentlich klein. Es ist jedoeh bereits seit Jahr- zehnten bekannt, daft rasche Druck/~nderungen erheblicher Amplitude zu schweren Sch/s des Mittelohres fiihren kSnnen. W/~hrend in normalen Zeiten derartige Verletzungen vergleichsweise selten be- obachtet werden, treten sie in Zeiten gewaltsamer Auseinandersetznngen geh/~uft auf. Zahlenm/~l~ig an der Spitze stehen hierbei die Seh/~digungen infolge yon Luftdruckschwankungen, die bei der Detonation yon Spreng- kSrpern auftreten. Bekanntlich entwickelt sich bei der Entziindung einer Sprengstoffmasse ein Gas, das unter sehr hohem Druck und unter sehr hoher Temperatur steht und das Bestreben hat, sich mOgliehst rasch in seine Umgebung auszudehnen. Hier- bei kommt es dureh Kompression der umgebenden Luft zu einer Druckwelle, die sich als sogenannter LuftstoB mit erheblicher Gesehwindigkeit naeh allen Seiten fortpflanzt. Die Drueke im Luftsto$ sind in unmittelbarer ~/~he des De- tonationsherdes auBerordentlich hoch. Naeh SUTaEI~LA~D erreiehensie bis 200atii. sie nehmen jedoch mif~zunehmender Ent~fernung veto I-Ierd sehr raseh ~b. Aueh die Gesehwindigkei~, mit der sieh die Druekwelle ausbreitet, ist recht erheblich. Sie ist abhgngig yon der GrSSe der Sprengladung und der Entfernung veto Spreng- herd. Naeh den Angaben yon ZITOK]n~VfAIr betr/~gt sie in 9,14 m Entfernung yon einer detonierenden Ladung mit 27,2 kg Sprengstoff 458 m/see -1. Sie fiber- schreitet also die Sehallgeschwindigkeit erheblich. Auf die Druckstol~welle folg$ unmittelbar eine Welle velaninderten Luftdrueks. Sie wird als Sog bezeichnet. ttierbei liegt die Druckdifferenz gegeniiber dem normalen Atmosphgrendruek natnrgem/~l~ un~erhalb der GrS$enordnung einer at. Die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Sogwelle pflegt die der Druekwelle nicht zu erreichen. Weniger stiirmiseh sind die Druckschwankungen, denen der Mensch ausgesetzt ist, wenn er mit Hilfe yon hoehentwickelten teehnisehen Mitteln seine eigentliche Lebenszone, die Oberfl/~che der Erde verl/~l~t. Sowohl beim Eindringen in die Tiefe der See als auch beim Vorstoft in

Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Aus der Universitatsklinil( ffir H~ls-, Nasen- und Ohrenkranke Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. O. KAgLER t)"

Tierexperimentelle Untersuehung fiber Ver~inderungen des 0hres naeh Luftdrueksehwankungen.

Von OTTO E. I~IECKER.

Mit 8 Textabbildungen.

(F, ingegangen am 14. Juli 1947.)

Der ad/~quate Reiz fiir das Ohr is t die pe r iod i s ehe Schwankung des atmosph/~rischen Drueks . Naturgem/~$ s ind die A m p l i t u d e n im phys io- logischen Bereich auf terordent l ich k l e i n . Es is t j edoeh berei ts seit J a h r - zehn ten bekann t , daft rasche Druck/~nderungen erhebl icher A m p l i t u d e zu schweren Sch/s des Mi t te lohres f i ihren kSnnen. W/~hrend in no rma len Zei ten de ra r t ige Ver le tzungen vergleichsweise sel ten be- obach te t werden, t r e t en sie in Zei ten gewal t samer Ause inander se tznngen geh/~uft auf. Zahlenm/~l~ig an der Spi tze s tehen hierbei die Seh/~digungen infolge yon Luf td ruckschwankungen , die bei der D e t o n a t i o n yon Spreng- kSrpern auf t re ten .

Bekanntlich entwickelt sich bei der Entziindung einer Sprengstoffmasse ein Gas, das unter sehr hohem Druck und unter sehr hoher Temperatur steht und das Bestreben hat, sich mOgliehst rasch in seine Umgebung auszudehnen. Hier- bei kommt es dureh Kompression der umgebenden Luft zu einer Druckwelle, die sich als sogenannter LuftstoB mit erheblicher Gesehwindigkeit naeh allen Seiten fortpflanzt. Die Drueke im Luftsto$ sind in unmittelbarer ~/~he des De- tonationsherdes auBerordentlich hoch. Naeh SUTaEI~LA~D erreiehensie bis 200atii. sie nehmen jedoch mif~ zunehmender Ent~fernung veto I-Ierd sehr raseh ~b. Aueh die Gesehwindigkei~, mit der sieh die Druekwelle ausbreitet, ist recht erheblich. Sie ist abhgngig yon der GrSSe der Sprengladung und der Entfernung veto Spreng- herd. Naeh den Angaben yon ZITOK]n~VfAIr betr/~gt sie in 9,14 m Entfernung yon einer detonierenden Ladung mit 27,2 kg Sprengstoff 458 m/see -1. Sie fiber- schreitet also die Sehallgeschwindigkeit erheblich. Auf die Druckstol~welle folg$ unmittelbar eine Welle velaninderten Luftdrueks. Sie wird als Sog bezeichnet. ttierbei liegt die Druckdifferenz gegeniiber dem normalen Atmosphgrendruek natnrgem/~l~ un~erhalb der GrS$enordnung einer at. Die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Sogwelle pflegt die der Druekwelle nicht zu erreichen.

Weniger s t i i rmiseh s ind die Druckschwankungen , denen der Mensch ausgese tz t ist , w e n n er mi t Hi l fe yon hoehen twicke l t en t eehn i sehen Mi t t e ln seine e igent l iche Lebenszone, die Oberfl/~che der E r d e verl/~l~t. Sowohl be im E ind r ingen in die Tiefe der See als auch be im Vorstoft in

Page 2: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Veranderungen des Ohres nach Lnftdruckschwankungen. 195

die Atmosphare k o m m e n Druckschwankungen vor, die, wie die Erfah-

rung ]ehrt, geeignet sind, das GehSrorgan schwer zu sch~idigen.

Die Veranlassung ZU den ersten experimentellen Untersuehungen, die sieh mit der Schadigung des Ohres dutch Luf~druckschwankungen besehaitigten, waren ldinisehe Beobaehtungen, die bei Caissonarbeitern gemaeht worden waren. Erstmalig wnrden tierexperimentelle Untersnchungen in grS~erem Umfange yon ALT, H ~ n n ~ ', MAG~R nnd v. Scm~STT~ (1897, 1900) angestellt. Sie ahm~en hierbei die im Caisson herrschenden Verh&ltnisse naeh. Vor allem wurden die dasch rasehe DruckerhShung bzw. Druekverminderung entstehenden-8ehadigun- gen efforseht. Das Ergebnis dieser Tierversuche, das sieh mit den Beobaehtungen am Menscben, wie sie kurze Zeit spater yon I - I~m~A~ und THOST (1902} ver- 5ffentlieht wurden, deckt, sei in iolgendem kurz zusammengefaBt.

Durch rasche ErhShung des atmospharischen Druckes entstehen vor allem Veranderungen im Mittelohr und am TrommelfelL Es lassen sieh Blutungen in die Hittelohrschleimhaut, ja unter besonderen Umstanden sogar Blutergt~sse in die PaukenhSh]e beobaehten. ALT erld~i't das Zustandekommen dieser Vergnde- rungen dureh den w~ahrend der DruckerhShnng im Mittelohr herrschenden rela- riven Unterdruck. Dieser Unterdruek fib~ eine Saugwirkung auf die Mittelohr- schleimhaut aus, die zu einer tIyperaemia ex vaeuo ft~hrt. Hierdureh kommt es zu einer Sehwellung der Tubensehleimhaut, die nnter Umstanden zu einem vo]lkommenen TubenverschlnB fiihren kann. Der nun in der abgeschlossenen PaukenhShle herrschende Unterdruck soil fiber die dutch die Labyrinthkapsel ffihrenden GefgBe auf das Labyrinth iibertragen werden und bier zu Transsuda- tionserscheinungen, ja sogar zu Blutungen ffihren. Die histologisehen Methoden, mit denen diese Ergebnisse gew0nnen wurden, entspreehen jedoch in keiner Weise den heute angewandten Verfahren, so dal~ die Befunde mit einiger Zuri~ckhaltung betrachtet werden mfissen.

Weitere Untersuehungen tiber die Wirkung rascher Drucksteigerung auf das GehSrorgan stammen yon W A ~ s ~ s ~ (1924). Er land bei plStzlicher Steigerung des Luftdrucks eine Erschlaffung des Trommelfells, Blutungen unter die Sehleim- haut der Mittelohrr~ume und eine Lnxa~ion der GehSrknSchelchen. Bei Wieder- holung des Versuehes gel~ng es, die Blutung ins Mittelohr zu steigern, sowie eine Exsudation im perilymphatischen ~aum zu erzeugen. ]m Cpg~schen Organ wurden Ver&nderungen an den Stfitzzellen naehgewiesen, w~,hrend die nervSse Substanz intakt blieb. Bei durchlSchertem Trommelfell waren die Vergnderungen im Mittelohr nur ganz geringffigig odor fehlten vollkommen. In dem uns zuggng- lichen l~.eferat fiber diese japanische Arbeit fehlen nahere Angaben fiber die Stgrke des ~berdrucks, sowie fiber die Gesehwindigkeit der Druckver~nderung.

.X_hnliche Versuehe wurden yon VAIL (1925) angestellt. Er braehte J~unde und t~ninehen nach vorherigem Verschlufi einer Tube innerhalb yon kurzer Zeit in Uberdruck. Die naghfolgende Druckherabsetzung erfolgte sehr langsam. Er land bei der histologisehen Untersuchung der gewonnenen Praparate Blutergiisse in der PaukenhOhle, sowie eine Abhebung der Paukenh5hlenscMeimhaut yon der Unterlage. Das innere Ohr sowie der Knochen des Schl~fenbeins waren unver- ~ndert geb]ieben.

SASgO~OV (1927) experimentierte mi~ ~ u s e n , Meersehweinehen, Hunden und Tauben. Er land bel langsamer Verminderung eines Tdberdrucks yon 4 atii, der innerhalb einer Zeitspanne yon l~/z Stunden zur ~Norm zurfickgebraeht wurde, keine krankhaften Vergnderungen am GehSrorgan.

in manchen Einzelheiten anders sind die Ergebnisse, die sich bei raschem ~erabsetzen eines vorher langsam erhShten Druckes erzielen lassen. Aueh hier stammen die ersten tierexperimentellen Untersuchungen yon ALe, I~ELL~, MAr

Arch . Ohr- usw. He i l k . u. Z. Ha ls - ~sw. ]~eilk. B d 155. 13b

Page 3: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

196 0 ~ o E. R~rcx~:

und v. SCm~6TT]~R. Die genannten Au~oren nehmen an, dal3 bei rascher l~iick- ffihrnng des Uberdrueks auf einen normalen Wert im Mittelohr ein gegeniiber der AuBenwelt erh6hter Luftdruek bes~ehen bleibt. Hierdureh wird das Trommel- fellnadhaul3engedr~ngt undkannuntQrUmst~nden zerrei/3en. Die Geh6rkn6ehel- chenke~te wird fiber das physiologisehe Mal3 bewegt, wodurch es zu einer Luxa~ion des Steigbfigels kommen kann. Ferner wurde eine starke Blu~fiillung der Sehleim- hautgef~13e sowie Blu~austri~te in die Paukenh6hle beobachte~. Auch in Bogen- g~ngen und Schnecke liel~en sich Blu~ungen feststellen, wobei jedoch nich~ ent- sehieden werden konnte, ob diese Blutungen vielleieht dureh Verletzung der Fen- ster verursaeht worden waren.

Bei der rasehenDruekverminderung spie]~ die Zei~spanne, in der sieh die Druek- ~nderung vollzieht, eine besondere l~o]le. SO konnte SAsso~ov, der seine :Ver- suchstiere einem Druck yon 5 a~ii aussetz~e, beim AusschleuSen innerhalb einer Minute sehr starke Ver~nderungen der beschriebenen Art hervorrufen, die boi der Druckherabsetzung innerhalb yon 98 Min. fehlten.

~LASKIEVICZ (1929) fand naeh raseher Druekherabsetzung yon 6atii neben den Mittelohrerseheinungen, wie sie berei~s ALr besehrieben hatte, Ver~nderungen im Co~TIsehen Organ. Die Sinneszellen waren teils zerst6rt, tells aus ihrer normalen Lage gebrach~. Im Ganglion war eine Aufl6sung der NISSELschen K6rperehen festzustellen. Die I~Eiss~E~sche Membran war verschiedentlich yon ihrem ~ul3eren Ansa~z losgerissen.

Dislokationen der Co~TIsehen Membran, Triibung der Ha~rzellen, Ansehwel- lung der S~fitzzellen, Verwirrung der Zellreihen des Co~sehen Organs, besonders in den oberen Windnngen, sowie Degenerationserscheinungen in den Ganglien- zellen besehreibt K~Y~SH~ (1924), der bei Meersehweinehen den Luftdruek im ~uBeren Geh6rgang etwa 19 ~in. lang gesteigert hatte.

Naeh wiederholten Druckschwankungen glaubt S~r~LcgK (1926) eine ver- s~rk~e Granulation des Protoplasmas in den Maculae sowie in den C~vmus- schen Zellen naehweisen zu k6nnen.

Die Erkl/~rung der beschriebenen Befunde, soweit sie sich auf das Mittelohr beziehen, gelingt uns nur teilweise mit I-Iflfe der Vorstellung, die wir heute fiber den sich durch die Tube vollziehenden Druckausgleich zwischen der Luft im Mittelohr und der Aul3enluft haben. Wir schreiben der Ohrtrompete einen Ventilmechanismus zu und nehmen an, dal3 bei einem relativen ~berdruck in der Paukenh6Me sich der Druckausgleich fiber die trichterfSrmige, elastische, knorpelige Ohrtrompete ohne Schwie- rigkeiten vollziehen kann. Anders ist unsere Vors~ellungvom Mechanis- mus des Druekausgleiches bei einer relativen Erh6hung des Aul~enl.uft- druckes gegenfiber dem Luftdruck in der Paukenh6hle. Wir stellen uns hierbei vor, dal3 die elastischen W~nde der knorpeligen Tube im Bereich des pharyngealen Ostiums lest aneinander geprel3t werden, so dal3 der Druckausgleich nich~ ohne weiteres m6g!ich ist. Erst nach Kontraktion der an der Tubenmfindung ansetzenden Muskulatur des weiehen Gau- mens wird die Tube ge6ffne~ und nun k~nn die ~ul3ere ~ffberdruckluft ~n das Mittelohr hineingelangen.

Diese mechanisehen Vors~ellungen grfinden sich led~glich auf die groben morphologischen Verh~ltnisse. Wieweit die bei der DurchstrSmung eines

Page 4: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Ver~nderuugen des Ohres naeh Luftdruckschw~nkungen. 197

engen Kanales mit Luft entstehenden ~ber- bzv<. Unterdrucke auf die Ws dieses Kanals geeignet sind, Ver~nderungen in der Sehleimhaut hervorzurufen, sei dahingestellt.

Die oben beschriebenen Ergebnisse experimenteller Untersuchungen fiber die Wirkung yon Luftdrueksehwankungen anf das GehSrorgan stammen fast ausnahmslos aus einer Zeit, die mehrere Jahrzehnte zu- rfickliegt. Ngchdem in friiheren Untersuchungen yore Verfasser (1944) die Wirkung der sauerstoffver~rmten Luft auf die ~unktion und Struk- fur des GehSrorgans im Tierversuch geprfift worden w~r,hielten wir es ffir zweckm~ig, mit einer ~hnlichen Versuchs~nordnung und unter tter- anziehung yon modernen histologischen ~e thoden die Wirkung der Luft- druckvergnderung auf das GehSrorgan einer neuerliehen Untersuchung zu unterziehen. Wir stellten uns dabei die Aufgabe, sowohl Vers rungen in der Funktion als auch in der Struktur festzuste]len und ge- gebenenfg]]s diese Vergnderungen zueinander in Beziehung zu setzen. I m einzelnen sollte gepriift werden, we]chert Einflul~ ~er r~seh herab- gesetzte atmosph~rische Luftdruck auf d~s GehSrorgan auszufiben in der Lage war, ferner ob der rasch gesteigerte Luftdruek geeignet war, das GehSrorgan in funktioneller und morphologischer Hinsicht zu sehgdi- gen und welehe Folgen naeh mehrfachen Luftdrucksehwankungen zu beobachten waren. Wir bedienten uns hierbei ira Tierexperiment den bereits friiher eingehend besehriebenen Methoden, die hier in ihren Grundziigen kurz zusammengefaBt werden sollen.

Als Versuehstier diente das Meerschweinchen, bei dem es durch die Beobaeh- tungen des sog. P~nu l~ef]exes mSglich ist, gewisse Sch]iisse auf das HSr- vermSgen des Tieres zu ziehen. Aus technischen Griinden verw~ndten wir fiir unsere Untersuchung die Un~erdrueld~ammer. Die uns zur Verfiigung stehende Xammer bestand aus einem gl~sernen Exsiccator yon 5600 ecru Inhale. Der Unter- druek wurde dureh eine krgftige Wasserstrahlpumpe hergestellt. Die Geschwindig- keit der Druekherabsetzung bzw. der daran ansehliel~enden Drueksteigerung konnte dutch ein in seiner Weite verstellbares Ventil, dutch das Frischluft in die Kammer zustrSmte, reguliert werden. Die DruckhShe wurde yon einem Queeksilbermano- meter gemessen. Ausgegangen wurde jeweils yon dem an dem betreffenden Tage herrsehenden Lu~tdruck als Nullpunkt. Die sich daran anschliel~ende Druckher- absetzung wurde in mm Hg abgelesen.

Vor und naeh den Versuchen wurde bei den Tieren eine ~5rprfifung mit l=[ilfe des bereits erw~hnten Ohrmusehelreflexes durehgefiihrt. Als Tonquelle diente ein mit einem Lautsprecher verbundener Tonfrequenzgenerator, der es erlaubte, auf elekSroakustisehem Wege das ~SrvermSgen in den Frequenzen zwischen 150 und 8000 ttz qu~litativ zu prtifen. Aul~erdem wurde mit ttilfe der GA~To~-Pfeife das X5rvermSgen fiir die hSchsten hSrbaren TSne gepriift.

~qaeh Beendigung der Versuehe wurden die Tiere in Athernarkose durch Durch- spiilung der Aort~ mit Fixationsl5sung ngch vorhergeg~ngener Vorspiilung mit physiologiseher I~ochsalzlSsung intravital fixiert. Die gewonnenen Felsenbeine wurden in Serie geschnitten.

Es kam uns bei unseren Untersuchungen vor allen Dingen darauf an, das Grunds~tzliehe beim Zustandekommen etwaiger Sch~digungen

Page 5: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

198 O~'io E. Rr~e~Eg:

am Geh6rorgan zu priifen. Wir konnten desh~lb bei unseren Versuehen auf die pedantische Nachahmung der in der Praxis vorkommenden Ver- h~ltnisse, die ja auBerordentliehen Sehw~nkungen un~erworfen sind, ver2 ziehten und uns auf einfache Vorg/~nge besehr/~nken. Die im Unterdruck- experiment zweifellos mit der gerabse~zung des a~mosphs Drueks einhergehende Sauerstoffverarmung der Luft konnte als St6rfaktor bei- unseren Untersuehungen ausgeschlossen werden, da die Umst~nde, die zu einer hypox~misehen Sch/idigung des Geh6rgangs ffihren, bereits in frfiheren Untersuehungen festgelegt wurden und bei unserer Versuehs- anordnung ~usgesehtossen werden konnten.

Im folgenden seien die einzelnen Versuehsserien mit den teehnischen Daten some die jeweils erhobenen funktionellen und morphologisehen Befunde besehrieben. Ein Erkl/~rungsversueh fiir das Zustandekommen der beobaehteten Yer/~nderung sell am SehluB unternommen werden.

In einer ~rsten Versuchsserie sollte die Wirkung des vergleiehsweise raseh herabgese~ten atmosph/irischen Drueks ~uf das Geh6rorgan unter- sueht werden. Wir braehten zu diesem Zweek 6.Versuehstiere in die Kammer und setzten don Luftdruek innerhalb einer Zeitspanne yon 60 Sek. auf 270 mm Queeksilber herab. AnsehlieBend wurde der Druek sehr langsam, d. h. im Verlauf yon 60 Min. wieder a.uf 760 mm Hg ge- steigert. Bei der naeh Versuehsende vorgenommenen tISrpriifung war keine deutlieh nachweisbare St6rung zu finden. Die Tiere wurden 1 Stun- de nach Versuchsende get6te~ und nach entsprechender Verarbeitung die Felsenbeine einer histologischen Untersuehung unterzogen. Hier- bei fanden sieh Ver~nderungen der Sehlelmhaut im Bereich des Mittel- ohres. Besonders im vorderen Tell der Bulla, we sich normalerweise unter dem einschiehtigen Schleimhautepithel, das in der Gegend der Tuben- miindung in l~limmerepithel iibergeht , eine diinne, loekere Bindegewebs- sehicht finder, waren diese Ver/~nderungen deutlich. Das submuk6se Bindegewebe ersehien bei erhaltenem Epithel verbreitert, die~Lymph- spalten waren stark ausgedehnt (Abb. 1). Im Gewebe waren ganz ver- einzelte rote BlutkSrperchen nachweisbar. An den ]31utgefgBen kormten keine Vergnderungen fes~gestell~ werden. Die besehriebenen Sehleim- hautvergnderungen erstreekten sich fiber die gesamte Mittelohrschleim- haut; waren jedoeh im vorderen Anteil der Bulla ~m deutliehsten. Trom- melfell und Geh6rkn6ehelchenkette waren unvergndert.

In einer zweiten Versuchsserie sollte sieh die Herabsetzung des Luf~- druekes in erheblich k/irzerer Zeit, d. h. in Sekundenbruchteilen voll- ziehen. Zur Erreichung dieser schl~gartigen Druekherabsetzung muBte unsere Versuehsanordnung etwas abge/~ndert, werden. Dureh Zwisehen- sehalten eines T-Rohres wurde unsere Versuehskammer mit einem zwei- ten groBen, luftdiehten GefiiB verbunden. In diesem Gof/iB wurde der Luftdruek herabgesetzt, ws in der Versuehskammer, die dm'eh

Page 6: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Vergnderungen des Olu'es nach Luftdruckschwankungen. 199

einen Hahn von diesem Gef/s ge~rennt war, anfs normaler Druck herrsehte. Dutch pl6tzliches 0ffnen dieses Hahnes gelang es in Sekunden- bruchteilen im Versuchsgefis den Luftdruck yon 760 auf etwa 270 mm Hg, also um ann~hernd 500 mm Hg herabzusetzen. Die Tiere reagierten auf diese Druekherabsetzung m[t heftigen klonisch-tonischen Kr~mpfen der Extremit/s und mit Schfittelbewegungen des Kopfes. Sie beruhigten sich j edoch sehon naeh wenigen Sekunden wieder. Die Wiederherstellung des Ausgangsdrucks wurde aueh in dieser Versuchsserie auf den Zeit- raum yon fiber einer Stunde ausgedehnt.

Abb. 1. Schleimhaut .nach einraaliger rascher t terabsetzung des Druckes. Verbreiterung des submuk6sen Bindegewebes.

Nach Versuchsende war eines der drei geprfiften Tiere vollst~ndig taub, zeigte jedoeh 24 Stunden darauf wieder einen deutlichen Ohrmusehel- reflex, der j edoch in ss Frequenzen erst bei einer st/~rkeren Scha]l- intensit/s ausl6sbar war als vor dem Versueh. Aueh die beiden anderen Tiere zeigten neben einer Schwerh6rigkeit in den unteren Frequenzen ein Absinken der oberen Tongrenze yon 22000 bzw. 24000 Hz auf 12000 bzw. 15000 Hz. Zwei Tiere wurden sofort nach Versuchsende getf tet .

Bei ihrer histologischen Untersuchung land sieh eine hochgrad!geVer- breiterung des submuk6sen Sehleimhautgewebes in der Bu]la (Abb. 2). Stellenweise waren blasenartige Vorw61bungen, die in das Lumen der Bulla hineinragten, zu beobachten. Diese Blasen waren yon einer feinen homogenen, mit dfinnen Fasern durchzogenen, sieh kaum fi~rbenden Masse ausgeftillt. Die Sehleimhaut fiber diesen Vorwflbungenwar grfBten- teils zerstfrt . Die Blasen wurden durch eine dfinne Bindegewebssehicht zusammengehalten. Im subeutanen Gewebe fanden sich massenhaft

Page 7: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

200 OTTO E. RI~CK~R:

rote Blutk6rperchen, die teilweise in Form yon dem Knochen an- liegenden Hi~matomen die Schleimhaut abgehoben hatten. Besonders auffallend waren Ver~nderungen a n den Blutgef~Ben. Die Capillaren

Abb. 2. l~bersichtsblld nach explosionsart iger Drl lckherabsetzung. Blasenart ige, von ]3;utungen durchsetz te Schle imhautver~nderungen. Trommelfellzerreil~ung.

Abb. 3. L u x a t i o n der Steigbfigelendplat te (PaukenhShlensei te oben).

in der gesamten Schleimhaut waren hochgradig erweitert und teils yon dichten Erythrocytenmassen umgeben. Die beschriebenen Schleim= hautveranderungen fanden sich sowohl an der Buliawand ~ls auch in der die GehSrknSchelchen fiberziehenden Schleimhaut. Hier fielen vor allem einzelne punktf5rmige Blutungen unter dem Schleimhautfiberzug auf.

Page 8: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Ver~inderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen. 201

Aueh am runden Fenster war die Schleimhaut durch kleine Blutungen abgehoben. Zwischen den Fasern der Fenstermembran waren einzeIne Erythroeyten festzustellen. Die GehSrkn5chelchenkette zeigte keine Unterbrechung ihrer Kontinuit~t, dagegen war bei zwei Tieren eine Luxa- tion tier Steigbiigelplatte aus deln ovalen Fenster zu erkennen (Abb. 3). Das Ringband war jedoch nicht vollstgndig zerrissen. Im Ringband selbst fanden sich feinste Blutungen.

Abb. 4. Tier derselbenVersuchsserie 4 Tage nach Versuchsende. 5~assenhaft Leukocyten in der PaukenhShle, Leukoeytenstra~e durch das Ringband. Anssaat yon EiterkSrperchen im

Vestibulum. (PaukenhShle unten.)

Bei allen Tieren war das Trommelfell perforiert. Die Perforatione~ nahmen regelm~i~ig ihren Ausgang yore oberen Tell des Hammergriffs. und verliefen yon dort aus radii~r naeh der Peripherie. Neben diesem AbriG der Membrana tympani vom Rand der Hammergriffendplat te konnte auch eine Fraktur dieser Plat te parallel der L~ngsachse des. Hammergriffs festgestellt werden.

Im Bereich des Innenohres waren bei all diesen Tieren keine sicherer~ krankhaften Ver~nderungen nachweisbar.

Bei dem fiberlebenden Tier t ra t 4 Tage naeh Versuchsende eine vSllige Taubheit ein. Es wurde zu diesem Zeitpunkt get/%et. Bei der histolo- gischen Untersuehung zeigte es sieh, dal~ das gesamte Mittelohr voll- kommen yon einem stark fibrinhaltigen Exsudat, das massenhaft Leuko~ eyten enthielt, ausgeffil]t war. Der Steigbtigel war leicht aus dem ovalen

Page 9: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

202 0 ~ o E. l~cx~R:

Fenster herausluxiert (Abb. 4). Durch das Ringband erstreckte sich eine dichte S t ra fe yon Leukocyten, die auch in reichlichen Mengen im Vorhof ausgesat waren: In der Scala tympani und Scala vestibuli war ebenfalls ein stark eiwcii~haltiges Exsudat festzustellen, das besonders in der Scala tympani yon reichlich we:Sen BlutkSrperchen durchsetzt war (Abb. 5). Der Ductus cochlearis war fie:. Lediglich im Tunnel- raum des CoRTIschen Organes liei3en sich einige Leukocyten nachweisen.

Abb. 5. Querschnitt dutch die Schnecke beim selben Tier: Labyrinthitis. Eiter in Scala t ympan i und vestibuli.

An den Sinnesendstellen und im Ganglion war .kein abwegiger Befund zu ergeben.

In einer dritten Serie sollte die Wirkung des langsam herabgesetzten und ansehlieBend raseh gesteigerten Luftdrueks gepriift werden. Zu diesem Zweck wurde der Druek in der Versuehskammer im Verlauf yon 30 Min. yon 760 m m auf 170 mm Hg herabgesetzt und dann innerhalb yon 30 Sek. wieder auf 760 m m erh6ht. Die Tiere zeigten be: diesem Versueh in ihrem Verhalten keine Besonderheiten. Eine nieht sehr stark ausgeprggte tt6rst6rung, die vorwiegend die unteren Frequenzen betraf, war nachweisbar.

I m histologisehen Bild waren wiederumVergnderungen in der Sehleim - haut zu erkennen. Die gesamte Sehleimhaut ersehien be: erhaltenem E10it'hel verbreitert (Abb: 6). Auffgllig war der iiberall naehweisbare Austri t t yon roteh Blutk6rloerehen aus den GefgBen. Massive Bluter- giisse waren jedoeh nieht feststellbar. Die Erythroeyten fanden Sieh vielmehr im gesamten submuk6sen Bindegewebe verstreut. Kleine launktf6rmige Blutungen fanden sich unter dem Sehleimhauttiberzug

Page 10: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Ver~ndel~ngen des Ohres naeh Luftdruckschwankungen. 9,03

der Geh6rknSchelchenkette. Eine Trommelfellzerreigung war lediglich bei einem der vier untersuchten Tiere am hinteren Rand der-Hammer- griffendplatt e zu beobachten. Das Lumen der PaukenhShle selbst war frei.

Von besonderem Interesse waren die Sehleimhautver/~nderungen im Bereieh des Abgangs der Ohrtrompete. Hier zeigte sich eine kissenartige VorwS]bung der Sehleimhaut, die sich bis in das Tubenlumen hinein erstreekte und den durehgehenden Spalt nahezu v611ig versehloB. Das Flimmerepithel ersehien in seinem Gefiige auff~llig aufgeloekert. I m

Abb. 6. l~aukenh6hlenschle imhaut nach 2ascher Steigerung des Luf tdrucks . Yerbrei terung des subepi~helialen Gewebes rnit einzelnen Blu tungen in der Schle imhaut .

Bereich des inneren Ohres waren histologiseh keine abnormen Ver~nde- rungen ~ naehweisbar.

In einer vierten Versuchsserie wurde die Wirkung der rasehen Luft- drueksteigerung naeh vorausgegangener langsamer Lnftdruckverminde- rung gepriift. Zu diesem Zweek wurde der Luftdruek im Verlauf yon 30 Min. um etwa 560 m m t Ig vermindert und dann im Verlauf yon 1 Sek. wieder auf den normalen Wert gesteigert. Die funktionelle St6rung bei den 4 Versuchstieren dieser Gruppe war wesentlieh schwerer als in der vorhergegangenen Serie. Der histologisehe Befund dagegen unter- sehied sich lediglieh hinsiehtlieh der St/~rke der Vergnderungen. Her- vorzuheben ist jedoeh, dab bei s~mtlichen Versuehstieren eine Zerrei- Rung des Trommelfells zu beobaehten war. Ausgedehnter waren ve t allem die Blutungen in die Submucosa der Schleimhaut, ohne dab es jedoeh zu Blutergiissen in das Paukenh6hlenlumen selbst gekommen war. Das Innenohr war nioht ver~ndert .

Die l~olgen mehrfaeher Sehwankungen des atmosPh~risehen Drueks wurden in der nun zu besehreibenden/iin/ten Serie untersueht. Die Tiere wurden innerhMb yon 2 Min. vdn dem Normaldruek in einen Luftdruok yon 267 mm I tg gebraeht, der dann innerhalb yon 10 Sek. auf 526 mm gesteigert wurde. Darauf folgte wieder eine I-Ierabsetzung innerhalb

Page 11: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

~ 0 4 OTTO E. I~IECKER:

yon 60 Sek. auf 267 mm Hg. Dieser Weehsel wurde im ganzen fiinfmM wiederhott.

Nach Versuehsende war das It6rvermSgen bei 5 der in dieser Gruppe untersuehten 8 Meerschweinehen in allen Frequenzen einschlieglich der oberenTongrenze stark herabgesetzt. 3 Tiere waren vollkommen taub.

Das histologisehe Bild zeigte hoehgradige Vers des ge- samten Mittelohres. In den extremen F~llen war die 'Bulla vollkommen

Abb. 7. l~bersichtsbild nach mehrfachen Luftdruckschwankungen. Submukbse Blutergtisse, Blutung in die Paukenh6hle.

mit Blur ausgefiillt, so dag yon oinem H/~matotympanon gesprochen werden konnte (Abb. 7). Die Sehleimhaut war besonders im vorderen Anteil h0ehgradig verdickt. Sie War yon zahlreiehen kleineren und grS- Beren Blutungen durchsetzt. Ausgedehnte Blutergiisse hoben die Schleim- haut auf weite Strecken yore Knoehen ab. Im submuk6sen Gewebe fanden sich dicht unter dem Epithel groBe blasenartige Hohlr/iume. Das Trommelfell war bei s~mtliehen Tieren an irgendeiner Stelle zer- rissen. ; Toils fanden sich schlitzartige Perforationen am Hammergriff, teils waren groge, an der Peripherie haftende Lappen aus dem Trommel- fell herausgerissen. Ander Geh6rknSehelchenkette waren reichlich punkt- f6rmige Blutungen unter dem Sehleimhautiiberzug zu erkennen. Bei 4 Tieren konnten Frakturen der Hammergriffendplatte nachgewiesen werden. Im Bereich des Innenohres konnten keine morphologisch faB- baron Ver~nderungen beob~chtet werden.

Page 12: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Veranderungen des 0hres nach Luftd~'uckschwankungem 205

Die baldige Erholung der H6rfs legte die Vermutung nahe, dal~ sich die besehriebenen Vergnderungen sehr raseh zuriiekbilden. Dureh histologisehe Untersuchung konnte diese Vermutung best~tigt werden. Bei einem Versuehstier, das s0fort naeh Versuchsende taub gewesen war, bei dem sieh jedoeh der Ohrmusehelreflex schon 3 Tage sparer wieder auslSsen licit, konnten 8 Tage naeh Versuehsende nur noeh kleine Blutergul~reste in den Nisehen und Nebenr~umen der Pauken-

Abb. 8. Tier derselben Vcrsuchsserie 8 Tage naeh Yersuchsende. Bindegewebsneubildung am t I ammer . Ausheilende F rak tu r in der t Iammergr i f fendpla t te .

hShle nachgewiesen werden. Die Verbreiterung der Schleimhaut war weit- gehend geschwunden. Die submukSsen Blutergfisse befanden sich im Zu- stand der Organisation. Veto Knochen her waren reiehlieh Histioeyten und Gef~l~sprossen eingewandert. Ein Trommelfelldefekt war nach dieser Zeit nicht mehr naehweisbar, dagegen zeigte sich eine in Ausheilung be- griffene Fraktur an der t tammergriffendplatte (Abb. 8). Der Bruchspalt war dutch frischen Callus ausgeffillt. Auch in den Blutungen an der Ge- hSrknSchelchenkette lie~en sieh Organisati0nserseheinungen naehweisen.

Von Interesse mul~te das Verhalten der PaukenhShlenschleimhaut bei Tieren sein, bei denen ein einwandfreier Druckausgleich zwisehen Mittelohr und Aul~enwelt unter allen Umst~nden gew~hrleistet war. Ein derartiger Druckausgleieh ist fiber eine kfinstlich angelegte grol~e Trom- melfellperforation mSglich.

iV[eerschweinclien lassen sich unsehwer rnit einem S/~uglingsohrtrichter ore- skopieren. Man kann hierbei allerdings nur den oberen Anteil des Trommelfells

Arch. Ohr- usw. l~eilk, u. Z. Hals- usw. Heilk. Bd. 155. l ~

Page 13: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

206 OTto E. R~Eex~:

iibersehen. Wir hatten auf diesem Weg unter Leitung des Auges bei 4 Tieren vor Versuchsbeginn das Trommelfell mit Hilfe eines stumpfen St~bchens a us- giebig perforiert.

In einer sechsten Versuchsser,ie wurden diese Tiere in genau derselben Weise, wie in der vorhergehenden Serie beschrieben, Druekschwankungen ausgesetzt. Das Verhalten der Tiere zeigte w/thrend des Versuehes keiner- lei Besonderheiten. Auffallend dagegen war das Ergebnis der HOr- prfifung. W/~h?end kurz nach der Trommelfelldurchl~Jeherung das HSr- vermSgen in den Frequenzen zwisehen 200 und 8000 Hz geringgradig eingeschr/~nkt war, liel~ sich naeh Versuchsende auf3er dieser H5rstSrung einer Herabsetzung der oberen Tongrenze um etwa 10000 Hz naehweisen.

Bei der histologisehen Untersuchung fand sieh im oberen Antei l des Trommelfells vor dem Hammergriff eine breite, welt klaffende Perfo- ration. An ihren R/indern sah man eine yon wenigen Zellen durchsetzte wallartige Fibrinanh/iufung. Die Schleimhaut der Bulla war nur gering- gradig ver/s Sie zeigte neben einer maBigen" 5dematSsen Dureh- tr/~nkung des submukSsen Bin degewebes zahlreiehe Erythroeyten unter- halb der Schleimhaut. Die Gewebsspalten erschienen etwas erweitert. Blutergfisse unter die Schleimhaut oder Blutungen in der Gegend der GehSrknSehelehenkette fehlten 'vollkommen. Das Innenohr war un- ver/~ndert.

Wenn wir nun versuchen, die von uns bei den verschiedenen vor- stehend besehriebenen Versuchsserien erhobenen Befunde nach ihre.' Entstehungsweise zu analysieren, so gelingt uns dies mit den eingangs erw~hnten Vorstellungen yon Ventilmeehanismus der Tube nieht vol]- kommen. Insbesondere k6nnen die nach raseher Druekherabsetzung beobachteten Schleimhauterscheimmgen nicht ohne weiteres erkl/s werden. ~ in im Mittelohr herrsehender 1Jberdruek mfiBte sioh bei gesun- tier Tube ohne !Iindernis nach dem Nasen-lRachenraum zu ausgleichen. Wir mfissen jedoeh naeh unseren Befunden annehmen, dab wenigstens vorfibergehend in der PaukenhShle ein gewisser Uberdruck geherrseht hat, tier auf die Sehleimhaut im Sinne eines leiehten Entzfindungsreizes gewirkt hat. Hierdureh wird die -~on uns beobaehtete Quellung der sub- mukSsen Gewebsschicht erkl/~rbar.

Uber die StrSmungsverh/s bei einem Druekausgleieh fiber die Tube sind wir nur unvo]lkommen unterrichtet. Die Tube ist kein fiber- all gleichweites l%ohr, sondern verengt sich an ihrem Isthmus zu einem sehr feinen Kanal, der nach dem pharyngealen Tubenostium zu wieder weiter wird. Wir wisseu nun aus der Physik, dab bei der DurehstrSmung eines R5hrensystems mit Flfissigkeiten oder Gasen der Druck auf die W/s an der engsten Stelle des RShrensystems am geringsten ist, ja dab er ~n dieser Stelle sogar negative Werte annehmen kann. Es mfiBte

Page 14: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Veranderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen. 207

in Betracht gezogen werden, ob nicht bei der Ohrtrompete/~hnliche Ver- h/~ltnisse herrsehen. Es wfirde dann in der Gegend des Isthmus ein relativer Unterdruck herrschen, der auf die Sehleimhaut nicht ohne Vc'irkung bleiben kSnnte. Diese Vorstellung gr4indet sich jedoch ledig- lieh auf physikalische Gesetze und ist am Objekt selbst nicht bewiesen.

Leichter erld/~rbar sind die Befunde, die in unserer zweiten Ver- suchsserie, bei der tier Luftdruck'innerhalb yon Sekundenbruchteilen her- abgesetzt worden war, erhoben werden konnten. Bei dieser Versuchs- anordnung entstand explosionsartig im Mittelohr ein erheblicher Uber- druek, der sieh zweifellos nicht augenblicklich fiber die sehr enge Ohr- trompete ausgleiehen konnte. Es ist ohne weiteres vorstellbar, da$ dieser Uberdruck yon mehreren 100 mm Hg die Elastizit/~tsgrenze der Trommel- fellmembran fiberschreiten und sieh auBerdem erheblich auf die Schleim- haut auswirken muSte. Es kam demzufolge zuerst zu einer Verlagerung tier Trommelfellmembran in l%ichtung auf den GehSrgang. Die mit dem Trommelfell lest verwachsene GehSrknSehelchenkett e muBte zwangs- t~ufig dieser Bewegung folgen, wodureh es zu einer Luxation der Steig- bfigelplatte aus dem ovalen Fenster kam. Begfinstigend ffir das Zu- standekommen dieser Verinderung wirkt wohl auch der Umstand, dab beim Meerschweinchen Hammer und AmboB lest zu einem einheitlichen Knoehen verwachsen sind, dal~ sieh also zwischen diesen beiden KnSehel- chen nicht wie beim 5{ensehen eine Gelenkflgche befindet, an der diese iiberm~Bigen Bewegungen vielleicht ausgegliehen werden kSnnten. Weiter l~Bt sich an der mehrfach beobachteten Luxation der Steigbfigelplatte erkennen, da$ die Kraft der auswirts bewegten GehSrknSehelehenkette den gleiehzeitig auf die Steigbfigelplatte wirkenden T3berdi'uek fiberwiegt.

Bemerkenswert erscheiut der Befund einer beginnenden Labyrin- thitis, der bei einem Versuchstier 4 Tage nach Versuchsende erhoben werden konnte. Er zeigt, dab die Mittelohrschleimhaut durch die ira Versueh gesetzte Sehadigung Infekten gegenfiber besonders anf/~lhg ge- worden ist und dab sich diese Infekte fiber die ebenfalls geschidigten B/~nder im ovalen Fenster besonders leicht aufs Labyrinth for tsetzen kSnnen.

Die beobaehtete I-I6rstSrung ist unsohwer aus den besehriebenen ZIittelohrverSnderungen zu erkl&ren. An den Sinnesendstellen der Sohneeke waren keine abwegigen Befunde zu erheben. Die hoehgradige Herabsetzung des Geh6rs ffir die hohen Frequenzen legt jedoeh die Ver- mutung nahe, dab trotzdem sine Sch&digung des inneren Ohres statt- gefunden hat, wenn auch ein morphologisehes Substrat fiir diese Sehidi- gung im histologisehen Bild nieht nachweisbar war. Es ist also anzu- nehmen, dab die funktionelle Sch~digung der Zelle der histologisch sicht- baren Ver&nderungen vorausgeht, eine Tatsaehe, wie wir sie bereits aus Versuehen anlaBlieh anderer Fragestelluhgen kennen.

Arch . Ohr- usw. I l c i l k . u. Z. t~als- usw. IXeilk. Bd . 155. 14a

Page 15: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

208 O~To E. I~IEe~:~:

Bei der rasehen Steigerung des Luftdrueks naeh vorausgegangener ]angsamer Druekherabsetzung, die in unserer n/~chsten Versuehsserie zur Anwendung gekommerl war, herrschte, im histologischen Bild der Austritt yon roten Blutk6rperchen in das submukSse ]3indegewebe vor. Dieser Befund /st unschwer aus den anatomischen Gegebenheiten und meehanisehen Verhs erkl~rbar. W/~hrend der langsamen Druck- herabsetzung hut sich der Luftdruek in der Paukenh6hle dem AuBen- druck angeglichen. Bei der raschen Druckerh6hur~g/st infolge der be- sehriebenen Ventilwirkung der Tube ein Druekausgleieh unm6glieh. Es herrscht also in der Pauke ein rel~t/ver Unterdruck. Hierdurch erfolgt eine Sogwirkung auf das Gewebe, die zu e/nero Austritt yon roten Blut- k6rperchen aus den Gef~Ben ffihrt. Auff~llig war, dab Trommelfellzer- reiBungen bei den T/eren dieser Gruppe recht selten waren. Man mfiBte demnaeh annehmen, dab die Trommelfellmembran dem nach innen w/r- kenden Druck gegenfiber widerstandsf~higer ist wie dem yon innen nach auBen w/rkenden Druck.

Das histologische Bild be/Tieren, die mehrfaehen Luftdrucksehwan- kungen ausgesetzt gewesen waren, gleieht im ganzen dem ]3ild der zu- letzt beschr/ebenen Gruppe. Nur sind bier s~mtliehe Ver~nderungen wesentlich sts ausgepr/~gt. Der Blutaustritt /st nieht nur punkt- f6rmig, sondern hat zu massiven Blutergfissen unter die Faukenh6hlen- schleimhaut und zu ausgedehnten Biutungen in die Pauke selbst geffihrt. Wir mfissen annehmen, dab es sieh hierbe/ um eine Summation der W/rkung der mehrfachen Druckherabsetzungen ]/andelt. Begfinst/gend zum Zustandekommen dieser Ver~nderungen wirkt wohl auch die be- sehriebene kissenartige Ansehwellung der Sehleimhaut im Bereieh der Tubenbucht. ttierdureh w/rd der Druekausgleieh fiber die Ohrtr0mpete unter Umst~nden v6]lig ausgeschaltet.

Entsprechend den hoehgradigen Mittelohrvers die er- hebliehe alff~nglieh zu beobaeh~ende tt6rst6rung unsehwer zu erkls

Be/Tieren, be/denen das Tromme~.fell dureh16ehert worden war m~d die dann erst mehrfaehen Drueksehwankungen ausgesetzt worden waren~ wa r die Sehleimhaut nur unerheblieh vergndert. Wir k6nnen diese Ver- ~nderung, die s/eh als eine leichte Sehwellung des submukSsen Binde- gewebes mit Austritt yon einigen roten ]31utk6rperchen zeigte, zw~nglos als eine entziindliehe Sehleimhautreizung ira GefoIge der operativen Durehl6eherung der Trommelfellmembran erkl~ren. Auff/~llig war je- doeh, dab bei dieser Gruppe naeh Versuehsende eine deutliehe tIerab- setzung des Geh6rs ffir hohe T6ne zu beobaehten war. Ein eindeutiger histologiseher Befund am Innenohr, der geeignet gewesen w~re, d iese l~unktionsst6rung zu erkl~ren, fehlte. Aueh bier halten wires ffir mSg- ]ich, dab die zweifellos fiber die Fenster auf d~s Innenohr fibertragenen Drueksehw~nkungen die Sinnesendstelten sehs konnten, ohne da~

Page 16: Tierexperimentelle Untersuchung über Veränderungen des Ohres nach Luftdruckschwankungen

Veranderungen des Ohres nach Lnftdruckschwankungen. 209

es j edoch gelang, mi t den yon uns angewand t e n histologischen Methoden das ~natomische Subs t ra t dieser Schgdigung nachzuweisen.

W e n n wi t die yon nns e rhobenen Befunde zusammenfassen, so lgl~t sich feststellen, dab eine rasche ErhShung des a tmosphgr ischen Drucks geeignet ist, die schwersten Schg~digungen im Bereich des Mittelohres zu setzen. Erk lgr t werden diese Sch/*digungen auf die W i r k u n g des hier- bei im Mittelohr he r r s chenden red,r iven Un te rd rucks ~uf die XSrper- fliissigkeiten. Explosionsar t ig herabgesetzter Lnf td ruck k a n n ebenfalls zu sc.hweren Mit te lohrschgdigungen fiihren. Hierbei s tehen neben den Vergnderungen an der Schle imhaut Schgden an der GehSrknSchelchen- ke t te im Vordergrund. Es ist jedoch denkbar , dal~ zum Z u s t a n d e k o m m e n dieser Schgdigungen an den GehSrknSchelchen die besonderen, bei unserem Versuchstier herrschenden an~tomischen VerhgRnisse veran t - wort l ich zu machen sind. Ferner sprechen die Ergebnisse unserer Unte r - suchungen dafiir, dal~ die Trommel fe l lmembran einer Druckwirkung yon aul~en nach i nnen gegeniiber widerstandsfghiger ist als einem in u r n - gekehr ter l~ichtung wirkenden Druok.

Literatur. ALT, • . : M s c h r . O h r e n h k . 30 , 341 ( 1 8 9 6 ) . - - ALT, ]-~ELL]~R, ~ A G E R U.

v. SC~RST~E~: Mschr. 0hrenhk. 31, 229 (1897) . - I-I~ER~A~, G.: Volkmann- sche Sammlung 1962, Nr 334. - - I-I~LLna, MAGma u. V. SC~5TTE~: Luftdruek- erkrankungen. Wien: Alfred ]-ISlder 1900. - - KOBArASHI, S.: Zbl. Hals- usw. I-Ik. 8, 753 (1924). - - LASKIV.WICZ, A.: Zbl. I-Ials- usw. 1LIk. 14, 264 (1929). - - t)~Ex]~a, W. : Die Seele des Kindes. Leipzig: K. L. SchMer 1882. - - 1%IECKER, O. : Arch. Ohr- usw. ]-Ik. 154, 390 (1944). - - SAsso~ov, 1%.: Zbl. tIals- usw. Hk. 10, 727 (1926); 12, 316. - - ST~.LCUK, I.: Zbl. I-Ials- usw. I-[k. 10, 728 (1926). - - SU- GATA, K.: Z. Otol. 48, 129 (1937). - - TANAKA, t-I.: Jap. J. reed. Sei. 0t. etc. 1934. - - THOST : Arch. Ohr- usw. Ilk. 108, 71 (1921). - - VAIn, It. : Arch. Otolaryng. (Am.) 10, 113 (1929).--'WA~IBUSHI, G. : Z. 0toh 30, 1 (1924) i - ZVCXER~A~, S. : Lancet 1940 II, 219; 1942 I, 252. - - SUTHE~r.A~D, G. A.: Lancet 1949, 641.

Arch. Ohr* usw. t tei lk, u. Z. lgals- usw. tIeilk. Bd. [55. 1 4 b