of 32 /32
DIW Wochenbericht WIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Seit 1928 2015 Öffentliche Investitionen 43 Bericht von Marcel Fratzscher, Ronny Freier und Martin Gornig Kommunale Investitionsschwäche überwinden 1019 Interview mit Marcel Fratzscher »In Deutschland investieren!« 1022 Bericht von Martin Gornig, Claus Michelsen und Kristina van Deuverden Kommunale Infrastruktur fährt auf Verschleiß 1023 Bericht von Felix Arnold, Ronny Freier, René Geissler und Philipp Schrauth Große regionale Disparitäten bei den kommunalen Investitionen 1031 Bericht von Astrid Cullmann, Maria Nieswand und Caroline Stiel Kein Rückgang der Investitionen in der kommunalen Energie- und Wasserversorgung 1041 Am aktuellen Rand Kommentar von Gert G. Wagner Sollten statistische Indikatoren politische Entscheidungen ersetzen? 1048 korrigierte Version (gegenüber der Printausgabe)

WIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Öffentliche Investitionen · DIW Wochenbericht WIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Seit 1928 2015 Öffentliche Investitionen 43 Bericht von Marcel

  • Author
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Text of WIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Öffentliche Investitionen · DIW Wochenbericht WIRTSCHAFT....

  • DIW WochenberichtWIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Seit 1928

    2015

    ffentliche Investitionen

    43

    Bericht von Marcel Fratzscher, Ronny Freier und Martin Gornig

    Kommunale Investitionsschwche berwinden 1019Interview mit Marcel Fratzscher

    In Deutschland investieren! 1022Bericht von Martin Gornig, Claus Michelsen und Kristina van Deuverden

    Kommunale Infrastruktur fhrt auf Verschlei 1023Bericht von Felix Arnold, Ronny Freier, Ren Geissler und Philipp Schrauth

    Groe regionale Disparitten bei den kommunalen Investitionen 1031Bericht von Astrid Cullmann, Maria Nieswand und Caroline Stiel

    Kein Rckgang der Investitionen in der kommunalen Energie- und Wasserversorgung 1041Am aktuellen Rand Kommentar von Gert G. Wagner

    Sollten statistische Indikatoren politische Entscheidungen ersetzen? 1048

    korrigierte Version (gegenber der Printausgabe)

  • IMPRESSUM DER WOCHENBERICHT IM ABO

    DIW WochenberichtWIRTSCHAFT. POLITIK. WISSENSCHAFT. Seit 1928

    2014

    Mindestlohnempfnger

    Bericht von Karl Brenke

    Mindestlohn: Zahl der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer wird weit unter fnf Millionen liegen 71Interview mit Karl Brenke

    Ausnahmen bei sozialen Gruppen wren kontraproduktiv 78Bericht von Michael Arnold, Anselm Mattes und Philipp Sandner

    Regionale Innovationssysteme im Vergleich 79Am aktuellen Rand Kommentar von Alexander Kritikos

    2014: Ein Jahr, in dem die Weichen fr Griechenlands Zukunft gestellt werden 88

    5

    DIW Berlin Deutsches Institut fr Wirtschaftsforschung e. V. Mohrenstrae 58, 10117 Berlin T + 49 30 897 89 0 F + 49 30 897 89 200

    82. Jahrgang

    DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Herausgeber Prof. Dr. Pio Baake Prof. Dr. Tomaso Duso Dr. Ferdinand Fichtner Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D. Prof. Dr. Peter Haan Prof. Dr. Claudia Kemfert Dr. Kati Krhnert Prof. Dr. Lukas Menkhoff Prof. Karsten Neuhoff, Ph.D. Prof. Dr. Jrgen Schupp Prof. Dr. C. Katharina Spie Prof. Dr. Gert G. Wagner

    Chefredaktion Sylvie Ahrens-Urbanek Dr. Kurt Geppert

    Redaktion Renate Bogdanovic Sebastian Kollmann Marie Kristin Marten Dr. Wolf-Peter Schill

    LektoratDr. Stefan BachHermann BusleiDr. Katharina Pijnenburg

    Pressestelle Renate Bogdanovic Tel. +49 - 30 - 89789 - 249 presse @ diw.de

    Vertrieb DIW Berlin Leserservice Postfach 74 77649 Offenburg leserservice @ diw.de Tel. (01806) 14 00 50 25 20 Cent pro Anruf ISSN 0012-1304

    Gestaltung Edenspiekermann

    Satz eScriptum GmbH & Co KG, Berlin

    Druck USE gGmbH, Berlin

    Nachdruck und sonstige Verbreitung auch auszugsweise nur mit Quellen-angabe und unter Zusendung eines Belegexemplars an die Serviceabteilung Kommunikation des DIW Berlin ([email protected]) zulssig.

    Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

    1018

    RCKBLENDE: IM WOCHENBERICHT VOR 50 JAHREN

    Verbrauchsstruktur und Verbraucherverhalten nach ersten Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1962/63Mit der wirtschaftlichen Entwicklung und den steigenden Verbrauchereinkommen erhht sich das Gewicht der einkommenselastischen Waren und Dienste im pri-vaten Verbrauch und damit die Beweglichkeit der Verbrauchernachfrage sowie ihr Einflu auf die konjunkturellen Vernderungen. Fr die Wirtschaftsdiagnose und -prognose erhlt damit die Kenntnis der Verbrauchs- und Nachfragevernderungen und ihrer Bestimmungsgrnde, vor allem im Zusammenhang mit Vernderungen von Einkommen und Preisen, zunehmende Bedeutung.

    Wichtige Grundlage fr die dazu notwendigen Nachfrageanalysen sind regelm-ige Aufzeichnungen privater Haushalte ber ihre Einkommensverausgabung. Die mittelbare Erfassung und Schtzung der privaten Verbrauchsausgaben mit Hilfe absatzstatistischer Daten wie sie bisher allein mglich war ist ohne Ergnzung durch diese Aufzeichnungen eine recht unvollkommene Methode. Da es sich um die Ermittlung und Erklrung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhnge handelt, mssen jedoch die Aufzeichnungen nicht nur nach Gtergruppen bzw. Verwendungszwecken, sondern auch nach Kufergruppen differenziert sein, denn Einkommens- und Preisvernderungen rufen unterschiedliche Reaktionen im Verhalten der Haushalte je nach sozialer Gruppe, Einkommensklasse sowie Familiengre hervor.

    aus dem Wochenbericht Nr.44 vom 29.Oktober 1965

    Der DIW Wochenbericht wirft einen unabhngigen Blick auf die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und der Welt. Er richtet sich an die Medien sowie an Fhrungskrfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn Sie sich fr ein Abonnement interessieren, knnen Sie zwischen den folgenden Optionen whlen:

    Standard-Abo: 179,90Euro im Jahr (inkl. MwSt. und Versand).Studenten-Abo: 49,90Euro.Probe-Abo: 14,90Euro fr sechs Hefte.

    Bestellungen richten Sie bitte an leserservice @ diw.de oder den DIW Berlin Leserservice, Postfach 74, 77649 Offenburg; Tel. (01806) 14 00 50 25, 20 Cent /Anruf aus dem dt. Festnetz, 60 Cent maximal/Anruf aus dem Mobilnetz. Abbestellungen von Abonnements sptestens sechs Wochen vorLaufzeitende

    21. Oktober 2015

    NEWSLETTER DES DIW BERLIN

    Der DIW Newsletter liefert Ihnen wchentlich auf Ihre Interessen zugeschnittene Informationen zu Forschungsergebnissen, Publikationen, Nachrichten und Veranstaltungen des Instituts: Whlen Sie bei der Anmeldung die Themen und Formate aus, die Sie interessieren. Ihre Auswahl knnen Sie jederzeit ndern, oder den Newsletter abbestellen. Nutzen Sie hierfr bitte den entsprechenden Link am Ende des Newsletters.

    >> Hier Newsletter des DIW Berlin abonnieren: www.diw.de/newsletter

  • DIW Wochenbericht Nr. 43.2015 1019

    KOMMUNALE INVESTITIONSSCHWCHE BERWINDEN

    Kommunale Investitionsschwche berwindenVon Marcel Fratzscher, Ronny Freier und Martin Gornig

    Grundlage fr Deutschlands Wohlstand und Wettbewerbs-fhigkeit als Industrienation sind eine moderne Infrastruk-tur und qualifizierte Beschftigte. Um auch in Zukunft einen hohen Lebensstandard und gute Beschftigungs-mglichkeiten bieten zu knnen, muss Deutschland heute die erforderlichen Investitionen ttigen.

    Der vorliegende DIW Wochenbericht untersucht die ffentliche Investitionsttigkeit in Deutschland. Neben den Investitionen von Bund und Lndern stehen insbesondere die kommunalen Investitionen im Fokus der Analysen. Wie haben sich die Investitionen des Bundes, der Lnder und der Kommunen ber den Zeitverlauf verndert? Wie verteilt sich die Investitionsttigkeit regional auf die Kom-munen? Knnen Investitionen von kommunalen Betrieben dem Rckgang der Investitionen in den kommunalen Kern-haushalten entgegenwirken?

    Unsere Ergebnisse zu diesen Fragen sind in drei Beitrgen dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts dokumentiert. Zusammenfassend zeigen die Untersuchungen zwei Hand-lungsfelder auf:

    Deutschlands Kommunen sollten mehr investieren und die Finanzausstattung dafr muss regional gleichmi-ger verteilt werden,

    Einen wesentlichen Beitrag zur berwindung der In-vestitionsschwche kann die Strkung der kommunalen Unternehmen leisten.

    Deutschlands Infrastruktur fhrt auf Verschlei

    Deutschland investiert zu wenig. Der erste Beitrag in dieser Wochenberichtsausgabe dokumentiert den Rckgang der Investitionsttigkeit seit den 90er Jahren insbesondere bei den Kommunen, deren jhrliche Investitionsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sich von 1992 bis 2013 fast halbiert haben. Besonders gravierend fr die Kommu-nen ist die Tatsache, dass die gettigten Investitionen in der Summe nicht ausreichen, um den Verfall von Infrastruktur zu kompensieren. Die Nettoinvestitionen der Kommunen (Bruttoausgaben fr Investitionen minus Abschreibungen) sind seit 2003 per Saldo negativ kumuliert sind mehr als 46Milliarden Euro an Infrastruktur nicht ersetzt worden.

    Wachsende regionale Ungleichheiten bei den Investitionen

    Die Investitionsttigkeit der Kommunen unterscheidet sich stark zwischen den Regionen. So geben die Kommunen Bayerns pro Einwohner fast drei Mal so viel fr Investitio-nen aus wie die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Investitionen in Ostdeutschland sind mit dem Abbau der Mittel im Solidarpakt II stark rcklufig, aber auch in manchen westdeutschen Flchenlndern wie Nordrhein-Westfalen und dem Saarland ist das Investitionsniveau vergleichsweise gering. Nimmt man an, dass das bayeri-sche kommunale Investitionsniveau sich am tatschlichen Bedarf orientiert, msste Deutschland seine Investitionen im ffentlichen Bereich um 14,4Milliarden Euro, und damit um etwa 65Prozent, steigern, um den Bedarf an kommunalen Investitionen auch in allen anderen Flchen-lndern zu decken.

  • KOMMUNALE INVESTITIONSSCHWCHE BERWINDEN

    1020 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Gesellschaft angepasst werden. Nicht zuletzt, sind es die Kommunen, die den Zustrom an Flchtlingen organisieren und verwalten. Mit Investitionen in die Integration dieser Menschen gestalten die Kommunen nicht nur deren Zu-kunft, sondern auch die eigene.

    Basierend auf den hier vorgelegten Studien empfiehlt das DIW Berlin zur berwindung der kommunalen Investitions-schwche folgenden drei Manahmen:

    Erstens, die Politik muss an einer Lsung arbeiten , die dauerhaft eine bessere und ausgeglichene Finanzaus-stattung der Kommunen sicherstellt. Die Schaffung eines Sondervermgens Kommunalinvestitionsfrderfonds durch den Bund in Hhe von 3,5Milliarden Euro (verteilt ber vier Jahre) war ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings handelt es sich dabei um den berhmten Tropfen auf den heien Stein, und einmalige Hilfen bieten keine systematische Lsung.

    Ein Weg, die Finanzausstattung der Kommunen dauerhaft zu verbessern, ist die Entlastung der Kommunen von Sozial-ausgaben durch den Bund. Das von der Bundesregierung 2015 beschlossene Entlastungsvolumen von jhrlich einer Milliarde Euro drfte keine durchgreifende Verbesserung bringen. Dies gilt auch fr die geplanten Entlastungen durch den Bund in Hhe von rund fnf Milliarden Euro jhrlich im Rahmen der Eingliederungshilfen fr Menschen mit Behinderung, da nicht die hoch belasteten Kommunen entlastet werden, sondern eher alle Kommunen gleicher-maen profitieren.

    Eine weitaus zielgenauere Untersttzung wirtschaftsschwa-cher Gemeinden wrde erreicht, wenn der Bund die kom-munalen Ausgaben fr Unterbringung und Heizung (etwa elf Milliarden Euro pro Jahr) bernehmen wrde. Dadurch wrden insbesondere die finanzschwachen Kommunen ent-lastet, denen nach heutigem Stand keine Finanzspielrume fr Investitionen zur Verfgung stehen. Um den langfristi-gen Charakter der kommunalen Investitionsfrderung zu unterstreichen, sollten die Einnahmen aus dem Solidaritts-zuschlag zur Finanzierung der Manahmen genutzt werden.

    Zweitens sollte die Umverteilung ffentlicher Mittel zu Gunsten der wirtschafts- und investitionsschwachen Kom-

    Der zweite Artikel in dieser Ausgabe verdeutlicht neben diesen Lnderdifferenzen die groen Unterschiede zwi-schen einzelnen Kreisen und kreisfreien Stdten, sowohl bundesweit als auch innerhalb der Lnder. So gab der Landkreis Mnchen im Jahr 2013 mit 724Euro pro Ein-wohner fast 700Euro mehr aus als die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven in Niedersachsen (35Euro pro Einwohner). Zudem zeigt der Bericht, dass sich diese regionalen Unter-schiede ber viele Jahre hinweg kaum verndert haben und das regionale Investitionsniveau stark von den Aus-gaben fr Soziales abhngt: Strukturschwache Regionen mit hohen Sozialausgaben, die schon heute wirtschaftlich weniger attraktiv sind, werden durch fehlende Investitio-nen auch langfristig weiter abgehngt.

    Schwache Kommunalhaushalte, starke kommunale Unternehmen

    Ein beachtlicher Teil der ffentlichen Investitionen wird in kommunalen Unternehmen gettigt. Der dritte Artikel unter-sucht die Investitionsttigkeiten von kommunalen Anbietern der Daseinsvorsorge in den Bereichen Wasser und Energie. Anders als in den kommunalen Kernhaushalten werden hier keine Anhaltspunkte fr unzureichende Investitionen festgestellt. Der Vergleich von kommunalen und privaten Anbietern in der Wasser- und Energiewirtschaft zeigt, dass das Investitionsvolumen auch unabhngig von der Rechts-form bei beiden Gruppen hnlich hoch ist. Der Bericht dokumentiert zudem, dass es keinen eindeutigen Zusam-menhang zwischen der regionalen Bevlkerungsentwicklung und dem Investitionsverhalten der kommunalen Betriebe gibt. Kommunale Unternehmen, die hufig ein relativ hohes Ma an Autonomie und klar definierte Aufgaben haben, sind also durchaus ein Erfolgsmodell fr die Sicherstellung und effiziente Umsetzung ffentlicher Investitionen.

    Handlungsempfehlungen

    Kommunen sind verantwortlich fr viele wichtige Bereiche der ffentlichen Versorgung, zum Beispiel fr Bildung (Kindertagessttten und Schulen), die Wasser- und Ener-gieversorgung oder die kommunalen Verkehrswege. Und die zuknftigen Herausforderungen sind vielschichtig. Die soziale Infrastruktur im Bereich der Daseinsvorsorge und Pflege muss kontinuierlich an die sich verndernde

  • KOMMUNALE INVESTITIONSSCHWCHE BERWINDEN

    1021DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    schehen in der Kommune zu entkoppeln und die Kosten-Nutzen-Abwgungen transparenter zu machen. Unsere Analysen weisen darauf hin, dass die Investitionsttigkeit kommunaler Unternehmen, anders als Investitionen in den kommunalen Kernhaushalten, weitgehend stabil und rumlich gleichmig ist und einen hnlichen Umfang aufweist wie die Investitionsttigkeit von privaten Unter-nehmen. Entsprechend sollten (auch ber interkommunale Zusammenarbeit) kommunale Unternehmen mehr Aufga-ben bernehmen, beispielsweise im kommunalen Hochbau (Verwaltungsgebude, Betreuungseinrichtungen).

    Investitionen in den Standort Deutschland sind die Grund-lage fr unseren knftigen Wohlstand und unsere Wettbe-werbsfhigkeit. Unabhngig von den konkreten Manah-men und der Organisation von ffentlichen Investitionen drfen wir es nicht unterlassen, die notwendigen und rentablen Investitionen zu ttigen.

    munen bei der Neugestaltung des Lnderfinanzausgleichs ansetzen, indem die Finanzlage der Kommunen strker be-rcksichtigt wird. Derzeit geht die kommunale Finanzkraft nur zu 64Prozent in die Berechnungen zum Lnderfinanz-ausgleich (im engeren Sinne) ein. Wrden die kommunalen Steuereinnahmen vollstndig bercksichtigt, wrden die finanzschwachen Lnder durch zustzliche Umverteilung in einer Grenordnung von knapp zwei Milliarden Euro in die Lage versetzt, ihren Kommunen mehr Mittel fr In-vestitionen zur Verfgung zu stellen.

    Drittens kann und soll die Strkung kommunaler Unterneh-men die Investitionsbedingungen entscheidend verbessern. Kommunale Unternehmen decken schon heute in vielen Kommunen einen wesentlichen Teil des Infrastruktur-angebots ab. ffentliche Investitionen in kommunalen Unternehmen zu organisieren, ist sinnvoll, um notwendige Investitionsentscheidungen vom tagespolitischen Ge-

    Marcel Fratzscher ist Prsident des DIW Berlin| [email protected]

    Ronny Freier ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat am DIW Berlin und Juniorprofessor fr Wirtschaftspolitik an der Freien Universitt Berlin| [email protected]

    Martin Gornig ist Stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Mrkte am DIW Berlin | [email protected]

  • INTERVIEW

    Das vollstndige Interview zum Anhren finden Sie auf www.diw.de/interview

    1022 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    In Deutschland investieren!

    1. Herr Fratzscher, Sie pldieren seit Lngerem fr mehr Investitionen in Deutschland. Hat sich die Lage dies-bezglich mittlerweile verbessert? Nein, die Lage hat sich in Deutschland nicht grundlegend verbessert. Wir sehen nach wie vor bei den privaten und auch bei den ffentlichen Investitionen groe Schwchen. Wir sehen, dass die Nettoinvestitionen vieler Kommunen und vieler Lnder negativ sind. Das bedeutet, dass die Abschreibungen hher als die Investitionen sind. Damit haben wir einen Verfall der ffentlichen Infrastruktur in Deutschland, und damit lebt der deutsche Staat immer strker von seiner Substanz.

    2. Wie haben sich die Investitionen des Bundes, der Lnder und der Kommunen in den letzten Jahren entwickelt? Wir haben hier sehr unterschiedliche Entwicklungen bei verschiedenen Gebietskrperschaften. Sicherlich hat der Bund in den letzten Jahren bei den ffentlichen Investitionen mehr getan, wenn auch bei Weitem noch nicht genug. Auch auf Bundesebene sehen wir nach wie vor eine Investitionsschwche, aber am strksten ist diese Investitionslcke nach wie vor bei den Kommunen. In Deutschland werden ber die Hlfte der Investitio-nen von den Kommunen gettigt, und hier sehen wir, dass ein sehr groer Teil der Kommunen viel zu wenig investiert.

    3. Knnen die Kommunen berhaupt mehr investieren? Es gibt unter den Kommunen einige, die hervorragend dastehen und sehr solide gehaushaltet haben. Aber wir sehen, dass es in Deutschland viele strukturschwa-che Regionen und Kommunen gibt. Die Unterschiede zwischen den Kommunen sind riesig. Das bedeutet, dass viele Kommunen vor allem ein groes Finanzierungs-problem haben.

    4. Wie gro ist die Investitionslcke? Wir wissen vom KfW-Kommunalpanel, dass es knapp 132Milliarden Euro an aufgelaufenen Investitionen gibt, die die Kommunen gerne gettigt htten, aber nicht konnten, und zwar aus zwei ganz zentralen Grnden: Das sind zum einen fehlende Finanzmittel und zweitens auch fehlende technische Kapazitten.

    5. Wie knnten die Kommunen untersttzt werden, damit sie wirtschaftlich und effektiv investieren knnen? Wir schlagen in unserer Studie verschiedene Manahmen vor, wie wir diese Investitionsschwche bei den Kommu-nen beheben knnen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine finanzielle Untersttzung durch den Bund: Die Mittel aus dem Solidarittszuschlag sollten in Zukunft fr strukturschwache Kommunen verwendet werden. Unsere Studie zeigt auch, dass Investitionen ffentlicher Unternehmen, die relativ autonom und marktorientiert agieren, ein Erfolgsmodell sind.

    6. Warum hat der Bund in den letzten Jahren weniger getan, als er anscheinend htte tun knnen? Wir haben in Deutschland eine sinnvolle Teilung zwischen Bund, Lndern und Kommunen, die man nicht prinzipiell hinterfragen sollte. Aber wir haben ein Problem bei der Verteilung der Finanzressourcen. In manchen Bereichen, wie der Bildung, sollte der Bund mehr tun, darf es aber nicht aufgrund dieser Trennung. In anderen Bereichen knnte der Bund mehr tun, zum Beispiel bei kommuna-len Investitionen. Hier mssen wir einen Mechanismus finden, dass die Gelder, die zur Verfgung stehen, auch wirklich da ankommen, wo sie bentigt werden.

    Das Gesprch fhrte Erich Wittenberg.

    Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Prsident des Deutschen Instituts fr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

    SECHS FRAGEN AN MARCEL FRATZSCHER

  • DIW Wochenbericht Nr. 43.2015 1023

    KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    Die ffentliche Infrastruktur zhlt zu den zentralen Vo-raussetzungen fr Wachstum und Wohlstand in moder-nen Volkswirtschaften.1 Eine leistungsfhige Verkehrs-infrastruktur ist fr eine Volkswirtschaft mit hoher Arbeitsteilung, hoher Integration in die Weltwirtschaft und einer zentralen Lage in Europa von grundlegender wirtschaftlicher Bedeutung.2 Darber hinaus sind mo-derne bauliche Infrastrukturen fr den Erhalt und den Aufbau effizienter und leistungsfhiger Verwaltungs-, Sozial-, und Bildungssysteme unverzichtbar.3

    Das Ausstattungsniveau mit ffentlicher Infrastruktur in Deutschland ist im internationalen Vergleich insge-samt eher hoch und zhlt somit zu den Standortvortei-len.4 Es bedingt aber auch einen hohen Erhaltungsauf-wand, wenn man es quantitativ wie qualitativ halten will. Im internationalen Vergleich zeigt sich allerdings, dass sich die Bruttoinvestitionsttigkeiten in Deutsch-land nicht nur ber die Zeit schlechter entwickeln, son-dern auch im Gesamtniveau deutlich niedriger sind als in den meisten anderen Industrielndern.5

    Traditionell wird die ffentliche Investitionsttigkeit durch die Kommunen getragen. Zu Beginn der 90er Jahre entfielen rund zwei Drittel der ffentlichen Bau-investitionen auf kommunale Trger. Betrachtet man die Entwicklung der ffentlichen Investitionsttigkeiten in

    1 Eck, A., J. Ragnitz, S. Scharfe, C. Thater, B. Wieland (2015): ffentliche Infrastrukturinvestitionen: Entwicklung, Bestimmungsfaktoren und Wachstums-wirkungen. Ifo-Dresden Studien, 72, Dresden 2015; Dies gilt auch hinsichtlich der Investitionen in Forschung und Entwicklung. Vgl. Belitz, H., S. Junker, M.Podstawski, A. Schiersch: Wachstum durch Forschung und Entwicklung. Wochenbericht des DIW Berlin, 35.

    2 Barabas, G., T. Kitlinski, C.M. Schmidt, T. Schmidt, L.-H. Siemers (2010): Ver-kehrsinfrastrukturinvestitionen Wachstumsaspekte im Rahmen einer gestal-tenden Finanzpolitik. RWI Projektberichte, Essen.

    3 Reidenbach, M., T. Bracher, B. Grabow, S. Schneider, A. Seidel-Schulz (2008): Der kommunale Investitionsbedarf 2006 bis 2020, DIfU, Bericht, Berlin.

    4 Bardt, H., E. Chrischilles, M. Fritsch, M. Grmling, T. Puls, K.-H. Rhl (2014): Infrastruktur zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf. IW Bericht, Kln.

    5 Bach, S., G. Baldi, K. Bernroth, B. Bremer, B. Farka, F. Fichtner, M. Fratzscher, M. Gornig (2013): Wege zu einem hheren Wachstumspfad. Wochenbericht des DIW 26.

    Kommunale Infrastruktur fhrt auf VerschleiVon Martin Gornig, Claus Michelsen und Kristina van Deuverden

    Investitionen in die ffentliche Infrastruktur sind eine wesentliche Voraussetzung fr die Sicherung der Wettbewerbsfhigkeit und die Schaffung von Wachstumspotentialen. Zwar besitzt Deutschland im internationalen Vergleich eine durchaus gute Infrastruktur-ausstattung. Allerdings fhrt insbesondere die kommunale Infra-struktur seit Jahren auf Verschlei. Das heit, die Investitionen reichen nicht aus, den Werteverzehr der Infrastruktur auszuglei-chen, und Umfang und Modernitt nehmen immer mehr ab.

    Damit der kommunale Investitionsstau zumindest nicht noch weiter zunimmt, ist ein rasches Umsteuern dringend erforder-lich. Die Schaffung eines Sondervermgens beim Bund, mit dem Investitionen in finanzschwachen Kommunen gefrdert werden sollen, war ein erster Schritt. Angesicht der Dimension des kommu-nalen Investitionsstaus in den finanzschwachen Kommunen drfte dies aber nur ein Tropfen auf den heien Stein sein. Whrend die Finanzlage der Kommunen insgesamt gut ist, verfestigt sich die Spaltung in finanzstarke und finanzschwache Gemeinden. Ein erster Schritt zu einem systematischen Lsungsansatz knnte darin bestehen, die Finanzschwche der Kommunen strker im Lnder-finanzausgleich zu bercksichtigen und auf diese Weise zumindest die Lnder in die Lage zu versetzen, die chronische Unterfinanzie-rung bestimmter Gemeindetypen ausgleichen zu knnen.

    korrigierte Version (gegenber der Printausgabe)

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1024 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    niedrigeres Niveau zurckgefhrt. Fr Deutschland ins-gesamt kann die nachlassende Investitionsttigkeit hin-gegen auch damit begrndet werden, dass im Laufe der Zeit immer mehr organisatorische Einheiten aus dem ffentlichen Sektor ausgegliedert worden sind (Kasten).

    Es liegt aber ebenfalls nahe, die Finanzlage der ffentli-chen Hand als erklrende Variable fr die Investitions-ttigkeit zu bercksichtigen. Die Kassenlage von Bund, Lndern und Kommunen war bis weit in die zweite Hlfte der 2000er Jahre knapp. Die Steuerreform nach der Jahrtausendwende ging mit merklichen Minderein-nahmen einher, und die Konjunktur dmpelte vor sind hin. Ersteres schlug sich direkt in der Entwicklung der Einkommensteuern nieder. Letzteres belastete auch das Aufkommen der recht konjunkturreagiblen Ge-werbesteuer. Die Steuereinnahmen entwickelten sich entsprechend verhalten. Dies gilt auch fr die Lnder-ebene, deren Haushaltslage ebenfalls anhaltend ange-spannt war. Letzteres drfte wiederum die an die Ge-meinden geleisteten Zuweisungen der Lnder im Rah-men ihrer jeweiligen Kommunalen Finanzausgleiche tendenziell gedmpft haben. Auch deshalb entwickel-ten sich die kommunalen Einnahmen verhalten. Auf der Ausgabenseite wurden die Kommunen hingegen dadurch belastet, dass sie zunehmend Aufgaben ber-nehmen mussten, die durch bundeseinheitliche Rege-lungen vorgeschrieben waren; dies waren Aufgaben, die grtenteils sozialpolitisch motiviert waren und die infolge der schwachen Wirtschaftsentwicklung immer weiter zunahmen. Alles in allem engte sich der finanz-politische Spielraum der Gemeinden in dieser Zeit mehr und mehr ein.

    Die Kommunen haben dabei generell nur eingeschrnk-te Mglichkeiten, auf eine angespannte Haushaltslage zu reagieren. Gerade Kommunen in finanzschwachen Lndern kmpfen mit einer geringen Steuerbasis, der sie mit ihrem Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer oder den kleineren Kommunalsteuern kaum entgegen-wirken knnen. Die Verschuldungsmglichkeiten sind auf kommunaler Ebene zudem eingeschrnkt. Auf der Ausgabenseite sind die laufenden Ausgaben zumin-dest kurzfristig recht rigide.6 Fr Konsolidierungs-manahmen stehen dann lediglich die investiven Aus-gaben zur Verfgung; sie liegen mehr oder weniger im freien Ermessen und knnen relativ schnell an die kon-junkturelle Kassenlage angepasst werden. Ein Teil des Rckgangs der Investitionsausgaben je Einwohner drf-te daher mit den finanziellen Engpssen der vergange-nen Jahre erklrt werden knnen.

    6 Die Ausgaben fr soziale Bereiche sind vielfach gesetzlich geregelt, Perso-nalausgaben zumindest kurzfristig nur wenig beeinflussbar, und auch Sach-ausgaben sind nur bedingt flexibel.

    Deutschland, zeigt sich gerade auf dieser Ebene ein aus-geprgter Rckgang (Abbildung1). Lagen die kommu-nalen Bruttoinvestitionen 1991 noch bei rund 1,7Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts, ist es seit 2005 in der Regel nicht einmal mehr die Hlfte dieses Wertes. Le-diglich die Impulse des Konjunkturpakets II fhrten zu etwas hheren Werten in einzelnen Jahren. Die Investi-tionen des Bundes und der Lnder zeigen dagegen seit 2005 einen leichten Aufwrtstrend. Aber auch sie blei-ben unter den Relationen zum Bruttoinlandsprodukt Anfang der 90er Jahre.

    Im Folgenden wird daher insbesondere die Entwicklung der kommunalen Investitionsttigkeit analysiert. Dabei wird zum einen auf Unterschiede in den Bruttoinves-titionen zwischen den Lndern und zum anderen auf die Entwicklung der Nettoinvestitionen eingegangen.

    Investitionsttigkeit der Kommunen unterscheidet sich regional deutlich

    Je Einwohner gesehen sind die investiven Ausgaben auf kommunaler Ebene in den vergangenen Jahren eben-falls erheblich zurckgegangen. Dieser Rckgang kann viele Ursachen haben. Fr die neuen Lnder lsst sich feststellen, dass das Investitionsniveau nach der Ver-einigung berhht war: Um den durch die Teilung be-dingten Investitionsstau abzubauen, erhielten die neu-en Lndern Zuweisungen ber den Solidarpakt. Diese Zahlungen werden seit dem Jahr 2005 degressiv abge-baut und die Investitionsttigkeit nach und nach auf ein

    Abbildung 1

    ffentliche Bauinvestitionsquoten nach GebietskrperschaftenIn Relation zum Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in Prozent

    0,0

    0,3

    0,6

    0,9

    1,2

    1,5

    1,8

    1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012

    Gemeinden

    Lnder Bund

    Quelle: Statistisches Bundesamt.

    DIW Berlin 2015

    Vor allem die kommunale Investitionsquote ist erheblich gesunken.

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1025DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    nen Jahren krftig vorangetrieben wurde, wurden die Investitionsausgaben je Einwohner stark eingeschrnkt.

    eine Haushaltsnotlage festgestellt hatte. Berlin scheiterte mit einer entspre-chenden Klage im Jahr 2006.

    Erst nachdem die wirtschaftliche Entwicklung nach der Finanzkrise wieder an Dynamik gewonnen hat und in der Folge auch die Steuereinnahmen krftig spru-delten, verbesserte sich die kommunale Haushaltsla-ge nach und nach. In den vergangenen Jahren sind die Investitionsausgaben pro Kopf in einigen Kommunen auch bereits ein wenig gestiegen. Seit dem Jahr 2012 erzielen die Kommunen insgesamt sogar einen ber-schuss. Allerdings ist das dahinter stehende Bild ausge-sprochen heterogen. Vor allem Kommunen in finanz-schwachen Lndern haben nach wie vor mit Haushalts-problemen zu kmpfen.

    Diese Unterschiede spiegeln sich auch in der regiona-len Entwicklung der ffentlichen Investitionsausgaben wider. Gemeinden in Lndern wie Bayern oder Baden-Wrttemberg investieren je Einwohner deutlich mehr als Kommunen in finanzschwachen Lndern wie dem Saarland (Abbildung2). Es besttigt sich auch, dass mit der Rckfhrung der im Solidarpakt zur Verfgung ge-stellten zustzlichen Mittel die Investitionsausgaben je Einwohner in den neuen Lndern nach und nach zu-rckgehen. Im Jahr 2013 waren die kommunalen Inves-titionen je Einwohner sogar in einem der neuen Ln-der, in Mecklenburg-Vorpommern, am niedrigsten. Dies liegt auch daran, dass die kommunalen Steuereinnah-men in Ostdeutschland noch immer nur die Hlfte ihres Aufkommens in den alten (Flchen-)Lndern erreichen.

    Werden die Investitionen von Lndern und Kommunen insgesamt betrachtet, zeigt sich ein hnliches Bild (Ab-bildung3). Wieder liegt das Investitionsniveau in Bay-ern oder Baden-Wrttemberg je Einwohner deutlich ber den Ausgaben in anderen Lndern.7

    Werden Land und Kommunen gemeinsam betrachtet, knnen auch die Stadtstaaten bercksichtigt werden.8 Wie bei den Flchenlndern lsst sich hier feststellen, dass das reiche Hamburg je Einwohner gesehen deut-lich mehr Investitionen ttigt als das arme Bremen oder die Bundeshauptstadt.9 In allen drei Stadtstaaten sind die Investitionsausgaben je Kopf zurckgegangen. In Berlin wurden sie um die Jahrtausendwende deutlich zurckgefahren, in Bremen erst nach dem Jahr 2005, als die zustzlichen Finanztransfers vom Bund ein-gestellt worden waren.10 Vor allem in den Lndern, in denen die Haushaltskonsolidierung in den vergange-

    7 Dies gilt auch, wenn Groprojekte wie der Bau des Mnchner Flughafens nicht bercksichtigt werden.

    8 In den Stadtstaaten lassen die Einnahmen und Ausgaben sich den kom-munalen und landesspezifischen Aufgaben nicht zuordnen und die Ebenen knnen nur kumuliert betrachtet werden.

    9 Im Jahr 2013 werden die Investitionsausgaben Hamburgs allerdings durch den Bau der Elbphilharmonie erhht.

    10 Bremen, wie auch das Saarland, erhielten in den Jahren 1994 bis 2004 Bundesergnzungszuweisungen, da das Bundesverfassungsgericht bei ihnen

    Abbildung 2

    Investitionen der Kommunen In Euro je Einwohner

    0

    200

    400

    600

    800

    BW BY BB HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH

    Gesam

    t D

    1995 2000 2005 2010 2013

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

    Die Pro-Kopf-Investitionen unterscheiden sich deutlich.

    Abbildung 3

    Investitionen von Land und KommunenIn Euro je Einwohner

    0

    200

    400

    600

    800

    1 000

    BW BY BB HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH BE HB HH

    Gesam

    t D

    1995 2000 2005 2010 2013

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

    Reiche Lnder investieren mehr als arme.

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1026 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Kasten

    Auslagerungen aus den kommunalen Kernhaushalten

    Vielfach wird argumentiert, der Rckgang der ffentlichen

    Investitionsttigkeit sei insbesondere auf der kommunalen

    Ebene mit erheblichen Auslagerungen aus den Kernhaushalten

    zu erklren. Tatschlich wurden in den 90er Jahren ffentliche

    Leistungen an sogenannte ffentliche Fonds, Einrichtungen

    und Unternehmen (FEU) abgegeben oder vollstndig privati-

    siert, wie beispielsweise im Entsorgungsbereich.1 Der tatsch-

    liche Umfang der Auslagerungen und der in ausgelagerten

    Einrichtungen gettigten Investitionen ist aber nur sehr schwer

    zu ermitteln.2 Einen Anhaltspunkt hierfr bietet die Statistik

    der Jahresabschlsse ffentlicher Fonds, Einrichtungen und

    Unternehmen, die allerdings darunter leidet, dass nicht trenn-

    scharf unterschieden werden kann, welche Investitionen nach

    der Definition der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen

    (VGR) bereits dem Sektor Staat zugeschrieben wurden.3 Nhe-

    rungsweise kann das Volumen der nicht erfassten Investitionen

    abgeschtzt werden, wenn die in der Rechnungsstatistik

    separat ausgewiesenen Investitionsausgaben der Extrahaus-

    halte von den Gesamtinvestitionen abgezogen werden. Im Jahr

    2012 wurden etwa 50Prozent der Investitionen der FEU nach

    Abgrenzung der VGR nicht dem Staatssektor zugeschrieben.4

    Auswertungen zur Struktur der FEUs liegen nur in geringem

    Umfang vor. Dies liegt auch daran, dass die statistischen mter

    entsprechende Daten aufgrund der komplexen Aufbereitung erst

    mit grerem zeitlichem Verzug zur Verfgung stellen knnen.

    Bekannt ist, dass der allergrte Teil dieser Unternehmen der

    kommunalen Ebene zuzurechnen ist. ber 90Prozent der FEUs

    1 Vgl. Sachverstndigenrat (2014), a. a. O.; Schmidt, N. (2011): Ausgliede-rungen aus den Kernhaushalten: ffentliche Fonds. Einrichtungen und Unternehmen, in: Wirtschaft und Statistik, 154.

    2 Vgl. Eberhard, T. (2015): ffentliche Investitionsquote Was wird abge-bildet?, DIW-Roundup 74; Haug, P. (2009): Kommunale Unternehmen als Schattenhaushalte - Wie sieht die tatschliche Haushaltssituation der deut-schen Kommunen aus? Wirtschaft im Wandel, 15(5), 220-228.

    3 Laut Statistischem Bundesamt zhlen Unternehmen dann zu ffentli-che Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, wenn sie in mehrheitlichem, unmittelbarem oder mittelbarem Eigentum der Kernhaushalte (Bund, Ln-der, Gemeinden/Gemeindeverbnde und gesetzliche Sozialversicherungen) sind. Sie entstehen durch Aufgabenauslagerungen aus den Kernhaushalten, beziehungsweise durch Neugrndungen oder Beteiligungserwerb im Inland ansssiger Unternehmen. Sie knnen sowohl ffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich organisiert sein. Fr die Zurechnung zu ffentlichen Investitio-nen in der Abgrenzung der VGR sind aber nicht die Eigentumsverhltnisse mageblich. Vielmehr ist entscheidend, dass das Unternehmen vom Staat kontrolliert wird und dass es ein sogenannter Nichtmarktproduzent ist. Marktproduzenten decken mehr als die Hlfte ihrer Umsatzerlse durch Marktverkufe und erlsen mehr als 20Prozent ihrer Umstze mit Verku-fen an private Haushalte und Unternehmen. Im Jahr 2008 wurden von insgesamt 14.704 ffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen 2.140 dem Sektor Staat nach der Abgrenzung der VGR zugerechnet. Vgl. Schmidt, N. (2011): Ausgliederungen aus den Kernhaushalten: ffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen in: Wirtschaft und Statistik, 154.

    4 Vgl. Eberhard, T. (2015), a. a. O.

    waren 2008 in kommunalem oder im Eigentum der Stadtstaaten

    Hamburg und Berlin. Ein Groteil (circa 40Prozent) entfllt auf

    die Wirtschaftszweige Wasser- und Abwasserversorgung, Energie-

    versorgung und das Grundstcks- und Wohnungswesen. Rund

    15Prozent der FEUs werden nach Abgrenzung der VGR dem

    Sektor Staat zugerechnet. Innerhalb dieser Gruppe spielen die

    oben genannten Wirtschaftszweige im Bereich der Ver- und Ent-

    sorgung praktisch keine Rolle. Hier dominieren die Wirtschafts-

    zweige, die der Sozialversicherung, Verwaltung, dem Sozialwesen,

    Kunst und Sport zuzurechnen sind.5

    Auswertungen der Jahresabschlsse sind fr die Jahre 1999 bis

    2012 mglich. Es fehlt daher der Zeitraum, indem mutmalich

    ein Groteil der Auslagerungen stattgefunden hat. Somit kann

    das Ausma ausgelagerter Investitionen nicht abgeschtzt

    werden. Gleichwohl kann beschrieben werden, ob die auch in den

    2000er Jahren rcklufigen Nettoinvestitionen der Kommunen

    durch steigende Anschaffungen und Bauttigkeit der kommuna-

    len Unternehmen ausgeglichen werden konnte.

    Tatschlich ist das Ausma der Investitionen auerhalb der

    Kernhaushalte betrchtlich. Im Jahr 1999 investierte der Staat ins-

    gesamt 49,5Milliarden Euro. Mit 46,6Milliarden Euro investierten

    die FEUs nahezu ebenso viel. Rund 60Prozent der Investitionen

    entfielen dabei auf die kommunalen Unternehmen, Fonds und Ein-

    richtungen: Im Jahr 1999 bauten diese Gebude und beschafften

    neue Gerte, Ausrstungen und Lizenzen im Wert von knapp

    28Milliarden Euro. Im Jahr 2012 war der Wert in jeweiligen Preisen

    nahezu identisch. Dementsprechend ist auch die Investitionsquote

    der FEUs seit 1999 insgesamt rcklufig. (Abbildung1)

    Demgegenber standen im Jahr 1999 Abschreibungen in Hhe

    von rund 18Milliarden Euro, im Jahr 2012 in Hhe von 19,3Mil-

    liarden Euro. Insgesamt schwankten die Nettoinvestitionen der

    kommunalen FEUs im betrachteten Zeitraum zwischen fnf und

    knapp elf Milliarden Euro. Hingegen stiegen die Nettoinvestitionen

    der Bundes- und Lnder-FEUs deutlich, von 1,5Milliarden Euro

    (Lnder) beziehungsweise 2,8Milliarden (Bund) im Jahr 1999 auf

    4,8Milliarden (Lnder) und 8,1Milliarden bei Bundes-FEUs (Abbil-

    dung2). Alles in allem drften die FEUs im Jahr 2012 einen in der

    VGR nicht erfassten Beitrag zu den Nettoinvestitionen in Hhe von

    rund elf Milliarden Euro geleistet haben. Die nicht erfassten Inves-

    titionen auf kommunaler Ebene drften sich im Jahr 2012 auf ca.

    4,8Milliarden Euro belaufen6 und damit nicht gereicht haben, um

    die fehlenden Investitionen in den Kernhaushalten auszugleichen.

    5 Schmidt, N. (2011), a. a. O.

    6 Unterstellt wird hier ein Anteil nicht erfasster Investitionen von 55Pro-zent, Vgl. Eberhard, T. (2015), a. a. O.

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1027DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    ffentlicher Investitionsbedarf nur schwer zu quantifizieren

    Der sinkende Anteil ffentlicher Bruttoinvestitionen an der gesamten Wirtschaftsleistung beziehungswei-se der negative Trend der Investitionssummen je Ein-wohner sind allein fr sich genommen allerdings noch kein hinreichender Grund von einem Investitionsdefizit in Deutschland zu sprechen. Um eine solche Einscht-zung vornehmen zu knnen, bentigt man nicht nur Informationen zu den gettigten Investitionen, sondern auch zum Investitionsbedarf.

    In diesem Zusammenhang wird zuweilen argumentiert, dass der Rckgang der Investitionsttigkeit eine notwen-dige Anpassung angesichts einer sich vor dem Hinter-grund der demographischen Entwicklung ndernden Nachfrage nach ffentlichen Leistungen sei. So wrden beispielsweise bestimmte, in den 70er Jahren errichtete kommunale Hochbauten heute nicht mehr gebraucht.11 Der Rckgang der Investitionen sei demnach die folge-richtige Konsequenz dieser Entwicklung.

    Eine solche Einschtzung steht allerdings in deutlichem Widerspruch zu den ermittelten Bedarfen zum Umbau der kommunalen Infrastruktur in Folge des demogra-phischen Wandels. Es ist keinesfalls klar, dass eine al-ternde Bevlkerung weniger ffentliche Infrastruktur bentigt. Vieles spricht sogar dafr, dass der Bedarf auf-grund notwendiger Anpassungen an eine alternde Be-vlkerung deutlich hher sein kann als bei gleichblei-bender Altersstruktur. Dies gilt beispielsweise fr die Anpassung netzgebundener Infrastrukturen an gerin-gere Nutzungsintensitten12 oder die Schaffung von Barrierefreiheit bei bestehenden Gebuden13 bis hin zur Vernderung der regionalen Siedlungsstrukturen sowie der Stadtentwicklung.

    hnlich ambivalent verhlt es sich hinsichtlich des Ein-f lusses des technischen Fortschritts auf den Investi-tionsbedarf. Einerseits lassen sich durch verbesserte Verfahren die vorhandenen Infrastrukturen effizien-ter nutzen. Andererseits schaffen technologische Neue-rungen wie beispielsweise die Digitalisierung gerade die Notwendigkeiten zum Umbau der vorhandenen In-

    11 Sachverstndigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung (2014), Jahresgutachten 2014/15, Mehr Vertrauen in Marktprozesse, S. 237.

    12 Darunter versteht man unter anderem den Rckbau von Wasser- und Abwassernetzen bei gleichbleibend groem Versorgungsgebiet aber abnehmen-den Nutzerzahlen. Deilmann, C., Haug, P. (2011): Demographischer Wandel und technische Infrastruktur: Wer soll die Kosten tragen? Eine Untersuchung am Beispiel ostdeutscher Mittelstdte, Shaker Verlag, Aachen.

    13 Vgl. Eberlein, M., Klein-Hitpa, A. (2012): Altengerechter Umbau der Infrastruktur: Investitionsbedarf der Stdte und Gemeinden. Deutsches Institut fr Urbanistik; Kller, M. (2013): Baustelle Kommunen: Demografischer Wandel trifft kommunale Infrastruktur, KfW Research, Fokus Volkswirtschaft, Nr. 30.

    Abbildung 1

    Investitionsquote ffentlicher Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) nach GebietskrperschaftenIn Relation zum Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen in Prozent

    0,0

    0,5

    1,0

    1,5

    2,0

    1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011

    Bundesunternehmen

    Lnder FEU

    Kommunale FEU

    Quellen: Sonderauswertung der Jahresabschlussstatistik des Statistischen Bundesamts; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

    Abbildung 2

    Nettoanlageinvestitionen ffentlicher Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) nach GebietskrperschaftenIn Milliarden Euro

    1999

    2001

    2003

    2005

    2007

    2009

    2011

    0

    5

    10

    15

    20

    25

    Kommunale FEU

    Lnder FEU

    Bundesunternehmen

    Quellen: Sonderauswertung der Jahresabschlussstatistik des Statistischen Bundesamts; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1028 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    frastruktur, auch im ffentlichen Sektor. Eine konkrete Quantifizierung des Investitionsbedarfs ist somit mo-dellmig kaum leistbar. Befragungen zu den Investiti-onsbedarfen insbesondere bei Kommunen weisen eher auf erhhte Investitionsnotwendigkeiten hin.14

    Ein wichtiger Orientierungspunkt fr die Abscht-zung der angemessenen Hhe der Investitionen sind die Abschreibungen des ffentlichen Infrastrukturka-pitalstocks. Die Abschreibungen sind dabei eine kal-kulatorische Gre, die den Wertverzehr einer Infra-struktureinrichtung ber ihre gesamte Lebensdauer abbilden soll.15 Sie entsprechen zwar nicht den tatsch-lichen Vernderungen des Kapitalstocks im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und sind so auch nicht als direkt relevante Gre fr das Produk-tionspotenzial zu interpretieren; in diesem Zusammen-hang sind die tatschlichen Anlagenabgnge relevant.16 Langjhrig negative Nettoinvestitionen, das heit ge-ringere Bruttoinvestitionen als Abschreibungen, kn-nen aber als Indikator dafr gesehen werden, dass der ffentliche Kapitalstock verschlissen, zumindest aber nicht modernisiert wird.

    Zur Bewertung der Investitionsttigkeit wird daher im Folgenden auf die Nettoinvestitionsttigkeit der Gebiets-krperschaften abgestellt. Die Investitionen groer Tei-le der ffentlichen Unternehmen werden darin aller-dings nicht erfasst (die wesentlichen Trends der Netto-investitionsttigkeit ffentlicher Unternehmen sind im Kasten dargestellt).17

    ffentliche Nettoinvestitionen: Leben von der Substanz

    Das Statistische Bundesamt weist die Nettoinvestitio-nen nach Sektoren seit dem Jahr 1991 aus. Nachdem die Nettoinvestitionsttigkeit in den 90er Jahren vor allem in den Neuen Lndern sehr rege war, sind sie seither deutlich zurckgegangen und waren nach der Jahrtau-sendwende teilweise sogar negativ (Abbildung4). Die Be-trachtung im Detail zeigt, dass der Kapitalstock bei den Ausrstungen und bei geistigem Eigentum seit Anfang der 2000er Jahre ausgeweitet wurde. Hingegen ist es

    14 KfW-Kommunalpanel 2015. BMWi-Online Befragung Kommunale Investi-tionen: https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/erste-ergebnisse-der-bmwi-online-befragung-kommunale-investitionen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

    15 Vgl. Statistisches Bundesamt (2015), Volkswirtschaftliche Gesamtrechnun-gen Beiheft Investitionen, Wiesbaden.

    16 Fr eine vergleichende Diskussion der unterschiedlichen Mae der Investi-tionsttigkeit und deren Aussagekraft vgl. Monatsbericht des BMF 06/2015.

    17 Fr eine Erluterung zu den Abgrenzungen, siehe Eberhard, T. (2015): ffentliche Investitionsquote Was wird abgebildet? DIW-Roundup 74. Weitere Analysen zur Investitionsttigkeit von ffentlichen Unternehmen enthlt der Beitrag von Cullmann, A. et al. in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts.

    Abbildung 5

    Nettoanlageinvestitionen des Sektors Staat nach GebietskrperschaftenIn Milliarden Euro

    1991

    1993

    1995

    1997

    1999

    2001

    2003

    2005

    2007

    2009

    2011

    2013

    -5

    0

    5

    10

    15

    Bund Lnder Gemeinden

    Staat insgesamt

    Quellen: Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

    Vor allem die kommunalen Nettoinvestitionen sind schwach.

    Abbildung 4

    Nettoanlageinvestitionen des Sektors Staat nach GtergruppenIn Milliarden Euro

    1991

    1993

    1995

    1997

    1999

    2001

    2003

    2005

    2007

    2009

    2011

    2013

    -5

    0

    5

    10

    15

    Ausrstungen Bauten Geistiges Eigentum

    Nettoanlageinvestitionen

    Quelle: Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts; Berechnungen des DIW Berlin.

    DIW Berlin 2015

    Der Staat lebt insbesondere bei der Infrastruktur von seiner Substanz.

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1029DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    vor allem der ffentliche Nichtwohnungsbau, bei dem seit dem Jahr 2003 die Abschreibungen die Investitio-nen bersteigen. Dies unterstreicht den vielfach vorge-tragenen Befund, dass im Bereich der ffentlichen Inf-rastruktur erheblicher Investitionsbedarf besteht ins-besondere fr den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur18.

    Die differenzierte Betrachtung nach Gebietskrper-schaften zeigt, dass vor allem die Gemeinden ihren Kapitalstock nicht erweitert beziehungsweise dessen Erhalt gewhrleistet haben. Seit 2003 waren ihre Inves-titionen per Saldo negativ (Abbildung5).

    Der Bund und die Lnder hingegen haben den ffentli-chen Kapitalstock in der jngeren Vergangenheit wieder strker ausgeweitet. Dies drfte vor allem damit zusam-menhngen, dass die Investitionen in geistiges Eigen-tum und damit vor allem die Ausgaben fr Forschung und Entwicklung zuletzt deutlich ausgeweitet wurden, was berwiegende Aufgabe der Lnder ist.

    Fazit

    Investitionen in die ffentliche Infrastruktur sind eine wesentliche Voraussetzung fr die Sicherung der Wett-bewerbsfhigkeit und die Schaffung von Wachstums-potentialen. Zwar besitzt Deutschland im internationa-len Vergleich eine durchaus hohe Infrastrukturausstat-tung. Allerdings ist die ffentliche Investitionsttigkeit seit Mitte der 90er Jahre stark rcklufig. Dies gilt nicht nur fr Ostdeutschland mit seinen spezifischen vereini-gungsbedingten Investitionsanforderungen, sondern auch fr viele westdeutsche Lnder.

    Insbesondere die kommunale Infrastruktur fhrt seit Jahren auf Verschlei. Das heit, die Investitionen rei-chen nicht aus, den Werteverzehr der Infrastruktur aus-zugleichen, und Umfang und Modernitt nehmen im-mer mehr ab. Auch die Investitionsttigkeit kommuna-ler Unternehmen das zeigt der Exkurs im Kasten war in den letzten Jahren eher verhalten und kann die In-vestitionsschwche in den kommunalen Haushalten nicht kompensieren.

    18 Vgl. Daehre-Kommission (2012), Bericht der Kommission Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung; Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Kln (2014). Infrastruktur zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf, Kln; Kunert U. und H. Link (2013): Verkehrsinfrastruktur: Substanzerhaltung erfor-dert deutlich hhere Investitionen, DIW Wochenbericht 26.

    Damit der kommunale Investitionsstau zumindest nicht noch weiter anwchst, ist ein rasches Umsteuern drin-gend erforderlich. Um mittelfristig die Mglichkeit einer wachstumsorientierten Investitionsttigkeit der Kom-munen zu gewhrleisten, sind umfassende strukturel-le Manahmen erforderlich. Die Investitionskommis-sion beim Bundeswirtschaftsministerium hat dazu ver-schiedene Denkanste entwickelt.19

    Es kann kaum berraschen, dass (kommunale) Inves-titionen umso hher sind, je entspannter die Finanz-lage ist; damit drfte der Investitionsbedarf in finanz-schwachen Kommunen besonders hoch sein. Daher war es ein Schritt in die richtige Richtung, dass der Bund in diesem Jahr ein Sondervermgen geschaffen hat, mit dem bis zum Abrechnungsjahr 2019 Investitionen in finanzschwachen Gebieten gefrdert werden sollen. Letztlich handelt es sich dabei aber um eine einmalige Hilfe. Wie bei den anderen aktuellen Manahmen des Bundes, mit denen er den Kommunen mehr Mittel zu-kommen zulassen will, handelt es sich nicht um einen systematischen Lsungsansatz.

    Zu letzterem knnte beitragen, die Finanzlage der Kom-munen strker im Lnderfinanzausgleich, dessen Neu-gestaltung zurzeit verhandelt wird, zu bercksichtigen. Zurzeit wird die kommunale Finanzkraft im Lnderfi-nanzausgleich nur zu 64Prozent einbezogen. Gerade finanzschwache Kommunen sind allerdings in deut-lich hherem Umfang als andere auf eine ausreichen-de Finanzierung durch den Kommunalen Finanzaus-gleich angewiesen. Dies heit im Umkehrschluss, dass finanzschwache Lnder mehr Mittel fr Finanztrans-fers an ihre Gemeinden bereitstellen mssen als andere Lnder. Wrden die kommunalen Steuereinnahmen im Lnderfinanzausgleich vollstndig bercksichtigt, wr-den die finanzschwachen Lnder eher in die Lage ver-setzt, ihren Kommunen ausreichend Mittel zur Verf-gung zu stellen, um eine freie Spitze fr Investitionen wahrscheinlicher werden zu lassen.

    19 Empfohlen wird unter anderem die Schaffung eines Nationalen Investi-tionspaktes fr Kommunen zur Verbesserung der Finanzausstattung, die Einrich-tung von Infrastrukturgesellschaften fr Kommunen zur Erhhung von Bera-tungskompetenzen und die Strkung ffentlicher Kooperationen. Siehe Bundesministerium fr Wirtschaft und Energie (2014): Strkung von Investitio-nen in Deutschland, Bericht der Expertenkommission, Berlin.

    Martin Gornig ist Stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Mrkte am DIW Berlin | [email protected]

    Claus Michelsen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Abteilungen Konjunkturpolitik und Klimapolitik am DIW Berlin | [email protected]

    Kristina van Deuverden ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin | [email protected]

  • KOMMUNALE INFRASTRUKTUR

    1030 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    LOCAL PUBLIC INFRASTRUCTURE SHOWING SIGNS OF WEAR AND TEAR

    Abstract: Investment in public infrastructure is essential to ensure competitiveness and create growth potential. Although Germany certainly has a well-developed infra-structure compared to other countries, local public infra-structure has been in decline for many years now. This means that current levels of investment are not sufficient to offset this decline, and the infrastructure is becoming increasingly outdated and limited in its scope. In order for this backlog of local public investment to at least not continue growing, a rapid change in policy is urgently

    needed. The creation of a special central government fund to encourage investment in financially weak areas is a step in the right direction. Given the enormity of the local pub-lic investment backlog, a massive increase in immediate financial assistance seems imperative. At the same time, a systematic approach must be developed to compensate for the chronic underfunding of certain types of municipality. One improvement might be to take proper account of the financial weakness of the municipalities in fiscal equaliza-tion among the federal states.

    JEL: H54, H76, H77

    Keywords: local public investment, local infrastructure, fiscal equalization

  • DIW Wochenbericht Nr. 43.2015 1031

    Die kommunalen Investitionen sind in Deutschland regional sehr ungleich verteilt. Schon der Vergleich zwischen den Flchenlndern zeigt deutliche Unterschiede bei den Bruttoinvestitionen. So gaben die Kommunen Bayerns im Jahr 2013 mehr als drei Mal so viel pro Einwohner fr Investitionen aus als beispielsweise die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.

    Ein Blick auf die Kreise und kreisfreien Stdte zeigt noch deutlich grere Unterschiede, sowohl bundesweit als auch innerhalb der Bundeslnder. 2013 gab der Landkreis Mnchen mit 724Euro pro Einwohner fast 700Euro mehr aus als die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven in Niedersachsen (35Euro pro Einwohner). Inner-halb Bayerns lag der Unterschied noch bei 560Euro zwischen der kreisfreien Stadt Weiden in der Oberpfalz (160Euro pro Einwohner) und dem Landkreis Mnchen.

    Unsere Analyse weist nach, dass sich diese regionalen Unterschie-de bei den Investitionsausgaben ber die Zeit kaum verndern. Von den Kommunen, die schon im Jahr 2000 zum schwchsten Viertel aller Kommunen gehrt haben, finden sich 83Prozent auch 14Jah-re spter in der unteren Hlfte der Verteilung wieder.

    Insgesamt sind die Investitionen in den wirtschaftlich starken Kommunen deutlich hher als in strukturschwachen Regionen. Die Hhe der Investitionen korreliert positiv mit hohen Steuereinnah-men und negativ mit hohen Sozialausgaben, negativem Finanzie-rungssaldo und hoher Verschuldung. Kommunen, die schon heute weniger wettbewerbsfhig sind, werden durch fehlende Investitio-nen langfristig weiter abgehngt. Damit werden Unterschiede in der Infrastruktur und der Standortqualitt zementiert, die wichtige Voraussetzungen fr zuknftige Wirtschaftsleistungen darstellen.

    Seit vielen Jahren weisen Politik und Spitzenverbnde auf die zu geringen und regional stark unterschiedli-chen Investitionen der Kommunen hin. Strukturschwa-che Regionen drohen dauerhaft den Anschluss zu ver-lieren. Im Mrz 2015 reagierte die Bundesregierung und beschloss die Auflage eines Fonds zur Frderung kommunaler Investitionen. Er stellt fr die Jahre 2015 bis 2018 insgesamt 3,5Milliarden Euro bereit. Die Be-sonderheit dieses Fonds besteht darin, dass die Vertei-lung der Mittel den Haushaltslagen der Kommunen folgt. Intention des Programms ist die gezielte Frde-rung strukturschwacher Kommunen. Die Notwendig-keit dieses Ansatzes wird auch durch die Finanzstatistik besttigt: Seit dem Jahr 2003 sind die Nettoinvestitio-nen der Kommunen negativ.1 Der Verlust an Infrastruk-tur als Voraussetzung fr private Investitionen, Wachs-tum, Wirtschafts- und damit Finanzkraft der Kommu-nen setzt sich fort. Hinzu tritt der Umstand, dass das Bruttoinvestitionsniveau weithin von wirtschafts- und finanzstarken Kommunen getragen wird. Die geringe Investitionskraft der strukturschwachen Kommunen droht mit dem Blick auf aggregierte Bundes- oder Lan-desdaten in Vergessenheit zu geraten. Langjhrig an-haltende Differenzen in den Investitionen vertiefen je-doch die Unterschiede der Zukunftschancen der Kom-munen und damit ihrer Brgerinnen und Brger. Der vorliegende Beitrag untersucht erstmals die regionale und zeitliche Entwicklung der kommunalen Investi-tionen auf Ebene der Kreise und kreisfreien Stdte und deckt erste Ursachen der Ungleichheiten auf.

    ffentliche Investitionen werden in Deutschland zu-meist auf Lnder- und Kommunalebene durchgefhrt. Von den 43,2Milliarden Euro Sachinvestitionen in die gesamtstaatliche Infrastruktur Deutschlands wurden im Jahr 2013 23Prozent vom Bund (und den Sozialver-sicherungen), 26Prozent von den Lndern und 51Pro-zent von den Kommunen gettigt.

    1 Vgl. Bericht Gornig et al. in dieser Ausgabe.

    Groe regionale Disparitten bei den kommunalen InvestitionenVon Felix Arnold, Ronny Freier, Ren Geissler und Philipp Schrauth

    REGIONALE DISPARITT

  • REGIONALE DISPARITT

    1032 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Ein Blick auf die Bauausgaben als wichtigsten Teil kom-munaler Investitionen verdeutlicht typische Ausgaben-felder. Die Bauausgaben beliefen sich 2013 auf 16Mil-liarden Euro und banden damit allein rund zwei Drit-tel der kommunalen Gesamtinvestitionen. Die hchsten Ausgaben wurden fr Gemeinde- und Kreisstraen ge-ttigt (4,2Milliarden Euro). Es folgen Schulgebude aller Arten (2,6Milliarden Euro), Kindertagessttten (1,6Milliarden Euro), Verwaltungsgebude (1,3Milliar-den Euro), Anlagen der Abwasserbeseitigung (1,2Mil-liarden Euro) sowie Sportsttten und Bder (0,6Mil-liarden Euro).

    Von den bereinigten Gesamtausgaben der Kommunen (2 730Euro pro Einwohner) machen die Investitionen

    mit 350Euro pro Einwohner einen wesentlichen Teil aus (Kasten1). Nach den Personalausgaben (etwa 700Euro), den Ausgaben fr Soziales (660Euro) und den laufen-den Sachaufwendungen (575Euro) bilden sie den viert-grten Haushaltsposten.

    Deutliche Unterschiede schon auf Lnderebene

    Ein einfacher Vergleich auf Lnderebene zeigt bereits deutliche regionale Unterschiede in den 13 Flchenln-dern. So weisen die wirtschaftsstarken Lnder Bayern und Baden-Wrttemberg in allen untersuchten Jahren ein hohes Investitionsniveau auf. Im Jahr 2013 fhrt Bay-ern mit Pro-Kopf-Ausgaben von 469Euro bundesweit

    Kasten 1

    Investitionsausgaben

    Fr die Analyse der kommunalen Investitionen in diesem Be-

    richt wurden verschiedene Datenquellen herangezogen. Kom-

    munale Daten zu den Jahren 2000 und 2008 stammen aus

    der Statistik regional und Statistik lokal (Regionaldatenbank

    der Statistikmter des Bundes und der Lnder) und beziehen

    sich jeweils auf die Kassenstatistik der Kreise und Gemeinden.

    Die Daten des Jahres 2013 wurden ber den Genesis-Service

    des Statistischen Bundesamtes bereitgestellt. Auch dies sind

    Kassenstatistiken. Weil fr dieses Jahr dort die Angaben zu

    den Kommunen im Saarland, Nordrhein-Westfalen, Nieder-

    sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern fehlen,

    wurden diese ber die jeweiligen Onlineangebote der statis-

    tischen Landesmter ergnzt. Mit Ausnahme des Saarlandes

    sind dies die Jahresrechnungsstatistiken.

    Die Zeitpunkte 2000, 2008 und 2013 bieten sich aus Grn-

    den inhaltlicher und statistischer Datenvaliditt an. Sie sind in

    Bezug auf die konjunkturellen Rahmenbedingungen und die

    allgemeine Finanzlage vergleichbarer als die meisten anderen

    Jahre in dieser Periode. Nach 2008 litt die Belastbarkeit der

    Finanzstatistik einige Jahre durch die Umstellung des Haus-

    haltswesens von Kameralistik auf Doppik. In diesen Jahren

    wurde oftmals auf die Publikation von Investitionszahlen

    beziehungsweise gar der gesamten Finanzstatistik verzichtet.

    Zudem lagen die Investitionen in den Jahren 2009 bis 2011

    durch die Konjunkturpakete des Bundes ber dem Normal-

    niveau. Sie sind nicht reprsentativ fr andere Jahrgnge. In

    geringem Mae kommt es im Zuge der Doppik auch zu einer

    systematisch geringeren Ausweisung der Investitionen.

    Bei der Abgrenzung des Investitionsbegriffs haben wir uns,

    zum Zwecke der Vergleichbarkeit ber die Zeit, auf die Sach-

    investitionen mit den drei Untergruppen Baumanahmen, Er-

    werb von beweglichen Sachwerten und Erwerb von unbeweg-

    lichen Sachwerten beschrnkt. Davon zu unterscheiden sind

    der Erwerb von Beteiligungen, Darlehen sowie Investitions-

    zuschsse. Gemessen an der Rechnungsstatistik 2013 werden

    ber die drei erfassten Untergruppen rund 80Prozent der

    gesamten kommunalen Investitionen abgebildet. Die Bauaus-

    gaben sind der mit Abstand wichtigste Bereich kommunaler

    Investitionen.

    Unter den kommunalen Ausgaben sind die Bruttoinvestitionen

    der viertwichtigste Ausgabenpunkt nach den Aufwendungen

    fr Personal, Sachaufwand und den Sozialausgaben. Es sei

    hier auch erwhnt, dass es speziell zwischen den Sachaufwen-

    dungen und den Investitionen immer wieder zu Schwierigkei-

    ten bei der Abgrenzung kommt. Die Instandhaltungskosten in

    einer Schule knnen unter laufenden Sachaufwendungen oder

    unter Baumanahmen (somit als Investitionen) verbucht wer-

    den. hnliche Unschrfen bietet die Verbuchung von Bauma-

    nahmen durch eigenes Personal (Bauhfe). Darber hinaus

    fokussiert unser Bericht auf die Kernhaushalte der Kommu-

    nen. Zum einen ist dieser Teil der Kommunalverwaltung am

    klarsten abgrenzbar, zum anderen findet hier die eigentliche

    lokalpolitische Diskussion der Rte statt und Drittens basieren

    die Investitionen dort primr auf der eigenen Steuerkraft.

    Die Investitionsttigkeit in den Auslagerungen (kommunale

    Fonds, Einrichtungen oder Unternehmen) wird hingegen teils

    aus wirtschaftlicher Bettigung gedeckt.1

    1 Siehe Bericht von Cullmann et al. in dieser Ausgabe des DIW Wochen-berichts.

  • REGIONALE DISPARITT

    1033DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    sind die Ausgaben im Jahr 2013 auf lediglich 148Euro gesunken, den niedrigsten Wert in Deutschland.

    Diese Entwicklung in Ostdeutschland ist weithin durch den Solidarpakt zu erklren. Der Solidarpakt II weist den ostdeutschen Kommunen, mit dem Umweg ber die Lnderhaushalte, in den Jahren 2005 bis 2019 ins-gesamt 156Milliarden Euro zu. Diese Mittel dienen we-sentlich dem Ausgleich der geringen Steuer- und Fi-nanzkraft und der Investitionsfrderung. Seit dem Jahr 2009 schrumpfen diese jhrlichen Zuweisungen. Je ge-ringer diese Sonderzuweisungen des Bundes ausfallen, desto strker tritt die eigene geringe Steuer- und Finanz-kraft zutage. In Ostdeutschland spiegelt sich ber die-sen Zeitraum ebenso der Bevlkerungsrckgang wider, denn dadurch sinken die Verbundmasse und damit das Volumen des kommunalen Finanzausgleichs. Denk-bar ist ebenso, dass die Lnder vor dem Hintergrund der ab 2020 greifenden Schuldenbremse gezielt die In-vestitionszuweisungen an die Kommunen reduzieren.

    Flchendeckend hohe Investitionen in Bayern und Baden-Wrttemberg

    ber diese Lnderunterschiede hinaus unterscheidet sich die Hhe der Investitionsausgaben auch innerhalb der Lnder von Kreis zu Kreis. Um diese Disparitten zu verdeutlichen, stellen wir die Pro-Kopf-Ausgaben fr Investitionen der Gesamtkreise und kreisfreien Stdte2 fr die Jahre 2000 und 2013 in zwei Kreiskarten fr ganz Deutschland dar (Abbildung2).

    Erkennbar zeigt sich das Nord-Sd-Geflle mit hohen Investitionen in Baden-Wrttemberg und Bayern (mit wenigen Ausnahmen) und niedrigen Investitionen in weiten Teilen Westdeutschlands. Auch das Absinken der Investitionsniveaus in Ostdeutschland ist nochmals klar auszumachen. Darber hinaus wird aber auch deutlich, wie heterogen die Ausgaben fr Investitionen selbst in-nerhalb von Bundeslndern verteilt sind. In Bayern und Baden-Wrttemberg sind die Investitionen fast f lchen-deckend hoch.3 In den meisten anderen Bundeslndern sind dagegen oft mehrere Kreise mit hohen und nied-rigen Investitionen in unmittelbarer Nachbarschaft zu finden. Whrend in Nordhessen teilweise sehr niedri-ge Investitionen gettigt werden, sieht das Bild in an-deren Teilen dieses Bundeslandes sehr viel besser aus.

    2 Wir greifen hier fr die Darstellung auf das Konzept der Gesamtkreise zurck. Dabei wird die Investitionsttigkeit aller Gemeinden und Gemeindever-bnde (Landkreise und Verwaltungsebenen wie mter) in den Grenzen der jeweiligen Landkreise zusammengefasst. Fr die kreisfreien Stdte erbrigt sich diese Aggregation, da hier alle Ebenen zusammenfallen.

    3 Dies ist im Falle Bayerns durchaus bemerkenswert, da im Norden und Osten auch steuerschwache Kommunen existieren. Das flchendeckend hohe Investitionsniveau spricht fr einen funktionierenden kommunalen Finanzaus-gleich bzw. spezielle Frderprogramme.

    deutlich, gefolgt von Baden-Wrttemberg mit 371Euro. Demgegenber fallen die Ausgaben fr Investitionen in anderen westdeutschen Bundeslndern deutlich gerin-ger aus. In NRW und dem Saarland liegen die Investi-tionen in allen Jahren deutlich unter 300Euro und oft sogar unter 200Euro pro Kopf (Abbildung1).

    Bemerkenswert ist der rapide Rckgang der Investitio-nen in den ostdeutschen Bundeslndern. Whrend die ostdeutschen Kommunen im Jahr 2000 noch die hchs-ten Investitionsausgaben verzeichneten, entsprechen die Pro-Kopf-Ausgaben 2013 zumeist nur noch der Hlfte des damaligen Niveaus. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise, das im Jahr 2000 mit 393Euro pro Kopf noch eines der hchsten Investitionsniveaus aufwies,

    Abbildung 1

    Investitionen der Kommunen auf LnderebeneEuro je Einwohner

    100 150 200 250 300 350 400 450

    Thringen

    Sachsen-Anhalt

    Sachsen

    Mecklenburg-Vorpommern

    Brandenburg

    Saarland

    Bayern

    Baden-Wrttemberg

    Rheinland-Pfalz

    Hessen

    Nordrhein-Westfalen

    Niedersachsen

    Schleswig-Holstein

    2000 2008 2013

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 14, Reihe 2 fr 2013; Genesis Datenbank des Statistischen Bundes-amtes fr 2000 und 2008).

    DIW Berlin 2015

    Vor allem in Ostdeutschland sind starke Rckgnge zu verzeichnen, whrend in Bayern und Baden-Wrttemberg die Investitionen an-haltend hoch sind.

  • REGIONALE DISPARITT

    1034 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Extreme in der Verteilung der Pro-Kopf-Investitionsaus-gaben, liefert zustzliche Erkenntnisse (Abbildung3).

    In der Liste der zehn Kommunen mit den hchsten In-vestitionsausgaben befinden sich ausschlielich baye-rische Kommunen. Neun der zehn Kommunen sind Gesamtkreise. Weit vorn liegt der Landkreis Mnchen. Dieser Landkreis gehrt zu den wirtschaftlich strksten Regionen Deutschlands berhaupt. Hier liegt der Haupt-sitz unter anderem der Infineon AG, Swiss Re, Mn-chener Rck, der ProSieben Sat1 Media AG oder Kabel Deutschland. Tatschlich wurden in diesem Landkreis im Jahr 2013 auch deutschlandweit die hchsten kom-munalen Steuereinnahmen erzielt.5

    5 Vgl. Arnold, F. et al. (2015), a. a. O., 91.

    Auch der Vergleich des Ruhrgebiets mit den umliegen-den Regionen zeigt deutliche Unterschiede innerhalb Nordrhein-Westfalens. In Brandenburg tritt die gesamte Spannweite zwischen den berlinnahen Gesamtkreisen Teltow-Flming und Dahme-Spreewald und der abge-legenen Prignitz im Nordwesten auf. Dabei ist es kein Zufall, dass mit den beiden Kreisen im Sden Berlins die steuerstrksten ostdeutschen Landkreise auch die hchsten Investitionen aufweisen.4

    Die Betrachtung der jeweils zehn Gesamtkreise und/oder kreisfreien Stdte mit den hchsten und den nied-rigsten Investitionsausgaben im Jahr 2013, das heit der

    4 Vgl. Arnold, F., Bttcher, F., Freier, R., Geissler, R., Holler, B. (2015): Kommu-naler Finanzreport. Bertelsmann Stiftung, 89.

    Abbildung 2

    Investitionen auf KommunalebeneEuro je Einwohner

    (369,727] (288,369] (208,288] [34,208]KeineDaten

    2000 2013

    (343,724] (253.5,343] (186,253.5] [35,186]KeineDaten

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Vierteljhrige Kassenstatistik von www.regionalstatistik.de fr 2000 und 2013; Landesmter fr Statistik fr NDS, NRW und BB fr das Jahr 2013).

    DIW Berlin 2015

    Groe Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den Lndern sondern auch zwischen den Kommunen innerhalb einzelner Lnder.

  • REGIONALE DISPARITT

    1035DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    380Euro. Allerdings gibt es auch deutliche Ausreier nach oben mit Werten ber 500Euro (siehe Bayern oder Baden-Wrttemberg im Jahr 2000). Die ostdeutschen Lnder weisen durchschnittlich wesentlich niedrigere Spannweiten auf. Hier liegen die meisten Werte unter 300Euro je Einwohner. Sehr speziell ist zudem das Saar-land, wo der Wert maximal bei 133Euro liegt. Ein Trend ber die Jahre lsst sich bei der Spannweite nicht erken-

    Neun der zehn investitionsschwchsten Kommunen sind kreisfreie Stdte

    Bei den Kommunen mit den niedrigsten Investitionen gestaltet sich das Bild wesentlich heterogener. Diese zehn Kommunen verteilen sich auf sieben verschiedene Lnder. Neun von ihnen sind kreisfreie Stdte. Die nied-rigsten Ausgaben verzeichnete mit etwa 35Euro pro Kopf die Stadt Wilhelmshaven in Niedersachsen. Nordrhein-Westfalen ist mit Bielefeld, Hagen und Duisburg ver-treten. Interessanterweise liegen mit Hagen, Duisburg und Wilhelmshaven drei dieser investitionsschwchsten Stdte auch in der Statistik der Kassenkredite6 deutsch-landweit vorn. Gleichzeitig ist keine Kommune aus dem Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern vertreten, ob-gleich diese Lnder im Durchschnitt das geringste In-vestitionsniveau aufweisen.

    Es kann berraschen, dass sich mit Halle (Sachsen-An-halt) und Jena (Thringen) nur zwei ostdeutsche Kom-munen unter den zehn investitionsschwchsten finden. Anhand der Stadt Jena lsst sich jedoch ein wichtiger statistischer Effekt aufzeigen. Wie in vielen anderen greren Stdten auch sind Instandhaltung und Aus-bau kommunaler Liegenschaften und damit auch ent-sprechende Investitionszahlungen in einen Eigenbe-trieb ausgelagert.7 Als einziger Gesamtkreis befindet sich der Odenwaldkreis in Hessen im Feld der zehn in-vestitionsschwchsten Kommunen. Gemessen an den Extremen erscheint die Investitionsttigkeit in den Ge-samtkreisen grer als in den kreisfreien Stdten. Eine Ursache kann in der unterschiedlichen Belastung mit Sozialausgaben liegen,8 eine andere im tendenziell gr-eren Umfang ausgelagerter Aktivitten.

    Einen Gesamtberblick ber die Verteilung der Investi-tionen innerhalb der Bundeslnder vermittelt Tabelle1. Hier analysieren wir anhand ausgewhlter Verteilungs-mae (Spannweite, Dezilverhltnis, Gini-Koeffizient)9 die Disparitten zwischen den Kreisen der jeweiligen Lnder. Alle Werte basieren auf den Bruttoinvestitio-nen pro Einwohner auf der Gesamtkreisebene der Jah-re 2000, 2008 und 2013.

    Die Spannweite betrachtet den Abstand zwischen dem Minimum und dem Maximum der Pro-Kopf-Investitio-nen im jeweiligen Bundesland. In den westdeutschen Lndern liegt der Wert hier zumeist zwischen 220 und

    6 Siehe DIW-Glossar http://www.diw.de/de/diw_01.c.422698.de/presse/diw_glossar/kassenkredite.html

    7 Der Wirtschaftsplan des Eigenbetriebes sieht 2013 Investitionen in Hhe von ca. 139Euro pro Einwohner vor.

    8 Geissler, R., Niemann, F.-S. (2015): Kommunale Sozialausgaben: Wie der Bund sinnvoll helfen kann. Bertelsmann Stiftung, 79.

    9 Arnold, F. et al. (2015), a. a. O., 7576.

    Abbildung 3

    Liste der Kommunen mit den hchsten beziehungsweise niedrigsten Pro-Kopf-Investitionen 2013Euro je Einwohner

    0 100 200 300 400 500 600 700

    Kitzingen, Landkreis

    Tirschenreuth, Landkreis

    Freising, Landkreis

    Neumarkt i.d.OPf., Landkreis

    Neustadt a.d.Waldnaab, Landkreis

    Unterallgu, Landkreis

    Regensburg, krsfr. Stadt

    Donau-Ries, Landkreis

    Dingolng-Landau, Landkreis

    Mnchen, Landkreis

    0 100 200 300 400 500 600 700

    Wilhelmshaven, krsfr. Stadt

    Flensburg, krsfr. Stadt

    Speyer, krsfr. Stadt

    Jena, krsfr. Stadt

    Bielefeld, krsfr. Stadt

    Odenwaldkreis, Landkreis

    Halle (Saale), krsfr. Stadt

    Hagen, krsfr. Stadt

    Duisburg, krsfr. Stadt

    Salzgitter, krsfr. Stadt

    Kreise mit den hchsten Pro-Kopf-Investitionen

    Kreise mit den niedrigsten Pro-Kopf-Investitionen

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes

    DIW Berlin 2015

    Die hchsten Investitionen sind durchweg in bayerischen Kommunen zu verzeichnen, whrend sich die Kommunen mit den niedrigsten Pro-Kopf-Investitionen auf verschiedene Bundeslnder verteilen.

  • REGIONALE DISPARITT

    1036 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Kommunen ein hnliches Bild. Diese Mazahl variiert zwischen 0 (alle Kreise investieren gleich viel) und 1 (ein Kreis investiert alles, und alle anderen investieren gar nicht).12 Auch hier unterscheiden sich Bayern und das Saarland im Jahr 2000 kaum. Deutschlandweit ergibt sich 2013 ein Gini-Koeffizient fr die Investitionsttig-keit von 0,24. Dieser Wert ist vergleichbar mit der Ver-teilung der Steuereinnahmen (Gini von 0,19) und klei-ner als die Verteilungsmae bei den Kosten der Unter-kunft und Heizung (Gini von 0,31), der Verschuldung (Gini von 0,41) und den kommunalen Kassenkrediten (0,73) im Jahr 2013.13 Auch bei den Gini-Koeffizienten ist das Bild ber die verschiedenen Jahre gleichbleibend. Wenn es in einigen Lndern Verschiebungen nach oben oder unten gibt, sind diese Vernderungen weder be-deutsam noch weisen sie einen klaren Trend auf.

    Investitionsausgaben haben sich ber die Zeit kaum verndert

    Wie gezeigt, haben sich die Verteilungen der Inves-titionsttigkeit in den jeweiligen Jahren kaum vern-

    12 Fr die Berechnung der Ginis wurden die pro-Kopf Bruttoinvestitionen der Kreise jeweils mit den Einwohnerzahlen der Kreise gewichtet.

    13 Vgl. Arnold, F. et al. (2015), a. a. O., 77, 92, 107 und 113.

    nen. Die Spannweite ist von 2000 zu 2013 in sechs Bun-deslndern gestiegen und in sieben Lndern gesunken.

    Weniger anfllig fr extreme Ausreier zeigt sich das Dezilverhltnis.10 Deutschlandweit ergibt sich hier ein Faktor von etwa 3. Das heit, das oberste Dezil hat drei Mal hhere Investitionsausgaben als das unterste Dezil. Innerhalb der Bundeslnder ist das Dezilverhltnis mit einem Faktor um die 2 zumeist kleiner. Interessant ist hierbei, dass das Dezilverhltnis trotz deutlicher Unter-schiede bei den Spannweiten relativ hnlich ist. Ver-gleicht man Bayern und Saarland im Jahr 2000, zeigt sich ein immenser Unterschied in der Spannweite (500 zu 100), aber beide haben ein Dezilverhltnis von 2. Da-mit wird klar, dass sich die Unterschiede zwischen den Kommunen in Bayern und dem Saarland hauptschlich durch den enormen Unterschied im Niveau der Investi-tionen ergeben. Die relative Verteilung ist dann in bei-den Lndern vergleichbar.

    Die Gini-Koeffizienten11 fr die Investitionen zeigen in-nerhalb der einzelnen Lnder und somit zwischen den

    10 Beim Dezilverhltnis werden das 90-Prozent- und das 10-Prozent-Dezil ins Verhltnis gesetzt. Dadurch bleiben die Max und Min zumeist unbeachtet.

    11 Der Gini-Koeffizient wird gemeinhin als Ma fr die Einkommensungleich-heit verwendet.

    Tabelle 1

    Ausgewhlte Streuungsmae der Investitionen je Einwohner

    Spannweite Dezilverhltnis Gini-Koeffizient (Kreisebene)

    2000 2008 2013 2000 2008 2013 2000 2008 2013

    Schleswig-Holstein 219 332 269 2,39 1,54 1,68 0,16 0,12 0,12

    Niedersachsen 509 263 492 2,31 3,15 2,61 0,17 0,18 0,17

    Nordrhein-Westfalen 341 349 377 2,07 3,46 2,65 0,17 0,23 0,23

    Hessen 234 283 274 2,34 2,17 2,38 0,12 0,15 0,18

    Rheinland-Pfalz 312 285 268 2,13 2,62 2,25 0,13 0,19 0,17

    Baden-Wrttemberg 513 329 289 2,80 1,96 1,72 0,17 0,12 0,12

    Bayern 504 654 564 1,94 1,89 2,18 0,15 0,14 0,15

    Saarland 99 28 133 2,02 1,17 2,10 0,13 0,03 0,17

    Brandenburg 477 351 285 2,67 1,91 2,94 0,15 0,14 0,15

    Mecklenburg-Vorpommern 226 328 152 2,07 5,85 1,97 0,10 0,18 0,12

    Sachsen 200 151 133 1,65 1,55 1,51 0,10 0,10 0,10

    Sachsen-Anhalt 163 209 149 1,56 1,99 2,02 0,08 0,17 0,17

    Thringen 292 374 344 1,86 2,94 2,81 0,13 0,20 0,24

    Deutschland insgesamt 693 755 689 2,86 3,18 3,19 0,21 0,24 0,24

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Vierteljhrige Kassenstatistik von www.regionalstatistik.de fr 2000 , 2008 und 2013; Landesmter fr Statistik fr NDS, NRW, BB und SL fr das Jahr 2013).

    DIW Berlin 2015

    Baden-Wrttemberg verzeichnet die grten nderungen bezglich der Spannweite ber die Zeit. Ein niedriger Gini-Koeffizient deutet darauf hin, dass sich das Investitionsniveau der Kommunen innerhalb der Lnder nur geringfgig unterscheidet. Bei einem hohen Koeffizienten, wie in Thringen 2013, liegen hingegen deutliche Unterschiede im Investitionsniveau zwischen den Kommunen des Landes vor.

  • REGIONALE DISPARITT

    1037DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    Investitionen in Quartile einteilen14 und dann die Be-wegung einzelner Kommunen ber die Quartilsgren-zen hinweg abbilden. Diese Analyse fhren wir fr die Zeitrume 2000 zu 2008 (Panel 1), 2008 zu 2013 (Pa-nel 2) und fr den Gesamtzeitraum 2000 zu 2013 durch (Panel 3) (Tabelle2).

    Fr den Zeitraum 2000 bis 2008 lsst sich dokumen-tieren, dass von den etwa 100 Kommunen im untersten Quartil der Verteilung im Jahr 2000 (Kommunen mit Investitionen von weniger als 210Euro pro Einwohner)

    14 Aufgrund der Besonderheit, dass wir bei 396 Gesamtkreisen und kreisfrei-en Stdten in etwa 100 Kommunen pro Quartil haben, lassen sich die Eintrge in der Transitionsmatrix auch als Prozente lesen.

    dert. Dies kann unterschiedlich begrndet sein. Mg-lich ist, dass die Kommunen ihren Platz in der Vertei-lung zwischen den Jahren beibehalten. Es ist aber auch mglich, dass mal die eine und mal die andere Kom-mune im unteren und oberen Bereich der Verteilung liegt, ohne dass die Verteilung als solche sich vern-dert (weil beispielsweise mal hier und mal dort gebn-delt investiert wird). Um der Politik eine Einschtzung der dauerhaften Investitionsdisparitten zu geben, ist es unverzichtbar, die Bewegungen innerhalb der Ver-teilung zu analysieren.

    Wir nutzen dafr sogenannte Transitionsmatrizen (Kas-ten2), in denen wir die 396 Gesamtkreise und kreis-freien Stdte hinsichtlich ihrer Pro-Kopf-Ausgaben fr

    Tabelle 2

    Transitionsmatrizen hinsichtlich der Pro-Kopf-Investitionen auf KreisebeneIn Prozent

    Transitionsmatrix 20002008

    Verteilung 2008

    1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil

    Euro je Einwohner 48 bis 169 172 bis 243 244 bis 324 325 bis 803

    Verteilung 2000

    1. Quartil 34 bis 210 66 25 7 2

    2. Quartil 211 bis 294 23 42 21 13

    3. Quartil 295 bis 373 6 22 46 26

    4. Quartil 374 bis 727 5 10 26 58

    Transitionsmatrix 20082013

    Verteilung 2013

    1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil

    Euro je Einwohner 35 bis 186 187 bis 256 257 bis 349 350 bis 724

    Verteilung 2008

    1. Quartil 48 bis 169 63 27 9 1

    2. Quartil 172 bis 243 26 45 26 2

    3. Quartil 244 bis 324 8 21 43 28

    4. Quartil 325 bis 803 3 6 22 68

    Transitionsmatrix 20002013

    Verteilung 2013

    1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil

    Euro je Einwohner 35 bis 186 187 bis 256 257 bis 349 350 bis 724

    Verteilung 2000

    1. Quartil 34 bis 210 48 35 15 2

    2. Quartil 211 bis 294 28 29 38 4

    3. Quartil 295 bis 373 13 26 32 29

    4. Quartil 374 bis 727 11 9 15 64

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Vierteljhrige Kassenstatistik von www.regionalstatistik.de fr 2000 , 2008 und 2013; Landesmter fr Statistik fr Nds, NRW, Bb und SL fr das Jahr 2013).

    DIW Berlin 2015

    Es gibt kaum Sprnge zwischen den Quartilen. ber 80Prozent der Kommunen, die sich 2000 im 1.Quartil hinsichtlich der Pro-Kopf-Investitionen befanden, kamen 2013 nicht ber das 2.Quartil hinaus.

    Kasten 2

    Transitionsmatrix

    Transitionsmatrizen dienen dem Zweck, die Mobilitt

    innerhalb einer Verteilung ber zwei Zeitpunkte anhand

    eines Indikators darzustellen. Ziel der Transitionsmatrix ist

    es, die Wechsler zwischen den Quartilen zu identifizieren.

    Sind einzelne Beobachtungseinheiten in der Lage, ihre

    Position innerhalb der Verteilung im Zeitablauf zu ndern?

    Die Transitionsmatrix gibt Auskunft ber die bestehende

    Mobilitt zwischen den Quartilen, sowohl nach oben als

    auch nach unten.

    Zu diesem Zweck werden zunchst alle Beobachtungen in

    beiden Jahren nach ihrem Rang in der Verteilung geordnet

    und in vier Quartile eingeteilt. Die Transitionsmatrix be-

    steht dann aus der Gegenberstellung dieser beiden Quar-

    tilseinteilungen. Jede Zelle der Transitionsmatrix zeigt

    die Kombination aus einem Quartil der einen Verteilung

    des ersten Zeitpunktes und einem Quartil der Verteilung

    des zweiten Zeitpunktes. Die Zahlen in den Zellen geben

    an, fr wie viele der Beobachtungseinheiten genau diese

    Kombination zutrifft.

    Gbe es keine Mobilitt, so wren alle Beobachtungen in

    beiden Jahren im gleichen Quartil (und damit nur Werte

    auf der Hauptdiagonalen). Sobald es einige Wechsler gibt,

    werden auch Werte abseits der Hauptdiagonalen besetzt.

    Je strker die Hauptdiagonale besetzt ist, desto geringer

    ist die Mobilitt im Zeitverlauf.1

    1 Fr eine genauere Beschreibung siehe auch Arnold, F. et al. (2015), a. a. O.

  • REGIONALE DISPARITT

    1038 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    aufgestellten Kommunen lediglich zehn Prozent fr In-vestitionsttigkeiten. In diesen Kommunen machen die Ausgaben fr Soziales mit 34Prozent sogar den gr-ten Haushaltsposten aus.

    66 Kommunen auch im Jahr 2008 wieder zu den Kom-munen mit niedrigen Investitionen gehren. Nimmt man das zweite Quartil dazu, zeigt sich das ganze Aus-ma der Persistenz. Von den Kommunen im untersten Quartil im Jahr 2000 verbleiben 2008 ber 90Prozent unterhalb des Medians der Verteilung. Entsprechend sieht es am anderen Ende der Verteilung aus. Von den Kommunen mit den hchsten Investitionen 2000 ver-bleiben auch hier 85Prozent oberhalb des Medians.

    Ein fast identisches Bild ergibt sich fr den Zeitraum 2008 zu 2013. Auch hier verbleibt der Groteil der Kom-munen in ihren Quartilen oder bewegt sich in ein be-nachbartes Quartil.

    Nur unwesentlich anders stellt sich das Bild fr die Be-trachtung des Gesamtzeitraums von 2000 zu 2013 dar. Fr einen lngeren Zeitraum ist normalerweise zu er-warten, dass die Mobilitt zwischen den Quartilen zu-nimmt. Zwar sind die Persistenzwerte hier tatschlich etwas niedriger, allerdings noch immer sehr hoch. Fr die Gesamtkreise und kreisfreien Stdte im untersten Quartil im Jahr 2000 liegen auch 14 Jahre spter noch 83Prozent der Kommunen unterhalb des Medians der Verteilung. Diese hohen Zahlen sind umso erstaunli-cher, als unsere Analysen gezeigt haben, dass ostdeut-sche Kommunen in diesem Zeitraum durch das Aus-laufen des Solidarpaktes weniger investiert haben, also eine auergewhnlich hohe Mobilitt in der Verteilung hatten. Bercksichtigt man solche Sondereffekte, drf-te die Persistenz in der Verteilung auch ber so groe Zeitrume noch einmal deutlich hher sein.

    Sozialausgaben verringern Spielraum fr Investitionen

    Wie lassen sich diese zum Teil gravierenden regionalen Unterschiede erklren? Wohin f liet das Geld, wenn kei-ne Investitionen gettigt werden? Abbildung4 weist die Haushaltsanteile der vier wichtigsten Ausgabenpunk-te in Abhngigkeit vom Finanzierungssaldo aus. Wir unterscheiden drei Gruppen von Kommunen: solche mit positivem Finanzierungssaldo (mehr als 50Euro pro Kopf im Plus), jene mit negativem Finanzierungs-saldo (mehr als 50Euro pro Kopf im Minus) und solche mit neutralem Finanzierungssaldo.

    Die Hhe der Gesamtausgaben ist in allen drei Gruppen in etwa vergleichbar. Demnach ist der Saldounterschied einnahmeseitig getrieben. Auch die Ausgaben fr Perso-nal und Sachaufwand sind anteilig vergleichbar in den jeweiligen Gruppen. Den Unterschied machen vor al-lem die Sozialausgaben aus. Finanziell gut ausgestattete Kommunen geben lediglich 24Prozent ihrer Ausgaben fr Soziales aus. Ihnen verbleiben 23Prozent fr Inves-titionen. Dagegen verbleiben den finanziell schlechter

    Abbildung 4

    Verhltnis zwischen dem Finanzierungssaldo der Kommunen und der AusgabenartAngaben in Prozent

    Personalausgaben

    Sachaufwand

    SozialausgabenInvestitionen

    30

    23

    2423

    Personalausgaben

    Sachaufwand

    Sozialausgaben

    Investitionen

    31

    25

    28

    16

    Personalausgaben

    Sachaufwand

    Sozialausgaben

    Investitionen

    29

    27

    34

    10

    Positiver Finanzierungssaldo

    Neutraler Finanzierungssaldo

    Negativer Finanzierungssaldo

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.

    DIW Berlin 2015

    Je positiver der Finanzierungssaldo, desto niedriger die Sozialausga-ben zu Gunsten der Investitionsausgaben.

  • REGIONALE DISPARITT

    1039DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    schwchsten Viertel der Investitionen lagen, rangieren auch im Jahr 2013 zu 83Prozent unterhalb des Durch-schnittes.

    Eine entscheidende Ursache dauerhaft geringer Inves-titionen liegt in den Sozialausgaben, die den Spielraum fr Investitionen verringern. Fhrt man sich vor Augen, dass hohe Sozialausgaben in jenen Kommunen anfallen, die tendenziell ohnehin wirtschaftlich schwach sind, wird die doppelte Malaise dieser Kommunen deutlich.

    Das Fundament zuknftigen Wachstums ist in den wirt-schaftlich ohnehin starken Kommunen strker als in den schwcheren Regionen. Dadurch entsteht ein sich selbst verstrkender Wachstumseffekt positiv fr die starken, aber negativ fr die schwachen Kommunen.

    Noch deutlicher wird der Zusammenhang zwischen den Zwngen der Sozialaufgaben auf der einen und den Aus-gaben fr Investitionen auf der anderen Seite bei einer Betrachtung der Korrelation zwischen den Kosten fr Unterbringung und Heizung nach SGBII (KdU) und den Investitionsausgaben (jeweils pro Einwohner). Die KdU sind unter den sozialen Ausgaben nicht nur einer der wichtigsten Ausgabepunkte (24,7Prozent der Sozialaus-gaben und dominierende Ausgabe nach dem SBGII)15, sie sind auch weitestgehend fr die einzelne Kommune nicht beeinflussbar, weil sie durch die Anzahl der Be-darfsgemeinschaften und das rtliche Preisniveau vor-gegeben sind. Abbildung5 zeigt die Hhe der KdU der einzelnen Kommunen in Relation zu ihren Investitionen. Dabei zeigt sich zwischen diesen beiden kommunalen Ausgabenposten ein deutlich negativer Zusammenhang.

    Fazit

    Das Investitionsniveau der Kommunen verluft dauer-haft auf sehr unterschiedlichem Niveau. Die Kommunen der wirtschaftsstarken Lnder Bayern und Baden-Wrt-temberg konnten ber die Jahre deutlich hhere Investi-tionen ttigen als die Kommunen in den brigen west-deutschen Lndern. Die Investitionsschwche betrifft nicht nur einzelne schwache Kommunen, sondern im Grunde ganze Lnder. Whrend der Rckgang der In-vestitionen in Ostdeutschland in gewissem Ma system-bedingt ist, ist die Investitionsschwche in Westdeutsch-land eine direkte Folge maroder Kommunalhaushalte.

    Die Lnderdurchschnitte sind jedoch nicht berall re-prsentativ. Zum Teil verbirgt sich hinter ihnen eine erhebliche Spannweite zwischen den einzelnen Kom-munen. Groe Unterschiede in den Lndern werden in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern sicht-bar. Relativ gering sind die Investitionen im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, f l-chendeckend hoch dagegen in Baden-Wrttemberg.

    Die Analyse der zeitlichen Mobilitt aller 396 kreisfrei-en Stdte und Gesamtkreise zeigt im Zeitraum 2000 bis 2013 eine hohe Stabilitt am unteren und oberen Ende der Verteilung. Jene Kommunen, die im Jahr 2000 im

    15 Vgl. Arnold, F. et al. (2015), a. a. O., 67.

    Abbildung 5

    Korrelation der Kosten der Unterkunft zu den Investitionen auf der Ebene der Gesamtkreise und kreisfreien StdteIn Euro je Einwohner

    0

    50

    100

    150

    200

    250

    300

    350

    400

    Kost

    en d

    er U

    nter

    kunf

    t pro

    Kop

    f

    0 100 200 300 400 500 600 700 800

    Investitionen pro Kopf

    Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes

    DIW Berlin 2015

    Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Hhe der Kosten der Unterkunft und den Pro-Kopf Investitionen: Je hher die KdU je Einwohner, desto niedriger sind die Pro-Kopf-Investitionen.

    Felix Arnold ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat am DIW Berlin | [email protected]

    Ronny Freier ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat am DIW Berlin und Juniorprofessor fr Wirtschaftspolitik an der Freien Universitt Berlin | [email protected]

    Ren Geissler ist Projektmanager fr Kommunale Finanzen in der Bertelsmann Stiftung

    Philipp Schrauth ist Masterstudent an der Freien Universitt Berlin

  • REGIONALE DISPARITT

    1040 DIW Wochenbericht Nr. 43.2015

    LARGE AND LASTING REGIONAL DISPARITIES IN MUNICIPAL INVESTMENTS

    Abstract: The regional dispersion of local public investment in Germany is very uneven. Even a comparison between the states shows considerable differences in gross invest-ment. Municipalities in Bavaria currently invest more than three times as much per capita as those in Mecklenburg-Western Pomerania.

    There are even greater differences between districts and independent cities, both nationwide and within the federal states. In 2013, the district of Munich invested 724 euros per inhabitant, in other words, almost 700 euros more than the independent city of Wilhelmshaven in Lower Saxony (35euros per inhabitant). There are disparities within Bavaria, too, with the independent city of Weiden spending 560euros less (160euros per inhabitant) than the district of Munich.

    Our analysis demonstrates that there have been virtually no changes in the regional dispersion of investment spending over time. Around 83percent of the wea