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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 221, S. 152--159 (1954). Aus dem Institut ffir Medizin und Bio]ogie der Deutschen Akademie der Wissen- schaften und dem Pharmakologischen Institut der Humboldt-Universit~t zu Berlin. Zur H~im-H~im-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff. Von WERNER SCHELER und FRITZ JL'N(~. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen a'm 29. Juni 1953.) ROUGHTON hatte festgestellt, dab partiell zu Meth~moglobin oxy- diertes Hamoglobin i~hnlich wie partiell CO-ges~ttigtes Hi~moglobin einen gegen '~ ~ 1 gehenden Sigmakoeffizienten besitzt: Die Sauerstoffbin- dungskurve des restlichen Hi~moglobins geht gegen eine echte Hyperbel. GIBSON und KIESE best~tigten sparer diesen Befund und wiesen auf seine Bedeutung fiir den Verlauf einer Vergiftung mit einem Meth~moglobin- bildner hin: ~hnlich wie bei einer CO-Vergiftung werde auch bei Meth~mo- globinbildung das H~moglobin zu einem welt grSl]eren Tell funktionsun- tauglich, als aus dem blockierten Anteil zu errechnen ist. -- Da CO im Blut frei diffusibel ist, die Oxydationsi~quivalente des Meth~moglobins dagegen nicht, ist dieser Schlui~ nur bedingt richtig. Schon frfiher war von uns darauf hingewiesen worden, dal~ bei Vergiftungen das ver~nderte H~moglobin nicht gleichm~l]ig fiber die Blutzellen verteilt ist. Partiell meth~moglobinhaltiges Blur kSnnte somit auch ausschliel31ich aus 100~o meth~moglobinffihrenden und aus normalen Zellen bestehen. Es sollte dann eine normale Sauerstoffbindungskurve besitzen. Im allgemeinen aber wird ein Zwischenzustand bestehen, bei dem n erniedrigt ist, jedoch nicht bis auf den aus den t~OUGHTO~schen Versuchen errechenbaren Wert. Es war somit zu belegen, dai] methi~moglobinhaltiges Blur bei gleichem Meth~moglobingehalt sehr verschiedene Werte yon n besitzen kann. Ferner hatte ROUG~TON seinerzeit vergeblich versucht, die beim Mischen yon H~moglobin undMeth~moglobin eintretende intermolekulare Umsetzung zu fassen. Eine ~nn~hernde Angabe der Geschwindigkeit dieser Umsetzung ist uns mSglich. Sie diirfte ffir den Mechanismus der Meth~moglobinrfickbildung nicht bedeutungslos sein. Methodik. H~moglobin und Meth~moglobin wurden colorimetrisch mittels der Cyanid- methode (HAvEMANN, JUNGund v. ISSEKUTZ) bestimmt. Als Mel]instrument diente ein mit Interferenzfiltern ausgestattetes lichtelektrisches Colorimeter. Die Licht- quelle war eine Autoscheinwerferlampe, deren Heizspannung stabilisiert wurde. p~-Kontrollen effolgten mittels der ScnoTrschen Glaselektrode und einem direkt

Zur Häm-Häm-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff

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Page 1: Zur Häm-Häm-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 221, S. 152--159 (1954).

Aus dem Institut ffir Medizin und Bio]ogie der Deutschen Akademie der Wissen- schaften und dem Pharmakologischen Institut der Humboldt-Universit~t zu Berlin.

Zur H~im-H~im-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff. Von

WERNER SCHELER und FRITZ JL'N(~.

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen a'm 29. Juni 1953.)

ROUGHTON hatte festgestellt, dab partiell zu Meth~moglobin oxy- diertes Hamoglobin i~hnlich wie partiell CO-ges~ttigtes Hi~moglobin einen gegen '~ ~ 1 gehenden Sigmakoeffizienten besitzt: Die Sauerstoffbin- dungskurve des restlichen Hi~moglobins geht gegen eine echte Hyperbel. GIBSON und KIESE best~tigten sparer diesen Befund und wiesen auf seine Bedeutung fiir den Verlauf einer Vergiftung mit einem Meth~moglobin- bildner hin: ~hnlich wie bei einer CO-Vergiftung werde auch bei Meth~mo- globinbildung das H~moglobin zu einem welt grSl]eren Tell funktionsun- tauglich, als aus dem blockierten Anteil zu errechnen ist. - - Da CO im Blut frei diffusibel ist, die Oxydationsi~quivalente des Meth~moglobins dagegen nicht, ist dieser Schlui~ nur bedingt richtig. Schon frfiher war von uns darauf hingewiesen worden, dal~ bei Vergiftungen das ver~nderte H~moglobin nicht gleichm~l]ig fiber die Blutzellen verteilt ist. Partiell meth~moglobinhaltiges Blur kSnnte somit auch ausschliel31ich aus 100~o meth~moglobinffihrenden und aus normalen Zellen bestehen. Es sollte dann eine normale Sauerstoffbindungskurve besitzen. Im allgemeinen aber wird ein Zwischenzustand bestehen, bei dem n erniedrigt ist, jedoch nicht bis auf den aus den t~OUGHTO~schen Versuchen errechenbaren Wert. Es war somit zu belegen, dai] methi~moglobinhaltiges Blur bei gleichem Meth~moglobingehalt sehr verschiedene Werte yon n besitzen kann.

Ferner hatte ROUG~TON seinerzeit vergeblich versucht, die beim Mischen yon H~moglobin undMeth~moglobin eintretende intermolekulare Umsetzung zu fassen. Eine ~nn~hernde Angabe der Geschwindigkeit dieser Umsetzung ist uns mSglich. Sie diirfte ffir den Mechanismus der Meth~moglobinrfickbildung nicht bedeutungslos sein.

Methodik.

H~moglobin und Meth~moglobin wurden colorimetrisch mittels der Cyanid- methode (HAvEMANN, JUNG und v. ISSEKUTZ) bestimmt. Als Mel]instrument diente ein mit Interferenzfiltern ausgestattetes lichtelektrisches Colorimeter. Die Licht- quelle war eine Autoscheinwerferlampe, deren Heizspannung stabilisiert wurde. p~-Kontrollen effolgten mittels der ScnoTrschen Glaselektrode und einem direkt

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Zur H~m-H/~m-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff. 153

anzeigenden RShrenvoltmeter (RFT). Die Gasanalysen wurden mittels einer VAN SL~rKE- und einer HALDAN~-Apparatur durehgefiihrt.

F fir die Mischversuche wurde ein besonderes zweikammeriges Tonometer gebaut. In diesem wurden H~moglobin und Meth/~moglobin bzw. die beiden Blutzellsuspen- sionen mit dem Gas durch schnelles Rotieren bei Zimmertemperatur £quilibiert (Abb. 1).

Meth~tmoglobin wurde meist intracellul/~r dureh Nitrit und anschliel3endes Aus- waschen des Nitrits gebildet. Zur Entfernung der Stromata wurde hochtourig (18000 U/min) zentrifugiert. Ein Teil der Versuche wurde mit frisehem nativem Hi~moglobin, ein weiterer Teil mit kristallisiertem Pferdeh/~moglobin durchgeffihrt.

Die Sauerstoffbindungskurven wurden jeweils auf einem Spezialpapier aufge- tragen, dessen Abszisse logarithmisch und dessen Ordinate naeh log y/lOO--y (bzw. nach log HbO2/Hb--HbOe) geteilt war. Angegeben wurden auf den Abbildungen

Abb. 1. Zweikammriges Tonometer zur ~-quilibrierung zweier LSsungen mit einer gemeinsamen Gasphase.

an der Abszisse der Logarithmus des O~-Druckes, an der Ordinate dagegen der Prozentwert an HbO 2 direkt. Die Darstellung in einem solchen Netz ffihrt zu einer AuflSsung der HILLschen Gleichung ffir die 02-Bindung des Hamoglobins, die in dem yon uns geprfiften Bereich als streng giiltig angesehen werden daft: Die loga- rithmische Teilung der Abszisse macht die unsymmetrisehe 02-Bindungskurve sym- metrisch, und die Ordinatenteilung fiihrt die um den 50% -Wert symmmetrisehe S-Kurve des semilogarithmischen Netzes in eine Gerade fiber. Deren Schnittpunkt mit der 50°/o-Linie liefert die Gleichgewichtskonstante K, ihre Steigung dagegen den Exponenten der HILLschen Gleiehung, n/~mlich den uns interessierenden Sigma- koeffizienten n. Dieses graphische Analysenverfahren wird in der Literatur wieder- holt angewandt, zuletzt etwa bei A. F. RInGs (1951).

I. Die Sauersto//bindung in methiimoglobinhaltigem Blut und Hdmolysaten.

A. Zellsuspensionen wurden durch vorsichtige Zugabe yon NaNO 2 un te r gleichzeitigem Rfihren auf etwa 75% Meth~moglobin gebracht. Das Ni t r a t wurde - - u m Wei te r reak t ion zu vermeiden - - anschl ie~end ausgewaschen. Die Zellproben zeigten den von ROUGHTON beschriebenen Effekt : Die Sauers toffbindungskurve besaB einen Sigmakoeffizienten yon n = 1,3--1,4.

B. Es wurden n u n methi~moglobinfreie Blutzel lsuspensionen (n = 2,8) mi t Suspensionen von nur Methi~moglobin bes i tzenden Zellen gemischt. Die Endkonzen t r a t i on an Methgmoglobin in der en t s t andenen Zellsus- pension be t rug wiederum 750/0 . Trotzdem ergab sich wieder ein n = 2,5,

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wie es auch zu erwarten war. - - Abb. 2 zeigt das verschiedene Verhalten der beiden Zellsuspensionen.

C. Die nach B hergestellten Zellsuspensionen wurden dutch wieder- holtes Gefrieren h~molysiert. Das H~molysat zeigte bereits nach 20 rain ein a = 1. Es mug also ziemlich schnell eine Umsetzung stattgefunden haben, die zu ,,partiell oxydierten Molekfilen" ffihrte.

D. W~hrend in den nach B hergestellten Zellgemischen auch bei l~n- gerer Aufbewahrung keine wesentliche ~nderung yon n eintritt, konnte eine solche erreicht werden, wenn den] Gemisch Methylenblau zugegeben wurde. Es ergab sich dann nach 2 Std ein n = 1,2.

7O

qO

30 - - -

2b

____/7 / /

/

J

2,a 0 0,s 7,0 1,5

Abb. 2. Sauerstoffbindungskurven yon Erythrocytensuspensionen mit etwa 75% Meth~imoglobin. Kurve A: Verteilung des Meth:,tmoglobins fiber alle Blutzellen. Kurve B: 25% normale Blutzellen neben 75% Zellen, deren H~moglobin vollst~ndig oxydiert ist. Ordinate: Prozent Oxyh~moglobin des gesamten funk6ionsfiihigen H~imoglobins. Abszisse: Sauerstoffdruck in Millimeter (logarith- misch aufgetragen). Von Bedeutung ist jeweils die Steigung, nieht der Schnittpunkt mit 50% Linie; der letztcre variiert mi t dem wechselnden PI~ des Ansatzes, wiihrend die Steigung (d. h. das

gcsuchte n) yon PK und CO~-Konzentration nicht beeinflul3t wird.

I1. Die Geschwindigkeit der ,,intermolekularen Umsetzung".

Die beiden H~molys~te der normalen und der meth~moglobinftihren- den Zellen wurden in den 2 Kammern des Tonometers ins Gasgleich- gewicht gebracht. Dann wurden sie zusammengegeben und kr~ftig weiter rotiert. In kurzen Zeitabst~nden wurden Proben entnommen und analy- siert. Die auf diese Weise erhaltenen Mel~ergebnisse sind in Abb. 3 wiedergegeben. Dieses Ergebnis kann abet nicht direkt ausgewertet werden, de, in ihm noch die Gasausgleichsgeschwindigkeiten innerhalb der Versuchsanordnung enthalten siud. Aus diesem Grunde wurde eine bestimmte Menge w~i~rige Phase in dasselbe Tonometer gebracht, 02 ein- gegeben und kurz rotiert. Wieder wurden in verschiedenen Zeitabst~nden

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Zur Hi~m-Hi~m-Wechselwirkung beim roten Blutfarbstoff. 155

Proben entnommen und analysiert. Es ergab sich, dab etwa 50% Gas- ausgleich nach 60 sec eingetreten war, weitere Werte vgl. Abb. 4. Da im Versuch selbst ein Absinken yon n u m 50% seines Gesamtabfalles (d. h.

70

50

30

'/A °/ o o,o,- /,o s,5 2,0

Abb. 3. S a u e r s t o f f b i n d u n g s k u r v e n yon Gemischen m i t 25% einer Hi imoglobinlSsung un4 75% einer M:eth~tmoglobinlSsung zu ve rsch iedenen Z e i t p u n k t e n n a c h d e m Mischen. Versuch i m gemein- s a m e n G a s r a u m . K u r v e 1 v o r d e m Mischen (Ausgangskurve ) , K u r v e 2 c twa 60 sec d a n a c h (~Iei~- p u n k t e °), K u r v e 3 e twa 100 see d a n a c h (MeBpunkte × ) und K u r v e 4 260 sec danach (MeBpunkte c).

Abszisse und Ord ina te wie Abb. 2.

go ,~e~X'tions- f ] ie ic i~- t~ ~e~ lC 'on3- : l - 1,5

70

- 1 ,9 ~ro / ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . :- ZO

3o ~ i / ~" ~e~/~,~t~f:c~gl-1oo,~t ~

,o i : 10

~ l ~ I I i I I I I I I I I I I I I I I I I ~ 0 10 20 30 ¢-0 50 60 TO 80 $0 100 110 -120 -170 -1¢,0 150 -160 110 -180 -190 200'

Abb. 4. Siehe Text . O r d i n a t e : n, d . h . S igmoidkoeff lz ien t der O2-Bindungskurve . Abszisse : Zeit nach der Mischung in Sekunden . • MeBpunkte der e igent l ichen U mse t zung . o Mel3punkte der

Gasausg le ichskurve .

auf etwa 1,9 bei Ausgangswert 2,6 und Endwert 1,3) immrhalb 80 see beobachtet wurde, kann nur die Differenz von 20 sec ein MaB ftir die Geschwindigkeit der von uns gesuchten l~eaktion sein. Solche Differen- zen wurden als ,,tatsi~chliche Reaktionszeiten" in Abb. 4 gegenfiber den verschiedenen Werten von n aufgetragen, wodurch die Kurve der ,,tat- sikchlichen Reaktionsgeschwindigkeit" erhalten wurde. Dieses Verfahren

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156 W. ScH~LER und F. Ju~G:

ist weder exakt noch korrekt; es liefert aber angen~herte Werte, wobei man annehmen darf, dal~ die Fehler der Berechnung nicht grSBer sind als die aus Abb. 4 zu entnehmenden erheblichen Fehler der Analyse selbst. - - Das Endergebnis ist daher nur ann~hernd richtig: Die Um- setzung besitzt eine Halbwertszeit yon etwa 20 sec und ist in etwa 70 see im wesentlichen abgelaufen (pH = 6,8, Temperatur = 25 ° und Hb- Konzentration = etwa 16 g/100 ml) (vgl. Abb. 4).

I I I . Die Natur der intermole]cularen Umsetzung.

1. In einem weiteren Versuch wurde die Umsetzung in Gegenwart yon HCN durchgeffihrt, wobei also Hb(3)-CN mit Hi~moglobin gemischt wird und nicht Hb(3). Es ergab sich keine Veri~nderung gegeniiber dem Versuch mit Hb(3), da sich n ebenfalls gegen 1 verschob (1,2 und 1,5 ill 2 Versuchen).

2. Es wurde nach dem von KIESE 1 angegebenen Verfahren Verdo- globin-NO2 dargestellt und mit H~moglobin gemisch¢. Eine Verschie- bung der Sigmakonstanten wurde dabei nicht festgestellt (n blieb 3).

3. Im Zusammenhang mit einer andersartigen Versuchsreihe wurden nunmehr H~moglobin un4 Meth~moglobin in einem besonderen l~eak- t ionsgef~ getrennt mit CO ins Gleichgewicht gebracht und dann beide LSsungen zusammengegeben. Der Versuch fand unter CO start, so daft Anderungen der Sigmakonstanten sich nicht ~ul~ern durften. Der Druck im Gasraum begann unmittelbar nach dem Mischen der LSsungen ab- zusinken, ein Befund, de rnur mit CO-Bindung, d. h. Reduktion des Met- h~moglobins erkl~rlich war. Der Versuch verl~uft am besten mit nativem (und dialysiertem) H~moglobin, konnte jedoch auch an kristallisiertem H~moglobin durchgeffihrt werden.

Besprechung.

A. Mit den in Abschnitt I berichteten Versuchen dfirfte belegt sein, dab partiell methgmoglobinhaltiges Blut je nach der Verteilung des Methgmoglobins auf die Zellen verschiedene physiologische Eigen- schaften besitzt. Unter ungiinstigsten Bedingungen kann daher ein Methgmoglobingehalt yon 60--70% letal sein, er braucht es jedoch nicht. Dies entspricht auch Erfahrungen im Tierversuch, in dem mitunter Werte fiber 70% lgngere Zeit ertragen werden, obwohl hierbei eine prak- tisch vollsti~ndige Transportunfahigkeit des Hgmoglobins vorliegen mfiBte.

B. Die Geschwindigkeit der intermolekularen Umsetzung war inso- fern yon Interesse, als die bekannten Daten fiber die Struktur des roten BlutkSrperchens nicht erwarten lassen, da~ das Hgmoglobin innerhalb der Zelle diffusibel ist. Iqimmt man an, dal~ die Fermentsysteme irgendwo an der Struktur lokalisiert sind, so mfissen bei der Methiimoglobinrfick-

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bildung die zur Verffigung gestellten Reduktions~quivalente irgendwie an die H~moglobinmolekfile herangebracht werden. Dies kann durch einen leicht diffusiblen Stoff oder durch Energieleitung geschehen. Der in den H~molysaten erfaBte ProzeB kSnnte ein Modell dieser Energieleitung sein.

C. Von besonderem Interesse ist die Natur der Umsetzung. Da das System H~moglobin-Meth~moglobin in Gegenwart yon Sauerstoff nicht im thermodynamischen Gleichgewicht ist, ist eine einfache Redox- reaktion Hb(3)4 <---~ Hb(2)4 zum Endprodukt Hb(2)3Hb(3 ) nicht denk- bar. Damit entfi~llt fibrigens auch die Vorstellung eines einfachen Ener- gieleitungsprozesses fiber die Fe der H~me hinweg (HAvEMAN~, mfind- liche Mitteilung). Am einfachsten wi~re der Vorgang als Folge einer Dis- soziation und Rekombination des Hi~moglobins versti~ndlich. Diese von HAVEMAN~ vorgeschlagene Deutung ist plausibe]; ein gewisses Gegen- argument ist die Tatsache, dab Verdoglobin-NO 2 nicht die F~higkeit zur Ver~nderung yon n besaB. Da im Verdoglobin-NO 2 noch die ursprfing- liche Struktur des EiweiBanteils vorliegen soll (?), mfiBte es zu einer solchen l~ekombinationsreaktion f~hig sein. Ferner erkl~rt die HAVE- MA~Nsche Deutung auch den Effekt des Methylenblaus nicht (Ab- schnitt I D), der eindeutig auf die Beteiligung yon Reduktionsvorg~ngen hinweist.

Nachdem A. F. I~IGGS fiberzeugende Befunde ffir den Zusammenhang zwischen n und den SH-Gruppen am Globin vorgelegt hat, ziehen wir zun~chst eine and_ere Deutung unserer Ergebnisse vor. Wit nehmen an, dab unter bestimmten Bedingungen das SH des Globins durch das drei- wertige Eisen des Meth~,moglobins oxydiert werden kann. Hinweise in dieser Richtung sind die Befunde SCHOLERS, die wir durch eigene Studien erg~nzt haben (JUNG). Ein direkter Beleg in dieser Richtung ist der unter I I I 3 beschriebene Versuch, bei dem auf das vSllige Fehlen yon Stoffwechselsubstraten wie Fermenten ausdrficklich hingewiesen werden muG. Hier i~uBert sich der von uns postulierte Vorgang in der Reduktion eines kleinen (!) Tells des Meth~moglobins. Berficksichtigt man nun, dab in den Versuchen ROUGRTGNS und seiner Nachahmer das Meth~moglobin in groBem UberschuB gegenfiber dem H~moglobin vorlag, so dfirfte auch dort das SH des nativen H~moglobins oxydiert worden sein. Dies w~re eine einfache Erkl~rung der Verkleinerung yon n, die ja nach RIGGS eine Folge der SH-Oxydation oder -Blockierung ist. Ffir entschieden halten wir die Frage allerdings noch nicht, da man einerseits fiber das Zusam- menspiel yon SH bzw. reduzierenden Gruppen am Protein mit dem Fe noch nicht genfigend weiB (vgl. auch LEMBERG U. LEGGE sowie GEORGE), und andererseits die Daten fiber die Sauerstoffbindung partiell oxydier- ten H~moglobins pr~ziser erscheinen als bei der Beteiligung eines so labilen Systems wie des Globin-SH wahrscheinlich wi~re. Sollte aber diese Hypothese richtig sein, so wfirden bei der ,,intermolekularen Umsetzung"

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ke ine Mischmolekf i l e en t s t ehen , s o n d e r n n u r e in k l e ine r Tei l des Met -

h/~moglobins r e d u z i e r t we rden . Dies wi i rde a u c h zu de r y o n B o E ~ I u.

VESCIA v e r t r e t e n e n A n s i c h t passen , n a c h der s t e t s n u t volls~/~ndig re-

duz i e r t e u n d o x y d i e r t e Moleki i le v o r h a n d e n sind.

Anhang. In den oben mitgeteilten Versuchen wurde es notwendig, dureh eine Schar yon

Punkten eine Ausgleichsgerade zu legen, deren Steigung das gesuchte Ergebnis dar- stellte. Die statistische Lehrbuchliteratur stellt daffir einfache Verfahren zur Ver- fiigung, deren Grundlage das GAvsssche Prinzip der kleinsten Fehlerquadrate ist. Setzt man also fiir die gesuchte Grade die Formel y = a d- bx , so wird ffir die ein- zelnen empirischen Punkte (xl,ys) entweder die Differenz (x - - xi) oder (y - - yl) gebildet und durch geeignete Wahl yon a und b die Z ( x - - xi) z bzw. Z'(y - - yi)2 zu einem Minimum gemacht. Es fiel uns auf, dab die auf diese Weise erhaltenen Aus- gleichsgeraden mitunter nicht den ,,Erwartungen" entsprechen. Tats/~ehlich sind diese Formeln nur riehtig, wenn bei den Messungen entweder die y-Werte (Wahl der Differenz [x - - xi] ) oder die x-~rerte (Wahl der Differenz [y - - Ys]) unabh/~ngige Ver/~nderliehe darstellen. Dies heil~t fiir das Experiment, dal3 sie dureh den Unter- sucher gew/~hlt und infolgedessen fehlerfrei sind. Sind aber sowohl die einzelnen x~ wie Yi das Ergebnis yon fehlerbehafteten Analysen (in unserem Beispiel Bestim- mung des O2-Druckes bzw. Gehaltes in der Gasphase einerseits und Bestimmung des Verh~ltnisses OeHb/Hb in der Blntprobe andererseits), so ist das nieht statthaft, sondern man wird diejenige Gerade suehen miissen, bei welcher der Abstand der Punkte von der Geraden das kleinste Fehlerquadrat zeigt. Die t~echnung wird da- dureh erheblich erschwert, das Ergebnis dafiir aber richtig. Der Abstand eines Punk- tes (xi, Yi) yon der Geraden y a q- b x betrggt bekanntlieh

b x i - - y~ ~- a D =

] /1 ~-b ~

Es mu~ also ffir K Punkte das Minimum ffir ~ ' D 2 gesueht werden. Hierzu werden die

partiellen Difl~rentialquotienten 0 ~ D 2 und 0 ~ D 2 gebildet mid gleich 0 ge-

setzt. Nach einer l~ngeren Reehnung folgt schlieBlich ffir b eine quadratisehe Gleichung, aus weleher sieh

1 2 2 ( Z x: - Z y:) - K- ( Z x , - X y,)

1

ergibt, a l~l]t sich dann in ~hnlicher Weise aus

~ . Y l b ~ x l a - - - -

K K

errechnen, einer Formel, die aus dem ersten der oben angeffihrten Differential- quotienten erhalten wird. - - DaB zwei sich im Schwerpunkt des Punktesystems schneidende Gerade erhalten werden, ist verstandlich.

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Die Ausgleichskurven in der vorhergehenden Arbeit wurden nach diesem Ver- fahren berechnet, nachdem ein Versueh, die iiblichen Regressionskoeffizienten bzw. Trendformeln zu gebrauchen, an den offenkundig unrichtigen Ergebnissen scheiterte. - - Bedauerlicherweise werden die Formeln ffir die Streuung yon b unhandlich. Man wird aber hier ohne weiteres als Annaherung die Streuung - - falls man sie night zahlenmaflig aufaddieren will - - des iiblichen Regressionskoeffizienten einsetzen diirfen. Die entstehenden Fehler diirften kaum erheblich sein.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Die 02-Bindungskurve par t i e l l me th~moglob inha l t i gen Blu tes is t je nach der Ver te i lung des Methamoglob ins a u f die Zellen verschieden. Sie k a n n un te r e x t r e m e n Bed ingungen no rma l sein oder die von ROUGH- TON angegebene Ve rande rung des Sigmakoeff iz ienten zeigen. I m all- gemeinen d i i r f ten jedoch weniger r eduz ie r t sein, als der ROUGHTONschen Theorie en tspr ich t .

2. Die Umse t zung zwischen H a m o g l o b i n und Methamog lob in u n t e r Verande rung der 02-Bindungskurve ver lauf t sehr rasch. I h r e Geschwin- d igke i t wurde ann~he rnd bes t immt .

3. Diese Umse t zung b r a u c h t keine einfache R e d o x r e a k t i o n u n t e r Bi ldung par t i e l l oxyd ie r t e r H~moglobinmolek i i l e zu sein, sondern k a n n auch eine Ver~nderung des Eiweil3es des zugese tz ten H~moglobins durch das Meth~moglob in (etwa O x y d a t i o n des SH) zur Ursache haben .

L i t e r a t u r .

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Prof. Dr. F. JUNG, Berlin-Buch, Lindenberger Weg 78.

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