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Page 1: Differenzialdiagnose der kindlichen Anämie

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Monatsschr Kinderheilkd 2012 · 160:395–406DOI 10.1007/s00112-012-2624-6Online publiziert: 29. März 2012© Springer-Verlag 2012

J.B. Kunz · A.E. KulozikZentrum für seltene Blutkrankheiten, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg

Differenzialdiagnose der kindlichen AnämieZusammenfassungFür die Diagnosestellung der Anämie im Kindes- und Jugendalter ist das Blutbild unter Be-rücksichtigung der altersentsprechenden Normwerte von zentraler Bedeutung. Neben Anam-nese und körperlicher Untersuchung liefert es richtungweisende Informationen zur Klassi-fizierung der Anämien, die häufig für die Differenzialdiagnose ausreichen. Erst im zweiten Schritt können gezielte, über das maschinelle Blutbild hinausreichende Laboruntersuchun-gen indiziert sein.

SchlüsselwörterAnämie · Blutbild · Hämoglobin · Mittleres Zellvolumen (MCV) · Retikulozyten

CME Zertifizierte Fortbildung

RedaktionR. Berner, DresdenB. Koletzko, MünchenW. Sperl, Salzburg

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Differential diagnosis of childhood anemia

AbstractThe diagnosis of childhood anemia requires a blood cell count with regard to the age-related refer-ence range. In addition to the medical history and physical examination, a complete blood count sup-plies information which allows a classification of the anemia and often a definitive diagnosis. Fur-ther targeted laboratory examinations beyond a mechanical blood cell count may be required in a second step.

KeywordsAnemia · Complete blood count · Hemoglobin · Mean corpuscular volume (MCV) · Reticulocytes

Lernziele

Nach Lektüre dieses BeitragsFkennen Sie die verschiedenen Differenzialdiagnosen der Anämie,Fwerden Sie in der Lage sein, anhand der Parameter des maschinellen Blutbildes eine Klassifika-

tion der Anämien vorzunehmen,Fkönnen Sie beurteilen, ob die Diagnosestellung unter Berücksichtigung von Anamnese, Klinik

und Blutbild möglich ist oder ob weiterführende Laboruntersuchungen einzuleiten sind.

Altersspezifische Normwerte und Definition der Anämie

Die Erythropoese im ersten Lebenshalbjahr ist geprägt durch den Ersatz des fetalen durch adultes Hä-moglobin. Diese Umstellung drückt sich in einer Änderung der Normwerte des roten Blutbildes aus: Neugeborene weisen in Relation zum älteren Kind eine scheinbare Polyglobulie und Makrozytose auf. In den ersten Lebensmonaten wird die Trimenonreduktion durchschritten, während welcher der untere Normbereich für Hämoglobin (Hb) im Alter von 8 Wochen unter 10 g/dl fällt.

Ab der Pubertät liegen die Hb-Normwerte bei männlichen Jugendlichen, bedingt durch den Ein-fluss der androgenen Steroide, deutlich über denen bei weiblichen Jugendlichen.

Die Anämie wird über eine Erniedrigung des Hämoglobinwerts definiert, die den altersentspre-chenden Mittelwert um mehr als 2 Standardabweichungen unterschreitet. Gemäß dieser Definition wären 2,5% der Bevölkerung anämisch. In .Tab. 1 sind altersentsprechende Normwerte für Hämo-globin, mittleres korpuskuläres Volumen (MCV) und Retikulozytenzahlen aus verschiedenen Quel-len zusammengestellt.

Epidemiologie

Die Häufigkeit verschiedener Anämieformen variiert stark, wie aus .Infobox 1, in welcher für aus-gewählte Anämieformen epidemiologische Kenngrößen zusammengestellt sind, hervorgeht. Allein die beiden in Europa häufigsten Anämieformen, die Eisenmangelanämie und die Thalassaemia minor, stellen den überwiegenden Anteil aller Anämien im Kindes- und Jugendalter. Alle weiteren Differenzialdiagnosen treten um mindestens eine Zehnerpotenz seltener auf.

Das gehäufte Auftreten der verschiedenen Anämieformen in bestimmten Ethnien und Alters-gruppen erlaubt es, die Differenzialdiagnosen nach Wahrscheinlichkeiten zu gruppieren: So treten Hämoglobinopathien und der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel fast ausschließlich bei Immigranten aus Populationen auf, die aktuell oder in der jüngeren Geschichte mit Malaria konfron-tiert wurden. Der Eisenmangel ist zwar in allen Bevölkerungsgruppen vertreten, häuft sich jedoch bei Altersgruppen, die einen erhöhten Eisenbedarf oder Eisenverluste aufweisen (Säuglinge ab etwa der Verdoppelung des Geburtsgewichts, weibliche Jugendliche).

Das Kleinkindesalter prädisponiert für mehrere erworbene Anämien: Hierunter zählen Fdie transitorische Erythroblastopenie, Fdie akute lymphoblastische Leukämie,

Die Erythropoese im ersten Lebens-halbjahr ist durch den Ersatz des  fetalen durch adultes Hämoglobin geprägt 

Bei einer Anämie liegt der Hämo-globinwert um mehr als 2 Standard-abweichungen unter dem altersent-sprechenden Mittelwert 

Das Kleinkindesalter prädisponiert für mehrere erworbene Anämien

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Fdie aplastische Krise als Erstmanifestation einer chronisch-hämolytischen Anämie und Fdas hämolytisch-urämische Syndrom (HUS).

Anamnese und körperliche Untersuchung

Beide zielen bei einem Patienten mit Anämie zunächst darauf ab, deren Schweregrad zu definieren. Hierzu geeignet sind Angaben zur körperlichen Belastbarkeit und dem zeitlichen Auftreten von Be-schwerden.

Während akute Anämien meist mit einer schwersten Einschränkung der Leistungsfähigkeit ein-hergehen, sind Patienten mit chronischer Anämie oft erstaunlich gut an den bei ihnen vorliegenden Hb-Wert angepasst. Auf der anderen Seite können beispielsweise Patienten mit zyanotischem Vitium schon bei einem geringgradig erniedrigten Hämoglobinwert kardial dekompensieren. Ein gut ob-jektivierbarer klinischer Parameter für die funktionelle Bedeutsamkeit einer Anämie, und damit zur Indikation einer Erythrozytentransfusion, ist das Ausmaß der durch sie induzierten Tachykardie.

Neben den oben genannten epidemiologischen Kriterien Alter und ethnische Zugehörig-keit kann die Anamnese weitere Hinweise auf die Differenzialdiagnosen liefern (.Tab. 2). Hier-zu zählen Komorbiditäten, beispielsweise bei der Anämie chronischer Erkrankungen, bei Malab-sorptionssyndromen oder medikamentös induzierten Anämien. Auch Ernährungsgewohnheiten und Familienanamnese können unverzichtbare Hinweise beispielsweise auf die Eisenmangelan-ämie, Vitaminmangelzustände oder hereditäre Anämien wie die Sphärozytose geben. Ein Sonder-fall liegt bei Neugeborenen vor, bei denen die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese sowie die Blutgruppenkonstellation von Mutter und Kind die häufigsten Anämieursachen aufdecken können.

Die Anamnese muss durch eine sorgfältige körperliche Untersuchung ergänzt werden. Sie liefert, über die Einschätzung des Schweregrads der Anämie hinaus, Hinweise auf Fhämolytische Anämien (Ikterus, Splenomegalie), FMangelzustände (Mundwinkelrhaghaden, trockene Haut, Neuropathien) und Fzugrunde liegende Systemerkrankungen (Lymphknotenschwellung, Blutungszeichen, Gedeih-

störung u. a.).

Bedeutung der Parameter des Blutbildes

Erster Schritt und für die Anämiediagnostik unabdingbar ist das Blutbild (.Tab. 3). Seine automa-tisierte Messung liefert neben der Erythrozyten-, der Thrombozyten- und der Leukozytenzahl auch die Erythrozytenindizes MCV, MCH („mean corpuscular hemoglobin“) und MCHC („mean corpu-

Ein gut objektivierbarer klinischer Parameter für die funktionelle Be-deutsamkeit einer Anämie ist das Ausmaß der durch sie induzierten Tachykardie

Tab. 1  Hämatologische Normwerte. (Aus [8, 13, 15, 16])

Alter Hämoglobin (g/dl)a

Mittelwert/2,5. Perzentile MCV (fl)a

Mittelwert/95%-RIRetikulozytenb (109/l)Mittelwert/95%-RI

1. Lebenswoche 19,3/15,4 109,6/101–119 212/97–316

14 Tage 16,6/13,4 105,3/88–122

1 Monat 13,9/10,7 101,3/91–111

2 Monate 11,2/9,4 94,8/84–105

4 Monate 12,2/10,3 86,7/76–97 46/25–82

6 Monate 12,6/11,1 76,3/68–84 45/25–82

9 Monate 12,7/11,4 77,7/70–86 47/29–77

12 Monate 12,7/11,3 77,7/71–85 51/27–96

1 bis 2 Jahre 12,0/10,5 79,5/69–87

3 bis 5 Jahre 12,4/10,9 82,0/72–89 49/26–89

6 bis 8 Jahre 12,9/11,3 83,3/75–90 49/26–89

9 bis 11 Jahre 13,2/11,7 84,0/75–91 49/26–89

  Mädchen Jungen Mädchen Jungen  

12 bis 14 Jahre 13,3/11,3 14,1/12,0 86,2/76–93 85,3/77–92 49/26–89

15 bis 19 Jahre 13,2/11,2 15,1/13,1 87,8/78–97 88,3/81–96 49/26–89MCV mittleres korpuskuläres Volumen, RI „reference interval“ aHämoglobin und MCV: im Säuglingsalter [13], für das Alter > 12 Monate [8] bRetikulozyten: 1. Lebenswoche, Retikulozyten im ersten Lebensjahr [15]; Alter > 3 Jahre [16]

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scular hemoglobin count“), abgeleitet daraus Hämatokrit und Hämoglobinkonzentration. Da Letz-tere die Sauerstofftransportkapazität des Blutes am besten wiedergibt, wird sie für die Definition der Anämie herangezogen.

Anhand der Erythrozytenindizes MCV und MCH wird eine Anämie als mikro-, normo- oder makrozytär bzw. als hypo- oder normochrom klassifiziert. Diese Einteilung ist Grundlage der mor-phologischen Klassifizierung von Anämien, die zahlreichen Algorithmen zur Anämiediagnostik zugrunde liegt (.Abb. 1). Das MCH ist bei der Mehrzahl der Anämien mit dem MCV korreliert, d. h. eine mikrozytäre Anämie entspricht einer hypochromen Anämie. Dementsprechend bleibt das MCHC als Quotient aus MCH und MCV bei vielen Veränderungen des roten Blutbildes konstant. Ausnahmen sind ein erhöhtes MCHC beim Vorliegen von Sphärozyten und ein erniedrigtes MCHC bei (beginnenden) hypochromen Mangelanämien, bei denen sich das MCH früher und stärker als das MCV vermindert.

Die Erythrozytenverteilungsbreite („red cell distribution width“, RDW) wird von automatisier-ten Blutbildanalysatoren als Maß der Erythrozytenanisozytose angegeben. Sie ist bei Anämien mit Anisozytose, typischerweise der Eisenmangelanämie, aber auch beim Vorliegen einer Retikulozytose , beispielsweise bei hämolytischen Anämien, erhöht.

Die Retikulozytenzahl ergänzt die Klassifikation von Anämien, da sie als direktes Maß für die Leis-tung der Erythropoese die Unterscheidung einer Bildungsstörung (hyporegeneratorische Anämie) von einem erhöhten Erythrozytenverbrauch (hyperregeneratorische Anämie) erlaubt. Im Gegen-satz zur Angabe des prozentualen Anteils von Retikulozyten an der Erythrozytenzahl ist die Angabe der Retikulozyten in absoluten Zahlen pro Volumeneinheit (µl) als direktere Messgröße der Kno-chenmarkleistung anzusehen, aber auch sie muss zum Grad einer Anämie in Beziehung gesetzt wer-den, um eine inadäquate Erythrozytenproduktion erkennen zu können.

Da die Hämoglobinkonzentration die Sauerstofftransportkapazität des Blutes am besten wiedergibt, wird sie für die Definition der Anä-mie herangezogen

Die Retikulozytenzahl ist ein direk-tes Maß für die Leistung der Ery-thropoese 

Infobox 1 Ausgewählte epidemiologische Daten häufiger und seltener Anämie-formen

Obwohl die genannten Daten mit unterschiedlichen Methoden in unterschiedlichen Populationen erhoben und teilweise verschiedene Kennzahlen angegeben wurden, verdeutlichen sie exemplarisch die Bandbreite der Häu-figkeit des Auftretens wichtiger Anämieformen. Für zahlreiche der seltenen Anämien gibt es keine verlässliche Schätzung der Häufigkeit.

Eisenmangelanämie [4]

FPrävalenz in den USA bei 1- bis 2-Jährigen um 30.000/1.000.000

Hämoglobinopathien [11]

FGeschätzte Prävalenz der heterozygoten Merkmalsträger unter Immigranten in Deutschland 50.000/1.000.000

FGeschätzte Prävalenz Erkrankter unter Immigranten in Deutschland 600/1.000.000

Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel [3]

FPrävalenz im tropischen Westafrika bis zu 250.000/1.000.000

Sphärozytose [7]

FPrävalenz 200/1.000.000 in Nordeuropa

Leukämien [9]

FInzidenz 55/1.000.000 bei Kindern und Jugendlichen

Transitorische Erythroblastopenie [14]

FInzidenz 43/1.000.000 bei Kindern < 3 Jahre

Anämie bei hämolytisch-urämischem Syndrom [12]

FInzidenz 30/1.000.000 bei Kleinkindern

Diamond-Blackfan-Anämie [2]

FInzidenz 5/1.000.000 Säuglinge

Schwere aplastische Anämie [9]

FInzidenz 2,4/1.000.000 bei Kindern und Jugendlichen

Autoimmunhämolytische Anämie [1]

FInzidenz 2/1.000.000 bei Kindern und Jugendlichen

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Neben der Beurteilung der Erythropoese über die Messung der Retikulozytenzahl erlauben auch die Leukozyten-, Granulozyten- und Thrombozytenzahlen Aussagen über die Knochenmarkleistung insgesamt. Das Vorliegen einer Di- oder gar Panzytopenie ist stets suspekt auf ein Knochenmarkver-sagen und indiziert in der Regel die Beurteilung der Knochenmarkzytologie.

Algorithmus zur Basisdiagnostik bei Anämie

Basierend auf den oben genannten Informationen aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und Blut-bild kann beurteilt werden, ob eine Anämie vorliegt und wie bedrohlich diese ist. Erster Schritt zur Diag-nosestellung ist die Entscheidung, ob es sich um eine mikro-, normo- oder makrozytäre Anämie handelt.

Mikrozytäre Anämien

Sie sind stets auch hypochrom und zeichnen sich dadurch aus, dass die Erythrozyten nicht ausrei-chend mit Hämoglobin gefüllt werden und zu klein bleiben (.Tab. 4). Ursachen der unzureichen-den Hämoglobinsynthese in Erythrozyten können Störungen Fdes Eiseneinbaus (Eisenmangel, Anämie bei chronischer Erkrankung, sideroblastische Anämie), Fder Globinsynthese (Hämoglobinopathien) oder Fder Hämsynthese (Bleivergiftung)

sein.

Das Vorliegen einer Di- oder Pan-zytopenie ist stets suspekt auf ein Knochenmarkversagen und indi-ziert die Beurteilung der Knochen-markzytologie

Tab. 2  Anamnestische Hinweise zur Anämiediagnostik

Alter Neugeborenes Der Icterus prolongatus kann auf angeborene hämolytische Anämien (u. a. Sphärozytose und Enzymopathien) oder auf eine antikörpervermittelte Hämolyse bei Blutgruppen-inkompatibilität hinweisen.

Weitere häufige Ursachen der Anämien in diesem Alter sind Blutverluste und Infektionen.

Ab dem Alter von 6 Monaten Manifestation von Hämoglobinopathien mit Veränderungen des β-Globins (u. a. β-Thalass-ämien, Sichelzellerkrankung)

Ältere Säuglinge/Kleinkinder Eisenmangel tritt am häufigsten bei älteren Säuglingen und Kleinkindern, bei Frühgebore-nen meist ab der Verdoppelung des Geburtsgewichts auf.Ein 2. Häufigkeitsgipfel findet sich bei Mädchen nach der Menarche.

Kleinkindesalter Leukämien

Transitorische Erythroblastopenie

Ethnische Zugehörigkeit

Mit dem Auftreten von Malaria assoziiert Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel

Thalassämien

Sichelzellerkrankung

Mittel- und nordeuropäische Bevölkerung Gehäuftes Auftreten der Sphärozytose

Ernährung Fleischarm Eisenmangel

Vegan Selten Mangel an Vitamin B12

Genuss von Favabohnen Hämolytische Krisen (Favismus) bei Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel

Medikamente Medikamenteninduzierte hämolytische Krisen bei Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel

Spezifische Nebenwirkungen von u. a. Zytostatika und Virostatika

Tab. 3  Basisdiagnostik: Blutbild

Parameter des Blutbildes Bedeutung

Hb, Hkt, Erythrozytenzahl Diagnose Anämie

MCV, MCH Unterscheidung mikro-, normo- und makrozytär

RDW Quantifizierung einer AnisozytoseUnterscheidung Eisenmangel/Thalassaemia minor

Erythrozytenmorphologie Spezifisches Erscheinungsbild bei u.a. Hämoglobinopathien und Membranopathien

Retikulozyten Unterscheidung hypo- von hyperregeneratorischer Anämie

Leukozyten, Differenzialblutbild Hinweise auf Infektion, leukämische Infiltration und Knochenmarkversagen

Thrombozyten Hinweis auf Knochenmarkversagen und mikroangiopathische AnämienHb Hämoglobin, Hkt Hämatokrit, MCV „mean corpuscular volume“, MCH „mean corpuscular hemoglobin“, RDW „red cell distri-bution width“

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Die in Mitteleuropa häufigste Diagnose aus dieser Gruppe ist die alimentäre Eisenmangelan-ämie, die meist aus der Kombination aus erhöhtem Bedarf und unzureichender Eisenzufuhr über die Nahrung resultiert. Bei der klassischen Anamnese genügt das Blutbild mit mikrozytärer, anisozytä-rer und hyporegeneratorischer Anämie, um eine perorale Eisensubstitution zu beginnen. Die Diag-nose findet ihre Bestätigung in einer kurzfristigen Folgeuntersuchung, die einen adäquaten Anstieg der Retikulozytenzahl und konsekutiv auch des Hb-Werts zeigt. Allerdings muss trotz der Häufigkeit und scheinbaren Banalität des Eisenmangels stets nach dessen Ursache (chronische Blutung, Malab-sorption) gesucht werden. Bei manifestem Eisenmangel sollte die Eisensubstitution bis zur Normali-sierung des Hb, des MCV und des Ferritins, mindestens aber für 3 Monate fortgeführt werden. Da-durch soll eine ausreichende Füllung der Eisenspeicher erreicht werden.

Eine erst in den letzten Jahren molekular definierte Gruppe von hereditären Eisenmangelan-ämien ist die „iron refractory iron deficiency anemia“ (IRIDA). Bei dieser wird durch eine genetisch bedingte supraphysiologische Wirkung des die Eisenhomöostase regulierenden Peptids Hepcidin die enterale Eisenaufnahme verhindert. Betroffene Patienten präsentieren sich mit dem Bild einer schwe-ren Eisenmangelanämie, die auf enterale (und auch parenterale) Eisengaben nicht anspricht. Muta-tionen im TMPRSS6-Gen sind eine mittlerweile gut definierte Ursache für die IRIDA [6].

Liegt aufgrund der Herkunft des Patienten mit mikrozytärer Anämie der Verdacht auf eine Tha-lassaemia minor nahe, kann die Abgrenzung zum Eisenmangel über die RDW gelingen: Diese ist beim Eisenmangel erhöht, bei der Thalassaemia minor normal. Wie bei allen vermuteten hereditären Anämien sollte mittels eines Blutbildes beider Eltern deren Überträgerstatus geklärt werden. Dies ist nicht nur für die Diagnosestellung, sondern auch für eine humangenetische Beratung von Relevanz.

Auch die Thalassaemia intermedia/major ist mikrozytär, aufgrund des charakteristischen klini-schen Bildes mit Gedeihstörung, Hepatosplenomegalie und Hämolyse sowie letztlich durch die Hb-Elektrophorese und Molekulargenetik lässt sie sich aber ohne Schwierigkeiten abgrenzen.

Die übrigen mikrozytären Anämien werden entweder über den klinischen Kontext (Anämie bei chronischer Erkrankung) diagnostiziert oder sind so selten, dass sie bei den differenzialdiagnosti-schen Erwägungen erst in zweiter Linie in Betracht gezogen werden (sideroblastische Anämie, Blei-vergiftung).

Trotz der Häufigkeit und schein-baren Banalität des Eisenmangels muss stets nach dessen Ursache  gesucht werden

Die Erythrozytenverteilungsbreite  ist beim Eisenmangel erhöht, bei der Thalassaemia minor normal 

Tab. 4  Mikrozytäre Anämien

Differenzialdiagnose Bestätigung der Diagnose

Eisenmangelanämie Nachweis von Blutverlusten oder verminderter EisenaufnahmeRetikulozyten- und Hb-Anstieg 3 bis 7 Tage nach Beginn der EisensubstitutionFerritin, Transferrinsättigung, Zinkprotoporphyrin

Thalassämien Familienanamnese, Blutbild der ElternHb-Elektrophorese, HPLCMolekulargenetik (v. a. bei α-Thalassämie)Bei Transfusionsbedürftigkeit (Hb< 9 g/dl) und typischen klinischen Zeichen: Thalassaemia intermedia/major, sonst Thalassaemia minor

Hämoglobinopathien ErythrozytenmorphologieHämolysezeichenHb-Elektrophorese, HPLCMolekulargenetik

Chronische Erkrankung Ferritin nicht erniedrigtIdentifizierung der zugrunde liegenden Erkrankung

Selten

Mangelernährung Anthropometrie

Bleivergiftung Blei im VollblutErythrozytenprotoporphyrinδ-Aminolävulinat und Koproporphyrin III im Urin

Sideroblastische An-ämien

Nachweis von Ringsideroblasten im Knochenmark (Eisenfärbung)Medikamentenanamnese (Isoniazid, Chloramphenicol …)Genetik (eALAS, Ferrochelatase u. a.)

IRIDA [6] Refraktärität gegen orale Eisensubstitution bei guter ComplianceEisenresorptionstest, parenterale Eisensubstitution (nur teilweiser Erfolg)Molekulargenetik: TMPRSS6

eALAS „erythroid 5-aminolevulinate synthase“, Hb Hämoglobin, HPLC „high pressure liquid chromatography“, IRIDA „iron refractory iron deficiency anemia“

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Normozytäre Anämien

Sie umfassen zahlreiche Diagnosen unterschiedlicher Ätiologie, die sich über die Retikulozytenzahl in hypo- und hyperregeneratorische Anämien einteilen lassen (.Tab. 5, 6).

Normozytäre hyporegeneratorische AnämienMehrere der Diagnosen (akute Blutung, Schwangerschaftsanämie, Mangelernährung, chronische Er-krankung, renale Anämie) sind oft schon aus der Anamnese unschwer zu diagnostizieren. Eine re-lativ häufige Differenzialdiagnose ist das Knochenmarkversagen aufgrund einer Leukämie. Aus die-sem Grund müssen bei einer hyporegeneratorischen Anämie stets das Differenzialblutbild auf das Vorhandensein leukämischer Blasten und auf weitere Anzeichen einer Knochenmarkinsuffizienz überprüft und ggf. eine Knochenmarkzytologie gewonnen werden.

Eine der häufigsten Ursachen einer Anämie im Kindesalter sind virale und seltener bakterielle Infektionen. Schätzungen zufolge fällt der Hb-Wert während einer aktiven Entzündung um etwa 13% pro Woche. Bei einer leichtgradigen Anämie (Hb> 9 g/dl) mit klinischem Nachweis einer Infektion bei gutem Allgemeinzustand kann es ausreichen, das Blutbild im Abstand von 2 bis 4 Wochen zu kontrollieren.

Die aplastische Krise durch Parvovirus B19 bei chronisch-hämolytischen Anämien kann Erstma-nifestation einer solchen sein und zu einem potenziell lebensbedrohlich schnellen Hb-Abfall führen. Patienten mit bekannter hämolytischer Anämie (Sphärozytose, Sichelzellerkrankung u. a.) sollten auf diese Gefahr hingewiesen werden. Durch engmaschige Blutbildkontrollen und ggf. eine recht-zeitige Transfusion kann die Dauer bis zur Erholung der Erythropoese nach 1 bis 2 Wochen über-brückt werden. Da die aplastische Krise in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch Parvovi-rus B19 verursacht wird und die Infektion eine Immunität hinterlässt, besteht nur eine sehr geringe Rezidivgefahr. Zu beachten ist das Risiko eines Hydrops fetalis bei Feten exponierter Schwangeren.

Eine ausschließlich im Kleinkindesalter auftretende hyporegeneratorische Anämie ist die transi-torische Erythroblastopenie des Kindesalters, die gelegentlich nur retrospektiv von der kongenitalen Diamond-Blackfan-Anämie abgegrenzt werden kann.

Normozytäre hyperregeneratorische AnämienIn diese Kategorie fallen, abgesehen von der 3 bis 7 Tage nach einer akuten Blutung einsetzenden Reti-kulozytose, die hämolytischen Anämien. Sie werden laborchemisch durch die Erhöhung des Serum-bilirubins und die Verminderung des Haptoglobins, bei intravasaler Hämolyse mit erhöhter Lak-

Eine relativ häufige Differenzialdia-gnose bei hyporegeneratorischen Anämien ist das Knochenmarkver-sagen durch eine Leukämie

Die aplastische Krise durch Parvo-virus B19 bei chronisch-hämolyti-scher Anämie kann Erstmanifesta-tion einer solchen sein 

Hb < altersentsprechender unterer Normwert

MCVverringert

MCVnormal

MCVerhöht

Eisenmangel α-/ß-ThalassämieAnämie chronischer Erkrankung(Tab. 4)

Retikulozyten erhöht

Retikulozyten verringert

(Auto)immunhämolyse(Tab. 6)

Coombs positiv Coombs negativ

AngeboreneMembrandefekteEnzymopathien

HämoglobinopathienErworben

mikroangiopathischtoxisch

(Tab. 6)

Akute BlutungAplastische Krise durch ParvoB19 bei hämo- lytischer AnämieTransitorische Erythro- blastopenieKnochenmarksversagen bei Leukämie, aplas- tischer Anämie o.ä.Renale Anämie(Tab. 5)

B12-/Folsäure-MangelMyelodysplastisches Syndrom, aplastische AnämieOrotacidurieMedikamentös(Tab. 7)cave:RetikulozytoseNeugeborene

Abb. 1 8 Algorithmus zur Anämiediagnostik, B12 Vitamin B12, Hb Hämoglobin, MCV „mean corpuscular volume“, ParvoB19 Parvovirus B19

401Monatsschrift Kinderheilkunde 4 · 2012  | 

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tatdehydrogenase und freiem Hämoglobin in Serum, charakterisiert. Mit Hilfe des Coombs-Tests, also des Nachweises von gegen Erythrozyten gerichteten Antikörpern, kann eine (Auto)immunhä-molyse sensitiv gegen die häufigeren, nicht immunologischen Hämolyseformen abgegrenzt werden.

Die in Mittel- und Nordeuropa häufigste Form der Hämolyse ist die meist autosomal-dominant, seltener autosomal-rezessiv vererbte Sphärozytose. Sie kann sich, wie auch andere angeborene hämo-lytische Anämien, als prolongierter Neugeborenenikterus manifestieren oder auch während des spä-teren Lebens. Zugrunde liegen Mutationen in Genen, die für Bestandteile des erythrozytären Memb-ranskeletts, wie Ankyrin oder Spektrin, kodieren. Die Abgrenzung gegenüber der Gruppe der nicht sphärozytischen chronisch-hämolytischen Anämien kann, wie auch die Differenzialdiagnose inner-halb derselben (Stomatozytose, Elliptozytose, Pyropoikilozytose, Xerozytose, Enzymopathien u. a.), schwierig sein und die Methodik eines Speziallabors erfordern.

Mikroangiopathisch bedingte hämolytische Anämien gehen oft mit einer Thrombozytopenie und v. a. einer schweren Krankheit einher.

Makrozytäre Anämien

Sie sind im Kindesalter wesentlich seltener als die mikro- und normozytären Anämien. Häufig weisen sie auf eine profunde Störung der Gesamthämatopoese hin. Gemeinsame pathogenetische Grund-lage der makrozytären, meist hyporegeneratorischen Anämien ist eine Störung der Zellteilung, im klassischen Fall durch Störung der DNA-Synthese und -Methylierung bei Vitamin-B12- oder Fol-säuremangel. Diese Fehlfunktionen können durch Medikamente, besonders Zyto- und Virosta-tika, nachgeahmt werden (.Tab. 7). Insbesondere wenn im Blutbild weitere Zytopenien vorlie-gen, die auf eine aplastische Anämie oder ein myelodysplastisches Syndrom hinweisen können, ist eine Knochenmarkdiagnostik indiziert.

Die bei Erwachsenen in mittel- und nordeuropäischen Populationen häufige autoimmun vermit-telte perniziöse Anämie mit Vitamin-B12-Mangel tritt bei Kindern und Jugendlichen nur ganz ver-

Die in Mittel- und Nordeuropa häu-figste Form der Hämolyse ist die Sphärozytose

Makrozytäre Anämien weisen häu-fig auf eine profunde Störung der Gesamthämatopoese hin

Tab. 5  Hyporegeneratorische normozytäre Anämien

Differenzialdiagnose Bestätigung der Diagnose

Akute Blutung Nachweis der Blutungsquelle

(Beginnende) Eisen-mangelanämie

Erhöhte RDWNiedriges FerritinAnsprechen auf Eisensubstitution bei alimentärer Ursache

Infektbedingte Anämie Klinische und laborchemische Zeichen einer akuten viralen oder bakteriellen InfektionKontrollblutbild ohne weiteren Anlass nach 3 Wochen

Parvovirus-B19-Infek-tion bei hämolytischer Anämie

Nachweis der zugrunde liegenden chronischen hämolytischen AnämieParvovirus-B19-Direktnachweis/SerologieRiesenproerythroblasten im KnochenmarkRetikulozytose nach 7 bis 14 Tagen

Transitorische Erythro-blastopenie des Kindesalters

Auftreten im KleinkindesalterAusschluss anderer AnämieursachenAusschluss assoziierter FehlbildungenKnochenmarkzytologie (erst bei ausbleibender Remission indiziert): isoliertes Fehlen der roten ReiheSpontane Remission mit Retikulozytose innerhalb meist < 8 Wochen

Diamond-Blackfan-Anämie

Auftreten im SäuglingsalterAusschluss anderer AnämieursachenGgf. assoziierte Symptome: Fazies, Kleinwuchs u. a.Ggf. erhöhtes HbF, MakrozytoseKnochenmarkzytologie: isoliertes Fehlen der roten ReiheAnhaltende Transfusionsbedürftigkeit

Knochenmarkversagen bei Leukämie, aplasti-scher Anämie u. a.

Meist Panzytopenie und oft im Blutausstrich nachweisbare leukämische BlastenKnochenmarkzytologie

Chronische Erkrankung Ferritin nicht erniedrigtIdentifizierung der zugrunde liegenden Erkrankung

Renale Anämie Erhöhte RetentionsparameterHbF fetales Hämoblobin, RDW „red cell distribution width“

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einzelt auf. Allerdings können gestillte Kinder von Müttern mit Vitamin-B12-Mangel außer einer Anämie auch schwere, irreversible neurologische Schäden erleiden. Diese Säuglinge fallen oft nicht über die Anämie, sondern über eine Gedeihstörung und verzögerte Entwicklung auf. Ältere Kin-der leiden selten unter einem alimentär bedingten Vitamin-B12-Mangel, häufiger sind Malabsorp-tionszustände im Rahmen chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen oder nach Resektion des terminalen Ileums. Auch angeborene Defekte des Vitamin-B12-Transports und -Stoffwechsels wie das Imerslund-Gräsbeck-Syndrom müssen bei nachgewiesenem Vitamin-B12-Mangel in Betracht gezogen werden.

Patienten mit Trisomie 21 haben auch ohne Anämie ein höheres MCV als ihre Altersgenossen. Diese Makrozytose stellt an sich keinen Krankheitswert dar, kann aber einen Eisenmangel verschleiern [5].

Fazit für die Praxis

FDie Anämie ist im Kindes- und Jugendalter die wahrscheinlich häufigste Veränderung des Blutbildes. FNeben einer sorgfältigen Anamnese und körperlichen Untersuchung führt die Beurteilung des 

Blutbildes inklusive Erythrozytenindizes und Retikulozyten anhand des dargestellten Algorithmus in der Mehrzahl der Fälle zur Diagnose oder kann die Differenzialdiagnosen stark eingrenzen. 

FIn unklaren Fällen kann eine gezielt eingesetzte weiterführende Diagnostik Klärung erbringen.

Gestillte Kinder von Müttern mit  Vitamin-B12-Mangel können außer einer Anämie auch schwere, irre-versible neurologische Schäden  erleiden 

Die Makrozytose bei Patienten mit Trisomie 21 hat an sich keinen Krankheitswert, kann aber einen Eisenmangel verschleiern

Tab. 6  Hämolytische (hyperregeneratorische) Anämien

Differenzialdiagnose Bestätigung der Diagnose

Coombs-Test negativ

Membrandefekte Erythrozytenmorphologie: u. a. KugelzellenElliptozyten

Testung der osmotischen Resistenz

Verminderte Färbung mit Eosin-5-Maleimid [10]

Hämoglobinopathien Erythrozytenmorphologie SichelzellenTargetzellenEinschlusskörper

Hämolysezeichen

Hb-Elektrophorese

HPLC

Ggf. Molekulargenetik

Enzymopathien Anamnese bezüglich FavismusGlukose-6-Phosphat-AktivitätPanel weiterer erythrozytärer Enzyme (Pyruvatkinase u. a.)

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

FACS-Nachweis eines GPI-defizienten Zellklons

Toxisch Anamnestisch Insekten- oder Skorpionstiche, Spinnen- oder Schlangenbisse

Mikroangiopathisch Meist mit Thrombozytopenie und Fragmentozyten vergesellschaftet

HUS DiarrhöNierenversagenNeurologische SymptomeTypischerweise Nachweis des Shigatoxins

TTP (Medikamenten)anamneseKomorbiditätenADAMTS13-Aktivität

Kasabach-Merritt-Syndrom Nachweis eines (großen) Hämangioms

Mechanisch Nach Herzklappenersatz

Coombs-Test positiv

Autoimmun Nachweis der Antikörperklasse und -spezifitätAssoziierte Symptome bei sekundärer autoimmunhämolytischer Anämie

Immun Blutgruppeninkompatibilität zwischen Neonat und MutterNach Organ-/Stammzelltransplantation als „passenger lymphocyte syndrome“

ADAMTS13 „a disintegrin and metalloproteinase with a thrombospondin type 1 motif, member 13“, FACS „fluorescence activated cell sorting“, GPI „glycosylphosphatidyl inositol“, Hb Hämoblobin, HPLC „high pressure liquid chromatography“, HUS hämolytisch-urämisches Syndrom, TTP thrombotisch thrombozytopene Purpura

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Korrespondenzadresse

Dr. J.B. KunzZentrum für seltene Blutkrankheiten, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 430, 69120 [email protected]

Danksagung. Die Autoren danken der Dietmar Hopp Stiftung für die finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

Tab. 7  Makrozytäre Anämien

Differenzialdiagnose Bestätigung der Diagnose

Medikamentös-toxisch Medikamentenanamnese: u. a. Methotrexat, Hydroxyurea, Zidovudin, Azathioprin

Aplastische Anämie Knochenmarkzytologie und Stanzbiopsie

MDS Knochenmarkzytologie und StanzbiopsieZytogenetik

Folsäure- und Vitamin-B12-Mangel

Methylmalonsäure und Homocystein im Plasma erhöhtVitamin B12 im Serum, Folat in Erythrozyten erniedrigt

Hypothyreose Schilddrüsenhormone

Leberkrankheit Leberenzyme und Lebersyntheseparameter

Dyserythropoetische Anämien Knochenmarkzytologie

Down-Syndrom Klinische Stigmata

Orotazidurie Orotsäure im UrinMDS myelodysplastisches Syndrom

1. Aladjidi N, for the Centre de Référen-ce National des Cytopénies Auto-im-munes de l’Enfant (CEREVANCE) et al (2011) New insights into childhood autoimmune hemolytic anemia: a French national observational stu-dy of 265 children. Haematologica 96(5):655–663

2. Ball SE, McGuckin CP, Jenkins G, Gor-don-Smith EC (1996) Diamond-Blackfan anaemia in the U.K.: analy-sis of 80 cases from a 20 year birth cohort. Br J Haematol 94(4):645–653

3. Cappellini MD, Fiorelli G (2008) Glu-cose-6-phosphate dehydrogenase deficiency. Lancet 371:64–74

4. Centers for Disease Control and Pre-vention (2002) Iron deficiency: Uni-ted States, 1999–2000. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 51:897–899

5. Dixon NE, Crissman BG, Smith PB et al (2010) Prevalence of iron deficien-cy in children with Down syndrome. J Pediatr 157(6):967–971

6. Finberg KE, Heeney MW, Campa-gna DR et al (2008) Mutations in TMPRSS6 cause iron-refractory iron deficiency anemia (IRIDA). Nat Genet 40(5):569–571

7. Gallagher PG, Forget BG, Lux SE (1998) Disorders of the erythrocyte membrane. In: Nathan DG, Orkin SH (Hrsg) Nathan and Oski’s hematolo-gy in infancy and childhood, 5. Aufl. Saunders, Philadelphia, Kapitel 16

8. Hollowell JG, Van Assendelft OW, Gunter EW et al (2005) Hematolo-gical and iron-related analytes – re-ference data for persons aged 1 ye-ar and over: United States, 1988–94. National Center for Health Statistics. Vital Health Stat 11(247):1–156

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10. King MJ, Behrens J, Rogers C et al (2000) Rapid flow cytometric test for the diagnosis of membrane cyto-skeleton-associated haemolytic ana-emia. Br J Haematol 111(3):924–933

11. Kohne E (2011) Hemoglobinopat-hies: clinical manifestations, diagno-sis, and treatment. Dtsch Arztebl Int 108(31–32):532–540

12. Proesmans W (2002) Hämolytisch-urämisches Syndrom. In: Schärer K, Mehls O (Hrsg) Pädiatrische Neph-rologie. Springer, Berlin Heidelberg New York, Kapitel 28

13. Saarinen UM, Siimes MA (1978) De-velopmental changes in red blood cell counts and indices of infants af-ter exclusion of iron deficiency by laboratory criteria and continu-ous iron supplementation. J Pediatr 92(3):412–416

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15. Takala TI, Mäkelä E, Suominen P et al (2010) Blood cell and iron status analytes of preterm and full-term in-fants from 20 weeks onwards during the first year of life. Clin Chem Lab Med 48(9):1295–1301

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 ?Bei welchem der folgenden Patienten liegt eine Anämie vor?

Neugeborenes mit Hb von 13,0 g/dl am zweiten Lebenstag

14-jährige Jugendliche mit Hb von 11,3 g/dl

8 Wochen alter Säugling mit Hb von 9,5 g/dl

Kindergartenkind mit Hb von 11,0 g/dl Grundschüler mit Hb von 11,7 g/dl

 ?Welches Alter bei Erstdiagnose ist nicht typisch für die genannte Anämieform?

Eisenmangelanämie bei 10 Monate altem Säugling

β-Thalassaemia major bei 7 Monate altem Säugling

Akute lymphoblastische Leukämie beim Kindergartenkind

Transitorische Erythroblastopenie beim Jugendlichen

Hämolytisch-urämisches Syndrom beim Kleinkind

 ?In welcher der folgenden Situationen ist die Gewinnung einer Knochenmarkzyto-logie indiziert?

Hb von 5 g/dl, Retikulozyten 1‰, bekannte Sphärozytose

Hb von 8,8 g/dl, Retikulozyten 2‰, Neutropenie 300/µl

Hb 6 g/dl, Retikulozyten 55‰, Nachweis von Fragmentozyten, Thrombozyten 40/nl

Hb 8,2 g/dl, Retikulozyten 8‰, Patient an Hämodialyse

Hb 9,1 g/dl vor Transfusion bei Patient mit Thalassaemia major, Leukopenie 3700/µl, Thrombopenie 105/nl, Splenomegalie

 ?Welcher der genannten Parameter des Blutbildes variiert zwischen verschie-denen Anämieformen am wenigsten und spielt deshalb für die Diagnose von  Anämien die geringste Rolle?

MCV RDW Retikulozyten MCHC Erythrozytenmorphologie

 ?Welche der folgenden Informationen dient nicht der Unterscheidung zwi-schen Eisenmangelanämie und Thalas-saemia minor?

Retikulozytenzahl RDW Blutbild der Eltern Ethnische Zugehörigkeit Anstieg des Hb-Werts unter Eisensubstitu-

tion

 ?Für die Häufigkeit welcher der folgenden Anämien spielt die ethnische Zugehörig-keit die geringste Rolle?

Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel

Sichelzellerkrankung β-Thalassämie Eisenmangelanämie Sphärozytose

 ?Welche der folgenden Anämien kommt bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland am seltensten vor?

Sphärozytose Autoimmunhämolytische Anämie Thalassaemia minor Akute lymphoblastische Leukämie Eisenmangelanämie

 ?Welche der genannten Patientengrup-pen hat das geringste Risiko, an einer  Eisenmangelanämie zu erkranken?

Voll gestillte Säuglinge Weibliche Jugendliche nach der Menarche Vegetarisch ernährte Kinder Patienten mit Thalassämie Patienten mit Zöliakie

 ?Welche der genannten Diagnosen ist bei einem Neugeborenen mit Anämie am wenigsten wahrscheinlich?

Perinataler Blutverlust Akute Leukämie Sphärozytose Blutgruppeninkompatibilität zwischen

Mutter und Kind Infektion

 ?Wodurch kann ein fehlender Retikulozy-ten- und Hb-Anstieg unter Eisensubsti-tution beim Kleinkind mit mikrozytärer  Anämie nicht erklärt werden?

Fehlende Compliance Vorliegen einer chronischen Entzündung Vorliegen einer Mutation des TMPRSS6-

Gens (IRIDA) Vorliegen einer unentdeckten Darm-

erkrankung mit Malabsorption Komedikation von Vitamin C durch die

Eltern des Patienten

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405Monatsschrift Kinderheilkunde 4 · 2012  | 

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Bitte beachten Sie: F Teilnahme nur online unter:

springermedizin.de/eAkademieF Die Frage-Antwort-Kombinationen werden on-

line individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich.

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