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Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 13, 2013 Transatlantische Reichsbildung und Herrschaftspraxis: Spanien und Mexiko zwischen Kaisertum, Territorialisierung und nationaler Eigenständigkeit (1521–1824). Eine Problemskizze HORST PIETSCHMANN * Die Geschichte Neuspaniens begann im Zeichen des universalen Kaiser- tums Karls V. (1519) und endete in Spanien mit dem von Napoleon 1807 be- stätigten Anspruch König Karls IV. auf den Titel „Kaiser von Amerika“, den der Franzose nach Siegen gegen Österreich und Preußen 1808 mit Abset- zung der spanischen Bourbonen und der Proklamation von Joseph Bon- aparte zum spanischen König kassierte. Das im Rahmen einer „translatio imperii“-Idee seit dem 17. Jahrhundert entwickelte, an Cortés und das Az- tekenreich anknüpfende genuin mexikanische Kaisertum Agustíns I. (1822/ 23) erreichte zwar den Konsens für die Unabhängigkeit Mexikos, aber keine dauerhafte politische Anerkennung. Zwischenzeitlich kontrollierte ein spa- nischer Vizekönig in Mexiko-Stadt ein Herrschaftsgebiet, das große Teile der Karibik, Floridas, des südwestlichen Nordamerika, Mexikos, Mittelame- rikas, pazifische Inselgruppen und die Philippinen umfaßte. Ausgehend von einer Analyse neuester Forschungen, die herkömmliche geschichtliche Deu- tungen der Rolle von indigener Bevölkerung, Chronologie, Herrschaft und der räumlichen Gegebenheiten sprengen, soll das Vorhaben die doppelte imperiale Dimension dieses Prozesses in zeitgenössischen Diskursen und deren realpolitische Konsequenzen untersuchen. Dabei wird von der Hypo- these ausgegangen, daß aus dem Zusammenwirken von Kirche, indigenen Eliten, kreolischem Adel und Ressourcenkontrolle Mexiko zu einer Metro- pole mit eigener Identität („Jungfrau von Guadalupe“), indirekter Kontrolle des Raumes und wenig entwickelter staatlich-administrativer Struktur von imperialer Dimension wurde. Die Krone der stagnierenden Großmacht Spanien legitimierte die Herrschaft über diesen ausgedehnten Raum, bis dessen Streben nach Gleichrangigkeit mit den europäischen Mächten Ende * Vf. dankt Frau Isa Jacobi M.A. und Herrn David de la Cruz M.A. für ihre Hilfe bei der Er- stellung nachfolgenden Textes.

Transatlantische Reichsbildung und Herrschaftspraxis: Spanien und Mexiko zwischen Kaisertum, Territorialisierung und nationaler Eigenständigkeit (1531 - 1824). Eine Problemskizze

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Transatlantische Reichsbildung und Herrschaftspraxis: Spanien und Mexiko zwischen Kaisertum, Territorialisierung

und nationaler Eigenständigkeit (1521–1824). Eine Problemskizze

HORST PIETSCHMANN*

Die Geschichte Neuspaniens begann im Zeichen des universalen Kaiser-tums Karls V. (1519) und endete in Spanien mit dem von Napoleon 1807 be-stätigten Anspruch König Karls IV. auf den Titel „Kaiser von Amerika“, den der Franzose nach Siegen gegen Österreich und Preußen 1808 mit Abset-zung der spanischen Bourbonen und der Proklamation von Joseph Bon-aparte zum spanischen König kassierte. Das im Rahmen einer „translatio imperii“-Idee seit dem 17. Jahrhundert entwickelte, an Cortés und das Az-tekenreich anknüpfende genuin mexikanische Kaisertum Agustíns I. (1822/23) erreichte zwar den Konsens für die Unabhängigkeit Mexikos, aber keine dauerhafte politische Anerkennung. Zwischenzeitlich kontrollierte ein spa-nischer Vizekönig in Mexiko-Stadt ein Herrschaftsgebiet, das große Teile der Karibik, Floridas, des südwestlichen Nordamerika, Mexikos, Mittelame-rikas, pazifische Inselgruppen und die Philippinen umfaßte. Ausgehend von einer Analyse neuester Forschungen, die herkömmliche geschichtliche Deu-tungen der Rolle von indigener Bevölkerung, Chronologie, Herrschaft und der räumlichen Gegebenheiten sprengen, soll das Vorhaben die doppelte imperiale Dimension dieses Prozesses in zeitgenössischen Diskursen und deren realpolitische Konsequenzen untersuchen. Dabei wird von der Hypo-these ausgegangen, daß aus dem Zusammenwirken von Kirche, indigenen Eliten, kreolischem Adel und Ressourcenkontrolle Mexiko zu einer Metro-pole mit eigener Identität („Jungfrau von Guadalupe“), indirekter Kontrolle des Raumes und wenig entwickelter staatlich-administrativer Struktur von imperialer Dimension wurde. Die Krone der stagnierenden Großmacht Spanien legitimierte die Herrschaft über diesen ausgedehnten Raum, bis dessen Streben nach Gleichrangigkeit mit den europäischen Mächten Ende

* Vf. dankt Frau Isa Jacobi M.A. und Herrn David de la Cruz M.A. für ihre Hilfe bei der Er-stellung nachfolgenden Textes.

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des 18. Jahrhunderts zum Kollaps der transatlantischen Reichsbildung führte und die Einzelteile zu einem verspäteten Nationsbildungsprozeßzwang.

I

Von den sich nach dem Zweiten Weltkrieg rasch entwickelnden Historio-graphien zu den außereuropäischen Großregionen Afrika, Asien und Ame-rika, die heute gemeinhin den area studies zugeordnet werden, hat die Ge-schichte Lateinamerikas eine besondere Entwicklung genommen. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Staaten Lateinamerikas auf eine nationa-le Geschichte in den während der Kolonialzeit entwickelten und während der Unabhängigkeitsepoche nach dem uti possidetis-Prinzip fixierten Gren-zen1 konzentriert, innerhalb derer die jeweilige koloniale Vorgeschichte in regionaler Verengung behandelt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg öffne-ten sie sich zusammen mit der europäischen Historiographie für die voreu-ropäische und die Kolonialgeschichte in breiter regionaler Perspektive, wie sie in den USA schon nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war. Dies do-kumentiert die älteste Fachzeitschrift dieser Richtung schon mit ihrem Namen: die 1916/17 in Durham N.C. gegründete The Hispanic Historical Review. Danach haben die auf Initiative der USA um 1948 gegründeten In-stitutionen der Vereinten Nationen (UNO) mit ihrer Unterorganisation der UNESCO2 und die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS/OEA)3

1 Dazu Jörg FISCH, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Domestizierung einer Il-lusion, München 2010, S. 82ff.; Christiane SIMMLER, Das uti possidetis-Prinzip. Zur Grenzziehung zwischen neu entstandenen Staaten, Berlin 1999. – Die Verträge von Ma-drid, 1750, und San Ildefonso, 1777, zwischen Spanien und Portugal zur Fixierung ihrer jeweiligen Grenzen in Amerika und ein 1790 zwischen England und Spanien getroffenes Abkommen über den Nootka-Sund gelten als Vorläufer dieses Prinzips, bevor seit 1810 die neuen lateinamerikanischen Staaten ihre Außengrenzen dementsprechend festlegten und das Prinzip später in Dekolonisationsprozessen allgemein Anwendung fand.

2 Deren „Commission Internationale des Sciences Historiques“ mit ihren nationalen Ver-tretungen organisierte die alle fünf Jahre stattfindenden „Internationalen Historikerkon-gresse“. In deren Rahmen wurde bereits zwischen 1950 und 1955 das Konzept einer „at-lantischen Geschichte“ diskutiert, welches damals nicht prosperierte, wie schon Karl Dietrich ERDMANN, Die Ökumene der Historiker. Geschichte der Internationalen Histori-kerkongresse und das Comité International des Sciences Historiques, Göttingen 1987, S. 315, feststellte. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in den 1990er Jahren erlebte es eine Renaissance und breitere Akzeptanz beiderseits des Atlantiks. Die UNESCO för-derte und betrieb zudem in den 1970er Jahren ein Programm zur Erstellung von Archiv-führern zu den in nationalen europäischen Archiven erhaltenen Quellen zur Geschichte Lateinamerikas, die hier nicht aufgeführt werden können. Genereller dazu Nicolas CAN-

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Einfluß auf die wissenschaftliche Entwicklung genommen. Parallel dazu hat sich die europäische Forschung schrittweise, in unterschiedlicher fachlicher Ausrichtung intensiv der Geschichte Lateinamerikas unter dem neuen Oberbegriff „europäische Expansion“ anstelle von „Zeitalter der Entdek-kungen und Eroberungen“ zugewandt. „Geschichte Lateinamerikas“ als ein international betriebenes Forschungsfeld entstand mithin als „Kolonialge-schichte“. Von dieser aus wurden die vorspanische – ursprünglich den Ethnodisziplinen zugeordnete – Geschichte und die – als Geschichte der neuen Nationen verstandene – nachunabhängige Geschichtsepoche der la-teinamerikanischen Staatenwelt in integrierter Perspektive erschlossen.

Diese Verbindung zur internationalen Politik ist bislang noch nicht sy-stematisch untersucht worden, wird bei näherem Hinsehen aber rasch er-kennbar. Der konkrete Einfluß der die politischen Einflüsse kanalisieren-den Institutionen, UNESCO und OAS/OEA, ist daher nur im Einzelfall zu belegen, generell markieren aber damit verbundene Anlässe gewisse Trend-wenden zu zentralen Problemen der Historiographieentwicklung seit ca. 1950. Die Rolle der OAS/OEA bei der Schaffung von wissenschaftlichen In-stitutionen, Zeitschriften, der Förderung von Hilfsmitteln, der Archiver-schließung und der Finanzierung von Gesamtdarstellungen in und zu (La-tein-)Amerika ist jedoch konkreter erkennbar, wie auch deren Tendenz,stärker das genuin Amerikanische zu betonen. Weniger direkt nachweisbar sind die Impulse, die von der Historischen Kommission der UNESCO aus-gingen, die zudem stets mehr regionenübergreifende Bestrebungen verfolg-te. Dies verdeutlichen die von ihr organisierten Archivführer zu den die Re-

NY, Atlantic History and Global History, in: Renate PIEPER / Peer SCHMIDT (Hrsg.), Latin America and the Atlantic World, Köln / Weimar / Wien 2005, S. 25-34; William O’REIL-LY, The Atlantic World and Germany: A Consideration, in: Ebd., S. 35-56; Andreas ECKERT, Atlantic History and the Black Atlantic, in: Ebd., S. 57-64.

3 Deren Gliedorganisation, das Instituto Panamericano de Geografía e Historia, edierte mit der Revista de Historia de América die erste Fachzeitschrift mit gesamtamerikanischer Perspektive überhaupt und konzipierte bereits zu Beginn der 1950er Jahre ein „Progra-ma de historia de América“, d.h ein Programm zur Erarbeitung einer Geschichte des amerikanischen Kontinents, das im Zuge der zunehmenden Nord-Süd-Konfrontation nicht die beabsichtigte Bedeutung erlangte, da die USA, mit Kanada im Gefolge, sich als Vormacht der „entwickelten“ Staaten konstitutierten, während die Staaten des amerika-nischen Südens sich zunehmend als Entwicklungsländer in Abhängigkeit vom Norden verstanden. Mit der Escuela Interamericana de Archivos in Córdoba/Argentinien und deren Zeitschrift Boletín Interamericano de Archivos unter Leitung des aus Kroatien stammenden Dr. Aurelio Tanodi leistete die OAS/OEA zudem wichtige Entwicklungsar-beit im Bereich der Professionalisierung des lateinamerikanischen Archivwesens, vgl. Departamento de Asuntos Culturales, Secretaría General. Organización de los Estados Americanos (ed.), De Archivos y archivistas. Homenaje a Aurelio Tanodi, Washington 1987.

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gion betreffenden Quellen in europäischen Archiven und die Übersichts-darstellungen zur Geschichte Lateinamerikas und der Karibik seit den 1980er Jahren. Mit Hilfe beider Einrichtungen wurde der internationale wissenschaftliche Diskurs unter Lateinamerikanern selbst, aber auch der zwischen Europäern, Angloamerikanern und lateinamerikanischen Histori-kern befördert.4 Die großen, von internationalen Autorenteams verfassten und heute vorliegenden Übersichtsdarstellungen zur Geschichte Latein-amerikas wurden in den 1980er Jahren, als der Demokratisierungsprozeß in der Region eingesetzt hatte, konzipiert und z. T. schon publiziert. Von diesen entstammen drei Werke – Initiativen der UNESCO bzw. der OAS/OEA und resümieren trotz aller Verschiedenheit der Konzeptionen den damals erreichten Forschungsstand.5

4 Zu Chile, wo Ende der 1950er Jahre eines der ersten regionalgeschichtlichen Zentren entstand, vgl. die weit gespannte Korrespondenz in: Epistolario de Rolando Mellafe Ro-jas. Selección y notas María Teresa González P. Fuentes para la Historia de la República, Bd. XXV, Santiago 2005; für Mexiko sei auf den Pionier der OAS/OEA-Historiographie Silvio Zavala verwiesen, der 2009 seinen 100. Geburtstag feierte, vgl. Andrés LIRA, Silvio Zavala, una jornada anterior, in: Historia Mexicana LXI/1, 2011, S. 275-288. Die 1950 gegründete Zeitschrift mit ihrem Anspruch, ein Forum der Geschichte des ehemaligen Vizekönigreichs Neuspanien in seiner Ausdehnung von den Kleinen Antillen bis zu den Philippinen zu sein, ist Teil dieser Entwicklung.

5 Dies gilt z. B. für die Cambridge History of Latin America, 12 Bde., 1984ff., inzwischen nachgedruckt und übersetzt; die Historia General de América Latina, 10 Bde. Madrid u.a. 1999ff. der UNESCO mit ihrer besonders langen Vorlaufzeit und breitem internationalen Autorenstab; die 7 Bde. der General History of The Caribbean, Paris / London 1997ff. der UNESCO wurde ebenfalls von Autoren aus Amerika und Europa verfaßt; dagegen sinddie seit Beginn der 1980er Jahre erschienenen 33 Bde. der von dem Büro Asuntos Cultu-rales der OEA/OAS und deren Comisión de Historia del Instituto Panamericano de Geo-grafía e Historia gemeinsam mit der Academia Nacional de la Historia de Venezuela edierten Historia General de América, die sich in die drei Abteilungen Período Indígena, Período Colonial und Período Nacional gliedert, so gut wie ausschließlich von kontinen-talamerikanischen Historikern/innen verfaßt worden; das vom Verlag Klett-Cotta her-ausgegebene und geförderte dreibändige Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Stuttgart 1991–1996 wurde von einer der Vereinigung Europäischer Lateinamerika-Historiker angehörigen Autorengruppe verfaßt, da es vor der Generalisierung des Inter-net konzipiert wurde. Die von Enrique Dussel und der von ihm mitbegründeten, befrei-ungstheologisch inspirierten Vereinigung der lateinamerikanischen Kirchenhistoriker CEHILA edierte neunbändige Kirchengeschichte Historia General de la Iglesia en Améri-ca Latina, Salamanca 1981ff., wurde von einem internationalen Autorengremium mit überwiegend theologischer Bildung publiziert, um nur die seit den 1980er Jahren er-schienenen Serien mit internationaler Autorenschaft zu nennen, denen später bei den Universitätsverlagen in Cambridge/UK und Oxford/UK Übersichtswerke wie die 6 Bände der „General History of the Native Peoples of the Americas“ mit internationaler Autor-schaft folgten. In Spanien erschienen dagegen vielbändige Übersichtswerke unter dem Titel „Historia General de España y América“ oder nur auf Amerika bezogene Werke von

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Mitte der 1980er Jahre fungierten beide Institutionen erneut als Ver-stärker gegenläufiger Forschungstendenzen. Der Internationale Historiker-kongreß 1985 in Stuttgart befaßte sich mit dem Schwerpunktthema der „Begegnung mit dem Fremden“. Dies wurde vor allem für die europäische und angloamerikanische Expansionsforschung zu einem prägenden Thema mit Bezug zu den indigenen Völkern außerhalb Europas und löste Diskus-sionen aus, die später in verschiedene kulturhistorische Fragestellungen mündeten. Dazu gehörte auch die Erforschung europäischer Reisebeschrei-bungen und von deren Bildlichkeit, die als Druck oder Fronitispiz diese Li-teraturgattung begleiteten und oft zur Illustrierung europäischer Gewalttä-tigkeit benutzt wurden.6 Für den vorliegenden Zusammenhang ist die dis-kurstheoretischen Ansätzen folgende und auf Pocock und Skinner in Cam-bridge7 zurückgehende, literaturwissenschaftlich beeinflußte Umdeutung des „spanischen Kolonialreichs“ zu einem „Imperium“8 zentral. Diese Be-grifflichkeit setzte sich in den 1990er Jahren in zahlreichen Varianten

ausschließlich spanischen oder spanischsprachigen Autoren, oftmals in der Tradition der Hispanitäts-Idee seit dem 19. Jahrhundert, die in Spanien bis heute ihre Verfechter hat. Die jüngsten Debatten um das von der Real Academia de la Historia edierte biographi-sche Lexikon mit seiner Verharmlosung der Franco-Epoche ließen dies ebenso deutlich werden, wie die z.T. andauernde Ächtung des Begriffs „Lateinamerika“ oder der häufige Begriff „mundo hispánico“.

6 Anknüpfend an den Literaturwissenschaftler Tzvetan TODOROV, La conquête de l’Améri-que – la question de l’autre, Paris 1982, ein Werk, das, weithin übersetzt, einen größeren Erfolg hatte, als jede historische Publikation und wohl auch 1985 die Themenfixierung für den Internationalen Historikerkongreß beeinflußte, hat der Franzose Jean-Paul DU-VIOLS die Problematik strenger historisch angegangen: Ders., L’Amérique espagnole vue et rêvée: les livres de voyages de Christophe Colomb à Bougainville, Paris 1985; ders. /Annie Molonié-Bertrand, La violence en Espagne et en Amérique (XVIe à XIXe siècles). Actes du colloque Les raisons du plus fort, Paris 1997; ders., Le miroir du Noueveau Monde. Images primitives de l’Amérique, Paris 2006; neben vielen, wenig originellen Publikationen mit „Vermittlungscharakter“ ist aus der deutschen Forschung dazu die kunsthistorische Studie von Anna GREVE, Die Konstruktion Amerikas. Bilderpolitik in den Grands Voyages aus der Werkstatt de Bry, Köln / Weimar / Wien 2004, zu erwäh-nen.

7 Quentin SKINNER, Visionen des Politischen, hrsg. und mit einem Nachwort v. Marion HEINZ / Martin RUEHL, Frankfurt/Main 2009, insbesondere das Nachwort, S. 253-286.

8 Wesentlich dazu die Arbeiten von Anthony PAGDEN, Spanish Imperialism and the Politi-cal Imagination. Studies in European and Spanish-American Social and Political Theory 1513–1830, New Haven / London 1990; ders., European Encounters with the New World. From Renaissance to Romanticism, New Haven / London 1993; ders., Lords of all the World. Ideologies of Empire in Spain, Britain and France c.1500–c.1800, New Haven / London 1995; alle auch in deutscher Übersetzung; bald danach in stärker europäischer Ausrichtung Jonathan I. ISRAEL, Conflicts of Empires. Spain, the Low Countries and the Struggle for World Supremacy 1585–1713, London / Rio Grande 1997.

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durch. Inzwischen bezieht sich diese Empire- bzw. Imperio-Begrifflichkeit teils auf Spanien und Hispanoamerika, teils auf England, Frankreich oder Portugal oder generell auf „atlantische Imperien“ oder spezielle Aspekte wie „Black Atlantic“, wie eine von Cambridge University Press aufgelegte „Em-pire-Reihe“ erkennen läßt.9 Dabei wurde in den seltensten Fällen der Ver-such einer Definition zur Bestimmung des „Imperialen“ gemacht, bevor jüngst Imperien in breiterem Zusammenhang auch theoretisch diskutiert wurden.10

Ebenfalls 1985 vereinbarten die auf Anregung der OAS/OEA gegründe-ten nationalen Kommissionen der amerikanischen Staaten zur Vorberei-tung des 500. Jubiläums der Fahrt des Kolumbus 1992 ein gemeinsames wissenschaftlich-kulturelles Programm. Dabei wurde ein von der mexikani-schen Delegation unter Leitung des Historikers Miguel León Portilla, Spe-zialist der mesoamerikanischen Kulturen und der Phase des Kulturkontakts nach 1492, vorgelegter Resolutionsentwurf gebilligt11, der eine weniger eu-

9 http://cup.msgfocus.com/q/14qTj013MRK0cO/wv , konsultiert am 5.10.2010, die web-site, inzwischen nicht mehr verfügbar, mit der die Reihe 2010 von Cambridge University Press verbilligt abverkauft wurde.

10 Lange nach Shmuel N. EISENSTADT, The Political Systems of Empires, London 1963, folg-ten schließlich Jürgen OSTERHAMMEL, Jenseits der Orthodoxie. Imperium, Raum, Herr-schaft und Kultur als Dimensionen von Imperialismustheorie, in: Periplus. Jahrbuch für außereuropäische Geschichte 5, 1995, S. 119-131; ders., Imperien, in Gunilla BUDDE u.a. (Hrsg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien. Festschrift für Jürgen Kocka, Göttingen 2006, S. 56-67; David ARMITAGE (ed.), Theories of Empire, 1450 –1800, Brookfield 1998; James MULDOON, Empire and Order: the Concept of Empi-re, 800–1800, Basingstoke / New York 1999; Waltraud SCHREIBER (Hrsg.), Vom Imperi-um Romanum zum Global Village. „Globalisierungen“ im Spiegel der Geschichte, Neu-ried 2000; Susan E. ALCOCK / Terence N. D’ALTROY / Kathleen D. MORRISON / Carla M. SINOPOLI, Empires. Perspectives from Archaeology and History, Cambridge u.a. 2001; Linda COLLEY, What is Imperial History now?, in: David CANNADINE (ed.), What is His-tory now?, Basingstoke 2001, S. 132-147; Manuel LUCENA GIRALDO (coord.), Las tinieblas de la memoria. Una revisión de los imperios en la Edad Moderna. Debate y Perspectivas,Madrid 2002; Herfried MÜNKLER, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005 (TB Reinbek bei Hamburg 2007); Ralph BOLLMANN, Lob des Imperiums. Der Untergang Roms und die Zukunft des We-stens, Berlin 2006; Daniel HILDEBRAND, Imperialismus der Ströme statt Imperialismus der Räume? Überlegungen zum Bedeutungswandel der Raumdimension imperialer Herrschaft, in: Rüdiger VOIG (Hrsg.), Großraumdenken. Carl Schmitts Kategorie der Großraumordnung, Stuttgart 2008, S. 207-220; speziell zu Spanien Arndt BRENDECKE, Non sufficit orbis. Konzeptionen spanischer Weltherrschaft im 16. Jahrhundert, in: Ge-schichte in Wissenschaft und Unterricht 58, 2007, S. 236-251, um Beispiele dieser neuenLiteraturgattung anzuführen.

11 Vgl. den Text der Erklärung in: Jochen MEIßNER / Horst PIETSCHMANN, Dokument zum Thema, in: Periplus. Jahrbuch für Außereuropäische Geschichte 8, 1999, S. 82-96.

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rozentrische Begrifflichkeit für den durch Kolumbus ausgelösten histori-schen Prozeß vorschlug. Mit der Begründung, die indigene Bevölkerung Amerikas sei nicht nur „Opfer“ der Europäer gewesen, sondern habe eine Rolle als historische Akteure gespielt, wurde vorgeschlagen, die überkom-mene Begrifflichkeit „europäische Expansion“ oder „Entdeckung und Er-oberung“ durch den Begriff „encuentro de culturas“ bzw. dessen sprachliche Äquivalenzen zu ersetzen. Die OAS/OEA übernahm generell diesen Begriff, so daß nunmehr alle halbwegs offiziellen Druckerzeugnisse nicht mehr in erster Linie „500 Jahren Kolumbus“ titelten, sondern „500 años encuentro de culturas“ oder „Quincentennary Encounter …“. Allein die sprachlichen Äquivalenzen verursachten z.B. in Deutschland heftige Debatten, da man hier überwiegend „encuentro“ mit dem positiv besetzten Begriff „Begeg-nung“, übersetzte und die Doppeldeutigkeit im Spanischen übersah, die ebenso mit „Zusammenprall“, „Zusammentreffen“ oder „Zusammenstoß“, also mit militärischer Konnotation, übersetzt werden kann. Das Problem der Kontextualisierung, nicht nur in historischer, sondern auch in philolo-gischer Hinsicht, erwies sich als Problem. Dies betrifft ebenfalls den hier re-levanten Begriff „Imperium“ und sein deutsches Äquivalent „Reich“. Neben den begrifflichen Deutungsproblemen löste auch der Umstand scharfe De-batten aus, daß viele indigene Gesellschaften, vor allem in der Karibik, die-ses „Zusammentreffen“ nicht überlebten.12 In den Ländern mit aktuell gro-ßen indigenen Bevölkerungsanteilen begünstigte dieser neue Diskurs sehr unterschiedliche Entwicklungen. Während er z.B. in Perú zeitweise die re-volutionäre Bewegung des „Leuchtenden Pfades“ („Sendero Luminoso“) begünstigt zu haben scheint13, führte er in Mexiko zu einer intensivierten Forschung über die Rolle der indigenen Bevölkerung im Zuge der spani-schen Landnahme. Diese führte zur Aufwertung der Bedeutung der azteki-schen Eliten im Prozeß der spanischen Landnahme, während für das erwie-sene Schrumpfen der indigenen Bevölkerungszahlen nun vor allem die ein-geschleppten Krankheiten verantwortlich gemacht wurden. In der neuesten Historiographie wird nun die Rolle der indigenen Hilfstruppen der Spanier bei der Eroberung betont, ja, sogar davon gesprochen, daß Spanien im 16. Jahrhundert in Mexiko nur eine indirekte Herrschaft, vergleichbar dem

12 Noch immer werden in dieser Region 500-Jahr-Feiern im Gefolge des Kolumbus-Jubiläums durchgeführt, wie aktuell z. B. in Puerto Rico und Panamá.

13 Zur Chronologie der Bewegung Sebastian CHÁVEZ WURM, Der Leuchtende Pfad in Peru (1970–1993). Erfolgsbedingungen eines revolutionären Projekts. Lateinamerikanische Forschungen, Köln / Weimar / Wien 2011, S. 17. – Inzwischen sind mit Verzögerung ge-genüber dem skizzierten Beispiel Mexiko in der Forschung zu Perus indigener Bevölke-rung ähnliche Tendenzen zu beobachten.

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„indirect rule“ der Engländer in Indien, ausübte14, da die Vizekönige bis Ende des 16. Jahrhunderts nur mit Hilfe der indigenen Eliten regieren konnten und indigene Experten bei den administrativen Prozessen der Er-richtung der spanischen Herrschaft Hilfsdienste leisteten.15 In Europa, den USA und mit einer gewissen Verzögerung in Mexiko hatte dieses Jubiläum die breitere Rezeption von kolonialzeitlicher Kunst, vielfach in Gegenüber-stellung zu europäischen Bildtraditionen zum Phänomen „Amerika“ zur Folge, wie allein die zahlreichen Ausstellungskataloge mit ihren Aufsatztei-len dokumentieren.16 Da in dieser Tradition viele Gemälde erstmals breiter zugänglich wurden, die durchaus in imperialer Hinsicht interpretiert wer-den können, ist der „Imperialdiskurs“ zu einer breiteren Strömung auch in der Kunst- und Literaturgeschichte geworden. Es ist offenkundig, daß sich vor diesem Hintergrund die Frage nach dem Imperium jenseits aller Dis-kurse auch bezüglich der politisch-historischen Realitäten stellt.

Relativ wenig sind zwei andere historiographische Strömungen von den genannten Entwicklungen berührt worden. Dies gilt zunächst für die von Eroberern und Angehörigen der indigenen Eliten verfaßten Berichte, die meist pauschal und unscharf als „Chroniken“ bezeichnet werden17. James

14 Bernardo GARCÍA MARTÍNEZ, Encomenderos españoles y British Residents. El sistema de dominio indirecto desde la perspectiva novohispana, in: Historia Mexicana LX/4, 2011, S. 1915–1978; Brian P. OWENSBY, Pacto entre rey lejano y súbditos indígenas. Justicia, le-galidad y política en Nueva España, siglo XVII, in: Ebd. LXI/1, 2011, S. 59-106; ders., Empire of Law and Indian Justice in Colonial Mexico, Stanford 2008; L. E. MATTHEW /M. OUDIJK (eds.), Indian Conquistadors. Indigenous Allies in the Conquest of Meso-america, Norman/Oklahoma 2007; D. TANCK DE ESTRADA, Atlas ilustrado de los pueblos de Indios. Nueva España 1800, México 2005 (mit Kartenmaterial, das die numerische Bedeutung der von der Krone mit Selbstverwaltungsrechten ausgestatteten Dörfer der indigenen Bevölkerung am Vorabend der Unabhängigkeit dokumentiert). Dazu sei auf die Fallstudie Wiebke VON DEYLEN, Ländliches Wirtschaftsleben im spätkolonialen Mexi-ko. Eine mikrohistorische Studie in einem multiethnischen Distrikt: Cholula 1750–1810,Hamburg 2003, verwiesen (Cholula besaß die Rechte einer indigenen Stadt); aus anderer Perspektive dazu Arij OUWENEEL, Shadows over Anáhuac. An Ecological Interpretation of Crisis and Development in Central Mexico 1730–1800, Albuquerque 1996.

15 Lara SEMBOLONI, La construcción de la autoridad virreinal en Nueva España, 1535–1595,2 vols.; noch unveröffentlichte Dissertation, betreut von Andrés Lira Gonalez, die am 6.11.2007 am El Colegio de México verteidigt wurde und zur Veröffentlichung vorbereitet wird. Vf.in ist derzeit Professorin an der Universität Siena/Italien.

16 Wegen des historischen Bezugs zum frühen Amerika besonders bedeutsam: America. Bride of the Sun. 500 years Latin America and the Low Countries. 1.2.–31.3.92, Royal Museum of Fine Arts Antwerp, Gent 1991. Vgl. die Übersicht zu dem Katalogmaterial in: Walther L. BERNECKER / Horst PIETSCHMANN, Geschichte Spaniens. Von der frühen Neu-zeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 42005, S. 483-486.

17 Zu den indigenen Chroniken vgl. José Ruben ROMERO-GALVÁN (coord.), Historiografía novohispana de tradición indígena (= Historiografía Mexicana, coord. general Juan A.

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Lockhart, der bereits in den 1970er Jahren über die Eroberer Perus die bis-lang wichtigsten Arbeiten vorlegte, publizierte lange nach Charles Gibson zwei grundlegende Bücher über die Nahua-Bevölkerung nach der Erobe-rung18, während Bernard Grunberg die bislang gründlichste Untersuchung über die spanischen Eroberer Mexikos vorlegte.19 Die Quellenliteratur, die meist unter dem Begriff „Chronistik“ gefasst wird, ist zwar in Spanien in ei-ner schier endlosen Serie populärer Veröffentlichungen breit popularisiert worden, aber weder deren gründliche kritische Untersuchung noch das Wissen um deren Verfasser, deren Quellen und der Textüberlieferung hat bis ca. 2000 nennenswerte Fortschritte gemacht. Zwar wurde der Begriff „edición crítica“ weithin benutzt, aber das Fehlen einer philologisch-histori-schen Editionstradition konnte damit nicht verschleiert werden.20 Die erste in der deutschen Tradition publizierte Edition erarbeitete an der Universi-tät Köln der Philologe Barbón Rodríguez mit seiner monumentalen Edition zu Bernal Díaz del Castillo, mit der der alte Mythos vom „Bericht des einfa-chen Soldaten der spanischen Conquista“ widerlegt wurde.21 2007, zum 500jährigen Jubiläum Martin Waldseemüllers, veröffentlichte dann dersel-be León Portilla, der 1985 die mexikanische OAS-Initiative formuliert hatte, die einzige neuere komplette, kritische Edition von Waldseemüllers Cos-mographiae Introductio.22 Die beste Übersicht der zur Gattung der Chro-

ORTEGA Y MEDINA / Rosa CAMELO, vol. 1), México 2003; zu den spanischen Berichten An-gel DELGADO-GÓMEZ, Spanish Historical Writing about the New World 1493–1700, Pro-vidence, R.I. 1992.

18 James LOCKHART, Nahuas and Spaniards. Postconquest Central Mexican History and Philology, Stanford 1991; ders.,The Nahuas after Conquest. A Social and Cultural History of the Indians of Central Mexico, Sixteenth through Eighteenth Century, Stanford 1992; Charles GIBSON, The Aztecs under Spanish Rule. A History of the Indians of the Valley of Mexico, 1519–1810, Stanford 1964.

19 Bernard Grunberg, L’Univers des Conquistadores. Les hommes et leur conquête dans le Mexique du XVIe siècle, Paris 1993.

20 Die Editionen von Carmelo Sáenz de Santa María zu Pedro de Cieza y León oder zu Ber-nal Díaz del Castillo werden ungeachtet des Anspruchs und des anspruchsvollen Reihen-namens „Monumenta Hispano – Indiana. V Centenario del Descubrimiento de América“ diesem vor allem in philologischer Hinsicht nicht gerecht, während neuere Untersu-chungen aus der Literaturwissenschaft eher der Kategorie „Gesinnungsarbeit“ zuzuord-nen sind.

21 Bernal DÍAZ DEL CASTILLO, Historia verdadera de la conquista de la Nueva España: manu-scrito Guatemala. Edición crítica de José Antonio BARBÓN RODRÍGUEZ, México D.F. El Co-legio de México, UNAM, Servicio Alemán de Intercambio Académico, Agencia Española de Cooperación Internacional, Madrid 2005.

22 Martin WALDSEEMÜLLER, Introducción a la cosmografía y las cuatro navegaciones de A-mérico Vespucio. Traducción del Latín, estudio introductorio y notas de Miguel LEÓN-PORTILLA, 3 Bde. + 1 CD-ROM im Schuber, México D.F. 2007. Die einzige erhaltene groß-

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nistik gehörenden spanischen Americana bietet die von der John Carter Brown Library publizierte Arbeit des Philologen A. Delgado-Gómez.23

Im Vorfeld des 2008 beginnenden und bis 2025 andauernden Zyklus der200. Jubiläen lateinamerikanischer Unabhängigkeitsbewegungen scheiter-te die OAS/OEA bei dem Versuch zur Festlegung einer gemeinsamen Linie wie 1985. Neben aktuellen politischen Gegensätzen zwischen Ländern wie Venezuela, Bolivien, Ecuador, Nicaragua usw. einerseits oder wie Mexiko, Argentinien, Brasilien, Chile etc. dürften auch historische Gründe dafür verantwortlich gewesen sein. Neben den unterschiedlichen politischen Ori-entierungen dieser Staaten dürften auch historische Gründe eine Rolle ge-spielt haben, sieht man von dem sich sprachlich, kulturell und historisch ohnedies in einer Sonderrolle sehenden Brasilien ab. Lima, die Hauptstadt Perus, und México D. F., die Hauptstadt Mexikos , waren nämlich die ame-rikanischen Metropolen und Hauptstädte der beiden ersten Vizekönigrei-che, seit Karl V. Hauptstädte von reinos, Königreichen, von denen die übri-gen spanischen Gebiete, überwiegend im Rang von provincias24, bis weit in das 18. Jahrhundert hinein als minder entwickelte Gebiete abhingen. Diese führten aber auch die Unabhängigkeitsbewegungen an. Es fällt daher schwer, an einen Zufall zu glauben, wenn ausgerechnet Peru, Mexiko und Spanien unter dem Vorzeichen des 200jährigen Jubiläums der Unabhän-gigkeit 2010/11 gemeinsam eine große und aufwendige Ausstellung barok-ker Malerei mit dem Titel „Pintura de los reinos. Identidades compartidas“ („Die Malerei der Königreiche. Gemeinsame Identitäten“)25 organisierten, in der ausschließlich Barockmalerei aus Spanien, Mexiko und Peru mit vor-nehmlich religiösen Bezügen gezeigt wird. Die Ausstellungseröffnungen

formatige Karte Waldseemüllers, vor einigen Jahren von Deutschland an die Library ofCongress verkauft, ist darin im Druck und auf CD-ROM enthalten.

23 DELGADO-GÓMEZ, Spanish Historical Writing.24 Ernsthafte Versuche zur Klärung der Unterschiede zwischen „reinos“ und „provincias“ in

Hispanoamerika fehlen bislang. Für Neuspanien untersuchte Woodrow Borah mexikani-sche Besonderheiten dieser Art, vgl. ders., El gobierno provincial en la Nueva España, 1570–1787, México D.F. 1985; ders., Justice by Insurance. The General Indian Court of Colonial Mexico and the Legal Aides of the Half Real, Berkeley 1983, bezog diese aber nicht auf imperiale Zusammenhänge.

25 Vgl. http://www.pinturadelosreinos.com, die website der nach Madrid (Museo del Pra-do, Museo Reina Sofia) nunmehr in Mexiko-Stadt, Palacio de Itúrbide, dem Palast des kurzzeitigen Kaisers des unabhängigen Mexiko bis Ende September 2011 gezeigten und dann wohl nach Lima wandernden Ausstellung. Vgl. dazu den Katalog: Pintura de los Reinos. Identidades compartidas. Territorios del mundo hispánico, siglos XVI–XVIII. Coordinadora Juana Gutiérrez Haces. Introducción Jonathan BROWN, 4 Bde., o.O. 2008; primera reedición México o. J. [2011] (die Erstauflage wurde in Madrid 2008 in spani-scher, englischer und portugiesischer Sprache zu je 16.000 Exemplaren gedruckt. Hier benutzt wird der in Mexiko erschienene Nachdruck).

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wurden von historischen Vortragsreihen begleitet, die sich an das Ausstel-lungspublikum richten. Vieles ist an dieser Ausstellung bemerkenswert. Zunächst ist an den Umstand zu erinnern, daß es Barockmalerei auch an-dernorts in Hispanoamerika gab, die in Mexiko gezeigte Ausstellung aber neben Bildern aus Spanien, Mexiko und Perú nur ein Bild aus Ecuador zeigt. Bemerkenswert auch, daß es gelang mit Jonathan Brown, Professor in Stony Brook, N.Y., den Nestor der ibero-amerikanischen Kunstgeschichte für die Ausstellungseröffnung und John H. Elliott, als Historiker des früh-neuzeitlichen Spanien ebenso unumstritten, für die Einleitung des Katalogs zu gewinnen.

Unter dem Titel „Un rey, muchos reinos“ („ein König, viele Königreiche“) verfaßte Elliott die historische Einleitung zu dem Katalog, derselbe Autor, der erst vor wenigen Jahren in einem großen Werk das spanische und das englische „Imperium“ miteinander verglichen hatte26. Im Gegensatz zu dem genannten Werk erklärt der Verfasser aber nun in der Einleitung sein Imperiumskonzept als einen rein auf die Ausdehnung dieses großräumigen Herrschaftsgebildes bezogenen Begriff. Die spanischen Könige hätten sich aufgrund der Ausdehnung ihres Herrschaftsgebietes als „Kaiser“ bezeich-nen können, zogen es aber angesichts des Umstands, daß ihr Herrschafts-gebiet eine „zusammengesetzte Monarchie“27 war, vor, den Königstitel bei-zubehalten und die ihnen untergeordneten Gebiete als Königreiche „ex ae-quo“ zu behandeln. Die amerikanischen „provincias“ behandelt er jedoch nicht. Die auf die Schule von Cambridge, zu der auch Pagden als Schüler El-liotts zählt, zurückgehende neuere Imperium-Begrifflichkeit erweist sich so als rein geographisch-diskursives Konzept. Entsprechend apostrophiert der Verfasser die Reichsbildungen der Azteken in Mexiko und der Inca in Peru auch als Imperien, obwohl zumindest für Mexiko diese Bezeichnung für das Aztekenreich erst ausgangs des 16. Jahrhunderts üblich wird und der mit Cortés zusammentreffende Aztekenherrscher zuvor lange Zeit als Rey, Kö-nig, benannt wurde. Pagden, widmet zwar einen Abschnitt seines Buches imperialen Konzepten auch in Mexiko, beschränkt sich dabei aber weitge-hend auf die Paraphrasierung von Schriften des kreolischen Gelehrten des

26 J. H. ELLIOTT, Empires of the Atlantic World. Britain and Spain in America 1492–1830,New Haven / London 2006. – Kurz zuvor eher anti-imperial: Antonio Miguel BERNAL, España, proyecto inacabado. Costes/beneficios del Imperio, Madrid 2005.

27 Elliott verwandte den Begriff „zusammengesetzte Monarchie“ auch schon in früheren Arbeiten, so wie er auch Begriffe wie „spanish monarchy“, „catholic monarchy“ , „spanish world“ oder eben „spanish empire“ schrieb, vgl. dazu John H. ELLIOTT, Un rey, muchos reinos, in: Pintura de los reinos, vol. 1, S. 42. Elliott geht in seinem Text von der Be-schreibung des unter Philipp IV. eingeweihten Palastes von Buen Retiro aus.

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17. Jahrhunderts Sigüenza y Góngora28 und als Gegenpol des Jesuiten Cla-vigero aus dem 18. Jahrhundert. Der ebenfalls in Cambridge tätige Histori-ker David Brading, der im Gegensatz zu Elliott und Pagden und deren Zen-trierung auf Spanien, seine Forschungen auf das koloniale Mexiko und z.T. auf Peru fokussierte, argumentiert zu dem Thema „Imperium“ sehr viel vor-sichtiger. Nach einer Reihe wirtschafts- und sozialgeschichtlicher Untersu-chungen zum spätkolonialen Mexiko publizierte er ein großes ideenge-schichtliches Übersichtswerk zur spanisch – amerikanischen Geschichte.29

Diese gliederte er nach Autoren, die sich über mehr als drei Jahrhunderte beiderseits des Atlantiks zu dem Thema „Amerika“, „spanische Landnah-me“ und „spanische Herrschaft“ äußerten, nach dem Schema kreolisch-amerikanisch gesonnene Patrioten einerseits und europabezogene, spezi-fisch spanisch geprägte Autoren andererseits. Er nahm damit nicht nur die von dem Italiener Antonello Gerbi30 begründete Tradition der Gliederung auf, sondern räumt der Thematik „imperiale Tradition“, wie er dies zusam-menfaßt, einen deutlich geringeren Stellenwert ein. Lediglich auf acht von ca. 700 Seiten verzeichnet das Register diese Thematik. Spätere Untersu-chungen von ihm behandeln kirchen- und religionsgeschichtliche Fragestel-lungen mit Bezügen zur mexikanischen Identität.31

Dieser Beitrag zum 200jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit Latein-amerikas überrascht aber vor allem noch aus einem anderen Grund. Die kaum überschaubare Flut der aus dem aktuellen Anlaß und auch weitaus früher dazu publizierten Literatur beschränkt sich bezüglich der Vorge-schichte der Unabhängigkeitsbewegungen durchweg auf die Epoche der bourbonischen Reformen. Insbesondere die Epoche Karls III., 1759ff., als diese Reformpolitik schrittweise auf die amerikanischen Besitzungen aus-

28 PAGDEN, Spanish Imperialism, S. 91-116.29 David BRADING, The First America: the Spanish Monarchy, Creole Patriots and the Lib-

eral State, 1492–1867, Cambridge 1991, parallel in spanischer Übersetzung: ders., Orbe Indiano. De la monarquía católica a la República criolla 1492–1867, México 1991.

30 Antonello GERBI, La disputa del nuovo mondo. Storia di una polemica,1750–1900. Nuova edizione a cura di Sandro GERBI, Milano / Napoli 1983 (um die definitive, überarbeitete Version des seit den 1950er Jahren mehrfach in Spanisch edierten Werkes anzuführen); ders., La natura delle Indie nove, da Cristoforo Colomba a Gonzalo Fernández de Oviedo,Milano / Napoli 1975; ebenfalls in diese Tradition gehört Benjamin KEEN, The Aztec Image in Western Thought, New Brunswick 1971. Zuvor hatte der Mexikaner Edmundo O’Gorman die „Erfindung Amerikas“ untersucht, Edmundo O’GORMAN, La invención de América. Investigación acerca de la estructura histórica del nuevo mundo y del sentido de su devenir, México D.F. ³2003 (das erstmals 1958 erschienene Werk, wurde in der 2. Auflage siebenmal nachgedruckt und zählt in Mexiko zum Kanon historischer Lektüren).

31 David BRADING, Church and State in Bourbon Mexico. The Diocese of Michoacán, 1749–1810, Cambridge 1994; ders., Mexican Phoenix. Our Lady of Guadalupe: Image and Tra-dition across Five Centuries, Cambridge 2001.

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gedehnt wurde, steht im Mittelpunkt der Ursachenanalyse. Neuerdings fin-den sich einige früher, mit Philipp V. einsetzende Arbeiten.32 Grund für diese zeitliche Beschränkung ist die nach wie vor dominierende Überzeu-gung, daß die Unabhängigkeitsbewegung eine Folge der Reformpolitik war, die die im Spanischen Erbfolgekrieg an die Regierung gelangte Dynastie der Bourbonen einleitete, Spanien also die Schuld am Aufbegehren der Über-seegebiete hatte. Vereinzelt wird in der zunächst auf die Schiffahrt und den Handel konzentrierten Politik der Krone inzwischen der Versuch einer Art „Rückeroberung“ Hispanoamerikas durch die Metropole gesehen und da-mit eine vorausgehende Autonomie, oft als Pakt zwischen Krone und über-seeischen Untertanen bezeichnet, unterstellt.33 Je nach fiktivem Standort und Blickwinkel des Autors, von Europa oder Amerika aus schreibend, un-terscheiden sich die Auffassungen nach wie vor. Der auf Gerbi zurückge-hende „Disput um die Neue Welt“ scheint in eher verdeckter Form auch die neuere Historiographie zu prägen.

Eine wenig bekannte, von Brading nicht benutzte beschreibende Quelle scheint diese Sicht zu bestätigen. 1702 verfaßte der Spanier Francisco de Seijas y Lobera im Auftrag Ludwigs XIV. von Frankreich sein umfangrei-ches Werk „Gobierno militar y político del Reino imperial de la Nueva España“.34 Der Autor, der Hispano-Amerika und Asien bereist hatte, hält die Vizekönige jedenfalls für mächtiger als europäische Herrscher, da sie zudem über die Erträge der Edelmetallressourcen verfügen und während ihrer Amtszeit eine durchaus eigene Interessenpolitik betreiben können. In seinem Text bezeichnet er sowohl Neuspanien als auch Peru rundheraus als Imperien und schlägt deren Aufteilung in insgesamt acht kleinere Vizekö-nigreiche vor. Er weist ihnen die passenden Provinzen mit dem Ziel zu, eine geordnete Territorialregierung zu ermöglichen. Wenn mit der Schaffung kleinerer Einheiten eine Art Territorialisierung vorgeschlagen wird, um die beiden „Imperien“ Neuspanien und Peru zu verändern, muß unterstellt werden, daß für den Autor „Imperium“ nicht nur Diskurse und geographi-sche Ausdehnung bedeutet, sondern reale Herrschaftsstrukturen damit ver-

32 Vgl. z. B. Alexandra GITTERMANN, Die Ökonomisierung des politischen Denkens, Neapel und Spanien im Zeichen der Reformbewegungen des 18. Jahrhunderts unter der Herr-schaft Karls III., Stuttgart 2008, ist die, soweit erkennbar, erste neuere Arbeit, die die Herrschaft Karls III. sowohl in Neapel als auch in Spanien untersucht.

33 Vgl. z.B. Hans-Joachim KÖNIG, Kleine Geschichte Lateinamerikas, Stuttgart 2006, S. 105ff.

34 Francisco de Seijas y Lobera, Gobierno militar y político del reino imperial de la Nueva España (1702). Estudio, transcripción y notas de Pablo Emilio Pérez-Mallaína Bueno. México D.F. 1986. Die seinerzeit nicht publizierte Quelle wurde von dem spanischen Be-arbeiter im Archiv des Französischen Marineministeriums aufgefunden, untersucht und in Mexiko ediert.

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bunden sind. Da der Text im Zeitalter des Colbert’schen Merkantilismus verfaßt wurde, könnte er durchaus als historischer Wendepunkt verstanden werden. Entsprechende Vorschläge zur Territorialisierung durch Schaffung kleinerer Einheiten mit fest umrissenen Grenzen finden sich in der Folge-zeit bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts, etwa wenn 1792 der Gouverneur-Intendant von Puebla oder schließlich auch Alexander von Humboldt ent-sprechende Pläne unterbreiten, die über die Reformen hinausgingen.35 Hat somit „Imperium“ noch etwas mit Kaisertum, etwa in der Tradition Karls V., zu tun? Der in der Forschung kaum beachtete Umstand, daß König Karl IV. noch 1807 im Vertrag von Fontainebleau mit Napoleon den Kaisertitel anstrebte und Mexiko schließlich unter Agustín de Itúrbide als Kaiser Agu-stín I. unabhängig wurde, um unter dem Habsburger Maximilian Mitte des 19. Jahrhunderts vorübergehend ein weiteres Kaisertum zu erleben, deutet darauf hin.36 Ebenso das in diesem Prozeß zur Geltung kommende, bereits erwähnte uti possidetis-Prinzip als Mechanismus äußerer Staatsbildung in einem Großraum mit wenig eindeutigen Grenzziehungen in Anknüpfung an koloniale Gegebenheiten.37

Wenn man die vorangehende Skizzierung der Entwicklung der For-schungstendenzen zusammenfaßt, ist festzustellen,1. daß die sich nach dem Zweiten Weltkrieg rasch entwickelnde historische

Forschung zu Lateinamerika als Gesamtheit sich von der Kolonialge-schichte aus entwickelte und dieser Prozeß von einer nachholenden Entwicklung der Begründung wissenschaftlicher Einrichtungen und Ar-chiverschließung in der Region begleitet wurde;

2. daß aus diesem Grund lateinamerikanische Geschichte nach dem Zwei-ten Weltkrieg lange Zeit mit dem Schwerpunkt auf der Auswertung spa-nischer Zentralarchive betrieben wurde und die Auswertung lateiname-rikanischer Archive in breiterem Rahmen (Provinz-, Lokal- und Privat-archive) erst seit den 1970er Jahren in breiterem Rahmen in Gang kam;

3. daß bis heute auf empirischer Basis erfolgende Generalisierungen ten-denziell überwiegend von der Historiographie von außen (USA, Europa,

35 Zu Puebla vgl. Horst PIETSCHMANN, Un testimonio del impacto del reformismo borbónico en Nueva España: la representación del intendente de Puebla de los Angeles del 27 de ju-nio de 1792, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Latein-amerikas 31, 1994, S. 1-38. Ferner: Alexander von Humboldt, Mexico – Werk. Politische Ideen zu Mexico. Mexicanische Landeskunde, hrsg. u. kommentiert von Hanno BECK,Darmstadt 1991, insbesondere Buch 2, S.140ff.

36 Nur am Rande sei vermerkt, daß die Nachkommen Iturbides in Ungarn geadelt wurden und der kinderlose Kaiser Maximilian von Mexiko später dessen direkten Nachfahren adoptiert hat.

37 Für Mexiko dazu neuerdings Hira DE GORTARI RABIELA, Formas y experiencias de organi-zación del territorio. Siglos XVIII y XIX, San Luis Potosí, Mex. 2011.

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Spanien) erfolgt, wie die schrittweise Ablösung des „Kolonialismus“-Paradigmas durch die „Imperium“-Begrifflichkeit und die Debatten um deren Akzeptanz erkennen lassen. Parallel dazu entwickelt sich aus Ethnodisziplinen, Archäologie, Kunst-, Literatur-, Religionsgeschichte und Volkskunde eine eigenständige, quellenbezogene Kulturgeschichte, die mehr und mehr die spanische Geschichte ausklammert;

4. daß die parallel erfolgte Intensivierung der Forschung in Lateinamerika im Gefolge der Archiverschließung und der Konzentrierung auf eher kleinräumige empirische Untersuchungen zunehmend zu Ergebnissen führt, die den Generalisierungen teilweise widersprechen, sie aber auch teilweise stützen bzw. zu deren Erweiterung herausfordern (z. B. „indi-rect rule“ in Mexiko, Untergang der indigenen Bevölkerung in der Kari-bik und deren Ersatz durch afrikanische Slaven).

5. daß die weitgehend europäisch fixierte Chronologie der inneren Ent-wicklung der spanischen Überseegebiete in keiner Weise mehr ent-spricht (z. B. die spanische Anknüpfung an die indigenen Hochkulturen der vorspanischen Zeit bei der Errichtung der eigenen Herrschaft und die verspätete Entwicklung der Randgebiete seit dem 18. Jahrhundert im Zeichen des Merkantilismus);38

6. daß die vorstehend genannten Entwicklungen zeigen, daß die in der ak-tuellen Konjunktur der Unabhängigkeitsforschung aus Anlaß des 200. Jubiläums mehr implizit als explizit beibehaltene These, daß die in un-terschiedlicher Form ihre Unabhängigkeit anstrebenden Überseegebiete alle von einem Status der Gleichheit gegenüber der spanischen Metropo-le ausgingen, falsch ist. Die Entwicklung seit 1492 hatte in Fortsetzung vorspanischer Gegebenheiten vielmehr zu extrem ungleicher Entwick-lung geführt;

7. daß man aktuell davon ausgehen muß, daß die traditionelle Frontstel-lung: hier ‚europäische Kolonialmacht’ (oder auch das ‚spanische Impe-rium’) tatsächlich ein dreigliedrig gestuftes System war: a) europäische Metropole b) die beiden alten, an die indigenen Großreiche anknüpfenden Vizekö-

nigreiche Mexiko und Peru als koloniale Submetropolen, von denen

38 Vgl. http://d.repec.org/n?u=RePEc:oxf:wpaper:559&r=his Department of Economics Discussion Paper Series Oxford, number 559 July 2011: Robert C. ALLEN / Tommy E. MURPHY / Eric B. SCHNEIDER, The Colonial Origins of the Divergence in the Americas: A labour Market Approach, und frühere working papers der Serie aus den letzten Monaten, die aus anderer Perspektive dem Problem unterschiedlicher Entwicklung innerhalb des kolonialen Amerika nachgingen, dabei aber meist nicht systematisch die Differenzen in-nerhalb des spanischen Amerika untersuchten, sondern genereller auf Unterschiede zwi-schen Anglo- und Ibero-Amerika abstellten.

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die europäische Metropole mehr und mehr abhängig wurde (Edelme-tallreichtum),

c) weite spanische Peripherieregionen, deren Erhaltung und Entwick-lung zunehmend von Lima und Mexiko-Stadt aus finanziert werden mußte;

8. daß das Ergebnis dieses historischen Prozesses unklare Binnen- und Au-ßengrenzen der von Spanien beanspruchten amerikanischen Gebiete wa-ren, was den Landnahme- bzw. Kolonisationsprozeß innerhalb der un-abhängig gewordenen Staaten bis ins 20. Jahrhundert hinausschob;

Aber reichen „geographische Ausdehnung“ mit geringer „räumlicher Glie-derung“, Über- und Unterordnung von „reinos“ und „provincias“ im Zei-chen unterschiedlicher Entwicklung, unterschiedliche Rolle bzw. Schicksal der indigenen Bevölkerungen als charakteristische Merkmale eines Imperi-ums aus?

II

Die imperialen Rechtfertigungsdiskurse zur spanischen Herrschaft in Ame-rika wurden jüngst für die Bereiche „Recht“, „Theologie“ und „Literatur“ zusammengefaßt.39 Angesichts obigen Resümees und anknüpfend an Münklers Versuch zur Beschreibung der Merkmale von Imperien40 stellt sich weitaus dringlicher die Frage nach der/n historischen Realität/en des „spanischen Imperiums“ in seiner chronologischen Entwicklung. Für Münkler spielen Definitionsmerkmale wie territoriale Unbestimmtheit, Ab-stufung politisch – administrativer Kontrolle und kulturelle Dominanz zu den Peripherien hin und die Behandlung der Bevölkerungselemente eine zentrale Rolle. Diese werden im Falle Spaniens ergänzt durch den Umstand, daß frühneuzeitliche Quellen einen Spanienbezug auch auf den Atlantik als „spanische See“ und zugleich als ausgesprochen unsicheres, nahezu herr-schaftsfreies Seegebiet enthalten.41 Zugleich finden sich in den diskursiven

39 Alberto PÉREZ-AMADOR ADAM, De legitimatione imperii Indiae Occidentalis. La vindicaci-ón de la Empresa Americana en el discurso jurídico y teológico de las letras de los Siglos de Oro en España y los virreinatos americanos, Madrid / Frankfurt/M. / Orlando, FL 2011.

40 Münkler, Imperien, S. 16-21.41 So etwa der Hamburger Friedrich MARTENS, Hispanische Reise-Beschreibung de anno

1671, hrsg. v. Wilhelm JUNK, Berlin 1925. Noch etwas mehr als 100 Jahre später spricht auch James Fenimore Cooper in seinem „Red Pirate“ von der „Spanish Sea“, wobei er sich möglicherweise nur auf die Karibik bezieht, dieses Seegebiet aber ebenfalls als unsi-cher ansieht.

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Quellen, die Pérez-Amador Adam zusammenfaßt, auch indirekte Hinweise auf den imperialen Kontext in Themenbereichen, die in den o. a. Überle-gungen noch nicht angesprochen wurden, wie z. B. „Recht, Verwaltung, Vertragspolitik“, „Kirchengeschichte“ und „Wirtschaftsbeziehungen“.

So fällt beispielsweise auf, daß in dem erstgenannten, bislang schon sehr intensiv untersuchten Bereich zeitgenössischer Schriften die Ämterhierar-chie mit Vergleichen zum imperialen Rom beschrieben wird. Bis ins 18. Jahrhundert berufen sich solche Quellen bezüglich der Anerkennung spani-scher Besitztitel nicht auf internationale Verträge, sondern auf die Papst-bullen Alexanders VI. von 1493 und den daraus resultierenden Vertrag von Tordesillas mit Portugal (1494). Tatsächlich hat Spanien erst nach 1648, dem Westfälischen Frieden, Verträge geschlossen, in denen einzelne ameri-kanische Besitzungen angesprochen wurden.42 Angesichts der neuerenEntwicklungen der Historiographie hat Diplomatie- und Vertragsgeschichte in frühneuzeitlichen großräumigen Zusammenhängen wenig Interesse auf sich gezogen.43 Als einziger Autor der letzten Jahrzehnte hat sich J. Fisch mit Verträgen zwischen indigenen Völkern und Spaniern auseinanderge-setzt und betont, daß diese die indigenen Partner als gleichberechtigte Partner respektierten, ein merkwürdiger Kontrast zur lang anhaltenden Weigerung, die Überseegebiete in die europäische Vertragpolitik einzube-ziehen. Die geringe Beachtung der internationalen Politik reicht zurück bis zu den Beziehungen der Katholischen Könige zum Heiligen RömischenReich und den Gründen, die beide Monarchen dazu veranlaßten, gegenüber Kaiser Maximilian auf einer Doppelhochzeit zwischen Habsburg und Tra-stamara zu insistieren, obwohl der Kaiser nur eine einfache eheliche Ver-bindung anstrebte.44

42 Günter KAHLE, Lateinamerika in der Politik der europäischen Mächte 1492–1810, Köln /Weimar / Wien 1993, lieferte dazu eine knappe Übersicht, die belegt, daß diese Thematik seit dem Zweiten Weltkrieg kaum systematisch untersucht wurde. Lediglich das neuere Schrifttum zu Freibeuterei, Piraterie usw. geht marginal darauf ein.

43 FISCH, Selbstbestimmungsrecht; ders., Die europäische Expansion und das Völkerrecht. Die Auseinandersetzungen um den Status der überseeischen Gebiete vom 15. Jahrhun-dert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1984; ders., Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Ei-ne universalgeschichtliche Studie über Grundlagen und Formelemente des Friedens-schlusses, Stuttgart 1979; ders., Völkerrechtliche Verträge zwischen Spaniern und India-nern, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas16, 1979, S. 205-243.

44 Aus Reichsperspektive hat etwa Hermann WIESFLECKER eine Studie zur habsburgisch-spanischen Doppelhochzeit vorgelegt: Ders., Maximilian I. und die habsburgisch-spani-schen Heirats- und Bündnisverträge von 1495/96, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 71, 1963, S. 1-52. Von spanischer Seite fehlen dazu neuere Untersuchungen. Viel spricht dafür, daß die italienischen Interessen des expansi-ven Aragón dabei die zentrale Rolle spielten.

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Überraschende Bezüge ergeben sich aus diesen diskursiven Quellen auch für das Verhältnis von Staat und Kirche, das die Forschung wegen des von Papst Julius II. der Krone verliehenen Patronats über die amerikanische Kirche als unproblematisch und konfliktfrei ansah. Ein latenter Gegensatz deutet sich dazu in der Emblemliteratur des 17. Jahrhunderts an. Der pro-minente Verwaltungsjurist Juan de Solórzano, der in Lima und in Madrid in leitenden Funktionen tätig war und dessen Schriften bis heute als grund-legend zur rechtlichen Darstellung der spanischen Herrschaft in Amerika angesehen werden, verfaßte auch ein Werk mit ‚königlich-politischen Em-blemen‘45, in denen sich bezüglich König Philipp IV. deutlich imperiale Symbolik findet. Demgegenüber behandelt ein zeitgenössisches emblemati-sches Werk die Heiligkeit und die Macht der Kirche46, was an den alten Ge-gensatz von geistlicher und weltlicher Gewalt erinnert. Nachdem nunmehr Untersuchungen zu durchaus grundsätzlichen und langanhaltenden Strei-tigkeiten zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt publiziert wurden, ist zu vermuten, daß das Verhältnis Spaniens zur Kurie keineswegs so pro-blemlos war, wie die Forschung lange Zeit unterstellte.47 Zentrale Konflikte ranken sich auch um den im 16. Jahrhundert begründeten Jesuitenorden, der dem Papst als „Miliz Christi“ diente, von Philipp II. nach Amerika ent-sandt bald eine führende Rolle in der weiteren Expansion Spaniens spielte, bald spanische Grenzregionen mit indigenen Truppen militärisch sicherte,über das Bildungswesen Einfluß auf die kreolische Bevölkerung erlangte und mit den Vizekönigen als Stellvertretern des Monarchen in Konflikt ge-riet.48 Viele Gründe sprechen zudem dafür, daß der Orden wesentlich mit der Imperiumsproblematik zusammenhängt, wie bereits der Streit um die Begründung des von den Jesuiten seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Ma-

45 Jesús Ma. GONZÁLEZ DE ZÁRATE, Emblemas regio – políticas de Juan de Solórzano, Prólo-go Santiago Sebastián, Traducción de los epigramas Lorenzo Matheu y Sanz, revisada por Francisco Tejada Vizuete. Emblematica I, Madrid 1987.

46 Rafael GARCÍA MAHIQUES, Empresas Sacras de Nuñez de Cepeda. Prólogo Santiago Seba-stián. Emblematica II, Madrd 1988.

47 Z.B. Thomas DUVE, Sonderrecht in der Frühen Neuzeit. Studien zum ius singulare und den privilegia miserabilium personarum, senum und indorum in Alter und Neuer Welt,Frankfurt/Main 2008; weitere Beispiele bei Thomas James DANDELET, Spanish Rome 1500–1700, New Haven / London 2001; J. Ignacio TELLECHEA IDÍGORAS, Lo que el Empe-rador no supo. Proceso de Paulo IV a Carlos V y Felipe II, in: José MARTÍNEZ MILLÁN (co-ord. gen.), Congreso Internacional Carlos V y la quiebra del humanismo político en Eu-ropa (1530–1558), Madrid, 3–6 de julio de 2000, vol. IV., Madrid 2001, S. 181-196.

48 Alistair HENNESSY, The Frontier in Latin American History, London 1978; Jonathan ISRA-

EL, Race, Class and Politics in Colonial Mexico, 1610–1670, Oxford 1975, der als erster den Konflikt zwischen dem Orden und dem Bischof, Generalvisitator und Vizekönig Juan de Palafox y Mendoza untersuchte, der ein wichtiges Argument zur Rechtfertigung der Vertreibung des Ordens aus Spanien 1766/67 lieferte.

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drid betriebenen Colegio Imperial und seine Lehrinhalte erkennen läßt, das von der Witwe Kaiser Maximilians II. Maria, der Tochter Karls V., umfang-reich dotiert wurde.49

Dieses Land- wie Seegebiete umfassende Denken in spanischen imperia-len Kategorien beeinflußte offenbar auch Wirtschaft und den Handel, wie ein Ende des 17. Jahrhunderts in Amsterdam verlegtes Buch50 zu bezeugen scheint. Zwar hat sich die umfangreiche wirtschaftsgeschichtliche Historio-graphie zum Warenaustausch zwischen Spanien und seinen Überseegebie-ten kaum mit der imperialen Problematik befaßt,51 sondern seit Earl J. Hamilton vor allem quantifizierend die Austauschrelationen untersucht.52

Die amerikanische Forschung konzentrierte sich dabei schwerpunktmäßig auf die nach Europa gelangten Edelmetalle, während die spanische und eu-ropäische Historiographie sich eher den nach Amerika transportierten Gü-tern und dem Verbleib des amerikanischen Edelmetalls widmete. R. Pieper konnte schließlich zeigen, daß seit Mitte des 16. Jahrhunderts und der Ein-richtung des Systems der beiden jährlich im Wechsel zwischen Sevilla und Amerika verkehrenden Flotten der europäische Fernhandel und die Pirate-rie in Amerika sich großräumig auf die witterungsbedingten Verkehrszeiten und Routen der Flotten ausrichteten.53 Für den vorliegenden Zusammen-hang ist zu erwähnen, daß inzwischen kaum noch der Frage Bedeutung bei-gemessen wird, von wann ab Spanien eine konsequent merkantilistische

49 Zu den Lehrinhalten gehörten u.a. Gegenstände wie „de re militari“, Mathematik und Hydrographie (inklusive Geographie, Nautik, Kartographie).

50 Emporio de el Orbe, Cádiz ilustrada, investigaciones de sus antiguas grandezas, discurri-da en concurso de el General Imperio de España, por el R. P. F. Geronimo de la Concep-ción, Religioso descalzo de la Orden de Nuestra Señora del Carmen, y Gaditano de Ori-gen, que la dedica a la muy Noble y muy Leal Ciudad de Càdiz. Amsterdam, en la impren-ta donde tiene la administración Joan Bus 1690, 663 S. – Zu den unklaren Umständen der Autorschaft und des Publikationsortes des Werkes muß auch gerechnet werden, daß Cádiz zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches von der spanischen Krone noch nicht offiziell zum zentralen Ausgangs- und Zielhafen der spanischen Handelsflotten nach Übersee benannt worden war, vielmehr Sevilla noch das entsprechende Monopol und die dazugehörigen Behörden beherbergte.

51 Lediglich der Wirtschaftshistoriker BERNAL, España, proyecto inacabado, hat sich kürz-lich intensiver mit der Frage befaßt; demgegenüber behandeln Dennis O. FLYNN / Arturo GIRÁLDEZ, Wiedergeboren: Ursprünge der Globalisierung im 16. Jahrhundert. Asiatische bzw. globale versus europäische Dynamiken, in: Jahrbuch für Europäische Überseege-schichte 10, 2010, S. 29-65, die Problematik mehr aus der Perspektive Asiens.

52 Vgl. Klaus Peter STARKE, Der spanisch-amerikanische Kolonialhandel. Die Entwicklung der neueren Historiographie und künftige Forschungsperspektiven, Hamburg 1994.

53 Renate PIEPER, Die Vermittlung einer Neuen Welt. Amerika in Nachrichtennetz des habs-burgischen Imperiums 1493–1598, Mainz 2000, und andere Arbeiten derselben Vf.in.

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Politik betrieb, die stärkere Binnenkontrollen und territoriale Organisation zur Folge haben mußte, um Wirkung zu erzielen.54

Die hier angesprochenen Themenkomplexe verweisen bezüglich der Im-periumsproblematik in vieler Hinsicht auf das Spanien des 16. Jahrhun-derts und vor allem auf die Epoche Karls V. In dieser Epoche stand das spanische Amerika nicht im Mittelpunkt spanischer politischer Interessen. Mitte des 16. Jahrhunderts lebten allein in Rom ca. 30.000 Spanier, im Vergleich dazu wanderten im 16. Jahrhundert insgesamt nur ca. 60.000 Spanier nach Amerika aus.55 Die spanischen Eliten engagierten sich denn auch großenteils auf den europäischen Schauplätzen und im Mittelmeer und nicht in Amerika, wo allenfalls im Zuge der administrativen Organisa-tion unter Karl V. nach und nach höherrangige Vertreter des Klerus und des aufstrebenden Juristenstandes zumindest zeitweise nach Amerika gelang-ten. Die von Karl V. begründeten organisatorisch-administrativen Grund-strukturen in Hispanoamerika haben denn auch jahrzehntelang den Gang der Forschung bestimmt, wie erneut eine in den 1960er Jahren begründete Institution, das Instituto Internacional de Historia del Derecho Indianomit seinen alle zwei bis drei Jahre im Wechsel in Spanien und Hispanoame-rika stattfindenden und stets publizierten Kongressen verdeutlicht.56

Die Person Karls V. charakterisiert zugleich auch die sich am 16. Jahr-hundert entwickelnde Bresche zwischen der Geschichtsschreibung zu ei-nem mehr und mehr spanisch geprägten Europa und dem spanischen Ame-rika, die insgesamt seit den 1970er Jahren enorm anwuchs, wobei aber mehr und mehr die Publikationen zu Hispanoamerika zahlenmäßig das Übergewicht erlangten. Inwieweit bei diesem Prozeß der Eintritt Spaniens in die EU und die NATO Mitte der 1980er Jahre, die bereits genannten Ju-biläen zu Kolumbus und der Unabhängigkeit Iberoamerikas ebenso wie die 1998 und 2000 begangenen Gedenken an Philipp II. (Todestag) und Karl V. (Geburtstag), von Spanien mit hohem Finanzaufwand europaweit propa-giert und durch Wanderausstellungen unterstützt, eine Rolle spielten, wird

54 Pierre VILAR, Crecimiento y desarrollo. Economía e historia. Reflexiones sobre el caso español, Barcelona 1964, hat sich in dieser seiner Aufsatzsammlung zuletzt gründlicher mit diesem Problem befaßt.

55 Die Zahl zu Rom, ca. 25% der Bevölkerung, bei DANDELET, Spanish Rome, S. 120; die Zahl zu Amerika findet sich in den o.a. Handbüchern, basierend auf den Untersuchungen von Peter BOYD-BOWMAN. Für die anderen Regionen spanischen Einflusses im Europa des 16. Jahrhunderts liegen keine konkreten Zahlen vor, z. B. für Sizilien/Neapel, Mai-land, die Niederlande. Zu Österreich vgl. Christopher LAFERL, Die Kultur der Spanier in Österreich unter Ferdinand I. 1522–1564, Wien / Köln / Weimar 1997.

56 Vgl. den Versuch eines Resümees von Mitgliedern der Institution Feliciano Barrios(coord.), El gobierno de un Mundo. Virreinatos y Audiencias en la América Hispánica,Cuenca 2004, 1178 S.

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die künftige Forschung zu untersuchen haben. Die weitaus intensivere Be-rücksichtigung Spaniens und Hispanoamerikas auch in deutschen Darstel-lungen seither deutet derlei zumindest ebenso an57 wie die bereits o.a. Kon-junktur von Studien zu Kaisertum und Imperien. Nachdem eine ältere, we-nig differenziert geführte Debatte über die mittelalterliche oder neuzeitliche Prägung58 der „Europäischen Expansion“ mit Bezug zum Kaisertum Karls V. und seiner – angeblich – auf den Kanzler Gattinara zurückgehenden Universalreichsidee in den 1960er Jahren durch die Untersuchungen Hel-muth Koenigsbergers59 anscheinend abgeschlossen war, regten neuere For-schungen im Gefolge der Jubiläen die damit verbundenen Fragestellungen erneut an. Martínez Millán untersuchte erstmals mit einer Gruppe von For-schern gründlich die Hofhaltungen Karls V., Philipp II. und Philipp III. in ihrer inneren Differenzierung60, die den komplexen, nach Herrschaftsge-bieten gegliederten Regierungsapparat, die ihm zugeordneten Akteure, die Finanzierung usw. erkennen lassen und die damit verbundenen traditionel-len reduktionistischen Vereinfachungen auf den Herrscher, seine engsten Mitarbeiter und ggf. die Beichtväter zu korrigieren helfen. Bislang oft als Hofintrigen charakterisierte interne Auseinandersetzungen in diesen kom-

57 Vgl. z. B. Alfred KOHLER, Karl V. 1500–1558. Eine Biographie, München 1999; ders., Fer-dinand I. 1503–1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003 (beide auch in Spanisch); Alfred KOHLER / Barbara HAIDER / Christine OTTNER unter Mitarb. v. Martina FUCHS

(Hrsg.), Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee,Wien 2002, 819 S., um nur prominente Beispiele zu erwähnen.

58 Die beste, aber vergleichsweise wenig beachtete Studie dazu mit Blick auf Mexiko legte Luis WECKMANN, La herencia medieval de México, México D.F. 1984, vor, der zuvor gründlich die Rolle des Papsttums bei der Legitimierung von Besitztiteln auf „herrenlo-ses Land“ untersucht hatte.

59 H. G. KOENIGSBERGER, The Empire of Charles V in Europe, in: The New Cambridge Mod-ern History, vol. II: The Reformation, 1520–1559, ed. by G. R. ELTON, Cambridge 1958, S. 301-333; ders., Western Europa and the Power of Spain, in: Ebd., vol. III: Counter-Re-formation and Price Revolution, 1560–1610, ed. by R. B. WERNHAM, Cambridge 1958, S. 234-318; ders., The Practice of Empire. The Government of Sicily under Philip II of Spain, Ithaca 1969, eine methodisch richtungweisende Untersuchung.

60 José MARTÍNEZ MILLÁN (dir.), La Corte de Carlos V, 5 vols., Madrid 2000, Untersuchung in 3 Teilen: 1) Corte y Gobierno, 2) Los Consejos y los consejeros de Carlos V, 3) Los ser-vidores de las Casas Reales; ders. / Santiago FERNÁNDEZ CONTI (dirr.), La monarquía de Felipe II: La casa del Rey, 2. vols., Madrid 2005, mit separaten Teilen zu den Hofhaltun-gen für Aragón, Burgund und Portugal; ders. / Ma. Antonietta VISCEGLIA (dirr.), La mo-narquía de Felipe III: la Casa del Rey, 2 vols., Madrid 2008, mit entsprechender Gliede-rung. Ergänzend dazu auch Jordí BUYREU JUAN, La Corona de Aragón de Carlos V a Feli-pe II. Las instrucciones a los virreyes bajo la regencia de la princesa Juana (1554–1559),Madrid 2000; Manuel RIVERO, Felipe II y el Gobierno de Italia, Madrid 1998. Hierzu ist anzumerken, daß die Instruktionen für die Vizekönige in Amerika aus der Regierungszeit der Habsburger bereits vor Jahrzehnten von Lewis Hanke ediert wurden.

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plexen Herrschaftsapparaten, die eine Abbildung der politischen Realitäten mit ihrer eigenen inneren Dynamik darstellen, erweisen sich so oft als ern-ste politische Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Regional-interessen und Fraktionen der Herrschaftseliten.61

Entsprechende Studien mit Bezug auf den europäischen Adel bilden in-zwischen eine eigene Forschungsrichtung innerhalb der Geschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. In diesem Rahmen hat allerdings die Tatsache, daß Karl V. anläßlich seiner Krönung in Aachen für den spani-schen Adel die „Grandeza de España“ offenbar im Hinblick auf den Orden vom Goldenen Vlies begründete, erst jüngst erste Beachtung erfahren.62

Mehr aus der Perspektive der Kunstgeschichte erhielt auch die Diskussion der Herrschaftsidee Karls V. neue Nahrung durch eine Untersuchung der Bemühungen zur Begründung einer erneuerten Herrschaftssymbolik des Kaisertums durch Maximilian I.63, die offenbar entscheidend dessen EnkelKarl V. beeinflußte und zugleich der Frage nach den Beziehungen des Rö-mischen Reichs zur atlantischen Expansion neue Aktualität zuweist.64 Daßman es diesbezüglich mit einer Neuauflage des Gegensatzes der beiden Universalgewalten des Mittelalters, Kaisertum und Papsttum zu tun zu ha-ben scheint, unterstreichen auch neuere Untersuchungen zu Beispielen ar-chitektonischer Symbolpolitik Karls V. in Spanien, wie etwa der um die Mit-

61 Beispielhaft für die Zeit Philipps II. belegt dies schon José MARTÍNEZ MILLÁN (dir.), La corte de Felipe II, Madrid 1994, eine Vorabpublikation zu den vorstehend zitierten Wer-ken.

62 Krista DE JONGE / Bernardo J. GARCÍA GARCÍA / Alicia ESTEBAN ESTRINGANA (eds.), El Le-gado de Borgoña. Fiesta y Ceremonia Cortesana en la Europa de los Austrias (1454–1648), Madrid 2010.

63 Larry SILVER, Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton / Oxford 2008.

64 Ergänzend zu dem o.a. erwähnten Waldseemüller ist hier an den Nürnberger Arzt und Humanisten Hieronymus Münzer aus dem Umkreis von Pirckheimer, Hartmann Schedel u.a. zu verweisen, der in der Beschreibung seiner im Winter 1494/95 durchgeführten Reise durch Spanien und Portugal den im Unfrieden mit Kolumbus von dessen zweiten Amerikaexpedition zurückgekehrten und König Ferdinand nahestehenden Pater Boyl ge-sprochen hatte, der Kolumbus Auffassung, nach Asien gelangt zu sein, widersprach und dessen Entdeckung lediglich als Archipel bezeichnete, was dann im Verbund mit Vespuc-cis Amerikafahrten dazu führte, daß Waldseemüller den Kontinent nach diesem benann-te, dazu vgl. Pieper, Vermittlung. Den Hintergrund von Maximilians, Sohn einer portu-giesischen Prinzessin, und Augsburgs bzw. Nürnbergs Beziehungen zu Portugal unter-suchte Jürgen POHLE, Deutschland und die überseeische Expansion Portugals im 15. und 16. Jahrhundert, Münster 2000, in eher kommerzieller Hinsicht. Zu den Beziehungen zu Spanien vgl. u. a. Enrique OTTE, Von Bankiers und Kaufleuten, Räten, Reedern und Pira-ten, Hintermännern und Strohmännern. Aufsätze zur atlantischen Expansion Spaniens, hrsg. v. Günter VOLLMER / Horst PIETSCHMANN, Stuttgart 2004.

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te der 1520er Jahre erbauten Fassade der Universität von Salamanca.65

War diese früher meist nur stilgeschichtlich als Renaissancearchitektur in-terpretiert worden, so belegen die sehr genau den Kontext und die darge-stellten Motive analysierenden neueren Untersuchungen eine sehr präzise Anknüpfung an die heidnische Antike mit Kaiser Augustus, Julius Caesar u.a. im Zentrum, die zugleich auf einen konkreten Konflikt mit dem Papst-tum um die Kontrolle der Universität Salamanca Bezug nimmt. Die Autoren belegen zudem, daß bereits Humanisten aus dem Umfeld der Universität zur Zeit der Katholischen Könige an archäologischen, numismatischen u.a. Untersuchungen zur römischen Antike beteiligt waren, die auch politisch eine Rolle spielten. Beispielhaft werden Antonio Nebrija, Autor einer Gram-matik des Spanischen (1492) und der an der ersten grundgesetzlichen Ge-setzgebung zu Amerika (1512/13) beteiligte Jurist Palacios Rubios genannt. Auch die zur gleichen Zeit wie die Fassade errichtete neue Kathedrale Sa-lamancas, deren Architektur innen wie außen ca. 50 Königskronen zeigt, was ganz und gar ungewöhnlich für einen kirchlicher Jurisdiktion unterste-henden Kathedralbau ist, verdeutlicht einmal die unmittelbare Beziehung zwischen Humanismus und Politik, aber auch die imperiale Dimension humanistischen Denkens im Spanien jener Epoche schon vor Karl V. Der Mailänder Humanist in Diensten der Katholischen Könige und Karls V. Pe-dro Mártir de Anglería, der erste Chronist der Entdeckung Amerikas, be-wegte sich am Hof und im Umkreis der Genannten und wurde zum ersten Chronisten der Entdeckung Amerikas.66 Eindrucksvoller als die von Karl erwählte Symbolik der „Säulen des Herkules“ mit der Devise plus ultra und die humanistischen Schriften aus dem Umfeld des Hofes belegt diese Inter-pretation der Fassade, daß Karls Universalsreichsidee nicht nur auf Gatti-nara zurückzuführen ist, sondern auf einen breiteren spanischen Antiken-bezug mit konkretem Bezug zur Politik rekurrierte und als kaiserliches Bestreben zur Abgrenzung von weltlicher und geistlicher Autorität instru-mentalisiert wird.

65 Felipe PEREDA, La arquitectura elocuante. El edificio de la Universidad de Salamanca ba-jo el reino de Carlos V, Madrid 2000; Paulette GABAUDAN, El mito imperial: programa i-conográfico de la Universidad de Salamanca, Valladolid 1998.

66 Pedro MÁRTIR DE ANGLERÍA, 1457–1526, gelangte 1488 über Rom nach Spanien, lehrte in Salamanca, 1501 Botschafter in Ägypten, Kaplan und Adelserzieher bei Hof, 1520 zum Chronisten ernannt und 1524 in den neuen Indienrat entsandt, vgl. ders., Decadas del Nuevo Mundo, ursprünglich als Briefe nach Italien an Leo X., Clemens VII., A. Sforza u.a. gesandt, in Teilen, später gesammelt vielfach übersetzt und mit oder ohne seine Brief-sammlung publiziert; hier: Ders., Décadas, por Pedro MARTIR DE ANGLERÍA, Primer Cro-nista de Indias, 2. vols., México D.F. 1964.

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Karl hatte andererseits nach seiner Rückkehr aus dem Reich und der Be-gegnung mit Luther den Generaloberen des Dominikanerordens García de Loaysa als Beichtvater, Vorsitzenden des neu geschaffenen, für die Über-seegebiete zuständigen zentralen Indienrates und Leiter des Inquisitionsra-tes erwählt. Dieser Orden, wie alle Bettelorden betont städtisch ausgerich-tet, knüpfte zumindest in Teilen an die Florentiner Bewegung zur gegen das Papsttum gerichteten religiösen Erneuerungsbewegung Savonarolas an, prägte wesentlich die als spanische Spätscholastik bezeichnete, sich vom Humanismus abgrenzende Denkschule und bestimmte maßgeblich die Mis-sionsbemühungen und die kirchliche Organisation in Neuspanien/Mexiko. Als Karl V. nach seiner Krönung in Bologna durch Clemens VII. den dem spanischen Kolleg von Bologna nahestehenden spanischen Humanisten Ju-an Ginés de Sepúlveda als Chronisten an seinen Hof zog und zum Prinzen-erzieher für den späteren Philipp II. benannte, ergab sich tendenziell die Si-tuation, daß eine humanistisch geprägte, dem Hof verbundene Chronistik eher den Bettelorden verbundener, spätscholastischer Berichterstattung aus Übersee gegenüberstand.

Obwohl 2011 die erste, von der Gemeinde seines Geburtsortes finanzier-te kritische Gesamtausgabe der gesammelten Werke von Juan Ginés de Sepúlveda abgeschlossen und präsentiert wurde67 und R. Kagan 2009 eine erste Gesamtdarstellung der Hofchronistik publizierte68, ist der For-schungsstand zu dem Problemkomplex nach wie vor dürftig. Kagan bietet lediglich eine narrative Inhaltsübersicht über die wichtigsten Chronikenund bezieht sie auf die jeweiligen politischen Zusammenhänge, behandelt aber weder die Überlieferung noch die Editionsgeschichte. Zu dem ersten Chronisten zu Amerika, Pedro Mártir de Anglería, und der sich über Jahr-zehnte hinziehenden und ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte seines Werkes gibt es weder eine Geschichte seiner Rolle bei Hof, noch gründliche Studien zu seinen anderen Werken. Zu Bartolomé de las Casas gibt es eine wahre Flut von Studien und Editionen von Teilen seiner Schriften, die von Paulino Castañeda veranstaltete Gesamtedition ist aber nur eingeschränkt zu benutzen.69 López de Gómera, ebenfalls der Humanistengruppe aus Bo-

67 Juan GINES DE SEPULVEDA, Obras completas, 15 vols., Pozoblanco 1995–2010.68 Richard KAGAN, Clio and the Crown: the Politics of History in Medieval and Early Mod-

ern Spain, Baltimore 2009.69 Bartolomé DE LAS CASAS, Obras completas, ed. por Paulino CASTAÑEDA, 13 vols., Madrid

1988–1995, nannte sich anfangs „edición crítica“, ließ bei späteren Bänden diesen An-spruch aber fallen und ist ohne die dickleibigen Untersuchungen von Isacio PÉREZ FER-

NÁNDEZ, O.P., Inventario documentado de los escritos de Fray Bartolomé de las Casas,Bayamon/Puerto Rico 1981, 928 S. und ders.,Cronología documentada de los viajes, es-

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logna zuzuordnen und lange nur als Hofkaplan und Chronist von Hernán Cortés70 angesehen, hatte weithin unbeachtete, ja, in Vergessenheit gerate-ne Chroniken zur Geschichte des Mittelmeerraums in jener Epoche verfaßt. Erst vor wenigen Jahren wurde er breit biographisch und als Autor unter-sucht.71 Auf die wenig später erschiene kritische Edition von Bernal Díaz del Castillo wurde bereits hingewiesen.

Verlängert man die chronologische Perspektive vom Kaisertum Karls V. zur Herrschaft Philipps II. ohne den Kaisertitel, komplizieren sich die Pro-bleme zusätzlich, wird er doch sowohl als „El rey planeta“, „el rey prudente“ und „el rey católico“ bezeichnet.72 Inzwischen liegen auch zwei gewichtige deutschsprachige Monographien auf breiter empirischer Basis für diese Epoche vor, die im Titel die Bezeichnung „Imperium“ verwenden, ohne die imperiale Dimension gründlicher zu diskutieren, obwohl sie jeweils zentrale Probleme dazu untersuchen. D. Damlers73 exzellent dokumentierte Ver-tragsgeschichte läßt freilich die Arbeiten von Fisch, insbesondere zu den Verträgen mit indigenen Völkern, außer acht und konzentriert sich ganz auf die Ebene des Königtums. Arndt Brendecke74 untersucht erstmals gründ-lich und zusammenhängend die Erkundung Amerikas im königlichen Auf-trag im Lichte aktueller Fragestellungen, die freilich zeitgleich auch zu Spa-nien angestellt und in den Niederlanden von Abraham Ortelius kartogra-phisch umgesetzt wurde. Aber inwieweit lassen sich die Begriffe „Imperi-um“ und „Kolonialherrschaft“ angesichts der skizzierten Forschungsent-wicklung noch verbinden? Hierzu dürften von der neuesten Forschungs-richtung, die auf die Vernetzung der europäischen und amerikanischen Reichsteile abzielt, weiterführende Ergebnisse zu erwarten sein75, die

tancias y actuaciones de Fray Bartolomé de las Casas, Bayamón/Puerto Rico 1984, 1024 S., nur eingeschränkt zu benutzen.

70 Francisco LOPEZ DE GOMARA, Historia de las Indias y Conquista de México. Zaragoza 1552, hob in der Vorrede zu seiner Chronik hervor, daß die Entdeckung Amerikas das wichtigste historische Ereignis seit der Menschwerdung Christi war, möglicherweise die Ursache für die Anordnung Philipps II. die Edition zu verbieten und einziehen zu lassen.

71 Nora Edith JIMÉNEZ, Francisco López de Gómera, Zamora, Mich. / México D.F. 2001; vgl. auch Miguel Angel DE BUNES / dies., Guerras de Mar del Emperador Carlos V.[Com-pendio de lo que trata Francisco López en el libro que hizo de las guerras de mar de sus tiempos], edición , introducción y notas de …, Madrid 2000.

72 Peer SCHMIDT, Spanische Universalmonarchie oder „teutsche Libertet“. Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2001, S. 393ff.

73 Daniel DAMLER, Imperium Contrahens. Eine Vertragsgeschichte des spanischen Welt-reichs in der Renaissance, Stuttgart 2008, 634 S.

74 Arndt BRENDECKE, Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln / Weimar / Wien 2009, 486 S.

75 Bartolomé YUN (dir.), Las Redes del Imperio. Elites en la articulación de la monarquía hispánica, 1492–1714, Madrid 2009; Enrique GARCIA HERNAN, Consejero de ambos mun-

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schließlich auf den intensiven Personenaustausch zwischen Spanien und Hispanoamerika im Zeitalter der Unabhängigkeit zurückverweist.

Zusammenfassung

Der Essay zeichnet die historiographische Entwicklung des Begriffs „spanisches Imperium“ und seiner Generalisierung im Kontext der großen historischen Jubilä-en – 500 Jahre Kolumbus, 500 Jahre Geburt Karls V. und 200 Jahre lateinameri-kanische Unabhängigkeit – zwischen lateinamerikanischen und europäisch-anglo-amerikanischen Debatten der Nachkriegszeit nach. Das leitende Interesse gilt dem Bedeutungsgehalt des Imperiumskonzeptes in der Forschungsliteratur und der Frage nach Kontinuitätslinien zwischen Spanien und Neuspanien seit dem Kaiser-tum Karls V. bis zum mexikanischen Kaisertum Agustín I. (Itúrbide) der Unabhän-gigkeitszeit zwischen Anspruch und historischer Realität.

Summary

Following the development of historiography on early modern Spain the essay out-lines the increasing acceptance of the concept of the “Spanish Empire” since the great commemorations of 500 years Columbus, 500 years of the birth of Charles V and 200 years of Latin American Independence and the debates they produced in the context of efforts of their political instrumentalization. The guideline of interest refers to the meaning of the concept of empire in recent publications and the prob-lem of possible lines of continuity in Spain and New Spain from emperor Charles V to the Mexican emperor Agustín I of the independence period.

dos. Vida y obra de Juan de Solórzano Pereira (1575–1655), Madrid 2007; ders., Políticos de la Monarquía Hispánica (1469–1700), Madrid 2002; Hillard VON THIESSEN, Diploma-tie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605–1621 in akteurszentrierter Perspektive, Epfendorf/Neckar 2010.