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Aus der Neurochirurgischen Abteilung (Direktor: Prof. Dr. T. Riechert) und der Medizinischen Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. H. Sarre) der Universitiit Freiburg im Breisgau. Das EKG bei Stiirungen der zentralen vegetativen Regulation Von Wilhelm Umbaeh und Ludwig Seheffel Mit 8 Textabbildungen Die Abgrenzung organischer Herzsch~iden gegen zentralautonom aus- geliiste StiSrungen der Schlagfolge, der Erregungsbildung und -Leitung, der -Ausbreitung und der -tiiickbildung bedaff trotz vieler Einzelbeobachtungen und zahlreicher tierexperimenteller Untersuchungen einer weiteren Kl~irung. Die Hirnchirurgie bietet uns die MSglichkeit, den direkten EinfluB raum- beengender intrakranieller Prozesse auf die autonomen Zentren, die Zu- stands~inderungen w~ihrend eines operativen Eingriffs und die postoperati- ven St/Srungen innerhalb der zentralen Anteile des Vegetativums mit ihrem direkten EinfluB auf das EKG zu studieren. Das ist sehon des- halb yon Bedeutung, da das Risiko einer Hirntumoroperation dutch diencephale Fehlsteuerungen des Kreislaufs und der Atmung erheb- lich vergriSBert wird. Besonders Patienten mit stammhirnnahen Tumoren und solchen mit einer starken Hirnschwellung sind dureh die direkte Sch~idigung der iibergeordneten vegetativen Regulationszentren gef~ihrdet. Die genaue Kenntnis dieser wechselseitigen Beeinflussung ist abet nicht nur fiir die Diagnose und Therapie vieler Hirnschiidigungen (Contusionen, Psendotumor cerebri, uriimische, hypoxische und eklamptische Mangel- durchblutungen) bedeutsam, auch scheinbar prim~ir im Fieizleitungssystem des Herzens verankerte StiSrungen erfahren so oftmals eine andere, zentrale Deutung. Wit haben zur weiteren Kliirung dieses Fragenkomplexes in den letzten zwei Jahren bei Himtumorpatienten vor, wiihrend und nach operativen Eingriffen entsprechende Untersuchungen durchgefiihrt (Blutbild- und BSG- Ver~inderungen, Temperaturmessungen, RR- und Pulskontrollen). Hier sollen vor allem die EKG-Ver~inderungen besprochen werden. Die F~ille-(86 Pa- tienten, etwa 500 EKGs) werden an anderer Stelle eingehend betrachtet (Scheffe126); zusammenfassend sollen nut die wichtigsten Ergebnisse auf- gestellt und die klinisch interessierenden SchluBfolgerungen gezogen wet- den. Die tierexperimentell und beim Menschen beobachteten Stiirungen der kardialen Erregungsleitung bei tieizung oder Liision peripherer autonomer Nervenanteile werden nur soweit erforderlich erw~ihnt.

Das EKG bei Störungen der zentralen vegetativen Regulation

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Page 1: Das EKG bei Störungen der zentralen vegetativen Regulation

Aus der Neurochirurgischen Abteilung (Direktor: Prof. Dr. T. Riechert) und der Medizinischen Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. H. Sarre)

der Universitiit Freiburg im Breisgau.

Das EKG bei Stiirungen der zentralen vegetativen Regulation

Von

Wilhelm Umbaeh und Ludwig Seheffel

Mit 8 Textabbildungen

Die Abgrenzung organischer Herzsch~iden gegen zentralautonom aus- geliiste StiSrungen der Schlagfolge, der Erregungsbildung und -Leitung, der -Ausbreitung und der -tiiickbildung bedaff trotz vieler Einzelbeobachtungen und zahlreicher tierexperimenteller Untersuchungen einer weiteren Kl~irung. Die Hirnchirurgie bietet uns die MSglichkeit, den direkten EinfluB raum- beengender intrakranieller Prozesse auf die autonomen Zentren, die Zu- stands~inderungen w~ihrend eines operativen Eingriffs und die postoperati- ven St/Srungen innerhalb der zentralen Anteile des Vegetativums mit ihrem direkten EinfluB auf das EKG zu studieren. Das ist sehon des- halb yon Bedeutung, da das Risiko einer Hirntumoroperation dutch diencephale Fehlsteuerungen des Kreislaufs und der Atmung erheb- lich vergriSBert wird. Besonders Patienten mit stammhirnnahen Tumoren und solchen mit einer starken Hirnschwellung sind dureh die direkte Sch~idigung der iibergeordneten vegetativen Regulationszentren gef~ihrdet. Die genaue Kenntnis dieser wechselseitigen Beeinflussung ist abet nicht nur fiir die Diagnose und Therapie vieler Hirnschiidigungen (Contusionen, Psendotumor cerebri, uriimische, hypoxische und eklamptische Mangel- durchblutungen) bedeutsam, auch scheinbar prim~ir im Fieizleitungssystem des Herzens verankerte StiSrungen erfahren so oftmals eine andere, zentrale Deutung.

Wit haben zur weiteren Kliirung dieses Fragenkomplexes in den letzten zwei Jahren bei Himtumorpatienten vor, wiihrend und nach operativen Eingriffen entsprechende Untersuchungen durchgefiihrt (Blutbild- und BSG- Ver~inderungen, Temperaturmessungen, RR- und Pulskontrollen). Hier sollen vor allem die EKG-Ver~inderungen besprochen werden. Die F~ille-(86 Pa- tienten, etwa 500 EKGs) werden an anderer Stelle eingehend betrachtet (Scheffe126); zusammenfassend sollen nut die wichtigsten Ergebnisse auf- gestellt und die klinisch interessierenden SchluBfolgerungen gezogen wet- den. Die tierexperimentell und beim Menschen beobachteten Stiirungen der kardialen Erregungsleitung bei tieizung oder Liision peripherer autonomer Nervenanteile werden nur soweit erforderlich erw~ihnt.

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Die EKGs wurden mit dem Einfach-Direktschreiber (Siemens ,,Cardio- star") in Extremitatenableitung bei R~ckenlage durchgefiihrt, abweichende Lagerungen sind jeweils vermerkt. Die Papiergesehwindigkeit betrug 50 mm/sec (andere Geschwindigkeiten sind gekennzeiehnet), die Eichung 1 em = 1 inV. Die Ableitungen wurden vor, w~ihrend und taglieh (meist mehrfaeh) nach den Operationen vorgenommen bis zur eindeutigen R~ck- bildung der Ver~inderungen. Meist wird zweeks tlaumersparnis nur eine Ableitung abgebildet, sie ist jeweils bezeiehnet.

Friihere Untersuchungen

Ein Uberblick fiber die bisher gefundenen EKG-Ver~inderungen bei zentralen Fehlsteuerungen innerhalb des vegetativ-autonomen Gleichgewiehts umreil3t das Arbeitsgebiet (n[iheres bei Gagel 1~, Tartarini 2~). Beattie et al. 3 erzeugten bei Katzen dutch elektriscbe Reizung des oralen, parasympathischen Hypothalamus- gebietes Bradycardien, Herabsetzung der Erregbarkeit und ReizleitungsstSrungen (Verl~ingerung der Vorhofkammerfiberleitung). Durch Atropin bzw. periphere Vagusexhairese trat eine 1Rfickbildung ein. Sie sahen bei Reizung des kaudalen Hypothalamusgebietes, also des sympa~ischen Anteils, Taehycardien, ventriku- l~ire Extrasystolen, die auf Stellatumresektionen prompt ansprachen. Clementi r und MoUica aT erzeugten dutch Injektion physiologischer Kochsahlfsung in den 4. Ventrikel des Frosches Hirndruck und beobachteten danach das Auftreten ventrikuliirer Extrasystolen yon polytopem Typ. Ein kurzer Gleichstromreiz am Boden des 4. Ventrikels lr verursachte .ebenfalls polytope Extrasystolen q-Herz- blocks; bei Vagusbloekaden wurde ein Sistieren dieser Reizleitungsst6rungen be- merkt V, Zarday 29 erziehe dutch elektrisehe, pharmakologische und chemische Reize in der Hypothalamusregion yon Hunden Extrasystolen, heterotope Rhyth- men und sonstige Leitungsst6rungen. Pariscendi und Brenda 20 erhiehen, ghnlich wie Mollica, durch Einspritzen von KochsalzlSsung in die groBe Hinterhaupt- zisteme bei Hunden anf~inglich Bradycardien mit hohem zelff6rmigem T, bei weiterer Drucksteigerung Heterotopien, Bigeminie, abwechselnd mit Sinustachy- cardien und Atrioventrikulardissoziationen. Bei den ebenfalls beobaehteten hohen Abg~ingen yon ST handeh es sich wahrscheinlich um eine Erstickungsform des EKG (Exitus der Tiere innerhalb" 10 Minuten]), wie sie bereits von Decker-Straufi experimentell erzeugt und nachgewiesen wurden. V. Bogaert 5 hat durch Reizung im Gebiet des 8. Ventfikels kardiovaskul~ire Reaktionen erzielt, wobei neben arte- riellem l)berdruck Taehycardien, hohe P- und T-Wellen (vergleichbar mit der sogenannten vegetativen Form des EKG) gesehen wurden. Bei ~nderungen der Ausgangslage kam es aueh zu parasympathischen Rhythmus~inderungen, wie Bradycardie und vereinzelten Extrasystolen. Khnliche Versuche sind bekannt von Sacchi 24 cler in erster Linie Tachycardien nach Reizung des hypothalamischen Gebietes registrierte.

Die grol3e Zahl yon Einzelbeobachtungen bei umschriebenen Tumoren und L~isionen im Zwisehenhimbereieh oder im Itypothalamus des Mensehen mit zentralen Herzkreislaufalterationen soll bier nieht im einzelnen aufgefiihrt werden 2% as, ~% 2s. Es wurden dabei teils sympathisehe, teils parasympathisehe Reizleitungsstfrungen gefunden. Darauf soll spiiter eingegangen werden. Him- tumorf~ille, die bei organiseher Herz- und Kreislaufgesundheit elektrokardio- graphiseh Veranderungen aufwiesen, untersuehten Aschenbrenner und Bodechtel ' Sie sahen St-Senkungen und T-Abflaehungen bei jugenclliehen Hirntumorkranken als eine direkte Folge des Tumordruekes an. Dutch sie verursacht, so folgern sie,

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entsteht fiber l~ingere Zeit eine zentrale Taehyeardie, die unter Umst~inden dann zu einer organischen Coronarinsuffizienz ffihren kann. Zentral verursaehte coro- nare DurchblutungsstSrungen mit entsprechenden Myoeardsch~den sind auch andernorts beschrieben. Wir veffolgen dagegen seit 8 Jahren eine zentral aus- gelSste Tachycardie (der zentrale Basedow konnte' medikamentSs beseitigt wer- den), die bis jetzt keine Herzmuskelschiidigung aufweist.

Bei allgemein-chirurgischen Eingriffen werden ebenfalls EKG-Ver~inderungen durch das Operationstrauma hervorgerufen. Entseheidend ist aber, dab diese Reizleitungs- und ErregungsstSrungen sich bereits am 1. Tag, selbst bei un- giinstigen kardialen Verh~iltnissen (Strumektomien), sp~itestens in den ersten 10 Tagen wieder zurfickgebildet haben 26. Wenn der periphere Anteil des Sym- pathicus bzw. Vagus mechanisch gereizt oder geschiidigt wird (Oberbauchein- griffe), sind die Ver~inderungen meist deutlieher ~8, auch hier gehen jedoeh die St/Srungen vor dem 10. Tag zuriiek. Vergleiehsuntersuehungen yon Eiermann 1~ und Comnlnos s ergaben bei peripheren Eingrfffen innerhalb der ersten 5, zu- mindest innerhalb von 10 Tagen eine EKG-Renormalisierung, bei Seh~idelein- griffen jedoeh war die Riiekbildung zum Ausgangs-EKG meist nieht vor dem 20. bis 28. Tag naeh der Operation zu erwarten. Aueh hier handelte es sieh um Patienten ohne sehwerere Herzseh~iden.

Eigene Beobaehtungen Natiirlieh verursachen die relativ schweren und langdauernden Hirn-

eingriffe irritationsbedingte EKG-Ver~inderungen allein auf Grund der Operationsbelastung. Dureh den Tumordruck aber und die Hirnsehwellung bestehen in vielen Fallen bereits vorher supranukle~ire Dysregulationen mit ihrer StSrwirkung auf die Automatie-Zentren des Herzens. Wie noeh gezeigt wird, wirkt sieh die zentral ausgelSste Frequenz- und Rhythmusiinderung im Stadium der postoperativen Hirnsehwellungsphase, also zwisehen dem zweiten und vierten Tag am stiirksten aus. Um die dureh den Operations- Stress verursaehten vegetativen StSrungen mSglichst klein zu halten, wur- den unsere Eingriffe ausnahmslos in potenzierter Narkose, zum Teil mit kiinstlicher RR-Senkung durehgefiihrt. Wenn es notwendig war, wurden die Patienten erst naeh einigen Tagen aus der Hibemisation langsam ausge- sehleust. Dureh die Anwendung der lytisehen Misehungen wird die iiber- sehieBende Gegenregulation im vegetativen Nervensystem, d.h. das Irrita- tionssyndrom gebremst, die eigentliehe Reizphase bloekiert. Dazu kommt noeh eine psyehische D~impfung, die ohne die zusiitzliehe Belastung mit einer Allgemeinnarkose erreieht wird. Dureh diese ,,Entdramatisierung" wird aueh eine Verminderung aller das EKG beeinflussenden Faktoren er- zielt. Weiterhin wurden Blutverluste st~indig durch Transfusionen aus- gegliehen, Pharmaka mit Direktwirkung auf das EKG (z. B. Adrenalin) vermieden.

Prozesse der hinteren Schiidelgrube

Raumbeengende Prozesse im Bereich der hinteren Schiidelgrube (10 Fiille) zeigten die sehwersten Ver~inderungen. Bei 4 Patienten bestan- den bereirs vorher geringe bis, m~iBige ST-Senkungen 1, zwei davon waren bei eingehender kliniseher Untersuehung herzgesund. W~ihrend der Opera-

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tion, sicher auch mitbedingt durch die Bauchlage, herrschten Tachycardien vor, die noch mehrere Stunden naeh der Operation anhielten. Auf diese Tachycardien haben die Sympathikolytiea keinen EirtfluB 4. Eine Bewertung dieser EKGs haben wir unterlassen, da ja bekanntlich die Interpretation von Tachyeardieformen nicht eindeutig m5glieh ist. Druek oder Zug an der Medulla oblongata riefen in 8 Fallen f/Jr die Dauer der Manipulation Brady- cardien hervor (Abb. 1 b). Dieser abgebildete Fall ist vor allem durch seine

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Abb. 1. Ko., C~, 19 Jahre. Ependymom des IV. Ventrikels, 50 mm/see, a) Bauchlage nach Lokal- an~isthesie (ohne Adrenalin!). In Ruhe bestand bereits eine Taehyeardie yon 90 Minuten, jetzt nach Lagerung 120 Minuten bei RR 120/80. Die Kreislaufkrlsen bei der Aufnahme und diese Taehycardlen sind bei dem Alter ungewShnlich (Druekwirkung auf die Kreislauf-Regulations- zentren?), b) Bauchlage. W~hrend der Dura-Er6ffnung Druek auf die Medulla (Pfeil), dabei Frequenzminderung bis auf unter 60 Minuten, RR 85/70. e) 1. Tag p. o. Riickenlage. Frequenz 128 Minuten. Typen~inderung gegeniiber a), b) (linkstypiseh) zu c) (indifferent) dureh Lage- iinderung Baueh-Riiekenlage bedingt. Sonst Versehleehterung des Erregungsablaufes (ST st~irker gesenkt, T soweit bei dieser Tachyeardie beurteilbar, abgeflacht), wahrseheinlieh hypox~imisch bei gleichzeitiger Cheyne-Stoekesscher Atmung. (Druek auf Atemzentrum im Stadium tier reak- tiven Hirnsehwellung, Tumor nu t partiell entfernbar.) Aus iiul3eren Grfinden bis zum Exltus

(am 2. Tag) keine Ableitung mehr durchgeffihrt.

schweren EKG-Ver~inderungen 25 vor, wiihrend und nach der Operation bg- merkenswert. Es handelt sich um ein nur teiloperables, well aus dem 4. Ventrikel in das zentrale Grau eingewachsenes Ependymom, das die kaudalen Hypothalamusgebiete tells direkt, tells durch den Verschlul3 der inneren Liquorwege mit Liquorrtickstau sehwer sch~idigte. Die partielle Exstirpation erbrachte eine leidliehe Liquorzirkulation, darauflain kam es

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klinisch und im EKG zur voriibergehenden Besserung (Abb. 1 e). Im Sta- dium der Hirnschwellung jedoch trat dureh die unbehebbare Schadigung der Atmungs- und Kreislaufzentren der Exitus ein. Auch bei weniger massi- yen Direkteinwirkungen auf die dieneephalen Zentren k6nnen mittelbar (dutch Abflul3behinderung des Liquors) St5mngen der autonomen Kreis- laufregulatoren verursacht werden (Abb. 2). Die primar gesehadigten Ge- biete werden dureh die postoperative Hirnsehwellung und die Liquor- tiberproduktion natiirlich starker tangiert. Wir beobaehteten bei all diesen Operationen vom zweiten his dritten postoperativen Tag ab erneut be-

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Abb. 2. Tr5., ~ , 39 Jahre. Acusticus-Neurinom, 50 mm/sec, Ableitung II. a) Ruhe-EKG, tlR 135/85, m~13ige ST-Senkung und T-Abflachung in Ableitung I und II bei indifferentem Typ. Ursaehe: Tumordruck? Anamnestisch und klinisch kein Anhal t fiir organisches Herzleiden. b) 8. Tag p. o. ItR 185/80, Liquordruek 800 mm H~O. Schwere ST-Senkung mit vSlliger Abflachung yon T. Ursaehe: p . o . Hirnschwel lung und aseptische Meningitis als Operationsfolge. c) 8. Tag p. o., ttR 185/80. 4 Stunden nach Druckentlast~ng des Lumbal raumes yon 800 auf normal 80 mm H-20.

Deutliehe Riiekbildung der ST-Senkung mit angedeutet positiver T-Zacke.

sonders starke ST-Senkungen, Abflaehung oder Negativwerden von T (Abb. 2 b), gehaufte Rhythmus- und 13berleitungsstSrungen (Abb. 8), in 2 Fallen auch eine Negativierung yon P2 und Ps. Eindeutig wirkt sieh (Abb. 2 b und e) eine Druekentlastung des Lumbalraumes im EKG aus. Eine derart eklatante Normalisierung der Erregungsriiekbildung ist beim peripherbedingten, hypoxamisehen Herzmuskelsehaden bestenfalls im Laufe einiger Woehen, nicht aber innerhalb weniger Stunden zu beobachten (siehe aueh Abb. 6). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Beobaehtung einer Bigeminie bei Ventrikulographie, die sieh bereits 20 Minuten vor dem Auftreten einer Cheyne-Stokessehen Atmung zeigte und erst naeh An- legen einer Ventrikel-Dauerdrainage zu einem Sinusrhythmus riickbildete. Eine Iliiekkehr zum praoperativen EKG - - in einigen Fallen sogar zu einem besseren EKG - - kam in einem Fall bis zum siebenten Tag (nur Probefrei-

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legung ohne Nachweis eines krankhaften Befundes!), in einem weiteren naeh 11 Tagen, bei den anderen erst vom 14. Tag ab, bei 2 erst am 28. hzw. am 24. Tag zur Beobachtung. 2 F~lle starben am zweiten bzw. dritten Tag. Es mul3 aus alledem geschlossen werden, da6 sowolfl das Auftreten wie auch der R/ickgang der schweren Ver~inderungen im Verlau[ des

Abb. $. Tre., (~, 42 Jahre. Lindau-Tumor in H6he des 4. Ventrikels, total entfernt. 50 ram/see. Ableitung II. Vat der Operation Kreislaufkrisen, leichte paroxysmale Tachyeardie, im EKG eine angedeutete Senkung der ST-Streeke mit diphasischem T in Ableitung i und II. 2. Tag p .o . Auf Grund der PIirnsehwellung f~r zwei Tage Hemiparese, gIeiehzeitig sehwere I~hyth-

musstSrung, Blockierung des av-i)berleimng im Sinne einer Wenkebaehsehen Periodik.

Abb. 4, Ka., (~ 29 Jahre. Kavern6ses Rankenangiom irn untersten Anteil der Fissura Sylvit auf fronto-orbitale Rinde und Temporalpol iibergreifend, teilweise entfernt, teilweise geklipt. 51) ram/see, a) Ruhe-EKG, Rtl 140[90, Frequenz 62 Minuten, indifferenter Typus des EKG, nor- maler Erregungsablauf, hohes zeltf6rmiges T~, vegetative Form (dutch Irritation der kortikalen Autonomiezentren?). b) 2. Tag p. o. (beginnende Hirnsehwellung bzw. -erweichung), RR 110/80. Frequenz-Verlangsamung, deutliche VergrSl3erung vor allem vort tt2 (yon 1,g auf 2,5 mV), STe deutlich gesenkt, TI vsn ig abgettaeht; jetzt zeigt sieh also ein eindeutig pathologiseher Er-

regungsablauf. Exltus am g. Tag dutch unstillbare Naclablutung bel Hirnerweiehnng.

Zwischenstiickes und der Endsehwankung in direkter Abh~ingigkeit zu den subtentoriellen raumfordernden Prozessen bzw. der postoperativen Him- sehwelhmg steht. Infolge der unmittelbaren Nachbarsehaft zu den lebens- wichtigen Zentren und der Liquorriickstauung verursachen sie st~irkste MifS- verh~iltnisse im autonomen Gleichgewicht.

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Grofihirntumoren Die zweite Gruppe (10 Patienten) umfagt Eingriffe am Grol3hirn ein-

schliel31ich der hypophysen- und sellanahen Tumoren. Hier bestanden im Ruhe-EKG vor der Operation nur bei 2 Fallen ST-Senkungen mit T-Ab- flachungen (z. B. Abb. 5). Intraoperativ wurde auch hier immer eine Taehy- cardie durch die vegetative Irritation erzeugt. Einmal trat bei Zug am Hypophysenstiel (direkte Hypothalamusreizung) eine passagere Bradycardie

Abb. 5. S a , C~, 59 Jahre. Rtlhrenf6rmiges inoperables Glioblastom, temporo-okzipital bis zur hinteren Stammganglientai l le reiehend. Nut Knoehenentlastungl zur Behebung der raseh fort- sehreitenden BewuBtseinsstSrung. a) 50 mm/see, ST1 q-.9 gesenkt, T2 stark abgeflacht bei in- differentem Typ (organischer Herzschaden nieht feststellbar; tumort;se Infiltration der vege- tativen Zentren oder des Nucleus reticularis thalami als Ursaehe der EKG-Ver~nderung?). b) 2. Tag naeh der Knoehenentlastung. 12 Uhr 5 Minuten, 25 mm/sec, Frequenz 140 Minuten, Ableitung II. Jetzt wird die anfangl lehe p. o. Taehyeardie du tch gehgufte polytope E. S. unter- broehen, zeitweilig AV-Dissoziationen; Vorhof 200, Kammer I40 Sehl~ige pro Minute. e) 2. Tag p. o. 12 Uhr 20 Minuten, 15 Minuten uach 50 mg Megaphen intraven6s, 25 mm/sec, Ablei tung II. Durch die vegetative Blockade des Phenothiazins gel ingt es einige Male die sehwere Reiz- lei tungsst6rung ftir 20 bis 40 Mirmten zu unterdriieken, es kommt wieder zu einer regelm~iBigen

Sinus-Taehyeardie (140 Minuten).

auf. Im Stadium der Hirnschwellung kam es ebenfalls erneut zu ST- und T-Senkungen, die aber nieht so sehwer waren und sieh bereits vom vierten Tag ab, sp~itestens bis zum zehnten Tag v611ig zuriiekbildeten. Ein grol3es kavern6ses Rankenangiom im unteren Anteil der Fissura Sylvii mit Aus- breitung auf die orbitale Hirnfl~iehe wies zeltf6rmige T-Verl~iufe (Abb. 4) im Sinne einer vegetativen EKG-Form auf. Sic entstand m6glieherweise dureh die direkte Seh~idigung der kortikalen Autonomiezentren 9, _,~ (siehe Abb. 8).

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Wir beobachteten sie aueh bei groBen Hypophysentumoren, m/Sglicherweise durch die Direkteinwirkung auf iitmliche autonome Repr/isentationszentren in der Area 24 2~ oder des Hypothalamus 5. Zu Beginn der Himsehwellung oder einer auf Grund gest6rter Blutversorgung entstandenen Hirnerwei- chung l~iBt sich ein deutlieh pathologischer Erregungsablauf nachweisen (Abb. 4 b). Der Tod trat am dritten Tag dutch unstillbare Nachblutung ein (Erweichungseffekt?). EKG-Ver~inderungen wies aueh ein zeffallendes Gliom auf, das tier zur hinteren Stammganglientaille vorgedrungen war. Es

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d Abb. 6. Schm., d ' , 47 Jahre. Okzip.-temp. Oligodendrogliom, in das Seitenhorn eingewachsen, subtotale Entfernung. Im Ruhe-EKG ger inggradige ST-Senkung, T angedeute t dlphasisch, a) Ab- le i tung II, 25 ram/see, Btl 125/75. 5. p. o. Tag, EKG vor LP (Druck 280 mm H~O). Sinu-auriku- l~re Lei tungsst6rung kenntl ieh am diphasisehen P1, 2[ b) Eine Stunde naeh Druckent lastung, jetzt ungest6rter Sinusrhythmus zusammen mit einer deutl ichen Besserung der Erregungsriiek- b i ldung, T angedeutet positiv, e) 6. p. o. Tag, Ableitung wie oben. ST + T wie in a) ver~indert. d) Eine Stunde nach Pendlomid t / i ickgang der ST-Senkung auf die Ganglienblockade, abet

nicht so eindeutig wie in Abb. 6 b auf die zentrale Blockade dutch Phenothiazin.

soll nicht diskutiert werden, ob die pr/ioperativen EKG-Anderungen auf Grund eines organisehen Herzschadens oder durch die direkte Tumor- wirkung zentral entstanden. Auff/illig ist, dab nach dem nur kleinen, knochenentlastenden Eingriff, vielleicht auf Grund der bei malignen Tu- moren besonders starken Himschwellung, eine iiugerst bedrohliehe av-Dis- soziation naeh einer Periode geh~iufter polytoper E.S. auftrat. Mit dem sympathikolytisehen Phenothiazin gelingt es jedoeh und nur ftir die Dauer der Medikamentenwirksamkeit, eine regelm~igige Sinustachyeardie zu er- zielen (Abb. 5 c). Die Taehyeardie selbst war unbeinfluBbar. Dies wird von B e r n s m e i e r ~ f/Jr das Warmbltiterherz als typisch angegeben, well der sym- pathische Reizzustand hierbei wahrscheinlich als inhibitoriseher Effekt auf den normalerweise iiberwiegenden Vagus aufgefaBt werden mug, die Sym-

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pathicolytica aber nieht anti-inhibitoriseh wirken kSnnen. Aueh mit den Ganglienblockern 20, 2~, a gelingt es, Hirnsehwellungszust~inde mit und ohne LiquorerhShung zu verringem und damit die Fehlsteuerung im adrenergi- schen System auszugleichen. Die Abb. 6 veranschaulicht den eindeutig normalisierenden Effekt der lumbalen Druckentlastung am 5. postoperativen Tag im Vergleich mit einer /ihnliehen, zentral entlastenden Wirkung des Pentamethoniums am seehsten Tage.

Wir haben Modellversuehe an der Katze dureh extradurales Einf/ihren eines Handsehuhgummi-Ballons von einem temporo-okzipitalen Bohrloeh

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Abb. 7. Tierversuch (Katze Nr. 5, ~ , 3,2 kg, Numal-Narkose), 50 mm/sec, Ablei tung II. a) Ab- le i tung vor kiinstlicher Erzeugung eines raumbeengenden Prozesses. T e c h n i k s. Text. b) Nach 10 Minuten Hirndruckste igerung, deutl iehe T-Abflachung. 3. Versueh, bei zwei vorausgegan- genen Rfickkehr zum Ausgangs-EKG nach 15 Minuten, bzw. 13 Minuten. e) 10 Minuten nach Ent las tung: Rfickbfldung eines hoeh positiven T. d) 4. Versuch: Nach 15 Minuten Htrndruck- stelgerung, Abflachung zu einem praktisch isoelektrischen T. e) 4. Versuch: Nach 20 Minuten Hirndruckste igerung zentraler Atemstillstand; sofortige kfinstliche Atmung, dabei Verl[ingerung der Oberleitungszeit (P--Q yon 0,08 Sekunden auf 0,13 Sekunden) und deutl ieh Verbrei terung yon S (beginnende intraventrikul~re LeitungsstSrung). f) Trotz Wiederauftretens elner ge- legent l lchen Sehnappa tmung keine Erholung des Atemzentrums, das EKG bleibt bei kfinst-

l icher Atmung fiber weitere 10 Minuten unver~indert; Ablei tung nach 5 Minuten.

aus durchgefiihrt. Durch Auff~llen bzw. Ablassen des Wassers wurde ein k/instlicher, genau dosierbarer und rasch reversibler Hirndruck erzeugt. Das Volumen des Ballons wurde maximal auf etwa 1/20 des Katzenhirns aus- gedehnt, der Druck bewuBt mehr nach der Tiefe und in die Gegend der Zwischenhirnzentren gerichtet. Wie die Abb. 7 zeigt, gelingt es bei vor- sichtigem Vorgehen eine direkte Parallelit~it zwischen Hirndruck und Reiz- leitungsstSrungen, mehr noeh StSrungen der Erregungsrtickbildung, am Herzen mehffach zu reproduzieren.

Stereotaktische Eingriffe

Bei einer dritten Gruppe wurden mit dem Riechertschen stereotaktischen Ger~it durch Elektrokoagulation eng umschriebene Ausschaltungen im Tha-

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lamus- bzw. Hypophysengebiet gesetzt. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dal3 ohne Craniotomie in tiefen Hirnstrukturen gezielte Aussehaltun- gen yon Bahnen und kleinen Tumoren durehgeffihrt werden kSnnen. Es kommt dabei zu keiner nennenswerten oder nur zu einer eng umsehriebenen reaktiven Hirnschwellung. Trotz enger Nachbarsehaft zu den hypothala- misehen vegetativen Zentren haben wir keine intra- oder postoperativen EKG-Ver~inderungen registrieren kSnnen, obwohl der Eingriff sieh fiber 3 bis 4 Stunden erstreekte. Lediglich die Cystenpunktion bei einem Cranio- pharyngeom hatte ffir einen Tag eine geringe ST-Senkung und T-Abflaehung zur Folge; dies ist wahrseheinlieh aber auf die Reaktion des hypothalami- sehen Gebietes naeh der Druckentlastung zu beziehen. Dutch diesen, man kSnnte sagen negativen Gegenbeweis ist einmal mehr der primfire Einflul3 des Tumordrueks bzw. der Hirnsehwellung auf die hypothalamisehen t/e- gulationsareale und damit auf die zentrale Rhythmus- und Frequenzsteue- rung am Herzen erwiesen.

Diskussion

Weshalb kommt es gerade bei den Eingriffen in der hinteren Seh~idel- grube zu soleh signifikanten zentralen StSrungen? Zur Erkl~irung soll die sehematisehe Skizze (Abb. 8) dienen. Sie veransehaulieht die raumliehe Nfihe der medialen Hirnwasserraume, der zentralen vegetativen Kerngebiete und der Steuerungseinriehtung der gesamten Hirnt~itigkeit. Diese zentralen vegetativen Kernareale vor allem im Dieneephalon und Hypothalamus ent- spreehen Funktionssystemen, die die kollektive Sieherung im Ablauf der vegetativen Regulation fiberwaehen. Sie sind nieht Kerne mit einer um- sehriebenen Leistung, sie stellen das Itegulationsgleiehgewieht innerhalb der nukle~iren autonomen Nervenanteile in der Peripherie, im t/iickenmark und in den hSheren Leistungssystemen (z. B. in den Vaguskernen) sieher. Eines der Wiehtigsten, erst in den letzten Jahren niiher erforsehten Reizleistungs- bzw. Steuerungssysteme ist die sogenannte Substantia retieularis (auf der Skizze dunkel getSnt). Dureh sie gehen alle afferenten sensoriseh-sensiblen und viseeralen Zuleitungen, sie hat neben der Cortex-Integration gleiehzeitig einen steuernden Einflul3 auf alle efferenten Abl~iufe aueh der ,,vegetativen" Bahnen, einerlei ob sie fiber das Rfiekenmark oder fiber periphere Nerven verlaufen. Sie ist als Sehrittmaeher der BewuBtseinslage und der Anpas- sungsf~ihigkeit des Hirns an alle k5rperliehen und geistigen Leistungen an- zusehen. Sie steht so aueh in enger Verbindung mit kortikalen autonomen Reprgsentationsgebieten, die sich vor allem auf der orbitalen Seite des Frontalhirns befinden 21, 22. Auf Grund der engen Verfleehtung clieser supra- nuklNiren Regulationszentren im Stammhirn und Zwisehenhirn und Jhrer Ausdehnung bis zur Medulla oblongata ist es verstgndlieh, dab vor allem Seh~idigungen in der hinteren Sehiidelgrube St5rungen im autonomen System verursaehen. Im Tierversueh kann zwar dureh gezielte Reizung und Aussehaltung einzelner Keme bei umsehriebener tlegistriermSgliehkeit das Funktionsgebiet genau bestimmt werden, beim Mensehen mul3 man sieh darauf beschr~inken, die Auswirkung des Ausfalls kleinerer oder grSl3erer Steuerungskomplexe zu betraehten. Es wird so aueh verst~indlieh, dab Him-

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Das EKG bei St6rungen der zentralen vegetativen Regulation 431

sch~idigungen dureh raumverdr/ingende Tumoren, dureh Schwellungs- oder hypoxische Zustande racist zu komplexen Ph~inomenen innerhalb der auto- nomen Regulation fiihren werden. Wir haben deshalb aueh nieht versueht, eine bestimmte Relation zwisehen Sch~idigungsort und Art der StiSrung im kardialen Erregungsmuster herzustellen.

Es liegt an der weitgehenden Kompensationsf~ihigkeit des Hirns, dab nur bestimmte zentrale Prozesse sehwerwiegende Seh/idigungen in diesem Be-

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Abb. 8. Grob schematisehe Obersicht fiber die r~iumliehen Beziehungen der autonomen Regu- lationszentren mit den Stammhirnregionen und den medialen Hirnwasserr~iumen. Der 8. Ven- trikel ist niebt ausgezeiehnet. Die einzelnen Hirnstammgebiete sind dureh gestriehelte Linien abgeteilt (Di ---- Dieneephalon, Fiy. Th. ~ Hypothalamus, Mes ~ Meseneephalon, Rh z Rhomb- eneephalon, M. o. ~ Medulla oblongata). Der kaudale Anteil des Dieneephalon und Hypothalamus (senkreeht sehrafflert) entspricht dem sympathisehen Kerngebiet naeh Beattle u .a . und ist identisch mit den ergotropen Funktionszentren naeh Hess; der orale Anteil (nieht sehraffiert) entsprieht dem parasympathisehen Kerngebiet bzw. den trophotropen Funktionszentren. Die Substantia retieularis mit ihren vier Hauptarealen ist dunkelget~Jnt. Die orbitale Stirnhirnfl~iehe ist etwas nach oben gedreht, die sehraffierten Gebiete entspreehen einigen kortikalen Repr~- sentationsgebieten des vegetativen Systems: 1. Vagus, 2. Atmung, 8. Herz. Die weiteren Ab- kfirzungen bedeuten: B = Balken, C. a. ---- Commissur. ant., C. p. = Commissur. post., C. m. z = Corp. mamill., Cb. = Cerebellum, Hy. ---- Hypophyse, M.i . ---- Massa intermedia, Te. P. -----

Temporalpol.

reich setzen. Dies tun vor allem L/isionen in der tiefen medialen Hirnregion direkt oder dutch die Liquorbloekade. Tumoren, die im hypothalamischen oder dieneephalen Bereieh selbst sitzen, kommen in der Klinik selten l~ingere Zeit zur Beobaehtung, da sie meist rasch zum Tode fiihren. Eine Tumor- Exstirpation kann hier jedenfalls nicht gewagt werden.

Kleinhirnnahe Prozesse sind relativ h~iuflg, aus o. a. Griinden erzeugen sic eine Mitsch~idigung der Regulationsareale und damit schwere kardiale Leitungs- und FrequenzstSmngen, die dann im einzelnen nieht auf rein sympathisehe oder parasympathische StSrungen bezogen werden k6nnen.

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439, Wilhelm Umbach und Ludwig Scheffel:

GroBhirnprozesse sch~idigen diese Integrationsgebiete m6glieherweise durch ZerstSrung der kortikalen autonomen Areale, meist jedoch durch die L~ihmung der basalen Zentren auf Grund der Massenverschiebung des wachsenden Tumors oder der begleitenden Hirnschwellung. Vor allem ver- ursachen Prozesse im Temporallappenbereich besonders leicht Einklem- mungen der Hirnstammanteile im Tentoriumschlitz (Syndrom der Cisterna- ambiens-Verquellung) und damit lebensbedrohliche Atmungs- und Kreis- laufstfrungen 13. Ihre Operabiliffit und die postoperative Lebenserwartung ist eng mit der diagnostischen und therapeutischen Erkenntnis des Schadi- gungsausmaBes innerhalb der ,,Lebenszentren" verkniipft. An Hand der EKGs kann aber auf die Schwere des Prozesses geschlossen, eine Kontrolle des Verlaufs und eine Anpassung der therapeutischen MaBnahmen erleich- tert werden.

Zusammenfassung

1. Durch fortlaufende EKG-Untersuchungen bei 25 Patienten mit Hirntumoren konnten aufsehluBreiche Beziehungen zwischen Tumorsitz und zentralen StS- rungen der kardialen Rhythmik vor, w~ihrend und nach Hirneingriffen nach- gewiesen werden.

2. Nach unseren Beobachtungen sind es vor allem subtentorielle Neubil- dungen, die entweder dutch direkten Druck auf die autonomen 1%gulations- systeme, meist jedoch indirekt durch die konkomittierende Hirnschwellung und Liquorblockade die schwersten kardialen Leitungsst6rungen verursachen.

3. Bei ihnen traten w~ihrend und nach der Operation trotz medikament/~ser Blockade des vegetativen Systems schwere und vor allem langdauernde (fiber 14 Tage) Tachycardien, St6rungen der Erregungsbildung, - - Ausbreitung und - - Riickbildung am Herzen auf. Bei GroBhirnprozessen sind diese St~rungen nieht so stark und - - etwa in Analogie zu den stressbedingten EKG-Veriinderungen bei allgemein-chirurgischen Eingriffen - - bis zum 10. Tag zuriickgebildet, sower nicht bereits irreparable Sch~iden der autonomen Zentren durch Tumorinfiltra- tion oder -druck entstanden waren.

4. Der unmittelbare Einflul3 des Tumorwachstums, der Hirnschwellung und des Liquorrfickstaues wird dureh den normalisierenden Effekt der Tumorexstir- pation, der Lumbalpunktionen, sowie der sympathicolytischen und ganglioplegi- schen Medikamente auf das EKG erwiesen.

5. Modellversuche mit artifiziellem Hirndruck bei der Katze best~itigen durch ihre Reversibilit~it nach Druckentlastung die Befunde am Menschcn. Eingriffe ohne nachfolgende Hirnschwellung (stereotaktische Operationen) verursachen praktisch keine kardialen Fehlsteuerungen. Auf den Entstehungsmodus dieser zentral-autonomen Dysregulationen wird an Hand eines Schemas der lebens- wiehtigen Steuerungsareale im Hirnstamm eingegangen.

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Anschrif t des Verfassers: Doz. Dr. habil . W. Umbach, Neurochi rurgische Klinik der Universit~it F re iburg im Breisgau, Deutschland.

Acta Neurovegetativa, Bd. XII, HefL 4 28